VegüV – Business as Usual?

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GesKR2
2015
206
Andreas Müller*
Aufsätze
VegüV – Business as Usual?
Inhaltsübersicht
I.Überblick
II.Statuten
III. Genehmigung der Vergütung
1. Reihenfolge der Traktandierung
2. Erläuterung der Anträge
3. Richtlinien der Stimmrechtsberater
4. Gegenstand der Genehmigung und ­Bewertung
4.1 Performance-Based Long-Term Incentive Awards
4.2 Sozialversicherungs- und Pensions­kassenbeiträge
4.3 Feste Anzahl Beteiligungsrechte
4.4 Dividend Equivalents
4.5Wechselkursschwankungen
4.6 Vergütungen für Mandate in Tochter­gesellschaften
4.7Doppelmandate
4.8 Reservebeträge als Teil des beantragten
­G esamt­betrages
5. Abweichende Aktionärsanträge
6. Veränderungen in der Geschäftsleitung
IV. Offenlegung der Vergütung
V. Corporate Governance-Bericht
VI. Unzulässige Vergütungen
1. Vergütung im Voraus
1.1Ersatzzahlungen (Replacement Awards)
1.2 Einmalige Vergütungen bei Stellenantritt
2.Transaktionsprämien
2.1 Vergütung besonderer Leistungen
2.2Retentionszahlungen
3.Abgangsentschädigungen
3.1 Aufhebungsvereinbarungen und Vergleiche
3.2 Einzahlungen in die berufliche Vorsorge
VII. Rück- und Ausblick
I.Überblick
Im Nachgang zur Generalversammlungs-Saison 2014 hat
sich der Fokus der Unternehmen von der Anpassung der
Statuten an die Vorgaben der VegüV auf deren Einhaltung im Unternehmens«alltag» verschoben. Zum einen
mussten die meisten betroffenen Gesellschaften 2015
den Aktionären erstmals Gesamtvergütungsbeträge für
Verwaltungsrat und Geschäftsleitung zur bindenden Ge-
nehmigung unterbreiten. Zum anderen erfolgten erste
Wechsel in der Geschäftsleitung und M&A-Transaktionen unter dem Regime der VegüV.1
Nach einem Überblick über den Marktstandard in Sachen Statuten werden VegüV-bezogene Fragen diskutiert, welche die Gesellschaften in den letzten Monaten
häufig beschäftigt haben.
II.Statuten
Nachdem zahlreiche Gesellschaften ihre Statuten bereits
an der letztjährigen ordentlichen Generalversammlung
an die VegüV angepasst haben, mussten beziehungsweise
müssen die verbleibenden Gesellschaften die Statutenrevision an der diesjährigen ordentlichen Generalversammlung traktandieren.2 Richemont wird von den SMI
und SMIM-Gesellschaften Mitte September den Abschluss bilden.
Bei denjenigen Gesellschaften, die ihre Statutenänderungen dieses Jahr bereits beschlossen oder traktandiert
haben, zeigen sich gegenüber der letzten Generalversammlungs-Saison keine neuen Trends. Sie folgen im
Wesentlichen den Vorlagen derjenigen Gesellschaften,
die ihre Statuten letztes Jahr revidiert haben.3 Der folgende Standard hat sich entwickelt:
1
2
3
* Dr. iur. Andreas Müller, LL.M., Rechtsanwalt in Zürich. Anna
­Peter, Claude Lambert und David Oser danke ich herzlichst für ihre
zahlreichen Anregungen.
Zur Anpassung der Arbeitsverträge an die VegüV vgl. Lambert,
Arbeitsverträge mit der Geschäftsleitung unter der VegüV, GesKR
4/2014, 475–483.
Lehnt eine Generalversammlung wider Erwarten die traktandierten
Statuten ab, ist zur Verabschiedung des zwingend notwendigen Statuteninhalts eine ausserordentliche Generalversammlung einzuberufen (Praxiskommentar VegüV-Lambert/Müller, Art. 27 N 20;
eine generelle Pflicht zur Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung ablehnend, aber eine Pflicht zum Ergreifen der
zumutbaren Schritte zu einer so rasch wie möglichen Anpassung
bejahend BSK-VegüV-Kägi, Art. 27 N 23).
Vgl. den Überblick in Watter/von Büren, VegüV: Erste Erfahrungen, GesKR 3/2014, 302–317; für Musterklauseln Praxiskommentar
VegüV-Lambert/Müller, Art. 12 und Müller/Oser, Art. 18 und
19. Vgl. auch die ethos-Studie über die Umsetzung der Minder-Initiative (VegüV), Oktober 2014.
• Vergütung
– Abstimmung oder Genehmigung: Die Statuten
legen fest, ob die Generalversammlung die vom
Verwaltungsrat beantragten (maximalen) Gesamtbeträge genehmigt oder darüber beschliesst. Sehen
die Statuten eine Genehmigung vor, können die
Aktionäre weder eigene Anträge stellen noch dem
Verwaltungsrat sonstige bindende Anweisungen
im Bereich der Vergütungen erteilen. Sie können
einzig den Antrag des Verwaltungsrates genehmigen oder zurückweisen. Antragsberechtigt ist nur
der Verwaltungsrat. Räumen die Statuten der Generalversammlung eine Beschlussfassungskompetenz ein, können die Aktionäre eigene Anträge
stellen. Aufgrund der in der Regel weiten Formulierung des Verhandlungsgegenstandes kann jeder
Aktionär an der Generalversammlung eigene Anträge stellen.4
Da für Vergütungsabstimmungen Aktionärs­
anträge in aller Regel ungeeignet sind, hat die
überwiegende Mehrheit der betroffenen Gesellschaften (wenn nicht sogar alle) statutarisch eine
Genehmigungskompetenz verankert.5
– Genehmigungsmodell: Die Statuten müssen ferner
die Einzelheiten der Genehmigung der Vergütung
regeln. Dazu gehört insbesondere der Entscheid,
auf welche Vergütungsperiode sich die Genehmigung bezieht und ob sämtliche Vergütungskomponenten des Verwaltungsrates beziehungsweise
der Geschäftsleitung gesamthaft oder aufgegliedert nach wesentlichen Bestandteilen zur Abstimmung gebracht werden. Auch rund eineinhalb
Jahre nach Inkrafttreten der VegüV hat sich kein
einheitliches Modell durchsetzen können. Die
Trends, die sich bereits im Verlauf des Jahres 2014
abzeichneten, setzten sich jedoch fort.6 Die Genehmigung der Vergütung des Verwaltungsrates
bezieht sich meist auf die kommende Amtsdauer.7
Die Vergütungen der Geschäftsleitung werden oft
in einer Gesamtabstimmung für das kommende
Geschäftsjahr genehmigt.8 Retrospektive Genehmigungen beziehen sich mehrheitlich auf die
kurzfristige variable Vergütung (da nach Ablauf
des Geschäftsjahres der Geschäftserfolg feststeht
4
5
6
7
8
Vgl. BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 119 ff.; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 134 ff.
Sämtliche Statuten der SMI- und SMIM-Gesellschaften, die bereits
revidiert wurden, sehen eine Genehmigungskompetenz vor.
Vgl. dazu Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 142
und 183 ff.; Watter/von Büren (FN 3), 304.
95 % der SMI-Gesellschaften (wobei Roche und Swatch die variable Vergütung separat retrospektiv genehmigen lassen) und 81 %
der SMIM-Gesellschaften (wobei Helvetia die variable Vergütung
separat retrospektiv genehmigen lässt). Die Angaben beziehen sich
jeweils auf 19 SMI-Gesellschaften (d.h. ohne Richemont) und 26
SMIM-Gesellschaften (d.h. ohne EMS-Chemie).
53 % der SMI- und 58 % der SMIM-Gesellschaften.
2015
und entsprechend diese Vergütungskomponente
in voller Kenntnis der Umstände zugesprochen
werden kann)9 beziehungsweise teilweise auf die
variable Vergütung insgesamt10, aber nicht auf die
feste Vergütung.11 Die retrospektive Genehmigung findet sich insbesondere bei Gesellschaften
aus dem Finanz- und finanznahen Bereich.
Vereinzelte Gesellschaften überlassen die Festsetzung der jeweiligen Vergütungsperiode generell
dem Verwaltungsrat.12 Die meisten Statuten legen
wie erwähnt die Vergütungsperioden fest, sehen
aber vor, dass der Verwaltungsrat in Einzelfällen
von der statutarischen Regelung abweichen darf;
die statutarisch verankerten Vergütungsperioden
gelten somit im Sinne einer default rule.13
Zahlreiche Gesellschaften unterbreiten der Ge­
neralversammlung zusätzlich den Vergütungsbericht zur retrospektiven Konsultativabstim­mung.14
Einige Statuten verpflichten den Ver­
waltungsrat
dazu.15
– Zusatzbetrag: Der Zusatzbetrag ermöglicht, dass
Gesellschaften bei Veränderungen in der Geschäftsleitung neuen oder beförderten Mitgliedern die Vergütungsbestandteile für diejenigen
Vergütungsperioden, die bereits von der Generalversammlung genehmigt wurden, zusätzlich zu
den genehmigten Beträgen und ohne Genehmigung durch die Generalversammlung aus dem Zusatzbetrag ausschütten dürfen, wenn die genehmigten Beträge nicht ausreichen.16 Die Statuten
9
10
11
12
13
14
15
16
11 % der SMI- und 8 % der SMIM-Gesellschaften.
11 % der SMI- und 15 % der SMIM-Gesellschaften. Der Verwaltungsrat der Credit Suisse hat sich 2015 ebenfalls für eine rückwirkende Genehmigung der variablen Vergütung entschieden.
2 SMI- und 3 SMIM-Gesellschaften lassen jedoch die fixe Vergütung für das laufende Geschäftsjahr (und damit teilweise retrospektiv) genehmigen. Syngenta sieht – je nach Entscheid des Verwaltungsrates – eine Genehmigung für das laufende oder folgende
Geschäftsjahr vor.
Beispiele: Credit Suisse, Syngenta. Vgl. Huber, Vergütungsfestsetzung nach Art. 95 Abs. 3 BV, Diss. Zürich 2015, N 853; von
der Crone/Brugger, Salärgovernance, SZW 2014, 241–254, 253.
Die Zulässigkeit einer solchen Regelung ablehnend GesKR-Kommentar VegüV-Daeniker/Gerhard, Art. 18 N 12; Philippin, La
mise en oeuvre de l’initiative «contre les rémunérations abusives»,
SJ 2014 II, 261–340, 289.
89 % der SMI- und 73 % der SMIM-Gesellschaften. Entsprechende
Bestimmungen lauten z.B. wie folgt: «Der Verwaltungsrat kann der
Generalversammlung abweichende oder zusätzliche Anträge in Bezug auf die gleichen oder andere Zeitperioden vorlegen.» Vgl. dazu
Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 187 ff., m.w.H.
Vgl. auch den Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, Anhang 1, Rz 38, der dies für den Fall der prospektiven Genehmigung der Gesamtvergütung als Möglichkeit (nicht aber als
ausdrückliche Empfehlung) vorsieht.
42 % der SMI- und 22 % der SMIM-Gesellschaften.
Art. 19 VegüV. Vgl. dazu BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann,
Art. 19 und Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 19, je
m.W.H.
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Aufsätze
GesKR 2
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
GesKR 2
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sehen fast ausnahmslos einen Zusatzbetrag vor;
Höhe sowie Bezugsgrösse variieren erheblich.17
– Grundsätze der erfolgs- und anteilsbasierten Vergütung: Die grosse Mehrheit der Gesellschaften
beschränkt sich – den Anforderungen der VegüV
genügend – auf die Regelung der wesentlichen
Grundsätze. Damit verbleibt genügend Flexibilität, auf neue Best Practices und Forderungen der
Investoren einzugehen und das Vergütungssystem adjustieren zu können, ohne stets die Statuten
ändern zu müssen. Bei den fast jährlich erfolgenden Anpassungen der Vergütungssysteme ist dies
der empfehlenswerte Ansatz. Im Gegenzug für
eine gewisse Offenheit der Statutenbestimmungen legen, wie erwähnt, viele Gesellschaften den
Vergütungsbericht den Aktionären zu einer Konsultativabstimmung vor. Dieser legt die anwendbaren Vergütungsregeln detailliert offen.
• Externe Mandate: Die Statuten müssen festhalten,
wie viele zusätzliche externe Mandate Verwaltungsräte und Geschäftsleitungsmitglieder ausüben dürfen.18 Sie unterscheiden in der Regel zwischen Verwaltungsräten und Geschäftsleitungsmitgliedern
sowie zwischen verschiedenen Kategorien von Mandaten: Mandate in börsenkotierten Gesellschaften,
in nicht kotierten Gesellschaften (teilweise abgestuft
nach Grösse), in gemeinnützigen Organisationen/
Stiftungen etc. und Mandate im Auftrag der Gesellschaft. Der Belastung entsprechend ist die Anzahl
zusätzlicher Mandate für Geschäftsleitungsmitglieder üblicherweise niedriger angesetzt als für Verwaltungsräte. Zusätzliche börsenkotierte Mandate
für Verwaltungsräte sind – insbesondere den Empfehlungen des Stimmrechtsberaters ISS folgend – oft
auf vier und für Geschäftsleitungsmitglieder auf ein
Mandat beschränkt.19
• Verträge über die Vergütung: Die Statuten müssen
die maximale Dauer der Verträge über die Vergütung des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung
regeln, wobei Dauer oder Kündigungsfrist höchs-
17
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
2015
Die Mehrheit der Statuten bezieht sich auf die zuletzt genehmigte
Vergütung (89 % der SMI- und 65 % der SMIM-Gesellschaften).
18 Art. 12 Abs. 1 Ziff. 1 VegüV. Vgl. dazu BSK-VegüV-Kägi, Art. 12
N 22 ff. und Praxiskommentar VegüV-Lambert/Müller, Art. 12
N 15 ff., je m.w.H. Die Statuten von 95 % der SMI- und 96 % der
SMIM-Gesellschaften halten fest, dass mehrere Mandate in verschiedenen Rechtseinheiten, die unter einheitlicher Kontrolle oder
gleicher wirtschaftlicher Berechtigung stehen, als ein Mandat gelten
(sog. Gruppenklausel); so auch zRating, Abstimmungsrichtlinien
zur Ausübung von Stimm- und Mitwirkungsrechten bei Schweizer
Publikumsgesellschaften, Dezember 2014, Ziff. 4.9b).
19Verwaltungsrat: 74 % der SMI- und 46 % der SMIM-Gesellschaften. Aryzta, Nobel Biocare, Swisscom und Zurich Insurance Group
sehen eine Beschränkung auf 3 Mandate in börsenkotierten Unternehmen vor. Geschäftsleitung: 63 % der SMI- und 62 % der SMIMGesellschaften. Aryzta und Swatch lassen kein zusätzliches Mandat
in einem kotierten Unternehmen zu. Vgl. auch Watter/von Büren
(FN 3), 307.
tens ein Jahr betragen dürfen.20 Auch hier hat die
Mehrheit der Gesellschaften entschieden, sich nicht
unnötig Handlungsoptionen zu verschliessen. Für
Verwaltungsräte wird regelmässig auf (die einjährige) Amtsdauer und Gesetz verwiesen.21 Die Kündigungsfrist für Geschäftsleitungsmitglieder beträgt
für unbefristete Arbeitsverträge meist ein Jahr;22 die
Möglichkeit einjähriger befristeter Arbeitsverträge
wird regelmässig offengehalten.23
Zudem sehen etliche Statuten vor, dass die Gesellschaft gegen Zahlung einer Karenzentschädigung
Konkurrenzverbote für eine gewisse Dauer (oft bis
zu einem Jahr) eingehen darf, sofern die Gesellschaft
daran ein Interesse hat.24 Eine solche Statutenbestimmung soll ein gewisses Mass an Rechtssicherheit
bieten, wenn Bedarf besteht, ein Konkurrenzverbot
abzuschliessen.25
• Darlehen/Kredite/Vorsorgeleistungen ausserhalb der
beruflichen Vorsorge: Sofern eine Gesellschaft ihren
Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitgliedern
Darlehen oder Kredite einräumen oder Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge ausrichten will, muss dafür eine Statutengrundlage bestehen; ansonsten ist dies unzulässig.26 Ausserhalb
des Finanzsektors haben viele Gesellschaften darauf
verzichtet, für Darlehen und Kredite eine Statutengrundlage zu schaffen. Einige Gesellschaften haben
sogar festgehalten, dass keine Darlehen und Kredite
ausgerichtet werden, beziehungsweise nur an Geschäftsleitungsmitglieder.27 Mangels Praxisrelevanz
hat die Mehrheit der Gesellschaften keine Grundlage für Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen
Vorsorge geschaffen.28 Nach der h.L. handelt es sich
bei Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen
Vorsorge um Leistungen, die für die Dauer nach Ende
der Organmitgliedschaft ausgerichtet werden und die
nicht auf Beiträgen beruhen, die von der Generalversammlung früher als Teil der Vergütung genehmigt
wurden.29 Entsprechend ist m.E. eine Statutengrundlage entbehrlich, da solche Leistungen in der Praxis
20
Art. 12 Abs. 1 Ziff. 2 VegüV. Vgl. dazu BSK-VegüV-Kägi, Art. 12
N 60 ff. und Praxiskommentar VegüV-Lambert/Müller, Art. 12
N 78 ff., je m.W.H.
21 79 % der SMI- und 54 % der SMIM-Gesellschaften.
22 Sämtliche SMI- und SMIM-Gesellschaften.
2368 % der SMI- und 77 % der SMIM-Gesellschaften.
24 63 % der SMI- und 58 % der SMIM-Gesellschaften.
25 Zu den im Vorentwurf zur Revision des Obligationenrechts (Aktienrecht) vom 28. November 2014 vorgeschlagenen Einschränkungen siehe Art. 735c Abs. 1 Ziff. 2 und 3 und Abs. 2 VE-OR 2014 und
Müller/Oser, VegüV – Quo vadis?, GesKR 1/2015, 98–108, 105 f.
26 Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 und Art. 20 Ziff. 4 VegüV. Vgl. dazu BSKVegüV-Kägi, Art. 12 N 79 ff. und Pöschel, Art. 20 N 123 ff., und
Praxiskommentar VegüV-Lambert/Müller, Art. 12 N 117 ff. und
Oser/Müller, Art. 20 N 151, je m.w.H.
27 32 % der SMI- und 19 % der SMIM-Gesellschaften.
2884 % der SMI- und 54 % der SMIM-Gesellschaften.
29 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Lambert/Müller, Art. 12 N 121.
Im Ergebnis gl.M. BSK-VegüV-Kägi, Art. 12 N 93 ff.
kaum je ausgerichtet werden. Der Entscheid derjenigen Gesellschaften, eine Grundlage für solche Leistungen vorzusehen, war weitgehend durch die Unsicherheit motiviert, welche Leistungen vom Begriff
der «Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen
Vorsorge» erfasst sind, insbesondere im Hinblick auf
ausländische Vorsorgeleistungen.
III. Genehmigung der Vergütung
An der diesjährigen ordentlichen Generalversammlung
müssen beziehungsweise mussten sämtliche Gesellschaften, die der VegüV unterstehen, die Vergütung für den
Verwaltungsrat, die Geschäftsleitung und allenfalls einen
Beirat genehmigen lassen.
Die Statuten – beziehungsweise bei noch fehlender Statutengrundlage der Verwaltungsrat30 – bestimmen, für
welche Periode die Vergütung genehmigt werden muss.
Sehen die Statuten beispielsweise vor, dass die Vergütung für das folgende Geschäftsjahr genehmigt wird,
untersteht die Vergütung, die für das Geschäftsjahr 2015
ausgerichtet wird, keiner Genehmigung.31 Dies gilt – gemäss dem massgebenden Prinzip der periodengerechten
Abgrenzung32 – auch dann, wenn die Vergütung für das
Geschäftsjahr 2015 zugesprochen wurde, aber erst im
Geschäftsjahr 2016 oder später ausbezahlt wird beziehungsweise vested.
Nachstehend werden ausgewählte Fragen, die in der
Vorbereitung zur ordentlichen Generalversammlung
2015 regelmässig aufkamen, diskutiert. Es wird auch aufgezeigt, inwieweit sich ein Marktstandard etabliert hat,
und wo im Hinblick auf die nächste ordentliche Generalversammlung Optimierungsbedarf besteht.
1.
Reihenfolge der Traktandierung
Für die Standard-Traktanden einer ordentlichen Generalversammlung hat sich eine übliche Reihenfolge etabliert: Zuerst werden der Geschäftsbericht und allenfalls
konsultativ der Vergütungsbericht abgenommen, dann
die Gewinnverwendung beschlossen, Décharge erteilt
und schliesslich die Wahlen durchgeführt. Bezüglich der
Einordnung der Genehmigung der Vergütung bestand
eine gewisse Unsicherheit. Soll die Vergütung vor den
Wahlen traktandiert werden, sodass sich – so zumindest
die Überlegung in Theorie – die Verwaltungsratskandidaten bei Ablehnung der Vergütung entscheiden können,
ob sie sich weiterhin zur Wahl stellen? Soll die retrospektive Genehmigung den rückwirkenden Traktanden (Ab-
30
Art. 31 Abs. 2 und 3 VegüV.
Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 31 N 7 f.; BSKVegüV-Watter/Maizar/Blaeser/Glanzmann, Art. 31 N 5.
32 Siehe dazu nachstehend Abschnitt III.4.
31
2015
nahme Geschäftsbericht, Gewinnverwendung und Décharge) zugewiesen und die prospektive Genehmigung
im zweiten, vorausschauenden Teil (z.B. im Zusammenhang mit den Wahlen) traktandiert werden?33 Oder soll
die Abstimmung ganz ans Ende gelegt werden, falls die
Anträge kontrovers sein oder generell längere Diskussionen auslösen sollten?
Da die überwiegende Mehrheit der Stimmen bereits im
Vorfeld der Generalversammlung an den unabhängigen
Stimmrechtsvertreter abgegeben wird und die Anträge in
der Regel nicht kontrovers sind, ist die Reihenfolge der
Traktandierung letztlich irrelevant. Zudem finden sich
für fast alle Varianten Vor- und Nachteile. Entsprechend
konnte sich auch kein Standard durchsetzen.
2.
Erläuterung der Anträge
Die Anträge des Verwaltungsrates an die Generalversammlung betreffend Genehmigung der Vergütung sind
aus rechtlicher Sicht nicht zu begründen.34
In der Praxis erläutern die Verwaltungsräte der meisten Gesellschaften ihre Anträge dennoch.35 Dafür gibt
es mehrere Gründe: Auch wenn rechtlich über einen
Gesamtbetrag abgestimmt wird, wird faktisch das Vergütungssystem gutgeheissen. Sofern dieses von der relevanten Vorperiode abweicht, sind die Änderungen den
Aktionären zu erklären. Ferner fallen bei einer prospektiven Abstimmung die beantragten Beträge regelmässig
(erheblich) höher als die effektiven Vergütungen der
Vorperiode aus, da für gewisse Vergütungselemente
wie variable Bonuszahlungen Maximalbeträge zu berücksichtigen sind. Auch dies schafft Erklärungsbedarf.
Schliesslich verlangen Stimmrechtsberater sowie (institutionelle) Aktionäre ein Mindestmass an Hintergrundinformationen.
Bei einer Vielzahl von Variationen hat sich folgender
Marktstandard herausgebildet:
• Werden Vergütungselemente retrospektiv genehmigt,
wird teils ohne ausführliche Zusatz-Erläuterungen
auf den Vergütungsbericht verwiesen, da in der Regel
die offengelegte Vergütung mit dem beantragten Gesamtbetrag übereinstimmt.36
Erklärungsbedürftige Abweichungen bestehen insbesondere, wenn eine Gesellschaft Long-Term Incentive Awards retrospektiv genehmigen lässt und für
die Genehmigung – anders als für die Offenlegung
33
So z.B. Swiss Re mit grafisch hervorgehobener Aufteilung zwischen
«retrospektiven» und «prospektiven» Traktanden.
34 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 77, m.w.H.;
a.A. Erläuternder Bericht vom 14. Juni 2013 zum Vorentwurf zur
Verordnung gegen die Abzockerei, 20.
35 So auch die Empfehlung des Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, Anhang 1, Rz. 31 («begründet […] auf nachvollziehbare Weise»).
36 Beispiele: GAM, Givaudan.
209
Aufsätze
GesKR 2
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
GesKR 2
Aufsätze
210
im Vergütungsbericht – nicht auf den fair ­value unter Annahme der Zielerreichung, sondern auf den
Wert unter Annahme des Erreichens der maximalen
Leistungsziele abstellt.37 Insbesondere SMI-Gesellschaften fassten jedoch in den Erläuterungen über
einen blossen Verweis hinaus die wesentlichen Ausführungen des Vergütungsberichts üblicherweise zusammen.38
• Im Fall einer prospektiven Genehmigung erläutern
Gesellschaften regelmässig, wie der oder die beantragten Gesamtbeträge zustande kamen und wie die
Gesellschaft diese(n) zu verwenden gedenkt. Insbesondere bei der Genehmigung eines Gesamtbetrages
wird unter anderem zahlenmässig festgehalten, wie
der Gesamtbetrag voraussichtlich auf die einzelnen
Vergütungskomponenten wie fixe, kurzfristige variable und langfristige variable Vergütung aufgeteilt
wird.39
• Insbesondere bei Genehmigung eines Gesamtbetrages für das folgende Geschäftsjahr bestehen erhebliche Differenzen zwischen der im letzten Vergütungsbericht ausgewiesenen tatsächlichen Vergütung
und dem beantragten Gesamtbetrag. Neben allfälligen geplanten oder reservehalber einberechneten
Lohnerhöhungen ergibt sich diese Differenz unter
anderem daraus, dass für den kurzfristigen, in bar
ausgerichteten Bonus die maximal mögliche Auszahlung (d.h. unter Annahme der maximalen Erreichung aller Leistungsziele) in den Gesamtbetrag
einberechnet werden muss. Wie nachfolgend erläutert wird, stellen zudem einige Gesellschaften auch
bei anteilsbasierter, langfristiger variabler Vergütung
nicht auf den Wert dieser Vergütungselemente unter
Annahme der Zielerreichung, sondern der maximal
erreichbaren Zuteilung ab.40 Ohne Erläuterung der
Differenz zwischen effektiver Vorjahres-Vergütung
und dem Antrag besteht das Risiko einer negativen
Stimmempfehlung seitens der Stimmrechtsberater.41
Deshalb rechnen zahlreiche Gesellschaften neben
dem beantragten Maximal-Gesamtbetrag hypothetische Maximal-Gesamtbeträge für das Vorjahr aus.
Die Erläuterungen weisen also nicht nur die effektiv
ausgerichtete Vergütung z.B. für das Geschäftsjahr
2014 (und allenfalls früher) aus, sondern auch den
Betrag, der unter Zugrundelegung der 2014 geltenden Vergütungspläne und -richtlinien maximal hätte
ausgerichtet werden können.42 Somit können Stimm-
37
38
39
40
41
42
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
2015
Vgl. dazu nachstehend Abschnitt III.4.1.
Beispiele: Credit Suisse, Julius Bär, Swiss Re, UBS.
Beispiele: Addecco, Geberit, Holcim, Nestlé, Novartis, Sulzer,
Transocean, Zurich Insurance Group.
Vgl. nachstehend Abschnitt III.4.1.
Vgl. nachstehend Abschnitt III.3.
Beispiele: ABB, Geberit, Holcim, Julius Bär, Lindt & Sprüngli,
Lonza, Nestlé, Novartis, Syngenta, Transocean, Zurich Insurance
Group.
rechtsberater und Aktionäre Gleiches mit Gleichem
vergleichen.
Ab der Generalversammlung 2016 wird sich dieses
Problem entschärfen, da Stimmrechtsberater und
Aktionäre voraussichtlich die Anträge mit den Vorjahresanträgen vergleichen werden, und die zuletzt
offengelegte effektiv ausgerichtete Vergütung – anders als bei der Konsultativabstimmung über den
Vergütungsbericht – weniger im Fokus stehen wird.
• Die Erläuterungen finden sich in der Einladung
selbst,43 in einem Anhang dazu oder einer separaten
Broschüre44 oder vereinzelt im Vergütungsbericht.45
Letzteres bedingt jedoch, dass die Anträge im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Geschäftsberichts
bereits feststehen. Grössere Gesellschaften publizieren regelmässig umfangreiche Erläuterungen.
Je detaillierter die Erläuterungen ausfallen, desto relevanter wird die Frage, inwieweit Gesellschaften daran
gebunden sind. Können bei einer zahlenmässig ausgewiesenen Aufteilung des Gesamtbetrages auf die fixe, die
kurzfristige variable und die langfristige variable Vergütung in Abweichung davon z.B. auch nicht erläuterte
Sonderboni oder Retentionszahlungen ausgerichtet werden, solange der genehmigte Gesamtbetrag nicht überschritten wird? Insbesondere wenn die Erläuterungen
– wie in der Praxis häufig der Fall – ausdrücklich festhalten, dass sie nur indikativer und nicht verbindlicher
Natur sind, haben sie keine Bindungswirkung.46 Aus einer investor relations-Perspektive kann von den Erläuterungen jedoch wohl nur aus guten Gründen abgewichen
werden.47
3.
Richtlinien der Stimmrechtsberater
Aufgrund der beachtlichen Beeinflussung des Stimmverhaltens insbesondere von institutionellen Investoren
haben die den Stimmrechtsempfehlungen zugrunde liegenden Richtlinien der Stimmrechtsberater48 grossen
Einfluss auf die Ausgestaltung der Vergütungsanträge
43
Beispiele: Baloîse, Dufry, Lonza, OC Oerlikon, Straumann, Swiss
Re, Syngenta, Transocean (als Teil des Proxy Statement).
44 Beispiele: ABB, Credit Suisse, Geberit, Givaudan, Holcim, Julius
Bär, Lindt & Sprüngli, Nestlé, Novartis, Sulzer, Temenos, UBS, Zurich Insurance Group.
45 Beispiele: GAM, Roche, Schindler, Zug Estates.
46Vgl. Huber (FN 12), N 880.
47 Vgl. dazu die nachstehend in Abschnitt III.4.8. diskutierte Möglichkeit, ausdrücklich Reservebeträge vorzusehen, um zu verhindern,
dass Mittel des Gesamtbetrages «zweckentfremdet» werden.
48 ISS: Europe Summary Proxy Voting Guidelines, 22. Dezember
2014, abrufbar unter http://www.issgovernance.com/file/policy/2
015europesummaryvotingguidelines.pdf; GlassLewis: Guidelines
2015 Proxy Season – Switzerland, 2015, abrufbar unter http://www.
glasslewis.com/assets/uploads/2013/12/2015_GUIDELINES_
Switzerland.pdf; ethos: Richtlinien zur Ausübung der Stimmrechte
2015, Dezember 2014, abrufbar unter http://www.ethosfund.ch/
upload/publication/p435d_141204_Ethos_Richtlinien_zur_Aus
bung_der_Stimmrechte_und_Grundstze_zur_Corporate_Gover
nance.pdf (alle zuletzt am 9. Mai 2015 aufgerufen).
des Verwaltungsrates und der Erläuterungen. Besonders
erwähnenswert sind die folgenden Richtlinien und Erwägungen von ISS:
• ISS verglich die beantragte Gesamtvergütung mit
der für das Vorjahr offengelegten effektiven Vergütung. Bei erheblichen Erhöhungen (in Einzelfällen
bereits ab 5 %), die nicht begründet wurden, lehnte
ISS den Antrag ab. Zeigten die Erläuterungen neben
der effektiven Vergütung für das Vorjahr die damals
maximal mögliche Vergütung auf, verglich ISS diese
maximal zulässige Vergütung mit dem beantragten
Maximal-Gesamtbetrag.
• ISS lehnt Anträge, die eine im Marktvergleich exzessive Vergütung zulassen, ab.
• ISS berücksichtigt bei der Beurteilung der Gesamtbeträge die Offenlegung und Erläuterungen und
begrüsst eine Aufteilung des Gesamtbetrages auf
Teilbeträge für fixe und variable Vergütung in den Erläuterungen.
• Im Falle einer zusätzlichen konsultativen (retrospektiven) Abstimmung gibt ISS in Bezug auf die bindende Genehmigung nur bei ernsthaften Bedenken eine
Nein-Empfehlung ab.
Ferner beachtet ISS auch bei der Beurteilung der Anträge
auf Genehmigung der Gesamtbeträge unter anderem die
folgenden Grundsätze:
• Anträge, die Optionen oder vergleichbare anteilsbasierte Vergütungen oder Pensionsleistungen oder
-beiträge für nicht-exekutive Verwaltungsräte vorsehen, werden abgelehnt.
• Variable Vergütungen an nicht-exekutive Verwaltungsräte werden kritisch betrachtet.
• Anträge, die Karenzentschädigungen für Konkurrenzverbote vorsehen, die eine Jahresvergütung übersteigen, werden abgelehnt.
4.
Gegenstand der Genehmigung und
­B ewertung
Neben den Vorgaben von Art. 18 Abs. 3 VegüV sind
bei der Genehmigung der Vergütung insbesondere zwei
Grundregeln zu beachten:
• Vergütungen sind periodengerecht abzugrenzen und
entsprechend zur Genehmigung zu unterbreiten.
• Die Generalversammlung stimmt über Gesamtbeträge ab, d.h. über einen Geldbetrag in Schweizer Franken oder einer anderen Währung.49 Entsprechend
sind sämtliche Vergütungselemente zu bewerten.50
49BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann,
Art. 18 N 94 ff.; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 34.
50BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 163; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 49 ff., mit allgemeinen Ausführungen zur Bewertung und w.H.
2015
Im Einzelnen: Wie bei der Offenlegung und der Rechnungslegung gilt für die Genehmigung der Vergütung
das Prinzip der periodengerechten Abgrenzung (sog.
­accrual principle). Der Beschluss der Generalversammlung bezieht sich auf diejenige Vergütung, die für die
Vergütungsperiode zugesprochen wurde beziehungsweise zugesprochen werden kann, über welche abgestimmt
wird. Dies bedeutet, dass nicht der Zeitpunkt der Auszahlung oder des definitiven Rechtserwerbs massgebend
ist. Relevant ist vielmehr die Zeitperiode, für welche Vergütungen zugeteilt beziehungsweise zugesprochen werden (sog. grant) – unabhängig davon, ob die Auszahlung
oder der definitive Rechtserwerb nach dem Ende dieser
Vergütungsperiode erfolgt.51 Boni, die Leistungen für
das Vorjahr honorieren, sind somit im Rahmen der Abstimmung über die Vergütung für jenes Jahr zu genehmigen. Long-Term Incentive Awards, die mehrjährigen Zuteilungsbedingungen unterliegen, bilden grundsätzlich
Vergütung für ein bestimmtes Jahr. Sie sind im Rahmen
der Genehmigung der auf dieses Jahr anwendbaren Vergütungsperiode zu genehmigen, in Höhe der gesamten
Zuteilung (grant).52
Die Bewertung der Vergütung erfolgt zum Verkehrsoder Marktwert beziehungsweise Zeitwert (fair value).53
Massgebend ist der Zeitpunkt der Zuteilung (grant), unabhängig von allfälligen Ausübungsbedingungen und
-fristen (vesting conditions and periods), Verkaufs- oder
Übertragungsbeschränkungen (selling/transfer restrictions) oder sonstigen Bedingungen (z.B. forfeiture provisions) (die jedoch für die Bewertung berücksichtigt
werden).54 Das grant date ist unabhängig davon massgebend, ob der fair value der Vergütungen im Zeitpunkt
des definitiven Rechtserwerbs (vesting) oder der Ausübung (exercise) höher oder tiefer als im Zuteilungszeitpunkt sein wird.
Die Bewertung von in bar ausgerichteten Vergütungen
ist unproblematisch. Es gilt der Nominalwert. Bei einem
Aufschub der Fälligkeit beziehungsweise Auszahlung,
der wertmässig nicht unerheblich ist, kann der Nominalbetrag diskontiert werden. Andere Bedingungen (z.B.
ungekündigte Anstellung im Auszahlungszeitpunkt)
51BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann,
Art. 18 N 146; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 42.
52BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 146 und 162; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 43 f.
53BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 163; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 51; Schmid/Maizar, Longterm incentive plans, GesKR 1/2014, 22–43, 33 ff.; von der Crone/Huber, Festlegung von Vergütung in Publikumsgesellschaften.
Umsetzungsvorschlag für Art. 95 Abs. 3 BV, SJZ 2014, 297–308,
304.
54BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 164; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 61; Schmid/Maizar (FN 53),
33 ff.; a.A. von der Crone/Huber (FN 53), 304, wonach auf den
Zeitwert im Zeitpunkt der Generalversammlung abzustellen ist.
211
Aufsätze
GesKR 2
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
GesKR 2
Aufsätze
212
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
2015
dürfen ebenfalls berücksichtigt werden; der Abschlag
muss einer objektiven Überprüfung standhalten.55
Für Sach- oder Dienstleistungen kann die fair valueBewertung auf Nominalbeträge (z.B. Mitgliederbeiträge,
Leasingraten/Unterhaltskosten für Fahrzeuge etc.) oder
steuerliche Wertansätze (z.B. Bewertung des Privatanteils bei der gemischten Nutzung eines Firmenfahrzeuges) abstellen.56
Zur Bewertung von anteilsbasierten Vergütungen siehe
nachstehend Abschnitt III.4.1.
Aufgrund der beiden eingangs genannten Grundregeln
stellen sich bei der Vorbereitung der Vergütungsanträge
insbesondere Fragen zu den folgenden Themen:
4.1 Performance-Based Long-Term Incentive
Awards
Long-Term Incentive Awards werden in der Regel als
Aktien, Optionen oder Instrumente wie performance
share units, restricted stock units, stock appreciation
rights oder contingent deferred units ausgerichtet. Sie
unterliegen regelmässig zeit- und/oder leistungsbezogenen Bedingungen oder Auflagen wie vesting conditions,
performance conditions, selling/transfer restrictions und/
oder forfeiture provisions. Solche Bedingungen oder
Auflagen mindern den Wert der zugeteilten Long-Term
Incentive Awards und dürfen daher bei der Bewertung
angemessen berücksichtigt werden. Für die Bewertung
sind anerkannte Bewertungsmethoden zu verwenden,
wobei je nach Art der Long-Term Incentive Awards auf
individuell definierte Bewertungsmethoden zurückgegriffen werden muss. Die Wahl der Methode obliegt der
Gesellschaft.57
Die fair value-Bewertung von anteilsbasierten Vergütungen mit Ausgleich durch Eigenkapitalinstrumente
darf gemäss IFRS 2 nur Ausübungsbedingungen (vesting
conditions) in der Form von Marktbedingungen (market
conditions) sowie sog. Nicht-Ausübungsbedingungen
(non-vesting conditions) berücksichtigen. Nicht marktbezogene Ausübungsbedingungen (non-market vesting
conditions) dürfen bei der Berechnung des fair value at
grant nicht berücksichtigt werden. Es handelt sich dabei
um Bedingungen, die nicht auf der Aktienkursentwicklung der Gesellschaft basieren, wie insbesondere service
conditions (Bsp.: Verbleib im Unternehmen) und nicht
auf den Aktienkurs bezogene performance conditions
(Bsp.: EBITDA-Ziel). Solche Ausübungsbedingungen
sind durch Anpassung der Anzahl der in die Bestimmung
des Transaktionsbetrages einbezogenen Eigenkapitalinstrumente zu berücksichtigen.58 Die Bewertung beruht
Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 53.
Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 54.
57 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 55.
58 IFRS 2 N 19 ff.
somit letztlich auf der geschätzten Anzahl der schliesslich zuzuteilenden Eigenkapitalinstrumente, d.h. in der
Regel der Anzahl Aktien. Dabei stellt sich die Frage, wie
diese Anzahl geschätzt werden soll.
Bei leistungsbezogenen non-market conditions ist sinnvollerweise davon auszugehen, dass das Leistungsziel erreicht wird (target achievement). So ist bei einem Plan,
der bei fehlender Zielerreichung keine Aktie, bei Zielerreichung eine Aktie und bei Übererreichung zwei Aktien
je Unit vorsieht, bei der Bewertung von der Zuteilung
einer Aktie je Unit auszugehen. Ein Abstellen auf eine
unter dem Zielwert liegende Anzahl (underachievement)
lässt sich in der Regel nicht rechtfertigen. Ein Abstellen
auf ein Übertreffen der Ziele (overachievement) kann
vorsichtig sein, wird aber bei realistischer Zielsetzung
den fair value nicht richtig abbilden.
Entsprechend hat die überwiegende Mehrheit der Gesellschaften bei der Bewertung im Rahmen der Offenlegung gemäss Art. 663bbis OR Long-Term Incentive
Awards unter Annahme der Zielerreichung bewertet;
gewisse Unternehmen haben auf den Durchschnitt der
historischen effektiven Zielerreichungsgrade abgestellt.
Für den Vergütungsbericht gemäss Art. 13 ff. VegüV ist
an dieser Praxis festzuhalten;59 dies scheint gemäss dieses
Jahr veröffentlichten Vergütungsberichten auch der Fall
zu sein.
Auch bei der prospektiven und – sobald die vesting oder
performance period länger als ein Jahr dauert – der retrospektiven Genehmigung von Long-Term Incentive
Awards, die ein downside (im Falle des underachievement) als auch ein upside Potenzial (im Falle des overachievement) vorsehen, stellt sich die Frage, welche Bewertung zugrunde gelegt werden soll. Kann ebenfalls
auf den fair value at target, wie er offengelegt (werden)
wird, abgestellt werden? Oder ist eine Bewertung unter
Annahme der maximalen Zielerreichung zugrunde zu legen?
Unbestritten ist, dass für die Bewertung in jedem Fall
auf den Zeitpunkt der Zuteilung (grant) abzustellen ist.
Spätere Aktienkursschwankungen und der damit verbundene Einfluss auf den Wert der Long-Term Incentive
Awards werden somit nicht berücksichtigt. Im Übrigen
spricht Folgendes dafür, auf den fair value unter Annahme der Zielerreichung abzustellen:
• Es besteht ein Gleichlauf zwischen der Bewertung im
Vergütungsbericht, in der Rechnungslegung (mit spezifischen Abweichungen) und für die Genehmigung
der Vergütung.
• Die erwähnten Long-Term Incentive Awards sind in
der Regel so kalibriert, dass im Zeitpunkt der Zuteilung die Zielerreichung der wahrscheinlichste Fall
55
56
59
Gl.M. BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 87.
ist.60 Entsprechend kommt ihnen ökonomisch der
Wert unter Annahme der Zielerreichung, und nicht
des under- beziehungsweise overachievement, zu.
• Auch bei einem Abstellen auf den maximalen Vesting-Grad (d.h. im oben genannten Beispiel auf zwei
Aktien je Unit) bezieht sich die Genehmigung nicht
auf den Maximal-Wert der Vergütung im Zeitpunkt
des Vesting beziehungsweise der Ausübung (exercise). Aufgrund der Kursentwicklung der zugrundeliegenden Aktie kann der Wert der effektiv erhaltenen Anzahl Aktien den genehmigten Gesamtbetrag
überschreiten. Bei einem Abstellen auf den maximalen Vesting-Grad würde deshalb nur eine mögliche
Ursache für eine Wertsteigerung (das overachievement nach Ablauf der vesting beziehungsweise performance period) berücksichtigt, die zweite wesentliche Ursache (Kursentwicklung) aber nicht.
Auch die Lehre anerkennt, dass die Bewertung unter
Annahme der Zielerreichung für die Vergütungsgenehmigung VegüV-konform ist.61 Voraussetzung ist, dass die
Bewertung lege artis durchgeführt wird. Dies kann z.B.
dann nicht der Fall sein, wenn der Zielwert konstant unter der effektiven historischen Zielerreichung angesetzt
wird und so effektiv mit einem Übertreffen des Zielwerts
gerechnet werden sollte. Ferner muss für die Aktionäre
klar sein, welchen Betrag sie genehmigen. Es empfiehlt
sich daher, in den Erläuterungen zu den Anträgen festzuhalten, dass die Long-Term Incentive Awards unter
Annahme der Zielerreichung (at target) bewertet werden
und je nach erreichter Leistung mehr oder weniger Aktien je Unit zugeteilt werden können.62
Zahlreiche Unternehmen haben für die diesjährige ordentliche Generalversammlung diesen Bewertungsansatz verwendet63 und den Aktionären gegenüber transparent erläutert, auf welchen Annahmen die Bewertung
beruht.64
60
61
62
63
64
Vgl. auch Schmid, Der Vergütungsbericht nach VegüV, ST 2014,
1153–1157, 1157.
Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 56; Schmid
(FN 60), 1157; Schmid/Maizar (FN 53), 37. Wohl auch BSKVegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 88.
Gl.M. BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 88.
Beispiele: Baloîse, Clariant, Givaudan, Nestlé, Schindler, Siegfried,
Swiss Re, Transocean.
Beispiele: «With regard to performance-based long-term incentives such as contingent deferred units, the fair value calculations
are based on an assumed achievement of performance targets at
100 %. The actual number of shares to be allocated under such
long-term incentive units will be determined in 2019 depending
on performance achievement over a three-year performance cycle
and may range between 0-200 %.» (Transocean); «Die nach Ablauf der Sperrfrist gewährte Anzahl Aktien kann in einem Rahmen
zwischen 0 % und der Obergrenze von 200 % der ursprünglichen
Zuteilung der PSUs liegen. […] Der Fair Value von Units aus langfristigen Vergütungsplänen wird bei deren Zuteilung mittels allgemein anerkannter Preismodelle ermittelt. Dabei wird der mögliche
Aufwärts- oder Abschwächungs-Effekt der Unternehmensleistung
am Ende der dreijährigen Sperrfrist mitberücksichtigt.» (Nestlé).
2015
Eine Reihe von Gesellschaften hat hingegen auf den Wert
unter Annahme der maximalen Erreichung der Leistungsziele (maximum achievement) abgestellt.65 Bei dem
vorgenannten Beispiel wird bei der Bewertung also angenommen, dass je Unit zwei Aktien (statt eins) zugeteilt
werden. Da die VegüV keine Vorgaben an die Berechnung des Gesamtbetrages stellt, ist auch dieser Ansatz
zulässig. Den oben erwähnten Nachteilen steht der Vorteil gegenüber, dass der genehmigte Gesamtbetrag näher
bei der effektiv ausgerichteten Vergütung liegen würde,
falls alle Leistungsziele maximal erreicht werden sollten.
Auch diese Gesellschaften halten in den Erläuterungen
zu den Anträgen meist fest, dass sich die Genehmigung
auf den Wert unter Annahme der Maximal-Zielerreichung bezieht.66
4.2 Sozialversicherungs- und Pensions­
kassenbeiträge
a.Problematik
Nach schweizerischem Recht müssen auf die Vergütung
Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an Sozialversicherungen wie die AHV/IV/ALV sowie zumindest auf
Teile der Vergütung Beiträge an die berufliche Vorsorge
geleistet werden. Die Pflicht zur Leistung dieser Beiträge
ist gesetzlich oder reglementarisch untrennbar mit (Teilen) der ausgerichteten Vergütung verbunden: Wird Vergütung gesprochen, müssen auch Beiträge an die berufliche Vorsorge und Sozialversicherungen geleistet werden.
Zum einen stellt sich die Frage, inwieweit «zwingend»
mit der Vergütung zusammenhängende Beiträge genehmigt (und offengelegt) werden müssen. Zum anderen
besteht in zeitlicher Hinsicht ein Diskonnex zwischen
der Genehmigung der Vergütung, deren Offenlegung
und Fälligkeit der Beiträge: Die Genehmigung und die
Offenlegung stellen auf den Zeitpunkt der Ausrichtung
(grant date) ab; Beiträge an die Sozialversicherungen
und die berufliche Vorsorge werden regelmässig erst mit
Auszahlung der Vergütung beziehungsweise im Falle anteilsbasierter Vergütung mit effektiver Zuteilung der Anteile fällig.67 Es ist somit zu prüfen, ob und wann diese
Beiträge genehmigt werden müssen.
b.Sozialversicherungsbeiträge
Arbeitgeber- und arbeitnehmerseitige Sozialversicherungsbeiträge begründen beziehungsweise erhöhen
Ansprüche auf Vorsorgeleistungen. Ab einer gewissen
65
Beispiele: Actelion, Adecco, Dufry, Holcim, Novartis, Roche,
Swisscom, Syngenta, Temenos, Zurich Insurance Group.
66 Beispiel: «Die Berechnung des maximalen Gesamtbetrages der
Vergütung der Geschäftsleitung berücksichtigt die potentiell maximalen STIP Beträge und die maximale LTIP Zuteilung, welche in
beiden Fällen 200 % der Zielzuteilung entsprechen.» (Zurich Insurance Group).
67 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 65 f.,
m.w.H.; BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 53.
213
Aufsätze
GesKR 2
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
GesKR 2
Aufsätze
214
Vergütungshöhe begründen Sozialversicherungsbeiträge zwar keine erhöhten Vorsorgeansprüche mehr, doch
ist die Leistung der gesetzlich geschuldeten Beiträge im
Ergebnis Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer an den
Vorsorgeleistungen teilhaben kann. Im Grundsatz stellen
Arbeitgeber- und – falls nicht bereits als Teil des BruttoGehalts genehmigt und offengelegt – Arbeitnehmerbeiträge Vergütung dar.68 Sie unterstehen somit der Genehmigung durch die Generalversammlung.69
In zeitlicher Hinsicht folgt die Genehmigung der Beiträge der zugrundeliegenden Vergütung. Es gilt das Prinzip
der periodengerechten Abgrenzung, und nicht etwa der
Zeitpunkt, in welchem die Beiträge tatsächlich geleistet werden müssen.70 Werden einem Geschäftsleitungsmitglied im Jahr 2016 Performance Share Units (PSUs)
zugeteilt (grant), die einer dreijährigen Vesting-Frist
unterliegen, gelten die PSUs – Sonderfälle vorbehalten
– als Vergütung für das Jahr 2016. Stimmt die Generalversammlung über die Vergütung für das folgende Geschäftsjahr ab, ist der Wert der gesamten Zuteilung von
der ordentlichen Generalversammlung 2015 zu genehmigen. Die Aktien werden – je nach Zielerreichung – erst
2019 ausgerichtet. Da es sich um eine sog. unechte Mitarbeiterbeteiligung71 handelt, werden Sozialversicherungsbeiträge ebenfalls erst 2019 fällig. Periodengerecht
abgegrenzt gehören diese Beiträge aber zur Vergütung
für das Jahr 2016, und sind entsprechend von der Generalversammlung 2015 mit zu genehmigen.
Während die Höhe der Beiträge auf das feste Jahressalär
im Zeitpunkt der Genehmigung durch die Generalversammlung ziemlich genau feststeht, ist dies bei variablen
Vergütungselementen nicht der Fall. Bei prospektiver
Genehmigung stets und – je nach Dauer des Aufschubs
beziehungsweise der performance period – auch bei retrospektiver Genehmigung ist die Höhe der Beiträge
im Zeitpunkt der Generalversammlung unbekannt und
muss geschätzt werden. Die Schätzung kann auf die
(nach den für die jeweilige Vergütungsperiode geltenden
Beitragssätzen zu berechnenden) Beiträge abstellen, die
anfallen würden, falls der Wert bei Auszahlung beziehungsweise definitivem Rechtserwerb dem fair value at
68
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
2015
Art. 14 Abs. 2 Ziff. 8 VegüV. Vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 14 N 85; BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14
N 51. A.A. Schmid (FN 60), 1155, wonach die AHV- und ALVAbgaben über den einschlägigen Schwellenwert hinaus Steuercharakter haben und somit nicht als Vergütung qualifizieren.
69 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 64,
m.w.H.; BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 53. A.A. Huber
(FN 12), N 351 und 386 f., wonach ex lege geschuldete Vergütungsteile nicht der Genehmigung unterstehen.
70 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 64 ff.; BSKVegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 53. Alternativ – in Bezug auf
die Offenlegung im Vergütungsbericht – die Offenlegung im Jahr
der effektiven Bezahlung für zulässig haltend Schmid (FN 60),
1155.
71 Zur Unterscheidung zwischen echten und unechten Mitarbeiterbeteiligungen vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18
N 65, m.w.H.
grant oder, falls bei der Genehmigung auf den Wert unter
Annahme der Erreichung der maximalen Leistungsziele
abgestellt wird, dem «Maximal»-Wert entspräche.72
Werden die geschätzten Beiträge überschritten, weil die
Vergütung im Wert zunimmt (z.B. aufgrund von Hebeln
bei der Erreichung bestimmter Leistungsziele oder generell der Kursentwicklung der zugrundeliegenden Aktie
bei anteilsbasierten Vergütungen), ist keine nachträgliche
Genehmigung durch die Generalversammlung erforderlich. Wird die Schätzung lege artis vorgenommen, gelten
– gleich wie bei der variablen Vergütung – auch spätere
Wertschwankungen als mit genehmigt.73
Alternativ zur Abstimmung über einen Gesamtbetrag
einschliesslich der geschätzten Sozialversicherungsbeiträge kann über einen Gesamtbetrag ohne Sozialversicherungsbeiträge abgestimmt werden. Diesfalls müssen
der Antrag beziehungsweise die Erläuterungen darauf
hinweisen, dass zusätzlich zum Gesamtbetrag die gesetzlichen Arbeitgeber- und allenfalls Arbeitnehmerbeiträge
zu entrichten sein werden. Auch wenn es sich bei diesen
Beiträgen um Vergütung handelt, lässt sich eine Ausnahme vom Grundsatz der Abstimmung über Gesamtbeträge rechtfertigen, da es sich um gesetzliche Beiträge handelt.74
Von der Genehmigung der Vergütung ist deren Offenlegung zu unterschreiten, wo Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge an Sozialversicherungen stets auszuweisen
sind.75
Für die Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen
zeigen die Einladungen zu den ordentlichen Generalversammlungen 2015 eine Vielfalt von Varianten:
• Zahlreiche Gesellschaften rechnen die Arbeitgeberbeiträge in den Gesamtbetrag ein.76 Die Mehrheit
stellt dabei auf geschätzte Beiträge ab; vereinzelte
Gesellschaften stellen ausdrücklich auf die Beiträge
ab, welche anfallen würden, wenn der genehmigte
Maximalbetrag der Vergütung auch ausbezahlt würde.
• Die zweite grosse Gruppe von Gesellschaften hält
ausdrücklich fest, dass die zur Genehmigung unterbreiteten Gesamtbeträge die Arbeitgeberbeiträge für Sozialversicherungen nicht enthalten – teils
im Antrag selbst,77 teils in den Erläuterungen.78 Um
72
73
74
75
76
77
78
Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 66; BSKVegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 53.
Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 66; BSKVegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 53.
Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 67.
Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 14 N 84 f.; BSKVegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 51.
Beispiele: Adecco, Baloîse, Dufry, Geberit, Georg Fischer, Julius
Bär, Nestlé, Sonova, Straumann, Swisscom, Syngenta, Temenos.
Beispiel: Roche.
Beispiele: Credit Suisse, Givaudan, Lonza, OC Oerlikon, Swiss Life,
Swiss Re, Transocean, Zurich Insurance Group.
den Aktionären einen Eindruck über die Höhe der
zusätzlich anfallenden Arbeitgeberbeiträge zu vermitteln, verweisen gewisse Erläuterungen auf den geschätzten Betrag79 oder die Vorjahresbeiträge.80
• Wenige Gesellschaften rechnen einen Teil der Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen in den
Gesamtbetrag ein, und zwar insoweit, als die Beiträge
rentenbildend sind.81
• Andere Gesellschaften wiederum erläutern nicht, ob
die Arbeitgeberbeiträge im Gesamtbetrag enthalten
sind oder nicht. Sofern sie darin enthalten sind, wäre
aus Transparenzgründen ein Hinweis zu begrüssen;
rechtlich erforderlich ist dies aber nicht.82 Sind sie
hingegen nicht darin enthalten, ist es problematisch,
sich als Gesellschaft auf den Standpunkt zu stellen,
dass die Arbeitgeberbeiträge zusätzlich zum Gesamtbetrag geleistet werden müssen. Bei der vorgeschlagenen Alternative, statt der Einrechnung in den
Gesamtbetrag bloss auf die zusätzlich zu leistenden
Sozialversicherungsbeiträge hinzuweisen, handelt es
sich um eine Ausnahme vom von der VegüV geforderten Prinzip der Abstimmung über Gesamtbeträge. In engem Rahmen rechtfertigt sich diese Ausnahme, jedoch nur solange, als für die Aktionäre bei der
Beschlussfassung genügend transparent ist, welche
Vergütungen zusätzlich zum Gesamtbetrag geleistet
werden. Ohne Hinweis ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen vom Gesamtbetrag abgedeckt sein müssen.
Sowohl die erste als auch die zweite Variante genügt den
Anforderungen der VegüV. Bei den Sozialversicherungsbeiträgen handelt es sich um erhebliche Beträge; für die
Gesellschaft und die Aktionäre muss Klarheit bestehen,
ob die Beiträge vom jeweiligen Gesamtbetrag abgedeckt
sind oder nicht. Versteckte Fussnoten an wenig naheliegenden Stellen in den Erläuterungen oder nicht eindeutig
formulierte Hinweise sind daher kritisch zu betrachten.
c.
Beiträge an die berufliche Vorsorge
Beiträge an die berufliche Vorsorge seitens des Arbeitgebers und – falls nicht bereits Teil des Gehalts – des Ar-
79
Beispiele: Givaudan, Swiss Re, UBS.
Beispiele: Actelion, Zurich Insurance Group.
81 Beispiel: Novartis. Dieser Ansatz erscheint vergleichsweise kompliziert. Die Unterscheidung zwischen rentenbildenden und nicht
rentenbildenden Beiträgen ist nicht immer eindeutig. Es kann nicht
ausgeschlossen werden, dass ein Geschäftsleitungs- oder Verwaltungsratsmitglied in früheren Jahren ein unter dem rentenbildenden
Einkommen liegendes Einkommen hatte (oder später haben wird),
sodass unter Umständen die für das Jahr der Genehmigung über
den rentenbildenden Schwellenwert hinaus geleisteten Beiträge
dennoch Vorsorgeleistungen erhöhen (vgl. nur Art. 29bis und 29quater
sowie Art. 51 Abs. 2 AHVV).
82 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 77,
m.w.H., zum Fehlen einer Begründungspflicht. Vgl. auch BSKVegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 25.
80
2015
beitnehmers begründen beziehungsweise erhöhen direkt
Ansprüche auf Vorsorgeleistungen; zumindest in der
Schweiz, in der Regel aber auch unter ausländischen Vorsorgeplänen, hängt die Höhe der Vorsorgeleistungen von
den geleisteten Beiträgen ab. Solche Beiträge stellen somit Vergütung dar83 und unterliegen der Genehmigung
durch die Generalversammlung. Aufgrund der Höhe der
Vergütungen handelt es sich bei der Mehrheit der Beiträge nicht um gesetzlich geschuldete, sondern überobligatorische Beiträge. Ferner sind die Beitragssätze nicht
gesetzlich, sondern reglementarisch durch die jeweilige
Vorsorgeeinrichtung festgesetzt. Anders als bei den Sozialversicherungsbeiträgen rechtfertigt sich daher keine
Ausnahme von der Pflicht zur Genehmigung als Teil des
Gesamtbetrages.84 Die Beiträge sind stets in geschätzter
Höhe in den Gesamtbetrag einzuberechnen; ein blosser
Hinweis auf zusätzlich zum genehmigten Gesamtbetrag
zu leistende Beiträge ist nicht ausreichend. In zeitlicher
Hinsicht sind die Beiträge – gleich wie Sozialversicherungsbeiträge – periodengerecht abzugrenzen.85
Die Mehrheit der Gesellschaften legt die Brutto-Vergütungen offen, d.h. die Vergütungen einschliesslich der
Arbeitnehmerbeiträge an die berufliche Vorsorge und
Sozialversicherungen. Entsprechend stellen die zur Genehmigung beantragten Gesamtbeträge – ausdrücklich
oder implizit – ebenfalls auf die Brutto-Vergütungen ab.
Arbeitnehmerbeiträge werden somit in der Regel vom
Gesamtbetrag erfasst.
Arbeitgeberbeiträge an die berufliche Vorsorge werden
grundsätzlich ebenfalls in die beantragten Gesamtbeträge mit einberechnet. Einzelne Gesellschaften halten dies
ausdrücklich im Antrag fest.86 Meist ergibt es sich aus
den Erläuterungen.87
4.3 Feste Anzahl Beteiligungsrechte
Die Vergütungsmodelle gewisser Gesellschaften sehen
vor, dass eine feste Anzahl Beteiligungsrechte zugeteilt
wird: Jeder Verwaltungsrat hat z.B. Anspruch auf 1’000
Aktien, unabhängig vom Börsenkurs im Zeitpunkt der
Zuteilung. Dies im Gegensatz zum Modell, wonach jeder Verwaltungsrat auf diejenige Anzahl Aktien Anspruch hat, die im Zeitpunkt der Zuteilung einem festen
Frankenbetrag entspricht.
Wie in Abschnitt 4. einleitend erwähnt, bezieht sich die
Genehmigung auf einen Gesamtbetrag und damit einen
Geldbetrag. Eine Abstimmung über eine bestimmte An-
83
Vgl. Art. 14 Abs. 2 Ziff. 8 VegüV.
Vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 68. Vgl.
auch BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 168.
85 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 68; BSKVegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 53.
86 Beispiel: Julius Bär.
87 Beispiele: Actelion, Baloîse, Credit Suisse, Dufry, Geberit, Georg
Fischer, Givaudan, Holcim, Nestlé, Novartis, Swisscom, Syngenta,
UBS, Zurich Insurance Group.
84
215
Aufsätze
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Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
GesKR 2
Aufsätze
216
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
2015
zahl Sachleistungen (wie z.B. Aktien) ohne Angabe eines
Betrages in Schweizer Franken oder einer anderen Währung ist daher unzulässig.88 Die Aktionäre haben diesfalls nämlich keine Kenntnis über den zu erwartenden
Frankenbetrag.
Zulässig ist hingegen ein Antrag auf eine bestimmte (Maximal-)Anzahl Sachleistungen unter gleichzeitiger Angabe des Werts dieser Sachleistungen per einen bestimmten
Stichtag.89 Sofern dies klar angegeben ist, gilt der Geldbetrag nicht als Obergrenze.90 Dies ist insbesondere bei
der Zuteilung einer bestimmten Anzahl Aktien relevant,
deren Börsenkurs Schwankungen unterliegt.
4.4 Dividend Equivalents
Richten Unternehmen die Vergütung in der Form von
aktienbasierten Units oder ähnlichen Instrumenten aus,
sind die Vergütungsempfänger nicht dividendenberechtigt – anders, als wenn Aktien (mit oder ohne Sperrfrist)
zugeteilt würden. Um eine Benachteiligung gegenüber
der Zuteilung von Aktien zu vermeiden und die Anreizstruktur ähnlich aufzubauen, sehen gewisse Vergütungspläne vor, dass auf solche aktienbasierten Units
oder ähnlichen Instrumente ebenfalls «Dividendenzahlungen» geleistet werden. Da sich solche Zahlungen im
Gleichlauf mit den «echten» Dividenden bewegen, werden sie dividend equivalents genannt.
Dividend equivalents stellen geldwerte Vorteile und
somit Vergütung dar. Sie unterliegen der Genehmigung
durch die Generalversammlung. Dafür gibt es zwei
Möglichkeiten:
• Dividend equivalents können im Rahmen der Abstimmung über dasjenige Jahr genehmigt werden, in
welchem sie ausgerichtet werden. Die Genehmigung
erfolgt somit «unabhängig» von den anspruchsbegründenden aktienbasierten Units etc.91
• Der Wert der zu erwartenden dividend equivalents
wird in die Bewertung eingepreist beziehungsweise
nicht vom anwendbaren Aktienkurs abgezogen (d.h.
kein Abstellen auf den dividend stripped share price). Aktienbasierte Units etc., welche Anspruch auf
dividend equivalents begründen, werden damit einschliesslich des Werts der in Zukunft darauf entrichteten dividend equivalent-Zahlungen genehmigt.
Die zweite Variante hat den Vorteil, dass für Vergütungselemente, die von der Generalversammlung genehmigt
wurden und die aufgrund der Vergütungspläne einen
88BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann,
Art. 18 N 96; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 34 ff.; Schmid/Maizar
(FN 53), 33. Unklar, aber wohl a.A. Huber (FN 12), N 876 f.
89 So ähnlich z.B. Lindt & Sprüngli, Siegfried, Straumann.
90 GesKR-Kommentar VegüV-Daeniker/Gerhard, Art. 18 N 41;
Huber (FN 12), N 876; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser,
Art. 18 N 37; a.A. Schmid/Maizar (FN 53), 34.
91 Beispiel: Transocean.
Anspruch auf dividend equivalents einräumen, die dividend equivalents in den Folgejahren nicht separat genehmigt werden müssen.
Nicht zulässig ist m.E., die dividend equivalents weder
separat genehmigen zu lassen noch sie in die Bewertung
der anspruchsbegründenden aktienbasierten Units etc.
einzupreisen.
4.5Wechselkursschwankungen
Gesellschaften bezahlen Vergütungen teilweise in einer
anderen Währung als derjenigen, in welcher die Vergütung genehmigt wird. Wird die Vergütung retrospektiv
genehmigt, werden Fremdwährungsschwankungen automatisch berücksichtigt, da auf die effektiven beziehungsweise die in der Jahres- oder Konzernrechnung
verwendeten Durchschnittskurse abgestellt wird. Wird
die Vergütung hingegen prospektiv genehmigt, stellt
sich die Frage, ob beziehungsweise wie Wechselkursschwankungen zwischen Genehmigung der Vergütung
(beziehungsweise Antragsstellung) und Ausrichtung
berücksichtigt werden müssen. Solche Wechselkursschwankungen können erheblich sein, wie die letzten
Monate gezeigt haben.
Bei einer prospektiven Genehmigung ist es aus nachfolgenden Gründen nicht angemessen, Wechselkursschwankungen zu beachten:92 Für den betroffenen
Vergütungsempfänger wirken sich Kursveränderungen
weder direkt vergütungserhöhend noch -mindernd aus;
er erhält weiterhin denselben Geldbetrag. Für das Unternehmen haben sie oft auch keine Auswirkungen, da
sie natürlich oder spezifisch abgesichert (hedged) sind.
Eine Berücksichtigung von Wechselkursschwankungen
würde zudem dazu führen, dass der zu genehmigende
Maximal-Gesamtbetrag erhebliche Reserven enthalten
müsste. Dies ist wenig aktionärsfreundlich, da letztlich dem Verwaltungsrat ein grösserer Spielraum als bei
Nichtbeachtung von Wechselkursschwankungen eingeräumt würde, und die Aktionäre so die effektive Vergütung weniger wirksam steuern könnten.
Betroffene Gesellschaften sollen deshalb die in einer
Fremd- beziehungsweise Drittwährung ausgerichtete
Vergütung auf der Basis von konstanten Wechselkursen umrechnen können. Der Verwaltungsrat kann dafür
im Antrag oder den Erläuterungen einen angemessenen
Wechselkurs oder einen für die Bestimmung der Wechselkurse massgebenden Stichtag festlegen. Mangels ausdrücklicher Angabe eines Wechselkurses oder Stichtages
ist bei Genehmigungskompetenz der Generalversammlung auf den Wechselkurs im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Verwaltungsrates über die Anträge an die
Generalversammlung abzustellen; bei Beschlussfas-
92
Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 70. Vgl. auch
BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 98.
2015
sungskompetenz der Generalversammlung ist der Wechselkurs im Zeitpunkt der Antragsstellung des Verwaltungsrates beziehungsweise des Aktionärs massgebend.93
Gruppenebene unbedeutende Mandate ist mit zu genehmigen.
Die zu konstanten Wechselkursen umgerechnete Vergütung darf den genehmigten Maximalgesamtbetrag nicht
überschreiten. Überschreitungen des Maximalgesamtbetrages, die bei einer Umrechnung zu Tageskursen oder
dem Bilanzkurs anfallen würden, sind dagegen unbeachtlich.94
4.7Doppelmandate
Einzelne Unternehmen haben in den Erläuterungen einen bestimmten Wechselkurs95 oder Stichtag bestimmt96
und festgehalten, dass Kursschwankungen nicht zu berücksichtigen seien.
Der Hinweis auf einen bestimmten Wechselkurs oder
Stichtag bedarf keiner besonderen Grundlage in den Statuten. Entsprechend hat auch nur eine Minderheit von
Gesellschaften die generelle Nichtbeachtung von Wechselkursschwankungen statutarisch verankert.97
4.6 Vergütungen für Mandate in Tochter­
gesellschaften
Nimmt ein Verwaltungsrats- oder Geschäftsleitungsmitglied einer kotierten schweizerischen Aktiengesellschaft
im Verwaltungsrat oder – seltener – im Management einer Tochtergesellschaft Einsitz und wird dafür vergütet,
untersteht diese Vergütung ebenfalls der Genehmigung
durch die Generalversammlung der kotierten Muttergesellschaft.98 Sie ist entsprechend in den Gesamtbetrag
einzuberechnen.99 Es ist unerheblich, ob die Vergütung
der Tochtergesellschaft für Tätigkeiten ausgerichtet
wird, die auf Ebene der Muttergesellschaft als Organtätigkeit qualifizieren würden. Auch die Vergütung für auf
93
94
95
96
97
98
99
Vgl. BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 98; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 69.
Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 69.
Beispiele: Novartis («Die Angabe der Beträge erfolgt bei konstanten Wechselkursen, denn bei einigen Mitgliedern ist eine Auszahlung in USD vorgesehen. Der zugrunde gelegte Wechselkurs
beträgt 1 CHF = 1,094 USD. Die vorgeschlagenen Beträge berücksichtigen keine Wechselkursschwankungen zwischen dem Veröffentlichungszeitpunkt dieser Broschüre und dem 31. Dezember
2016 [d.h. dem Ende der zu genehmigenden Vergütungsperiode].»),
Sonova, Swiss Re, Temenos, Zurich Insurance Group.
Beispiel: Adecco, UBS («Der vorgeschlagene Betrag basiert auf
Wechselkursen zum Jahresende 2014 ohne Berücksichtigung von
zukünftigen Wechselkursschwankungen.»).
Beispiele: Adecco («Bei Vergütungen, die in Franken genehmigt
und in Fremdwährungen ausbezahlt werden, ist eine Überschreitung von genehmigten Beträgen aufgrund von Währungsschwankungen möglich.»), Aryzta, Galenica, SGS («Dans la mesure où une
partie de la rémunération serait versée dans une monnaie autre que
celle utilisée au sein de la société, les montants approuvés par l’assemblée générale doivent être automatiquement ajustés pour tenir
compte des variations de taux de change en cours d’année.»).
Art. 18 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 Ziff. 3 VegüV; Praxiskommentar
VegüV-Oser/Müller, Art. 21 N 39 ff.; BSK-VegüV-Pöschel,
Art. 21 N 8 ff.
Beispiele: Transocean, Zurich Insurance Group.
Ist eine Person gleichzeitig Verwaltungsrat und Geschäftsleitungsmitglied und wird je separat für die Tätigkeit als Verwaltungsrat und Geschäftsleitungsmitglied vergütet, sind diese Vergütungen separat für das
entsprechende Organ genehmigen zu lassen: Das Verwaltungsratshonorar ist im Rahmen der Verwaltungsratsvergütung gutzuheissen, und die Vergütung als
Geschäftsleitungsmitglied im Rahmen der Geschäftsleitungsvergütung.100
Eine Aufteilung ist nicht erforderlich, wenn eine der beiden Funktionen nicht abgegolten wird. Dies ist häufig
der Fall, wenn der CEO – ohne zusätzliche Vergütung –
auch im Verwaltungsrat Einsitz nimmt.101 Grund für die
fehlende separate Vergütung für das Verwaltungsratsmandat ist, dass der CEO ohnehin regelmässig an den
Verwaltungsratssitzungen teilnimmt (mit Ausnahme der
executive sessions, an denen er auch als Verwaltungsratsmitglied nicht teilnimmt) und das Verwaltungsratsmandat so keine wesentliche zusätzliche Arbeitslast mit sich
bringt. Während der fiktive Ausweis einer Verwaltungsratsvergütung die Honorarkosten des Verwaltungsrates
allenfalls exakter darstellen würde, wäre umgekehrt bei
einem entsprechenden Abzug die Vergütung für das Geschäftsleitungsmandat zu tief ausgewiesen. Eine Abkehr
von der bisherigen Praxis drängt sich daher unter der
VegüV nicht auf.
4.8 Reservebeträge als Teil des beantragten
­G esamtbetrages
Stimmt eine Gesellschaft prospektiv über die Vergütung ab, basiert der beantragte Gesamtbetrag zwingend
auf Annahmen über die zukünftige Vergütung. Diese
können sich als unrichtig oder unvollständig herausstellen. Personelle Wechsel sind weniger ein Problem: Die
Neuwahl eines Verwaltungsrates erfordert eine ausserordentliche Generalversammlung, die gleichzeitig die
zusätzlich notwendige Vergütung genehmigen kann.102
Beim Eintritt neuer oder der Beförderung bestehender
Geschäftsleitungsmitglieder kann auf den Zusatzbetrag
100
Beispiel: Swatch Group. Zur Offenlegung, die den gleichen Regeln
folgt, vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 14 N 102,
m.w.H.; BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 58.
101 Beispiele: Dufry, Nestlé, Transocean. Zur Offenlegung, die den
gleichen Regeln folgt, Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser,
Art. 14 N 102, m.w.H.; a.A. Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. A.,
§ 8 N 577 ff. und – im Gegensatz zur Kommentierung in BSK-OR
II-Art. 663bbis – BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 58, wonach für die Verwaltungsrats-Tätigkeit der Betrag einzusetzen sei,
den ein «normales» Mitglied für die gleiche Arbeit erhält.
102 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 19 N 29; BSKVegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 19 N 14.
217
Aufsätze
GesKR 2
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
GesKR 2
Aufsätze
218
zurückgegriffen werden.103 Zusätzliche Vergütung kann
aber auch aus anderen Gründen erforderlich sein:
• Zusätzliche Verwaltungsratssitzungen, Berufung in
Ad-Hoc-Komitees oder erhebliche zusätzliche Arbeitsbelastung von Geschäftsleitungsmitgliedern wegen Übernahme- oder anderen strategischen Projekten, der Abwehr von Übernahmeangeboten, internen
Untersuchungen etc.;
• «ausserplanmässige» Erhöhungen der Vergütungen
von Geschäftsleitungsmitgliedern, um sie von der
Annahme eines anderen Stellenangebots abzuhalten;
• Retentionszahlungen im Rahmen von M&A-Transaktionen und der darauffolgenden Implementierung,
um Schlüsselmitarbeiter trotz ungewisser oder fehlender Zukunft für eine Übergangszeit ans Unternehmen zu binden;104 oder
• eine Erhöhung zwingender gesetzlicher Abgaben wie
z.B. von Sozialversicherungsbeiträgen.105
In diesen und weiteren Fällen kann die «geplante» Vergütung, die sich aus der Addition der erwarteten Vergütungen ergibt, nicht ausreichen. Auf der anderen Seite
kann eine Gesellschaft nicht beliebig den Gesamtbetrag
«aufblähen», da sich Aktionäre sonst allenfalls dagegen
wehren, dass ohne Begründung die Gesamtbeträge erhöht werden.106
Einige Gesellschaften haben daher ausdrücklich «Reservebeträge» für solche Ereignisse in den Gesamtbetrag
einberechnet und in den Erläuterungen ausgewiesen –
sei es zahlenmässig107 oder ohne Angabe der Höhe.108
Stimmrechtsberater haben solche Reservebeträge nicht
beanstandet, und beim Vergleich mit der Vergütung für
die massgebende Vorperiode in der Regel berücksichtigt.
5.
Abweichende Aktionärsanträge
Legen die Statuten fest, dass die Generalversammlung
in Bezug auf die Gesamtvergütung nur Genehmigungskompetenz hat, darf der Verwaltungsrat Aktionärsanträge für höhere, tiefere oder zusätzliche Vergütungsbeträge nicht traktandieren. Gleiches gilt auch für während
der Generalversammlung gestellte Anträge, die der Vorsitzende nicht zur Abstimmung bringen darf.109
103
104
105
106
107
108
109
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
2015
Vgl. nachstehend Abschnitt III.6.
Vgl. nachstehend Abschnitt VI.2.2.
Sofern sie in den Gesamtbetrag einberechnet werden; vgl. dazu vorstehend Abschnitt III.4.2.
Vgl. zur Praxis der Stimmrechtsberater vorstehend Abschnitt III.3.
Beispiele: Actelion, Lonza, Sulzer, Swiss Re, TE Connectivity, UBS
(in grafischer Form), Valiant.
Beispiele: Cham Paper Group, Dufry, Kardex Group, Nestlé, Zug
Estates.
Vgl. auch vorstehend Abschnitt II.
6.
Veränderungen in der Geschäftsleitung
Die Geschäftsleitung einer Gesellschaft unterliegt Veränderungen: Sie kann erweitert werden, Mitglieder
scheiden aus und müssen ersetzt werden, oder bestehende Mitglieder werden innerhalb der Geschäftsleitung
befördert. Diese Veränderungen fallen im Regelfall nicht
mit einer Generalversammlung zusammen. Soweit über
die Vergütungen prospektiv abgestimmt wird, kann es
aufgrund solcher Veränderungen dazu kommen, dass
der genehmigte Maximalgesamtbetrag zur Vergütung
der neuen oder beförderten Mitglieder nicht ausreicht.
Art. 19 VegüV ermöglicht daher, dass die Statuten einen Zusatzbetrag für die Vergütungen derjenigen Geschäftsleitungsmitglieder, die nach der Abstimmung neu
ernannt oder befördert werden vorsehen, sofern der bereits genehmigte Maximalgesamtbetrag für deren Vergütung nicht ausreicht. Über den verwendeten Zusatzbetrag stimmt die Generalversammlung nicht ab.110
Im Zusammenhang mit dieser Bestimmung stellen sich
zahlreiche Fragen. Zur Erörterung mag folgendes Beispiel dienen: Eine Gesellschaft trennt sich im März 2016
von ihrem CEO und stellt ihn während der Dauer der
Kündigungsfrist frei. Interimistisch übernimmt der Verwaltungsratspräsident die Funktion des CEO. Im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Einladung zur ordentlichen Generalversammlung 2016 ist die Gesellschaft
noch immer auf der Suche nach einem neuen CEO. Kurz
danach findet der Verwaltungsrat einen Kandidaten, einigt sich mit ihm und ernennt ihn, fünf Tage vor der Generalversammlung, mit sofortiger Wirkung zum CEO.
Zugleich hat die Gesellschaft seit ein paar Monaten aufgrund von grösseren Akquisitionen eine Reorganisation
der Management-Struktur ausgearbeitet und plant, nach
Auswahl der geeigneten Kandidaten die Geschäftsleitung zu erweitern. Wenige Monate nach der Generalversammlung 2016 ernennt der Verwaltungsrat zwei neue
Geschäftsleitungsmitglieder.
Soweit die Vergütung an den abtretenden CEO genehmigungspflichtig ist,111 muss sie von dem für 2016 genehmigten Gesamtbetrag gedeckt sein. Ist der Gesamtbetrag
knapp kalkuliert, sind kaum Reserven für die Vergütung
des Nachfolgers vorhanden. Der Verwaltungsratspräsident, der interimistisch die CEO-Position ausfüllt und
dafür zusätzlich entlöhnt wird, kann aus dem Zusatzbetrag vergütet werden, da er während einer bereits genehmigten Vergütungsperiode in die Geschäftsleitung
ernannt wird.
Im Zeitpunkt, in welchem der Verwaltungsrat die zu
beantragenden Gesamtvergütungsbeträge festlegt, ist
110
Vgl. dazu allgemein BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 19
N 18 ff., und Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 19
N 6 ff.
111 Vgl. dazu Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 26 ff.
und BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 48.
GesKR 2
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
Wird der CEO vor der Generalversammlung vom Verwaltungsrat ernannt, stellt sich die Frage, ob er aus dem
Zusatzbetrag vergütet werden kann, d.h. ob er «nach
der Abstimmung ernannt» wurde. Ein Abstellen auf den
Zeitpunkt der Genehmigung wäre in der eingangs beschriebenen Situation nicht praktikabel und würde den
Zweck des Zusatzbetrages vereiteln. Der Verwaltungsrat beschliesst die Anträge an die Generalversammlung
betreffend Vergütung aufgrund der Frist für die Veröffentlichung der Einladung mehr als 20 Tage vor der Generalversammlung. In der Praxis geschieht dies durchschnittlich ein bis zwei Monate vor dem Versand, in der
Regel nach interner Vorbereitung. Ein Ad-Hoc-Antrag
an die Generalversammlung ist aktionärsdemokratisch
fragwürdig. Zudem wäre ein solcher Antrag aufgrund
der üblichen Empfehlung der schriftlich abstimmenden Aktionäre, Ad-Hoc-Anträge abzulehnen oder sich
zu enthalten, regelmässig chancenlos. Die Einberufung
einer ausserordentlichen Generalversammlung wäre
nicht verhältnismässig. Die individuelle retrospektive
Genehmigung an der nächsten ordentlichen Generalversammlung wäre schliesslich systemfremd, und die damit
verbundene Unsicherheit im Wettbewerb um Führungskräfte nachteilig. Wäre das Datum der Generalversammlung massgebend, wäre die Gesellschaft somit de facto
für mindestens einen Monat blockiert, neue Geschäftsleitungsmitglieder zu ernennen, was der ratio legis des Zusatzbetrages widerspricht. Der Begriff «Abstimmung»
ist daher nicht als der eigentliche Zeitpunkt der Beschlussfassung der Generalversammlung, sondern als die
Abstimmung mitsamt der erforderlichen Vorbereitungshandlungen, nämlich der Veröffentlichung der Generalversammlungseinladung, zu verstehen. Entsprechend
kann der im Beispielsfall vor der Generalversammlung,
aber nach Veröffentlichung der Einladung sein Amt antretende CEO aus dem Zusatzbetrag vergütet werden.113
Umgehungsversuche oder Missbrauchsfälle können auf
einer Einzelfallbasis herausgefiltert werden.
Zwecks Rechtssicherheit wäre es zu begrüssen, wenn bei
der definitiven Umsetzung der VegüV im OR statt auf
den Zeitpunkt der «Abstimmung» ausdrücklich auf das
Datum der Einladung zur Generalversammlung abgestellt würde.
Die nach der Generalversammlung ernannten zwei zusätzlichen Geschäftsleitungsmitglieder fallen in jedem
Fall in den Anwendungsbereich des Zusatzbetrages. Wie
erwähnt, schliesst die Absicht des Verwaltungsrates, zusätzliche Mitglieder zu ernennen, den Rückgriff auf den
Zusatzbetrag nicht aus.
IV. Offenlegung der Vergütung
Für das Geschäftsjahr 2014 musste statt der bisherigen
Offenlegung im Anhang zur Jahresrechnung gemäss
Art. 663bbis OR erstmals ein Vergütungsbericht gemäss
den Vorschriften von Art. 13 ff. VegüV erstellt werden.
Erwartungsgemäss stellten sich dabei keine grösseren
rechtlichen Fragen, da in Bezug auf den Inhalt der Offenlegung gegenüber dem anhin geltenden Art. 663bbis
OR keine wesentlichen Änderungen bestehen. Eine Reihe von Gesellschaften hat das Inkrafttreten der VegüV
jedoch zum Anlass genommen, ihre bis anhin den rechtlichen Voraussetzungen nicht vollumfänglich genügende
Offenlegung zu verbessern und rechtskonform auszugestalten. Dies ist zu begrüssen. Auch aufgrund der allgemeinen, von Stimmrechtsberatern und institutionellen
Aktionären getriebenen Verbesserung der Offenlegung
haben die Vergütungsberichte der meisten Gesellschaften
inzwischen ein hohes Mass an Transparenz erreicht.114
Die überwiegende Mehrheit der Gesellschaften hat den
Vergütungsbericht gemäss VegüV nicht als separaten
Vergütungsbericht veröffentlicht, sondern in den «allgemeinen», bereits zuvor gemäss den Vorgaben der Richtlinie Corporate Governance der SIX Swiss Exchange
(RLCG) erstellten Vergütungsbericht integriert. Dies
ist rechtlich zulässig, solange der Vergütungsbericht den
Vorgaben der RLCG und der VegüV genügt.115 Um klarzustellen, welche Teile von der Revisionsstelle geprüft
sind, haben zahlreiche Gesellschaften die VegüV-relevanten Bereiche des Vergütungsberichts durch Vermerke
114
112
Vgl. BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 19 N 45 (erst nach
Annahme durch das betreffende Mitglied).
113 A.A. BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 19 N 49, mit der im
Ergebnis fragwürdigen Empfehlung, wonach «in der Zeit zwischen
der Beschlussfassung über den Antrag an die Generalversammlung
betreffend die Vergütungen und der Generalversammlung keine
neuen Mitglieder der Geschäftsleitung ernannt werden sollten».
219
Vgl. NZZ vom 24. März 2015, ««Minder» führt nicht zur Trendwende», abrufbar unter http://www.nzz.ch/wirtschaft/minderfuehrt-nicht-zur-trendwende-1.18509066, und NZZ vom 15. März
2015, «Bei den Spitzengehältern hat sich wenig bewegt» (Interview
mit ethos-Direktor Dominique Biedermann), abrufbar unter http://
www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/bei-den-spitzengehaelternhat-sich-wenig-bewegt-1.18502443 (beide zuletzt am 9. Mai 2015
aufgerufen).
115 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 13 N 41, m.w.H.
Vgl. auch BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 13 N 15.
Aufsätze
bekannt, dass ein neuer CEO sowie allenfalls weitere
Geschäftsleitungsmitglieder ernannt werden müssen.
Dennoch ist der Verwaltungsrat nicht verpflichtet, die
Vergütung für diese Mitglieder in den Gesamtbetrag einzurechnen. Die Höhe deren Vergütung ist nämlich noch
nicht bekannt, und der Antrag könnte falsche Erwartungen wecken und die zu vereinbarende Vergütung in die
Höhe treiben oder zu tief bemessen sein. Vielmehr kann
er sich auf den Zusatzbetrag abstützen, da die neuen Mitglieder erst nach der Genehmigung ernannt werden.112
Es ist aber zulässig, die geschätzte Vergütung dieser Mitglieder bereits in den Gesamtbetrag einzurechnen.
2015
GesKR 2
Aufsätze
220
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
2015
wie «geprüft» oder «audited» hervorgehoben.116 Zudem
hält der Bericht der Revisionsstelle in der Regel fest, welche Teile geprüft wurden.117
Im Vergleich zum Vorjahr ergibt sich somit in aller Regel
kein Unterschied, da die Vergütungstabellen bereits früher (allerdings in ungeprüfter Form) im Vergütungsbericht enthalten waren. Die Doppelspurigkeit der Offenlegung im Anhang zur Jahresrechnung ist jedoch entfallen.
In der Praxis hat sich vor allem die – von der VegüV unabhängige – Frage gestellt, mit welchem Detaillierungsgrad die Leistungsziele der variablen Vergütung offengelegt werden sollen. Dies ist sowohl für die kurzfristige
als auch die langfristige variable Vergütung relevant.
In Bezug auf die langfristige variable Vergütung kann
eine Offenlegung heikel sein, da sich die Leistungsziele auf einen in die Zukunft reichenden Zeitraum beziehen. Während Ziele wie (relative) total shareholder return eher detailliert offengelegt werden können, ist dies
bei unternehmensspezifischen Zielen oft problematisch.
Zum einen kann diese Information Wettbewerbern unerwünschte Hinweise auf die Unternehmensstrategie
geben. Zum anderen können Leistungsziele als Prognosen für Umsatz, Gewinn oder andere Finanzkennzahlen
ausgelegt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der
Zielgrösse (target) gelesen werden. Aus diesen Gründen
verzichtet die Mehrheit der Unternehmen auf die genaue
Bekanntgabe solcher Leistungsziele.118
Bei der – retrospektiven – Offenlegung der Leistungsziele für den kurzfristigen Bonus stellen sich diese Probleme nicht. Erschwert wird die detaillierte Offenlegung
jedoch dadurch, dass die kurzfristige variable Vergütung
regelmässig auch oder ausschliesslich auf individuellen,
persönlichen Leistungszielen beruht. Mangels individueller Offenlegung, aber auch aus Datenschutzgründen
kann die Offenlegung diesfalls nicht über eine generische
Umschreibung der Ziele hinausgehen.
tober 2014 in Kraft gesetzt. Neu sind die folgenden Statutenbestimmungen, die unter der VegüV zwingend oder
bedingt notwendig sind, im Corporate Governance-Bericht darzustellen:
• Anzahl zulässige Tätigkeiten («externe Mandate») von Verwaltungsräten und Ge­
schäfts­
lei­
tungs­
mitgliedern;119
• Regeln über die Ernennung des Präsidenten, der Mitglieder des Vergütungsausschusses und des unabhängigen Stimmrechtsvertreters, sofern sie vom Gesetz
abweichen;
• Verfahren der Abstimmung über die Vergütung von
Verwaltungsrat und Geschäftsleitung;
• Zusatzbetrag;
• Grundsätze über die erfolgsabhängigen und anteilsbasierten Vergütungen;
• Regeln betreffend Darlehen, Kredite und Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge; und
• Regeln über die Abgabe von Weisungen an den unabhängigen Stimmrechtsvertreter, einschliesslich mittels elektronischer Mittel.
Enthalten die Statuten keine Bestimmungen, ist keine
Negativbestätigung erforderlich.
In der Darstellung sind die Gesellschaften weitgehend
frei. Der Corporate Governance-Bericht kann auf die
entsprechenden Statutenbestimmungen verweisen,120
eine Zusammenfassung mit einem Verweis auf die jeweiligen Statutenbestimmungen enthalten oder den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen abdrucken. Enthält der Bericht einen Verweis, ist sicherzustellen, dass
die Website die Statuten in allen Fassungen, die während
der letzten drei Jahre in Kraft waren, enthält (erstmals
ab dem Datum, an welchem der Corporate GovernanceBericht einen Verweis enthält).121
In der Praxis finden sich sämtliche der drei Varianten.
Die vergütungsbezogenen Bestimmungen werden regelmässig in den Vergütungsbericht integriert.
V. Corporate Governance-Bericht
Im Nachgang zum Erlass der VegüV hat die SIX Exchange Regulation die RLCG revidiert und per 1. Ok-
116
Beispiele: Credit Suisse, Dufry, Nestlé, Novartis, Sulzer, UBS,
­Zurich Insurance Group.
117 Vgl. auch den Zusatzbericht vom 8. Oktober 2013 zum Entwurf der
Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten
Aktiengesellschaften, 8; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser,
Art. 13 N 42; und BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 13 N 16,
wonach die zahlenbasierten Angaben gemäss VegüV und die qualitativ-deskriptiven Ausführungen gemäss RLCG und allenfalls dem
Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance «deutlich
[…] zu trennen» sind.
118 Gewisse Vergütungsberichte und/oder Erläuterungen zu den Vergütungsanträgen halten dies ausdrücklich fest. Beispiele: Lonza,
Julius Bär, Nestlé, Novartis, jeweils mit Hinweis auf Wettbewerbsgründe und/oder Gründe der Ad-Hoc-Publizität.
VI. Unzulässige Vergütungen
Nachdem der Fokus in den ersten Monaten nach Inkrafttreten der VegüV im Wesentlichen auf der Revision der
Statuten lag, rückten erste Wechsel in den Geschäftsleitungen sowie M&A-Transaktionen diesen bald auf den
Bereich der unzulässigen Vergütungen. Art. 20 VegüV
verbietet Abgangsentschädigungen, Vergütungen im
Voraus, «Akquisitionsprämien» sowie – kaum praxisre119
Die Offenlegung der Mandate selbst bezieht sich weiterhin auf
«bedeutende Mandate».
120 Mittels eines Verweises auf leicht zugängliche Fundstellen oder Bezugsquellen; bei Verweisen auf die Website ist der Suchpfad (URL)
anzugeben (Art. 6 RLCG).
121 Kommentar zur RLCG, Rz 6 N 1.
levant – nicht in den Statuten vorgesehene erfolgs- oder
anteilsbasierte Vergütungen, Darlehen, Kredite oder
Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge.
Nachstehend werden einige Fallkonstellationen, die zu
Fragen Anlass gegeben haben, näher diskutiert.
1.
Vergütung im Voraus
Art. 20 Ziff. 2 VegüV verbietet Vergütungen im Voraus,
d.h. die Vorauszahlung von Lohn (beziehungsweise von
nicht geschuldeten Vergütungsbestandteilen wie einer
Gratifikation) und Honorar vor Stellen- oder Amtsantritt. Es soll verhindert werden, dass bereits vor Stellenantritt unbedingt Vergütungen ausgerichtet werden, die
noch nicht verdient wurden.122 Insbesondere im Zusammenhang mit Ersatzzahlungen für verfallene Ansprüche
und einmaligen Vergütungen bei Stellenantritt stellten
sich Fragen.
1.1Ersatzzahlungen (Replacement Awards)
Ersatzzahlungen sind Entschädigungen, die Ansprüche
eines neuen Geschäftsleitungsmitglieds (oder selten eines Verwaltungsratsmitglieds) gegenüber dem früheren
Arbeitgeber, die aufgrund des Stellenwechsels verfallen,
abgelten. Sie werden regelmässig bei Stellenantritt geleistet, aber oft – wie die verfallenden Ansprüche selbst
– von Bedingungen (z.B. Leistungsbedingungen, Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses, zeitlicher Aufschub)
abhängig gemacht. Solche Ersatzzahlungen fallen unter
den Begriff der Antrittsprämien und sind in den Materialien zur VegüV ausdrücklich für zulässig erklärt worden,
solange sie «werthaltige»123 verfallende Ansprüche entschädigen.124
Um festzustellen, ob ein Anspruch werthaltig ist, ist in
einem ersten Schritt vom neuen Arbeitgeber festzustellen, ob der Anspruch ohne Stellenwechsel bestanden hätte. In einem zweiten Schritt ist der verfallende Anspruch
zu bewerten, sodass die Ersatzzahlung den verfallenden
Anspruch nicht übersteigt. Dabei gelten die allgemeinen
Bewertungsgrundsätze, die bei der Offenlegung und
Genehmigung der Vergütung zur Anwendung kommen. Ausgangspunkt ist der fair value der (verfallen-
122
Vgl. Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 111 ff.,
m.w.H.; BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 95, welche dem in den
Materialen genannten Kriterium der «Zahlung vor Stellenantritt»
kritisch gegenüber steht und im Wesentlichen auf das Vorauszahlungselement abstellen will, im Gegenzug aber im Ergebnis sämtliche «üblichen» Vorauszahlungen (wie Lohnzahlungstermine, Vorauszahlungen von Verwaltungsrats-Honoraren etc.) vom Verbot
ausnimmt.
123Der Vorentwurf zur Revision des Obligationenrechts (Aktienrecht)
vom 28. November 2014 stellt die überhöhte Anforderung auf, dass
Ersatzzahlungen einen «klar nachweisbaren finanziellen Nachteil
kompensieren» (Art. 735c Abs. 1 Ziff. 5 VE-OR 2014). Vgl. dazu
Müller/Oser (FN 25), 106 f.
124 Art. 14 Abs. 2 Ziff. 5 VegüV. Vgl. Erläuternder Bericht (FN 34), 26;
Zusatzbericht VegüV (FN 117), 12.
2015
den) Ansprüche, bewertet zu einem Zeitpunkt möglichst
nahe beim Stellenantritt. Diese fair value-Berechnung
erfolgt notwendigerweise gestützt auf Annahmen und
Prognosen. Verliert z.B. ein Arbeitnehmer den BonusAnspruch, weil er die Stelle wechselt, ist zu schätzen,
wie hoch der Bonus wahrscheinlich ausgefallen wäre.
Bei anteilsbasierten erfolgsabhängigen Instrumenten ist
im Zeitpunkt der Bewertung eine Annahme zu treffen,
zu welchem Grad die Anteile definitiv zugeteilt worden
wären (vesting level). Die Bewertung muss sich auf anerkannte Methoden und nachvollziehbare Annahmen stützen. Der Gesellschaft steht bei der Wahl der Methode
und den Annahmen ein erheblicher Ermessensspielraum
zu.125
Die Bewertung wird dadurch erschwert, dass der neue
Arbeitgeber Vergütungspläne des vorherigen Arbeitgebers bewerten muss. Die genauen Leistungsziele sind
in der Regel nicht publiziert; selbst den Geschäftsleitungsmitgliedern sind sie nicht immer bekannt. Sind ausnahmsweise die genauen Leistungsziele bekannt, stehen
der kompensierenden Gesellschaft nur selten die erforderlichen aktuellen Kennzahlen zur Verfügung. Fehlen
diese Angaben, müsste sich eine Bewertung auf stark
vereinfachte Annahmen stützen. Es muss daher zulässig sein, auf den target bonus beziehungsweise das target
vesting level abzustellen statt eigene Annahmen treffen.
Das Bestehen des Anspruchs und die Grundlagen für die
Bewertung sind vom neuen Geschäftsleitungsmitglied
soweit möglich darzulegen. Die Gesellschaft als neue
Arbeitgeberin trifft die Pflicht, die Darlegungen auf deren Plausibilität zu überprüfen.126
Da unter der VegüV auch eigentliche Sign-on-Boni zulässig sind beziehungsweise, unabhängig von deren
Höhe, keine Vergütung im Voraus vorliegt, sofern «Replacement Awards» gestaffelt ausbezahlt werden und somit «abverdient» werden müssen,127 entschärft sich das
Problem der Bewertung erheblich.128
Die VegüV stellt keine Voraussetzungen auf, in welcher
Form Replacement Awards geleistet werden müssen.
Verfallende Ansprüche müssen nicht auf einer like-forlike-Basis ersetzt werden. So können verfallende anteilsbasierte Vergütungen, die erst Jahre später ausgerichtet
worden wären, vom neuen Arbeitgeber in der Höhe deren fair values ohne weitere Bedingungen und Aufschübe bei Stellenantritt vollständig in bar ersetzt werden. Es
kann sich jedoch empfehlen, Ersatzzahlungen ebenfalls
125 Vgl.
Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 125,
m.w.H.; Philippin (FN 12), 295.
126 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 126.
127 Vgl. dazu Abschnitt VI.1.2.
128 Vgl. BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 99; Praxiskommentar VegüVOser/Müller, Art. 20 N 121. A.A. Philippin (FN 12), 295, wonach jegliche Zahlung über werthaltige Ansprüche hinaus, selbst
wenn nach Stellenantritt geleistet, unzulässig ist.
221
Aufsätze
GesKR 2
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
GesKR 2
222
an Bedingungen wie z.B. eine Mindestvertragsdauer zu
knüpfen.
1.2 Einmalige Vergütungen bei Stellenantritt
Aufsätze
Andreas Müller – VegüV –Business as Usual?
2015
Teilweise werden bei Stellenantritt eines neuen Geschäftsleitungsmitglieds einmalige Zahlungen vereinbart, die fällig beziehungsweise unbedingt werden, wenn
nach einem bestimmten Zeitraum Leistungsziele erreicht
werden und/oder die Person in ungekündigtem Arbeitsverhältnis verbleibt. Solche Vergütungen verfolgen mehrere Ziele: Die Motivation zur Annahme der Stelle, eine
Anbindung an das Unternehmen, die Incentivierung ab
dem ersten Tag sowie, insbesondere bei einem stark auf
Long-Term Incentive Awards mit mehrjährigen Erdienungsfristen basierenden Vergütungssystem, die Möglichkeit, ab dem ersten Tag die Zielvergütung erreichen
zu können.
Obwohl der Anspruch im Zusammenhang mit dem Stellenantritt eingeräumt wird, handelt es sich nicht um eine
Vergütung im Voraus. Vergütungen im Voraus stellen
eine voraussetzungslose, unbedingte Zahlung von Vergütung dar. Die Initianten führten als Anwendungsfall
die Vorauszahlung des Lohns von Mario Corti, dem
früheren CEO von Swissair, an. Obwohl er nur wenige
Monate im Amt war, musste er die erhaltene Vorausvergütung nicht zurückerstatten. Sie war unbedingt ausgerichtet worden.
Bei den erwähnten Zahlungen handelt es sich aber – vergleichbar mit üblichen Long-Term Incentive Awards
– um Anwartschaften oder bedingte Vergütungszahlungen. Um die Vergütung definitiv zu erhalten beziehungsweise sie nicht zurückerstatten zu müssen, muss
sie «abgearbeitet» werden, d.h. es müssen bestimmte
Bedingungen wie beispielsweise eine Mindestvertragsdauer erfüllt sein. Einzige Parallele zu den Vergütungen
im Voraus ist, dass sie im Zusammenhang mit dem Stellenantritt ausgerichtet werden. Wie hoch solche Vergütungen ausfallen, ist unter dem Blickwinkel der VegüV
irrelevant; die VegüV stellt keine Schranken betreffend
die Höhe der Vergütung auf.
2.Transaktionsprämien
Art. 20 Ziff. 3 VegüV verbietet Provisionen für die Übernahme oder Übertragung von Unternehmen oder Teilen
davon durch die Gesellschaft oder durch Unternehmen,
die durch die Gesellschaft direkt oder indirekt kontrolliert werden. Entscheidendes Kriterium ist, ob die Vergütung vom Signing und/oder Closing einer solchen
Transaktion bedingt ist.129
Eigentliche Transaktions- oder Kontrollwechselprämien
waren – abgesehen von weiterhin zulässigen Kontrollwechselklauseln in Beteiligungsplänen130 – in der Praxis
vergleichsweise selten. Öfters wurden – und werden – im
Zusammenhang mit Transaktionen Zahlungen geleistet,
die damit verbundene besondere (Mehr-)Leistungen abgelten oder der Mitarbeiterbindung während einer Übergangsphase nach dem Signing oder Vollzug der Transaktion dienen.
2.1 Vergütung besonderer Leistungen
Leisten Mitglieder des Verwaltungsrates oder der Geschäftsleitung im Zusammenhang mit einer von Art. 20
Ziff. 3 VegüV erfassten Transaktion Mehraufwand (z.B.
aufgrund von Mehrarbeit, zusätzlichen Sitzungen oder
der Mitgliedschaft in einem Ad-Hoc-Komitee), kann
diese Leistung weiterhin abgegolten werden.131 Damit
solche Zahlungen nicht als Umgehung des Verbots von
Transaktionsprämien qualifizieren können, ist darauf zu
achten, dass die Höhe der Zusatzentschädigung und der
Mehraufwand in einem angemessenen Verhältnis stehen.
Ferner sind solche Vergütungen nicht vom Zustandekommen einer von Art. 20 Ziff. 3 VegüV erfassten Transaktion abhängig zu machen. Sie sind auch dann auszurichten, wenn Mehraufwand geleistet wurde, dieser aber
keine Früchte im Sinne einer erfolgreichen Transaktion
trägt.132 Solche zusätzliche Vergütung fällt in den genehmigungspflichtigen Gesamtbetrag. Da Transaktionen oft
schwierig vorhersehbar sind, kann es sich anbieten, im
zu genehmigenden Gesamtbetrag eine Reserve einzubauen.133 Die Vergütung ist ferner offenzulegen.
Neben quantitativen Mehrleistungen können bei der
Festsetzung der variablen Vergütung auch qualitative
Leistungen im Rahmen einer von Art. 20 Ziff. 3 VegüV
erfassten Transaktion berücksichtigt werden. Es bleibt
unter der VegüV zulässig, transaktionsspezifische Leistungskriterien vorzusehen.134 Auch hier gelten Art. 13 ff.
und 18 VegüV uneingeschränkt. Die Vergütung darf aber
nicht so strukturiert sein, dass es sich in der Sache um
eine Transaktionsprämie handelt. Dies ist beispielsweise
wohl dann der Fall, wenn zusätzliche variable Vergütung
ausgerichtet wird, deren einziges Leistungsziel der Abschluss oder Vollzug einer Transaktion ist.
130
131
132
133
129
Vgl. dazu näher Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20
N 130 ff. und BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 105 ff., je m.w.H.
134
Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 146 f.; BSKVegüV-Pöschel, Art. 20 N 118.
Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 144 und BSKVegüV-Pöschel, Art. 20 N 114, je m.w.H.
Vgl. Huber (FN 12), N 452.
Vgl. dazu Abschnitt III.4.8.
So ausdrücklich der Erläuternde Bericht (FN 34), 26. Vgl. auch
Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 143 und BSKVegüV-Pöschel, Art. 20 N 114, je m.w.H.
2.2Retentionszahlungen
Im Zusammenhang mit Devestitionen von Unternehmensteilen oder Unternehmenszusammenschlüssen
müssen u.U. Geschäftsleitungsmitglieder mittels einer
zusätzlichen Vergütung dazu bewogen werden, für die
Übergangsphase zwischen Abschluss der Transaktion
und Vollzug beim Unternehmen zu verbleiben und nicht
anderweitig eine Stelle anzutreten. Solche Retentionszahlungen gelten eine Leistung des Arbeitnehmers ab,
nämlich den Verbleib beim Unternehmen trotz des Wissens, dass die eigene Stelle nach Abschluss der Transaktion gestrichen wird oder zumindest eine Doppelbesetzung vorliegt. Wenn die Zahlung nicht auf den Vollzug
einer von Art. 20 Ziff. 3 VegüV erfassten Transaktion
bedingt ist, ist sie zulässig.135 Die blosse Nähe zu einer
Transaktion macht sie nicht unzulässig. Steht die Höhe
der Zahlung nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zum Nachteil des Geschäftsleitungsmitglieds, besteht
ein gewisses Risiko, dass sie als Umgehung des Verbots
der Transaktionsprämien qualifiziert. Das kann namentlich dann der Fall sein, wenn die Retentionszahlung nicht
von einer gewissen Mindestverbleibsdauer abhängig ist.
3.Abgangsentschädigungen
Als Abgangsentschädigungen gelten pauschale Zahlungen, die (i) ihren Rechtsgrund oder Ursprung in der Beendigung des Arbeitsvertrags oder Auftragsverhältnisses
haben, (ii) weder eine Leistung des Empfängers noch einen durch diesen erlittenen Nachteil (über den Abgang
per se hinaus) kompensieren, (iii) über die ordnungsgemässe Abwicklung der gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeits- oder Mandatsverhältnis hinausgehen und (iv) nicht von Gesetzes wegen geschuldet sind
oder auf einem hoheitlichen Akt (wie einem Gerichtsurteil) beruhen.136
3.1 Aufhebungsvereinbarungen und Vergleiche
Vor – wie auch nach – Inkrafttreten der VegüV werden
Verträge mit Geschäftsleitungsmitgliedern regelmässig
nicht gekündigt, sondern mittels eines Aufhebungsvertrags einvernehmlich aufgelöst. Neben dem Gewinn an
Rechtssicherheit für beide Parteien (z.B. dem Wegfall
über die Unsicherheit, welche Bonuszahlungen geschuldet sind) ermöglicht dies insbesondere eine gemeinsam
geplante, für das Unternehmen möglichst wenig disruptive Kommunikation. Bei weiter Auslegung könnte die
eingangs aufgeführte Definition der Abgangsentschädigung solche Aufhebungsvereinbarungen verunmög-
135
Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 145; unklar
BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 117.
136 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 36 ff. Ähnlich BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 30 ff.
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lichen, auch wenn sie im Interesse des Unternehmens
liegen.
Hält eine Aufhebungsvereinbarung bloss fest, worauf das
Geschäftsleitungsmitglied gemäss Arbeitsvertrag sowie
Erfolgs-, Beteiligungs- und anderen Vergütungsplänen
Anspruch hat, ist sie vor dem Hintergrund der VegüV
unproblematisch.137 Je nach Situation kann der Umfang
der vertraglichen Ansprüche unklar sein (wie häufig bei
Bonuszahlungen), vom arbeitsvertraglich Vereinbarten
abweichen (mit insgesamt finanziell betrachtet neutralen
Auswirkungen) oder darüber hinaus Ansprüche einräumen. Solange solche Abweichungen einem objektiven
Dritttest standhalten, d.h. die allenfalls zusätzlich geleistete Vergütung durch Konzessionen des Arbeitnehmers
oder die Vorteile einer einvernehmlichen Aufhebung des
Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber aufgewogen
wird, liegt keine Abgangsentschädigung vor.138 Gerade dem Vorteil für das Unternehmen, die Trennung von
einem Geschäftsleitungsmitglied in geordneten Bahnen
kommunizieren zu können, kann erhebliches Gewicht
zukommen.
Über diese üblichen Fälle hinaus ist der Abschluss von
Aufhebungsvereinbarungen oder Vergleichen noch relevanter bei Kündigungen von Geschäftsleitungsmitgliedern insbesondere in denjenigen Jurisdiktionen,
die Arbeitnehmern umfangreiche Klagerechte und Ansprüche wegen missbräuchlicher Kündigung geben. In
solchen Fällen steht die Gesellschaft oft vor der Wahl,
sich entweder verklagen zu lassen oder einen Vergleich
abzuschliessen. Ersteres dauert lange, und der Ausgang
ist ungewiss, da es sich im Arbeitsrecht oft um Einzelfallentscheide handelt. Ein Vergleich bietet somit mehr Sicherheit, Planbarkeit und Vertraulichkeit. Da vergleichsweise Zahlungen über die ordnungsgemässe Abwicklung
hinausgehen können und zumindest deren Höhe nicht
von Gesetzes wegen oder durch hoheitlichen Akt festgesetzt ist, muss sich ein Unternehmen genügend absichern, um nicht das Risiko zu laufen, eine Abgangsentschädigung auszurichten.
Solche vergleichsweisen Zahlungen sind m.E. unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
• Der Aufhebungsvertrag muss auf einer objektiven
Analyse der Tatsachen, welche für die Festsetzung
möglicher vertraglicher oder gesetzlicher Ansprüche relevant sind, sowie der massgeblichen in- oder
ausländischen Rechtsgrundlagen, Gerichtspraxis und
Lehre beruhen. Macht ein gekündigtes Geschäftsleitungsmitglied z.B. Ansprüche wegen unfair dismissal
oder Fehlen eines gesetzlichen Kündigungsgrundes
geltend, sind die Fakten, die für oder gegen einen
solchen Anspruch sprechen können, sowie die ent137
138
Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 81, m.w.H.
Huber (FN 12), N 430; Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller,
Art. 20 N 82, m.w.H.; BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 50 ff.
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sprechenden rechtlichen Vorgaben und Argumente
vom Unternehmen sorgfältig aufzubereiten. Gestützt auf diese Analyse ist abzuschätzen, in welcher
Höhe sich der Mindest- und Maximalanspruch sowie
der «wahrscheinlichste» oder durchschnittliche Anspruch bewegen.
• Der Vergleich sollte sich auf die vorhergehende
Analyse stützen und sich im Bereich des «wahrscheinlichsten» oder durchschnittlichen Anspruchs
bewegen. Je mehr sich die Vergleichszahlung dem
Maximalanspruch nähert, desto stärker müssen die
Gründe sein, welche dies rechtfertigen.
• Es empfiehlt sich, die Einschätzung von einem externen und unabhängigen Experten, der mit der jeweiligen Rechtsordnung und Praxis vertraut ist, erstellen
oder prüfen zu lassen.
• Der Entscheidfindungsprozess und die Vergleichsverhandlungen sind zu dokumentieren.
Werden diese Leitlinien befolgt, können «Abgangsentschädigungen», die im Grundsatz gesetzlich geschuldet
sind, aber nicht gerichtlich festgestellt wurden, zulässigerweise als «gesetzlich geschuldete» Abgangsentschädigungen ausgerichtet werden.
3.2 Einzahlungen in die berufliche Vorsorge
Die Einzahlungen in die Pensionskasse früherer ABBManager in Millionenhöhe haben Berühmtheit erlangt
und wurden von den Initianten der Abzockerei-Initiative regelmässig als Beispiele für Lohnexzesse und Abgangsentschädigungen angeführt. In der Praxis kommen
solche Einzahlungen in die berufliche Vorsorge von Geschäftsleitungsmitgliedern vor allem vor, um Vorsorgelücken zu füllen oder zu vermeiden. Dies ist gerade bei
Angestellten, die viele Jahre im Ausland gearbeitet haben
und bei einer Rückkehr in die Schweiz kein ihrem Einkommen entsprechendes Vorsorgeguthaben aufweisen
können, relevant. Der Nutzen solcher Einzahlungen
realisiert sich in aller Regel erst am Ende eines Arbeitsverhältnisses. Sie weisen daher eine gewisse Nähe zu den
Abgangsentschädigungen auf.
Werden solche Einzahlungen während eines laufenden
Arbeitsverhältnisses (und damit unabhängig von einer
Beendigung) geleistet, handelt es sich nicht um unzulässige Abgangsentschädigungen. Statt einer solchen Leistung hätte dem Geschäftsleitungsmitglied auch eine Sonderzahlung oder ein erhöhter Lohn ausgerichtet werden
können, den er in die berufliche Vorsorge hätte einzahlen (sofern reglementarisch zulässig) oder im Rahmen
der selbständigen Vorsorge hätte anlegen können. Ein
Konnex zum späteren Abgang liegt nicht vor.139 Zu beachten ist (einzig), dass die Einzahlung als (zusätzliche)
Vergütung von der Generalversammlung zu genehmi-
139
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Vgl. auch Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 110.
gen ist. Sie darf ferner den Statuten nicht widersprechen;
eine gesonderte Statutengrundlage ist in der Regel nicht
erforderlich, da es sich nicht um eine «Vorsorgeleistung
ausserhalb der beruflichen Vorsorge» handelt.140
Wird die Leistung erst im Zusammenhang mit dem Abgang vereinbart beziehungsweise ausgerichtet, kann es
sich um eine Abgangsentschädigung handeln. Sofern der
Zahlung keine Gegenleistung gegenübersteht, sind die
eingangs erwähnten vier Voraussetzungen erfüllt.141
VII.Rück- und Ausblick
Die der VegüV unterstehenden Gesellschaften haben sich
vergleichsweise gut mit den neuen Rahmenbedingungen
arrangiert. So hat dieses Jahr bis zum Datum der Drucklegung soweit bekannt keine Generalversammlung Vergütungsanträge abgelehnt, und Schweizer Unternehmen
konnten weiterhin weltweit renommierte Führungskräfte für sich gewinnen.
Die Öffentlichkeit hat positiv wahrgenommen, dass
die Transparenz der Unternehmen in Vergütungsfragen
zugenommen hat und seit 2014 Vergütungsexzesse ausblieben. Ob dies die Konsequenz des Inkrafttretens der
VegüV und nicht eher des Einflusses der Stimmrechtsberater und der – vermehrt auch kritischen – Einflussnahme der institutionellen Aktionäre ist, bleibt offen. Eine
weitergehende Änderung der Vergütungspraxis und erst
recht der Vergütungshöhe ist daher nicht aufgrund der
Vorgaben der VegüV, sondern nur der Aktionäre selbst
und ihren Beratern zu erwarten.
Wie fast jede Regulierung ist auch die VegüV mit hohen –
wiederkehrenden – Kosten verbunden. Die internen und
externen Rechtsberatungskosten sowie der Aufwand der
Personal- und/oder Compensation & Benefits-Abteilungen ist nicht nur im Vorfeld der Generalversammlungen
erheblich angestiegen – bei unklarem direktem Nutzen.
Um diese Kosten nicht noch weiter zu erhöhen und erneut Rechtsunsicherheit zu schaffen, ist es wichtig, bei
der Umsetzung auf Gesetzesstufe im Rahmen der Aktienrechtsrevision das Rad nicht nochmals neu erfinden zu
wollen und weitere Regulierungen mit unklarem Nutzen
vorzusehen.142 Vielmehr sollte die VegüV weitgehend
unverändert – allenfalls mit ein paar Klarstellungen – in
das OR überführt werden, nachdem sie sich in der Praxis
bewährt hat.
140
Vgl. dazu Praxiskommentar VegüV-Lambert/Müller, Art. 12
N 133.
141 Vgl. auch Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 110;
BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 76.
142 Vgl. auch Müller/Oser (FN 25), passim.
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