GesKR2 2015 206 Andreas Müller* Aufsätze VegüV – Business as Usual? Inhaltsübersicht I.Überblick II.Statuten III. Genehmigung der Vergütung 1. Reihenfolge der Traktandierung 2. Erläuterung der Anträge 3. Richtlinien der Stimmrechtsberater 4. Gegenstand der Genehmigung und ­Bewertung 4.1 Performance-Based Long-Term Incentive Awards 4.2 Sozialversicherungs- und Pensions­kassenbeiträge 4.3 Feste Anzahl Beteiligungsrechte 4.4 Dividend Equivalents 4.5Wechselkursschwankungen 4.6 Vergütungen für Mandate in Tochter­gesellschaften 4.7Doppelmandate 4.8 Reservebeträge als Teil des beantragten ­G esamt­betrages 5. Abweichende Aktionärsanträge 6. Veränderungen in der Geschäftsleitung IV. Offenlegung der Vergütung V. Corporate Governance-Bericht VI. Unzulässige Vergütungen 1. Vergütung im Voraus 1.1Ersatzzahlungen (Replacement Awards) 1.2 Einmalige Vergütungen bei Stellenantritt 2.Transaktionsprämien 2.1 Vergütung besonderer Leistungen 2.2Retentionszahlungen 3.Abgangsentschädigungen 3.1 Aufhebungsvereinbarungen und Vergleiche 3.2 Einzahlungen in die berufliche Vorsorge VII. Rück- und Ausblick I.Überblick Im Nachgang zur Generalversammlungs-Saison 2014 hat sich der Fokus der Unternehmen von der Anpassung der Statuten an die Vorgaben der VegüV auf deren Einhaltung im Unternehmens«alltag» verschoben. Zum einen mussten die meisten betroffenen Gesellschaften 2015 den Aktionären erstmals Gesamtvergütungsbeträge für Verwaltungsrat und Geschäftsleitung zur bindenden Ge- nehmigung unterbreiten. Zum anderen erfolgten erste Wechsel in der Geschäftsleitung und M&A-Transaktionen unter dem Regime der VegüV.1 Nach einem Überblick über den Marktstandard in Sachen Statuten werden VegüV-bezogene Fragen diskutiert, welche die Gesellschaften in den letzten Monaten häufig beschäftigt haben. II.Statuten Nachdem zahlreiche Gesellschaften ihre Statuten bereits an der letztjährigen ordentlichen Generalversammlung an die VegüV angepasst haben, mussten beziehungsweise müssen die verbleibenden Gesellschaften die Statutenrevision an der diesjährigen ordentlichen Generalversammlung traktandieren.2 Richemont wird von den SMI und SMIM-Gesellschaften Mitte September den Abschluss bilden. Bei denjenigen Gesellschaften, die ihre Statutenänderungen dieses Jahr bereits beschlossen oder traktandiert haben, zeigen sich gegenüber der letzten Generalversammlungs-Saison keine neuen Trends. Sie folgen im Wesentlichen den Vorlagen derjenigen Gesellschaften, die ihre Statuten letztes Jahr revidiert haben.3 Der folgende Standard hat sich entwickelt: 1 2 3 * Dr. iur. Andreas Müller, LL.M., Rechtsanwalt in Zürich. Anna ­Peter, Claude Lambert und David Oser danke ich herzlichst für ihre zahlreichen Anregungen. Zur Anpassung der Arbeitsverträge an die VegüV vgl. Lambert, Arbeitsverträge mit der Geschäftsleitung unter der VegüV, GesKR 4/2014, 475–483. Lehnt eine Generalversammlung wider Erwarten die traktandierten Statuten ab, ist zur Verabschiedung des zwingend notwendigen Statuteninhalts eine ausserordentliche Generalversammlung einzuberufen (Praxiskommentar VegüV-Lambert/Müller, Art. 27 N 20; eine generelle Pflicht zur Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung ablehnend, aber eine Pflicht zum Ergreifen der zumutbaren Schritte zu einer so rasch wie möglichen Anpassung bejahend BSK-VegüV-Kägi, Art. 27 N 23). Vgl. den Überblick in Watter/von Büren, VegüV: Erste Erfahrungen, GesKR 3/2014, 302–317; für Musterklauseln Praxiskommentar VegüV-Lambert/Müller, Art. 12 und Müller/Oser, Art. 18 und 19. Vgl. auch die ethos-Studie über die Umsetzung der Minder-Initiative (VegüV), Oktober 2014. • Vergütung – Abstimmung oder Genehmigung: Die Statuten legen fest, ob die Generalversammlung die vom Verwaltungsrat beantragten (maximalen) Gesamtbeträge genehmigt oder darüber beschliesst. Sehen die Statuten eine Genehmigung vor, können die Aktionäre weder eigene Anträge stellen noch dem Verwaltungsrat sonstige bindende Anweisungen im Bereich der Vergütungen erteilen. Sie können einzig den Antrag des Verwaltungsrates genehmigen oder zurückweisen. Antragsberechtigt ist nur der Verwaltungsrat. Räumen die Statuten der Generalversammlung eine Beschlussfassungskompetenz ein, können die Aktionäre eigene Anträge stellen. Aufgrund der in der Regel weiten Formulierung des Verhandlungsgegenstandes kann jeder Aktionär an der Generalversammlung eigene Anträge stellen.4 Da für Vergütungsabstimmungen Aktionärs­ anträge in aller Regel ungeeignet sind, hat die überwiegende Mehrheit der betroffenen Gesellschaften (wenn nicht sogar alle) statutarisch eine Genehmigungskompetenz verankert.5 – Genehmigungsmodell: Die Statuten müssen ferner die Einzelheiten der Genehmigung der Vergütung regeln. Dazu gehört insbesondere der Entscheid, auf welche Vergütungsperiode sich die Genehmigung bezieht und ob sämtliche Vergütungskomponenten des Verwaltungsrates beziehungsweise der Geschäftsleitung gesamthaft oder aufgegliedert nach wesentlichen Bestandteilen zur Abstimmung gebracht werden. Auch rund eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten der VegüV hat sich kein einheitliches Modell durchsetzen können. Die Trends, die sich bereits im Verlauf des Jahres 2014 abzeichneten, setzten sich jedoch fort.6 Die Genehmigung der Vergütung des Verwaltungsrates bezieht sich meist auf die kommende Amtsdauer.7 Die Vergütungen der Geschäftsleitung werden oft in einer Gesamtabstimmung für das kommende Geschäftsjahr genehmigt.8 Retrospektive Genehmigungen beziehen sich mehrheitlich auf die kurzfristige variable Vergütung (da nach Ablauf des Geschäftsjahres der Geschäftserfolg feststeht 4 5 6 7 8 Vgl. BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 119 ff.; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 134 ff. Sämtliche Statuten der SMI- und SMIM-Gesellschaften, die bereits revidiert wurden, sehen eine Genehmigungskompetenz vor. Vgl. dazu Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 142 und 183 ff.; Watter/von Büren (FN 3), 304. 95 % der SMI-Gesellschaften (wobei Roche und Swatch die variable Vergütung separat retrospektiv genehmigen lassen) und 81 % der SMIM-Gesellschaften (wobei Helvetia die variable Vergütung separat retrospektiv genehmigen lässt). Die Angaben beziehen sich jeweils auf 19 SMI-Gesellschaften (d.h. ohne Richemont) und 26 SMIM-Gesellschaften (d.h. ohne EMS-Chemie). 53 % der SMI- und 58 % der SMIM-Gesellschaften. 2015 und entsprechend diese Vergütungskomponente in voller Kenntnis der Umstände zugesprochen werden kann)9 beziehungsweise teilweise auf die variable Vergütung insgesamt10, aber nicht auf die feste Vergütung.11 Die retrospektive Genehmigung findet sich insbesondere bei Gesellschaften aus dem Finanz- und finanznahen Bereich. Vereinzelte Gesellschaften überlassen die Festsetzung der jeweiligen Vergütungsperiode generell dem Verwaltungsrat.12 Die meisten Statuten legen wie erwähnt die Vergütungsperioden fest, sehen aber vor, dass der Verwaltungsrat in Einzelfällen von der statutarischen Regelung abweichen darf; die statutarisch verankerten Vergütungsperioden gelten somit im Sinne einer default rule.13 Zahlreiche Gesellschaften unterbreiten der Ge­ neralversammlung zusätzlich den Vergütungsbericht zur retrospektiven Konsultativabstim­mung.14 Einige Statuten verpflichten den Ver­ waltungsrat dazu.15 – Zusatzbetrag: Der Zusatzbetrag ermöglicht, dass Gesellschaften bei Veränderungen in der Geschäftsleitung neuen oder beförderten Mitgliedern die Vergütungsbestandteile für diejenigen Vergütungsperioden, die bereits von der Generalversammlung genehmigt wurden, zusätzlich zu den genehmigten Beträgen und ohne Genehmigung durch die Generalversammlung aus dem Zusatzbetrag ausschütten dürfen, wenn die genehmigten Beträge nicht ausreichen.16 Die Statuten 9 10 11 12 13 14 15 16 11 % der SMI- und 8 % der SMIM-Gesellschaften. 11 % der SMI- und 15 % der SMIM-Gesellschaften. Der Verwaltungsrat der Credit Suisse hat sich 2015 ebenfalls für eine rückwirkende Genehmigung der variablen Vergütung entschieden. 2 SMI- und 3 SMIM-Gesellschaften lassen jedoch die fixe Vergütung für das laufende Geschäftsjahr (und damit teilweise retrospektiv) genehmigen. Syngenta sieht – je nach Entscheid des Verwaltungsrates – eine Genehmigung für das laufende oder folgende Geschäftsjahr vor. Beispiele: Credit Suisse, Syngenta. Vgl. Huber, Vergütungsfestsetzung nach Art. 95 Abs. 3 BV, Diss. Zürich 2015, N 853; von der Crone/Brugger, Salärgovernance, SZW 2014, 241–254, 253. Die Zulässigkeit einer solchen Regelung ablehnend GesKR-Kommentar VegüV-Daeniker/Gerhard, Art. 18 N 12; Philippin, La mise en oeuvre de l’initiative «contre les rémunérations abusives», SJ 2014 II, 261–340, 289. 89 % der SMI- und 73 % der SMIM-Gesellschaften. Entsprechende Bestimmungen lauten z.B. wie folgt: «Der Verwaltungsrat kann der Generalversammlung abweichende oder zusätzliche Anträge in Bezug auf die gleichen oder andere Zeitperioden vorlegen.» Vgl. dazu Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 187 ff., m.w.H. Vgl. auch den Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, Anhang 1, Rz 38, der dies für den Fall der prospektiven Genehmigung der Gesamtvergütung als Möglichkeit (nicht aber als ausdrückliche Empfehlung) vorsieht. 42 % der SMI- und 22 % der SMIM-Gesellschaften. Art. 19 VegüV. Vgl. dazu BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 19 und Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 19, je m.W.H. 207 Aufsätze GesKR 2 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? GesKR 2 Aufsätze 208 sehen fast ausnahmslos einen Zusatzbetrag vor; Höhe sowie Bezugsgrösse variieren erheblich.17 – Grundsätze der erfolgs- und anteilsbasierten Vergütung: Die grosse Mehrheit der Gesellschaften beschränkt sich – den Anforderungen der VegüV genügend – auf die Regelung der wesentlichen Grundsätze. Damit verbleibt genügend Flexibilität, auf neue Best Practices und Forderungen der Investoren einzugehen und das Vergütungssystem adjustieren zu können, ohne stets die Statuten ändern zu müssen. Bei den fast jährlich erfolgenden Anpassungen der Vergütungssysteme ist dies der empfehlenswerte Ansatz. Im Gegenzug für eine gewisse Offenheit der Statutenbestimmungen legen, wie erwähnt, viele Gesellschaften den Vergütungsbericht den Aktionären zu einer Konsultativabstimmung vor. Dieser legt die anwendbaren Vergütungsregeln detailliert offen. • Externe Mandate: Die Statuten müssen festhalten, wie viele zusätzliche externe Mandate Verwaltungsräte und Geschäftsleitungsmitglieder ausüben dürfen.18 Sie unterscheiden in der Regel zwischen Verwaltungsräten und Geschäftsleitungsmitgliedern sowie zwischen verschiedenen Kategorien von Mandaten: Mandate in börsenkotierten Gesellschaften, in nicht kotierten Gesellschaften (teilweise abgestuft nach Grösse), in gemeinnützigen Organisationen/ Stiftungen etc. und Mandate im Auftrag der Gesellschaft. Der Belastung entsprechend ist die Anzahl zusätzlicher Mandate für Geschäftsleitungsmitglieder üblicherweise niedriger angesetzt als für Verwaltungsräte. Zusätzliche börsenkotierte Mandate für Verwaltungsräte sind – insbesondere den Empfehlungen des Stimmrechtsberaters ISS folgend – oft auf vier und für Geschäftsleitungsmitglieder auf ein Mandat beschränkt.19 • Verträge über die Vergütung: Die Statuten müssen die maximale Dauer der Verträge über die Vergütung des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung regeln, wobei Dauer oder Kündigungsfrist höchs- 17 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? 2015 Die Mehrheit der Statuten bezieht sich auf die zuletzt genehmigte Vergütung (89 % der SMI- und 65 % der SMIM-Gesellschaften). 18 Art. 12 Abs. 1 Ziff. 1 VegüV. Vgl. dazu BSK-VegüV-Kägi, Art. 12 N 22 ff. und Praxiskommentar VegüV-Lambert/Müller, Art. 12 N 15 ff., je m.w.H. Die Statuten von 95 % der SMI- und 96 % der SMIM-Gesellschaften halten fest, dass mehrere Mandate in verschiedenen Rechtseinheiten, die unter einheitlicher Kontrolle oder gleicher wirtschaftlicher Berechtigung stehen, als ein Mandat gelten (sog. Gruppenklausel); so auch zRating, Abstimmungsrichtlinien zur Ausübung von Stimm- und Mitwirkungsrechten bei Schweizer Publikumsgesellschaften, Dezember 2014, Ziff. 4.9b). 19Verwaltungsrat: 74 % der SMI- und 46 % der SMIM-Gesellschaften. Aryzta, Nobel Biocare, Swisscom und Zurich Insurance Group sehen eine Beschränkung auf 3 Mandate in börsenkotierten Unternehmen vor. Geschäftsleitung: 63 % der SMI- und 62 % der SMIMGesellschaften. Aryzta und Swatch lassen kein zusätzliches Mandat in einem kotierten Unternehmen zu. Vgl. auch Watter/von Büren (FN 3), 307. tens ein Jahr betragen dürfen.20 Auch hier hat die Mehrheit der Gesellschaften entschieden, sich nicht unnötig Handlungsoptionen zu verschliessen. Für Verwaltungsräte wird regelmässig auf (die einjährige) Amtsdauer und Gesetz verwiesen.21 Die Kündigungsfrist für Geschäftsleitungsmitglieder beträgt für unbefristete Arbeitsverträge meist ein Jahr;22 die Möglichkeit einjähriger befristeter Arbeitsverträge wird regelmässig offengehalten.23 Zudem sehen etliche Statuten vor, dass die Gesellschaft gegen Zahlung einer Karenzentschädigung Konkurrenzverbote für eine gewisse Dauer (oft bis zu einem Jahr) eingehen darf, sofern die Gesellschaft daran ein Interesse hat.24 Eine solche Statutenbestimmung soll ein gewisses Mass an Rechtssicherheit bieten, wenn Bedarf besteht, ein Konkurrenzverbot abzuschliessen.25 • Darlehen/Kredite/Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge: Sofern eine Gesellschaft ihren Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitgliedern Darlehen oder Kredite einräumen oder Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge ausrichten will, muss dafür eine Statutengrundlage bestehen; ansonsten ist dies unzulässig.26 Ausserhalb des Finanzsektors haben viele Gesellschaften darauf verzichtet, für Darlehen und Kredite eine Statutengrundlage zu schaffen. Einige Gesellschaften haben sogar festgehalten, dass keine Darlehen und Kredite ausgerichtet werden, beziehungsweise nur an Geschäftsleitungsmitglieder.27 Mangels Praxisrelevanz hat die Mehrheit der Gesellschaften keine Grundlage für Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge geschaffen.28 Nach der h.L. handelt es sich bei Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge um Leistungen, die für die Dauer nach Ende der Organmitgliedschaft ausgerichtet werden und die nicht auf Beiträgen beruhen, die von der Generalversammlung früher als Teil der Vergütung genehmigt wurden.29 Entsprechend ist m.E. eine Statutengrundlage entbehrlich, da solche Leistungen in der Praxis 20 Art. 12 Abs. 1 Ziff. 2 VegüV. Vgl. dazu BSK-VegüV-Kägi, Art. 12 N 60 ff. und Praxiskommentar VegüV-Lambert/Müller, Art. 12 N 78 ff., je m.W.H. 21 79 % der SMI- und 54 % der SMIM-Gesellschaften. 22 Sämtliche SMI- und SMIM-Gesellschaften. 2368 % der SMI- und 77 % der SMIM-Gesellschaften. 24 63 % der SMI- und 58 % der SMIM-Gesellschaften. 25 Zu den im Vorentwurf zur Revision des Obligationenrechts (Aktienrecht) vom 28. November 2014 vorgeschlagenen Einschränkungen siehe Art. 735c Abs. 1 Ziff. 2 und 3 und Abs. 2 VE-OR 2014 und Müller/Oser, VegüV – Quo vadis?, GesKR 1/2015, 98–108, 105 f. 26 Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 und Art. 20 Ziff. 4 VegüV. Vgl. dazu BSKVegüV-Kägi, Art. 12 N 79 ff. und Pöschel, Art. 20 N 123 ff., und Praxiskommentar VegüV-Lambert/Müller, Art. 12 N 117 ff. und Oser/Müller, Art. 20 N 151, je m.w.H. 27 32 % der SMI- und 19 % der SMIM-Gesellschaften. 2884 % der SMI- und 54 % der SMIM-Gesellschaften. 29 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Lambert/Müller, Art. 12 N 121. Im Ergebnis gl.M. BSK-VegüV-Kägi, Art. 12 N 93 ff. kaum je ausgerichtet werden. Der Entscheid derjenigen Gesellschaften, eine Grundlage für solche Leistungen vorzusehen, war weitgehend durch die Unsicherheit motiviert, welche Leistungen vom Begriff der «Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge» erfasst sind, insbesondere im Hinblick auf ausländische Vorsorgeleistungen. III. Genehmigung der Vergütung An der diesjährigen ordentlichen Generalversammlung müssen beziehungsweise mussten sämtliche Gesellschaften, die der VegüV unterstehen, die Vergütung für den Verwaltungsrat, die Geschäftsleitung und allenfalls einen Beirat genehmigen lassen. Die Statuten – beziehungsweise bei noch fehlender Statutengrundlage der Verwaltungsrat30 – bestimmen, für welche Periode die Vergütung genehmigt werden muss. Sehen die Statuten beispielsweise vor, dass die Vergütung für das folgende Geschäftsjahr genehmigt wird, untersteht die Vergütung, die für das Geschäftsjahr 2015 ausgerichtet wird, keiner Genehmigung.31 Dies gilt – gemäss dem massgebenden Prinzip der periodengerechten Abgrenzung32 – auch dann, wenn die Vergütung für das Geschäftsjahr 2015 zugesprochen wurde, aber erst im Geschäftsjahr 2016 oder später ausbezahlt wird beziehungsweise vested. Nachstehend werden ausgewählte Fragen, die in der Vorbereitung zur ordentlichen Generalversammlung 2015 regelmässig aufkamen, diskutiert. Es wird auch aufgezeigt, inwieweit sich ein Marktstandard etabliert hat, und wo im Hinblick auf die nächste ordentliche Generalversammlung Optimierungsbedarf besteht. 1. Reihenfolge der Traktandierung Für die Standard-Traktanden einer ordentlichen Generalversammlung hat sich eine übliche Reihenfolge etabliert: Zuerst werden der Geschäftsbericht und allenfalls konsultativ der Vergütungsbericht abgenommen, dann die Gewinnverwendung beschlossen, Décharge erteilt und schliesslich die Wahlen durchgeführt. Bezüglich der Einordnung der Genehmigung der Vergütung bestand eine gewisse Unsicherheit. Soll die Vergütung vor den Wahlen traktandiert werden, sodass sich – so zumindest die Überlegung in Theorie – die Verwaltungsratskandidaten bei Ablehnung der Vergütung entscheiden können, ob sie sich weiterhin zur Wahl stellen? Soll die retrospektive Genehmigung den rückwirkenden Traktanden (Ab- 30 Art. 31 Abs. 2 und 3 VegüV. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 31 N 7 f.; BSKVegüV-Watter/Maizar/Blaeser/Glanzmann, Art. 31 N 5. 32 Siehe dazu nachstehend Abschnitt III.4. 31 2015 nahme Geschäftsbericht, Gewinnverwendung und Décharge) zugewiesen und die prospektive Genehmigung im zweiten, vorausschauenden Teil (z.B. im Zusammenhang mit den Wahlen) traktandiert werden?33 Oder soll die Abstimmung ganz ans Ende gelegt werden, falls die Anträge kontrovers sein oder generell längere Diskussionen auslösen sollten? Da die überwiegende Mehrheit der Stimmen bereits im Vorfeld der Generalversammlung an den unabhängigen Stimmrechtsvertreter abgegeben wird und die Anträge in der Regel nicht kontrovers sind, ist die Reihenfolge der Traktandierung letztlich irrelevant. Zudem finden sich für fast alle Varianten Vor- und Nachteile. Entsprechend konnte sich auch kein Standard durchsetzen. 2. Erläuterung der Anträge Die Anträge des Verwaltungsrates an die Generalversammlung betreffend Genehmigung der Vergütung sind aus rechtlicher Sicht nicht zu begründen.34 In der Praxis erläutern die Verwaltungsräte der meisten Gesellschaften ihre Anträge dennoch.35 Dafür gibt es mehrere Gründe: Auch wenn rechtlich über einen Gesamtbetrag abgestimmt wird, wird faktisch das Vergütungssystem gutgeheissen. Sofern dieses von der relevanten Vorperiode abweicht, sind die Änderungen den Aktionären zu erklären. Ferner fallen bei einer prospektiven Abstimmung die beantragten Beträge regelmässig (erheblich) höher als die effektiven Vergütungen der Vorperiode aus, da für gewisse Vergütungselemente wie variable Bonuszahlungen Maximalbeträge zu berücksichtigen sind. Auch dies schafft Erklärungsbedarf. Schliesslich verlangen Stimmrechtsberater sowie (institutionelle) Aktionäre ein Mindestmass an Hintergrundinformationen. Bei einer Vielzahl von Variationen hat sich folgender Marktstandard herausgebildet: • Werden Vergütungselemente retrospektiv genehmigt, wird teils ohne ausführliche Zusatz-Erläuterungen auf den Vergütungsbericht verwiesen, da in der Regel die offengelegte Vergütung mit dem beantragten Gesamtbetrag übereinstimmt.36 Erklärungsbedürftige Abweichungen bestehen insbesondere, wenn eine Gesellschaft Long-Term Incentive Awards retrospektiv genehmigen lässt und für die Genehmigung – anders als für die Offenlegung 33 So z.B. Swiss Re mit grafisch hervorgehobener Aufteilung zwischen «retrospektiven» und «prospektiven» Traktanden. 34 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 77, m.w.H.; a.A. Erläuternder Bericht vom 14. Juni 2013 zum Vorentwurf zur Verordnung gegen die Abzockerei, 20. 35 So auch die Empfehlung des Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, Anhang 1, Rz. 31 («begründet […] auf nachvollziehbare Weise»). 36 Beispiele: GAM, Givaudan. 209 Aufsätze GesKR 2 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? GesKR 2 Aufsätze 210 im Vergütungsbericht – nicht auf den fair ­value unter Annahme der Zielerreichung, sondern auf den Wert unter Annahme des Erreichens der maximalen Leistungsziele abstellt.37 Insbesondere SMI-Gesellschaften fassten jedoch in den Erläuterungen über einen blossen Verweis hinaus die wesentlichen Ausführungen des Vergütungsberichts üblicherweise zusammen.38 • Im Fall einer prospektiven Genehmigung erläutern Gesellschaften regelmässig, wie der oder die beantragten Gesamtbeträge zustande kamen und wie die Gesellschaft diese(n) zu verwenden gedenkt. Insbesondere bei der Genehmigung eines Gesamtbetrages wird unter anderem zahlenmässig festgehalten, wie der Gesamtbetrag voraussichtlich auf die einzelnen Vergütungskomponenten wie fixe, kurzfristige variable und langfristige variable Vergütung aufgeteilt wird.39 • Insbesondere bei Genehmigung eines Gesamtbetrages für das folgende Geschäftsjahr bestehen erhebliche Differenzen zwischen der im letzten Vergütungsbericht ausgewiesenen tatsächlichen Vergütung und dem beantragten Gesamtbetrag. Neben allfälligen geplanten oder reservehalber einberechneten Lohnerhöhungen ergibt sich diese Differenz unter anderem daraus, dass für den kurzfristigen, in bar ausgerichteten Bonus die maximal mögliche Auszahlung (d.h. unter Annahme der maximalen Erreichung aller Leistungsziele) in den Gesamtbetrag einberechnet werden muss. Wie nachfolgend erläutert wird, stellen zudem einige Gesellschaften auch bei anteilsbasierter, langfristiger variabler Vergütung nicht auf den Wert dieser Vergütungselemente unter Annahme der Zielerreichung, sondern der maximal erreichbaren Zuteilung ab.40 Ohne Erläuterung der Differenz zwischen effektiver Vorjahres-Vergütung und dem Antrag besteht das Risiko einer negativen Stimmempfehlung seitens der Stimmrechtsberater.41 Deshalb rechnen zahlreiche Gesellschaften neben dem beantragten Maximal-Gesamtbetrag hypothetische Maximal-Gesamtbeträge für das Vorjahr aus. Die Erläuterungen weisen also nicht nur die effektiv ausgerichtete Vergütung z.B. für das Geschäftsjahr 2014 (und allenfalls früher) aus, sondern auch den Betrag, der unter Zugrundelegung der 2014 geltenden Vergütungspläne und -richtlinien maximal hätte ausgerichtet werden können.42 Somit können Stimm- 37 38 39 40 41 42 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? 2015 Vgl. dazu nachstehend Abschnitt III.4.1. Beispiele: Credit Suisse, Julius Bär, Swiss Re, UBS. Beispiele: Addecco, Geberit, Holcim, Nestlé, Novartis, Sulzer, Transocean, Zurich Insurance Group. Vgl. nachstehend Abschnitt III.4.1. Vgl. nachstehend Abschnitt III.3. Beispiele: ABB, Geberit, Holcim, Julius Bär, Lindt & Sprüngli, Lonza, Nestlé, Novartis, Syngenta, Transocean, Zurich Insurance Group. rechtsberater und Aktionäre Gleiches mit Gleichem vergleichen. Ab der Generalversammlung 2016 wird sich dieses Problem entschärfen, da Stimmrechtsberater und Aktionäre voraussichtlich die Anträge mit den Vorjahresanträgen vergleichen werden, und die zuletzt offengelegte effektiv ausgerichtete Vergütung – anders als bei der Konsultativabstimmung über den Vergütungsbericht – weniger im Fokus stehen wird. • Die Erläuterungen finden sich in der Einladung selbst,43 in einem Anhang dazu oder einer separaten Broschüre44 oder vereinzelt im Vergütungsbericht.45 Letzteres bedingt jedoch, dass die Anträge im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Geschäftsberichts bereits feststehen. Grössere Gesellschaften publizieren regelmässig umfangreiche Erläuterungen. Je detaillierter die Erläuterungen ausfallen, desto relevanter wird die Frage, inwieweit Gesellschaften daran gebunden sind. Können bei einer zahlenmässig ausgewiesenen Aufteilung des Gesamtbetrages auf die fixe, die kurzfristige variable und die langfristige variable Vergütung in Abweichung davon z.B. auch nicht erläuterte Sonderboni oder Retentionszahlungen ausgerichtet werden, solange der genehmigte Gesamtbetrag nicht überschritten wird? Insbesondere wenn die Erläuterungen – wie in der Praxis häufig der Fall – ausdrücklich festhalten, dass sie nur indikativer und nicht verbindlicher Natur sind, haben sie keine Bindungswirkung.46 Aus einer investor relations-Perspektive kann von den Erläuterungen jedoch wohl nur aus guten Gründen abgewichen werden.47 3. Richtlinien der Stimmrechtsberater Aufgrund der beachtlichen Beeinflussung des Stimmverhaltens insbesondere von institutionellen Investoren haben die den Stimmrechtsempfehlungen zugrunde liegenden Richtlinien der Stimmrechtsberater48 grossen Einfluss auf die Ausgestaltung der Vergütungsanträge 43 Beispiele: Baloîse, Dufry, Lonza, OC Oerlikon, Straumann, Swiss Re, Syngenta, Transocean (als Teil des Proxy Statement). 44 Beispiele: ABB, Credit Suisse, Geberit, Givaudan, Holcim, Julius Bär, Lindt & Sprüngli, Nestlé, Novartis, Sulzer, Temenos, UBS, Zurich Insurance Group. 45 Beispiele: GAM, Roche, Schindler, Zug Estates. 46Vgl. Huber (FN 12), N 880. 47 Vgl. dazu die nachstehend in Abschnitt III.4.8. diskutierte Möglichkeit, ausdrücklich Reservebeträge vorzusehen, um zu verhindern, dass Mittel des Gesamtbetrages «zweckentfremdet» werden. 48 ISS: Europe Summary Proxy Voting Guidelines, 22. Dezember 2014, abrufbar unter http://www.issgovernance.com/file/policy/2 015europesummaryvotingguidelines.pdf; GlassLewis: Guidelines 2015 Proxy Season – Switzerland, 2015, abrufbar unter http://www. glasslewis.com/assets/uploads/2013/12/2015_GUIDELINES_ Switzerland.pdf; ethos: Richtlinien zur Ausübung der Stimmrechte 2015, Dezember 2014, abrufbar unter http://www.ethosfund.ch/ upload/publication/p435d_141204_Ethos_Richtlinien_zur_Aus bung_der_Stimmrechte_und_Grundstze_zur_Corporate_Gover nance.pdf (alle zuletzt am 9. Mai 2015 aufgerufen). des Verwaltungsrates und der Erläuterungen. Besonders erwähnenswert sind die folgenden Richtlinien und Erwägungen von ISS: • ISS verglich die beantragte Gesamtvergütung mit der für das Vorjahr offengelegten effektiven Vergütung. Bei erheblichen Erhöhungen (in Einzelfällen bereits ab 5 %), die nicht begründet wurden, lehnte ISS den Antrag ab. Zeigten die Erläuterungen neben der effektiven Vergütung für das Vorjahr die damals maximal mögliche Vergütung auf, verglich ISS diese maximal zulässige Vergütung mit dem beantragten Maximal-Gesamtbetrag. • ISS lehnt Anträge, die eine im Marktvergleich exzessive Vergütung zulassen, ab. • ISS berücksichtigt bei der Beurteilung der Gesamtbeträge die Offenlegung und Erläuterungen und begrüsst eine Aufteilung des Gesamtbetrages auf Teilbeträge für fixe und variable Vergütung in den Erläuterungen. • Im Falle einer zusätzlichen konsultativen (retrospektiven) Abstimmung gibt ISS in Bezug auf die bindende Genehmigung nur bei ernsthaften Bedenken eine Nein-Empfehlung ab. Ferner beachtet ISS auch bei der Beurteilung der Anträge auf Genehmigung der Gesamtbeträge unter anderem die folgenden Grundsätze: • Anträge, die Optionen oder vergleichbare anteilsbasierte Vergütungen oder Pensionsleistungen oder -beiträge für nicht-exekutive Verwaltungsräte vorsehen, werden abgelehnt. • Variable Vergütungen an nicht-exekutive Verwaltungsräte werden kritisch betrachtet. • Anträge, die Karenzentschädigungen für Konkurrenzverbote vorsehen, die eine Jahresvergütung übersteigen, werden abgelehnt. 4. Gegenstand der Genehmigung und ­B ewertung Neben den Vorgaben von Art. 18 Abs. 3 VegüV sind bei der Genehmigung der Vergütung insbesondere zwei Grundregeln zu beachten: • Vergütungen sind periodengerecht abzugrenzen und entsprechend zur Genehmigung zu unterbreiten. • Die Generalversammlung stimmt über Gesamtbeträge ab, d.h. über einen Geldbetrag in Schweizer Franken oder einer anderen Währung.49 Entsprechend sind sämtliche Vergütungselemente zu bewerten.50 49BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 94 ff.; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 34. 50BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 163; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 49 ff., mit allgemeinen Ausführungen zur Bewertung und w.H. 2015 Im Einzelnen: Wie bei der Offenlegung und der Rechnungslegung gilt für die Genehmigung der Vergütung das Prinzip der periodengerechten Abgrenzung (sog. ­accrual principle). Der Beschluss der Generalversammlung bezieht sich auf diejenige Vergütung, die für die Vergütungsperiode zugesprochen wurde beziehungsweise zugesprochen werden kann, über welche abgestimmt wird. Dies bedeutet, dass nicht der Zeitpunkt der Auszahlung oder des definitiven Rechtserwerbs massgebend ist. Relevant ist vielmehr die Zeitperiode, für welche Vergütungen zugeteilt beziehungsweise zugesprochen werden (sog. grant) – unabhängig davon, ob die Auszahlung oder der definitive Rechtserwerb nach dem Ende dieser Vergütungsperiode erfolgt.51 Boni, die Leistungen für das Vorjahr honorieren, sind somit im Rahmen der Abstimmung über die Vergütung für jenes Jahr zu genehmigen. Long-Term Incentive Awards, die mehrjährigen Zuteilungsbedingungen unterliegen, bilden grundsätzlich Vergütung für ein bestimmtes Jahr. Sie sind im Rahmen der Genehmigung der auf dieses Jahr anwendbaren Vergütungsperiode zu genehmigen, in Höhe der gesamten Zuteilung (grant).52 Die Bewertung der Vergütung erfolgt zum Verkehrsoder Marktwert beziehungsweise Zeitwert (fair value).53 Massgebend ist der Zeitpunkt der Zuteilung (grant), unabhängig von allfälligen Ausübungsbedingungen und -fristen (vesting conditions and periods), Verkaufs- oder Übertragungsbeschränkungen (selling/transfer restrictions) oder sonstigen Bedingungen (z.B. forfeiture provisions) (die jedoch für die Bewertung berücksichtigt werden).54 Das grant date ist unabhängig davon massgebend, ob der fair value der Vergütungen im Zeitpunkt des definitiven Rechtserwerbs (vesting) oder der Ausübung (exercise) höher oder tiefer als im Zuteilungszeitpunkt sein wird. Die Bewertung von in bar ausgerichteten Vergütungen ist unproblematisch. Es gilt der Nominalwert. Bei einem Aufschub der Fälligkeit beziehungsweise Auszahlung, der wertmässig nicht unerheblich ist, kann der Nominalbetrag diskontiert werden. Andere Bedingungen (z.B. ungekündigte Anstellung im Auszahlungszeitpunkt) 51BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 146; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 42. 52BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 146 und 162; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 43 f. 53BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 163; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 51; Schmid/Maizar, Longterm incentive plans, GesKR 1/2014, 22–43, 33 ff.; von der Crone/Huber, Festlegung von Vergütung in Publikumsgesellschaften. Umsetzungsvorschlag für Art. 95 Abs. 3 BV, SJZ 2014, 297–308, 304. 54BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 164; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 61; Schmid/Maizar (FN 53), 33 ff.; a.A. von der Crone/Huber (FN 53), 304, wonach auf den Zeitwert im Zeitpunkt der Generalversammlung abzustellen ist. 211 Aufsätze GesKR 2 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? GesKR 2 Aufsätze 212 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? 2015 dürfen ebenfalls berücksichtigt werden; der Abschlag muss einer objektiven Überprüfung standhalten.55 Für Sach- oder Dienstleistungen kann die fair valueBewertung auf Nominalbeträge (z.B. Mitgliederbeiträge, Leasingraten/Unterhaltskosten für Fahrzeuge etc.) oder steuerliche Wertansätze (z.B. Bewertung des Privatanteils bei der gemischten Nutzung eines Firmenfahrzeuges) abstellen.56 Zur Bewertung von anteilsbasierten Vergütungen siehe nachstehend Abschnitt III.4.1. Aufgrund der beiden eingangs genannten Grundregeln stellen sich bei der Vorbereitung der Vergütungsanträge insbesondere Fragen zu den folgenden Themen: 4.1 Performance-Based Long-Term Incentive Awards Long-Term Incentive Awards werden in der Regel als Aktien, Optionen oder Instrumente wie performance share units, restricted stock units, stock appreciation rights oder contingent deferred units ausgerichtet. Sie unterliegen regelmässig zeit- und/oder leistungsbezogenen Bedingungen oder Auflagen wie vesting conditions, performance conditions, selling/transfer restrictions und/ oder forfeiture provisions. Solche Bedingungen oder Auflagen mindern den Wert der zugeteilten Long-Term Incentive Awards und dürfen daher bei der Bewertung angemessen berücksichtigt werden. Für die Bewertung sind anerkannte Bewertungsmethoden zu verwenden, wobei je nach Art der Long-Term Incentive Awards auf individuell definierte Bewertungsmethoden zurückgegriffen werden muss. Die Wahl der Methode obliegt der Gesellschaft.57 Die fair value-Bewertung von anteilsbasierten Vergütungen mit Ausgleich durch Eigenkapitalinstrumente darf gemäss IFRS 2 nur Ausübungsbedingungen (vesting conditions) in der Form von Marktbedingungen (market conditions) sowie sog. Nicht-Ausübungsbedingungen (non-vesting conditions) berücksichtigen. Nicht marktbezogene Ausübungsbedingungen (non-market vesting conditions) dürfen bei der Berechnung des fair value at grant nicht berücksichtigt werden. Es handelt sich dabei um Bedingungen, die nicht auf der Aktienkursentwicklung der Gesellschaft basieren, wie insbesondere service conditions (Bsp.: Verbleib im Unternehmen) und nicht auf den Aktienkurs bezogene performance conditions (Bsp.: EBITDA-Ziel). Solche Ausübungsbedingungen sind durch Anpassung der Anzahl der in die Bestimmung des Transaktionsbetrages einbezogenen Eigenkapitalinstrumente zu berücksichtigen.58 Die Bewertung beruht Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 53. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 54. 57 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 55. 58 IFRS 2 N 19 ff. somit letztlich auf der geschätzten Anzahl der schliesslich zuzuteilenden Eigenkapitalinstrumente, d.h. in der Regel der Anzahl Aktien. Dabei stellt sich die Frage, wie diese Anzahl geschätzt werden soll. Bei leistungsbezogenen non-market conditions ist sinnvollerweise davon auszugehen, dass das Leistungsziel erreicht wird (target achievement). So ist bei einem Plan, der bei fehlender Zielerreichung keine Aktie, bei Zielerreichung eine Aktie und bei Übererreichung zwei Aktien je Unit vorsieht, bei der Bewertung von der Zuteilung einer Aktie je Unit auszugehen. Ein Abstellen auf eine unter dem Zielwert liegende Anzahl (underachievement) lässt sich in der Regel nicht rechtfertigen. Ein Abstellen auf ein Übertreffen der Ziele (overachievement) kann vorsichtig sein, wird aber bei realistischer Zielsetzung den fair value nicht richtig abbilden. Entsprechend hat die überwiegende Mehrheit der Gesellschaften bei der Bewertung im Rahmen der Offenlegung gemäss Art. 663bbis OR Long-Term Incentive Awards unter Annahme der Zielerreichung bewertet; gewisse Unternehmen haben auf den Durchschnitt der historischen effektiven Zielerreichungsgrade abgestellt. Für den Vergütungsbericht gemäss Art. 13 ff. VegüV ist an dieser Praxis festzuhalten;59 dies scheint gemäss dieses Jahr veröffentlichten Vergütungsberichten auch der Fall zu sein. Auch bei der prospektiven und – sobald die vesting oder performance period länger als ein Jahr dauert – der retrospektiven Genehmigung von Long-Term Incentive Awards, die ein downside (im Falle des underachievement) als auch ein upside Potenzial (im Falle des overachievement) vorsehen, stellt sich die Frage, welche Bewertung zugrunde gelegt werden soll. Kann ebenfalls auf den fair value at target, wie er offengelegt (werden) wird, abgestellt werden? Oder ist eine Bewertung unter Annahme der maximalen Zielerreichung zugrunde zu legen? Unbestritten ist, dass für die Bewertung in jedem Fall auf den Zeitpunkt der Zuteilung (grant) abzustellen ist. Spätere Aktienkursschwankungen und der damit verbundene Einfluss auf den Wert der Long-Term Incentive Awards werden somit nicht berücksichtigt. Im Übrigen spricht Folgendes dafür, auf den fair value unter Annahme der Zielerreichung abzustellen: • Es besteht ein Gleichlauf zwischen der Bewertung im Vergütungsbericht, in der Rechnungslegung (mit spezifischen Abweichungen) und für die Genehmigung der Vergütung. • Die erwähnten Long-Term Incentive Awards sind in der Regel so kalibriert, dass im Zeitpunkt der Zuteilung die Zielerreichung der wahrscheinlichste Fall 55 56 59 Gl.M. BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 87. ist.60 Entsprechend kommt ihnen ökonomisch der Wert unter Annahme der Zielerreichung, und nicht des under- beziehungsweise overachievement, zu. • Auch bei einem Abstellen auf den maximalen Vesting-Grad (d.h. im oben genannten Beispiel auf zwei Aktien je Unit) bezieht sich die Genehmigung nicht auf den Maximal-Wert der Vergütung im Zeitpunkt des Vesting beziehungsweise der Ausübung (exercise). Aufgrund der Kursentwicklung der zugrundeliegenden Aktie kann der Wert der effektiv erhaltenen Anzahl Aktien den genehmigten Gesamtbetrag überschreiten. Bei einem Abstellen auf den maximalen Vesting-Grad würde deshalb nur eine mögliche Ursache für eine Wertsteigerung (das overachievement nach Ablauf der vesting beziehungsweise performance period) berücksichtigt, die zweite wesentliche Ursache (Kursentwicklung) aber nicht. Auch die Lehre anerkennt, dass die Bewertung unter Annahme der Zielerreichung für die Vergütungsgenehmigung VegüV-konform ist.61 Voraussetzung ist, dass die Bewertung lege artis durchgeführt wird. Dies kann z.B. dann nicht der Fall sein, wenn der Zielwert konstant unter der effektiven historischen Zielerreichung angesetzt wird und so effektiv mit einem Übertreffen des Zielwerts gerechnet werden sollte. Ferner muss für die Aktionäre klar sein, welchen Betrag sie genehmigen. Es empfiehlt sich daher, in den Erläuterungen zu den Anträgen festzuhalten, dass die Long-Term Incentive Awards unter Annahme der Zielerreichung (at target) bewertet werden und je nach erreichter Leistung mehr oder weniger Aktien je Unit zugeteilt werden können.62 Zahlreiche Unternehmen haben für die diesjährige ordentliche Generalversammlung diesen Bewertungsansatz verwendet63 und den Aktionären gegenüber transparent erläutert, auf welchen Annahmen die Bewertung beruht.64 60 61 62 63 64 Vgl. auch Schmid, Der Vergütungsbericht nach VegüV, ST 2014, 1153–1157, 1157. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 56; Schmid (FN 60), 1157; Schmid/Maizar (FN 53), 37. Wohl auch BSKVegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 88. Gl.M. BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 88. Beispiele: Baloîse, Clariant, Givaudan, Nestlé, Schindler, Siegfried, Swiss Re, Transocean. Beispiele: «With regard to performance-based long-term incentives such as contingent deferred units, the fair value calculations are based on an assumed achievement of performance targets at 100 %. The actual number of shares to be allocated under such long-term incentive units will be determined in 2019 depending on performance achievement over a three-year performance cycle and may range between 0-200 %.» (Transocean); «Die nach Ablauf der Sperrfrist gewährte Anzahl Aktien kann in einem Rahmen zwischen 0 % und der Obergrenze von 200 % der ursprünglichen Zuteilung der PSUs liegen. […] Der Fair Value von Units aus langfristigen Vergütungsplänen wird bei deren Zuteilung mittels allgemein anerkannter Preismodelle ermittelt. Dabei wird der mögliche Aufwärts- oder Abschwächungs-Effekt der Unternehmensleistung am Ende der dreijährigen Sperrfrist mitberücksichtigt.» (Nestlé). 2015 Eine Reihe von Gesellschaften hat hingegen auf den Wert unter Annahme der maximalen Erreichung der Leistungsziele (maximum achievement) abgestellt.65 Bei dem vorgenannten Beispiel wird bei der Bewertung also angenommen, dass je Unit zwei Aktien (statt eins) zugeteilt werden. Da die VegüV keine Vorgaben an die Berechnung des Gesamtbetrages stellt, ist auch dieser Ansatz zulässig. Den oben erwähnten Nachteilen steht der Vorteil gegenüber, dass der genehmigte Gesamtbetrag näher bei der effektiv ausgerichteten Vergütung liegen würde, falls alle Leistungsziele maximal erreicht werden sollten. Auch diese Gesellschaften halten in den Erläuterungen zu den Anträgen meist fest, dass sich die Genehmigung auf den Wert unter Annahme der Maximal-Zielerreichung bezieht.66 4.2 Sozialversicherungs- und Pensions­ kassenbeiträge a.Problematik Nach schweizerischem Recht müssen auf die Vergütung Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an Sozialversicherungen wie die AHV/IV/ALV sowie zumindest auf Teile der Vergütung Beiträge an die berufliche Vorsorge geleistet werden. Die Pflicht zur Leistung dieser Beiträge ist gesetzlich oder reglementarisch untrennbar mit (Teilen) der ausgerichteten Vergütung verbunden: Wird Vergütung gesprochen, müssen auch Beiträge an die berufliche Vorsorge und Sozialversicherungen geleistet werden. Zum einen stellt sich die Frage, inwieweit «zwingend» mit der Vergütung zusammenhängende Beiträge genehmigt (und offengelegt) werden müssen. Zum anderen besteht in zeitlicher Hinsicht ein Diskonnex zwischen der Genehmigung der Vergütung, deren Offenlegung und Fälligkeit der Beiträge: Die Genehmigung und die Offenlegung stellen auf den Zeitpunkt der Ausrichtung (grant date) ab; Beiträge an die Sozialversicherungen und die berufliche Vorsorge werden regelmässig erst mit Auszahlung der Vergütung beziehungsweise im Falle anteilsbasierter Vergütung mit effektiver Zuteilung der Anteile fällig.67 Es ist somit zu prüfen, ob und wann diese Beiträge genehmigt werden müssen. b.Sozialversicherungsbeiträge Arbeitgeber- und arbeitnehmerseitige Sozialversicherungsbeiträge begründen beziehungsweise erhöhen Ansprüche auf Vorsorgeleistungen. Ab einer gewissen 65 Beispiele: Actelion, Adecco, Dufry, Holcim, Novartis, Roche, Swisscom, Syngenta, Temenos, Zurich Insurance Group. 66 Beispiel: «Die Berechnung des maximalen Gesamtbetrages der Vergütung der Geschäftsleitung berücksichtigt die potentiell maximalen STIP Beträge und die maximale LTIP Zuteilung, welche in beiden Fällen 200 % der Zielzuteilung entsprechen.» (Zurich Insurance Group). 67 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 65 f., m.w.H.; BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 53. 213 Aufsätze GesKR 2 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? GesKR 2 Aufsätze 214 Vergütungshöhe begründen Sozialversicherungsbeiträge zwar keine erhöhten Vorsorgeansprüche mehr, doch ist die Leistung der gesetzlich geschuldeten Beiträge im Ergebnis Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer an den Vorsorgeleistungen teilhaben kann. Im Grundsatz stellen Arbeitgeber- und – falls nicht bereits als Teil des BruttoGehalts genehmigt und offengelegt – Arbeitnehmerbeiträge Vergütung dar.68 Sie unterstehen somit der Genehmigung durch die Generalversammlung.69 In zeitlicher Hinsicht folgt die Genehmigung der Beiträge der zugrundeliegenden Vergütung. Es gilt das Prinzip der periodengerechten Abgrenzung, und nicht etwa der Zeitpunkt, in welchem die Beiträge tatsächlich geleistet werden müssen.70 Werden einem Geschäftsleitungsmitglied im Jahr 2016 Performance Share Units (PSUs) zugeteilt (grant), die einer dreijährigen Vesting-Frist unterliegen, gelten die PSUs – Sonderfälle vorbehalten – als Vergütung für das Jahr 2016. Stimmt die Generalversammlung über die Vergütung für das folgende Geschäftsjahr ab, ist der Wert der gesamten Zuteilung von der ordentlichen Generalversammlung 2015 zu genehmigen. Die Aktien werden – je nach Zielerreichung – erst 2019 ausgerichtet. Da es sich um eine sog. unechte Mitarbeiterbeteiligung71 handelt, werden Sozialversicherungsbeiträge ebenfalls erst 2019 fällig. Periodengerecht abgegrenzt gehören diese Beiträge aber zur Vergütung für das Jahr 2016, und sind entsprechend von der Generalversammlung 2015 mit zu genehmigen. Während die Höhe der Beiträge auf das feste Jahressalär im Zeitpunkt der Genehmigung durch die Generalversammlung ziemlich genau feststeht, ist dies bei variablen Vergütungselementen nicht der Fall. Bei prospektiver Genehmigung stets und – je nach Dauer des Aufschubs beziehungsweise der performance period – auch bei retrospektiver Genehmigung ist die Höhe der Beiträge im Zeitpunkt der Generalversammlung unbekannt und muss geschätzt werden. Die Schätzung kann auf die (nach den für die jeweilige Vergütungsperiode geltenden Beitragssätzen zu berechnenden) Beiträge abstellen, die anfallen würden, falls der Wert bei Auszahlung beziehungsweise definitivem Rechtserwerb dem fair value at 68 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? 2015 Art. 14 Abs. 2 Ziff. 8 VegüV. Vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 14 N 85; BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 51. A.A. Schmid (FN 60), 1155, wonach die AHV- und ALVAbgaben über den einschlägigen Schwellenwert hinaus Steuercharakter haben und somit nicht als Vergütung qualifizieren. 69 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 64, m.w.H.; BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 53. A.A. Huber (FN 12), N 351 und 386 f., wonach ex lege geschuldete Vergütungsteile nicht der Genehmigung unterstehen. 70 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 64 ff.; BSKVegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 53. Alternativ – in Bezug auf die Offenlegung im Vergütungsbericht – die Offenlegung im Jahr der effektiven Bezahlung für zulässig haltend Schmid (FN 60), 1155. 71 Zur Unterscheidung zwischen echten und unechten Mitarbeiterbeteiligungen vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 65, m.w.H. grant oder, falls bei der Genehmigung auf den Wert unter Annahme der Erreichung der maximalen Leistungsziele abgestellt wird, dem «Maximal»-Wert entspräche.72 Werden die geschätzten Beiträge überschritten, weil die Vergütung im Wert zunimmt (z.B. aufgrund von Hebeln bei der Erreichung bestimmter Leistungsziele oder generell der Kursentwicklung der zugrundeliegenden Aktie bei anteilsbasierten Vergütungen), ist keine nachträgliche Genehmigung durch die Generalversammlung erforderlich. Wird die Schätzung lege artis vorgenommen, gelten – gleich wie bei der variablen Vergütung – auch spätere Wertschwankungen als mit genehmigt.73 Alternativ zur Abstimmung über einen Gesamtbetrag einschliesslich der geschätzten Sozialversicherungsbeiträge kann über einen Gesamtbetrag ohne Sozialversicherungsbeiträge abgestimmt werden. Diesfalls müssen der Antrag beziehungsweise die Erläuterungen darauf hinweisen, dass zusätzlich zum Gesamtbetrag die gesetzlichen Arbeitgeber- und allenfalls Arbeitnehmerbeiträge zu entrichten sein werden. Auch wenn es sich bei diesen Beiträgen um Vergütung handelt, lässt sich eine Ausnahme vom Grundsatz der Abstimmung über Gesamtbeträge rechtfertigen, da es sich um gesetzliche Beiträge handelt.74 Von der Genehmigung der Vergütung ist deren Offenlegung zu unterschreiten, wo Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge an Sozialversicherungen stets auszuweisen sind.75 Für die Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen zeigen die Einladungen zu den ordentlichen Generalversammlungen 2015 eine Vielfalt von Varianten: • Zahlreiche Gesellschaften rechnen die Arbeitgeberbeiträge in den Gesamtbetrag ein.76 Die Mehrheit stellt dabei auf geschätzte Beiträge ab; vereinzelte Gesellschaften stellen ausdrücklich auf die Beiträge ab, welche anfallen würden, wenn der genehmigte Maximalbetrag der Vergütung auch ausbezahlt würde. • Die zweite grosse Gruppe von Gesellschaften hält ausdrücklich fest, dass die zur Genehmigung unterbreiteten Gesamtbeträge die Arbeitgeberbeiträge für Sozialversicherungen nicht enthalten – teils im Antrag selbst,77 teils in den Erläuterungen.78 Um 72 73 74 75 76 77 78 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 66; BSKVegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 53. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 66; BSKVegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 53. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 67. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 14 N 84 f.; BSKVegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 51. Beispiele: Adecco, Baloîse, Dufry, Geberit, Georg Fischer, Julius Bär, Nestlé, Sonova, Straumann, Swisscom, Syngenta, Temenos. Beispiel: Roche. Beispiele: Credit Suisse, Givaudan, Lonza, OC Oerlikon, Swiss Life, Swiss Re, Transocean, Zurich Insurance Group. den Aktionären einen Eindruck über die Höhe der zusätzlich anfallenden Arbeitgeberbeiträge zu vermitteln, verweisen gewisse Erläuterungen auf den geschätzten Betrag79 oder die Vorjahresbeiträge.80 • Wenige Gesellschaften rechnen einen Teil der Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen in den Gesamtbetrag ein, und zwar insoweit, als die Beiträge rentenbildend sind.81 • Andere Gesellschaften wiederum erläutern nicht, ob die Arbeitgeberbeiträge im Gesamtbetrag enthalten sind oder nicht. Sofern sie darin enthalten sind, wäre aus Transparenzgründen ein Hinweis zu begrüssen; rechtlich erforderlich ist dies aber nicht.82 Sind sie hingegen nicht darin enthalten, ist es problematisch, sich als Gesellschaft auf den Standpunkt zu stellen, dass die Arbeitgeberbeiträge zusätzlich zum Gesamtbetrag geleistet werden müssen. Bei der vorgeschlagenen Alternative, statt der Einrechnung in den Gesamtbetrag bloss auf die zusätzlich zu leistenden Sozialversicherungsbeiträge hinzuweisen, handelt es sich um eine Ausnahme vom von der VegüV geforderten Prinzip der Abstimmung über Gesamtbeträge. In engem Rahmen rechtfertigt sich diese Ausnahme, jedoch nur solange, als für die Aktionäre bei der Beschlussfassung genügend transparent ist, welche Vergütungen zusätzlich zum Gesamtbetrag geleistet werden. Ohne Hinweis ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen vom Gesamtbetrag abgedeckt sein müssen. Sowohl die erste als auch die zweite Variante genügt den Anforderungen der VegüV. Bei den Sozialversicherungsbeiträgen handelt es sich um erhebliche Beträge; für die Gesellschaft und die Aktionäre muss Klarheit bestehen, ob die Beiträge vom jeweiligen Gesamtbetrag abgedeckt sind oder nicht. Versteckte Fussnoten an wenig naheliegenden Stellen in den Erläuterungen oder nicht eindeutig formulierte Hinweise sind daher kritisch zu betrachten. c. Beiträge an die berufliche Vorsorge Beiträge an die berufliche Vorsorge seitens des Arbeitgebers und – falls nicht bereits Teil des Gehalts – des Ar- 79 Beispiele: Givaudan, Swiss Re, UBS. Beispiele: Actelion, Zurich Insurance Group. 81 Beispiel: Novartis. Dieser Ansatz erscheint vergleichsweise kompliziert. Die Unterscheidung zwischen rentenbildenden und nicht rentenbildenden Beiträgen ist nicht immer eindeutig. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Geschäftsleitungs- oder Verwaltungsratsmitglied in früheren Jahren ein unter dem rentenbildenden Einkommen liegendes Einkommen hatte (oder später haben wird), sodass unter Umständen die für das Jahr der Genehmigung über den rentenbildenden Schwellenwert hinaus geleisteten Beiträge dennoch Vorsorgeleistungen erhöhen (vgl. nur Art. 29bis und 29quater sowie Art. 51 Abs. 2 AHVV). 82 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 77, m.w.H., zum Fehlen einer Begründungspflicht. Vgl. auch BSKVegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 25. 80 2015 beitnehmers begründen beziehungsweise erhöhen direkt Ansprüche auf Vorsorgeleistungen; zumindest in der Schweiz, in der Regel aber auch unter ausländischen Vorsorgeplänen, hängt die Höhe der Vorsorgeleistungen von den geleisteten Beiträgen ab. Solche Beiträge stellen somit Vergütung dar83 und unterliegen der Genehmigung durch die Generalversammlung. Aufgrund der Höhe der Vergütungen handelt es sich bei der Mehrheit der Beiträge nicht um gesetzlich geschuldete, sondern überobligatorische Beiträge. Ferner sind die Beitragssätze nicht gesetzlich, sondern reglementarisch durch die jeweilige Vorsorgeeinrichtung festgesetzt. Anders als bei den Sozialversicherungsbeiträgen rechtfertigt sich daher keine Ausnahme von der Pflicht zur Genehmigung als Teil des Gesamtbetrages.84 Die Beiträge sind stets in geschätzter Höhe in den Gesamtbetrag einzuberechnen; ein blosser Hinweis auf zusätzlich zum genehmigten Gesamtbetrag zu leistende Beiträge ist nicht ausreichend. In zeitlicher Hinsicht sind die Beiträge – gleich wie Sozialversicherungsbeiträge – periodengerecht abzugrenzen.85 Die Mehrheit der Gesellschaften legt die Brutto-Vergütungen offen, d.h. die Vergütungen einschliesslich der Arbeitnehmerbeiträge an die berufliche Vorsorge und Sozialversicherungen. Entsprechend stellen die zur Genehmigung beantragten Gesamtbeträge – ausdrücklich oder implizit – ebenfalls auf die Brutto-Vergütungen ab. Arbeitnehmerbeiträge werden somit in der Regel vom Gesamtbetrag erfasst. Arbeitgeberbeiträge an die berufliche Vorsorge werden grundsätzlich ebenfalls in die beantragten Gesamtbeträge mit einberechnet. Einzelne Gesellschaften halten dies ausdrücklich im Antrag fest.86 Meist ergibt es sich aus den Erläuterungen.87 4.3 Feste Anzahl Beteiligungsrechte Die Vergütungsmodelle gewisser Gesellschaften sehen vor, dass eine feste Anzahl Beteiligungsrechte zugeteilt wird: Jeder Verwaltungsrat hat z.B. Anspruch auf 1’000 Aktien, unabhängig vom Börsenkurs im Zeitpunkt der Zuteilung. Dies im Gegensatz zum Modell, wonach jeder Verwaltungsrat auf diejenige Anzahl Aktien Anspruch hat, die im Zeitpunkt der Zuteilung einem festen Frankenbetrag entspricht. Wie in Abschnitt 4. einleitend erwähnt, bezieht sich die Genehmigung auf einen Gesamtbetrag und damit einen Geldbetrag. Eine Abstimmung über eine bestimmte An- 83 Vgl. Art. 14 Abs. 2 Ziff. 8 VegüV. Vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 68. Vgl. auch BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 168. 85 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 68; BSKVegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 53. 86 Beispiel: Julius Bär. 87 Beispiele: Actelion, Baloîse, Credit Suisse, Dufry, Geberit, Georg Fischer, Givaudan, Holcim, Nestlé, Novartis, Swisscom, Syngenta, UBS, Zurich Insurance Group. 84 215 Aufsätze GesKR 2 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? GesKR 2 Aufsätze 216 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? 2015 zahl Sachleistungen (wie z.B. Aktien) ohne Angabe eines Betrages in Schweizer Franken oder einer anderen Währung ist daher unzulässig.88 Die Aktionäre haben diesfalls nämlich keine Kenntnis über den zu erwartenden Frankenbetrag. Zulässig ist hingegen ein Antrag auf eine bestimmte (Maximal-)Anzahl Sachleistungen unter gleichzeitiger Angabe des Werts dieser Sachleistungen per einen bestimmten Stichtag.89 Sofern dies klar angegeben ist, gilt der Geldbetrag nicht als Obergrenze.90 Dies ist insbesondere bei der Zuteilung einer bestimmten Anzahl Aktien relevant, deren Börsenkurs Schwankungen unterliegt. 4.4 Dividend Equivalents Richten Unternehmen die Vergütung in der Form von aktienbasierten Units oder ähnlichen Instrumenten aus, sind die Vergütungsempfänger nicht dividendenberechtigt – anders, als wenn Aktien (mit oder ohne Sperrfrist) zugeteilt würden. Um eine Benachteiligung gegenüber der Zuteilung von Aktien zu vermeiden und die Anreizstruktur ähnlich aufzubauen, sehen gewisse Vergütungspläne vor, dass auf solche aktienbasierten Units oder ähnlichen Instrumente ebenfalls «Dividendenzahlungen» geleistet werden. Da sich solche Zahlungen im Gleichlauf mit den «echten» Dividenden bewegen, werden sie dividend equivalents genannt. Dividend equivalents stellen geldwerte Vorteile und somit Vergütung dar. Sie unterliegen der Genehmigung durch die Generalversammlung. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: • Dividend equivalents können im Rahmen der Abstimmung über dasjenige Jahr genehmigt werden, in welchem sie ausgerichtet werden. Die Genehmigung erfolgt somit «unabhängig» von den anspruchsbegründenden aktienbasierten Units etc.91 • Der Wert der zu erwartenden dividend equivalents wird in die Bewertung eingepreist beziehungsweise nicht vom anwendbaren Aktienkurs abgezogen (d.h. kein Abstellen auf den dividend stripped share price). Aktienbasierte Units etc., welche Anspruch auf dividend equivalents begründen, werden damit einschliesslich des Werts der in Zukunft darauf entrichteten dividend equivalent-Zahlungen genehmigt. Die zweite Variante hat den Vorteil, dass für Vergütungselemente, die von der Generalversammlung genehmigt wurden und die aufgrund der Vergütungspläne einen 88BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 96; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 34 ff.; Schmid/Maizar (FN 53), 33. Unklar, aber wohl a.A. Huber (FN 12), N 876 f. 89 So ähnlich z.B. Lindt & Sprüngli, Siegfried, Straumann. 90 GesKR-Kommentar VegüV-Daeniker/Gerhard, Art. 18 N 41; Huber (FN 12), N 876; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 37; a.A. Schmid/Maizar (FN 53), 34. 91 Beispiel: Transocean. Anspruch auf dividend equivalents einräumen, die dividend equivalents in den Folgejahren nicht separat genehmigt werden müssen. Nicht zulässig ist m.E., die dividend equivalents weder separat genehmigen zu lassen noch sie in die Bewertung der anspruchsbegründenden aktienbasierten Units etc. einzupreisen. 4.5Wechselkursschwankungen Gesellschaften bezahlen Vergütungen teilweise in einer anderen Währung als derjenigen, in welcher die Vergütung genehmigt wird. Wird die Vergütung retrospektiv genehmigt, werden Fremdwährungsschwankungen automatisch berücksichtigt, da auf die effektiven beziehungsweise die in der Jahres- oder Konzernrechnung verwendeten Durchschnittskurse abgestellt wird. Wird die Vergütung hingegen prospektiv genehmigt, stellt sich die Frage, ob beziehungsweise wie Wechselkursschwankungen zwischen Genehmigung der Vergütung (beziehungsweise Antragsstellung) und Ausrichtung berücksichtigt werden müssen. Solche Wechselkursschwankungen können erheblich sein, wie die letzten Monate gezeigt haben. Bei einer prospektiven Genehmigung ist es aus nachfolgenden Gründen nicht angemessen, Wechselkursschwankungen zu beachten:92 Für den betroffenen Vergütungsempfänger wirken sich Kursveränderungen weder direkt vergütungserhöhend noch -mindernd aus; er erhält weiterhin denselben Geldbetrag. Für das Unternehmen haben sie oft auch keine Auswirkungen, da sie natürlich oder spezifisch abgesichert (hedged) sind. Eine Berücksichtigung von Wechselkursschwankungen würde zudem dazu führen, dass der zu genehmigende Maximal-Gesamtbetrag erhebliche Reserven enthalten müsste. Dies ist wenig aktionärsfreundlich, da letztlich dem Verwaltungsrat ein grösserer Spielraum als bei Nichtbeachtung von Wechselkursschwankungen eingeräumt würde, und die Aktionäre so die effektive Vergütung weniger wirksam steuern könnten. Betroffene Gesellschaften sollen deshalb die in einer Fremd- beziehungsweise Drittwährung ausgerichtete Vergütung auf der Basis von konstanten Wechselkursen umrechnen können. Der Verwaltungsrat kann dafür im Antrag oder den Erläuterungen einen angemessenen Wechselkurs oder einen für die Bestimmung der Wechselkurse massgebenden Stichtag festlegen. Mangels ausdrücklicher Angabe eines Wechselkurses oder Stichtages ist bei Genehmigungskompetenz der Generalversammlung auf den Wechselkurs im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Verwaltungsrates über die Anträge an die Generalversammlung abzustellen; bei Beschlussfas- 92 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 70. Vgl. auch BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 98. 2015 sungskompetenz der Generalversammlung ist der Wechselkurs im Zeitpunkt der Antragsstellung des Verwaltungsrates beziehungsweise des Aktionärs massgebend.93 Gruppenebene unbedeutende Mandate ist mit zu genehmigen. Die zu konstanten Wechselkursen umgerechnete Vergütung darf den genehmigten Maximalgesamtbetrag nicht überschreiten. Überschreitungen des Maximalgesamtbetrages, die bei einer Umrechnung zu Tageskursen oder dem Bilanzkurs anfallen würden, sind dagegen unbeachtlich.94 4.7Doppelmandate Einzelne Unternehmen haben in den Erläuterungen einen bestimmten Wechselkurs95 oder Stichtag bestimmt96 und festgehalten, dass Kursschwankungen nicht zu berücksichtigen seien. Der Hinweis auf einen bestimmten Wechselkurs oder Stichtag bedarf keiner besonderen Grundlage in den Statuten. Entsprechend hat auch nur eine Minderheit von Gesellschaften die generelle Nichtbeachtung von Wechselkursschwankungen statutarisch verankert.97 4.6 Vergütungen für Mandate in Tochter­ gesellschaften Nimmt ein Verwaltungsrats- oder Geschäftsleitungsmitglied einer kotierten schweizerischen Aktiengesellschaft im Verwaltungsrat oder – seltener – im Management einer Tochtergesellschaft Einsitz und wird dafür vergütet, untersteht diese Vergütung ebenfalls der Genehmigung durch die Generalversammlung der kotierten Muttergesellschaft.98 Sie ist entsprechend in den Gesamtbetrag einzuberechnen.99 Es ist unerheblich, ob die Vergütung der Tochtergesellschaft für Tätigkeiten ausgerichtet wird, die auf Ebene der Muttergesellschaft als Organtätigkeit qualifizieren würden. Auch die Vergütung für auf 93 94 95 96 97 98 99 Vgl. BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 98; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 69. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 69. Beispiele: Novartis («Die Angabe der Beträge erfolgt bei konstanten Wechselkursen, denn bei einigen Mitgliedern ist eine Auszahlung in USD vorgesehen. Der zugrunde gelegte Wechselkurs beträgt 1 CHF = 1,094 USD. Die vorgeschlagenen Beträge berücksichtigen keine Wechselkursschwankungen zwischen dem Veröffentlichungszeitpunkt dieser Broschüre und dem 31. Dezember 2016 [d.h. dem Ende der zu genehmigenden Vergütungsperiode].»), Sonova, Swiss Re, Temenos, Zurich Insurance Group. Beispiel: Adecco, UBS («Der vorgeschlagene Betrag basiert auf Wechselkursen zum Jahresende 2014 ohne Berücksichtigung von zukünftigen Wechselkursschwankungen.»). Beispiele: Adecco («Bei Vergütungen, die in Franken genehmigt und in Fremdwährungen ausbezahlt werden, ist eine Überschreitung von genehmigten Beträgen aufgrund von Währungsschwankungen möglich.»), Aryzta, Galenica, SGS («Dans la mesure où une partie de la rémunération serait versée dans une monnaie autre que celle utilisée au sein de la société, les montants approuvés par l’assemblée générale doivent être automatiquement ajustés pour tenir compte des variations de taux de change en cours d’année.»). Art. 18 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 Ziff. 3 VegüV; Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 21 N 39 ff.; BSK-VegüV-Pöschel, Art. 21 N 8 ff. Beispiele: Transocean, Zurich Insurance Group. Ist eine Person gleichzeitig Verwaltungsrat und Geschäftsleitungsmitglied und wird je separat für die Tätigkeit als Verwaltungsrat und Geschäftsleitungsmitglied vergütet, sind diese Vergütungen separat für das entsprechende Organ genehmigen zu lassen: Das Verwaltungsratshonorar ist im Rahmen der Verwaltungsratsvergütung gutzuheissen, und die Vergütung als Geschäftsleitungsmitglied im Rahmen der Geschäftsleitungsvergütung.100 Eine Aufteilung ist nicht erforderlich, wenn eine der beiden Funktionen nicht abgegolten wird. Dies ist häufig der Fall, wenn der CEO – ohne zusätzliche Vergütung – auch im Verwaltungsrat Einsitz nimmt.101 Grund für die fehlende separate Vergütung für das Verwaltungsratsmandat ist, dass der CEO ohnehin regelmässig an den Verwaltungsratssitzungen teilnimmt (mit Ausnahme der executive sessions, an denen er auch als Verwaltungsratsmitglied nicht teilnimmt) und das Verwaltungsratsmandat so keine wesentliche zusätzliche Arbeitslast mit sich bringt. Während der fiktive Ausweis einer Verwaltungsratsvergütung die Honorarkosten des Verwaltungsrates allenfalls exakter darstellen würde, wäre umgekehrt bei einem entsprechenden Abzug die Vergütung für das Geschäftsleitungsmandat zu tief ausgewiesen. Eine Abkehr von der bisherigen Praxis drängt sich daher unter der VegüV nicht auf. 4.8 Reservebeträge als Teil des beantragten ­G esamtbetrages Stimmt eine Gesellschaft prospektiv über die Vergütung ab, basiert der beantragte Gesamtbetrag zwingend auf Annahmen über die zukünftige Vergütung. Diese können sich als unrichtig oder unvollständig herausstellen. Personelle Wechsel sind weniger ein Problem: Die Neuwahl eines Verwaltungsrates erfordert eine ausserordentliche Generalversammlung, die gleichzeitig die zusätzlich notwendige Vergütung genehmigen kann.102 Beim Eintritt neuer oder der Beförderung bestehender Geschäftsleitungsmitglieder kann auf den Zusatzbetrag 100 Beispiel: Swatch Group. Zur Offenlegung, die den gleichen Regeln folgt, vgl. Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 14 N 102, m.w.H.; BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 58. 101 Beispiele: Dufry, Nestlé, Transocean. Zur Offenlegung, die den gleichen Regeln folgt, Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 14 N 102, m.w.H.; a.A. Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. A., § 8 N 577 ff. und – im Gegensatz zur Kommentierung in BSK-OR II-Art. 663bbis – BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 14 N 58, wonach für die Verwaltungsrats-Tätigkeit der Betrag einzusetzen sei, den ein «normales» Mitglied für die gleiche Arbeit erhält. 102 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 19 N 29; BSKVegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 19 N 14. 217 Aufsätze GesKR 2 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? GesKR 2 Aufsätze 218 zurückgegriffen werden.103 Zusätzliche Vergütung kann aber auch aus anderen Gründen erforderlich sein: • Zusätzliche Verwaltungsratssitzungen, Berufung in Ad-Hoc-Komitees oder erhebliche zusätzliche Arbeitsbelastung von Geschäftsleitungsmitgliedern wegen Übernahme- oder anderen strategischen Projekten, der Abwehr von Übernahmeangeboten, internen Untersuchungen etc.; • «ausserplanmässige» Erhöhungen der Vergütungen von Geschäftsleitungsmitgliedern, um sie von der Annahme eines anderen Stellenangebots abzuhalten; • Retentionszahlungen im Rahmen von M&A-Transaktionen und der darauffolgenden Implementierung, um Schlüsselmitarbeiter trotz ungewisser oder fehlender Zukunft für eine Übergangszeit ans Unternehmen zu binden;104 oder • eine Erhöhung zwingender gesetzlicher Abgaben wie z.B. von Sozialversicherungsbeiträgen.105 In diesen und weiteren Fällen kann die «geplante» Vergütung, die sich aus der Addition der erwarteten Vergütungen ergibt, nicht ausreichen. Auf der anderen Seite kann eine Gesellschaft nicht beliebig den Gesamtbetrag «aufblähen», da sich Aktionäre sonst allenfalls dagegen wehren, dass ohne Begründung die Gesamtbeträge erhöht werden.106 Einige Gesellschaften haben daher ausdrücklich «Reservebeträge» für solche Ereignisse in den Gesamtbetrag einberechnet und in den Erläuterungen ausgewiesen – sei es zahlenmässig107 oder ohne Angabe der Höhe.108 Stimmrechtsberater haben solche Reservebeträge nicht beanstandet, und beim Vergleich mit der Vergütung für die massgebende Vorperiode in der Regel berücksichtigt. 5. Abweichende Aktionärsanträge Legen die Statuten fest, dass die Generalversammlung in Bezug auf die Gesamtvergütung nur Genehmigungskompetenz hat, darf der Verwaltungsrat Aktionärsanträge für höhere, tiefere oder zusätzliche Vergütungsbeträge nicht traktandieren. Gleiches gilt auch für während der Generalversammlung gestellte Anträge, die der Vorsitzende nicht zur Abstimmung bringen darf.109 103 104 105 106 107 108 109 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? 2015 Vgl. nachstehend Abschnitt III.6. Vgl. nachstehend Abschnitt VI.2.2. Sofern sie in den Gesamtbetrag einberechnet werden; vgl. dazu vorstehend Abschnitt III.4.2. Vgl. zur Praxis der Stimmrechtsberater vorstehend Abschnitt III.3. Beispiele: Actelion, Lonza, Sulzer, Swiss Re, TE Connectivity, UBS (in grafischer Form), Valiant. Beispiele: Cham Paper Group, Dufry, Kardex Group, Nestlé, Zug Estates. Vgl. auch vorstehend Abschnitt II. 6. Veränderungen in der Geschäftsleitung Die Geschäftsleitung einer Gesellschaft unterliegt Veränderungen: Sie kann erweitert werden, Mitglieder scheiden aus und müssen ersetzt werden, oder bestehende Mitglieder werden innerhalb der Geschäftsleitung befördert. Diese Veränderungen fallen im Regelfall nicht mit einer Generalversammlung zusammen. Soweit über die Vergütungen prospektiv abgestimmt wird, kann es aufgrund solcher Veränderungen dazu kommen, dass der genehmigte Maximalgesamtbetrag zur Vergütung der neuen oder beförderten Mitglieder nicht ausreicht. Art. 19 VegüV ermöglicht daher, dass die Statuten einen Zusatzbetrag für die Vergütungen derjenigen Geschäftsleitungsmitglieder, die nach der Abstimmung neu ernannt oder befördert werden vorsehen, sofern der bereits genehmigte Maximalgesamtbetrag für deren Vergütung nicht ausreicht. Über den verwendeten Zusatzbetrag stimmt die Generalversammlung nicht ab.110 Im Zusammenhang mit dieser Bestimmung stellen sich zahlreiche Fragen. Zur Erörterung mag folgendes Beispiel dienen: Eine Gesellschaft trennt sich im März 2016 von ihrem CEO und stellt ihn während der Dauer der Kündigungsfrist frei. Interimistisch übernimmt der Verwaltungsratspräsident die Funktion des CEO. Im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Einladung zur ordentlichen Generalversammlung 2016 ist die Gesellschaft noch immer auf der Suche nach einem neuen CEO. Kurz danach findet der Verwaltungsrat einen Kandidaten, einigt sich mit ihm und ernennt ihn, fünf Tage vor der Generalversammlung, mit sofortiger Wirkung zum CEO. Zugleich hat die Gesellschaft seit ein paar Monaten aufgrund von grösseren Akquisitionen eine Reorganisation der Management-Struktur ausgearbeitet und plant, nach Auswahl der geeigneten Kandidaten die Geschäftsleitung zu erweitern. Wenige Monate nach der Generalversammlung 2016 ernennt der Verwaltungsrat zwei neue Geschäftsleitungsmitglieder. Soweit die Vergütung an den abtretenden CEO genehmigungspflichtig ist,111 muss sie von dem für 2016 genehmigten Gesamtbetrag gedeckt sein. Ist der Gesamtbetrag knapp kalkuliert, sind kaum Reserven für die Vergütung des Nachfolgers vorhanden. Der Verwaltungsratspräsident, der interimistisch die CEO-Position ausfüllt und dafür zusätzlich entlöhnt wird, kann aus dem Zusatzbetrag vergütet werden, da er während einer bereits genehmigten Vergütungsperiode in die Geschäftsleitung ernannt wird. Im Zeitpunkt, in welchem der Verwaltungsrat die zu beantragenden Gesamtvergütungsbeträge festlegt, ist 110 Vgl. dazu allgemein BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 19 N 18 ff., und Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 19 N 6 ff. 111 Vgl. dazu Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 18 N 26 ff. und BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 18 N 48. GesKR 2 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? Wird der CEO vor der Generalversammlung vom Verwaltungsrat ernannt, stellt sich die Frage, ob er aus dem Zusatzbetrag vergütet werden kann, d.h. ob er «nach der Abstimmung ernannt» wurde. Ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Genehmigung wäre in der eingangs beschriebenen Situation nicht praktikabel und würde den Zweck des Zusatzbetrages vereiteln. Der Verwaltungsrat beschliesst die Anträge an die Generalversammlung betreffend Vergütung aufgrund der Frist für die Veröffentlichung der Einladung mehr als 20 Tage vor der Generalversammlung. In der Praxis geschieht dies durchschnittlich ein bis zwei Monate vor dem Versand, in der Regel nach interner Vorbereitung. Ein Ad-Hoc-Antrag an die Generalversammlung ist aktionärsdemokratisch fragwürdig. Zudem wäre ein solcher Antrag aufgrund der üblichen Empfehlung der schriftlich abstimmenden Aktionäre, Ad-Hoc-Anträge abzulehnen oder sich zu enthalten, regelmässig chancenlos. Die Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung wäre nicht verhältnismässig. Die individuelle retrospektive Genehmigung an der nächsten ordentlichen Generalversammlung wäre schliesslich systemfremd, und die damit verbundene Unsicherheit im Wettbewerb um Führungskräfte nachteilig. Wäre das Datum der Generalversammlung massgebend, wäre die Gesellschaft somit de facto für mindestens einen Monat blockiert, neue Geschäftsleitungsmitglieder zu ernennen, was der ratio legis des Zusatzbetrages widerspricht. Der Begriff «Abstimmung» ist daher nicht als der eigentliche Zeitpunkt der Beschlussfassung der Generalversammlung, sondern als die Abstimmung mitsamt der erforderlichen Vorbereitungshandlungen, nämlich der Veröffentlichung der Generalversammlungseinladung, zu verstehen. Entsprechend kann der im Beispielsfall vor der Generalversammlung, aber nach Veröffentlichung der Einladung sein Amt antretende CEO aus dem Zusatzbetrag vergütet werden.113 Umgehungsversuche oder Missbrauchsfälle können auf einer Einzelfallbasis herausgefiltert werden. Zwecks Rechtssicherheit wäre es zu begrüssen, wenn bei der definitiven Umsetzung der VegüV im OR statt auf den Zeitpunkt der «Abstimmung» ausdrücklich auf das Datum der Einladung zur Generalversammlung abgestellt würde. Die nach der Generalversammlung ernannten zwei zusätzlichen Geschäftsleitungsmitglieder fallen in jedem Fall in den Anwendungsbereich des Zusatzbetrages. Wie erwähnt, schliesst die Absicht des Verwaltungsrates, zusätzliche Mitglieder zu ernennen, den Rückgriff auf den Zusatzbetrag nicht aus. IV. Offenlegung der Vergütung Für das Geschäftsjahr 2014 musste statt der bisherigen Offenlegung im Anhang zur Jahresrechnung gemäss Art. 663bbis OR erstmals ein Vergütungsbericht gemäss den Vorschriften von Art. 13 ff. VegüV erstellt werden. Erwartungsgemäss stellten sich dabei keine grösseren rechtlichen Fragen, da in Bezug auf den Inhalt der Offenlegung gegenüber dem anhin geltenden Art. 663bbis OR keine wesentlichen Änderungen bestehen. Eine Reihe von Gesellschaften hat das Inkrafttreten der VegüV jedoch zum Anlass genommen, ihre bis anhin den rechtlichen Voraussetzungen nicht vollumfänglich genügende Offenlegung zu verbessern und rechtskonform auszugestalten. Dies ist zu begrüssen. Auch aufgrund der allgemeinen, von Stimmrechtsberatern und institutionellen Aktionären getriebenen Verbesserung der Offenlegung haben die Vergütungsberichte der meisten Gesellschaften inzwischen ein hohes Mass an Transparenz erreicht.114 Die überwiegende Mehrheit der Gesellschaften hat den Vergütungsbericht gemäss VegüV nicht als separaten Vergütungsbericht veröffentlicht, sondern in den «allgemeinen», bereits zuvor gemäss den Vorgaben der Richtlinie Corporate Governance der SIX Swiss Exchange (RLCG) erstellten Vergütungsbericht integriert. Dies ist rechtlich zulässig, solange der Vergütungsbericht den Vorgaben der RLCG und der VegüV genügt.115 Um klarzustellen, welche Teile von der Revisionsstelle geprüft sind, haben zahlreiche Gesellschaften die VegüV-relevanten Bereiche des Vergütungsberichts durch Vermerke 114 112 Vgl. BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 19 N 45 (erst nach Annahme durch das betreffende Mitglied). 113 A.A. BSK-VegüV-Blaeser/Glanzmann, Art. 19 N 49, mit der im Ergebnis fragwürdigen Empfehlung, wonach «in der Zeit zwischen der Beschlussfassung über den Antrag an die Generalversammlung betreffend die Vergütungen und der Generalversammlung keine neuen Mitglieder der Geschäftsleitung ernannt werden sollten». 219 Vgl. NZZ vom 24. März 2015, ««Minder» führt nicht zur Trendwende», abrufbar unter http://www.nzz.ch/wirtschaft/minderfuehrt-nicht-zur-trendwende-1.18509066, und NZZ vom 15. März 2015, «Bei den Spitzengehältern hat sich wenig bewegt» (Interview mit ethos-Direktor Dominique Biedermann), abrufbar unter http:// www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/bei-den-spitzengehaelternhat-sich-wenig-bewegt-1.18502443 (beide zuletzt am 9. Mai 2015 aufgerufen). 115 Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 13 N 41, m.w.H. Vgl. auch BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 13 N 15. Aufsätze bekannt, dass ein neuer CEO sowie allenfalls weitere Geschäftsleitungsmitglieder ernannt werden müssen. Dennoch ist der Verwaltungsrat nicht verpflichtet, die Vergütung für diese Mitglieder in den Gesamtbetrag einzurechnen. Die Höhe deren Vergütung ist nämlich noch nicht bekannt, und der Antrag könnte falsche Erwartungen wecken und die zu vereinbarende Vergütung in die Höhe treiben oder zu tief bemessen sein. Vielmehr kann er sich auf den Zusatzbetrag abstützen, da die neuen Mitglieder erst nach der Genehmigung ernannt werden.112 Es ist aber zulässig, die geschätzte Vergütung dieser Mitglieder bereits in den Gesamtbetrag einzurechnen. 2015 GesKR 2 Aufsätze 220 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? 2015 wie «geprüft» oder «audited» hervorgehoben.116 Zudem hält der Bericht der Revisionsstelle in der Regel fest, welche Teile geprüft wurden.117 Im Vergleich zum Vorjahr ergibt sich somit in aller Regel kein Unterschied, da die Vergütungstabellen bereits früher (allerdings in ungeprüfter Form) im Vergütungsbericht enthalten waren. Die Doppelspurigkeit der Offenlegung im Anhang zur Jahresrechnung ist jedoch entfallen. In der Praxis hat sich vor allem die – von der VegüV unabhängige – Frage gestellt, mit welchem Detaillierungsgrad die Leistungsziele der variablen Vergütung offengelegt werden sollen. Dies ist sowohl für die kurzfristige als auch die langfristige variable Vergütung relevant. In Bezug auf die langfristige variable Vergütung kann eine Offenlegung heikel sein, da sich die Leistungsziele auf einen in die Zukunft reichenden Zeitraum beziehen. Während Ziele wie (relative) total shareholder return eher detailliert offengelegt werden können, ist dies bei unternehmensspezifischen Zielen oft problematisch. Zum einen kann diese Information Wettbewerbern unerwünschte Hinweise auf die Unternehmensstrategie geben. Zum anderen können Leistungsziele als Prognosen für Umsatz, Gewinn oder andere Finanzkennzahlen ausgelegt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Zielgrösse (target) gelesen werden. Aus diesen Gründen verzichtet die Mehrheit der Unternehmen auf die genaue Bekanntgabe solcher Leistungsziele.118 Bei der – retrospektiven – Offenlegung der Leistungsziele für den kurzfristigen Bonus stellen sich diese Probleme nicht. Erschwert wird die detaillierte Offenlegung jedoch dadurch, dass die kurzfristige variable Vergütung regelmässig auch oder ausschliesslich auf individuellen, persönlichen Leistungszielen beruht. Mangels individueller Offenlegung, aber auch aus Datenschutzgründen kann die Offenlegung diesfalls nicht über eine generische Umschreibung der Ziele hinausgehen. tober 2014 in Kraft gesetzt. Neu sind die folgenden Statutenbestimmungen, die unter der VegüV zwingend oder bedingt notwendig sind, im Corporate Governance-Bericht darzustellen: • Anzahl zulässige Tätigkeiten («externe Mandate») von Verwaltungsräten und Ge­ schäfts­ lei­ tungs­ mitgliedern;119 • Regeln über die Ernennung des Präsidenten, der Mitglieder des Vergütungsausschusses und des unabhängigen Stimmrechtsvertreters, sofern sie vom Gesetz abweichen; • Verfahren der Abstimmung über die Vergütung von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung; • Zusatzbetrag; • Grundsätze über die erfolgsabhängigen und anteilsbasierten Vergütungen; • Regeln betreffend Darlehen, Kredite und Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge; und • Regeln über die Abgabe von Weisungen an den unabhängigen Stimmrechtsvertreter, einschliesslich mittels elektronischer Mittel. Enthalten die Statuten keine Bestimmungen, ist keine Negativbestätigung erforderlich. In der Darstellung sind die Gesellschaften weitgehend frei. Der Corporate Governance-Bericht kann auf die entsprechenden Statutenbestimmungen verweisen,120 eine Zusammenfassung mit einem Verweis auf die jeweiligen Statutenbestimmungen enthalten oder den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen abdrucken. Enthält der Bericht einen Verweis, ist sicherzustellen, dass die Website die Statuten in allen Fassungen, die während der letzten drei Jahre in Kraft waren, enthält (erstmals ab dem Datum, an welchem der Corporate GovernanceBericht einen Verweis enthält).121 In der Praxis finden sich sämtliche der drei Varianten. Die vergütungsbezogenen Bestimmungen werden regelmässig in den Vergütungsbericht integriert. V. Corporate Governance-Bericht Im Nachgang zum Erlass der VegüV hat die SIX Exchange Regulation die RLCG revidiert und per 1. Ok- 116 Beispiele: Credit Suisse, Dufry, Nestlé, Novartis, Sulzer, UBS, ­Zurich Insurance Group. 117 Vgl. auch den Zusatzbericht vom 8. Oktober 2013 zum Entwurf der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften, 8; Praxiskommentar VegüV-Müller/Oser, Art. 13 N 42; und BSK-VegüV-Watter/Maizar, Art. 13 N 16, wonach die zahlenbasierten Angaben gemäss VegüV und die qualitativ-deskriptiven Ausführungen gemäss RLCG und allenfalls dem Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance «deutlich […] zu trennen» sind. 118 Gewisse Vergütungsberichte und/oder Erläuterungen zu den Vergütungsanträgen halten dies ausdrücklich fest. Beispiele: Lonza, Julius Bär, Nestlé, Novartis, jeweils mit Hinweis auf Wettbewerbsgründe und/oder Gründe der Ad-Hoc-Publizität. VI. Unzulässige Vergütungen Nachdem der Fokus in den ersten Monaten nach Inkrafttreten der VegüV im Wesentlichen auf der Revision der Statuten lag, rückten erste Wechsel in den Geschäftsleitungen sowie M&A-Transaktionen diesen bald auf den Bereich der unzulässigen Vergütungen. Art. 20 VegüV verbietet Abgangsentschädigungen, Vergütungen im Voraus, «Akquisitionsprämien» sowie – kaum praxisre119 Die Offenlegung der Mandate selbst bezieht sich weiterhin auf «bedeutende Mandate». 120 Mittels eines Verweises auf leicht zugängliche Fundstellen oder Bezugsquellen; bei Verweisen auf die Website ist der Suchpfad (URL) anzugeben (Art. 6 RLCG). 121 Kommentar zur RLCG, Rz 6 N 1. levant – nicht in den Statuten vorgesehene erfolgs- oder anteilsbasierte Vergütungen, Darlehen, Kredite oder Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge. Nachstehend werden einige Fallkonstellationen, die zu Fragen Anlass gegeben haben, näher diskutiert. 1. Vergütung im Voraus Art. 20 Ziff. 2 VegüV verbietet Vergütungen im Voraus, d.h. die Vorauszahlung von Lohn (beziehungsweise von nicht geschuldeten Vergütungsbestandteilen wie einer Gratifikation) und Honorar vor Stellen- oder Amtsantritt. Es soll verhindert werden, dass bereits vor Stellenantritt unbedingt Vergütungen ausgerichtet werden, die noch nicht verdient wurden.122 Insbesondere im Zusammenhang mit Ersatzzahlungen für verfallene Ansprüche und einmaligen Vergütungen bei Stellenantritt stellten sich Fragen. 1.1Ersatzzahlungen (Replacement Awards) Ersatzzahlungen sind Entschädigungen, die Ansprüche eines neuen Geschäftsleitungsmitglieds (oder selten eines Verwaltungsratsmitglieds) gegenüber dem früheren Arbeitgeber, die aufgrund des Stellenwechsels verfallen, abgelten. Sie werden regelmässig bei Stellenantritt geleistet, aber oft – wie die verfallenden Ansprüche selbst – von Bedingungen (z.B. Leistungsbedingungen, Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses, zeitlicher Aufschub) abhängig gemacht. Solche Ersatzzahlungen fallen unter den Begriff der Antrittsprämien und sind in den Materialien zur VegüV ausdrücklich für zulässig erklärt worden, solange sie «werthaltige»123 verfallende Ansprüche entschädigen.124 Um festzustellen, ob ein Anspruch werthaltig ist, ist in einem ersten Schritt vom neuen Arbeitgeber festzustellen, ob der Anspruch ohne Stellenwechsel bestanden hätte. In einem zweiten Schritt ist der verfallende Anspruch zu bewerten, sodass die Ersatzzahlung den verfallenden Anspruch nicht übersteigt. Dabei gelten die allgemeinen Bewertungsgrundsätze, die bei der Offenlegung und Genehmigung der Vergütung zur Anwendung kommen. Ausgangspunkt ist der fair value der (verfallen- 122 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 111 ff., m.w.H.; BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 95, welche dem in den Materialen genannten Kriterium der «Zahlung vor Stellenantritt» kritisch gegenüber steht und im Wesentlichen auf das Vorauszahlungselement abstellen will, im Gegenzug aber im Ergebnis sämtliche «üblichen» Vorauszahlungen (wie Lohnzahlungstermine, Vorauszahlungen von Verwaltungsrats-Honoraren etc.) vom Verbot ausnimmt. 123Der Vorentwurf zur Revision des Obligationenrechts (Aktienrecht) vom 28. November 2014 stellt die überhöhte Anforderung auf, dass Ersatzzahlungen einen «klar nachweisbaren finanziellen Nachteil kompensieren» (Art. 735c Abs. 1 Ziff. 5 VE-OR 2014). Vgl. dazu Müller/Oser (FN 25), 106 f. 124 Art. 14 Abs. 2 Ziff. 5 VegüV. Vgl. Erläuternder Bericht (FN 34), 26; Zusatzbericht VegüV (FN 117), 12. 2015 den) Ansprüche, bewertet zu einem Zeitpunkt möglichst nahe beim Stellenantritt. Diese fair value-Berechnung erfolgt notwendigerweise gestützt auf Annahmen und Prognosen. Verliert z.B. ein Arbeitnehmer den BonusAnspruch, weil er die Stelle wechselt, ist zu schätzen, wie hoch der Bonus wahrscheinlich ausgefallen wäre. Bei anteilsbasierten erfolgsabhängigen Instrumenten ist im Zeitpunkt der Bewertung eine Annahme zu treffen, zu welchem Grad die Anteile definitiv zugeteilt worden wären (vesting level). Die Bewertung muss sich auf anerkannte Methoden und nachvollziehbare Annahmen stützen. Der Gesellschaft steht bei der Wahl der Methode und den Annahmen ein erheblicher Ermessensspielraum zu.125 Die Bewertung wird dadurch erschwert, dass der neue Arbeitgeber Vergütungspläne des vorherigen Arbeitgebers bewerten muss. Die genauen Leistungsziele sind in der Regel nicht publiziert; selbst den Geschäftsleitungsmitgliedern sind sie nicht immer bekannt. Sind ausnahmsweise die genauen Leistungsziele bekannt, stehen der kompensierenden Gesellschaft nur selten die erforderlichen aktuellen Kennzahlen zur Verfügung. Fehlen diese Angaben, müsste sich eine Bewertung auf stark vereinfachte Annahmen stützen. Es muss daher zulässig sein, auf den target bonus beziehungsweise das target vesting level abzustellen statt eigene Annahmen treffen. Das Bestehen des Anspruchs und die Grundlagen für die Bewertung sind vom neuen Geschäftsleitungsmitglied soweit möglich darzulegen. Die Gesellschaft als neue Arbeitgeberin trifft die Pflicht, die Darlegungen auf deren Plausibilität zu überprüfen.126 Da unter der VegüV auch eigentliche Sign-on-Boni zulässig sind beziehungsweise, unabhängig von deren Höhe, keine Vergütung im Voraus vorliegt, sofern «Replacement Awards» gestaffelt ausbezahlt werden und somit «abverdient» werden müssen,127 entschärft sich das Problem der Bewertung erheblich.128 Die VegüV stellt keine Voraussetzungen auf, in welcher Form Replacement Awards geleistet werden müssen. Verfallende Ansprüche müssen nicht auf einer like-forlike-Basis ersetzt werden. So können verfallende anteilsbasierte Vergütungen, die erst Jahre später ausgerichtet worden wären, vom neuen Arbeitgeber in der Höhe deren fair values ohne weitere Bedingungen und Aufschübe bei Stellenantritt vollständig in bar ersetzt werden. Es kann sich jedoch empfehlen, Ersatzzahlungen ebenfalls 125 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 125, m.w.H.; Philippin (FN 12), 295. 126 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 126. 127 Vgl. dazu Abschnitt VI.1.2. 128 Vgl. BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 99; Praxiskommentar VegüVOser/Müller, Art. 20 N 121. A.A. Philippin (FN 12), 295, wonach jegliche Zahlung über werthaltige Ansprüche hinaus, selbst wenn nach Stellenantritt geleistet, unzulässig ist. 221 Aufsätze GesKR 2 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? GesKR 2 222 an Bedingungen wie z.B. eine Mindestvertragsdauer zu knüpfen. 1.2 Einmalige Vergütungen bei Stellenantritt Aufsätze Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? 2015 Teilweise werden bei Stellenantritt eines neuen Geschäftsleitungsmitglieds einmalige Zahlungen vereinbart, die fällig beziehungsweise unbedingt werden, wenn nach einem bestimmten Zeitraum Leistungsziele erreicht werden und/oder die Person in ungekündigtem Arbeitsverhältnis verbleibt. Solche Vergütungen verfolgen mehrere Ziele: Die Motivation zur Annahme der Stelle, eine Anbindung an das Unternehmen, die Incentivierung ab dem ersten Tag sowie, insbesondere bei einem stark auf Long-Term Incentive Awards mit mehrjährigen Erdienungsfristen basierenden Vergütungssystem, die Möglichkeit, ab dem ersten Tag die Zielvergütung erreichen zu können. Obwohl der Anspruch im Zusammenhang mit dem Stellenantritt eingeräumt wird, handelt es sich nicht um eine Vergütung im Voraus. Vergütungen im Voraus stellen eine voraussetzungslose, unbedingte Zahlung von Vergütung dar. Die Initianten führten als Anwendungsfall die Vorauszahlung des Lohns von Mario Corti, dem früheren CEO von Swissair, an. Obwohl er nur wenige Monate im Amt war, musste er die erhaltene Vorausvergütung nicht zurückerstatten. Sie war unbedingt ausgerichtet worden. Bei den erwähnten Zahlungen handelt es sich aber – vergleichbar mit üblichen Long-Term Incentive Awards – um Anwartschaften oder bedingte Vergütungszahlungen. Um die Vergütung definitiv zu erhalten beziehungsweise sie nicht zurückerstatten zu müssen, muss sie «abgearbeitet» werden, d.h. es müssen bestimmte Bedingungen wie beispielsweise eine Mindestvertragsdauer erfüllt sein. Einzige Parallele zu den Vergütungen im Voraus ist, dass sie im Zusammenhang mit dem Stellenantritt ausgerichtet werden. Wie hoch solche Vergütungen ausfallen, ist unter dem Blickwinkel der VegüV irrelevant; die VegüV stellt keine Schranken betreffend die Höhe der Vergütung auf. 2.Transaktionsprämien Art. 20 Ziff. 3 VegüV verbietet Provisionen für die Übernahme oder Übertragung von Unternehmen oder Teilen davon durch die Gesellschaft oder durch Unternehmen, die durch die Gesellschaft direkt oder indirekt kontrolliert werden. Entscheidendes Kriterium ist, ob die Vergütung vom Signing und/oder Closing einer solchen Transaktion bedingt ist.129 Eigentliche Transaktions- oder Kontrollwechselprämien waren – abgesehen von weiterhin zulässigen Kontrollwechselklauseln in Beteiligungsplänen130 – in der Praxis vergleichsweise selten. Öfters wurden – und werden – im Zusammenhang mit Transaktionen Zahlungen geleistet, die damit verbundene besondere (Mehr-)Leistungen abgelten oder der Mitarbeiterbindung während einer Übergangsphase nach dem Signing oder Vollzug der Transaktion dienen. 2.1 Vergütung besonderer Leistungen Leisten Mitglieder des Verwaltungsrates oder der Geschäftsleitung im Zusammenhang mit einer von Art. 20 Ziff. 3 VegüV erfassten Transaktion Mehraufwand (z.B. aufgrund von Mehrarbeit, zusätzlichen Sitzungen oder der Mitgliedschaft in einem Ad-Hoc-Komitee), kann diese Leistung weiterhin abgegolten werden.131 Damit solche Zahlungen nicht als Umgehung des Verbots von Transaktionsprämien qualifizieren können, ist darauf zu achten, dass die Höhe der Zusatzentschädigung und der Mehraufwand in einem angemessenen Verhältnis stehen. Ferner sind solche Vergütungen nicht vom Zustandekommen einer von Art. 20 Ziff. 3 VegüV erfassten Transaktion abhängig zu machen. Sie sind auch dann auszurichten, wenn Mehraufwand geleistet wurde, dieser aber keine Früchte im Sinne einer erfolgreichen Transaktion trägt.132 Solche zusätzliche Vergütung fällt in den genehmigungspflichtigen Gesamtbetrag. Da Transaktionen oft schwierig vorhersehbar sind, kann es sich anbieten, im zu genehmigenden Gesamtbetrag eine Reserve einzubauen.133 Die Vergütung ist ferner offenzulegen. Neben quantitativen Mehrleistungen können bei der Festsetzung der variablen Vergütung auch qualitative Leistungen im Rahmen einer von Art. 20 Ziff. 3 VegüV erfassten Transaktion berücksichtigt werden. Es bleibt unter der VegüV zulässig, transaktionsspezifische Leistungskriterien vorzusehen.134 Auch hier gelten Art. 13 ff. und 18 VegüV uneingeschränkt. Die Vergütung darf aber nicht so strukturiert sein, dass es sich in der Sache um eine Transaktionsprämie handelt. Dies ist beispielsweise wohl dann der Fall, wenn zusätzliche variable Vergütung ausgerichtet wird, deren einziges Leistungsziel der Abschluss oder Vollzug einer Transaktion ist. 130 131 132 133 129 Vgl. dazu näher Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 130 ff. und BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 105 ff., je m.w.H. 134 Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 146 f.; BSKVegüV-Pöschel, Art. 20 N 118. Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 144 und BSKVegüV-Pöschel, Art. 20 N 114, je m.w.H. Vgl. Huber (FN 12), N 452. Vgl. dazu Abschnitt III.4.8. So ausdrücklich der Erläuternde Bericht (FN 34), 26. Vgl. auch Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 143 und BSKVegüV-Pöschel, Art. 20 N 114, je m.w.H. 2.2Retentionszahlungen Im Zusammenhang mit Devestitionen von Unternehmensteilen oder Unternehmenszusammenschlüssen müssen u.U. Geschäftsleitungsmitglieder mittels einer zusätzlichen Vergütung dazu bewogen werden, für die Übergangsphase zwischen Abschluss der Transaktion und Vollzug beim Unternehmen zu verbleiben und nicht anderweitig eine Stelle anzutreten. Solche Retentionszahlungen gelten eine Leistung des Arbeitnehmers ab, nämlich den Verbleib beim Unternehmen trotz des Wissens, dass die eigene Stelle nach Abschluss der Transaktion gestrichen wird oder zumindest eine Doppelbesetzung vorliegt. Wenn die Zahlung nicht auf den Vollzug einer von Art. 20 Ziff. 3 VegüV erfassten Transaktion bedingt ist, ist sie zulässig.135 Die blosse Nähe zu einer Transaktion macht sie nicht unzulässig. Steht die Höhe der Zahlung nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zum Nachteil des Geschäftsleitungsmitglieds, besteht ein gewisses Risiko, dass sie als Umgehung des Verbots der Transaktionsprämien qualifiziert. Das kann namentlich dann der Fall sein, wenn die Retentionszahlung nicht von einer gewissen Mindestverbleibsdauer abhängig ist. 3.Abgangsentschädigungen Als Abgangsentschädigungen gelten pauschale Zahlungen, die (i) ihren Rechtsgrund oder Ursprung in der Beendigung des Arbeitsvertrags oder Auftragsverhältnisses haben, (ii) weder eine Leistung des Empfängers noch einen durch diesen erlittenen Nachteil (über den Abgang per se hinaus) kompensieren, (iii) über die ordnungsgemässe Abwicklung der gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeits- oder Mandatsverhältnis hinausgehen und (iv) nicht von Gesetzes wegen geschuldet sind oder auf einem hoheitlichen Akt (wie einem Gerichtsurteil) beruhen.136 3.1 Aufhebungsvereinbarungen und Vergleiche Vor – wie auch nach – Inkrafttreten der VegüV werden Verträge mit Geschäftsleitungsmitgliedern regelmässig nicht gekündigt, sondern mittels eines Aufhebungsvertrags einvernehmlich aufgelöst. Neben dem Gewinn an Rechtssicherheit für beide Parteien (z.B. dem Wegfall über die Unsicherheit, welche Bonuszahlungen geschuldet sind) ermöglicht dies insbesondere eine gemeinsam geplante, für das Unternehmen möglichst wenig disruptive Kommunikation. Bei weiter Auslegung könnte die eingangs aufgeführte Definition der Abgangsentschädigung solche Aufhebungsvereinbarungen verunmög- 135 Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 145; unklar BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 117. 136 Vgl. Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 36 ff. Ähnlich BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 30 ff. 2015 lichen, auch wenn sie im Interesse des Unternehmens liegen. Hält eine Aufhebungsvereinbarung bloss fest, worauf das Geschäftsleitungsmitglied gemäss Arbeitsvertrag sowie Erfolgs-, Beteiligungs- und anderen Vergütungsplänen Anspruch hat, ist sie vor dem Hintergrund der VegüV unproblematisch.137 Je nach Situation kann der Umfang der vertraglichen Ansprüche unklar sein (wie häufig bei Bonuszahlungen), vom arbeitsvertraglich Vereinbarten abweichen (mit insgesamt finanziell betrachtet neutralen Auswirkungen) oder darüber hinaus Ansprüche einräumen. Solange solche Abweichungen einem objektiven Dritttest standhalten, d.h. die allenfalls zusätzlich geleistete Vergütung durch Konzessionen des Arbeitnehmers oder die Vorteile einer einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber aufgewogen wird, liegt keine Abgangsentschädigung vor.138 Gerade dem Vorteil für das Unternehmen, die Trennung von einem Geschäftsleitungsmitglied in geordneten Bahnen kommunizieren zu können, kann erhebliches Gewicht zukommen. Über diese üblichen Fälle hinaus ist der Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen oder Vergleichen noch relevanter bei Kündigungen von Geschäftsleitungsmitgliedern insbesondere in denjenigen Jurisdiktionen, die Arbeitnehmern umfangreiche Klagerechte und Ansprüche wegen missbräuchlicher Kündigung geben. In solchen Fällen steht die Gesellschaft oft vor der Wahl, sich entweder verklagen zu lassen oder einen Vergleich abzuschliessen. Ersteres dauert lange, und der Ausgang ist ungewiss, da es sich im Arbeitsrecht oft um Einzelfallentscheide handelt. Ein Vergleich bietet somit mehr Sicherheit, Planbarkeit und Vertraulichkeit. Da vergleichsweise Zahlungen über die ordnungsgemässe Abwicklung hinausgehen können und zumindest deren Höhe nicht von Gesetzes wegen oder durch hoheitlichen Akt festgesetzt ist, muss sich ein Unternehmen genügend absichern, um nicht das Risiko zu laufen, eine Abgangsentschädigung auszurichten. Solche vergleichsweisen Zahlungen sind m.E. unter folgenden Voraussetzungen zulässig: • Der Aufhebungsvertrag muss auf einer objektiven Analyse der Tatsachen, welche für die Festsetzung möglicher vertraglicher oder gesetzlicher Ansprüche relevant sind, sowie der massgeblichen in- oder ausländischen Rechtsgrundlagen, Gerichtspraxis und Lehre beruhen. Macht ein gekündigtes Geschäftsleitungsmitglied z.B. Ansprüche wegen unfair dismissal oder Fehlen eines gesetzlichen Kündigungsgrundes geltend, sind die Fakten, die für oder gegen einen solchen Anspruch sprechen können, sowie die ent137 138 Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 81, m.w.H. Huber (FN 12), N 430; Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 82, m.w.H.; BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 50 ff. 223 Aufsätze GesKR 2 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? GesKR 2 Aufsätze 224 sprechenden rechtlichen Vorgaben und Argumente vom Unternehmen sorgfältig aufzubereiten. Gestützt auf diese Analyse ist abzuschätzen, in welcher Höhe sich der Mindest- und Maximalanspruch sowie der «wahrscheinlichste» oder durchschnittliche Anspruch bewegen. • Der Vergleich sollte sich auf die vorhergehende Analyse stützen und sich im Bereich des «wahrscheinlichsten» oder durchschnittlichen Anspruchs bewegen. Je mehr sich die Vergleichszahlung dem Maximalanspruch nähert, desto stärker müssen die Gründe sein, welche dies rechtfertigen. • Es empfiehlt sich, die Einschätzung von einem externen und unabhängigen Experten, der mit der jeweiligen Rechtsordnung und Praxis vertraut ist, erstellen oder prüfen zu lassen. • Der Entscheidfindungsprozess und die Vergleichsverhandlungen sind zu dokumentieren. Werden diese Leitlinien befolgt, können «Abgangsentschädigungen», die im Grundsatz gesetzlich geschuldet sind, aber nicht gerichtlich festgestellt wurden, zulässigerweise als «gesetzlich geschuldete» Abgangsentschädigungen ausgerichtet werden. 3.2 Einzahlungen in die berufliche Vorsorge Die Einzahlungen in die Pensionskasse früherer ABBManager in Millionenhöhe haben Berühmtheit erlangt und wurden von den Initianten der Abzockerei-Initiative regelmässig als Beispiele für Lohnexzesse und Abgangsentschädigungen angeführt. In der Praxis kommen solche Einzahlungen in die berufliche Vorsorge von Geschäftsleitungsmitgliedern vor allem vor, um Vorsorgelücken zu füllen oder zu vermeiden. Dies ist gerade bei Angestellten, die viele Jahre im Ausland gearbeitet haben und bei einer Rückkehr in die Schweiz kein ihrem Einkommen entsprechendes Vorsorgeguthaben aufweisen können, relevant. Der Nutzen solcher Einzahlungen realisiert sich in aller Regel erst am Ende eines Arbeitsverhältnisses. Sie weisen daher eine gewisse Nähe zu den Abgangsentschädigungen auf. Werden solche Einzahlungen während eines laufenden Arbeitsverhältnisses (und damit unabhängig von einer Beendigung) geleistet, handelt es sich nicht um unzulässige Abgangsentschädigungen. Statt einer solchen Leistung hätte dem Geschäftsleitungsmitglied auch eine Sonderzahlung oder ein erhöhter Lohn ausgerichtet werden können, den er in die berufliche Vorsorge hätte einzahlen (sofern reglementarisch zulässig) oder im Rahmen der selbständigen Vorsorge hätte anlegen können. Ein Konnex zum späteren Abgang liegt nicht vor.139 Zu beachten ist (einzig), dass die Einzahlung als (zusätzliche) Vergütung von der Generalversammlung zu genehmi- 139 Andreas Müller – VegüV –Business as Usual? 2015 Vgl. auch Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 110. gen ist. Sie darf ferner den Statuten nicht widersprechen; eine gesonderte Statutengrundlage ist in der Regel nicht erforderlich, da es sich nicht um eine «Vorsorgeleistung ausserhalb der beruflichen Vorsorge» handelt.140 Wird die Leistung erst im Zusammenhang mit dem Abgang vereinbart beziehungsweise ausgerichtet, kann es sich um eine Abgangsentschädigung handeln. Sofern der Zahlung keine Gegenleistung gegenübersteht, sind die eingangs erwähnten vier Voraussetzungen erfüllt.141 VII.Rück- und Ausblick Die der VegüV unterstehenden Gesellschaften haben sich vergleichsweise gut mit den neuen Rahmenbedingungen arrangiert. So hat dieses Jahr bis zum Datum der Drucklegung soweit bekannt keine Generalversammlung Vergütungsanträge abgelehnt, und Schweizer Unternehmen konnten weiterhin weltweit renommierte Führungskräfte für sich gewinnen. Die Öffentlichkeit hat positiv wahrgenommen, dass die Transparenz der Unternehmen in Vergütungsfragen zugenommen hat und seit 2014 Vergütungsexzesse ausblieben. Ob dies die Konsequenz des Inkrafttretens der VegüV und nicht eher des Einflusses der Stimmrechtsberater und der – vermehrt auch kritischen – Einflussnahme der institutionellen Aktionäre ist, bleibt offen. Eine weitergehende Änderung der Vergütungspraxis und erst recht der Vergütungshöhe ist daher nicht aufgrund der Vorgaben der VegüV, sondern nur der Aktionäre selbst und ihren Beratern zu erwarten. Wie fast jede Regulierung ist auch die VegüV mit hohen – wiederkehrenden – Kosten verbunden. Die internen und externen Rechtsberatungskosten sowie der Aufwand der Personal- und/oder Compensation & Benefits-Abteilungen ist nicht nur im Vorfeld der Generalversammlungen erheblich angestiegen – bei unklarem direktem Nutzen. Um diese Kosten nicht noch weiter zu erhöhen und erneut Rechtsunsicherheit zu schaffen, ist es wichtig, bei der Umsetzung auf Gesetzesstufe im Rahmen der Aktienrechtsrevision das Rad nicht nochmals neu erfinden zu wollen und weitere Regulierungen mit unklarem Nutzen vorzusehen.142 Vielmehr sollte die VegüV weitgehend unverändert – allenfalls mit ein paar Klarstellungen – in das OR überführt werden, nachdem sie sich in der Praxis bewährt hat. 140 Vgl. dazu Praxiskommentar VegüV-Lambert/Müller, Art. 12 N 133. 141 Vgl. auch Praxiskommentar VegüV-Oser/Müller, Art. 20 N 110; BSK-VegüV-Pöschel, Art. 20 N 76. 142 Vgl. auch Müller/Oser (FN 25), passim.