Sprachblockaden: Hintergründe und

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Ao. Univ. Prof. Dr. Georg Gombos
Bildungshaus Sodalitas, Tainach/Tinje, 17.1.2006
Georg Gombos
Sprachblockaden: Hintergründe und Lösungsmöglichkeiten
Ich möchte in einem ersten Teil die Frage der Sprachblockaden oder auch der
Sprachlernblockaden in einen gesamteuropäischen Kontext der Mehrsprachigkeit stellen. In
einem zweiten Teil werde ich Ihnen von Beispielen für Sprach(lern)blockaden und ihrer
Auflösung im Rahmen unserer Arbeit in den so genannten Babylon-Seminaren berichten und
versuchen herauszuarbeiten, welche Hintergründe Sprachblockaden haben können. Im dritten
und letzten Teil möchte ich Ihnen die Arbeit in den Babylon-Seminaren erläutern – auch in
der Hoffnung, dass Sie vielleicht ein Interesse entwickeln, selbst an einem solchen Seminar
hier in Tainach/Tinje im Februar teilzunehmen.
1.
Sprachenlernen im europäischen Kontext
Die europäische Union ist ein Projekt, das dem Zusammenwachsen und der Stärkung Europas
in der Welt dient. Eine ganz wesentliche Motivation für dieses Projekt war die Erkenntnis
nach dem Zweiten Weltkrieg, dass Friede in Europa eine wesentliche Bedingung für eine
gedeihliche Entwicklung darstellt. Daher fußt das europäische Projekt auf der Aussöhnung
und Zusammenarbeit früherer Feinde, allen voran Deutschland und Frankreich. Inzwischen
hat die Europäische Union 25 Mitgliedsstaaten, die sich alle an diesem Projekt beteiligen, das
man auch als ein Vereinheitlichungsprojekt verstehen kann. Es gibt allerdings Bereiche, in
denen eine Vereinheitlichung nicht vorstellbar bzw. nicht wünschenswert erscheint, im
Bereich der Sprachen und Kulturen nämlich. Die Europäische Union der Zukunft wird nicht
eine Sprache sprechen und sie wird nach wie vor viele Kulturen beheimaten, die auf ihre
Traditionen Wert legen und sie pflegen. Daher bleibt ein wesentliches bildungspolitisches
Ziel, dass wir aufeinander zugehen können und miteinander kommunizieren können, um die
anstehenden Probleme zu lösen. Dazu bedarf es einer Offenheit und der Kenntnis von
Sprachen. Hier fordert die EU, ebenso wie der Europarat, dass die Europäerinnen und
Europäer der Zukunft mindestens drei Sprache in ihrem Leben lernen sollten: die
Staatssprache, eine überregionale, internationale Sprache (Englisch in erster Linie) und eine
weitere Sprache – idealer Weise eine Nachbarschafts- bzw. Minderheitensprache. Diese Liste
sagt nichts darüber aus, wann man die Sprachen lernen soll. Sie meint auch nicht, dass man
sich mit drei Sprachen begnügen soll oder muss.
Wir wissen inzwischen aus wissenschaftlichen Forschungen, dass der Mensch potentiell
mehrsprachig ist, d.h. dass er prinzipiell in der Lage ist, im Laufe des Lebens mehrere
Sprachen – auch gleichzeitig – zu lernen. Wir wissen auch, dass sich die Fähigkeit, Sprachen
zu lernen über die Jahre verändert und das ein wichtiger Faktor die Frage ist, ob jemand schon
früh mindestens zwei Sprachen gelernt hat. Lernt jemand mehr als eine Sprache über einen
längeren Zeitraum hinweg und erreicht auch Lese- und Schreibkompetenzen, dann sind
positive Effekte für das Erlernen weiterer Sprachen zu erwarten – dies sagt uns etwa die
Hirnforschung. Das heißt für die Bildungspolitik: Wir sollten möglichst früh mit dem
Angebot für Sprachen beginnen, diese qualitativ gut und über einen längeren Zeitraum
hinweg anbieten. Wir sollten darüber hinaus Menschen dazu ermuntern auch nach der
Schulzeit weitere Sprachen zu lernen – die EU sieht dafür verschiedene Projekte und
Aktivitäten vor.
Es gibt allerdings einen Aspekt des Sprachenlernens, der vernachlässigt wird – und der im
Zentrum meiner bzw. unserer Überlegungen steht: Es gibt immer wieder Menschen, die unter
Sprachblockaden bzw. Sprachlernblockaden leiden, obwohl – wie sie selbst sagen – „schon
alles probiert haben“. D.h. es gibt Menschen, bei denen es in erster Linie nicht um bessere
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Methoden des Lernens oder des Lehrens geht, sondern bei denen die Gründe für Blockaden
eher in ihren biographischen Erfahrungen und ihren Umgang mit diesen zu suchen sind.
2.
Sprachblockaden
Im Folgenden möchte ich einige Beispiele aus unserem Babylon-Projekt bringen. Kurz gesagt
haben wir – Henriette Lingg, Georg Senoner und ich mit Menschen gearbeitet, die
verschiedenste Sprachblockaden beschrieben haben und versucht, mit ihnen gemeinsam diese
Blockaden aufzulösen. Wir waren dabei – wie ich noch zeigen werde – sehr erfolgreich. Wir
haben die TeilnehmerInnen an unseren Seminaren bzw. Personen, die zu uns in die Beratung
gekommen sind, über ihr Anliegen interviewt und einige Wochen nach der Arbeit sie
nochmals befragt, ob sich etwas verändert hat. Zur Zeit haben wir 14 Personen ausgewertet
und wir können sagen, dass sich bei allen Personen Verbesserungen ergeben haben und dass
sich bei allen die Blockade gelöst hat und sie ihrem persönlichen Ziel näher gekommen sind.
Unser Ansatz kann für jegliche Sprache in Anspruch genommen werden. Von den 14 hier
vorgestellten TeilnehmerInnen (11 Frauen und 3 Männer) betraf das Anliegen
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einmal die Muttersprache (einer Französin, die in Deutschland lebt)
achtmal eine Fremdsprache, d.h. eine Sprache, die im Wohngebiet der Person nicht
als Zweitsprache anerkannt ist – dies waren Englisch (5), Deutsch (1), Französisch
(1), Italienisch (1)
fünfmal eine Zweitsprache, d.h. eine Sprache die im Wohngebiet der Person als
Zweitsprache anerkannt ist – das waren Deutsch in Südtirol (2), Italienisch in
Südtirol (1), Slowenisch in Kärnten (2, davon eine Person, die als Erwachsene
zugewandert ist und jetzt Slowenisch lernt und eine Person, die
slowenischsprachige Vorfahren hat)
Die Anliegen betrafen in erster Linie das Sprechen einer zweiten bzw. fremden Sprache, in
einem Falle das Schreiben in der Muttersprache. Zum Sprechen wurden folgende Anliegen
formuliert:
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ungehemmt, fließend mit Italienern sprechen
Englisch im Beruf anwenden können (2)
Panik beim Englischsprechen
Spontaner, weniger hölzern, geläufig und natürlich Italienisch sprechen
Von einer Sprache in die andere wechseln können (Italienisch, Deutsch), mich
wohl fühlen, wenn ich Deutsch spreche
Frei und spontan Deutsch sprechen
Flüssig Französisch sprechen
Gefühl für die Sprache bekommen, sowohl für Deutsch, aber primär für Englisch
Ohne Stress Englisch sprechen können
Ich möchte Slowenisch auf meiner Seite haben. Ich möchte mich auf die Sprache
einlassen können, auch wenn ich Fehler mache.
Mit der windischen Seite in mir versöhnen; dem Slowenischen wieder nähern;
inneren Frieden und Zufriedenheit finden; mich „runder fühlen“
Wie sie sehen zentrieren sich die Aussagen in erster Linie um ein befreites, spontanes
Sprechen wollen, aber auch in manchen Fällen auf Anliegen wie „die Sprache wechseln
können“ oder „Gefühl für die Sprache bekommen“. Interessant sind auch die beiden Fälle, die
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Slowenisch hier in Kärnten betreffen: eine Person, die einen Kärntner Slowenen geheiratet hat
wünscht sich Slowenisch an ihre Seite und möchte sich auf die Sprache einlassen können
auch wenn sie Fehler macht. Die andere Person, die slowenischsprachige Vorfahren hat,
spricht davon, sich mit ihrer „windischen Seite“ versöhnen zu wollen, sich dem Slowenischen
wieder nähern zu wollen, inneren Frieden und Zufriedenheit zu finden und sich „runder“
fühlen zu wollen.
Wir haben mit all diesen 14 Personen gearbeitet – in 13 Fällen in Seminaren, in einem Fall in
6 Stunden Einzelberatung. In allen Fällen wurde eine so genannte Systemische
Strukturaufstellung® durchgeführt. Systemische Strukturaufstellungen® sind ein
Gruppensimulationsverfahren, das Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer entwickelt
haben. Dabei werden Personen vom Anliegenbringer bzw. der Anliegenbringerin im Raum
aufgestellt. Diese so genannten RepräsentantInnen können Personen, Orte oder Objekte
darstellen. Die aufgestellten Personen, RepräsentantInnen werden nach ihren körperlichen
Wahrnehmungen – der so genannten repräsentierenden Wahrnehmung befragt. Das
Verblüffende an diesen Aufstellungen ist, das die Beziehungen der aufgestellten Elemente
zueinander sichtbar bzw. wahrnehmbar werden. Regelmäßig berichten die
AnliegenbringerInnen, dass das Ausgangsbild dem entspricht oder dem sehr nahe kommt, was
sie innerlich erleben. Dazu müssen die aufgestellten Personen keinerlei Informationen über
das System haben, einzig aus den Rückmeldungen über körperliche Wahrnehmungen
erschließt sich das Bild. In der Folge kann der Aufstellungsleiter bzw. die Leiterin – auch
Gastgeber/in genannt – Veränderungen im System anregen und testen. Es wird eine
Verbesserung des Systems, eine „Lösung“ im Sinne einer Lösung der bisherigen
Konstellation, einer Lösung der bisherigen, meist leidvoll erlebten Starre angestrebt. Das
Abschlussbild, in das der/die AnliegenbringerIn am Ende eintritt, stellt so eine mögliche
Variante für Veränderungen dar. Erfahrungsgemäß wirken sich derartige Aufstellungen
verändernd für die AnliegenbringerInnen aus. In diesem Sinne möchte ich jetzt einige
Fallbeispiele anführen – allerdings betonen, dass es bei allen AnliegenbringerInnen zu
positiven Veränderungen gekommen ist.
2.1
Fallbeispiel Irene: Die Muttersprache besser schreiben können (München)
Irene ist eine Französin, die seit vielen Jahren in Deutschland lebt. Wir haben sie bei
Aufstellungsseminaren kennen gelernt und sie war interessiert, mit uns an ihrem Anliegen zu
arbeiten, welches nicht etwa ihre deutsche Sprache betraf, sondern ihre Erstsprache, oder
Muttersprache Französisch.
Anliegen (Vorinterview)
• Muttersprache Französisch
(Frankreich mit 17 verlassen)
• Berufliche Sozialisation – Deutsch
• Problem: Kann Gefühle, Emotionen
nicht mehr schriftlich in Französisch
ausdrücken; fühle mich nicht mehr zu
hause in Französisch;
• Früher habe ich viel in Französisch
geschrieben – dann nach Projekt mit
Ehemann aufgehört, nun verwende
ich Französisch nur für noch für
Studienzwecke;
• Ich möchte gerne wieder die Sprache
Veränderungen (Nachinterview)
• Nach Aufstellung Eindrücke von
Landschaft auf Fahrt ins Allgäu in
Französisch notiert.
• Praktikumsbericht und Arbeit
geschrieben ging alles problemlos!
• Die Freude an der Sprache war
wieder da! ich habe überlegt, wie
kann es feiner besser formuliert
werden in Französisch.
• Auch die Rechtschreibung in Deutsch
ist einfacher geworden – die Arbeit
hat auch eine Auswirkung auf die
deutsche Sprache gehabt.
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spielerisch nutzen können –also wie
früher Gefühle ausdrücken können,
auch Blockade, alles was mit
Gefühlen zu tun hat, darf ich nicht in
Französisch sagen;
Alles was mit Gefühlen, Beziehungen
und sprachlicher Beziehung zu tun
hat, ist eher Deutsch;
Negative Gefühle kann ich auch in
Französisch ausdrücken, nur positive
nicht!
.. Also so als ob ich ein Klavier hätte
und die unterste Oktave würde nicht
zur Verfügung stehen na und das ist
frustrierend
Ich denk mir es hat auch mit anderen
Dingen zu tun, auch mit meiner
Familiengeschichte oder Biographie.
Also was mir vermittelt wurde, unter
anderem von meiner Mutter; Sich
einlassen, die Kontrolle verlieren
usw. ist gefährlich. Ja, und das sind
die Dinge die Anteile, die also unter
anderen mit Gefühle und Emotionen
unter anderen zu tun
Spanisch habe ich in Spanien gelernt,
Portugiesisch und Portugal und
Deutsch in Deutschland. Und ich
funktioniere dann so, wenn ich dann
in einen anderen Land bin, auch wenn
ich die Sprache nicht kenne fange ich
relativ schnell, fange ich dann an,
dass bisschen das ich kenne auch
gedanklich anzuwenden, also ich
funktioniere nicht nach den Motto,
ich denke was weiß ich in
Französisch, übersetze es dann in
Englisch, Spanisch oder was auch
immer, sondern es ist eher so, das
kindliche na so das vom Erleben und
also Gefühle langsam erweitern.
Also Deutsch hab ich auch so gelernt
durch Fernsehen oder so.
wenn ich die Sprache in
verschiedenen Schubladen hätte, (…)
möchte ich, dass die Schublade wo
Französisch drin ist, wenn ich
bestimmte Ideen im Kopf habe, sich
leicht öffnet, damit ich alles daraus
nehmen kann was ich will.
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Kann mich ans Vorgespräch gut
erinnern!
Lockere Umgangsweise mit meiner
Mutter seit dem!
Überrascht war ich über die
Verbindung von Körpergefühl – ich
hatte überhaupt keine
Spannungsprobleme mit
Kopfschmerzen und so. Trotz
vermehrter körperlicher Belastung
(Umzug) – keine körperlichen
Probleme – ich war einfach locker.
Eigentlich ist es jetzt so, als ob es das
Problem nie gegeben hat und es jetzt
wieder ein natürlicher Zustand ist.
Und alles, was damit verbunden war
ist verschwunden.
Wie lange gab es das Problem? Min.
zwei Jahre – Umgang mit franz.
Sprache!
Das Gefühl nicht ganz zu Hause zu
sein in Deutschland und / oder in
Frankreich ist schon länger da
gewesen.
Das Gefühl in beiden Ländern
beobachtet zu werden – ist nicht mehr
beständig da – nur wenn ich es
möchte – kann wählen.
Es ist dann ein im hier und jetzt zu
sein da. Wenn ich in Frankreich bin,
bin ich daheim und in Deutschland
fühle ich mich daheim.
Ich kann mich überhaupt nicht an die
Aufstellung erinnern! Nur an eine
Mauer o. ä.
Was hat wie gewirkt? Es war wie ein
Puzzle, bei dem etwas fehlte und
dadurch war das ganze Bild nicht
stimmig. Oder wie ein Rädchen, das
nicht rund läuft und ich hatte das
Gefühl es betrifft nur diesen Bereich,
aber eigentlich hat es alles betroffen
und nun der Rest auch runder und
geölter läuft.
Ich übernehme eine Homepage von
meinem Bruder (ist in Französisch,
Spanisch, Portugiesisch) ich mache
sie in Deutsch und muss da mit
Sprachen arbeiten.
Weitere Veränderung – leicht und
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einfach ein Haus (gemeinsam mit
früherem Mann) verkauft und mit
neuem Lebenspartner ein neues
gekauft. Das war klar und einfach
und ging klack – klack.
2.2
Fallbeispiel 2: Daniela – Seminare auf Englisch halten (München)
Daniela, die wir ebenfalls bei den Systemischen Strukturaufstellungsseminaren kennen
gelernt hatten, braucht Englisch im Beruf, hat aber – trotz guter Englischkenntnisse Schwierigkeiten mit Menschen auf Englisch zu kommunizieren.
Anliegen (Vorinterview)
• Problem mit Englisch – müsste
Englisch im Beruf anwenden können
(EDV-Dozentin), ich bekomme
interessante Einladungen in alle
möglichen Länder – ich kann kein
Training in Englisch halten – ich
könnte es genauso als Aufgabe
nehmen, wie andere auch – doch
irgendetwas hindert mich. Mir fehlt
pragmatischer Zugang.
• In Schule Englisch von der 7 – 13.
Klasse – Sowohl zu Englisch als auch
Französisch katastrophale Beziehung
– Italienisch selbst gelernt (deutsche
/italienische Bücher) Abschlussarbeit
auch in Italienisch. Italienisch
unbelastet!
• Bei Englisch habe ich das Gefühl ich
verstehe die anderen, sie mich nicht –
dies ist bei Italienisch anders – ich
kann keinen Satz in Englisch von mir
geben. Kann Klang sehr gut
übernehmen – ich weiß, dass ich es
kann, doch im Englischen ist das
nicht möglich. Ich finde es schön,
dass eine Sprache annähernd in dem
Klang gesprochen wird, wie sie ist –
doch egal, ob ich es perfekt
aussprechen würde oder nicht,
Englisch ist blockiert.
• Ich komme nicht zu einer
pragmatischen Einstellung – also ich
komme nicht dazu zu definieren, was
ich brauche und lernen müsste, mich
gut ausdrücken zu können.
• Mir wird übel bei der Vorstellung vor
24 Leuten zu stehen und in Englisch
Veränderungen (Nachinterview)
Habe es gerne ausprobiert (Anfang Aug.
bereits eine Anfrage/ jetzt Auftrag für Ende
Nov. 5 Tage in Englisch angenommen)
Paradigmenwechsel, wie ich draufschaue: 5
Tage von 9 – 17.00 auf Englisch ist schon
eine ziemliche Herausforderung; die
Überlegungen sind anderes – ich will wissen
wo ich stehe; Es ist nicht so, dass ich sage
das geht gut – meine Überlegungen sind jetzt
anders -mehr sachliche Überlegungen – hat
mit Wortschatz zu tun – sind Muttersprachler
– versteh ich die; sind jetzt sachliche
Überlegungen! Dann weiß ich, wo ich stehe
und ich kann mir überlegen was ich tue –
vorher war das anders - meine Haltung dazu
hat sich verändert! Fühle mich jetzt in
Englisch, wie ich im Vorgespräch für das
Italienisch beschrieben habe – jetzt bin ich
willens das Risiko einzugehen.
Schlimmstenfalls bestellen sie nie wieder ein
Training. Ohne die Arbeit wäre das nicht
möglich gewesen.
Vorbereitung läuft jetzt ganz neben bei; z.B.
im Auto vor mich hererzählen. Das
Englische ist eine Zeit zum Überleben –
nicht zum Brillieren!
Wenn ich Englisch schreibe, überlege ich
nicht bei jedem Wort, ob es richtig ist – mehr
Leichtigkeit und Fehlertoleranz;
Beim Sprechen eine höhere Spontaneität!
Bild, mein Englisch ist ein sehr schönes Bild!
2) An was erinnerst Du Dich:
Wichtig war das Bild mein Englisch /
strahlend schönes Englisch (schöne
Erinnerung) und Bezogenheit auf Kunden
(sagten: mach das!) und das Erkennen, wie
unbeschädigt mein „jüngeres Ich“ ist – muss
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•
•
•
•
•
•
zu sprechen und dann kommen noch
die Fragen, dass ich die nicht
verstehe. Der Block ist da, in dem
Moment, wo die anderen beginnen zu
reden – wie eine Mauer zwischen
uns. Ich vergesse immer wieder
Vokabeln – kann sie mir nicht
merken – habe aber grundsätzlich
kein Problem mir etwas zu merken
(z.B. Inhalte). Bild: Fliesen, die von
der Wand fallen – haften nicht –
fallen runter.
Familie/Schule: Bruder ist an
Englisch in der Schule gescheitert;
Eltern hätten auch nicht helfen
können; 7. Klasse mit 6 in Englisch, 5
in Deutsch durchgefallen –
wiederholt. Neuer Lehrer – ok;
Normaler Fremdsprachenunterricht
Buch/Vokabeln usw. wenig sprechen
Wenn ich an Englisch in der Schule
denke: Traurigkeit; fühle mich wie 13
jährige; war in der Schule gekränkt,
gedemütigt bzgl. Englisch in der
Schule.
Seminar: Gefühl, einfach Angst –
Angst dem nicht gewachsen zu sein
von innen her, der Interaktion.
Könnte mich vorbereiten – habe
jedoch dann Angst wie eine 13jährige. Also könnte einen Vortrag in
Englisch halten – schwierig ist die
Interaktion.
Wenn Italiener einen Workshop in
Italienisch anfragen würden – wäre
ich unbelastet und von daher wäre es
einfacher
Bisher kein ernsthafter Versuch mich
vorzubereiten – jedoch das ist Stress.
Keine Berührung der Familie im
Krieg mit Engländern, Amerikanern
es gar nicht trösten (verblüffende Erkenntnis)
– nehme ich so an – das Thema ist abgelegt –
die Arbeit war also nicht nur für Sprache
hilfreich.
Es gab eine spannende Ähnlichkeit in
Wortwahl und Tonfall zwischen dem
Repräsentanten und meinem echten Bruder,
die er mir auch bestätigt hat.
Habe bereits im Vorgespräch gemerkt, dass
da auch ein starkes inneres Ich da ist.
3) Was waren die wichtigsten
Informationen?
Jüngeres Ich = stark
Prozess der Differenzierung von Englisch
des Bruders und meinem Englisch (das
ursprüngliche Englisch ging zu ihm und es
war eine Lücke da, in der mein Englisch
auftauchte).
4) In welcher Weise war oder könnte die
Information hilfreich sein?
Befreiendes Moment / empfinde mein
Englisch als unbelastet / schön;
Führt zu dem Gefühl potentiell ist alles
möglich!
Veränderung des Bildes von den abfallenden
Kacheln (taucht nicht mehr auf) zu einem
Puzzle.
Aufstellung war so etwas wie ein
Befreiungsschlag, der etwas trennt und dann
ist wie ein Neubeginn mit einer Sprache und
mit weniger Angst zu tun hat.
Mein Englisch steht bei dem Workshop in
der Ecke und schaut mich an!
Skala in Bezug auf das Ziel beruflich aktiv
verwenden:
a) vor der Arbeit: 0 (wäre in jeder
Hinsicht vollkommen ausgeschlossen
gewesen)
b) jetzt 7. 11.04 : 9 (rein von der
Möglichkeit zu tun – nicht 10, weil
ich immer noch Momente hatte,
jemanden anderen zu finden, der den
Workshop durchführt – jedoch: ich
will !! Ich habe Lust dazu!!
Scala Nutzen des Seminars (0 sinnlos 10
optimal)
10 – es ist so unglaublich anders
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Erfolgsfaktor für den Workshop: Überleben
= komme durch ohne, dass der Kunde einen
Regress macht – wäre bereits ein absoluter
Erfolg. Alles andere wäre schon eine
Steigerung! Es ist nicht die Zeit zu brillieren
– es ist die Zeit durchzukommen.
Unterschied zu normalen Aufstellungen:
Vorgespräch sehr lang – wegen
Forschungsprojekt
Aufstellung selbst kein Unterschied;
Auswirkungen – die Frage war ja sehr
konkret.
2.3
Fallbeispiel 3: Alberto – frei und spontan Deutsch sprechen (Bozen)
Alberto ist ein erfolgreicher italienischer Geschäftsmann, der in der Schweiz lebt. Er ist von
der deutschen Kultur fasziniert und möchte frei und spontan Deutsch sprechen.
Anliegen (Vorinterview)
Mein Ziel ist es frei und spontan Deutsch zu
sprechen. Bin von der deutschen Kultur
fasziniert kann aber nicht richtig teilhaben
Ich möchte die Sprache soweit beherrschen,
dass ich sie im täglichen Umgang verwenden
kann.
Ich habe diese Schwierigkeit, dass ich zur
Perfektion neige und nicht den Mut habe,
mich zu blamieren.
Ich möchte den Knoten lösen, möchte Leute
kennen lernen und mit ihnen kommunizieren.
Ich möchte das Niveau erreichen, das ich im
Englischen und Französischen erreicht habe.
Ich würde mit jemandem Deutsch sprechen
und es erst nachher merken.
Würde in der Früh aufwachen und hätte im
Traum Deutsch gesprochen und würde weiter
Deutsch sprechen.
2.4
Veränderungen (Nachinterview)
Gespräch nach 4 Wochen: Ich war kurz nach
der Aufstellung auf einem Seminar am
Chiemsee. Ich habe mich wohl gefühlt und
mit den Teilnehmern auf Deutsch
geradebrecht und gescherzt. Ich war viel
gelassener und ruhiger. Ich will die Sprache
auch besser lernen, ich habe mich schon nach
einem Kurs in Köln erkundigt. Ich will mich
noch vor Weihnachten einschreiben. Es hat
sich für mich ein Knoten gelöst: ich muss
nicht Deutsch sprechen, aber ich kann es tun,
wenn es nützlich und sinnvoll ist.
Gespräch nach 4 Monaten: Es hat sich so viel
in meinem Leben geändert. Die Sprache ist
etwas in den Hintergrund gerutscht.
Wenn ich in der Schweiz mit Leuten reden
muss, die nur Deutsch verstehen, z.B. mit
den Handwerkern, dann geht es problemlos.
Fallbeispiel 4: Gerlinde – Slowenisch an meiner Seite (Klagenfurt)
Gerlindes Fallbeispiel bringt uns erstmals nach Kärnten und in Kontakt mit der slowenischen
Sprache hier. Gerlinde hat einen Kärntner Slowenen geheiratet und ist aus einem anderen
Bundesland zugezogen. Sie hat während ihrer Studienzeit in ihrer Heimatstadt bereits
Slowenisch gelernt. Dort fanden es ihre Bekannten interessant und toll, dass sie eine
slawische Sprache lernte. Eine ihrer ersten Erfahrungen in Kärnten war, dass das hier nicht so
war, dass sie immer wieder auf Verwunderung und auch Ablehnung stieß.
Anliegen (Vorinterview)
Veränderungen (Nachinterview)
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Ich möchte Slowenisch auf meiner Seite
haben. Ich möchte mich auf die Sprache
einlassen können, auch wenn ich Fehler
mache. Mein Mann ist Kärntner Slowene und
mir ist es ein Anliegen, seine Sprache auch
ein stückweit zu lernen und zu reden, etwas
von dieser Lebenswelt kennen zu lernen. Ich
bekomme ähnliche Widerstände, wie in der
Schulzeit. Ich sage in den Kursen
grundsätzlich nichts, weil in meinem Kopf
muss der Satz grammatikalisch perfekt sein.
Ich weiß, dass man sich auf eine Sprache
einlassen muss, aber ich schaffe es einfach
nicht. Ich würde Sätze einfach sagen, egal ob
die Fälle passen, etc. Es wäre kein so ein
Stress, es perfekt können zu müssen. Ich
hätte ein angenehmeres Gefühl, wenn ich
Leuten etwas auf Slowenisch sage. Ich würde
die Sache normaler angehen. Jeder Mensch
kann Fehler machen. Ich habe das Gefühl
„besser nicht reden, weil dann eckt man an“.
Ich würde einfach das, was mir auf
Slowenisch einfällt, zu meinem Mann sagen.
Was mir einfällt, das würde ich so sagen.
2.5
Verwunderung am nächsten Montag: der
Bibliothekar hat mich dieses Mal auf
Slowenisch begrüßt und ich habe wie aus der
Pistole geschossen auf Slowenisch gefragt,
ob er den Film da hat, den ich gebraucht habe
– ich war verwundert. Er hat mir auf
Slowenisch erklärt, was mit dem Film ist. Ich
war selber ein bisschen perplex, dass die
Kommunikation plötzlich auf Slowenisch
war.
Das Slowenisch-Lehrbuch hat wieder einen
positiven Reiz.
Ich glaube mein Mann merkt es. Dass ich
ungezwungener drauflos rede im Alltag - und
auch in seiner Familie – ich habe das Gefühl,
ich bin selbstbewusster. Ich entscheide jetzt
darüber, wann Slowenisch geredet wird. Es
ist stressfreier geworden.
Fallbeispiel 5: Nora – mit der „windischen“ Seite in mir versöhnen
Zu Nora muss ich eine kleine Vorbemerkung machen: ich hatte meine Studentinnen und
Studenten an der Universität eingeladen, auch am Seminar teilzunehmen. Sie kam als einzige
und machte zwei Erfahrungen, die sie schließlich veranlassten, ihr Anliegen in einer
Beratungssituation zu klären: die eine Erfahrung war, dass jemand, der in einer Übung
namens „Tango lingue“ für sie Slowenisch repräsentierte sie freundlich anblickte und die
andere Erfahrung machte sie als sie in einer Aufstellung für jemand anderen Repräsentantin
sein durfte. Inzwischen schreibt sie ihre Diplomarbeit zu diesem Thema.
Für uns hier ist Noras Fall deswegen besonders interessant, weil sie
• eine von sehr vielen ist, die slowenischsprachige Vorfahren hat,
• selbst die Sprache nur wenig in der Schule gelernt hat und sie heute nicht mehr spricht
• sich nicht zur slowenischen Minderheit zugehörig fühlt
• den Ausdruck „Windisch“ eher gebraucht, als Slowenisch und
• schließlich starke Emotionen mit der Sprache bzw. mit SprecherInnen verbindet bzw.
– wie wir jetzt sehen werden – verband.
Anliegen (Vorinterview)
Ich möchte mich mit der windischen Seite in
mir versöhnen; dem Slowenischen wieder
nähern; inneren Frieden und Zufriedenheit
finden; mich „runder fühlen“
Ein Wunder wäre:
Mich nicht mehr ständig rechtfertigen zu
Veränderungen (Nachinterview)
„Versöhnung“ mit dem Großvater.
Kann mich alleine auf öffentlichen Plätzen
aufhalten, ohne mich dabei unwohl oder
beobachtet zu fühlen.
8
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müssen; mich „zugehörig fühlen“; besser
erkennen, wer ich bin; weniger Vorurteile
haben; offener sein;
Anders wäre:
Ich würde vor Problemen nicht davonlaufen;
meine Standpunkte stärker verteidigen, mich
unangenehmen Situationen stellen; mehr
Vertrauen, weniger Misstrauen anderen
Personen gegenüber haben; keine
Aggression spüren wenn ich die slowenische
Sprache höre;
Das Gefühl der Beklemmung ist
verschwunden. Als wäre ich von einem
Druck befreit.
Empfinde keine Aggressionen mehr, wenn
ich Leute slowenisch sprechen höre.
„Trenne“ die Sprache von den Personen.
Kann besser „nein“ sagen und fühle mich
generell selbstbewusster und stärker.
Interesse für Fremdsprachen ist wieder
höher. Wenn ich englische Lieder höre
versuche ich, diese zu verstehen nicht nur zu
hören.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass – so wie bei den hier vorgestellten Fallbeispielen – es
bei allen KlientInnen zu positiven Veränderungen, ihr Anliegen betreffend gekommen ist. In
mehreren Fällen ist es zusätzlich zum Anliegen zu weiteren positiven Veränderungen
gekommen. Dabei handelt es sich um Veränderungen, die die Klienten nicht beim Anliegen
geschildert haben, die sozusagen außerhalb des Beratungsauftrages waren. So berichtet
•
Irene davon, dass
o für sie auch die Rechtschreibung in Deutsch einfacher geworden ist, d.h. dass
die Arbeit auch eine Auswirkung auf die deutsche Sprache gehabt hat;
o sie seit dem lockerer mit ihrer Mutter umgehen kann;
o sich ihr Körpergefühl verändert hat und sie keine Probleme mit
Spannungsgefühlen und Kopfschmerzen mehr habe. Sie fühle sich trotz
vermehrter körperlicher Belastung durch einen Umzug lockerer:
o sie „leicht und einfach“ ein Haus (gemeinsam mit früherem Mann) verkauft
habe und mit neuem Lebenspartner ein neues gekauft habe. Das sei klar und
einfach gewesen.
•
Nora berichtet davon, dass
o das Gefühl der Beklemmung ist verschwunden sei, so als wäre sie von einem
Druck befreit;
o könne besser „nein“ sagen und fühle sich generell selbstbewusster und stärker;
o ihr Interesse für Fremdsprachen sei wieder höher. Wenn sie englische Lieder
höre versuche sie, diese zu verstehen nicht nur zu hören.
Mit anderen Worten: die Arbeit zeitigt in manchen Fällen auch Nebenwirkungen – in den
allermeisten Fällen erwünschte und positive. In einem Fall stellte sich durch die Arbeit am
Sprachenthema heraus, dass die Klientin mit einem wesentlichen Konflikt in ihrem jetzigen
Leben zu konfrontieren hat. Die Nicht-Beschäftigung mit dem Thema hat auf das
Sprachenthema ausgestrahlt, die Bearbeitung des Sprachenthemas hat einerseits eine
wesentliche Verbesserung gebracht – sie konnte stressfrei Englisch sprechen – ihr andererseits
auch gezeigt, dass sie sich mit einem wesentlichen Lebensthema auseinander zu setzen hat
(was sie dann auch tat).
2.6
Hintergründe für Sprach(lern)blockaden
9
Ao. Univ. Prof. Dr. Georg Gombos
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Unsere bisherigen Erfahrungen lassen sich folgender Maßen zusammenfassen: Menschen sind
komplexe Wesen, die in komplexen Beziehungen leben, wo es viele Themen gibt, die sich
miteinander vermischen können, die einander überlagern können, die das eine im
Vordergrund erscheinen lassen, während ein anderes Thema unbewusst im Hintergrund
stehen kann. Dies gilt selbstverständlich auch für die Sprach(lern)blockaden unserer
TeilnehmerInnen: sie erleben eine Blockade, können sich nur schwer erklären, woher sie
kommt, haben schon alles Mögliche zu ihrer Behebung probiert und wissen nicht weiter. Die
lösungsfokussierte Arbeit ermöglicht es, dass die TeilnehmerInnen sich mit den dahinter
liegenden Themen auseinandersetzen und eine Lösungsmöglichkeit finden, die sich dann im
Alltag in der einen oder anderen Form umsetzen lässt. Es lassen sich einige Muster
beobachten:
•
•
3.
ist eine Sprache durch negative biographische Erfahrungen besetzt, so wird sich der
Klient/die Klientin schwer tun, locker und kreativ mit der Sprache umzugehen.
Negative biographische Erfahrungen sind immer durch Menschen vermittelt. D.h. zum
Beispiel, dass ein kränkender, abwertender, streng beurteilender Sprachenlehrer sich
zwischen den Klienten bzw. der Klientin schieben kann. Hier muss eine symbolische
Trennung passieren, damit der Klient bzw. die Klientin die Sprache unbelastet erleben
kann und für sich entscheiden kann, ob und wie er bzw. sie damit umgehen möchte.
Das weiter oben präsentierte Fallbeispiel Nora zeigt dies: die „windische“ Sprache war
mit dem strengen Großvater verbunden (er sprach immer von „Windisch“, während
Slowenisch mit dem Onkel verbunden war. Die Klärung der Erfahrungen mit den
beiden Männern führte dazu, dass sie Slowenisch nun hören kann, ohne Aggressionen
zu bekommen und dass sie nun ihrem Wunsch nachgehen kann, sich der Sprache
wieder zu nähern. Wie bereits erwähnt ist es bemerkenswert, dass durch diese Arbeit
auch Energien frei wurden, die die Klientin selbstbewusster werden lassen.
Während der erste Fall eine Überlagerung darstellt, bei der eine negative Erfahrung
mit einer Bezugsperson im Vordergrund steht, gibt es andererseits auch Fälle, in denen
aus Loyalität zu einer Person die eigenen (Lern-)Interessen leiden können. Dafür ist
Daniela ein Beispiel: Ihr Bruder war an Englisch in der Schule gescheitert. Im
Nachinterview sagt sie, dass der Prozess der Differenzierung von Englisch des
Bruders und ihrem Englisch (In der Aufstellung ging das ursprüngliche Englisch zu
ihm und es war eine Lücke da, in der ihr Englisch auftauchte). Ihre unbewusste
Loyalität zum Bruder, gepaart mit ihren schlechten Schulerfahrungen, Englisch
betreffend (sie fühlte sich gedemütigt), hat sie massiv dabei behindert, ihre passiven
Englischkenntnisse auch aktiv in ihrem Beruf umzusetzen.
Lösungsmöglichkeiten: Das Konzept der Babylon-Seminare
Während wir bei den ersten Seminaren hauptsächlich für einzelne KlientInnen Systemische
Strukturaufstellungen® durchführten, haben wir nun ein Seminarkonzept entwickelt, dass es
uns erlaubt, mit allen SeminarteilnehmerInnen gleichzeitig an den jeweiligen Themen zu
arbeiten. Wir verwenden dazu Elemente aus der Gestaltpädagogik und Gestalttherapie und
integrieren sie in einen systemischen Ansatz. Systemisch meint hier, dass wir den KlientInnen
die Möglichkeit geben, sich das System oder die Systeme anzusehen, die für ihre
biographischen Erfahrungen, Sprachen betreffend, maßgebend waren. Dabei gilt es die
Beziehungen, die Verhältnisse der einzelnen Systemelemente zu betrachten und auf
Veränderungsmöglichkeiten hin zu prüfen. In den Seminaren findet somit einerseits eine
Reflexion der biographischen Erfahrungen unter systemischen Gesichtspunkten statt,
andererseits werden Veränderungsmöglichkeiten angedacht und probehandelnd umgesetzt.
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Bildungshaus Sodalitas, Tainach/Tinje, 17.1.2006
Wir nutzen dazu unsere Erfahrungen mit Systemischen Strukturaufstellungen® ebenso wie
mit anderen Aufstellungsformen (etwa Siegfried Essens Autopoetische Aufstellungen), sowie
Erfahrungen mit Gestaltpädagogik und Gestalttherapie.
Wir werden im Februar ein Babylon-Seminar hier in Tainach/Tinje anbieten. Wir hoffen sehr,
dass wir wieder unterschiedlichste Anliegen bearbeiten können. D.h. wir laden Menschen ein,
die etwas an ihrem Umgang mit einer Sprache – sei es ihre Muttersprache, sei es eine
Fremdsprache oder sei es eine Minderheitensprache – ändern wollen. Mein besonderes
Interesse hier in Kärnten gilt allerdings Menschen, die ihren Zugang zur zweiten Sprache
Slowenisch verbessern wollen – ähnlich wie dies Nora im obigen Fallbeispiel formuliert hat.
Ich bin überzeugt davon, dass es in Kärnten sehr viele Menschen gibt, deren Vorfahren
Slowenisch gesprochen haben und die insofern gespalten sind, als dass ein Teil von ihnen den
Zugang zu Slowenisch sucht, während ein anderer Teil sie dabei behindert. In den BabylonSeminaren trachten wir danach, Überlagerungen zu entflechten, Loyalitäten wertschätzend zu
bearbeiten, damit die Menschen frei werden, ihren Zugang zu Slowenisch selbst zu wählen.
Wenn ich davon spreche, dass „ein Teil von ihnen“ sie behindert, dann meine ich keinesfalls,
dass diese Menschen Schuld daran hätten. Ich meine viel eher, dass sie in privaten, aber auch
in gesellschaftlichen Systemen aufgewachsen sind und leben, die ihren Zugang zur Sprache
ihrer Vorfahren zum Teil beträchtlich erschweren. Es ist unser Anliegen, diesen Menschen zu
helfen, ihre eigenen Ressourcen zu stärken, damit sie individuelle, persönliche Lösungen
finden können und ihren Lebensweg befreiter, kreativer, selbstbestimmter gehen können. Dies
ist keine Absage oder Abkehr vom Anspruch, über gesellschaftliche Missstände der
Vergangenheit und der Gegenwart aufzuklären und an einer Verbesserung dieser Verhältnisse
mitzuwirken. Es ist nur ein anderer Weg, der besonders jene ansprechen soll, die in ihren
biographischen Erfahrungen verstrickt sind, aber einen Wunsch, eine Sehnsucht nach der
Sprache ihrer Vorfahren verspüren. Dabei können schmerzhafte Erfahrungen in den Familien
wachgerufen werden und behutsam einer Klärung, einer Versöhnung, einer seelische Heilung
zugeführt werden.
In den Babylon-Seminaren arbeiten wir nach einander auf sechs Ebenen. Auf allen Ebenen
werden der Ist-Stand an Erfahrungen und die Muster des Umgangs mit Sprache(n) reflektiert
und es werden Lösungsmöglichkeiten gesucht und erprobt. Die sechs Ebenen sind:
Die Biographie:
Wir erkunden, welche Erlebnisse aus der Lebensgeschichte der
TeilnehmerInnen sich als Hindernis im Umgang mit fremden Sprahen
auswirken und welche Fähigkeiten sie erworben haben, die für das
Lernen und Sprechen einer fremden Sprache nützlich sein können.
Der Kontext:
Wir betrachten das Umfeld, in dem die TeilnehmerInnen die Sprache
verwenden wollen und entwickeln Ideen, wie sie Gelegenheiten
schaffen und finden können, wo es ihnen Freude macht, die Sprache zu
üben.
Die Vision:
Die TeilnehmerInnen entwickeln eine klare Vorstellung, welchen
Nutzen ihnen die neue Sprache bringt und welche Ansprüche sie an ihre
Sprachkenntnisse stellen.
Die Werte:
Die TeilnehmerInnen erforschen Ihre (Vor-)Urteile und Glaubenssätze
in Bezug auf die verschiedenen Sprachen, die sie kennen und entdecken
neue Aspekte der fremden Sprache und Kultur.
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Die Kommunikationsprozesse: Die TeilnehmerInnen erkunden, erweitern und optimieren
ihre Lernstrategien, um alle ihre Ressourcen besser zu nutzen.
Die Ziele:
Sie planen die konkreten Lernschritte, die zur gewünschten
Sprachkompetenz führen.
Dieses Seminarkonzept wird ebenfalls evaluiert, d.h. wir machen auch hier wieder Vor- und
Nachinterviews. Die bisherigen Rückmeldungen zeigen, dass wir ganz ähnlich gute
Ergebnisse erreichen. Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen eine solche erste schriftliche
Rückmeldung auf Italienisch vorlese und übersetze. Die Dame wollte endlich Englisch lernen.
Im Seminar meinte sie auch noch scherzhaft, sie hätte gerne einen „fidanzato americano“, also
einen amerikanischen Verlobten. Auf diese Aussage spielt sie zu Beginn ihrer e-mailNachricht an:
„Carissimi tutti, ho voglia di scrivervi rispetto al "post seminario", perchè mi sembra
interessante, anche per dare un feed-back agli insegnanti - visto quante parole in inglese???
:-)
Il fidanzato americano ancora non si vede all'orizzonte, ma io non perdo la speranza, ma
quello che mi sta accadendo è molto interessante. Da qualche giorno mi sento molto
coraggiosa rispetto al parlare e scrivere in inglese. Certo, sotto il profilo grammaticale e
sintattico le cose non sono cambiate, ma quello che non ho più è la paura di agire. Ho fatto
una telefonata in inglese, ho scritto diverse mail, anche ai miei insegnanti, insomma mi sento
intraprendente. Sì, quello che sicuramente è cambiato è che non ho più il timore: di non saper
parlare, di non riuscire a capire. Effettivamente continuo a non capire e non sapermi
esprimere compiutamente, ma non è più un ostacolo.
Ho comprato l'abbonamento a SKY, uno dei miei primi passi, e presto inizierò con le lezioni
di inglese, ho bisogno del budget - notare anche qui l'inglese per favore! ;-) - necessario per
avviare una diecina di lezioni individuali.
Un carissimo saluto a tutti e spero di leggervi presto.” (e-mail vom 2.11.2005)
4.
Zusammenfassung
Ich fasse kurz zusammen:
Mit dem Babylon-Ansatz können wir Menschen helfen, ihre Sprach(lern)blockaden zu lösen
und ihre vorhandenen Ressourcen besser und freier zu nutzen. Sie kommunizieren
anschließend anders und freier, sie können ihre Ziele in Bezug auf Sprache merkbar besser
verfolgen. Darüber hinaus lassen sich auch immer wieder positive Nebeneffekte beobachten,
d.h. dass sich die Lösung der Blockade auch auf andere Lebensbereiche positiv auswirkt.
In einem Europa von morgen brauchen wir Menschen, die miteinander in möglichst vielen
verschiedenen Sprachen kommunizieren können. Viele Menschen in Europa haben
biographische Erfahrungen gemacht, die es ihnen erschweren, ihre vorhandenen, aber
verschütteten Ressourcen voll für das Lernen und Anwenden von Sprachen zu nutzen. Mit
dem Babylon-Konzept sind wir bestrebt, Menschen in ihrem Vorhaben miteinander mehr und
besser in verschiedenen Sprachen zu kommunizieren zu unterstützen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf ein Wiedersehen bei
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Ao. Univ. Prof. Dr. Georg Gombos
Bildungshaus Sodalitas, Tainach/Tinje, 17.1.2006
Literatur:
Schlötter, Peter: Wer hat Angst vor der Wissenschaft? Über die neueste Forschung zur
empirischen Begründung von Systemaufstellungen. Ein Forschungsprojekt schlägt neue Wege
ein. In: Systemische AufstellungsPraxis 1/05, S. 30-32
Sparrer, Insa: Wunder, Lösung und System. Lösungsfokussierte Systemische
Strukturaufstellungen für Therapie und Organisationsberatung. Carl-Auer-Systeme Verlag,
Heidelberg 22002
Varga von Kibéd, Matthias/Sparrer, Insa: Ganz im Gegenteil. Tetralemmaarbeit und andere
Grundformen Systemischer Strukturaufstellungen – für Querdenker und solche, die es werden
wollen. Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg 42003
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