Die Doppelbündeltechnik Eine Option in der VKB-Chirurgie Rupturen des vorderen Kreuzbandes (VKB) sind eine häufige Verletzung in der orthopädischen Sportmedizin. Die konservative Behandlung stellt die physiologischen anatomischen Verhältnisse nicht wieder her und kann zu vorzeitiger ­Gonarthrose führen, ­bedingt durch die anterior-posteriore und die Rotationsinstabilität. Aus diesem Grunde ist die operative Rekonstruktion des VKB eine wichtige Behandlungsoption. Abb. 1: Doppelbündelanatomie Priv.-Doz. Dr. med. Hanno Steckel, ­Oberarzt der Abteilung für Orthopädie, Facharzt für Orthopädie und ­Unfallchirurgie, ­Park­klinik Berlin ­Weissensee, ­Akademisches Lehrkrankenhaus der ­Charité Literaturübersichten zeigen Operationsergebnisse nach Einzelbündelrekonstruktionen (SBT) mit Versagerraten von 6 % bis 20 %, basierend auf einer IKDC-C bzw. IKDC-D Klassifizierung, oder höher, wenn die Rückkehr zum vorherigen Sport- und Aktivitätslevel als Kriterium zugrunde gelegt wird. Viele Versager sind in einem erneuten Trauma, schlechter Knochenqualität, ungenügender Transplantatintegration oder Faktoren der Rehabilitation begründet und nicht primär auf die Operationstechnik zurückzuführen. Es gibt jedoch eine beträchtliche Menge von Patienten mit Knieinstabilität, insbesondere Rotationsinstabilität sowie Athleten, die nicht zu ihrem vorherigen Sportlevel zurückkehren, auch nach gut operierter VKB-Rekonstruktion in SBT, die möglicherweise von einem anderen Operationsansatz profitieren würden. Die Anatomie des VKB ist komplex und als Doppelbündelkonstruktion mit einem anteromedialen (AM) und einem posterolateralen (PL) Bündel beschrieben. Die SBT rekonstruiert im Wesentlichen das AM Bündel. Die Doppelbün- deltechnik (DBT) versucht die physiologische Anatomie wiederherzustellen, indem das AM und das PL Bündel rekonstruiert werden. Die Vorteile der DBT sollen eine bessere Kniestabilität durch eine genauere Rekonstruktion der anatomischen Strukturen mit AM und PL Bündel sein. Als Nachteile werden potentielle Probleme dieser Operationstechnik angeführt, wie erschwerte Revisionsbedingungen und Transplantatimpingement sowie fehlende klinische Daten. Doppelbündelkonzept Das Vorhandensein einer Doppelbündelstruktur des VKB wird in der Literatur kontrovers beurteilt. Übereinstimmend wird jedoch bemerkt, dass das VKB funktionelle Bündel hat und dass sich die Spannung in den Bündeln während der ROM verändert. Einige Autoren beschreiben das VKB als eine kontinuierliche Struktur. Andere erklären es als ein Ligament mit einer Struktur von zwei differenzierbaren Bündeln, einem AM und einem PL Bündel. Eine andere Vorstellung des VKB ist die der Dreibündelkonstellation mit einem AM, einem intermediären und einem PL Bündel. Das Doppelbündelmodell ist jedoch das anerkannteste Konzept, um die komplexe Anatomie des VKB zu beschreiben und zu verstehen. Anatomische Untersuchungen zeigen, dass das VKB sich in ein AM und ein PL Bündel unterteilen lässt (Abb. 1). Das AM Bündel verläuft von anterior-proximal der femoralen Insertion in 0° Flexion des Kniegelenkes nach anteromedial der tibialen Insertion. Das PL Bündel ver- Orthopädie im Profil 1/2009, S. 26–28, GIT VERLAG GmbH & Co. KG, Darmstadt Abb. 2: Visualisierung der femoralen Insertionen läuft von posterior-distal der femoralen Insertion nach posterolateral der tibialen Insertion (Abb. 2). Wichtig ist die Bedeutung der Beziehung von Knieflexion und Visualisierung der femoralen Insertionen von AM und PL Bündel. Während anatomische Beschreibungen eine vollständige Extension des Kniegelenkes zugrunde legen, wird die arthroskopische Versorgung der VKB Rupturen in Flexion durchgeführt. In der flektierten Position des Kniegelenkes während der Operation visualisiert sich das PL Bündel anterior-distal zu dem AM Bündel. Eine weitere Flexion des Gelenkes lässt die Bündel auf einer horizontalen Linie erscheinen. Die häufig angewendete Beschreibung der femora- www.gitverlag.com www.pro-4-pro.com len Insertion mit der o’clock Position ist nur in der Frontalebene hilfreich, da diese Beschreibung nicht die dreidimensionale Struktur der femoralen Insertion berücksichtigt. Die unmittelbare Beziehung von tibialer PL Bündel Insertion und Außenmeniskushinterhorn macht das Außenmeniskushinterhorn zu einer wichtigen Landmarke bei der Positionierung des tibialen PL Tunnels, zumal das PL Bündel häufig durch das AM Bündel verdeckt wird. Biomechanische Studien belegen, dass das PL Bündel eine primäre stabilisierende Rolle für die AP und IE Stabilität in der Extension und das AM Bündel bei der Flexion des Kniegelenkes hat. Nach VKB Rekonstruktion zeigt sich, sowohl eine kleinere AP Translation bei geringer Flexion des Gelenkes als auch eine verbesserte IE Stabilität für DBT im Vergleich zur SBT. Es werden verschiedene Operationstechniken für die DBT beschrieben, wobei sich aber die vier Tunneltechnik mit Anlage zweier femoraler und zweier tibialer Tunnel durchzusetzen scheint. Als Transplantate werden üblicherweise autologe Hamstringsehnen oder allogene Tibialis anterior/posterior Sehnen verwendet. Zur Fixierung werden femoral überwiegend Buttons oder Interferenzschrauben beschrieben, während tibial hauptsächlich Interferenzschrauben zur Anwendung kommen. Grundlage für eine anatomische Rekonstruktion sind eine genaue Präparierung der AM und PL Bündel Insertionen sowohl femoral als auch tibial (Abb. 3). Während der Operation mit flektierter Position des Kniegelenkes visualisiert sich das PL Bündel anterior-distal zu dem AM Bündel. Der Aspekt der Knieflexion ist daher bei der femoralen Tunnelanlage und bei der Beschreibung der Tunnelpositionen kritisch zu berücksichtigen (Abb. 4). Abb. 3: Markierung der tibialen AM und PL Insertionen Abb. 4: Anlage der femoralen AM und PL Tunnel Die ersten prospektiven klinischen Studien nach DBT zeigen sehr gute klinische Ergebnisse hinsichtlich der AP- und der Rotationstabilität auch im Vergleich mit der SBT. Schlussfolgerung Das Doppelbündelkonzept des VKB lässt sich anatomisch und biomechanisch bestätigen und ist ein sinnvolles Modell, um die komplexe Anatomie des vorderen Kreuzbandes und die unterschiedlichen Spannungsverhältnisse der VKB Fasern bei verschiedenen Flexionsgraden des Kniegelenkes zu erfassen. Attraktiv erscheint am Doppelbündelkonzept auch die Möglichkeit, komplexe Rupturmuster präoperativ mit der MRT sowie intraoperativ zu beschreiben. Das chirurgische Vorgehen kann somit bereits präoperativ angepasst werden, so dass ein rupturiertes Bündel rekonstruiert wird, während ein intaktes Bündel erhalten werden kann. Solch ein Vorgehen kann einen positiven Einfluss auf die Rehabilitationsprotokolle haben, die verkürzt und kosteneffizienter gestaltet werden können. Auch bei bestehender Rekonstruktion des VKB in der SBT und verbleibender Rotationsinstabilität bietet das Doppelbündelkonzept die Möglichkeit das bestehende SBT Transplantat durch ein PL Bündel Transplantat zu augmentieren. Biomechanisch ist die DBT insbesondere für die Rotationsstabilität vielversprechend, Langzeitstudien müssen jedoch die biomechanischen Daten in der klinischen Umsetzung weiterhin überprüfen. Literatur beim Autor Kontakt: Priv.-Doz. Dr. med. Hanno Steckel Oberarzt der Abteilung für Orthopädie Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Parkklinik Berlin Weissensee Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité D-Berlin Tel.: 030/9628-3756 Fax: 030/9628-3755 [email protected] www.park-klinik.com