Experimente, die gelingen Experimente für die Klassen 2 bis 7 Volker Schneider Thomas Zahn 1 Einführung Vorbemerkung Es gibt fast nichts Trostloseres als Kinder, die nicht neugierig sind. Dieses Experimentierbuch wendet sich an Schülerinnen und Schüler der Klassen 3 bis 7. Es soll dazu dienen, die Experimentier- und Endeckerfreude der Kinder herauszufordern und sie in einem ersten Zugang für die Arbeitsweisen der Naturwissenschaften zu begeistern. Die Versuche sind so ausgewählt, dass sie rasche Erfolge ermöglichen und dabei schon solche Erkenntnisse zu gewinnen sind, auf die in höheren Klassen erfolgreich aufgebaut werden kann. Ziele: Neugier wecken und fördern, handlungsbezogenes Wissen aufbauen, Wirklichkeit erklären, Entscheidungen fällen lernen, Lust an Naturwissenschaften wecken. Experimentieren und Probieren befriedigen zuallererst die Neugier. Es ist jedoch recht schwierig, durch bloßes Herumprobieren eine wirklich fundierte Erkenntnis zu gewinnen. Bloßes Probieren kostet Zeit und Nerven, führt zu wenig Erkenntnis und bleibt daher meist auch für die Schülerinnen und Schüler unbefriedigend. Dabei sind gezielte Fragen an die Natur im Grunde erwünscht. Das aus der angeborenen Neugier und Probierhaltung der Menschen sich entwickelnde Experimentierverfahren zur Erfassung von Naturphänomen ist erst rund 500 Jahre alt. Das Verfahren hat sich aber erst seit rund 100 Jahren zum alleinigen Beweismittel in den Naturwissenschaften und zunehmend auch in den Sozialwissenschaften und in der Psychologie entwickelt. Die Bedeutung von Experimenten und die Schlussfolgerungen daraus für Wirtschaft und Politik können in unserer Wissensgesellschaft nicht überschätzt werden. Man denke nur an Untersuchungen wie die Klimadiskussion und an PISA. Man muss Experimentieren lernen, um die modernen Denkweisen und die moderne Lebenswelt zu verstehen. 2 Einführung Erstaunlich ist die tägliche Beobachtung bei Erwachsenen, dass das strenge und nach Regeln verlaufende Experimentierverfahren wenig bekannt ist und dass wissenschaftliche Ergebnisse oft emotional abgelehnt und wenig sachdienlich diskutiert werden. - Umso wichtiger erscheint eine Einführung in die Denkstruktur von Experimenten und die Abschätzung von Befunden. Was sind Experimente? Experimente sind Anordnungen von Geräten und Situationen, die bestimmte, ausgewählte Vorgänge aus der Natur in einer Weise erfassen wollen, dass eindeutige Ergebnisse zu erwarten sind. Sie fußen auf einer vorformulierten Meinung (Theorie) und dienen dazu, solche „Vorurteile“ zu bestätigen oder zu widerlegen. Außerdem müssen Experimente so durchgeführt werden, dass sie von anderen Personen auch nachgemacht werden können. Die Ergebnisse vieler Experimente werden zu einer wissenschaftlichen Theorie zusammengefasst, die solange als gültig angenommen wird, solange sie nicht durch neue Experimente widerlegt wird. Daher haben Experimente Entscheidungsfunktion in allen Erfahrungswissenschaften erlangt. Einsatzmöglichkeiten im Unterricht der Grundschule Dieser oben formulierte hohe Anspruch kann auf einer ersten experimentellen Stufe schon in der Grundschule angebahnt werden, freilich nur im Verbund mit einem ergänzenden Unterricht. Daher sind den Versuchen, die als Arbeitsblätter formuliert sind, eine Seite zuvor sachliche und didaktische Vorüberlegungen beigefügt, die man nutzen kann. Die Experimente selbst wurden nach folgenden Aspekten ausgewählt und weiter entwickelt: Sie dienen zur Demonstration erstaunlicher Vorgänge, zum Überdenken von Meinungen und Annahmen, als Möglichkeit, die Wirklichkeit weiter zu „erforschen“ und erstmals zu erklären, zur ersten Einführung in naturwissenschaftliches Denken und Arbeiten. Der Einsatz im Unterricht kann dabei sehr variabel gestaltet werden: es ist eine Demonstration im Unterricht möglich, ein Arbeitsunterricht in Gruppen oder auch 3 Einführung Einzelarbeit. Dabei kann die Gliederung der Versuche nach Luft, Wasser, Pflanzen und Mensch durchaus verlassen werden, da es einige Zusammenhänge gibt, die über diese Einteilung hinaus weisen, z. B. die Versuche zu Bestandteilen der Luft und der Atmung des Menschen, oder die Versuche zum Leben der Pflanzen und die Untersuchungen zu Nahrungsmittelbestandteilen. Einige Experimente eignen sich auch für Projekttage etwa in 4ten Klassen, da sie auch für Erwachsene und Eltern Überraschungen bieten. Begründungen für die Auswahl der hier vorgestellten Experimente Es gibt viele Experimente und Experimentiersätze für Kinder. Hier sind nur solche ausgewählt, die den folgenden didaktischen Gesichtspunkten genügen: Beachtung der Bildungspläne, Bedeutung im täglichen Leben, Bedeutung in der Zukunft der Schülerinnen und Schüler, Vermittlung von exemplarischen Zusammenhängen, Zusammenhang mit der Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler, Weitere didaktische Gesichtspunkte für die Auswahl waren: Erreichung von eindeutigen Ergebnissen in 20 Minuten, Übersichtlichkeit in der Anordnung der Geräte, Verwendung von Geräten und Material aus der Erfahrungsweit, Klarheit des zeitlichen Ablaufs, sachliche Richtigkeit der Ergebnisse, Durchschaubarkeit, Möglichkeit zu klaren Ergebnissen zu gelangen, Interpretierbarkeit durch die Schülerinnen und Schüler selbst, Erweiterungsfähigkeit im späteren naturwissenschaftlichen Unterricht. Die Versuche sind in zwei Lehrerfortbildungen intensiv kritisiert und verbessert worden. Dafür danken wir den beteiligten Lehrerinnen und Lehrern sehr herzlich. Wir hoffen, Ihnen eine effektive und brauchbare Zusammenstellung überreichen zu können. Volker Schneider und Thomas Zahn Pädagogische Hochschule Freiburg 4 Einführung Grundausstattung Die meisten Schulen verfügen in der Grundstufe nicht über einen Raum für Experimente. Diese müssen auf den Arbeitstischen in der Klasse ausgeführt werden. Daher die folgenden Vorschläge für eine flexible „Grundausstattung“: Arbeitsplatte für Experimente: Eine an den Rändern hochgebogene Alufolie, ca. 40 x 50 cm, hat sich bewährt. Nach den Versuchen kann die Folie leicht entsorgt werden. Man kann auch alte Backbleche nutzen. Kästchen für Substanzen und Hilfsmittel: Im Arbeitsablauf hat sich ein kleines Pappkästen für die benötigten Substanzen (immer in kleinen Gläschen mit Schnappdeckel oder mit Schraubverschluss) und Hilfsmittel (wie Thermometer, Löffel etc), die gerade für den Versuch benötigt werden, bewährt. Damit kann eine Ordnung während des Experimentierens gewahrt bleiben und die Aufräumarbeiten gestalten sich einfacher. Arbeitsblätter Die mögliche Zettelwirtschaft mit Arbeitsblättern wird als Gefahr für den Unterricht gesehen. Trotzdem ist jeder Versuch in Form eines Arbeitsblatts gehalten, in dem der Arbeitsablauf geschildert ist. Die Arbeitsblätter können in Einzelarbeit, in Gruppenarbeit oder in einem arbeitsteiligen Unterricht in sehr verschiedenen Zusammenhängen eingesetzt werden. 5 Einführung Wichtig erscheint, dass bei den Experimenten eine klare Arbeitsweise eingeübt wird, die von einer genauen Beobachtung begleitet wird und in einer möglichst überlegten Interpretation endet. Daher folgen die Arbeitsblätter immer dem „naturwissenschaftlichen Ritus“: Frage an die Natur, oft verpackt in einer Behauptung (Hypothese), die Angaben zum Material (Was brauchst du?), die Angaben zur Durchführung (Was kannst du tun?), dann ein Vorschlag für ein Protokoll und schließlich die Aufforderung, das Beobachtete und Protokollierte auch zu deuten, zu erklären und eventuell mit schon vorhandenem Wissen zu verbinden (Interpretation). Dabei dürfen die Interpretationen durchaus falsch im naturwissenschaftlichen Stand des Wissens sein – die Beobachtungen sollten genau und richtig sein. Erst allmählich lernen die Schülerinnen und Schüler den Ablauf des naturwissenschaftlichen Denkens und lernen dessen Besonderheiten und Vorteile einzuschätzen. Geräte und Ausrüstung Wenn die Schule über einen Grundstock für chemisches Arbeiten verfügt – wie Stative, Reagenzgläser, Heizplatten, Filter und ähnliches, so sind solche Teile von Vorteil. Ein solcher Gerätesatz ist aber nicht notwendig. Die Versuche sind alle so angelegt, dass sie mit Ausrüstung aus den Haushalts- bzw. Camping- Abteilungen von Kaufhäusern durchgeführt werden können. Dies hat den Vorteil, dass die Schülerinnen und Schüler die „Geräte“ schon kennen und sie mit „neuen Aufgaben“ versehen können. Von den im chemischen Labor eingeführten Geräten sind allerdings Reagenzgläser in bruchfester Ausführung im fünffachen Klassensatz unerlässlich. Dabei kann man die frischen Reagenzgläser auf etwas Küchenkrepp umgekehrt in einem Glas zur Nutzung bereitstellen. Während des Versuchs nutzt man ein frisches Marmeladenglas zu Abstellen. Nach dem Versuch stellt man das benutzte Reagenzglas umgekehrt in ein weiteres Marmeladenglas ohne Küchenkrepp. Auf diese Weise lässt sich eine Wiederbenutzung vermeiden. Alle verwendeten Lösungen sind nicht giftig und können gefahrlos als Abwasser entsorgt werden. 6 Einführung Ausstattung für die Klasse: 3.1 Geräte Kleiner Kühlschrank oder eine Gemüsebox (ca. 20 x 30 cm): für die Aufbewahrung in der Kälte. Kleinteile: Pappteller, Pappnäpfe, kleine Partylöffel, Buchenholzstäbe, Glasstäbe zum Rühren, Wischtücher aus Papier, Küchenmesser, Schere, Klebeband, Pipetten aus Plastik, Partykerzen, Streichhölzer, Taschenmesser, Zahnstocher, Wattestäbchen, kleine Becher, Marmeladengläser, Untersetzer (alles im Haushaltswarengeschäft). Heizplatten und Blechnäpfe: für Wasserbäder zum schonenden Erhitzen. Bunsenbrenner auf Gaskartusche: (Campingbedarf), evtl zusätzlich: Ein Bunsenbrenner mit Schweißaufsatz (Brenner für Crème brulèe, Haushaltswarengeschäft). Reagenzgläser: normale Größe, aber die bruchsichere Version wählen (auf die Dauer wesentlich billiger als die aus dünnem Glas gefertigten). Stative, Muffen und Klemmen: im halben Klassensatz. 3.2 Chemikalien gebrannter Kalk: (CaO) (Baumarkt) löst sich in Wasser zur Ca(OH)2. Die abfiltrierte Lösung hält sich verschlossen bis zu einem halben Jahr. - Wenn man CO2 einleitet, fällt weißes Pulver (CaCO3) aus, erkennbar an einer deutlichen Trübung. Nachweis für Kohlenstoffdioxid. Dichlorphenolindophenol: (ca. 1 g, hält sich jahrelang) löst sich blau in Wasser, entfärbt sich bei Zugabe von Vitamin C – zum Nachweis von Vitamin C. Stäbchen aus Buchenholz („Glimmspäne“): zum Sauerstoffnachweis. 7 Einführung Stärke: Mehl, besonders leicht löslich nach Aufkochen ist Mondamin aus Maismehl. Nur stark verdünnte Lösungen nutzen!). Stärkenachweis: Blaufärbung mit hellgelber Lugolscher Lösung (Lehrmittelbedarf). Glucosenachweis: Nachweisstäbchen für Glucose im Urin (Apotheke); Kontrolle: Frischer Weintraubensaft, Dextrogenergen aus dem Kaufhaus (Haushaltszucker ist ein Disaccharid (= Doppelzucker) und für die Nachweise nicht zu verwenden!) Eiweiß: Stäbchen für Eiweißnachweis im Urin (Apotheke) oder Biuretreagenz (Lehrmittelbedarf). 3.3 Pflanzen: Wasserpest (Elodea spec): im 2 Literglas mit etwas Schlamm jahrelang am Nordfenster sehr gutes Wachstum (aus Aquarienhandlung). Für die Sauerstoffentwicklung bei Sonnenlicht oder Schreibtischlampe, und für Zelluntersuchungen an Blättern. Fleißiges Lieschen, Balsaminaceae, Zuchtpflanzen mit durchscheinenden Stengeln; Stangensellerie (Apium dulce, Zuchtform): für Leitbündeluntersuchungen. Geranien (Geranium spec, Zuchtform): Topfpflanzen mit möglichst wenig eingeschnittenen Blättern für Stärkenachweis im Blatt bei Fotosynthese. Duftgeranie (Geranium molle, Zuchtpflanze): am Südfenster in der Klasse auch im Winter wachsend, für Stärkenachweis und Verdungstungsversuche, in den Blättern Duftstoffe. Dreimasterblume, Tradeskantia spec, Zuchtformen: wegen ihrer biegsamen Stengel und fester Blätter für Fotosyntheseversuche und Wassertransport geeignet. Frische Zweige: von Bäumen mit hohem Wasserbedarf: Ulme, Pappel, Birke. Gemüse: Spinat (das ganze Jahr über erhältlich). Samen: Kresse für die Beobachtung des Keimungsablaufs, Weizen für die Beobachtung von Wurzelhärchen auf Filtrierpapier, Mais oder Erbsen für Atmungsversuche, Feuerbohnen zur Beobachtung des Wachstums in Gartenerde oder in Holzspänen Weiterführende Informationen AOK (2008): Science kids – Kinder entdecken die Gesundheit, [email protected]; Knobel, Eve (1998): Experimente im Sachunterricht, Volk und Wissen, Berlin; Klett (2006): Prisma Naturwissenschaften, Klettverlag Stuttgart; Seilnacht, Thomas (2004): Naturwissenschaftliches Arbeiten, Verlag Seilnacht, Bern Schrödel (2006): Netzwerk Naturwissenschaften, www.schrödel.de; Schrödel (2006): Netzwerk Biologie, Arbeitshefte, www.schrodel.de; 8 Übersicht Wasser ist ein besonderer Saft!! Bei wie viel Grad siedet das Wasser? In Wasser lösen sich viele Stoffe. Wie kann man einen gelösten Stoff wieder gewinnen? Wir entdecken Säuren und Laugen! Ein Gas entsteht und verschwindet. Warum gibt man im Winter Salz auf das Eis? Wasser ballt sich zu Tropfen! Luft ist nicht ohne! Luft ist manchmal im Weg. Der Ballon in der Flasche! Der Schuss nach hinten! Die Luftrakete. Die Luftmenge kann sich ändern! Feuer, Feuer!! Wann geht die Kerze aus? Ein ganz besonderer Feuerlöscher! Was Pflanzen können. Wie Pflanzen wachsen. Wann können Samen keimen? Bohnensamen sprengen harten Gips In den Blättern entsteht ein neuer Stoff! Wie man Stärke in grünen Blättern nachweisen kann Rund um den Körper Atmung Wie kommt die Luft in die Lunge? Menschen atmen Sprudelgas aus! Wir entdecken Schadstoffe in der Luft!! Wirbelsäule Die Wirbelsäule-beweglich, stabil, belastbar Wir untersuchen Nahrungsmittel Stärke in der Nahrung Versteckte Fette Wo sind die Eiweiße? Versteckte Zucker? Wie die Verdauung funktioniert Wo ist Vitamin C? Hören: Wie empfindlich sind unsere Ohren? Seite 9 11 13 15 17 19 21 Seite 37 39 41 43 45 Seite 55 57 Seite 63 66 68 70 Wie wirken Spülmittel? Wasser kann auch kleben. Wasser fließt nicht immer nur nach unten! Warum Wasser manchmal von Himmel fällt. Warum platzt die Flasche? Wasser macht Druck! Kann Wasser den Strom leiten? Seite 23 25 27 29 31 33 35 Hat Luft ein Gewicht? Nur ein Teil der Luft ist Sauerstoff! Warum flackert die Kerzenflamme? Das hüpfende Filmdöschen Seite 47 49 51 53 Kann Eisen brennen?? Weißer Rauch, schwarzer Rauch Seite 59 61 Pflanzen leiten Wasser Wo Pflanzen das Wasser leiten Wozu dienen Wurzeln? Pflanzen schützen den Boden! Erbsen „atmen“ auch. Seite 75 80 82 84 86 72 Seite 88 90 92 94 98 100 102 105 107 109 Wie kommt der Schall ins Ohr? Wie kann man die Schallrichtung erkennen? Schmecken und Riechen Was schmeckt? Riechen und Schmecken Sehen Sehen und sich täuschen Unsere Augen sind an einer Stelle blind Beobachtungen am Auge Tasten Teste den Tastsinn Temperatursinn Wie genau ist unser Kälte- und Wärmesinn? Warum wärmt warme Kleidung? Seite 114 116 118 120 123 126 128 131 133 135 112 Auf der einen Seite finden Sie eine sachliche Erklärung und eine didaktische Begründung zu den Versuchen, auf der anderen Seite den Versuchsaufbau und den Versuchsablauf in der Form eines möglichen Arbeitsblattes zum Kopieren oder zum Abändern je nach Klassensituation.