HBV-Infektion: Neues vom International Liver Congress™ 2011

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HBV-Infektion: Neues vom International Liver
Congress™ 2011
Dr. Bijan Raziorrouh, Priv. Doz. Dr. Norbert Hubert Grüner
Auf dem diesjährigen International Liver Congress™
lag der Schwerpunkt der Beiträge auf der Optimierung der zur Verfügung stehenden Therapien, sowohl
im Hinblick auf das Therapiemonitoring als auch die
Therapiedauer und die Nebenwirkungen insbesondere unter Langzeittherapie. Im Gegensatz zur Hepatitis C-Therapie ist die Behandlung einer chronischen
Hepatitis B-Infektion häufig eine Langzeittherapie und
führt bei der Mehrzahl der Patienten nicht zu einer
dauerhaften Viruselimination. Die Identifikation der
„richtigen“ Patienten für eine antivirale Therapie spielt
dabei eine zunehmend wichtige Rolle.
Neue antivirale Substanzen und Therapieoptimierung
LB 80380, ein neues Nukleotid-Analogon, wurde in
einer klinischen Phase IIb-Studie in therapienaiven Patienten mit chronischer Hepatitis B-Infektion untersucht.
115 Patienten aus Hongkong und Korea wurden mit
folgenden klinischen Kriterien eingeschlossen: HBsAg+
> 6 Monate, HBeAg+, HBV-DNA ≥105 Kopien/ml
oder HBeAg- mit einer HBV-DNA ≥104 Kopien/ml,
erhöhte GPT (1,2-10xULN), therapienaiv, mit kompensierter Lebererkrankung. In 3 Therapiearmen wurde mit
LB 80380 90 mg bzw. 150 mg mit Entecavir 0,5 mg
einmal täglich behandelt. Nach 24 Wochen Therapie zeigte sich eine vergleichbare antivirale Aktivität
in allen 3 Therapiearmen mit einem Log10-Abfall der
HBV-DNA zur Woche 24 ± SD: LB 80380 90 mg:
-4,99 ±0,83, LB 80380 150mg: –5,03 ±1,04, Entecavir 0,5 mg: –5,31 ±1,03. Bei sonst vergleichbaren
Nebenwirkungen wurden niedrige Serum L-CarnitinSpiegel unter LB 80380 beobachtet (Abstract #1353).
REP 9AC inhibiert die Freisetzung von HBsAg aus HBVinfizierten Hepatozyten. In einer „proof of principle“Studie wurde REP 9AC bei 8 Patienten mit chronischer
Hepatitis B-Infektion untersucht. Bei 5 von 8 Patienten
war 7 Tage bis 15 Wochen nach Therapiebeginn
kein HBsAg mehr nachweisbar. Anti-HBs-Antikörper
wurden bei 7 der 8 Patienten nachgewiesen. Bei
6 Patienten zeigte sich ein Abfall der HBV-DNA um
3-7 log-Stufen. 3 von diesen Patienten waren 14, 27
bzw. 52 Wochen nach Therapieende (Therapiedauer
20-27 Wochen) HBV-DNA-, HBsAg-, HBeAg-, antiHBs+, antiHBe+ (Abstract #75).
Die Forschergruppe um Menne S. und Mitarbeiter
untersuchte an einem Murmeltiermodell der chronischen HBV-Infektion (woodchuck hepatitis virus;
WHV), welche antivirale Wirkung GS-9620, ein
oraler TLR7-Agonist, besitzt. Eine TLR7-Aktivierung
geht mit der spezifischen Stimulation des angeborenen und adaptiven Immunsystems einher und führt zu
einer Zunahme der Interferon- und Zytokinproduktion.
In der prospektiven und Placebo-kontrollierten Studie
wurden insgesamt 28 Tiere eingeschlossen und auf
2
4 Therapiegruppen zu je 7 Tieren verteilt. Die tägliche gewichtsadaptierte p.o. Therapie mit GS-9620
über 4 Wochen führte in der Verumgruppe zu einem
signifikanten Abfall der Viruslast (≥4log-Stufen) und
des WHsAg sowie zur Induktion von anti-WHs-Antikörpern. Die Forschergruppe folgert aus den Daten,
dass TLR7-Agonisten eine protektive antivirale Immunantwort induzieren können und als potentiell neue Substanzen für die chronische HBV-Infektion diskutiert werden können (Abstract 1114). Auch im Schimpansenmodell (n=3) konnten Lanford R. E. und Kollegen die
antivirale Wirkung von GS-9620 mit signifikanter
Viruslastsenkung auch im Follow-up mit bis max. >121
Tagen bestätigen (Abstract #100).
Nach Absetzen von Nukleosid(t)-Analoga mit guter
antiviraler Aktivität kommt es fast regelhaft zum Relapse der HBV-DNA-Aktivität. Fontaine H. und Mitarbeiter untersuchten daher bei 70 Patienten in einer
prospektiven, multizentrischen Phase I/II-Studie die
Wirksamkeit einer DNA-Vakzine mit Expression von
HBV-Hüllprotein. Die Patienten waren im Median 5
Jahre mit Nukleosid(t)-Analoga behandelt worden. In
2 Therapiearmen wurde eine Placebo-Gruppe mit einer Verumgruppe verglichen. Zur Woche 48 wurde
die Therapie mit Nukleosid(t)-Analoga beendet, falls
HBV-DNA unter der Nachweisgrenze lag. Innerhalb
eines Monats nach Absetzen der Therapie kam es in
beiden Gruppen bei 97% zu einem Wiederauftreten
der HBV-DNA (<120 IU/ml). Durch die Gabe der
DNA-Vakzine konnte weder die Relapserate beinflusst
werden noch konnte ein Anstieg der γ-Interferonproduzierenden Zellen oder der NK-Zellen induziert
werden (Abstract #1367).
Fibrose und Therapieindikation
Nach EASL-Leitlinien werden HBeAg-, normale GPT,
HBV-DNA <2000 IU/ml als inaktive Carrier definiert.
Für diese Patienten besteht keine Therapieindikation.
De Ledinghen V. und Mitarbeiter konnten in einer prospektiven multizentrischen Studie mittels nicht-invasivem
Screening durch FibroScan zeigen, dass 32% der
sog. inaktiven Carrier eine signifikante Fibrose (histologisch gesichert) hatten. Die Autoren diskutieren daher
eine mögliche Rolle der nicht-invasiven Fibrosediagnostik (FibroScan) zur Identifizierung von Patienten mit
Behandlungsindikation (Abstract #365).
Die Alanin-Aminotransferase (GPT) ist nach wie vor
ein wesentlicher Parameter zur Entscheidung über eine
antivirale Therapie. Kontrovers diskutiert wird die Indikation zur Therapie bei Patienten mit hoher Viruslast
und normwertiger GPT. Lim J. und Mitarbeiter fanden
in einer Metaanalyse mit 849 Patienten, dass 22,5%
dieser Patienten eine histologische Erkrankungsaktivität >Grad 2 oder Fibrose >Grad 2 aufwiesen.
(Abstract #376)
Ausgabe 1, 5. Jahrgang, Juni 2011
Nebenwirkungsprofil antiviraler Behandlung
Im Langzeitmanagement einer chronischen Hepatitis
B-Infektion stellt eine Einschränkung der Nierenfunktion
ein klinisches Problem dar. Deterding K. und Mitarbeiter untersuchten die GFR bei 381 Patienten aus 24
EU-Zentren. Bei bis zu 20% der Patienten fand sich
vor Therapie eine Einschränkung der Nierenfunktion.
Unter Therapie mit Adefovir kam es zu einem durchschnittlichen Anstieg des Serumkreatinin um 34% im
Vergleich zum Ausgangswert. Unter Therapie wurden
signifikant häufiger Einschränkungen der Nierenfunktion beobachtet als ohne Therapie (12% vs. 7%; p=
0,05) (Abstract #366).
Quantitatives HBsAg: Therapie- und Immunmonitoring
Gane E. und Mitarbeiter untersuchten den Zusammenhang von HBsAg-Spiegel und SVR bei HBeAg+ Patienten, welche im Rahmen der Neptune Studie PEG-Interferon alpha-2a erhielten (180µg wöchentlich für 48
Wochen). Patienten mit einem HBsAg >20.000 IU/
ml zur Woche 12 oder 24 erreichten keine SVR. Die
Autoren folgern daher, dass in dieser Patientengruppe
ein Therapieabbruch gerechtfertigt ist (Abstract #69).
Jaroszewicz J. und Mitarbeiter stellten in der akuten
HBV-Infektion einen Zusammenhang zwischen dem
quantitativen Abfall von HBsAg und der HBV-spezifischen Immunantwort her. PBMCs von 10 akut infizierten HBV-Patienten wurden longitudinal zu insgesamt
42 Zeitpunkten immunmonitoriert. Ziel der Arbeit war
es dabei – auch im Hinblick auf die chronische HBVInfektion – eine mögliche Assoziation des HBsAg
und einer erfolgreichen Immunkontrolle des Virus zu
untersuchen. Interessanterweise waren dabei das Ausmaß der zytotoxischen Funktion der CD8+ T-Zellen
(CD107a) sowie die Aktivierung der untersuchten
T-Zellen (CD38, p<0,001) und NK-Zellen (NKG2A,
p=0,003) mit niedrigeren HBsAg-Mengen (Median:
2.35±1.4log10 IU/ml), welche in der Spätphase
der meist selbstlimitierenden akuten HBV-Infektion vorkommen, assoziiert (Abstract #292).
Genetische Determinanten als prädiktive
Marker
Die Therapie mit PEG-Interferon alpha führt bei einigen Patienten zu einer HBeAG-Seronkonversion.
Sonneveld M. J. und Mitarbeiter untersuchten die
Assoziation eines Polymorphismus in der Nähe des
IL-28B-Gen (rs 12979860 und rs 12980275) und
dem Auftreten einer HBeAg-Seronkonversion und
HBsAg-Seroclearance im Langzeitverlauf einer PEG-Interferon-Therapie. Ein Polymorphismus (CC-Genotyp)
bei rs 12979860 und rs 12980275 war signifikant
(p=0,041) häufiger mit einer HBeAg-Serokonversion
assoziiert als beim CT/TT-Genotyp (Abstract #71).
HBV und hepatozelluläres Karzinom (HCC)
Die Bedeutung einer HBeAg-Serokonversion bzw.
HBsAg-Serokonversion sowie HBV-DNA-Seroclearance für das Risiko einer HCC-Entstehung wurde
in einer prospektiven Studie bei 1285 Patienten mit
HBV-DNA ≥ 10.000 Kopien/ml von 1997-2007
untersucht. Die HBV-DNA-Seroclearance zeigte sich
dabei als wichtigster Prädiktor für eine Reduktion des
Risikos einer HCC-Entstehung unabhängig von HBe
oder HBsAg-Serokonversion (Abstract #68).
Saxena R. und Mitarbeiter versuchten in ihrer Studie
einen Zusammenhang zwischen einem Gen-Polymorphismus in der Promoter-Region von IL-10 und IL-6 und
dem Risiko der Entwicklung eines HCC zu erörtern.
Dabei zeigte sich für beide Gene, dass ein Polymorphismus (IL-10: CC/TA und TA/TA-Genotypen; IL-6:
GC-Genotype) mit dem Aufteten eines HCC bei chronischer HBV-Infektion assoziiert zu sein scheint (Abstract #1111).
HBV/HDV-Koinfektion
Calle Serrano B. und Mitarbeiter untersuchten 141
HBsAg+ Patienten mit (n=75) oder ohne (n=60) HDVInfektion über bis zu 15,7 Jahre (Median 5 Jahre). Bei
Patienten mit HDV-Koinfektion lag bereits zu Beginn
signifikant öfter eine Leberzirrhose vor. Ebenso war
bei Koinfektion das Risiko einer Leberzirrhoseentwicklung, die Dekompensation der Lebererkrankung oder
die Notwendigkeit zur Lebertransplantation im Verlauf
im Vergleich zur Monoinfektion erhöht. Im Hinblick auf
eine HCC-Entstehung zeigten sich jedoch keine Unterschiede (Abstract #358).
Fazit
Zahlreiche chronisch infizierte Hepatitis B-Patienten
befinden sich aktuell unter einer Langzeittherapie mit
Nukleosid(t)-Analoga. Die langfristigen Auswirkungen
dieser Therapie, z. B. Einschränkung der Nierenfunktion, sind derzeit noch unbekannt und kommen
zunehmend in den Fokus klinischer Studien. Es bleibt
abzuwarten, ob es gelingt, mit neuen und innovativen
Therapieansätzen (z. B. der Inhibierung der HBsAg
Freisetzung) zukünftig mehr Patienten zur Ausheilung zu
bringen und damit eine Dauertherapie zu vermeiden.
Dr. Bijan Raziorrouh
Priv. Doz. Dr. Norbert H. Grüner
Klinikum der Universität München
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[email protected]
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Ausgabe 1, 5. Jahrgang, Juni 2011
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