ORTSGESPRÄCH SOEST SAMSTAG 2. JANUAR 2016 Wie ein Röntgenbild der Seele Gespräch mit einer Astrologin und Heilpraktikerin KREIS SOEST � Auf der Suche nach einem astrologischenExperten stößt man in der Nähe von Soest als erstes auf Birgit Lummer. Die Lippstädterin arbeitet als Astrologin und Heilpraktikerin. Bettina Boronowsky sprach mit ihr über ihre Arbeit. Frau Lummer, vermutlich bedeutet der Jahreswechsel Hochkonjunktur für Zukunftsdeuter. Haben Sie jetzt besonders viel zu tun? Birgit Lummer arbeitet in LippLummer: Zurzeit noch nicht, stadt als Heilpraktikerin und Ases beginnt eigentlich erst ab trologin. � Foto: privat Mitte Januar. trologisches Gespräch ist Wie das? ähnlich wie ein psychologiLummer: Durch die Horosko- sches Gespräch. Und ich erpe, die um diese Zeit überall stelle sein Horoskop. Dazu in den Zeitschriften stehen, brauche ich das Datum, den werden die Leute aufmerk- Zeitpunkt und den Ort der sam auf die Astrologie und Geburt. Anhand dieses Hororufen mich dann an. Sie wol- skops kann ich den Stand der len wissen, was im nächsten Planeten am Geburtstag ableJahr los ist. sen und ihn deuten. Warum wenden sich Menschen an Sie? Lummer: Das ist relativ unterschiedlich. Einige wollen sich Der Blick in den nächtlichen Sternenhimmel kann aufschlussreich sein. Aus der Stellung der Planeten zum Zeitpunkt der Geburt erstellen Astrologen ein Horoskop. Die Po- Ereignisse voraussagen lassitionen der Sterne werden in einer Grafik farblich dargestellt. Daraus lesen Kundige die Anlagen und Möglichkeiten eines Menschen ab. � Fotos: dpa sen, andere erwarten Hilfe bei einer Entscheidung, etwa bei der Frage: Soll ich diesen Mann heiraten. Sie werfen Ortsgespräch die Astrologie mit KartenleSTERNDEUTEREI gerei und Hellseherei in einen Topf und wollen VerantIN SOEST wortung abgenommen bekommen. Die sind bei mir nicht richtig. Das wird aber im Vorgespräch schnell klar. Ich habe keine hellseherischen Fähigkeiten, ich sage keine Ereignisse voraus. „Die zweite Jahreshälfte wird deutlich entspannter“ Vorsitzender des Astrologenverbandes schaut in das Jahr 2016 Von Bettina Boronowsky SOEST � „Das Glück steht in den Sternen“ oder „Sternenguckerei – unterhaltsamer Unfug“. Klemens Ludwig kennt beides nur zu gut – den Glauben an die Astrologie und ihre totale Ablehnung. Als Vorsitzender des Deutschen Astrologen Verbandes Albertus Magnus auf einem (DAV) ist der gebürtige SuttroWandgemälde � Bild: Stadtarchiv per gerade jetzt viel gefragt. Die Sterndeuter stehen im Blickpunkt. Sie sollen sagen, was im neuen Jahr passiert, um nachher von den Skeptikern abgewatscht zu werden: Die PrognoSOEST � Der Scholastiker Al- sen seien nicht eingetroffen. bertus Magnus (um 1200 – 1280) soll der erste gewesen In Umfragen geben Befragte sein, der in seiner Schrift zwar mehrheitlich zu, dass „Speculum Astronomiae“ die sie die Horoskope in ZeitUnterscheidung von Astrono- schriften lesen. Aber sie auch mie und Astrologie als zwei betonen stets, dass sie nicht Zweigen einer Wissenschaft dran glauben: „Ich lese das eingeführt hat. Er betrachte- nur zur Unterhaltung“. te die Astronomie als eine Gleichzeitig wenden sich mathematische Disziplin. immer mehr Menschen auf Ihre Berechnungen würden der Suche nach Hilfe und von der Astrologie interpre- Stütze an Sterndeuter. Bei tiert und für Aussagen über Questico, dem im größten die Zukunft verwendet, sagte Online-Portal für Spiritualier. Der Gelehrte und Domini- tät, werden die „astrologikanerbruder war mehrfach schen Lebensberater“ zehnin Soest und „überwachte“ tausendfach geklickt. den Bau des Klosters Paradie„Trivial-Astrologe“ nennen se. Klemens Ludwig und seine Albertus und die Astrologie Kollegen diese Internet-Angebote und Horoskope in den Zeitungen. Sie distanzieren sich davon. Ihnen geht es nicht um Ereignisprognosen. „Wir können nicht vorher sagen, was passieren wird, sondern welche Themen anstehen“, sagt Ludwig. Vor Jahresfrist prophezeite er, dass ab Herbst 2015 mächtige Autoritäten erschüttert würden. Das sagten ihm die Sterne. Saturn und Neptun hätten in einem ähnlichen Verhältnis zueinander gestanden wie zu Beginn des Watergate-Sakandal, sagt er. Seine Prognose bestätigte sich offenbar: Abgas-Skandal und falsches „Sommermärchen“ brachten VW und den“ Kaiser“ in Wanken. „Astrologen können nicht sagen, dieses Unglück passiert im nächsten Jahr. Wir können aber vorhersagen, wann welche Aufgaben bearbeitet werden müssen“, so Ludwig. Mit diesem Argument versuchen Profi-Astrologen seit Jahren mit Skeptikern ins Gespräch zu kommen und sie von der Ernsthaftigkeit ihrer Arbeit zu überzeugen. Übrigens sieht der DAV-Vorsitzende eine ähnliche kosmische Struktur wie im Herbst für den nächsten Sommer voraus. Die Einflüsse seien aber Klemens Ludwig ist Vorsitzender nicht mehr so stark sagt er. des Astrologenverbandes und Die zweite Jahreshälfte dageAutor mehrerer Bücher. � Foto: gen werde international geseprivat hen „deutlich entspannter“. Ob sich das auf das IS-Problem, die Flüchtlingswelle oder die Ost-West-Beziehungen auswirkt – da mag sich Der Deutsche Astrologen Verband aufklären, unterstützt Kollegen bei Ludwig nicht festlegen. e. V., der 1947 gegründet wurde, ihrer Arbeit und bildet aus. Seit Aktuell stehen Uranus und ist die größte Vereinigung von As- 1981 organisisert der Verband rePluto im Quadrat zueinander, trologinnen und Astrologen im gelmäßige Astrologie-Kongresse. was besonders die zwischen deutschsprachigen Raum. Die Mit- Wer im Sinne des Verbandes prodem 5. und 10. Januar Geboglieder setzen sich nach eigenen fessionell beratend tätig werden renen zu spüren bekommen. Angaben für „eine qualitativ hoch- will, muss ein Berufsgelöbnis ableIhre Aufgabe sei es, loszulaswertige Astrologie“ ein. Der Vergen. sen von fixen Ideen. Je mehr band will die Öffentlichkeit über sie klammerten, umso mehr die Möglichkeiten der Astrologie Info: www.astrologenverband.de würden sie getroffen, so Ludwig. Welche Menschen sind bei ihnen richtig? Lummer: Ich unterstütze Menschen, die mehr über sich selber erfahren und sich mit sich selber auseinandersetzen möchten, um eventuell eine Entscheidung besser treffen zu können. Mir sind diejenigen am liebsten, die eigenverantwortlich handeln. Ich nehme meinen Klienten nicht die Verantwortung für ihre Entscheidungen ab. Ich sage also nicht, ja, heiraten Sie den oder nein, tun Sie’s nicht. Wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit vor? Lummer: Ich führe ein mindestens zweistündiges Gespräch mit dem Klienten, um ihn kennenzulernen. Ein as- Wie wenden Sie das Horoskop an? Lummer: Diese Grafik mit dem Kreis und den farbigen Linien ist so etwas wie das ,Röntgenbild der Seele’. Als Heilpraktikerin erkenne ich, ob ein Mensch unglücklich ist. Mit dem Horoskop aber kann ich besser erkennen, warum er es ist. Es ist wie beim Arzt. Der weiß, dass der Arm gebrochen ist. Mit Röntgenbild kann er genau sagen, an welcher Stelle. Und wie können Sie Ihrem Klienten dann helfen? Lummer: Ich kann ihm nicht sagen, was morgen passiert. Aber ich kann ihm einen Eindruck von seiner Zeitqualität geben, also davon, was als nächstes ansteht. Dafür möchte ich auch ein Beispiel nennen: Ein Meteorologe kann prophezeien, wo es morgen ein Gewitter gibt. Aber er weiß nicht im Voraus, wo der Blitz einschlägt. Ich kann dem Klienten als helfen, in Einklang mit seiner Zeitqualität zu sein. Ich mache auch häufig Berufsberatung und kann aufgrund des Horoskops feststellen, wo die Stärken und Fähigkeiten eines jungen Menschen liegen. Manchmal ist es ratsam, das auch den Eltern mitzuteilen, damit sie ihre Kinder nicht in eine Ecke drängen, in der sie unglücklich werden. Der Astrologenverband Ohne Aszendent oberflächlich SOEST � Zwillinge sind vielseitig, Waagen elegant und Fische sensibel – die Festlegung von Eigenschaft auf 12 Tierkreiszeichen sei zwar nicht ganz falsch. Die Sonne wandere ja tatsächlich im Laufe eines Jahres durch die Sternzeichen und präge die Eigenschaften aus, sagen Astrologen. Aber für ein ernsthaftes Horoskop greife diese oberflächliche Einordnung zu kurz, sie sei einseitig. Die Aszendenten beispielsweise würden nicht berücksichtigt. Was halten Sie von Horoskopen und Astrologie? Ronny Bosmann, 57, Ense Dominic Dahlhoff, 38, Erwitte Saskia Schumacher, 42, Ostinghausen Hans A. Meinberg, Altengeseke Shean Stull, 20, und Rhiannon Cains, 19, Gäste in Soest Andrea Peters, 30, Soest Gisela Kerschgens, Bad Sassendorf Von Horoskopen und Vorhersagen halte ich persönlich gar nichts. Die Wirkung beruht eben auf dem Glauben daran. Auch wenn es mich nicht weiter interessiert, lese ich die Texte ab und zu mal aus Neugierde. Ich glaube nicht an solche Vorhersagen, auch wenn ich ab und zu mal aus Neugierde mein eigenes Horoskop lese. Die Eigenschaften sind eben so allgemein gehalten, dass es zwangsweise irgendwann mal stimmt. Auch wenn ich sie mir manchmal anschaue, halte ich nichts von Sternzeichen und Co. Das ist Aberglaube. Für manche ist der Inhalt vielleicht eine Stütze. Aber ich beziehe mich auf meinen katholischen Glauben. Ich bin eher Realist, daher bin ich von Vorhersagen dieser Art nicht überzeugt. Dennoch schaue ich beim Stöbern auch mal in mein Horoskop. Aber natürlich lasse ich denen, die das Thema interessiert, ihre Freude daran. Wir glauben nicht an Vorhersagen. Die Zukunft in den Sternen zu finden, halten wir für unsinnig. Aber wir lesen Horoskope. Für die Leute, die daran glauben, ist es in Ordnung. Sie hoffen auf ihren Glückstag. Persönlich oder auch im Kollegen-Kreis lese ich mal das Horoskop, aber nur aus Spaß und Neugierde. Früher hatte ich mal ein Buch über mein Sternzeichen Wassermann. Heute würde ich es mir jedoch nicht wieder kaufen. Ich richte mich nicht nach Horoskopen, beschäftige mich aber mit dem Inhalt und mache mir meine Gedanken dazu. Für manche sind sie sicher Leitlinien, besonders wenn man vor schwierigen Entscheidungen stehen.