KAPITEL 17 Der Dualraum eines Vektorraums 1. Vektorräume von Homomorphismen D EFINITION 17.1. Seien V , W Vektorräume über dem Körper K. Mit HomK (V , W ) bezeichnen wir die Menge aller Homomorphismen von V nach W . Für g, h Î HomK (V , W ) sind g + h : V ® W , v # g(v) + h(v) und Α * g : V ® W , v # Α * g(v) wieder Homomorphismen. Mit diesen Operationen ist HomK (V , W ) ein Vektorraum über K. S ATZ 17.2. Seien V , W endlichdimensionale Vektorräume über dem Körper K mit dim(V ) > 0 und dim(W ) > 0, sei B = (v1 , ¼, vm ) eine Basis von V und C = (w1 , ¼, wn) eine Basis von W , und sei K n´m der Vektorraum aller n ´ m-Matrizen über K. Die Abbildung F ist definiert durch F : HomK (V , W ) K n´m g S Sg(B, C). Dann ist F ein Isomorphismus. KOROLLAR 17.3. Seien V , W endlichdimensionale Vektorräume über K. Dann gilt dim(HomK (V , W )) = dim(V ) × dim(W ). S ATZ 17.4. Seien V , W Vektorräume über K, sei B eine Basis von V , und sei C eine Basis von W . Für b Î B und c Î C sei j[b, c] Î HomK (V , W ) jene lineare Abbildung, die j[b, c](b) = c und j[b, c](b¢) = 0 für alle b¢ Î B {b} erfüllt. Dann gilt: (1) Die Menge D = {j[b, c] | b Î B, c Î C} ist linear unabhängig. (2) D ist genau dann eine Basis von HomK (V , W ), wenn V endlichdimensional oder W = {0} ist. 2. Der Dualraum D EFINITION 17.5. Sei V ein Vektorraum über K. Der Dualraum von V ist definiert durch V ø := Hom(V , K). V ø ist also die Menge aller linearen Abbildungen von V in den eindimensionalen Vektorraum K. 225 226 17. DER DUALRAUM EINES VEKTORRAUMS D EFINITION 17.6. Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum mit Basis B = (b1 , ¼, bn). Wir definieren nun Bø = (bø1 , ¼, bøn ) als Folge von Vektoren in V ø . Dazu sei für i Î {1, ¼, n} die Abbildung bøi Î V ø jener Homomorphismus von V nach K, der bøi (bi ) = 1, bøi (b j ) = 0 für j ¹ i. erfüllt. L EMMA 17.7. Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum mit Basis B = (b1 , ¼, bn), sei Bø = (bø1 , ¼, bøn ) wie in Definition 17.6, und sei x Î V . Dann gilt: (1) bøi (x) = (x)B [i]. n (2) j(x) = â j(bi ) * bøi (x). i=1 Beweis: (1) Sei (y1 , ¼, yn) := (x)B . Dann gilt n n ø â b i Iâ y j i=1 j=1 n â bøi (x) i=1 * bi = n n i=1 j=1 * b j M * bi = âIâ y j * bøi (b j )M * bi n = â yi * bi i=1 = x. Also gilt (bø1 (x), ¼, bøn (x)) = (x)B . (2): Es gilt n n â j(bi ) × bøi (x) = â j(bi ) × (x)B [i] i=1 i=1 n = jIâ(x)B [i] * bi M i=1 = j(x). à S ATZ 17.8. Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum, B eine Basis von V , und Bø wie in Definition 17.6. Dann ist Bø eine Basis von V ø . Beweis: Wir zeigen als erstes, dass Bø linear unabhängig ist. Seien Λ1 , ¼, Λn Î K so, dass Úni=1 Λi bøi = 0. Sei j Î {1, ¼, n}. Es gilt 0 = Úni=1 Λi bøi (b j ) = Λ j . Also ist Bø linear unabhängig. Wegen Lemma 17.7 (2) gilt für j Î V ø , dass j = Úni=1 j(bi ) * bøi , also ist j Î L(Bø ). à 3. DER BIDUALRAUM 227 Für einen endlichdimensionalen Vektorraum bezeichnen wir Bø als die zu B duale Basis von V ø . Die Koordinaten eines Elements von V ø bezüglich Bø lassen sich mit Lemma 17.7 berechnen: Für jedes j Î V ø gilt (j)Bø = (j(b1), ¼, j(bn)), oder, anders geschrieben, (17.1) (j)Bø [i] = j(bi ). Wir halten noch eine Folgerung von Satz 17.8 fest: KOROLLAR 17.9. Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum. Dann gilt dim(V ) = dim(V ø ). D EFINITION 17.10. Seien V , W Vektorräume über dem Körper K, und sei f : V ® W ein Homomorphismus. Wir definieren die zu f duale Abbildung f ø durch fø : Wø Vø j S f ø (j), f ø (j) : V K v S j( f (v)). Es gilt also f ø (j) = j ë f . Somit ist f ø (j) wieder eine lineare Abbildung, und liegt daher in V ø . Wir werden nun sehen, dass f ø nicht nur eine Funktion, sondern sogar ein Homomorphismus von W ø nach V ø ist. L EMMA 17.11. Seien V , W Vektorräume über dem Körper K, und sei f : V ® W ein Homomorphismus. Dann gilt f ø Î Hom(W ø , V ø ). Beweisskizze: Für j1 , j2, j Î W ø , v Î V , Α Î K rechnet man nach: f ø (j1 + j2 ) (v) = f ø (j1 ) (v) + f ø (j2 ) (v) und f ø (Α * j)(v) = (Α * f ø (j)) (v). à S ATZ 17.12. Seien V , W endlichdimensionale Vektorräume über dem Körper K mit dim(V ) > 0, dim(W ) > 0, und sei f : V ® W ein Homomorphismus, B eine Basis von V , und C eine Basis von W . Dann gilt S f ø (Cø , Bø ) = (S f (B, C))T . Beweis: Sei B = (b1 , ¼, bm ), C = (c1 , ¼, cn), und sei i Î {1, ¼, m}, j Î {1, ¼, n}. Dann gilt S f ø (Cø , Bø ) [i, j] = ( f ø (cøj ))Bø [i]. Wegen Gleichung (17.1) ist das gleich f ø (cøj ) (bi ) = (cøj ë f ) (bi ) = cøj ( f (bi )). Wegen Lemma 17.7 (1) ist das gleich ( f (bi ))C [ j] = S f (B, C)[ j, i]. à 3. Der Bidualraum D EFINITION 17.13. Sei V ein Vektorraum über K. Der Bidualraum von V ist definiert als (V ø )ø , und wird auch einfacher mit V øø bezeichnet. 228 17. DER DUALRAUM EINES VEKTORRAUMS S ATZ 17.14. Sei V ein Vektorraum über K, und sei F : V ® V øø gegeben durch F : V V øø v S F(v), wobei F(v) : V ø K j S j(v). Dann ist F ein Monomorphismus von V nach V øø . Wenn V endlichdimensional ist, ist F sogar ein Isomorphismus. Für v Î V und j Î V ø gilt also F(v) (j) = j(v). Vektorräume, für die F ein Isomorphismus von V nach V øø ist, heißen reflexiv. Jeder endlichdimensionale Vektorraum ist also reflexiv.