Ist Europa noch zu retten? - Progressive Sozialdemokraten

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Ist Europa noch zu retten?
von Philipp Novak
Ist Europa noch zu retten? - Diese Frage stellt man sich angesichts der
massiven Probleme, mit denen die europäische Politik gegenwärtig
konfrontiert ist und die auch die Sozialdemokratie in Zukunft weiterhin
beschäftigen wird.
Dabei beruht die Krisendiagnose häufig auf einem Missverständnis: Es
handelt sich bei der EU-Krise nicht um ein einfaches Konjunkturproblem,
das durch die Finanzkrise ausgelöst wurde. Bei dieser Krise geht es
vielmehr um massive Strukturprobleme!
Die südeuropäischen Länder wie Italien, Spanien, Griechenland,
Portugal und sogar Frankreich haben im Grunde genommen zwei
Probleme: die Schulden und die fehlende Wettbewerbsfähigkeit. Die mit
Einführung des Euro auf historisch niedrige Werte gesunkenen Zinssätze
begünstigten die Schuldenaufnahme. Massive Kapitalimporte nach
Südeuropa wurden ausgelöst. Dieses Kapital wurde zur Erhöhung der
Löhne im öffentlichen und privaten Sektor benutzt. Die gestiegenen
Löhne
bewirkten
eine
Produktivitätsniveau
verschwand.
In
Steigerung
hinaus,
Deutschland
so
dass
der
die
hingegen
Preise
über
das
Wettbewerbsfähigkeit
waren
die
Lohn-
und
Preissteigerungen unterdurchschnittlich. Auf diese Weise kamen die
Leistungsbilanzungleichgewichte in der Eurozone zustande.
Die Reaktion auf die Krise war ein harter Sparkurs. Lohnsenkungen
sollten die Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen. Diese Politik geht auf
Kosten einer ganzen Generation junger Menschen in Südeuropa. Die
EZB begünstigt diese Umverteilung nach oben durch den Ankauf von
Staatspapieren und nun auch Schrottpapieren.
Viele wünschen sich eine Art Europäischen Marshallplan als Alternative.
Das Problem ist allerdings, dass dieses Gegenstück zur so genannten
Austeritätspolitik auch nicht funktioniert. Hätte es funktioniert, wären
heute in Ostdeutschland blühende Landschaften vorhanden, wie sie
Helmut Kohl versprochen hat. In Ostdeutschland wurden so viele
Subventionen bereitgestellt, dass die Kapitalkosten sogar negativ
wurden. Es hat alles nichts gebracht: Im Jahr 2014 betrug das
ostdeutsche BIP/Einwohner 66% des Westniveaus, 1995 knapp 60%. Es
gab
keine
nennenswerte
realwirtschaftliche
Konvergenz!
Der
Aufholprozess fand nicht statt. Ähnliches gilt für den italienischen
Mezzogiorno.
Investitionsprogramme
wurden
in
Wirklichkeit
zu
Transfers.
Der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky bezeichnet die EU als ein
Europa der Konzerne. Und er kritisierte den Neoliberalismus, der Europa
zerstört. Dieser Einschätzung ist gewiss zuzustimmen.
Man muss
allerdings hinzufügen, dass dieser Neoliberalismus struktureller Natur ist.
Der Euro legt der Politik sozusagen 'sachzwanghafte' Beschränkungen
auf, weshalb auch Sozialdemokraten diese Rosskur mittragen. Die
Austerität
würde
zu
einer
Deflation
führen,
die
wieder
zu
wettbewerbsfähigen Preisen führen könnte.
John Maynard Keynes wäre für eine offene Abwertung der Währung
eingetreten. Er hat Winston Churchill in seiner Schrift „The Economic
Consequences of Mr. Churchill“ vorgeworfen, mit der Rückkehr zum
Goldstandard die britische Wirtschaft zu ruinieren. Anfang der 1930er
Jahre musste Großbritannien tatsächlich abwerten.
Die Kunst besteht für die Politik darin, dass Wege gefunden werden
müssen, die Abwertungen ermöglichen, ohne Europa zu zerstören:
Formell könnten die Krisenstaaten, die am schlimmsten von der
Wirtschaftskrise erfasst wurden weiterhin in der Eurozone verbleiben und
dann eine Parallelwährung einführen, die sie abwerten. Ebenso müssen
weitere Schuldenschnitte erfolgen. Die anderen Krisenstaaten, die keine
Extremfälle darstellen, wie z.B.: Italien und Frankreich müssen
Strukturreformen umsetzen, um ihre wirtschaftliche Krise zu überwinden.
Man kann sich nämlich nicht aus der Krise herausinvestieren, sondern
nur durch strukturelle Reformen wettbewerbsfähiger werden, wie dies
Eurogruppenchef Dijsselbloem richtig auf den Punkt gebracht hat.
Die Debatte zwischen Sparen und Investieren ist großteils eine
Scheindebatte.
Wir
werden
beides
brauchen,
um
Europa
neu
aufzustellen. Wenn man aber „Investieren“ sagt und Staatskonsum
meint, werden die so genannten Investitionen wieder verpuffen. Und wo
der Weg zurück zur Wettbewerbsfähigkeit zu weit ist, ist eine
Währungsabwertung verbunden mit Schuldenschnitten der leichtere
Weg.
Das
wäre
eine
Integrationsprojekts.
Lösung
Denn
zur
die
Rettung
derzeitige
des
europäischen
EU-Krisenpolitik
ist
integrationsfeindlich!
Literatur:
Keynes, J. M. (1925):The Economic Consequences of Mr. Churchill. In: Essays in
Persuasion, S. 244-270
Ragnitz, J. (2014): Wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland: Stand und
Perspektiven, ifo dresden
Scharpf, F. W. (2014): Comment: The Eurocrisis as a Victory of Neoliberalism. In:
John Erik Fossum/ Agustín Menéndez (eds), The European Union in Crises or the
European Union as Crises? Oslo: Arena, 143-154
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