Der Einfluss sozialer Ressourcen auf die Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Störungen Soziologisches Institut der Universität Zürich Seminar: „Soziologie psychischer Störungen“, PD Dr. phil. Peter C. Meyer, WS 03/04 Domenico Angelone, Feldeggstrasse 9, 8406 Winterthur, [email protected] Februar 2004 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ...................................................................................................................................... 3 I. Theoretischer Teil......................................................................................................................... 5 2. Psychische Störungen ................................................................................................................... 5 2.1. Definition von psychischen Störungen....................................................................................... 5 2.1.1. 2.2. 3. Kritik ...................................................................................................................................... 6 Krankheitsfolgen von psychischen Störungen ........................................................................... 7 Social Response Ansatz ................................................................................................................ 7 3.1. Kritik .......................................................................................................................................... 9 3.2. Stress, Coping und soziale Unterstützung.................................................................................. 9 3.2.1. Stresstheorie......................................................................................................................... 10 3.2.2. Coping.................................................................................................................................. 10 3.2.3. Soziale Unterstützung .......................................................................................................... 11 3.3. Kritik und Hypothesenbildung ................................................................................................. 12 II. Empirischer Teil ......................................................................................................................... 14 4. Methodik...................................................................................................................................... 14 4.1. Datengrundlage ........................................................................................................................ 14 4.2. Statistische Methode ................................................................................................................ 15 5. Operationalisierung.................................................................................................................... 16 5.1. Abhängige Variable.................................................................................................................. 16 5.2. Unabhängige Testvariablen...................................................................................................... 16 5.2.1. Soziale Ressourcen .............................................................................................................. 16 5.2.1.1. Soziales Netz ................................................................................................................... 16 5.2.1.2. Soziale Unterstützung...................................................................................................... 17 5.2.2. 5.3. Coping.................................................................................................................................. 18 Kontrollvariablen ..................................................................................................................... 19 5.3.1. Psychische Gesundheit......................................................................................................... 19 5.3.2. Soziodemographische Variablen.......................................................................................... 20 6. Empirische Ergebnisse ............................................................................................................... 21 6.1. Soziale Ressourcen................................................................................................................... 21 6.2. Coping ...................................................................................................................................... 23 6.3. Multivariate Analyse ................................................................................................................ 23 6.3.1. Modell mit Testvariablen ..................................................................................................... 24 6.3.2. Gesamtmodell ...................................................................................................................... 25 7. Schlusswort.................................................................................................................................. 29 8. Literaturverzeichnis ................................................................................................................... 31 Anhang ................................................................................................................................................. 33 2 1. Einleitung Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium berichtet in seiner Publikation „Psychische Gesundheit in der Schweiz“ vom Mai 2003 von einer seit einigen Jahren erheblichen Zunahme von psychiatrischen Behandlungen. Rund 33% der Männer und 37% der Frauen berichten gemäss der Schweizerischen Gesundheitsbefragung von 1997 über psychische Beschwerden in den vergangenen vier Wochen. 2.4% der Frauen und 1.7% der Männer sind von psychischen Problemen, die das Alltagsleben beeinträchtigen und schon länger als ein Jahr andauern, betroffen. Rund 3% der Männer und 5% der Frauen sind wegen eines psychischen Problems bei einer Fachperson in Behandlung. Erstaunlich ist, dass beinahe zwei Drittel der Betroffenen keine Hilfe bei einer Fachperson aufsuchen. Diese Tatsache weist darauf hin, dass Betroffene bei der Bewältigung von psychischen Störungen entweder keine oder andere Hilfeleistungen in Anspruch nehmen. (Rüesch, S. 8f) Die vorliegende empirische Arbeit hat zum Ziel, die Determinanten der Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Störungen zu untersuchen. Im Speziellen interessiert mich der Einfluss sozialer Ressourcen auf die Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Störungen. Eine Umfrage bei deutschen Psychiatern ergab, dass Lebensqualität für schizophrene Patienten am häufigsten mit sozialer Integration in Verbindung gebracht wurde. Besondere Bedeutung wurde dabei unter anderem den sozialen Kontakten beigemes– sen (Angermeyer 1997, S. 1). Brugha verweist auf die Verbindung zwischen Psychotherapie und sozialer Unterstützung: Beide leisten eine Verstärkung des Selbstwertgefühls und informelle Unterstützung, beide implizieren eine helfende und nahe Beziehung. Der entscheidende Unterschied liegt wohl in der fachlichen Kompetenz der Psychiater, in der finanziellen Vergütung der Leistung und in der grösseren emotionalen Distanz, die eine professionelle Rolle impliziert (Brugha 1995, S. 298). Aufgrund der gewählten Datenlage konzentriert sich die vorliegende Studie auf allgemeine psychische Erkrankungen, die vorwiegend durch subjektive Einschätzungen erfasst wurden. Aussagen über differenzierte Diagnosen der psychischen Störungen sind nicht möglich. Im theoretischen Teil I der Arbeit beginne ich mit dem Versuch einer Definition von psychischen Störungen. Des Weiteren wird der theoretische Bezugsrahmen für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand näher bestimmt und die Hypothesen vorgestellt. Grundlage dieser Überlegungen bilden hauptsächlich Erkenntnisse aus der Stress-, Coping- und Social Support-Theorie. Im empirischen Teil II sollen die Fragestellungen und Hypothesen anhand der Daten untersucht werden. Es werden zunächst der Untersuchungsbereich, die gewählte statistische Methode und einige Angaben zur Operationalisierung der Erhebungsinstrumente 3 beschrieben. Weiter werden die postulierten Hypothesen mit bivariaten und multivariaten Analysemethoden geprüft und diskutiert. Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung und Diskussion der Erkenntnisse. Diese Studie wurde mit der Datenbasis der alljährlichen repräsentativen Umfrage „Leben in der Schweiz“ (1999-2003) des Schweizer Haushalts-Panels (SHP) der Universität Neuenburg erstellt. Die Umfrage wird vom Schweizerischen Nationalfonds, der Universität Neuchâtel und dem Bundesamt für Statistik finanziert. 4 I. Theoretischer Teil 2. Psychische Störungen Psychische Störungen können sich beim Individuum in einer wenig beeinträchtigenden Weise manifestieren, sie können sich jedoch auch zu einem schweren und/oder chronischen Leiden entwickeln. Gemäss gängiger Lehrmeinung werden fünf verschiedene Grundformen psychischer Störungen unterschieden: Schizophrenie, affektive Störungen, Angst- und Panikstörungen, Zwangsstörungen und Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit. Die allermeisten anderen psychischen Störungen lassen sich als Untergruppen oder Spezialfälle dieser Grundformen erklären. Zu den leichten psychischen Störungen zählen im Allgemeinen Gefühle der Schwäche und Müdigkeit, des Pessimismus, der Nervosität und Energielosigkeit, der Niedergeschlagenheit und Verstimmung sowie Ein- und Durchschlafstörungen. 2.1. Definition von psychischen Störungen Eine einheitliche Definition von psychischen Störungen scheint laut Cockerham nicht zu existieren. Robert Spitzer und Paul Wilson haben im Jahre 1975 für die American Psychiatric Association ein Konzept zur Definition von psychischen Störungen erarbeitet. Drei Fragen standen dabei im Mittelpunkt: (1) Sollen gewisse psychische Zustände als unerwünscht definiert werden? (2) Wie unerwünscht sollen gewisse psychische Zustände sein, um diese als psychische Störungen zu definieren? (3) Sollen diese Fragen innerhalb der Psychiatrie oder anderen Disziplinen behandelt werden? (Cockerham 2003, S. 3) Einige Psychiater definieren psychische Störungen als praktisch alle signifikanten Ab– weichungen von einem Idealzustand der psychischen Gesundheit. Solch eine breite Annahme definiert jegliche Verhaltensweisen, bei denen psychische Leiden festgestellt werden können, als psychische Störungen. Andere Psychiater ordnen lediglich diejenigen Verhaltensweisen, die in einem hohen Masse als unerwünscht betrachtetet werden, den psychischen Störungen zu. Beispiele für diese meines Erachtens realistischere Definition sind Schizophrenie, Angstzustände oder eine antisoziale Persönlichkeit. Verhaltensweisen, die kaum als uner– wünscht betrachtet werden, bleiben dabei ausgeschlossen. Ein weiteres Problem bei der Definition von psychischen Störungen besteht darin, dass sich die Konzepte über psychische Störungen über die Zeit hinweg verändert haben und sich auch weiterhin verändern werden. Bis in die frühen 70er Jahre wurde Homosexualität von amerikanischen Psychiatern als psychische Störung betrachtet. Begriffe, wie Melancholie (Depressionen), Schwachsinn, Hysterie und moralische Krankheiten, die früher anormales Verhalten 5 bezeichneten, werden heute nicht mehr verwendet. Ein modernes Beispiel ist die Neurose, die früher vorwiegend als Angststörung betrachtet wurde. Heute sind verschiedene Subtypen der Neurose anerkannt: Gemütsverfassung, Angststörungen, somatophorme oder dissoziative Störungen. (Cockerham 2003, S. 3) In Anlehnung an Spitzer und Wilson können psychische Störungen nach folgenden drei Hauptkriterien definiert werden: “ (1) It is a condition that is primarily psychological and that alters behavior, including changes in physiological functioning if such changes can be explained by psychological concepts, such as personality, motivation, or conflict. (2) It is a condition that in its “fullblown” state is regularly and intrinsically associated with subjective stress, generalized impairment in social functioning, or behavior that one would like to stop voluntarily because it is associated with threats to physical health. (3) It is a condition that is distinct from other conditions and that responds to treatment.” (Spitzer & Wilson, 1975: S. 829). Während das erste Kriterium psychiatrische von nichtpsychiatrischen Zuständen unterscheidet, weist das zweite Kriterium darauf hin, dass die Störungen möglicherweise erst in einem fortgeschrittenen Stadion erkennbar sind und folglich die Bestimmung von einer konsistenten Symptomatik abhängig ist. Die Störungen sind im Individuum selbst zu lokalisieren und dürfen nicht auf einzelne Situationen beschränkt sein, sondern beinhalten eine Störung des Verhaltens auf mehrere soziale Kontexte. Das dritte Kriterium ordnet die Definition von psychischen Störungen einer medizinischen Sichtweise zu, was eine Beschränkung auf behandelbare Zustände impliziert. Dieser Definition folgt auch das US-amerikanische Diagnose Manual 4. (Apa, 1994). (Cockerham 2003, S. 4) 2.1.1. Kritik Bei der vorangehenden Definition von psychischen Störungen stellt sich die Frage, ob nicht die Selektivität unserer Wahrnehmung dafür verantwortlich ist, wann ein Verhalten als abweichend oder gestört bewertet wird. Eine nicht medizinische Sichtweise vertritt dabei die Labeling Theorie. Grundsätzlich geht die Labeling Theorie davon aus, dass ein grosser Teil abweichenden und auffälligen Verhaltens darauf zurückgeführt werden kann, dass die Gesellschaft das Individuum mit einem „Etikett“ versieht. Diese Stigmatisierung führt zur Verfestigung der Abwiechung und ist für den grössten Teil des auffälligen Verhaltens verantwortlich. (Eaton 2001, S. 155 ff) Ein bedeutender Verdienst der Labeling Theorie ist es zu verdeutlichen, dass sich Normen für angemessenes Verhalten als psychosoziale und ethische Phänomene entwickeln. Psychische Störungen sind demnach weniger als Krankheiten, sondern vielmehr als Lebensprobleme zu 6 betrachten. Abnormalität ist im Wesentlichen ein fehlgeleitetes Anpassungsverhalten an die Gesellschaft. 2.2. Krankheitsfolgen von psychischen Störungen Psychische Störungen können betroffene Personen in verschiedenen Lebensbereichen behindern. Von besonderer Bedeutung sind Beeinträchtigungen der Lebensqualität und die Einschränkung der Leistungs- und Arbeitsfähigkeit. Eine Studie im Rahmen der psychischen Gesundheit in der Schweiz zeigt, dass Personen, die im Zeitpunkt der Befragung innerhalb des letzten Jahres wegen eines psychischen Problems in Behandlung gewesen sind, in verschiedenen Lebensbereichen – Gesundheit, Finanzen, Lebensstandard, Zusammenleben, Freizeitaktivitäten und Wohnen - ihre Lebensqualität negativer als Personen ohne behandlungsbedürftiges psychisches Problem einschätzen. Bei Personen mit schweren psychischen Problemen wurde festgestellt, dass der Anteil an Beeinträchtigungen der eigenen Leistungsfähigkeit oder Arbeit (in einen Zeitraum von vier Wochen), doppelt so hoch ist, wie bei psychisch gesunden Menschen. Personen mit starken psychischen Störungen sind zudem häufiger erwerbslos und beziehen vermehrt eine Rente. (Rüesch 2003, S. 19 ff) 3. Social Response Ansatz Ein soziologischer Forschungsansatz im Bereich der psychischen Störungen ist der Social Response Ansatz, der sich auf die soziale Reaktion auf psychische Störungen konzentriert. Der Fokus richtet sich dabei nicht auf Personen, die psychische Symptome entwickeln, sondern auf Personen, die darauf reagieren. Laut Horwitz basiert dieser Ansatz auf empirischen Studien in den früher 50er und 60er Jahren. Im Vordergrund stand die Frage, wie Familienstrukturen, soziale Klasse oder kulturelle Unterschiede Reaktionen auf psychische Störungen beeinflussen. (Horwitz 1999, S. 66) Mechanic’s Konzept des „Krankheitsverhaltens“ stellt einer der ersten theoretischen Ansätze dar, welche eine allgemeine Unterscheidung zu den traditionellen Studien über die Ursachen von psychischen Störungen aufweist. Der Begriff des Krankheitsverhaltens umfasst die eigenen Reaktionen von psychisch gestörten Personen sowie die Reaktionen von Aussenstehenden (Laien, Professionelle usw.). Solche Reaktionen beinhalten Fragen nach dem Zustand von psychisch gestörten Personen, den Entscheidungen im Umgang mit den Störungen und den Konsequenzen dieser Entscheidungen für den weiteren Krankheitsverlauf der Betroffenen. (Horwitz 1999, S. 66) Bisherige Social Response Studien haben mehrere soziale Unterschiede im Umgang mit psychischen Störungen aufgezeigt. Beispielswiese interpretieren Personen mit höherer Bil7 dung ihre persönlichen Schwierigkeiten eher als psychische Symptome und suchen dadurch vielmehr psychiatrische Hilfe auf als Personen mit tiefer Bildung (Olfson & Pincus, 1994a). Frauen scheinen ihre Probleme im Gegensatz zu Männern eher als emotionale oder psy– chische Leiden zu definieren und nehmen dadurch mehr psychiatrische Hilfe in Anspruch (Horwitz 1987, S. 38 f). Unterschiede wurden zudem beim Alter festgestellt: Ältere Menschen scheinen eine höhere Wahrscheinlichkeit zu haben, ihre Probleme als physische Leiden wahrzunehmen und somit eher allgemein-ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Jüngere Menschen wenden sich bei psychischen Beschwerden vielmehr an eine professionelle Person. (Leaf 1985) Kulturelle Faktoren beeinflussen auch wie Familien auf ihre Mitglieder reagieren, die von psychischen Störungen betroffen sind. Studien aus den USA weisen darauf hin, dass Personen aus ethnischen Minderheiten mehr informelle Hilfe aufsuchen und sich weniger an professionelle Institutionen wenden als Zugehörige der vorherrschenden ethnischen Gruppe. Ebenfalls leiden Familien aus den ethnischen Minderheiten weniger unter der Unterstützungslast, die im Umgang mit psychisch gestörten Personen innerhalb einer Familie entsteht. (Horwitz 1999, S. 67) Im Allgemeinen weisen neuere Studien aus den USA darauf hin, dass die meisten Personen mit psychischen Störungen entweder gar keine psychiatrische Behandlung, nur Hilfe von nichtpsychiatrischen Diensten oder psychiatrische Unterstützung in Anspruch nehmen (Regier et al. 1993). Soziale und kulturelle Faktoren beeinflussen diese unterschiedlichen Reaktionen systematisch: Menschen mit psychischen Leiden, die eine psychiatrische Behandlung in Anspruch nehmen, sind mit höherer Wahrscheinlichkeit Frauen, Leute mittleren Alters, gut gebildet und weiss. Keine Inanspruchnahme von psychiatrischer Unterstützung, obwohl psychische Störungen diagnostiziert wurden, scheint vorwiegend bei Personen von ethnischen Minderheiten, schlecht gebildeten und älteren Menschen der Fall zu sein (Narrow et al. 1993). Ebenfalls weist die bereits erwähnte Studie zur psychischen Gesundheit in der Schweiz darauf hin, dass die Mehrheit der Personen mit psychischen Störungen selbst bei chronischen Problemen keine psychiatrische Behandlung aufsucht (Rüesch 2003, S. 29). Interessant scheint mir ausserdem die Tatsache, dass beinahe die Hälfte der Menschen, die sich in eine psychiatrische Behandlung begeben, keine psychiatrischen Störungen aufweisen (Regier et al., 1994). Personen, die in eine Behandlung eintreten und diese auch für längere Zeit fortsetzen, sind vorwiegend gut gebildet, reich und Frauen mittleren Alters. Sie weisen jedoch die tiefsten Raten von psychischen Störungen auf (Olfson & Pincus, 1994b). 8 3.1. Kritik Aus soziologischer Sicht besteht eine Stärke des Social Response Ansatzes in der Erkenntnis, dass nicht lediglich die Natur der psychischen Störung für die Bewältigungsstrategien im Umgang mit psychischen Störungen verantwortlich ist. Mehrere Faktoren – Ethnie, soziale Klasse, Alter, Geschlecht, soziale Ressourcen und Kultur - beeinflussen die Definitionen und Reaktionen von Individuen mit psychischen Störungen. Leider ist im Feld des Social Response Ansatzes keine bedeutende Theorie entstanden, welche die sozialen und kulturellen Bedingungen berücksichtigt, die zu unterschiedlichen Reaktionen führen. Ein weiteres Pro– blem dieses Ansatzes liegt in der zumeist unterstellten Annahme, dass eine psychiatrischprofessionelle Behandlung die adäquate Hilfe für psychisch gestörte Menschen darstellt. Personen, die selbst an psychischen Störungen leiden, jedoch keine psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen, werden meistens als nicht erfolgreiche Pfade im Hilfesucheprozess bezeichnet (Pescosolido et al. 1999, S. 456). Soziologische Fragestellungen im Bereich der Social Response Studien sollten ebenso mögliche Vorteile von informellen Unterstützungsleistungen im Bewältigungsprozess von psychischen Störungen einbeziehen (Horwitz 1999, S. 68). Es stellt sich grundsätzlich die Frage, welchen Beitrag informelle soziale Ressourcen aus dem persönlichen Netz bei der Be–wäl– tigung und im Umgang mit psychischen Störungen leisten können. Kann es sein, dass die beobachtete unterschiedliche Inanspruchnahme von psychiatrischen Behandlungen mit dem Vorhandensein von persönlichen sozialen Ressourcen variiert? Meine weitere Absicht ist es nun, die unterschiedlichen Bewältigungsstrategien von Menschen mit psychischen Störungen genauer zu untersuchen. Es interessiert mich, welche Faktoren, neben den bereits diskutierten Einflüssen, die Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Störungen beeinflussen. Mein Augenmerk richtet sich dabei auf die– jenigen Bewältigungsstrategien von psychischen Störungen, bei denen keine Behandlung wegen psychischen Störungen in Anspruch genommen wird. Einen wichtigen Beitrag dazu liefern Erkenntnisse aus der Stress-, Coping- und Social Support-Theorie. 3.2. Stress, Coping und soziale Unterstützung In der Literatur sind eine grosse Menge von Beiträgen zu kritischen Lebensereignissen und deren negativen Folgen für die physische und psychische Gesundheit zu finden. Seit den späten 70er Jahren sind mehrere Methoden zur Messung von Stress weiterentwickelt worden. In der heutigen Stresstheorie werden vor allem Faktoren diskutiert, die mildernde oder dämpf- 9 ende Effekte auf die psychische und physische Gesundheit bewirken: Copingressourcen, Copingstrategien und soziale Unterstützung. (Thoits 1995, S. 53) 3.2.1. Stresstheorie Der Begriff Stress oder Stressfaktor bezieht sich auf alle sozialen oder inneren Anforderungen, die vom Individuum eine neue Anpassung des gewöhnlichen Verhaltens hervorrufen. Die allgemeine Stresstheorie besagt, dass Stressfaktoren individuelle Bemühungen anregen, die veränderten Verhaltensanforderungen und die damit verbundenen emotionalen Reaktionen zu bewältigen. Wenn sich Stressfaktoren kumulieren, kann es dazu kommen, dass die individuellen Bewältigungsfähigkeiten zu sehr in Anspruch genommen werden, was bei einer Überforderung zur Verminderung der psychischen und physischen Ressourcen führen kann. Dies wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass daraus Krankheiten oder psychischer Stress und Störungen resultieren können. (Thoits 1999, S.54) In der Literatur sind vorwiegend drei Hauptfaktoren für Stress untersucht worden: Lebensereignisse, chronische Belastungen (chronic strains) und kleine Ereignisse. (1) Lebensereignisse sind akute Wechsel, die eine bedeutende Verhaltensanpassung innerhalb einer kurzen Zeitperiode verlangen (Geburt, Scheidung). (2) Dagegen erfordern chronische Belastungen (chronic strains) dauernde Anpassungen über eine längere Zeitperiode (Körperliche Behinderungen, Armut, Eheprobleme). (3) Schwierigkeiten oder Auseinandersetzungen stellen kleine Ereignisse im Tagesverlauf dar, die lediglich eine geringe Verhaltensanpassung erfordern (unerwarteter Besuch, Verkehrsstau). (Thoits 1999, S.54) Neuere Erkenntnisse aus der Stressforschung weisen auch auf positive Effekte von negativen Lebensereignissen hin. Individuen versuchen die Probleme, mit denen sie konfrontiert werden, zu lösen. Die Bewältigung von negativen Erfahrungen kann durchaus positive Folgen haben. Gelöste Probleme werden als Erfahrungen definiert, aus denen für zukünftige Herausforderungen Vorteile und Lehren gezogen werden. (Thoits 1999, S.58) 3.2.2. Coping Der Begriff Coping meint im Allgemeinen Verhaltensmuster oder Aktionen, die Personen anwenden, um Belastungen von erfahrenen Lebensproblemen zu mildern oder gar zu verhindern. Copingressourcen sind dabei definiert als soziale und persönliche Eigenschaften, die bei der Bewältigung von Stressfaktoren in Anspruch genommen werden. Die soziologische Forschung konzentriert sich neben dem Konzept der sozialen Unterstützung, auf welches ich im nächsten Kapitel näher eingehen möchte, vorwiegend auf zwei persönliche Copingressourcen: Kontrollüberzeugung (Überzeugung zur Kontrolle einer Situation oder der 10 Umwelt) und Selbstwertgefühl. Diese Copingressourcen, so wird vermutet, beeinflussen die Wahl und/oder die Wirksamkeit der Copingstrategien, die Personen bei der individuellen Bewältigung von Lebensproblemen anwenden. Lazarus und Folkman (1984) definieren Copingstrategien als individuelle Verhaltensweisen und/oder kognitive Versuche, die Menschen bei der Bewältigung von spezifischen Anforderungen anwenden, bei denen die individuellen Fähigkeiten damit umzugehen entweder stark beansprucht oder überfordert werden. Copingstrategien können nun auf die spezifischen Anforderungen selbst (problemorientierte Strategien) oder auf die emotionellen Reaktionen der Anforderungen (emotionsorientierte Strategien) gerichtet sein. Im Allgemeinen wird angenommen, dass Personen mit hoher Kontrollüberzeugung oder hohem Selbstwertgefühl eher aktives, problemorientiertes Coping betreiben. Im Gegensatz dazu, wird bei Personen mit weniger Kontrollüberzeugung oder Selbstwertgefühl mehr passives, ausweichendes emotionsorientiertes Coping erwartet. In vielen Studien hat sich gezeigt, dass Menschen mit hoher Kontrollüberzeugung weniger psychische Störungen erleiden und die negativen Folgen von Stress auf die psychische Gesundheit besser mildern (abpuffern) können. Dabei gilt es aber zu beachten, dass Menschen typischerweise mehrere Copingstrategien bei kritischen Lebensereignissen oder anhaltenden Belastungen anwenden. Folkman und Lazarus stellten fest, dass in 98% von 1300 stressvollen Episoden, sowohl problemorientierte wie auch emotionsorientierte Strategien angewendet wurden. (Thoits, 1995, S. 59 f) 3.2.3. Soziale Unterstützung Grundsätzlich muss zwischen sozialer Unterstützung und dem sozialen Netzwerk unterschieden werden. Gemäss Badura (1981) ist ein soziales Netzwerk das Gefüge von sozialen Beziehungen, in das eine Person integriert ist. Das soziale Netzwerk bestimmt somit den quantitativen Aspekt eines Beziehungsgefüges oder anders ausgedrückt, den strukturellen Aspekt der sozialen Unterstützung. Das soziale Netzwerk kann in ein primäres und sekundäres soziales Netz unterschieden werden: Während das primäre Netz enge Bezugspersonen im selben Haushalt umfasst, beinhaltet das sekundäre Netz Freunde, Verwandte, Kollegen, Nachbarn, etc, zu denen regelmässige Beziehungen bestehen. Der qualitative Aspekt des sozialen Netzwerks stellt das Unterstützungspotential dar, wobei die Qualität und Funktion des sozialen Netzwerks das Ausmass an Unterstützung bestimmt. (Badura 1981) Wie bereits im vorhergehenden Kapitel angedeutet, kann soziale Unterstützung als eine Copingressource bezeichnet werden. Anders ausgedrückt, bildet die soziale Unterstützung einen sozialen Fonds, der Menschen bei der Bewältigung von Schwierigkeiten zur Verfügung steht. Unterstützungen aus dem sozialen Netzwerk können in Form von instrumentellen, in11 formativen und/oder emotionalen Hilfeleistungen erbracht werden. Diese unterschiedlichen unterstützenden Funktionen sind im Allgemeinen hoch miteinander korreliert und stellen somit eine gemeinsame Dimension dar, die als empfangene oder wahrgenommene Hilfe interpretiert wird. In der Forschungsliteratur sind vorwiegend die Effekte von wahrgenommener Unterstützung untersucht worden, im Speziellen die emotionale Unterstützung. Die Wahrnehmung oder das Wissen, dass emotionale Unterstützung zur Verfügung steht, scheint einen stärkeren Einfluss auf die psychische Gesundheit zu haben, als der tatsächliche Erhalt von sozialer Unterstützung. (Sherbourne 1988, S. 1393) In der Literatur herrscht jedoch Unklarheit, ob der Zusammenhang zwischen sozialer Unterstützung und psychischer Gesundheit ein direkter oder indirekter Effekt darstellt: Die Direkteffekt-These besagt, dass ein Mangel an sozialer Unterstützung direkte negative Aus– wirkungen auf die psychische Gesundheit bewirkt. Im Gegensatz dazu, geht die PuffereffektThese von einem indirekten Einfluss aus, der lediglich die negativen Folgen von sozialen Belastungen reduziert. Im Rahmen der zweiten These wird zudem argumentiert, dass soziale Unterstützung auch bei der Bewältigung der Folgen von Belastungen helfend eingreifen kann. Auf der Ebene der Wahrnehmung und Bewertung gewisser Stressfaktoren kann das Ausmass der empfundenen Belastung vermindert, die Fähigkeit des Betroffenen zur Lösung der Probleme betont, Beistand zugesichert oder auf weitere Hilfsinstanzen hingewiesen werden. Ebenfalls kann soziale Unterstützung bei der Verarbeitung negativer Emotionen, wie auch bei der Wiederherstellung eines intakten Selbstbilds helfend sein. Im Rahmen problembezogener Bewältigungsstrategien können Hilfeleistungen aus dem sozialen Netz direkt auf die Ver– änderung von belastenden Situationen einwirken, beispielsweise durch die Bereitstellung von Information, Beratung oder lediglich durch die Signalisierung von vorhandenen Hilfsmöglichkeiten. Negativen Emotionen wie Depressionen, Ängste und Mutlosigkeit kann insbesondere durch motivationale Unterstützung, Vermittlung von Zuneigung, sowie durch das Einbeziehen in gesellige Aktivitäten begegnet werden. Dabei vermischen sich indi– viduelle Bewältigungsbemühungen und externe soziale Unterstützungsleistungen. (Diewald 1991, S. 99) 3.3. Kritik und Hypothesenbildung Die oben erläuterte traditionelle Stresstheorie unterstellt einen negativen kausalen Zusammenhang zwischen Stressfaktoren und der psychischen Gesundheit: Stressfaktoren werden als Prädiktoren für das psychische Wohlergehen einer Person aufgefasst. Nun stellt sich jedoch eine grundsätzliche Frage: Könnte der kausale Zusammenhang zwischen Stressfaktoren und der psychischen Gesundheit nicht auch in die entgegengesetzte Richtung inter12 pretiert werden? Beispielsweise können depressive Menschen ihren Verpflichtungen bei der Arbeit weniger gut nachkommen und dadurch ihre Arbeitsstelle verlieren. Somit würde der Stressfaktor nicht den psychischen Störungen vorangehen, sondern psychische Störungen wären der Grund für erlebte Stressfaktoren. Ebenfalls die im ersten Kapitel verwendete Definition von psychischen Störungen - „It is a condition (…) that alters behavior, including changes in physiological functioning if such changes can be explained by psychological concepts, such as personality, motivation, or conflict. (2) It is a condition that in its “fullblown” state is regularly and intrinsically associated with subjective stress, generalized impairment in social functioning, or behavior (…)“ – weist darauf hin, dass Symptome und die Krankheitsfolgen von psychischen Störungen selbst als belastende Stresserfahrungen interpretiert werden müssen. Ich weiche somit von dem traditionellen Ansatz der Stressforschung, der kritische Lebensereignisse und chronische Belastungen als Prädiktoren für psychische Störungen untersucht, insofern ab, als ich annehme, dass der Umgang mit bereits bestehenden psychischen Störungen selbst Stressfaktoren auslöst, insbesondere als chronische Belastungen. Das Vorhandensein von sozialer Unterstützung aus dem privaten Netzwerk bezeichnet Thoits als eine Copingressource, von der Menschen bei der Bewältigung von Stressfaktoren pro– fitieren können, entweder durch instrumentelle, informative und/oder emotionale Unterstützung. Die folgende Abbildung 1 zeigt den vermuteten Einfluss sozialer Ressourcen auf die Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Störungen: Abbildung 1: Einfluss sozialer Ressourcen auf die Inanspruchnahme einer Behandlung Copingressource - Soziale Unterstützung aus dem privaten Netzwerk Psychische Störungen Puffer-Effekt Stressfaktoren - chronische Belastungen - kritische Lebensereignisse Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Störungen Soziale Unterstützung reduziert im Rahmen der diskutierten Puffereffekt-These die sozialen Belastungen, die als Folge von psychischen Störungen auftreten, was zu einer geringeren 13 Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Störungen führt. In Bezug auf meine Fragestellung stelle ich die folgenden Vermutungen auf: • Je stärker die Integration einer von psychischen Störungen betroffener Person in ein soziales Netzwerk, desto eher verzichtet sie auf die Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Störungen. (Hypothese 1) • Dabei führt insbesondere eine stärker wahrgenommene soziale Unterstützung durch das soziale Netzwerk zu einer geringeren Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Störungen. (Hypothese 2) In Anlehnung an die theoretischen Ausführungen zu Copingstrategien im Umgang mit Lebensproblemen stellt ein problemorientiertes Copingverhalten einen aktiven Versuch dar, die eigene psychische Gesundheit zu verbessern. Eine Chance dafür ist eine Behandlung. Meine dritte Vermutung lautet deshalb: • Personen mit ausgeprägtem problemorientiertem Copingverhalten nehmen beim Auftreten von psychischen Störungen eher eine Behandlung in Anspruch als Personen mit weniger ausgeprägtem problemorientiertem Copingverhalten. (Hypothese 3) II. Empirischer Teil 4. Methodik 4.1. Datengrundlage Als Datengrundlage dient mir die erste Welle (1999) der Umfrage „Leben in der Schweiz“ des Schweizer Haushalts-Panels (SHP). Diese Längsschnittumfrage wird im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Zukunft Schweiz“ jährlich durchgeführt. Der Personenfragebogen enthält Module zu verschiedenen Themen: Haushalt und Familie, Gesundheit und Lebensereignisse, soziale Herkunft, Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Einkommen, soziale Einbindung, Politik, Werthaltungen, Freizeit und Internet. Für die Schweiz wurde 1999 (erste Welle) erstmals eine repräsentative Stichprobe von Haushalten gezogen. Seither wird jährlich eine telefonische Umfrage durchgeführt. Die folgende Tabelle 4.1 zeigt die Anzahl Personen, die an der Umfrage der ersten Wellen teilgenommen haben: 14 Tabelle 4.1. Teilnahme an der Umfrage Leben in der Schweiz Umfrage Leben in der Schweiz Jahr der Umfrage Teilnehmende Haushalte Haushaltsmitglieder der teilnehmenden Haushalte Individuelle Interviews (Personen 14 jährige und älter) Proxy Interviews 1999 5’074 12’931 7’799 2’638 Quelle: www. swisspanel.ch (Stand: 05.02.04) Für die Daten der ersten Welle stehen zwei Gewichtungsverfahren zur Verfügung: (1) Transversal individual weight inflating to size of CH-population (2) Transversal individual weight keeping sample size. Um keine verzerrende Effekte auf die Signifikanz der empirischen Auswertungen zu erhalten, arbeite ich im Folgenden mit den gewichteten Daten, bei denen die Sample-Grösse beibehalten wird. (Cornali 2001) 4.2. Statistische Methode Zur Untersuchung einer dichotomen abhängigen Variablen Yi (Behandlung: Ja/Nein) eignet sich die logistische Regressionsanalyse am besten. Bei dieser multivariaten Methode wird die Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit zu einer der beiden Gruppen aufgrund von intervalloder nominalskalierten Prädiktoren geschätzt. Die folgenden Annahmen müssen bei einer logistischen Regression erfüllt sein: 1) Die Yi sind unabhängige Zufallsvariablen. 2) Yi ist binomialverteitlt. Diese Annahme ist erfüllt, da Yi nur zwei Werte annehmen kann. 3) Für den Erwartungswert von Yi wird angommen: e Zi , mit Zi = β0 + β1 X1 + β 2 X 2 + ... + β m X mi 1 + e Zi 4) Für die Varianz der binomialverteilten Variablen Yi gilt: Var(Yi ) = P(Yi =1) P(Yi =0). E (Yi ) = P(Yi = 1) = Die Varianz hängt also vom Erwartungswert ab, so dass keine Varianzhomgenität verlangt werden kann. Zwischen den Odds und den erklärenden Variablen besteht die folgende Beziehung: Odds = Pi =e( β0 + β1Xi 1...+ βm Xim ) 1 − Pi Die Odds entsprechen also der Wahrscheinlichkeit von Yi=1 geteilt durch die Gegenwahrscheinlichkeit. Die in den folgenden Tabellen zur binär-logistischen Regression in der Spalte Exp(B) aufgeführten Effektkoeffizienten sind als Multiplikatoren auf das Verhältnis der Odds zu verstehen. Die Effektkoeffizienten geben also bei einer Änderung der unabhängigen Variablen um eine Einheit, nicht die Änderung der Wahrscheinlichkeiten, son15 dern die Änderung der Wahrscheinlichkeitsverhältnisse an. Ein Wert von 1 bedeutet, dass die entsprechende unabhängige Variable keinen Einfluss auf die Odds hat. Bei Werten grösser als 1 besteht ein positiver, bei Werten kleiner als 1 ein negativer Zusammenhang. Will man zwei Effekte miteinander vergleichen, so müssen die unabhängigen Variablen identisch skaliert sein. Um Variablen mit unterschiedlichen Einheiten trotzdem zu vergleichen, müssen die Effektkoeffizienten mit Hilfe der entsprechenden Standardabweichung standardisiert werden. (Baltes-Götz 2002) 5. Operationalisierung 5.1. Abhängige Variable Die abhängige Variable ist die Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Problemen: Den Befragten wurde die Frage gestellt, ob sie in den letzten 12 Monaten vor dem Befragungszeitpunkt (1999) wegen einem psychischen Problem in Behandlung gewesen sind. Das Item gibt keine Auskunft darüber, bei welchen Leistungserbringern die Behandlung in Anspruch genommen wurde. Ich gehe jedoch davon aus, dass eine Fachperson die Behandlung geleistet hat. Eine Erhebung der Schweizerischen Gesundheitsbefragung (1997) hat folgende Leistungserbringer erhoben: Tabelle 4.2: Prozentanteile der Personen, die wegen eines psychischen Problems bei unterschiedlichen Leistungserbringern in Behandlung gewesen sind (1997) Leistungserbringer Nicht an Spital gebunden Psychiater / Psychologe anderer Arzt andere Fachperson An Spital gebunden ambulantes Angebot stationäres Angebot Männer (%) Frauen (%) 47.9 17.0 2.8 34.9 33.3 3.5 21.0 11.3 16.7 11.6 Quelle: Schweizerische Gesundheitsbefragung 1997 (Bundesamt für Statistik) 5.2. Unabhängige Testvariablen 5.2.1. Soziale Ressourcen 5.2.1.1.Soziales Netz Mit der sozialen Vernetzung wird der quantitative Aspekt der sozialen Beziehungen erfasst. Die folgende Tabelle 4.3 zeigt die Häufigkeiten der erfassten sozialen Beziehungen: 16 Tabelle 4.3: Soziale Beziehungen (N=7'799) Soziale Beziehungen N (Missing %) Zusammenleben mit Partner/-in Eigene Kinder Nahe Verwandte Kollegen Nahe Freunde Nachbarn Vereinsaktivität 7’799 (0.5) 7’799 (0) 7’799 (1.8) 7’799 (3) 7’799 (1.5) 7’799 (0.5) 7’799 (0.1) Ja N (%) 5’011 (64.3) 4’811 (61.7) 7’168 (93.7) 4’884 (65.6) 6'981 (91.0) 5’084 (65.7) 3’918 (50.4) Nein N (%) 2’751 (35.3) 2’988 (38.3) 489 (6.3) 2’681 (34.4) 700 (9.0) 2’673 (34.3) 3’870 (49.6) In Anlehnung an die LUNST-Skalen des LÄNGSOZ-Projektes (Meyer 2000, S. 109 f) unterteile ich die sozialen Beziehungen in zwei Teilnetze, die jeweils anhand einer Skala zusammengefasst werden: 1) Primäres soziales Netz (1 Frage) 2) Sekundäres soziales Netz (6 Fragen) Das primäre soziale Netz wird mit der Frage nach dem Zusammenleben mit dem Partner oder der Partnerin (Ja/Nein) erfasst. Sollte kein/-e Partner/-in vorhanden sein, oder nicht mit dem/der Partner/-in zusammengelebt werden, wird die Person in die Kategorie Nein eingeteilt. Das sekundäre Netz beinhaltet das Vorhandensein (Ja/Nein) von eigenen Kindern, nahen Verwandten und Freunden, Kollegen von der Arbeit und anderen Lebensbereichen und die Teilnahme in einen Verein. Der mögliche Wertebereich liegt bei der Skala zum primären Netz zwischen 0 und 1 und bei der Skala zum sekundären Netz zwischen 0 und 6. Die Tabelle 4.4 beschreibt die Mittelwerte der beiden Skalen zur sozialen Vernetzung: Tabelle 4.4: Subskalen Soziale Beziehungen (N=7'799) Subskalen Primäres Netz Sekundäres Netz N (Missing %) Mean SD 7’761 (0.5) 7’416 (4.9) .65 4.28 .48 1.20 5.2.1.2.Soziale Unterstützung Die soziale Unterstützung wurde mit je sechs Fragen zur praktischen und emotionalen Unterstützung durch die eigenen Kinder (über 15 Jahre alt) ausserhalb des Haushaltes, Partner/-in, nahe Verwandte und Freunde, Kollegen und Nachbarn ermittelt. Die Frage zur praktischen Unterstützung lautete: “Falls Sie es nötig hätten, was glauben Sie: Wieviel kön17 nen Ihnen diese Nachbarn (Freunde, Partner/-in, etc.) praktisch helfen (d.h. mit konkreter Hilfe oder Ratschlägen und Tipps), wenn Null „gar nicht“ und 10 „sehr viel“ bedeutet?“. Die Frage zur emotionalen Unterstützung lautete: “Und wie weit sind die Personen aus der Nachbarschaft für Sie da, wenn das nötig wäre, zum Beispiel mit Verständnis und Zeit zum Reden? Null bedeutet "gar nicht" und 10 "sehr viel".“ Für die Skalen zur praktischen und emotionalen Unterstützung wurde je ein Summenindex gebildet, dessen Wertebereiche zwischen 0 und 60 liegen können. Die Gesamtskala zur sozialen Unterstützung bildet sich anhand der Summe aller 12 Fragen zur emotionalen und praktischen Unterstützung. Der Wertebereich liegt somit zwischen 0 und 120. Es gilt zu beachten, dass bei Personen, die entweder keinen/e Partner/-in, keine Kinder über 15 Jahre ausserhalb des Haushaltes oder keine enge Freunde (Verwandte, Nachbarn, Kollegen) angegeben haben, die wahrgenommene praktische und emotionale Unterstützung auf Null codiert wurde. Dies impliziert, dass Personen mit einer oder mehreren fehlenden Unterstützungsquellen insgesamt weniger Unterstützung wahrnehmen können, was sich bei der Berechnung der entsprechenden Summenindexes unvorteilhaft auswirkt. Die folgende Tabelle 4.5 zeigt eine Zusammenfassung der Skalen zur sozialen Unterstützung: Tabelle 4.5: Soziale Unterstützung (N=7'799) Subskalen Praktische Unterstützung Emotionale Unterstützung Soziale Unterstützung N (Missing %) Mean SD alpha 7’395 (5.18) 7’462 (4.32) 7’286 (6.58) 27.32 30.46 57.78 10.52 10.42 20.07 .37 .33 .67 Die Reliabilitätsanalysen zu den beiden Subskalen praktische und emotionale Unterstützung weisen ein relativ tiefes Cronbach’s Alpha auf. Dies ist auf die zum Teil negative Korrelation der Variablen zur praktischen oder emotionalen Hilfe von den Kindern zu den anderen Unterstützungsquellen zurückzuführen. Die wahrgenommene Unterstützung kann als Ersatz verstanden werden: Wer viel Unterstützung von den Kindern wahrnimmt, nimmt die Unterstützung von anderen Personen weniger wahr und umgekehrt. 5.2.2. Coping Die Stärke des problemorientierten Copingverhaltens wurde mit folgender Frage erfasst: „Inwieweit machen Sie etwas, um Ihre Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern? 0 bedeutet „überhaupt nichts“ und 10 „sehr viel“.“ Höhere Werte werden als Tendenz zu ausgeprägtem problemorientiertem Copingverhalten interpretiert. Wie leicht zu erkennen ist, wird die Erfas18 sung des eigentlichen Copingverhalten sehr einfach gehalten. Dies hängt jedoch mit der gewählten Datenlage zusammen, in der keine Fragen zu allgemeinen Copingstrategien enthalten sind. Die Formulierung dieser Hypothese soll lediglich einen ersten Hinweis über die Bedeutung individueller Copingstrategien als mögliche Determinanten bei der Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Störungen liefern. 5.3. Kontrollvariablen 5.3.1. Psychische Gesundheit (1) Wie sehr eine Person unter Depressionen, Ängsten oder anderen negativen Gefühlen leidet, wurde mit folgender Frage erhoben: „ Wie häufig haben sie negative Gefühle wie Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit, Angst oder Depressionen? 0 bedeutet „niemals“ und 10 „immer“.“ Es ist dabei zu beachten, dass mit diesem Item nicht eine objektive Diagnose von psychischen Störungen gemessen wird, sondern die subjektive Einschätzung der eigenen psychischen Gesundheit. (2) Eine weitere Variable stellt die Einschränkung bei täglichen Aktivitäten wegen des Gesundheitszustandes dar. Die Frage dazu lautete: „Können sie mir ganz allgemein sagen, in welchem Ausmass Sie wegen Ihrem Gesundheitszustand bei Ihren täglichen Aktivitäten eingeschränkt sind (z.B. im Haushalt, bei der Arbeit oder in der Freizeit)? 0 bedeutet „gar nicht“ und 10 bedeutet „sehr stark“?“ (3) Zusätzlich wurde kontrolliert, ob die Person seit längerer Zeit von einem physischen oder psychischen Leiden betroffen ist. Falls ja, wurden die Betroffenen in Kategorien eingeteilt, die die subjektive Wahrnehmung der Ursache des Problems unterscheiden. Die Fragen dazu lauteten: „Haben Sie ein psychisches oder physisches (körperliches) Problem oder eine Behinderung, wo schon länger dauert?“ und „Welches ist die Hauptursache von diesem Problem?“ (4) Die Messung von leichten psychischen Störungen wird anhand der Häufigkeit vom Auftreten allgemeiner Schwäche, Angstgefühlen und Schlafproblemen erfasst. Die drei Fragen dazu lauteten: „Haben Sie in den letzten 12 Monaten Schmerzen oder gesundheitliche Beschwerden gehabt, die ich jetzt aufzähle? (1) Allgemeine Schwäche, Erschöpfung, einfach keine Energie. (2) Schwierigkeiten beim Einschlafen, Schlaflosigkeit. (3) Innere Unruhe, Sorgen, Ängste.“ Aus diesen Antwortkategorien wurde ein Summenindex gebildet, wobei 0 „kein Auftreten“, 1 „eher selten“, 2 „mindestens einmal im Monat“ und 3 „jeden Tag oder fast jeden Tag“ bedeutet. Der theoretische 19 Wertebereich der Skala liegt somit zwischen 0 und 9. Die Tabelle 4.6 zeigt den Mittelwert der Skala: Tabelle 4.6: Leichte psychische Störungen (N=7'799) Skala Leichte psychische Störungen N (Missing %) Mean SD alpha 7’766 (.43) 2.14 2.25 .56 5.3.2. Soziodemographische Variablen Auf die Beschreibung der soziodemographischen Kontrollvariablen wird an dieser Stelle nur kurz eingegangen. Die entsprechenden Codierungen sind im Anhang ausführlich beschrieben. • Das Alter wurde in sieben Kategorien eingeteilt • Bei der Nationalität wird zwischen schweizerischer und ausländischer Staatsbürgerschaft unterschieden • Das Bildungsniveau wird in vier Kategorien unterteilt • Zur Kontrolle der Stadt/Land Dimension wird die 9er-Gemeindetypologie des Bundesamtes für Statistik verwendet 20 6. Empirische Ergebnisse Im Folgenden werden die formulierten Hypothesen an den vorliegenden Daten überprüft. Dazu werden mit SPSS verschiedene univariate, bivariate und multivariate Analyseverfahren angewendet. 6.1. Soziale Ressourcen Die erste Hypothese lautet, dass Personen mit einer starken Integration in ein soziales Netzwerk, beim Auftreten von psychischen Störungen eine geringere Inanspruchnahme einer Behandlung aufweisen als solche mit einer tiefen Integration. Die nachstehende Tabelle 6.1 vergleicht die soziale Integration von Personen mit und ohne Behandlung wegen psychischen Störungen: Tabelle 6.1: Soziale Beziehungen (N=7'799) Soziale Beziehungen Zusammenleben mit Partner/-in Eigene Kinder Nahe Verwandte Kollegen Nahe Freunde Nachbarn Vereinsaktivität Nein Std. Residuum Ja Std. Residuum Nein Std. Residuum Ja Std. Residuum Nein Std. Residuum Ja Std. Residuum Nein Std. Residuum Ja Std. Residuum Nein Std. Residuum Ja Std. Residuum Nein Std. Residuum Ja Std. Residuum Nein Std. Residuum Ja Std. Residuum 21 Behandlung Nein Ja 93.0 % 7.0 % -.9 3.7 95.5% 4.5 % .7 -2.7 94.6 % 5.4 % .0 .2 94.7 % 5.3 % .0 -.1 92.4 % 7.6 % -.5 2.1 94.8 % 5.2 % .1 -.5 94.1 % 5.9 % -.3 1.1 94.9 % 5.1 % .2 -.8 94.7 % 5.3 % .0 -.1 94.6 % 5.4 % .0 .0 93.5 % 6.5 % -.6 .2.6 95.3 % 4.7 % .4 -1.9 93.8 % 6.2 % -.5 2.1 95.4% 4.6% .5 -2.1 Total (Missing %) 100 % (.5) 100 % (.5) 100 % (.0) 100 % (.0) 100 % (1.9) 100 % (1.9) 100 % (3.0) 100 % (3.0) 100 % (1.6) 100 % (1.6) 100 % (.6) 100 % (.6) 100 % (.2) 100 % (.2) Es ist zu erkennen, dass Personen, die entweder mit dem/der Partner/-in zusammenleben, die Kontakte zu Verwandten, Nachbarn und Personen haben oder in einem Verein sind, in einem geringeren Ausmass eine Behandlung in Anspruch nehmen, als Personen, die keine solche Kontakte aufweisen. Die relativen Anteilsunterschiede sind zwar gering, aber hoch signifikant. Dabei weist das primäre soziale Netzwerk die grössten Unterschiede auf. Das Vorhandensein eines primären und sekundären sozialen Netzwerks scheint in dieser bivariaten Analyse in einer negativen Beziehung mit der Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Störungen zu stehen. Die zweite Hypothese lautet, dass insbesondere die wahrgenommene praktische und emotionale Unterstützung aus dem Netzwerk zu einer geringeren Inanspruchnahme einer Behandlung führt. Die nachstehende Tabelle 6.2 vergleicht die Mittelwerte der wahrgenommen praktischen und emotionalen Unterstützung: Tabelle 6.2: Mittelwertsvergleiche Soziale Unterstützung (N=7'799) Unterstützungsquellen Praktische Hilfe von Partner/-in Emotionale Hilfe von Partner/-in Praktische Hilfe von Kinder über 15 Jahre ausserhalb des Haushaltes Emotionale Hilfe von Kinder über 15 Jahre ausserhalb des Haushaltes Praktische Hilfe von Verwandten Emotionale Hilfe von Verwandten Praktische Hilfe von Nachbarn Emotionale Hilfe von Nachbarn Praktische Hilfe von nahen Freunden Emotionale Hilfe von nahen Freunden Praktische Hilfe von Kollegen Emotionale Hilfe von Kollegen Behandlung Mean Sig. (2-tailed) Missing (%) Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja 5.86 4.92 6.43 5.37 2.11 1.68 2.52 1.88 5.93 5.57 6.75 6.32 3.85 3.43 4.08 3.63 6.17 6.44 6.92 7.26 3.37 3.09 3.76 3.68 .000 .5 .000 .7 .009 .8 .000 .4 .053 1.8 .014 1.4 .020 1.3 .019 1.2 .093 1.1 .034 .6 .106 1.1 .636 .8 Ausser bei der Unterstützung von nahen Freunden weisen Personen, die keine Behandlung in Anspruch genommen haben, höhere Mittelwerte auf, als diejenigen, die eine Behandlung in 22 Anspruch genommen haben. Lediglich die Mittelwertsdifferenzen der Unterstützung von Kollegen und die praktische Hilfe von nahen Freunden sind dabei nicht signifikant. Die gegenteiligen Resultate bei der Unterstützung von nahen Freunden erkläre ich mir dadurch, dass Betroffene von psychischen Störungen verstärkt emotionale Hilfe bei nahen Freunden aufsuchen. Das Vorhandensein von psychischen Störungen veranlasst die Betroffenen, Hilfe bei nahen Freunden zu suchen. 6.2. Coping Die dritte Hypothese besagt, dass Personen mit einem stark ausgeprägten problemorientierten Copingverhalten beim Auftreten von psychischen Störungen eher eine Behandlung in Anspruch nehmen. Das Copingverhalten wurde mit der Stärke der Anstrengungen, die Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern, erfasst. Die folgende Tabelle 6.3 zeigt, dass Personen, die eine Behandlung in Anspruch genommen haben, signifikant höhere Mittelwerte aufweisen als Personen, die in keiner Behandlung waren. Tabelle 6.3: Coping (N=7'799) Coping Anstrengungen zur Gesundheitserhaltung oder –verbesserung Behandlung Mean Sig. (2-tailed) Missing (%) Nein Ja 5.82 6.67 .000 .3 6.3. Multivariate Analyse Im Folgenden sollen nun die postulierten Hypothesen in einem multivariaten logistischen Modell geprüft werden. Dabei interessiert, ob die bisher festgestellten Einflüsse von sozialen Ressourcen und Copingverhalten bei der Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Störungen ebenfalls unter Berücksichtigung von weiteren Kontrollvariablen bestehen bleiben, insbesondere bei der Berücksichtigung des psychischen Gesundheits– zustandes. Rund 4.3% der schweizerischen Bevölkerung geben an, in den letzten 12 Monaten wegen eines psychischen Problems in Behandlung gewesen zu sein. Diese Zahlen stimmen in etwa mit den Ergebnissen der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 1997 überein, in der 3% der Männer und 5% der Frauen angegeben haben, in einer Behandlung gewesen zu sein (Rüesch 2003, S. 9). 23 6.3.1. Modell mit Testvariablen In einem ersten Schritt werden mit der Einschlussmethode lediglich die Testvariablen ins Modell integriert. Die „erklärte Varianz“ ist sehr gering, der Wert des Nakelkerke Pseudo-R Quadrat beträgt 0.03. Die geschätzten Wahrscheinlichkeiten sagen bei einer Übertrittswahrscheinlichkeit von p=.5 zwar alle Fälle voraus, die in keiner Behandlung waren, jedoch keinen, der in einer Behandlung war. Die globale Modellgültigkeit scheint jedoch gegeben zu sein, der Homer und Lemeshow Test, der analog zur Pearson-Chi-Quadrat Statistik erwartete und beobachtete Häufigkeiten vergleicht, ist mit dem Wert .36 nicht signifikant. Die nachstehende Tabelle 6.4 zeigt die kontrollierten Effektkoeffizienten der Testvariablen: Tabelle 6.4 Binär logistische Regression: Testvariablen (N=7799, Missing 11.6%) Nur Testvariablen Zusammenleben mit Partner/-in (Nein=0/Ja=1) Sekundäres Netzwerk Soziale Unterstützung Anstrengungen für Gesundheit Konstante Behandlung wegen psychischen Störungen (Nein=1 / Ja=2) B S.E. Wald df Sig. Exp(B) -.249 .117 4.533 1 .033 .780 -.045 -.010 .147 -2.911 .055 .663 .004 7.452 .023 40.533 .237 151.257 1 1 1 1 .415 .006 .000 .000 .956 .990 1.158 .054 Das primäre Netzwerk weist einen signifikanten Einfluss auf die Inanspruchnahme einer Behandlung auf. Personen, die mit dem/der Partner/-in zusammenleben, gehen mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit in eine Behandlung, als diejenigen, die nicht mit dem/der Partner/-in zusammenleben oder keinen Partner haben. Das sekundäre soziale Netzwerk scheint keinen eigenen Einfluss zu haben. Jedoch reduziert die Stärke der wahrgenommenen sozialen Unterstützung aus dem privaten Netz die Wahrscheinlichkeit in eine Behandlung zu gehen signifikant, der Einfluss ist aber sehr gering. Personen mit einem ausgeprägten problemorientierten Copingverhalten weisen eine signifikant höhere Bereitschaft auf, eine Behandlung in Anspruch zu nehmen. 24 6.3.2. Gesamtmodell In einem zweiten Schritt werden nun alle Variablen in das Modell integriert (Einschlussmethode). Die „erklärte Varianz“ steigt nun deutlich an, der Wert des Nagelkerke Pseudo-R Quadrat beträgt .32. Von den Personen, die eine Behandlung in Anspruch genommen haben, können bei einer Übertrittswahrscheinlichkeit von p=.5 17.5% richtig vorhergesagt werden. Bei den Personen, die in keiner Behandlung waren, bleiben es beinahe 99.3%. Die globale Modellgültigkeit ist ebenfalls gegeben, der Homer und Lemeshow Test zeigt einen nichtsignifikanten Wert von .283. Die kontrollierten Effektkoeffizienten des Gesamtmodells sind in der Tabelle 6.5 auf der folgenden Seite ersichtlich: Soziale Ressourcen Im geschätzten Modell mit Kontrollvariablen bleibt nur noch das primäre soziale Netz als Prädiktor für die Inanspruchnahme einer Behandlung signifikant. Während das Zusammenleben mit dem/der Partner/-in die Wahrscheinlichkeit eine Behandlung in Anspruch zu nehmen deutlich reduziert, scheint die Stärke des sekundären Netzwerks dabei keine Bedeutung zu haben. Das Zusammenleben mit dem/der Partner/in reduziert die Odds um den Faktor .665. Der bisherige schwache Einfluss der sozialen Unterstützung ist im erweiterten Modell nicht mehr signifikant. Die erste Hypothese, die den Einfluss des sozialen Netzwerks als Prädiktor für die Nichtinanspruchnahme einer Behandlung postuliert, kann somit nur teilweise bestätigt werden. Lediglich das primäre soziale Netzwerk scheint bei psychischen Störungen als alternative Unterstützungsressource zu einer Behandlung eine Bedeutung zu haben. Die zweite Hypothese, dass dabei insbesondere die wahrgenommene soziale Unterstützung für die Nichtinanspruchnahme einer Behandlung verantwortlich ist, muss auf dem Signifikanzniveau von 5% abgelehnt werden. Dieses Resultat steht in einem Widerspruch mit der im Kapitel 3.2.3 diskutierten Puffer-Effekt-These, die dabei insbesondere die Bedeutung der wahrgenommenen emotionalen Unterstützung betont. Coping Die dritte Hypothese, dass Personen mit ausgeprägtem problemorientierten Copingverhalten beim Auftreten von psychischen Störungen eher eine Behandlung in Anspruch nehmen als Personen mit weniger ausgeprägtem problemorientiertem Copingverhalten, wird bestätigt. Eine Erhöhung des Wertes der Anstrengung zur Verbesserung oder Erhaltung der eigenen Gesundheit um eine Einheit, erhöht die Odds um den Faktor 1.132. 25 Tabelle 6.5: Binär logistische Regression: Gesamtmodell (N=7799, Missing 11.6%) Gesamtmodell Zusammenleben mit Partner/-in (Nein=0/Ja=1) Sekundäres Netzwerk Soziale Unterstützung Anstrengungen für Gesundheit Geschlecht (weiblich) Alter (25-34) Alter (15-24 Jahre) Alter (35-44 Jahre) Alter (45-54 Jahre) Alter (55-64 Jahre) Alter (65-74 Jahre) Alter (75+ Jahre) Bildungsniveau 0 Bildungsniveau 1 Bildungsniveau 2 Bildungsniveau 3 Nationalität (Ausländer/-innen) Zentrumsgemeinden Suburbane Gemeinden Reiche Gemeinden Periurbane Gemeinden Touristische Gemeinden Industriell-tertiäre Gemeinden Ländliche Pendlergemeinden Agrarisch-gemischte Gemeinden Agrarisch-periphere Gemeinden Depressionen etc. Gesundheitsprobleme (Nein) Angeborene Behinderung Krankheit Unfall Alter Psychischer Schock Andere Alltägliche Einschränkung Leichte psychische Störungen Konstante Behandlung wegen psychischen Störungen (Nein=1 / Ja=2) B S.E. Wald df Sig. Exp(B) -.408 .143 8.179 1 .004 .665 .015 .066 .052 1 .820 1.015 -.006 .124 .260 .004 .026 .135 .269 .186 .198 .203 .309 .689 -.912 -1.165 -1.029 -.450 .323 .316 .340 .166 -.121 -.061 -.165 -.049 -.186 -.145 -.454 -1.670 .269 .160 .279 .230 .465 .227 .265 .276 .937 .027 .767 .546 .525 1.251 1.833 1.499 .036 .173 -3.327 .285 .198 .281 .393 .254 .215 .024 .028 .447 1 1 1 6 1 1 1 1 1 1 3 1 1 1 1 8 1 1 1 1 1 1 1 1 1 6 1 1 1 1 1 1 1 1 1 .118 .000 .055 .000 .000 .969 .403 .329 .000 .000 .003 .005 .000 .002 .007 .662 .450 .827 .473 .916 .412 .583 .100 .075 .000 .000 .007 .006 .062 .001 .000 .000 .128 .000 .000 .994 1.132 1.296 -1.186 .007 -.165 -.198 -1.521 -2.931 2.442 22.906 3.680 55.903 19.448 .002 .699 .954 24.169 18.110 13.980 7.963 13.550 9.183 7.336 5.867 .570 .048 .514 .011 .673 .301 2.705 3.175 101.018 90.293 7.249 7.634 3.492 10.162 52.017 48.599 2.322 36.739 55.293 .305 1.007 .848 .820 .218 .053 .402 .312 .357 .637 .886 .941 .848 .952 .830 .865 .635 .188 1.309 2.153 1.727 1.691 3.495 6.252 4.479 1.037 1.189 .036 Geschlecht Die Bedeutung des Geschlechtes ist auf dem 5,5% Niveau signifikant: Die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Behandlung jedoch deutlich. Die Frauen scheinen im Gegensatz zu den Männern (Referenzkategorie) gewisse Symptome eher 26 als emotionale Schwierigkeiten zu deuten und nehmen dadurch eher eine Behandlung wegen psychischen Problemen in Anspruch. Alter Die Altersgruppe der 15-24 Jährigen gehen im Gegensatz zur Gruppe der 25-34 Jährigen (Referenzkategorie) bedeutend weniger in eine Behandlung. Dies ist auch bei den beiden Altersgruppen der 65-74 Jährigen und älteren der Fall. Mit steigendem Alter nehmen Personen, trotz bestehenden psychischen Störungen immer weniger eine Behandlung in Anspruch. Bildung Das Bildungsniveau zeigt hoch signifikante Ergebnisse auf: Personen mit höherem Bildungsniveau weisen im Gegensatz zu Personen mit dem tiefsten Bildungsniveau (Referenzgruppe) eine signifikant tiefere Wahrscheinlichkeit auf, eine Behandlung in Anspruch zu nehmen. Dieses Resultat erstaunt mich, ich hätte eher einen gegenteiligen Effekt vermutet, da mit höherer Bildung gewisse Symptome eher als psychische Leiden erkannt werden. Ein Grund für dieses Ergebnis könnte sein, dass gut gebildete Personen bessere Fähigkeiten besitzen, um mit vorhandenen psychischen Störungen umzugehen. Nationalität Personen mit ausländischer haben gegenüber Personen mit schweizerischer Staatsbürgerschaft eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit, keine Behandlung in Anspruch zu nehmen. Mögliche Kommunikationsprobleme könnten ein Grund dafür sein. Stadt/Land Die Stadt-Land Dimension wurde mit der 9er Gemeindetypologie des Bundesamtes für Statistik erhoben. Die Kriterien zur Einordnung der Gemeinden sind vorwiegend wirtschaftlicher Natur, dennoch ist eine Annährung an die Stadt/Land Dimension gegeben: Keine der acht Kategorien zeigt signifikante Ergebnisse im Verhältnis zu den Zentrumsgemeinden (Referenzgruppe). Die Effektkoeffizienten der ländlichen Gemeinden weisen jedoch alle auf eine tiefere Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme einer Behandlung hin. Psychische Gesundheit Die Variablen zur Erfassung der psychischen Gesundheit stellen die wohl wichtigsten Kontrollvariablen bei der Schätzung der Inanspruchnahme einer Behandlung dar: • Je stärker eine Person unter Depressionen, Ängsten oder anderen negativen Gefühlen leidet, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, eine Behandlung in Anspruch zu nehmen. Eine Erhöhung um eine Einheit verändert die Odds um den Faktor 1.309. 27 • Personen, die von einem physischen oder psychischen Leiden betroffen sind, weisen alle eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit einer Behandlung auf. Die Effektkoeffizienten sind wie erwartet dort am stärksten, wo eine psychische Ursache für das Leiden angegeben wurde. Auch diejenigen Leiden, bei denen angeborene Behinderungen, Krankheiten, Unfälle, Alter oder Anderes als Ursache genannt wurden, erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Behandlung deutlich. • Die Stärke der Einschränkung bei täglichen Aktivitäten wegen dem Gesundheitszustand scheint keinen signifikanten Einfluss auf die Inanspruchnahme einer Behandlung zu haben. • Wie erwartet erhöht ebenfalls die Stärke von leichten psychischen Störungen die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme einer Behandlung. Eine Änderung der leichten psychischen Störungen um eine Einheit verändert die Odds um den Faktor 1.189. 28 7. Schlusswort Aufgrund der empirischen Ergebnisse aus der mulitvariaten Analyse haben sich meine theoretischen Vermutungen über den Einfluss von sozialen Ressourcen bei der Inanspruchnahme einer Behandlung wegen psychischen Störungen nur teilweise bestätigt. Nicht der qualitative Aspekt des sozialen Netzwerks, also die Stärke der wahrgenommen sozialen Unterstützung, sondern der strukturelle Aspekt des sozialen Netzwerks weist einen Einfluss auf die Inanspruchnahme einer Behandlung auf. Dabei hat lediglich das primäre soziale Netz einen Einfluss, die Grösse des sekundären Netzwerks scheint dabei keine wesentliche Bedeutung zu haben. Personen mit psychischen Störungen, die mit dem/der Partner/-in zusammenleben, weisen eine geringere Wahrscheinlichkeit auf, eine Behandlung in Anspruch zu nehmen, als diejenigen, die nicht mit dem/der Partner/-in zusammenleben. Die Vermutung, dass problemorientierte Copingstrategien einen Einfluss auf die Inanspruchnahme einer Behandlung ausüben, wurde durch die empirischen Ergebnisse bestätigt. Dieser erste Versuch, die Bedeutung individueller Copingstrategien im Umgang mit vorhandenen psychischen Störungen zu thematisieren, sollte weiter verfolgt werden. Aus soziologischer Perspektive wäre dabei insbesondere interessant zu untersuchen, ob sich bestimmte Copingstrategien zwischen Individuen ungleich verteilen. Lediglich das Vorhandensein einer sehr engen Bindung stellt in diesem Modell einen bedeutsamen Faktor im Umgang mit psychischen Störungen dar. Möglicherweise liegt der Grund dafür in der einfachen binären Erfassung der sozialen Beziehungen. Eine differenziertere Möglichkeit zur Messung des quantitativen Aspekts von sozialen Beziehungen stellt die Häufigkeit der Kontakte zu den verschieden Beziehungspersonen dar. Obwohl sich die Stärke der wahrgenommenen praktischen und emotionalen Unterstützung zwischen den beiden Gruppen (Behandlung Ja/Nein) signifikant unterscheidet (ausser bei nahen Freunden), verschwindet der Einfluss auf die Inanspruchnahme einer Behandlung in der multivariaten Analyse. Es stellt sich die Frage, ob nicht besser zwischen der wahrgenommner Unterstützung aus dem primären und dem sekundären Netz unterschieden werden sollte. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die soziale Unterstützung von sehr nahen Bezugspersonen als Copingressource im Umgang mit psychischen Störungen von grosser Bedeutung ist. Insgesamt zeigte sich, dass bei der Entscheidung, ob beim Auftreten von allgemeinen psychischen Störungen Unterstützung bei einer Fachperson gesucht wird, insbesondere der sozialen Integration der Betroffenen eine wichtige Bedeutung zukommt. Abschliessend möchte ich betonen, dass die Art und die Intensität von psychischen Störungen für die Inanspruchnahme einer Behandlung weitere wichtige Faktoren darstellen, die im Rahmen dieser Untersuchung 29 aufgrund der gewählten Datenlage zu wenig einbezogen werden konnten. Und selbstverständlich sind die Schlüsse aus dem multivariaten Modell mit Vorsicht zu geniessen. Verschiedene Faktoren, wie Stichproben- und Messfehler, die Nichtberücksichtigung von indirekten Einflüssen und eine mögliche unadäquate Operationalisierung des theoretischen Konzeptes erschweren es, generelle Aussagen über Einflüsse der Prädiktoren im untersuchten multivariaten Modell zu formulieren. 30 8. Literaturverzeichnis Angermeyer M.C., Holzinger A., Matschinger H. (1997). Lebensqualität für schizophrene Patienten – das ist … Ergebnisse einer Umfrage bei Psychiatern. In: Psychiatrische Praxis, 24: S. 61-64. American Psychiatric Association (1994). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (4th ed.). Washington DC: American Psychiatric Association Press. Baltes-Götz B. (2002). Binär logistische Regressionsanalyse mit SPSS. Trier: Universitäres Rechenzentrum Trier. Badura B. (1981). Soziale Unterstützung und chronische Krankheit. Frankfurt: Suhrkamp. Brugha T.S. (1995). Social Support and Psychiatric Disorder. Research findings and guidelines for clinical practice. 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Stress, Coping, and Social Support Processes: Where Are We? What next? In: Journal of Health and Social Behavior, Extra Issue: S. 53-79. 32 Anhang Codierung der Kontrollvariablen: • Gemeindetypologien Die „Typologie der Gemeinden der Schweiz“ folgt einem Zentren-PeripherieKonzept, das anhand der Volkszählung 1990 nachgeführt worden ist. Als strukturierendes Merkmal dient zunächst die Regionszugehörigkeit. Dabei wird nach gross-, mittel- und kleinzentralen sowie peripheren Regionen unterschieden. Weiter wird innerhalb derselben für Agglomerationsgemeinden nach Kriterien der Arbeitsplatzintensität, der Gebäudestruktur und des Einkommens der Bevölkerung differenziert, für Gemeinden ausserhalb der Agglomeration nach der dominanten Wirtschaftsstruktur der Bevölkerung. Einige Sondertypen berücksichtigen Gemeinden mit besonderen demographischen Strukturen, die durch spezifisches Wanderverhalten der Bevölkerung bedingt sind (starke Prägung durch den Tourismus, Dominanz von Kollektivhaushalten, extreme Abwanderung und Überalterung). Die 22 Gemeindetypen können zu neun Haupttypen zusammengefasst werden. (Joye 1994) • Bildungsniveau Keine abgeschlossene obligatorische Ausbildung 0 Obligatorische Ausbildung, Anlehre 1 Haushaltslehrjahr, 1 Jahr Handelsschule 2 Allgemeinbildende Schule Berufslehren, BMS, KV Vollzeitberufsschule (Handelsschule, Lehrwerkstätte) Matura Höhere Berufsausbildung mit Meisterdiplom, Eidg. Fachausweis Techniker- oder Fachschule Höhere Fachschule, HTL, HWV Universität, Hochschule 33 3 34