DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11 2.5.11 0. Motivation, Einführung

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DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
BERNHARD HANKE
2.5.11
0. Motivation, Einführung
Wir beziehen uns des öfteren auf die Bücher
• [Conlon] Lawrence Conlon, Differentiable Manifolds, Birkhäuser
• [Hirsch] Morris W. Hirsch, Differential topology, Springer GTM 33
Gegenstand der Differentialtopologie ist die Untersuchung und Klassifikation topologischer Räume, die sich lokal durch reelle Koordinaten beschreiben lassen. Dabei kommen insbesondere analytische Methoden zum Einsatz.
Wir nennen einen topologische Raum M lokal Euklidisch, falls jeder Punkt
p ∈ M eine offene Umgebung U ⊂ M besitzt, die homöomorph zu einer offenen Teilmenge eines Euklidischen Raumes Rn (mit der Standardtopologie)
ist.
Wir machen einige Bemerkungen. Ist M lokal Euklidisch, so ist nach Definition M lokal wegweise zusammenhängend. Insbesondere stimmen die Zusammenhangskomponenten mit den Wegzusammenhangskomponenten von
M überein (mit anderen Worten: Jede Komponente von M ist auch wegweise
zusammenhängend).
Wie man in der algebraischen Topologie lernt ( Invarianz der Dimensi”
on“), kann eine offene Teilmenge im Rn nur dann homöomorph zu einer
offenen Teilmenge im Rm sein, falls m = n. Also ist die in obiger Definition
auftretende Zahl n durch p ∈ M eindeutig bestimmt. Da n offensichtlich
stetig von p abhängt, ist damit n auf den Zusammenhangskomponenten von
M konstant. Diese für zusammenhängende lokal Euklidische Räume eindeutig bestimmte Zahl n heißt Dimension von M . Wir notieren in diesem Fall
M n.
Gemäß der obigen Definition ist die Gerade mit zwei Ursprüngen
˙ × R) /(x, 0) ∼ (0, x) falls x 6= 0
(R × 0)∪(0
ein lokal Euklidischer Raum der Dimension 1. Dies macht es sehr schwer,
vernünftige Klassifikationsresultate zu erhalten. Wir beschränken uns daher im folgenden auf die Untersuchung von lokal Euklidischen Räumen, die
die Hausdorffeigenschaft besitzen (diese ist bei der Geraden mit zwei Ursprüngen verletzt).
Für viele Untersuchungen ist es hilfreich zu wissen, dass die untersuchten
Räume nicht zu groß“ werden. Präzise fordern wir, dass sie eine abzählbare
”
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Basis der Topologie besitzen. Ein Beispiel eines lokal Euklidischen Hausdorffraumes, der diese Eigenschaft nicht hat, ist die lange Gerade, siehe
[Hirsch], Exercise 1.1.9.
Definition 0.1. Ein topologischer Raum M heißt topologische Mannigfaltigkeit der Dimension n, falls M Hausdorffsch ist, das zweite
Abzählbarkeitsaxiom erfüllt und jeder Punkt p ∈ M eine offene Umgebung
besitzt, die homöomorph zu einer offenen Teilmenge des Rn ist.
Beispiele für topologische Mannigfaltigkeiten sind die Euklidischen
Räume Rn , Sphären, reell- und komplex-projektive Räume und unzählige
weitere.
Unser (fernes) Ziel ist es, topologische Mannigfaltigkeiten bis auf
Homöomorphie zu klassifizieren. In kleinen Dimensionen ist dies in der Tat
möglich. Wir geben einige beispielhafte Resultate (hier ohne Beweis):
• Jede eindimensionale zusammenhängende Mannigfaltigkeit ist
homöomorph zu R oder zu S 1 .
• Jede kompakte zusammenhängende zweidimensionale Mannigfaltigkeit ist homöomorph zu einer geschlossenen (orientierbaren oder
nicht orientierbaren) Fläche vom Geschlecht g ≥ 0.
• Ab Dimension 3 wird das Bild sehr viel komplizierter. Die berühmte
Poincaré-Vermutung, die im Jahre 2002 von Perelman bewiesen wurde, besagt, dass jede einfach zusammenhängende kompakte dreidimensionale Mannigfaltigkeit homöomorph zur dreidimensionalen
Sphäre S 3 ist.
Zur Klassifikation von Mannigfaltigkeit brauchen wir Invarianten, die
nicht homöomorphe Mannigfaltigkeiten unterscheiden. Die einzige lokale
(d.h. von der lokalen Struktur abhängige) Invariante ist die Dimension. Alle
anderen Invarianten sind globaler Natur wie Homologie- und Homotopiegruppen, charakteristische Klassen etc.
Die Idee der Differentialtopologie ist, die Untersuchung von Mannigfaltigkeiten mit Methoden aus der Analysis zu betreiben. Dazu betrachten wir
Mannigfaltigkeiten, die mit einer Zusatzstruktur, sogenannten differenzierbaren Atlanten versehen sind (siehe den nächsten Abschnitt).
Wichtige Konzepte der Differentialtopologie, die uns dieses Semester
beschäftigen, sind
• Das Tangentialbündel einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit. Die
Bedeutung dieses Konstruktes ist kaum zu überschätzen. Denn es
gestattet uns, in systematischer Weise das infinitesimale Verhalten
differenzierbarer Abbildungen mit Methoden der linearen Algebra
zu studieren.
• Die Idee der Transversalität und der allgemeinen Lage.
• Bündeltheorie und das Konzept der tubularen Umgebung.
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4.5.11
1. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Wir behandeln gleich sogenannte Mannigfaltigkeiten mit Rand, die über
Halbräumen des Rn modelliert sind.
Es sei
Hn := {(x1 , . . . , xn ) ∈ Rn | x1 ≤ 0}
der linken Halbraum im Rn und
∂Hn = {(x1 , . . . , xn ) ∈ Rn | x1 = 0}
dessen Rand.
Es seien offene Teilmengen U ⊂ Hn und V ⊂ Hm gegeben. Eine Funktion
f : U → V heißt k mal stetig differenzierbar oder von der Klasse C k (wobei
k ∈ N ∪ {∞}) falls es offene Teilmengen Ũ ⊂ Rn und Ṽ ⊂ Rm sowie eine k
mal stetig differerenzierbare Abbildung f˜ : Ũ → Ṽ gibt mit
•
•
•
Ũ ∩ Hn = U .
Ṽ ∩ Hm = V .
f˜|U = f .
(Das heißt, die gegebene Abbildung lässt sich zu einer k mal stetig differenzierbaren Abbildung im gewöhnlichen Sinne auf einer offenen Menge
fortsetzen). Für k = 0 ist diese Definition mit der üblichen Definition stetiger Abbildungen U → V kompatibel (nach dem Satz von Urysohn über die
Fortsetzbarkeit stetiger Abbildungen).
Wie üblich ist ein Diffeomorphismus der Klasse C k eine umkehrbare Abbildung der Klasse C k , deren Umkehrung wieder von der Klasse C k ist. In
diesem Fall gilt n = m (für k = 0 benutzt man wieder die (topologische)
Invarianz der Dimension, für k ≥ 1 den Satz von der Umkehrfunktion aus
der Analysis).
Ist f : U → V von der Klasse C k , und p ∈ U , so ist die Jacobimatrix
Df (p) ∈ Rm×n
definiert. Dies ist klar, falls p im Inneren von Hn liegt. Falls p ∈ ∂Hn ,
so existiert nach obiger Definition eine Fortsetzung von f auf eine glatte
Abbildung
f˜ : Ũ → Ṽ .
Die Einträge der Jacobimatrix Df˜(p) sind partielle Ableitungen der Komponenten von f˜ und diese Ableitungen sind bereits dadurch festgelegt, dass
man f˜ auf U = Ũ ∩ Hn kennt. Wir können also
Df (p) := Df˜(p)
setzen und diese Definition hängt nicht von der Auswahl von f˜ ab.
Die Einträge der Jacobimatrix sind selbst Funktionen der Klasse C k−1 .
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BERNHARD HANKE
Eine Folgerung ist, dass für einen Diffeomorphismus f : U → V der
Klasse C k , k ≥ 1, zwischen offenen Teilmengen U, V ⊂ Hn und alle p ∈ U
die Jacobimatrix Df (p) invertierbar ist.
Im folgenden identifizieren wir ∂Hn mit Rn−1 vermöge der Abbildung
Rn−1 → ∂Hn , (t1 , . . . , tn−1 ) 7→ (0, t1 , . . . , tn−1 ) .
Lemma 1.1. Sind U, V ⊂ Hn offen und ist f : U → V ein Diffeomorphismus der Klasse C k mit k ≥ 0, so sind U ∩∂Hn ⊂ Rn−1 und V ∩∂Hn ⊂ Rn−1
offene Teilmengen, es gilt f (U ∩ ∂Hn ) = V ∩ ∂Hn (d.h. Randpunkte werden
auf Randpunkte abgebildet) und
f |U ∩∂Hn : U ∩ ∂Hn → V ∩ ∂Hn
ist ein Diffeomorphismus der Klasse C k .
Beweis. Die erste Aussage folgt aus der Definition der Relativtopologie.
Für die zweite Aussage betrachten wir die äquivalente Aussage
f (U ∩ (Hn \ ∂Hn )) = V ∩ (Hn \ ∂Hn ) .
Für k ≥ 1 folgt diese direkt aus dem Umkehrsatz der Analysis. Für k = 0
benutzt man den Satz von der Invarianz des Gebietes aus der algebraischen
Topologie: Ist A ⊂ Rn eine Teilmenge, die homöomorph zu einer offenen
Teilmenge des Rn ist, so ist A selbst eine offene Teilmenge des Rn .
Die letzte Aussage ist klar.
Definition 1.2. Es sei M ein topologischer Raum und n ∈ N.
Ist U ⊂ M eine offene Menge und φ : U → φ(U ) ⊂ Hn ein Homöomorphismus von U auf eine offene Teilmenge von Hn , dann nennt man das Paar
(U, φ) eine n-dimensionale berandete Karte oder auch lokales Koordinatensystem auf M .
Eine Familie ((Ui , φi ))i∈I (mit irgendeiner Indexmenge I) von ndimensionalen berandeten Karten auf M heißt n-dimensionaler berandeter
Atlas der Klasse C k (wobei k ≥ 0) auf M , falls:
S
• M = i∈I Ui .
• Sind i, j ∈ I, so ist die Übergangsabbildung
φj ◦φ−1
φji : Hn ⊃ φi (Ui ∩ Uj ) −→i φj (Ui ∩ Uj ) ⊂ Hn
ein Diffeomorphismus der Klasse C k .
Falls U = (Ui , φi ) ein n-dimensionaler berandeter Atlas der Klasse C k auf M
ist und M Hausdorff ist und das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt, so nennt
man das Paar (M, U) eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit
mit Rand der Klasse C k , oder kurz C k -Mannigfaltigkeit.
Es sei M n eine Mannigfaltigkeit mit Rand. Wir nennen p ∈ M einen
Randpunkt von M , falls es eine Karte (U, φ) um p gibt mit
φ(p) ∈ ∂Hn .
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
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(Nach Lemma 4.4 ist diese Eigenschaft unabhängig von der Wahl der Karte.)
Die Menge der Randpunkte von M bezeichnen wir mit ∂M .
Die einzelnen Karten eines Atlas beschreiben eine glatte Mannigfaltigkeit
in der Regel nur lokal. Die globale Struktur einer Mannigfaltigkeit wird hingegen durch die Gesamtheit der Karten und Übergangsfunktionen kodiert.
Wollen wir globale Objekte (wie glatte Abbildungen, Vektorfelder oder Differentialformen) auf Mannigfaltigkeiten definieren, so geschieht dies zunächst
lokal über Karten. Es sind dann aber zusätzlich Kompatibilitätsbedingungen erforderlich, die beschreiben, wie sich die lokal definierten Objekte bei
Koordinatenwechsel verhalten.
Man beachte, dass bei einer Mannigfaltigkeit der Klasse C k mit k ≥ 1 der
Atlas zur Struktur dazugehört und eigentlich immer (explizit oder implizit)
angegeben werden muss. Der Kürze wegen unterdrücken wir aber oft den
Atlas in unserer Notation.
Differenzierbare Mannigfaltigkeiten der Klasse C k mit k ≥ 1 heißen auch
glatt.
Es kann durchaus vorkommen, das ∂M = ∅. In diesem Fall sprechen wir
von einer Mannigfaltigkeit ohne Rand. Auf Mannigfaltigkeit ohne Rand gibt
es also einen Atlas, so dass die Bilder aller Kartenabbildungen offen in Rn
sind. Eine kompakte Mannigfaltigkeit ohne Rand nennen wir geschlossen.
Proposition 1.3. Es sei M m eine C k -Mannigfaltigkeit mit Rand. Dann
trägt ∂M in kanonischer Weise die Struktur einer (m − 1)-dimensionalen
C k -Mannigfaltigkeit ohne Rand.
Dies wird in den Übungen gezeigt.
Man sieht sofort, dass (im Falle k ≥ 1) jede n-dimensionale C k Mannigfaltigkeit in kanonischer Weise auch eine n-dimensionale C k−1 Mannigfaltigkeit ist. Wir werden in später sehen, dass für k ≥ 2 hier auch
eine Umkehrung gilt, vgl. Theorem 3.12.
Die glatten Mannigfaltigkeiten unterscheiden sich von den topologischen
dadurch, dass wir eine gewisse Menge von Karten (deren Definitionsbereiche
den gegebenen Raum überdecken) als Teil der Struktur auszeichnen und
zusätzlich annehmen, dass die Übergangsabbildungen zwischen zwei Karten
jeweils glatt sind.
Ist U = (Ui , φi )i∈I ein n-dimensionaler (berandeter) C k -Atlas auf M und
und (U, φ) eine weitere lokale Karte auf M (deren Dimension dann wegen der
topologischen Invarianz der Dimension ebenfalls gleich n ist), so heißt diese
Karte mit dem Atlas U kompatibel, falls die Vereinigung U ∪ {(U, φ)} wieder
ein C k -Atlas auf M ist. Entsprechend nennen wir einen weiteren C k -Atlas
V mit U kompatibel, falls alle Karten in V mit U kompatibel sind.
Dies definiert eine Äquivalenzrelation auf der Klasse aller C k -Atlanten
auf M (die Transitivität ist nicht völlig offensichtlich, aber auch nicht wirklich schwer). Eine Äquivalenzklasse kompatibler Atlanten nennt man auch
differenzierbare (bzw. glatte) Struktur der Klasse C k auf M . Indem wir zu einem gegebenen Atlas sämtliche dazu kompatible Karten hinzunehmen, sehen
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BERNHARD HANKE
wir, dass jeder C k -Atlas auf M in einem eindeutig bestimmten maximalen
C k -Atlas enthalten ist. Für kompatible Atlanten stimmen diese maximalen
Atlanten überein.
Wir arbeiten im folgenden in der Regel mit maximalen Atlanten. Wir
können insbesondere annehmen, dass mit jeder Karten (U, φ) eines C k -Atlas
und für jede offene Menge V ⊂ U auch die Einschränkung (V, φ|V ) im Atlas
enthalten ist. Insbesondere gibt es für jeden Punkt p ∈ M und jede offene Umgebung von p in M ein Kartengebiet um p, dass in dieser offenen
Umgebung enthalten ist
10.5.11
Beispiel. Es sei U ⊂ Rn offen. Dann ist (U, idU ) ein glatter C ∞ -Atlas auf
U . Wir nennen dies die kanonische glatte Struktur auf U .
Wir können wie folgt auf der Kreislinie S 1 ⊂ R2 die Struktur einer glatten
eindimensionalen C ∞ -Mannigfaltigkeit definieren: Es sei U1 := S 1 \ {(1, 0)},
U2 := S 1 \ {(−1, 0)} und φ1 : U1 → (0, 2) ⊂ R1 definiert durch die Gleichung
eiφ1 (x)π = x
und φ2 : U2 → (1, 3) definiert durch
eiφ2 (x)π = x .
Die Übergangsfunktion
φ21 : φ1 (U1 ∩ U2 ) = (0, 2) \ {1} → φ2 (U1 ∩ U2 ) = (1, 3) \ {2}
ist gegeben durch
t 7→
t , falls t ∈ (1, 2)
t + 2 , falls t ∈ (0, 1)
und damit ein C ∞ -Diffeomorphismus. Da φ12 = φ−1
21 , ist φ21 auch ein Diffeomorphismus.
Allgemeiner konstruieren wir einen glatten C ∞ -Atlas auf der Sphäre S n ⊂
wie folgt. Wir definieren offene Teilmengen auf S n durch
Rn+1
U1 := {(x1 , . . . , xn+1 ) ∈ S n | xn+1 =
6 −1} ⊂ S n
U2 := {(x1 , . . . , xn+1 ) ∈ S n | xn+1 =
6 +1} ⊂ S n
und lokale Koordinatensysteme durch stereographische Projektion:
φ 1 : U1 → R n ,
φ2 : U2 → Rn ,
(x1 , . . . , xn )
1 + xn+1
(x1 , . . . , xn )
(x1 , . . . , xn+1 ) 7→
.
1 − xn+1
(x1 , . . . , xn+1 ) 7→
Es gilt φ1 (U1 ∩ U2 ) = φ2 (U1 ∩ U2 ) = Rn \ {0} und die Übergangsfunktion
φ21 = φ2 ◦ φ−1
1 : φ1 (U1 ∩ U2 ) → φ2 (U1 ∩ U2 )
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ist gegeben durch
(x1 , . . . , xn ) 7→
(x1 , . . . , xn )
,
x21 + . . . + x2n
also glatt von der Klasse C ∞ . Die Übergangsfunktion φ1 ◦φ−1
2 hat die gleiche
Form.
Definition 1.4. Es sei N n eine glatte Mannigfaltigkeit ohne Rand der
Klasse C k , wobei k ≥ 0. Eine Teilmenge A ⊂ N heißt glatte C k Untermannigfaltigkeit der Dimension m, falls für jeden Punkt p ∈ A eine
Karte φ : U → φ(W ) ⊂ Rn von N um p existiert, so dass
φ(U ∩ A) = φ(U ) ∩ Hm .
Hier fassen wir Hm ⊂ Rm = Rm × 0 ⊂ Rn auf.
Man sieht sofort, dass ∂A = ∅ dann und nur dann gilt, wenn wir in dieser
Definition immer die Gleichung
φ(U ∩ A) = φ(U ) ∩ Rm
fordern können.
Proposition 1.5. Sei N n eine glatte Mannigfaltigkeit ohne Rand der Klasse
C k , wobei k ≥ 1, und A ⊂ N eine Teilmenge. Dann sind die folgenden
Aussagen äquivalent:
(a) A ist eine m-dimensionale glatte C k -Untermannigfaltigkeit ohne
Rand.
(b) Es sei p ∈ A beliebig. Dann gibt es eine offene Umgebung U ⊂ N von
p sowie eine C k -Abbildung f : U → Rn−m , so dass rk Dp f = n − m
und A ∩ U = f −1 (0).
Der Beweis dieser und vieler ähnlicher Aussagen macht Gebrauch vom
Satz vom konstanten Rang (vgl. [Conlon], S. 38 ff.). Dieser Satz ist eine
direkte Folgerung vom Satz über die Umkehrfunktion (und damit aus dem
Satz über implizite Funktionen) aus der Analysis II.
Satz 1.6 (Satz vom konstanten Rang). Es seien U ⊂ Rn und V ⊂ Rm offene
Teilmengen und f : U → V eine C k -Abbildung (k ≥ 1), deren Jacobimatrix
konstanten Rang r hat (somit gilt automatisch r ≤ m). Dann ist - eventuell
nach Verkleinern von U und V und Vor- und Nachschalten geeigneter C k Diffeomorphismen (zwischen offenen Teilmengen von Rn , bzw. von Rm ) die Abbildung f von der Gestalt
(x1 , . . . , xn ) 7→ (x1 , . . . , xr , 0, . . . , 0) .
Wir kommen nun zum Beweis von Proposition 1.5.
Beweis. Für (a) → (b) definieren wir (nach Wahl einer Untermannigfaltigkeitskarte φ : U → Rn um p) die Abbildung f : U → Rn−m durch
f := prRn−m ◦φ, wobei prRn−m : Rn = Rm × Rn−m → Rn−m die Projektion
auf die letzten n − m Koordinaten ist.
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BERNHARD HANKE
Wir kommen nun zur Implikation (b) → (a). Da rk Dp f = n−m maximalen Rang hat, gilt dies auch in einer Umgebung von p. Nach dem Satz vom
konstanten Rang gilt somit nach Wahl geeigneter Karten φ : U → φ(U ) ⊂
Rn um p und ψ : V → ψ(V ) ⊂ Rn−m um f (p) ∈ Rn−m die Formel
ψ ◦ f ◦ φ−1 (x1 , . . . , xn ) = (x1 , . . . , xn−m ) .
Eventuell nach weiteren (diesmal affinen) Koordinatentransformationen
können wir zusätzlich annehmen, dass diese Abbildung φ(p) auf 0 abbildet
(insbesondere gilt dann ψ(0) = 0). Dann gilt
A ∩ U = f −1 (0) ∩ U = φ−1 (0 × Rm ) ∩ φ(U )
und φ ist eine Untermannigfaltigkeitskarte für A um p.
Proposition 1.7. Es sei N eine C k -Mannigfaltigkeit ohne Rand und A ⊂ N
eine glatte Untermannigfaltigkeit der Dimension m. Dann trägt A in kanonischer Weise die Struktur einer glatten, m-dimensionalen Mannigfaltigkeit
der Klasse C k (eventuell mit Rand).
Beweis. Wir versehen A ⊂ M mit der Unterraumtopologie. Diese ist Hausdorff und erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom (da dies für die Topologie
auf N gilt).
Wir müssen einen glatten Atlas auf A definieren. Wir betrachten dazu
alle Tripel (U, V, φ) bestehend aus offenen Teilmengen U ⊂ N, V ⊂ Rn und
lokalen Karten φ : U → V mit den folgenden Eigenschaften:
• U ∩ A 6= ∅.
• φ(U ∩ A) = V ∩ Hm .
(Wir nennen solche Tripel (U, V, φ) lokale Flachmacher von A.) Die Gesamtheit aller dieser Flachmachertripel (U, V, φ) fassen wir zu einer Familie
(Ui , Vi , φi )i∈I (mit einer geeigneten Indexmenge I) zusammen. Wir behaupten nun, dass
(Ui ∩ A, φi |Ui ∩A : Ui ∩ A → Vi ∩ Hm )i∈I
einen glatten berandeten C k -Atlas auf A definiert: Für alle i ∈ I ist Ui ∩A ⊂
A eine offene Teilmenge (nach Definition der Teilraumtopologie auf A) und
die Funktion
φi |(Ui ∩A) : Ui ∩ A → φi (U ) ∩ Hm
ein Homöomorphismus. Die Bedingung
[
A=
Ui ∩ A
i∈I
folgt aus der Definition von Untermannigfaltigkeiten (siehe Definition 1.4).
Jede Übergangsfunktion
φj ◦φ−1
φji : φi ((Ui ∩ Uj ) ∩ A) −→i φj ((Ui ∩ Uj ) ∩ A)
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ist die Einschränkung des Diffeomorphismus
φj ◦ (φi )−1 : φi (Ui ∩ Uj ) → φj (Ui ∩ Uj )
auf eine Abbildung φi (Ui ∩ Uj ) ∩ Hm → φj (Ui ∩ Uj ) ∩ Hm und damit selbst
ein Diffeomorphismus.
Wir definieren glatte Funktionen auf Mannigfaltigkeiten.
Definition 1.8. Es seien k ≥ 1 und M m und N n Mannigfaltigkeiten (eventuell mit Rand) der Klasse C k . Eine stetige Abbildung f : M → N heißt
glatt von der Klasse C k , falls folgendes gilt: Es sei x ∈ M ein beliebiger
Punkt, (U, φ) eine Karte von M um x und (V, ψ) eine Karte um f (x) von
N mit f (U ) ⊂ V (diese Karte um p existiert, da wir Kartengebiete beliebig
einschränken können). Dann ist die Abbildung
Hm ⊃ φ(U )
ψ◦f |U ◦φ−1
−→
ψ(V ) ⊂ Hn
differenzierbar von der Klasse C k . (Diese Bedingung hängt nicht von der
speziellen Wahl der Karten (U, φ) und (V, ψ) ab, da die Übergangsabbildungen in den Atlanten alle glatt sind).
Die Abbildung f heißt ein Diffeomorphismus, falls f glatt, umkehrbar und
die Umkehrung von f wieder glatt ist.
Nach dieser Definition sind alle Kartenabbildungen φ : U → φ(U ) ⊂ Rn
einer n-dimensionalen glatten Mannigfaltigkeit M glatt (wobei wir natürlich
auf Rn die kanonische glatte Struktur, bestehend aus einer Karte, verwenden). Hier benutzen wir die Tatsache, dass jede offene Teilmenge einer
glatten Mannigfaltigkeit (hier U ⊂ M ) in kanonischer Weise wieder eine glatte Mannigfaltigkeit ist: Ist (Ui , φi ) ein glatter Atlas auf M , so ist
(Ui ∩ U, φi |Ui ∩U ) ein glatter Atlas auf U .
Da die Komposition zweier glatter Abbildungen und die Identitätsabbildung glatt sind, bilden die glatten Mannigfaltigkeiten zusammen
mit den glatten Abbildungen eine Kategorie.
Beispiel. Es sei M m ⊂ N n eine glatte Untermannigfaltigkeit. Dann ist
mit dem im Beweis von Proposition 1.7 definierten glatten Atlas auf M die
Inklusionsabbildung
M →N
glatt.
Proposition 1.9. Es seien M m und N n diffeomorphe Mannigfaltigkeiten
der Klasse C k (d.h. es existiert ein C k -Diffeomorphismus f : M → N ).
Dann ist m = n.
Beweis. Es seien (U, φ) und (V, ψ) Karten von M und N mit f (U ) = V .
Dann erhalten wir einen Diffeomorphismus
Rm ⊃ φ(U )
ψ◦f |U ◦φ−1
−→
ψ(V ) ⊂ Rn .
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BERNHARD HANKE
Nach Voraussetzung ist (für k ≥ 1) die Jacobimatrix dieser Abbildung an
jedem Punkt invertierbar. Daher gilt m = n. Falls k = 0, verwendet man
den Satz von der topologischen Invarianz der Dimension (den wir in dieser
Vorlesung nicht beweisen).
Definition 1.10. Es seien M m und N n glatte C k -Mannigfaltigkeiten (eventuell mit Rand) der Dimension m und n, wobei k ≥ 1. Es sei f : M → N
eine glatte C k -Abbildung. Wir nennen einen Punkt q ∈ N einen regulären
Wert von f falls folgendes gilt: Ist p ∈ f −1 (q), so existieren Karten (U, φ)
von M um p und (V, ψ) um q = f (p) von N , so dass die die Jacobi-Matrix
im Punkt φ(p) der induzierten Abbildung
φ(U )
ψ◦f ◦φ−1
−→
ψ(V )
den maximalen Rang n hat. (Man sieht sofort, dass diese Bedingung unabhängig von der Wahl der Karten ist.)
Ist q ∈ N kein regulärer Wert, so nennen wir q einen singulären Wert.
Man beachte, dass nach dieser Definition alle Punkte in N , die nicht im
Bild von f liegen, regulär sind. Weiterhin sind alle Punkte in im f singulär,
falls m < n gilt.
In Kombination mit Proposition 1.5 erhalten wir folgendes Konstruktionsprinzip für Untermannigfaltigkeiten.
Proposition 1.11. Es sei in der Situation der voherigen Definition ∂M =
∅. Dann ist f −1 (q) ⊂ M eine C k -Untermannigfaltigkeit ohne Rand der Dimension m − n.
Wir müssen nun noch Untermannigfaltigkeiten von Mannigfaltigkeiten
mit Rand definieren. Dazu bedarf es einer gewissen Sorgfalt.
Definition 1.12. Es sei N n eine C k -Mannigfaltigkeit (eventuell mit Rand),
wobei k ≥ 0. Wir nennen A ⊂ N eine saubere Untermannigfaltigkeit der
Dimension m, falls folgendes gilt: Es sei p ∈ A. Dann existiert eine Karte
φ : U → φ(U ) ⊂ Hn von N um p so dass
φ(U ∩ A) = φ(U ) ∩ Hm .
Man sieht ganz ähnlich wie in Proposition 1.7, dass in diesem Falle A in
kanonischer Weise selbst eine Mannigfaltigkeit mit Rand der Klasse C k ist.
Es gilt weiterhin ∂A ⊂ ∂N , d.h. saubere Untermannigfaltigkeiten von Mannigfaltigkeiten ohne Rand haben selbst keinen Rand, wohingegen Untermannigfaltigkeiten (von Mannigfaltigkeiten ohne Rand) im Sinne von Definition
1.4 durchaus einen nichtleeren Rand haben können.
Die Entsprechung von Proposition 1.5 lautet wie folgt:
Proposition 1.13. Sei N n eine glatte Mannigfaltigkeit (eventuell mit
Rand) der Klasse C k , wobei k ≥ 1, und A ⊂ N eine Teilmenge. Dann
sind die folgenden Aussagen äquivalent:
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(a) A ist eine m-dimensionale saubere Untermannigfaltigkeit.
(b) Es sei p ∈ A beliebig.
• Falls p ∈
/ ∂N , dann gibt es eine offene Umgebung U ⊂ N von p
sowie eine C k -Abbildung f : U → Rn−m , so dass rk Dp f = n−m
und A ∩ U = f −1 (0).
• Falls p ∈ ∂N , dann gibt es eine offene Umgebung U ⊂ N und
eine C k -Abbildung f : U → Rn−m , so dass rk Dp (f |U ∩∂N ) =
n − m und A ∩ U = f −1 (0).
Der Beweis benutzt wieder den Satz vom konstanten Rang und erfolgt in
den Übungen.
11.5.11
Wir kommen nun zur Definition des Tangentialbündels einer glatten Mannigfaltigkeit. Es sei M n eine glatte C k -Mannigfaltigkeit, k ≥ 1, und p ∈ M .
Es sei S(p) die Menge der glatten C 1 -Abbildungen γ : (−, 0] → M oder
γ : [0, ) → M mit γ(0) = p. Dabei ist > 0 beliebig. (Mit dieser Definition erhält man auch für p ∈ ∂M eine sinnvolle Definition). Wir nennen
γ, η ∈ S(p) infinitesimal gleich um p, falls folgendes gilt: Es sei (U, φ) eine
(berandete) Karte um p. Dann gilt
d
d
|t=0 (φ ◦ γ) = |t=0 (φ ◦ η)
dt
dt
Dies ist unabhängig von der Wahl der Karte (U, φ) und definiert eine Äquivalenzrelation ∼ auf S(p). Wir setzen
Tp M := S(p)/ ∼ .
Dies ist der Tangentialraum von M im Punkt p. Ein Element in diesem
Raum ist also eine Äquivalenzklasse von glatten Kurven, die in p starten
oder enden, wobei zwei solche Kurven äquivalent sind, wenn (in irgendeiner
Karte) die Ableitungen im Punkt t = 0 übereinstimmen.
Wir definieren auf Tp M die Struktur eines n-dimensionalen reellen Vektorraumes wie folgt: Es sei (U, φ) eine (berandete) Karte um p. Dann definiert
d
|t=0 (φ ◦ γ) ∈ Rn
dt
eine Bijektion von Mengen β(U,φ;p) : Tp M ∼
= Rn (für die Surjektivität transn
portiere man affine Kurven in R mit vorgegebener Geschwindigkeit zur Zeit
0 mittel φ−1 auf M ). Wir erklären eine Vektorraumstruktur auf Tp M dadurch, dass wir fordern, dass β(U,φ;p) ein Vektorraumisomorphismus ist. Die
so erhaltene Vektorraumstruktur auf Tp M hängt nicht von der Wahl von
(U, φ) ab, denn ist (U 0 , φ0 ) eine weitere Karte um p, so gilt
[γ] 7→
β(U 0 ,φ0 ;p) = Dφ(p) (φ0 ◦ φ−1 ) ◦ β(U,φ;p) .
d.h. die Bijektionen β(U,φ;p) und β(U 0 ,φ0 ;p) sind durch eine lineare Bijektion
Rn → Rn (nämlich die Jakobimatrix der Koordinatentransformation) miteinander verbunden.
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BERNHARD HANKE
Sind M m und N n glatte C k -Mannigfaltigkeiten, k ≥ 1, und ist f : M → N
eine glatte Abbildung, so erhalten wir eine lineare Abbildung
Tp f : Tp M → Tf (p) M , Tp f ([γ]) := [f ◦ γ] .
Man prüft leicht, dass diese Abbildung wirklich linear ist: Sind (U, φ) und
(V, ψ) Karten um p, bzw. um f (p), so ist Tp f vermöge der oben definierten
Identifizierungen β(U,φ;p) und β(V,ψ;f (p)) durch die lineare Abbildung
Dφ(p) (ψ ◦ f ◦ φ−1 ) : Rm → Rn
gegeben. Insbesondere gilt folgendes: Fassen wir offene Mengen U ⊂ Rm
und V ⊂ Rn als glatte Mannigfaltigkeiten auf und ist f : U → V eine glatte
Funktion, so gilt für p ∈ U die Gleichung
Tp f = Dp f ,
d.h. die lineare Abbildung Tp f : Tp Rm → Tf (p) Rn ist einfach durch die
Jacobimatrix Dp f : Rm → Rn gegeben (hier benutzen wir die kanonischen
Identifikationen β(U,idU ;p) : Tp U ∼
= Rm und β(V,idV ;f (p)) : Tf (p) V ∼
= Rn ).
Es sei M m eine glatte C k Mannigfaltigkei, k ≥ 1. Wir setzen (als Menge)
[
˙
T M :=
Tp M ,
p∈M
die disjunkte Vereinigung der Tangentialräume Tp M . Wir machen T M auf
folgende Art und Weise zu einer glatten (2m)-dimensionalen Mannigfaltigkeit: Es sei (Ui , φi )i∈I ein glatter (berandeter) C k -Atlas von M . Die
TopologieS auf T M definieren wir als die gröbste Topologie, so dass alle
T Ui := p∈Ui Tp M ⊂ T M offene Teilmengen sind und so dass die Abbildungen
Ψi : T Ui → φi (Ui ) × Rm , Tp M 3 v 7→ (φi (p), β(Ui ,φi ;p) (v))
Homöomorphismen sind (vgl. Aufgabe 3 auf Übungsblatt 1). Man überzeugt
sich, dass diese Topologie wieder Hausdorffsch ist und (ebenso wie die Topologie auf M ) das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt. Außerdem definiert
die Familie (T Ui , Ψi ) eine C k−1 -Struktur auf T M : Sind i, j ∈ I, so ist die
Übergangsabbildung
Ψi (T Ui ∩ T Uj ) → Ψj (T Ui ∩ T Uj )
gegeben durch
−1
φi (Ui ∩Uj )×Rm → φj (Ui ∩Uj )×Rm , (x, v) 7→ (φj ◦φ−1
i (x), Dx (φj ◦φi )(v))
und somit eine glatte Abbildung der Klasse C k−1 .
Die so erhaltene glatte Struktur auf T M hängt nicht von der Wahl des
Atlas für die glatte Struktur auf M ab: Starten wir mit zwei kompatiblen
C k -Atlanten auf M , dann sind die oben konstruierten C k−1 -Atlanten auf
T M ebenfalls kompatibel.
Es folgt direkt, dass die kanonische Abbildung
π : T M → M , v 7→ p falls v ∈ Tp M
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
13
glatt ist. Anschaulich ordnet diese jedem Tangentialvektor den Fußpunkt zu
(also denjenigen Punkt in M , so dass v tangential an p“ ist).
”
Weiterhin ist für alle p ∈ M
π −1 (p) = Tp M
und diese Menge ist mit einer R-Vektorraumstruktur versehen. Wir können
daher T M auch als Vereinigung von Vektorräumen auffassen, die über die
Punkte p ∈ M parametrisiert sind. Daher nennt man auch T M das Tangentialbündel von M und Tp M = π −1 (p) die Faser von π über p ∈ M .
Proposition 1.14. Es sei f : M → N glatt von der Klasse C k . Dann ist
die induzierte Abbildung
T f : T M → T N , T f |Tp M := Tp f : Tp M → Tf (p) N
von der Klasse C k−1 . Ist f ein Diffeomorphismus, so auch T f .
Wir erinnern daran, dass für alle p ∈ M die Einschränkung T f |Tp M =
Tp f : Tp M → Tp N linear ist. Insofern kodiert T f nicht nur die Funktion f
selbst, sondern für jedes p ∈ M auch ihre lineare Approximation Tp f .
Definition 1.15. Es seien M m und N n glatte C k -Mannigfaltigkeiten
(möglicherweise mit Rand), k ≥ 1, und f : M → N glatt von der Klasse C k .
• Wir nennen f eine Immersion, falls Tp f : Tp M → Tf (p) N für alle
p ∈ M injektiv ist.
• Wir nennen f eine Einbettung, falls f eine injektive Immersion ist
und f einen Homöomorphismus M → f (M ) ⊂ N induziert (wobei
f (M ) ⊂ N die Unterraumtopologie trägt).
Ist I ⊂ R ein offenes Intervall, so ist eine Immersion R → Rn nichts
anderes als eine reguläre Kurve (möglicherweise mit Selbstschnitten).
Wir bemerken folgendes: Ist M kompakt und f : M → N eine injektive
Immersion, so ist f automatisch eine Einbettung. Dies liegt an folgender Tatsache aus der Punktmengentopologie: Sind X und Y topologische Räume,
wobei X kompakt und Y Hausdorffsch sind, so ist jede injektive stetige
Abbildung f : X → Y ein Homöomorphismus.
Insbesondere definiert jede einfach geschlossene Kurve [0, 1] → Rn eine
Einbettung S 1 → Rn .
Proposition 1.16. Es seien M m und N n glatte C k -Mannigfaltigkeiten,
k ≥ 1.Weiterhin sei ∂N = ∅ (aber möglicherweise ∂M 6= ∅). Es sei
f : M m → N n eine C k -Einbettung. Dann ist f (M ) ⊂ N n eine C k Untermannigfaltigkeit im Sinne von Definition 1.4 und f induziert einen
C k -Diffeomorphismus M → f (M ).
Beweis. Es sei p ∈ M m und (U, φ) und (V, ψ) lokale Karten um p und f (p)
(die Karte (U, φ) ist möglicherweise berandet). Wegen
rk Dφ(p) (ψ ◦ f ◦ φ−1 ) = m
14
BERNHARD HANKE
können wir nach dem Satz vom konstanten Rang (möglicherweise nach
Abändern der Diffeomorphismen ψ und φ) annehmen, dass
ψ ◦ f ◦ φ−1 (x1 , . . . , xm ) = (x1 , . . . , xm , 0, . . . , 0) ∈ Rn .
Da U ⊂ M offen und f : M → f (M ) ein Homöomorphismus ist, ist auch
f (U ) ⊂ f (M ) offen, d.h. es gibt eine offene Umgebung W ⊂ Rn von f (p) mit
f (U ) = W ∩ f (M ). Dies folgt aus der Definition der Unterraumtopologie.
Wir können hier W ⊂ V annehmen. Damit ist (eventuell nach einer weiteren
affinen Koordinatentransformation) die Einschränkung
ψ|W : W → ψ(W ) ⊂ Rn
eine Untermannigfaltigkeitskarte für f (M ) und f |U → W ∩ f (M ) ein Diffeomorphismus, d.h. glatt umkehrbar.
Insgesamt ist also f (M ) eine glatte Untermannigfaltigkeit (eventuell mit
Rand) von N und f : M → f (M ) ein globaler Diffeomorphismus mit glatter
Umkehrabbildung f −1 : f (M ) → M .
Definition 1.17. Es seien M m und N n (eventuell berandete) Mannigfaltigkeiten der Klasse C k , k ≥ 1 und f : M m → N n eine C k -Einbettung. Wir
nennen f sauber, falls f (∂M ) ⊂ ∂N und
dim im(Tp f ) ∩ Tf (p) ∂N = m − 1
für alle p ∈ ∂M .
Proposition 1.18. Falls f eine saubere Einbettung ist, dann ist f (M ) ⊂ N
eine saubere C k -Untermannigfaltigkeit und f : M → f (M ) ⊂ N ist ein
C k -Diffeomorphismus.
Der Beweis erfolgt in den Übungen.
16.5.11
2. Der Satz vom Sard und Anwendungen
Es seien M m und N n glatte C k -Mannigfaltigkeiten (eventuell mit Rand),
wobei k ≥ 1. Es sei f : M → N eine glatte C k -Abbildung. Nach Definition
1.10 heißt q ∈ N ein singulärer Wert, falls es ein p ∈ f −1 (q) ∈ M gibt, so
dass Tp f : Tp M → Tf (p) N nicht surjektiv ist. Wir wollen zeigen, dass die
Menge der singulären Werte in geeigneter Hinsicht klein“ ist.
”
Definition 2.1. Es sei λ > 0 eine reelle Zahl. Eine Teilmenge C ⊂ Rn
der Form [p1 , p1 + λ] × . . . × [pn , pn + λ] heißt Würfel mit Seitenlänge λ. In
diesem Fall definieren wir als das n-dimensionale Volumen von C
µn (C) := λn .
Es sei nun X ⊂ Rn eine Teilmenge. Wir sagen X hat Maß 0, geschrieben
µn (X) = 0, falls es für jedes > S
0 eine abzählbare
Familie (Ci )i∈I von
P
Würfeln Ci ∈ Rn gibt, so dass X ⊂ i∈I Ci und i∈I µ(Ci ) < .
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
15
Lemma 2.2. Es sei U ⊂ Rn offen, X ⊂ U ⊂ Rn eine Teilmenge von Maß 0
und f : U → Rn eine glatte Abbildung der Klasse C 1 . Falls µn (X) = 0, so
ist auch µn (f (X)) = 0.
Zum Beweis siehe [Hirsch], Beweis von Lemma 3.1.1.
Definition 2.3. Es sei M n eine glatte Mannigfaltigkeit der Klasse C k , k ≥
1, und X ⊂ M . Wir sagen, X hat Maß 0, geschrieben µn (X) = 0, falls für
alle (berandeten) Karten (U, φ) von M die Teilmenge φ(U ∩ X) ⊂ Hn ⊂ Rn
Maß 0 hat.
Nach Lemma 2.2 genügt es, die beschriebene Eigenschaft für die Karten
eines festen Atlas von M zu prüfen.
Mit Hilfe von Lemma 2.2 zeigt man:
Proposition 2.4. Es sei f : M m → N n eine glatte Abbildung der Klasse
C k , k ≥ 1. Falls m < n, so hat f (M ) ⊂ N Maß 0.
Zum Beweis siehe [Hirsch], Beweis von Proposition 3.1.2. Eine Folgerung
ist, dass es keine glatten surjektiven Kurven [0, 1] → [0, 1]2 gibt. Man beachte
hier, dass es in der Tat surjektive stetige Abbildungen [0, 1] → [0, 1]2 gibt
(Peanokurve).
Wir beweisen nun das folgende fundamentale Resultat.
Satz 2.5 (Satz von Sard). Es seien M m und N n Mannigfaltigkeiten (eventuell mit Rand) der Klasse C k , sowie f : M m → N n eine glatte C k -Abbildung
und k > max{0, m − n}. Dann hat die Menge der singulären Werte von f
Maß 0.
Proposition 2.4 ist ein Spezialfall des Satzes von Sard, denn in diesem Fall
besteht M nur aus kritischen Punkten.
18.5.11
Wir werden den Satz von Sard für den Fall k = ∞ beweisen. In einem
späteren Abschnitt zeigen wir, dass dies im Rahmen der Differentialtopologie
keine Einschränkung der Allgemeinheit bedeutet.
Eng verwandt mit dem Begriff des regulären Wertes ist der des kritischen
Punktes:
Definition 2.6. Es sei f : M m → N n eine C k -Abbildung, k ≥ 1. Ein
Punkt p ∈ M heißt kritischer Punkt für f , falls Tp f : Tp M → Tf (p) N nicht
surjektiv ist. Wir bezeichnen mit Σf ⊂ M die Menge der kritischen Punkte.
Das Komplement von Σf in M heißt Menge der regulären Punkte von f .
Offensichtlich ist also die Menge der singulären Werte von f gleich
f (Σf ) ⊂ N .
Wir führen nun den Beweis des Satzes von Sard wie in [Hirsch], S. 70 ff.
Die wesentlichen Schritte gestalten sich wie folgt.
Der Beweis läuft über Induktion nach m. Wir beachten dabei, dass der
Satz von Sard im Fall m < n bereits bewiesen ist (siehe Proposition 2.4).
Wir nehmen im folgenden also m ≥ n ≥ 0 an.
16
BERNHARD HANKE
Es sei (Ui , φi ) ein abzählbarer Atlas von M (dieser existiert, weil M das
zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt). Da I abzählbar ist und die abzählbare
Vereinigung von Mengen von Maß 0 wieder Maß 0 hat, genügt es zu zeigen,
dass für alle i ∈ I die Aussage
µn (f (Σf ∩ Ui )) = 0
gilt. Daher reicht es aus, den Fall zu behandeln, dass M = W ⊂ Rm eine
offene Teilmenge ist und N = Rn . Es ist also f : W → Rn .
Wir zerlegen die Menge der kritischen Punkte Σf wie in [Hirsch] in die
(nicht notwendigerweise disjunkten) Teilmengen Σ1 , Σ2 , Σ3 und beweisen,
dass die Bilder dieser Teilmengen unter f jeweils Maß 0 haben.
Zunachst zeigen wir, dass µn (f (Σ1 )) = 0. Es sei ν ∈ N die kleinste
natürliche Zahl mit ν > m/n.
Es sei λ > 0 eine reelle Zahl und U ⊂ W ein (abgeschlossener) Würfel
mit Seitenlänge λ wie in [Hirsch]. Ist p ∈ U ∩ Σ1 , so gilt für alle q ∈ U die
Abschätzung
kf (p) − f (q)k ≤ B · kp − qkν
mit einem festen B > 0. Dies sieht man wie folgt: Wir betrachten die Taylorentwicklung von f um p bis zur (ν − 1)ten Ordnung. Nach Annahme
verschwinden alle Summanden bis auf das Restglied. Die Abschätzung des
Restgliedes zeigt folgende Tatsache (vgl. Forster, Analysis 2, Satz 2 (Taylorformel) in Paragraph 7): Es sei q ∈ U und i ∈ {1, . . . , n}. Dann gibt es ein
θ ∈ [0, 1], so dass für die i-te Komponente der Differenz f (q) − f (p) ∈ Rn
die Formel
X Dα f ((1 − θ)p + θq)
(q − p)α ,
(f (q) − f (p))i =
α!
|α|=ν
gilt, wobei wir für ξ = (ξ1 , . . . , ξm ) ∈ Rm und α = (α1 , . . . , αm ) die Schreibαm verwenden (vgl. Forster). Die Norm der auftretenden
weise ξ α := ξ1α1 ·. . .·ξm
Ableitungen ist auf der kompakten Menge U uniform beschränkt. Weiterhin
gilt für alle ξ ∈ Rm die Abschätzung
|α|
|ξ α | ≤ kξk|α|
∞ ≤ kξk2 ,
so dass insgesamt
|(f (q) − f (p))i | ≤ B · kq − pkν
mit einer von p und q unabhängigen Konstante B > 0. Daraus folgt obige
Abschätzung.
Das weitere Argument ist wie in [Hirsch].
Wir in [Hirsch] dargelegt, ist der Beweis des Satzes von Sard damit insgesamt erbracht, falls n = m = 1 (denn in diesem Fall gilt Σf = Σ1 ).
Man zeigt anschließend wie in [Hirsch], dass f (Σ2 \Σ3 ) und f (Σ3 ) ebenfalls
Maß 0 haben. Im ersten Fall wird dabei die Induktionsvoraussetzung für
m−1 und n benötigt und im zweiten Fall jene für m−1 und n−1. Da die Fälle
m < n und m = n = 1 bereits erledigt sind, wird die allgemeine Behauptung
auf diese Weise schrittweise auf schon bewiesene Fälle zurückgeführt.
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
17
Für den Beweis von µ(f (Σ3 )) = 0 mit Hilfe des Satzes von Fubini ist der
Induktionschritt von n = m = 0 auf n = m = 1 problematisch (wie in der
Vorlesung auch erkannt wurde). Dies wird meiner Meinung nach in [Conlon],
S. 368, übersehen.
23.5.11
Als erste Anwendung (die in der Tat bereits aus Korollar 2.4 folgt) beweisen wir die folgende Verschärfung des Whitneyschen Einbettungssatzes
aus dem Wintersemester.
Satz 2.7 (Whitneyscher Einbettungssatz). Es sei M n eine geschlossene
glatte C k -Mannigfaltigkeit, wobei k ≥ 2. Dann existiert eine C k -Einbettung
M n → R2n+1 . Genauer gilt: Es sei g : M n → R2n+1 eine beliebige C k Abbildung. Dann existiert für alle > 0 eine C k -Einbettung γ : M → R2n+1
mit kg − γk∞ = maxx∈M kg(x) − γ(x)k < .
Beweis. Wie im Wintersemester (siehe Satz 4.7. im Skript zur Differentialgeometrie) finden wir eine C k -Einbettung φ : M → RN für ein (großes)
N ∈ N. Ist v ∈ S N −1 ⊂ RN ein Einheitsvektor, so bezeichnen wir mit
fv : RN → v ⊥
die orthogonale Projektion auf das orthogonale Komplement v ⊥ ⊂ RN . Indem wir v ⊥ isomorph mit RN −1 identifizieren, erhalten wir auf diese Weise
eine Abbildung
φ
fv
M → RN → v ⊥ ∼
= RN −1 .
Angenommen N > 2n + 1. Wir zeigen, dass dann v so gewählt werden kann,
dass fv : φ(M ) → v ⊥ eine injektive Immersion ist. Der Einfachheit halber
schreiben wir M statt φ(M ). Zunächst beachten wir, dass nach Proposition
2.4 das Bild der Abbildung
x−y
,
φ1 : M × M \ ∆ → S N −1 , (x, y) 7→
kx − yk
also die Menge derjenigen Vektoren v, für die fv nicht injektiv ist, Maß 0
hat (denn dim(M × M \ ∆ = 2n < N − 1).
Wir müssen nun dafür sorgen, dass fv zusätzlich eine Immersion ist. Wir
betrachten dazu das Einheitstangentenbündel
S(T M ) := {w ∈ T M | kξk = 1} ,
wobei wir für die Längenmessung jeden Tangentialraum Tp M mit einem
n-dimensionalen Untervektorraum von RN identifizieren, d.h. wir fassen
S(T M ) als Untermannigfaltigkeit der Klasse C k−1 von M × RN auf. Wir
betrachten die glatte Abbildung
φ2 : S(T M ) ⊂ M × S N −1 → S N −1 , (p, ξ) 7→ ξ .
Da dim S(T M ) = 2n − 1 < N − 1, hat das Bild von φ2 wieder Maß 0.
Wir wählen nun v ∈ S N −1 \ (im φ1 ∪ im φ2 ). Hier beachte man, dass
die Vereinigung zweier Mengen vom Maß 0 wieder Maß 0 hat und daher v
18
BERNHARD HANKE
wirklich existiert. Tatsächlich kann bei gegebenem x ∈ S N −1 der Vektor v
beliebig nahe an x gewählt werden.
Die verschärfte Aussage sieht man wie folgt: Es sei φ : M → RN eine
beliebige glatte Einbettung. Wir betrachten die Einbettung
Ψ : M ,→ R2n+1 × RN , p 7→ (g(p), φ(p)) .
Betrachten wir die Projektion
π : R2n+1 × RN → R2n+1
auf den ersten Faktor, so gilt g = π ◦Ψ. Wir schreiben π als die Komposition
orthogonaler Projektionen
R2n+1 × RN → R2n+1 × RN −1 → . . . → R2n+1 × R1 → R2n+1
und beweist folgende Aussage für alle s ≥ 2n + 2: Ist M ⊂ Rs eine geschlossene Untermannigfaltigkeit der Klasse C k , k ≥ 2, und
p : Rs = Rs−1 × R → Rs−1
die Projektion auf den ersten Faktor, so existiert für alle > 0 eine lineare
Abbildung p0 : Rs → Rs−1 , so dass kp0 − pk < und p0 : M → Rs−1 eine
Einbettung ist. Dazu konstruieren wir wie im ersten Teil dieses Beweises
einen Einheitsvektor v ∈ Rs , so dass die orthogonale Projektion
fv : Rs → v ⊥ ⊂ Rs
eine Einbettung M → v ⊥ induziert. Wir können
dabei für alle > 0 errei√
chen, dass kv−(0, . . . , 0, 1)k < . Wenn < 2, so definiert die Einschänkung
von fv einen Isomorphismus f : Rs−1 × 0 → v ⊥ . Wir setzen nun
p0 := f −1 ◦ fv .
Dann gilt kp0 − pk < und p0 : M → Rs−1 definiert eine Einbettung.
Durch Anwendung dieser Aussage für s = 2n + 1 + N, . . . , 2n + 2 können
wir somit π durch eine lineare Abbildung π 0 : R2n+1 ×RN → R2n+1 ersetzen,
so dass kπ − π 0 k < (bei vorgegebenem > 0) und π 0 : Ψ(M ) → R2n+1 eine
Einbettung ist. Wie setzen abschließend γ := π 0 ◦ Ψ.
Als weitere Anwendung des Satzes von Sard beweisen wir die glatte Version des Brouwerschen Fixpunktsatzes, vgl. [Hirsch], S. 72 f.
25.5.11
3. Funktionenräume, Approximationen
In der Differentialtopologie spielt die Approximation von Abbildungen
durch Abbildungen mit stärkeren (Regularitäts-)Eigenschaften eine wichtige
Rolle. Grundlegend hierfür ist es, die Menge der C k -Abbildungen C k (M, N )
zwischen zwei C k -Mannigfaltigkeiten M und N mit einer geeigneten Topologie zu versehen. Wir definieren die schwache und die starke Topologie auf
diesen Mengen und richten uns in der Darstellungen nach [Hirsch], S. 33 36 oben.
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
19
30.5.11
Eine erste Veranschaulichung dieses Konzeptes liefert die folgende Proposition:
Proposition 3.1. Es seien M m und N n glatte Mannigfaltigkeiten (eventuell
mit Rand) der Klasse C k , k ≥ 1. Dann ist die Menge Immk (M, N ) der C k Immersionen M → N offen in CSk (M, N ).
Beweis. Beim Beweis richten wir uns nach [Hirsch], Beweis von Theorem
2.1.1 auf S. 36.
Das Argument präzisieren wir wie folgt: Es sei f : M → N eine C 1 -Immersion. Wir wählen einen Atlas (Vβ , ψβ )β∈B von N . Dann ist
(f −1 (Vβ ))β∈B eine offene Überdeckung von M . Nach Proposition 4.6. aus
dem Skript zur Vorlesung Differentialgeometrie aus dem Wintersemester
gibt es eine lokal endliche Verfeinerung (Ui )i∈I dieser Überdeckung von M
bestehend aus Kartengebieten Ui mit Kartenabbildungen φi : Ui → Rm , so
dass jedes Ui zudem eine kompakte Teilmenge Ki enthält, so dass (Ki )i∈I
immer noch eine Überdeckung von M ist. Wir wählen für jedes i ∈ I eine
Karte ψi : Vi → Rn aus dem bereits gegebenen Atlas von N mit f (Ki ) ⊂ Vi .
Wie in [Hirsch] zeigt man nun, das es eine Familie (i )i∈I von positiven
reellen Zahlen gibt, so dass jede Funktion in der offenen Whitney-Umgebung
NSk (f ; (Ui , φi ), (Vi , ψi ), (Ki ), (i ))
von f eine Immersion ist.
Wir bemerken, dass Proposition 3.1 im allgemeinen nicht gilt, falls wir
mit der schwachen Topologie arbeiten.
Wir wollen nun zeigen, dass für diffeomorphe C k -Mannigfaltigkeiten M
und N , k ≥ 1, die Menge der C k -Diffeomorphismen M → N ebenfalls offen
in CSk (M, N ) ist.
Wir zeigen die Offenheit zunächst für die Menge der C k -Einbettungen.
Das lokale Resultat lautet wie folgt (vgl. [Hirsch], Lemma 2.1.3. auf S. 36).
Lemma 3.2. Es sei U ⊂ Rm offen und W ⊂ U eine offene Teilmenge
mit kompaktem Abschluss W , der immer noch ganz in U enthalten ist. Es
sei f : U → Rq eine C 1 -Einbettung. Dann gibt es ein > 0, so dass jede
C 1 -Abbildung g : U → Rq , die
kg(x) − f (x)k < , kDx g − Dx f k < für alle x ∈ W erfüllt, eine C 1 -Einbettung W → Rq induziert.
Beweis. Wir verfahren wie in [Hirsch], S. 36 unten, und erläutern einige
Details des Beweises. Zunächst gibt es nach (dem Beweis von) Proposition
3.1 ein > 0, dass jede C 1 -Abbildung g : U → Rq mit den beiden obigen Abschätzungen eine Immersion W → Rq definiert. Wir müssen zeigen,
dass man so klein wählen kann, dass darüberhinaus jedes g mit diesen
Eigenschaften injektiv auf W ist.
20
BERNHARD HANKE
Daraus folgt dann in der Tat die Behauptung, denn dann ist (weil W
kompakt ist) jedes g mit dieser Eigenschaft ein Homöomorphismus W →
g(W ) ⊂ Rq und damit g|W : W → Rq eine Einbettung.
Wir gehen so vor wir in [Hirsch] (wobei wir an , bn ∈ W annehmen). Die
am Ende dieses Beweises verwendete (Taylor-)Abschätzung führen wir explizit aus: Es sei l ∈ {1, . . . , q}. Durch Anwendung des Mittelwertsatzes der
Differentialrechnung auf die Funktion
[0, 1] → R , t 7→ g((1 − t)an + tbn ) l
(der Index l bezeichnet die l-te Komponente) und der Kettenregel finden
wir ein ξn,l ∈ [0, 1] mit
gn (bn ) − gn (an ) l = D(1−ξn,l )an +ξn,l bn gn · (bn − an ) l .
Die linke Seite ist nach Voraussetzung gleich 0. Da
lim kDgn − Df k = 0
n→∞
gleichmäßig auf W , haben wir (für festes l) unter Ausnutzung der Stetigkeit
von Df : W → Rq×m
lim kD(1−ξn,l )an +ξn,l bn gn − Da f k = 0
n→∞
und somit wegen
Da f ·(bn −an ) l = Da f − D(1−ξn,l )an +ξn,l bn gn + D(1−ξn,l )an +ξn,l bn gn · (bn − an )
auch
kDa f · (bn − an )k
= 0.
kbn − an k
Die linke Seite dieser Gleichung ist aber auch gleich kDa f · vk und somit
ungleich 0, weil f eine Immersion ist. Widerspruch.
lim
n→∞
1.6.11
Wir können nun die folgende wichtige Stabilitätsaussage beweisen:
Satz 3.3. Es seien M m und N n glatte C k -Mannigfaltigkeiten (eventuell mit
Rand), k ≥ 1. Dann ist die Menge Embk (M, N ) offen in CSk (M, N ) (dies
schließt die Möglichkeit ein, dass diese Teilmenge leer ist).
Beweis. Wieder reicht es aus, den Fall k = 1 zu behandeln. Wir richten
uns nach dem Beweis von [Hirsch], Theorem 2.1.4. und präzisieren hier nur
einige Details. Es sei f : M → N eine C 1 -Einbettung. Nach Lemma 3.2 und
den Ergebnissen über Verfeinerungen von offenen Überdeckungen aus dem
Wintersemester haben wir folgende Daten:
• Einen lokal endlichen Atlas Φ = (Ui , φi )i∈I von M
• Für jedes i ∈ I eine Familie von Inklusionen Ki0 ⊂SWi ⊂ Ki ⊂ Ui ,
wobei Ki0 und Ki kompakt und Wi offen sind und i∈I Ki0 = M .
l
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
21
• Eine Familie Ψ := (Vi , ψi ) von Karten von N , so dass f (Ki ) ⊂ Vi
für alle i ∈ I. Wir nehmen hier zusätzlich an, dass die Familie (Vi )
lokal endlich und jede Abschluss Vi kompakt ist.
• Eine Familie = (i ) positiver reeller Zahlen
mit der folgenden Eigenschaft: Ist
g ∈ N0 := N k (f ; Φ, Ψ, )
so ist jede Einschränkung g|Wi : Wi → N eine Einbettung. (Man startet
die Konstruktion am besten mit einem geeigneten lokal endlichen Atlas (Vi )
von N (und geeigneten Teilmengen von jedem Vi ), so dass jede Teilmenge
f −1 (Vi ) in einem Kartengebiet von M enthalten ist. Da f : M → f (M )
ein Homöomorphismus ist, ist die Überdeckung (f −1 (Vi )) von M auch lokal
endlich).
Wir wählen nun für alle i ∈ I offene Teilmengen Ai , Bi ∈ N mit Ai ∩ Bi =
∅, f (Ki0 ) ⊂ Ai und f (M \Wi ) ⊂ Bi . Dies ist möglich, da f (Ki0 ) eine kompakte
und f (M \ Wi ) eine abgeschlossene Teilmenge von f (M ) ist.
Es gibt nun eine Umgebung N1 von f in CS0 (M, N ), so dass jedes g ∈ N1
für alle i ∈ I die Eigenschaften
• g(Ki0 ) ⊂ Ai .
• g(M \ Wi ) ⊂ Bi .
hat. Dass dies möglich ist, zeigen wir in den Übungen.
Der Rest des Beweises läuft im Wesentlichen so wie in [Hirsch]: Nach
Annahme ist g eine Immersion. Die Abbildung g ist auch injektiv: Sei x ∈ M .
Dann gibt es ein i ∈ I mit x ∈ Ki0 . Ist nun y ∈ M mit x 6= y, so gibt es zwei
Fälle: Falls y ∈ Wi , so ist g(x) 6= g(y), da g|Wi : W → N injektiv ist. Falls
y ∈ M \ Wi , so gilt g(x) ∈ Ai und g(y) ∈ Bi , also ebenfalls g(x) 6= g(y).
Es bleibt noch zu zeigen, dass g : M → f (M ) ⊂ N ein Homöomorphismus
ist. Dies machen wir so wie in [Hirsch].
Wir zeigen nun wie in [Hirsch], Theorem 2.1.5.
Proposition 3.4. Die Menge der eigentlichen Abbildungen Propk (M, N )
ist offen in CSk (M, N ), falls k ≥ 0.
Da eine Einbettung f : M → N genau dann eigentlich ist, wenn
f (M ) ⊂ N abgeschlossen ist, folgt wie in [Hirsch], Theorem 2.1.7. das folgende wichtige Stabilitätsresultat:
Satz 3.5. Es seien M m und N n Mannigfaltigkeiten der Klasse C k ohne
Rand, k ≥ 1. Dann ist die Menge der C k -Diffeomorphismen Diff k (M, N )
offen in CSk (M, N ).
Beweis. Es sei f : M → N ein Diffeomorphismus. Insbesondere ist dann
m = n (falls n 6= m, dann ist Diff k (M, N ) = ∅) Wir können uns darauf
einschränken, dass M und N zusammenhängend sind. Nach dem bereits Bewiesenen gibt es eine Umgebung N ⊂ CSk (M, N ) von f , so dass jedes g ∈ N
eine Einbettung mit abgeschlossenem Bild ist. Dann ist das Bild von g nach
22
BERNHARD HANKE
dem Umkehrsatz auch offen, denn g ist eine Immersion von Mannigfaltigkeiten gleicher Dimension und M ist ohne Rand. Da N zusammenhängend ist,
ist also g eine surjektive Einbettung und damit ein Diffeomorphismus. Wir weisen darauf hin, dass dieses Resulat für k = 0 nicht richtig ist.
6.6.11
Wir werden nun einige Approximationsresultate zeigen. Zunächst behandeln wir wieder den Fall offener Teilmengen im Euklidischen Raum.
Proposition 3.6. Es seien U ∈ Rm und V ⊂ Rn offene Teilmengen und 0 ≤
k < ∞. Dann ist C ∞ (U, V ) (also insbesondere auch jede Menge CSr (U, V )
mit r ≥ k) dicht in CSk (U, V ).
Wir können also zum Beispiel stetige Abbildungen beliebig genau durch
glatte Abbildungen approximieren.
Beweis. Da C k (U, V ) offen in CSk (U, Rn ) ist (!), können wir uns auf den Fall
V = Rn einschränken (denn ist X ein topologischer Raum, V ⊂ X offen
und S ⊂ X dicht, so ist auch S ∩ V dicht in V ).
Wir folgen dem Beweis in [Hirsch], S. 47 f. und führen wieder einige Details
aus.
Es sei f ∈ C k (U, Rn ). Jede Umgebung N von f in CSk (U, Rn ) enthält eine
Umgebung N k (f ; K, ) der folgenden speziellen Form: K = (Ki )i∈I ist eine
lokal endliche Überdeckung von U durch kompakte Teilmengen, = (i ) ist
eine Familie positiver reeller Zahlen und
N k (f ; K, ) := {g ∈ C k (U, Rn ) | kg − f kk,Ki < i falls i ∈ I} .
Dabei ist kg − f kk,Ki die Summe der Maximumsnormen der gemischten
partiellen Ableitungen bis zur Ordnung k auf Ki . Wir müssen zeigen, dass
jede dieser Umgebungen N k (f ; K, ) eine C ∞ -Abbildung U → Rn enthält.
Wir finden eine lokal endliche Überdeckung (Ui )i∈I von U und eine dieser
Überdeckung untergeordnete C ∞ -Teilung der Eins (λi )i∈I , so dass Ki ⊂ Ui
für alle i ∈ I. Wir setzen hier zusätzlich voraus, dass jeder Abschluss Ui
kompakt ist. Insbesondere trifft dann jede Menge Uj nur endlich viele der
Mengen Ki .
Ist nun (αi )i∈I eine Familie positiver reeller Zahlen, so gibt es für jedes
i ∈ I eine Funktion gi ∈ C k (Ui , Rn ) mit
kgi − f kk,Ki < αi .
Dies ist vielleicht aus den Analysisgrundvorlesungen bekannt. Wir skizzieren
hier den Beweis, der auf Faltungen beruht: Wir ersetzen zunächst f durch
eine C k -Abbildung F : Rm → Rn , die auf Ki mit f übereinstimmt. Es
sei Θ : Rm → R eine C ∞ -Buckelfunktion mit kompaktem
Träger, der in
R
m
der offenen Kugel Bδ (0) ⊂ R enthalten ist, wobei Rm Θ(x)dx = 1. Wir
betrachten nun die Faltung von F mit Θ
Z
gi : Ui → Rn , x 7→ F ∗ Θ(x) :=
F (y) · Θ(x − y)dy
Rm
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
23
Dann ist gi von der Klasse C ∞ und für jeden partiellen Ableitungsoperator
D der Ordnung kleiner oder gleich k gilt
Dgi = Θ(DF ) .
Beide Aussagen beweist man durch Differentiation unter dem Integral, wobei
man für die zweite Aussage noch die Substituion z := y − x macht. Indem
man die gleichmäßige Stetigkeit aller Ableitungen bis zur Ordnung k von gi
auf kompakten Teilmengen ausnutzt, folgt mit einer leichten Rechnung (vgl.
[Hirsch], S. 47 oben), dass man kgi − f kk,Ki < αi erreichen kann, indem man
δ klein genug wählt.
Wir definieren nun die C ∞ -Funktion g : U → Rm durch
X
x 7→
λi (x) · gi (x) .
i∈I
Es gilt dann
kg − f kk,Ki ≤
X
kλj (gj − f )kk,Ki
j∈I
Da Ki kompakt und (Uj ) lokal endlich ist, sind auf Ki nur endlich viele λj
von 0 verschieden und jede partielle Ableitung bis zur k-ten Ordnung all
dieser λj sind auf Ki uniform beschränkt. Da jede partielle Ableitung bis
zur k-ten Ordnung von λj (gj − f ) ein Summe von Produkten von partiellen
Ableitungen von λj und von gj − f bis zur Ordnung k ist, kann man durch
eine geeignete Wahl der Familie (αj )j∈I von oben erreichen, dass in der Tat
kg − f kk,Ki < i für alle i ∈ I ist. Hier ist wichtig, dass jede Menge Uj (und
damit der Träger von λj ) nur endlich viele Mengen Ki trifft, so dass man für
ein festes j ∈ I insgesamt nur endlich viele Konstanten als erlaubte obere
Schranke von kgj − f kk,Kj erhält. Man vergleiche das Argument in [Hirsch],
S. 47 unten f.
8.6.11
Auf Mannigfaltigkeiten konstruieren wir Approximationen schrittweise. Dabei soll allerdings die bereits erhaltene Funktion dort, wo sie die
gewünschen Eigenschaften hat, nicht immer wieder geändert werden. Wir
brauchen dazu die folgende relative Version von Proposition 3.6:
Proposition 3.7. Es seien 0 ≤ r < s ≤ ∞, U ⊂ Rm und V ⊂ Rn offene
Teilmengen, sowie f : U → V eine Abbildung der Klasse C r . Es sei K ⊂ U
eine (in U ) abgeschlossene Teilmenge und W ⊂ U eine offene Teilmenge,
so dass f von der Klasse C s auf einer Umgebung von K \ W in U ist. Dann
enthält jede Umgebung N von f in CSr (U, V ) eine Abbildung h : U → V der
Klasse C r , die von der Klasse C s in einer offenen Umgebung von K ist und
auf U \ W mit f übereinstimmt.
Zum Beweis siehe [Hirsch], Beweis von Theorem 2.2.5.
Wir erhalten nun folgendes grundlegendes Approximationsresultat:
24
BERNHARD HANKE
Satz 3.8. Es seien 0 ≤ r < s ≤ ∞ und es seien M m und N n Mannigfaltigkeiten der Klasse C s ohne Rand. Dann ist C s (M, N ) dicht in CSr (M, N ).
Der Beweis findet sich in [Hirsch], S. 49 f.
Nach den bereits bewiesenen Offenheitsresultaten erhält man analoge Approximationsresultate für Immersionen, Einbettungen und eigentliche Abbildungen, vgl. [Hirsch], Theorem 2.2.7.
Folgendes Korollar verdient besondere Beachtung.
Korollar 3.9. Wir behalten die Voraussetzungen von Theorem 3.8 bei,
nehmen aber zusätzlich r ≥ 1 an. Dann sind M und N genau dann C r diffeomorph, wenn sie C s -diffeomorph sind.
Beweis. Dies folgt aus Satz 3.8 und Satz 3.5
Die Voraussetzung r ≥ 1 ist notwendig: Milnor konstruierte im Jahre
1954 eine geschlossene C ∞ -Mannigfaltigkeit M 7 , die homöomorph zu S 7 ,
aber nicht C 1 -diffeomorph zu S 7 ist.
20.6.11
Wir weisen noch auf einige Varianten unserer Approximationsresultate
für Mannigfaltigkeiten mit Rand hin.
Proposition 3.6 gilt gleichermaßen, wenn U ∈ Hm und V ⊂ Hn offene Teilmengen von Halbräumen sind. Man muss nur beachten, dass dann für eine
stetige Funktion F : U → V die Faltung F ∗ Θ mit einer (nicht-negativen!)
Buckelfunktion Θ wieder eine Funktion U → V liefert (d.h. die erste Komponente dieser Funktion ist wieder kleiner oder gleich 0). Theorem 3.8 bleibt
daher gültig, wenn M und N Mannigfaltigkeiten mit Rand sind.
Wir erhalten für Mannigfaltigkeiten mit Rand darüber hinaus noch eine
Verfeinerung:
Definition 3.10. Es seien M m und N n Mannigfaltigkeiten mit Rand der
Klasse C k , k ≥ 0. Dann bezeichnet
C k (M, ∂M ; N, ∂N )
die Menge der C k -Abbildungen M → N mit f (∂M ) ⊂ ∂N .
Satz 3.11. Es seien M und N Mannigfaltigkeiten mit Rand der Klasse C s .
a) Falls s ≥ 1, so ist Diff s (M, N ) offen in CSs (M, ∂M ; N, ∂N ) (man
beachte, dass für Diffeomorphismen f : M → N automatisch
f (∂M ) = ∂N gilt).
b) Falls 0 ≤ r < s ≤ ∞, so ist C s (M, ∂M ; N, ∂N ) dicht in
CSr (M, ∂M ; N, ∂N ).
c) Falls 1 ≤ r < s ≤ ∞, so sind M und N genau dann C r -diffeomorph,
wenn sie C s -diffeomorph sind.
Wir betonen, dass für Mannigfaltigkeiten mit Rand die Teilmenge
Diff s (M, N ) ⊂ C s (M, N ) in der Regel nicht offen ist. Zum Beispiel enthält
jede Umgebung der Identität in CS∞ ([0, 1], [0, 1]) Abbildungen, die nicht surjektiv sind.
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
25
Beweis. Zu a). Man zeigt zunächst wie für Mannigfaltigkeiten ohne Rand,
dass die Mengen der Immersionen und der eigentlichen Abbildungen M →
N offen in C s (M, N ) sind. Der Beweis läuft anschließend so wie der von
Theorem 3.5. Wichtig ist nur, dass (unter Ausnutzung des Umkehrsatzes)
jede Immersion f : M → N mit f (∂M ) ⊂ ∂N eine offene Abbildung ist, d.h.
offene Teilmengen von M werden auf offene Teilmenen von N abgebildet.
Daraus folgt wie im Fall unberandeter Mannigfaltigkeiten, dass f (M ) ⊂ N
offen ist. (Ohne die zusätzliche Annahme f (∂M ) ⊂ ∂N ist diese Aussage
nicht richtig, wie die Inklusion [0, 1/2] ⊂ [0, 1] zeigt.)
Für b) verfeinern wir Proposition 3.6 dahingehend , dass für offene Teilmengen U ∈ Hm und V ⊂ Hn und 0 ≤ k < ∞ die Menge C ∞ (U, ∂U ; V, ∂V )
dicht in CSk (U, ∂U ; V, ∂V ) ist. Dazu muss man im Beweis von Proposition
3.6 die erste Komponente der Faltung F ∗ Θ durch die Funktion
(x1 , . . . , xm ) 7→ F ∗ Θ(x1 , x2 , . . . , xm ) 1 − F ∗ Θ(0, x2 , . . . , xm ) 1
ersetzen.
Teil c) folgt durch Kombination von a) und b) ähnlich wie für Mannigfaltigkeiten ohne Rand.
Zum Abschluss dieses Kapitel diskutieren wie noch, wie man den Differenzierbarkeitsgrad von C r -Mannigfaltigkeiten, r ≥ 1, erhöhen kann. Hier
folgen wir Lemma 2.8. und Theorem 2.9. in [Hirsch].
Zusammenfassend erhalten wir daraus folgende fundamentale Aussagen,
vgl. Theorem 2.10. in [Hirsch].
Satz 3.12.
• Falls 1 ≤ r < ∞, so ist jede C r -Mannigfaltigkeit (eventuell mit Rand) C r -diffeomorph zu einer C ∞ -Mannigfaltigkeit. Diese
ist bis auf C ∞ -Diffeomorphismus eindeutig bestimmt.
• Falls 1 ≤ r < s ≤ ∞, so sind zwei C s -Mannigfaltigkeiten (eventuell mit Rand) genau dann C r -diffeomorph, wenn sie C s -diffeomorph
sind.
Aufgrund dieses Resultates ist es legitim, sich bei der Klassifikation
glatter Mannigfaltigkeiten auf Mannigfaltigkeiten der Klasse C ∞ einzuschränken. Dies rechtfertigt auch im Nachhinein, dass wir Theorem 2.5 (Satz
von Sard) nur für C ∞ -Mannigfaltigkeiten gezeigt haben.
Wir erwähnen, dass es C 0 -Mannigfaltigkeiten gibt, die nicht mit einer
glatten Struktur versehen werden können, also nicht C 0 - diffeomorph“ zu
”
einer C ∞ -Mannigfaltigkeit sind. Die ersten Beispiel wurden im Jahre 1960
von Kervaire konstruiert, siehe dazu
Kervaire, M. (1960), A manifold which does not admit any differentiable
”
structure“, Comm. Math. Helv. 34, 257-270.
Daher ist die Welt der topologischen Mannigfaltigkeiten sehr verschieden
von der Welt der C k -Mannigfaltigkeiten für k ≥ 1.
26
BERNHARD HANKE
22.6.11
4. Transversalität
Der folgende Begriff spielt für die Differentialtopologie eine fundamentale
Rolle.
Definition 4.1. Es seien M m und N n glatte C ∞ -Mannigfaltigkeiten ohne
Rand und Ad ⊂ N eine glatte Untermannigfaltigkeit ohne Rand. Es sei
f : M → N eine C 1 -Abbildung und K ⊂ M eine Teilmenge. Wir sagen,
f ist transversal zu A entlang K, falls folgendes gilt: Es sei x ∈ K mit
y := f (x) ∈ A. Dann ist
Ty N = Ty A + Tx f (Tx M ) .
In diesem Fall schreiben wir f tK A. Im Falle K = M schreiben wir nur
f t A.
Ist q ∈ N und A = {q}, so ist f t A gleichbedeutend damit, dass q ein
regulärer Wert von f ist. Falls m + d < n ist, so gilt f tK A genau dann,
wenn f (K) ∩ A = ∅.
Proposition 4.2. Ist f t A, so ist f −1 (A) ⊂ M eine glatte Untermannigfaltigkeit der Dimension m−(n−d). Mit anderen Worten: Die Kodimension
von f −1 (A) in M ist gleich der Kodimension von A in N .
Der Beweis dieser Aussage findet sich in [Hirsch], S. 23 f.
Wir werden nun zeigen, dass transversale Abbildungen in gewisser Hinsicht generisch sind.
29.6.11 und 30.6.11
Wir behalten obige Bezeichnungen bei und bezeichnen mit
trK (M, N ; A) ⊂ C r (M, N )
die Teilmenge derjenigen Abbildungen, die entlang K transversal zu A sind.
Folgender Satz sagt, dass man jede glatte Abbildung durch eine beliebig kleine Störung transversal machen kann und dass Transversalität unter kleinen
Störungen erhalten bleibt.
Satz 4.3 (Transversalitätssatz). Es seien M m und N n glatte C ∞ Mannigfaltigkeiten, A ⊂ N eine abgeschlossene glatte Untermannigfaltigkeit
(alle Mannigfaltigkeiten sind ohne Rand) und L ⊂ M eine abgeschlossene
Teilmenge. Es sei r ≥ 1.
• Die Teilmenge trL (M, N ; A) ⊂ C r (M, N ) ist offen und dicht in der
starken Topologie.
• Falls L kompakt ist, so ist trL (M, N ; A) ⊂ C r (M, N ) offen und dicht
in der schwachen Topologie.
Wir untersuchen die Situation zunächst lokal.
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
27
Proposition 4.4. Es seien U ⊂ Rm und V ⊂ Rn offene Teilmengen und
K ⊂ U eine kompakte Teilmenge. Dann ist
trK (U, V ; Rd ∩ V ) ⊂ C r (U, V )
offen und dicht in der starken und schwachen Topologie auf C r (U, V ). Dabei
fassen wir wie üblich Rd = Rd × 0 ⊂ Rn auf.
Beweis. Wir zeigen zunächst die Offenheit. Ist x ∈ U und f : U → Rn glatt,
so bedeutet f tx Rd , dass entweder
i. f (x) ∈
/ Rd oder
ii. f (x) ∈ Rd und 0 und x ein regulärer Punkt der Komposition
π ◦ f : U → Rn → Rn−d
ist, wobei π : Rn = Rd × Rn−d → Rn−d die Projektion ist.
Es sei nun f trK Rd . Dann besitzt jeder Punkt y ∈ K eine kompakte Umgebung Ky ⊂ U , so dass entweder i. oder ii. für alle x ∈ Ky gilt (beide
Bedingungen sind ja offen). Da K kompakt ist, wird K durch endlich viele
Ky mit y ∈ K überdeckt. Für jedes y ∈ K existiert ein y , so dass Bedingung i. oder ii. für alle x ∈ Ky und alle g ∈ N (f ; U, Rn , Ky , y ) ⊂ C r (U, Rn )
gilt. Für i. ist dabei die C 0 -Topologie relevant, für ii. die C 1 -Topologie. Die
kompakte Menge K wird durch endlich viele der Ky überdeckt, daher gibt
r (U, Rn ) von f , so dass alle g ∈ N transes eine offene Umgebung N ⊂ CW
r (U, V ) gezeigt,
versal zu Rd entlang K sind. Damit ist die Offenheit in CW
r
n
denn diese Menge trägt die Teilraumtopologie in CW (U, R ). Die Offenheit
in CSr (U, Rn ) folgt unmittelbar (denn jede schwach offene Menge ist auch
stark offen).
Wir kommen nun zur Dichtheit. Nach dem Approximationssatz ist
C ∞ (U, V ) dicht in CSr (U, V ). Daher können wir ohne Einschränkung r = ∞
annehmen. Nach dem Satz von Sard (Theorem 2.5) existiert eine Folge (yk )
in Rn mit lim yk = 0, so dass alle π(yk ) ∈ Rn−d reguläre Werte von π ◦ f
sind. Die Folge fk := f − yk : U → Rn konvergiert dann in der starken
Topologie gegen f und besteht aus Funktionen, die transversal zu Rd sind.
Es sei λ : U → [0, 1] ein C ∞ -Buckelfunktion, die auf K gleich 1 und deren
Träger in einer kompakten Umgebung von K enthalten ist. Dann ist das
Bild von fk := f + λ(gk − f ) in V enthalten, wenn k groß genug ist, und es
gilt lim fk = f in CSr (U, V ) sowie fk tK (V ∩ Rd ) für alle k. Dies zeigt die
Dichtheit in der starken Topologie. Die Dichtheit in der schwachen Topologie folgt unmittelbar, denn jede schwache Umgebung ist auch eine starke
Umgebung.
Wir kommen nun zum Beweis des Transversalitätssatzes.
Es sei f ∈ trL (M, N ; A) und (Ui )i∈I eine lokal endliche, abzählbare
Überdeckung
von L sowie (Ki )i∈I eine Familie kompakter Mengen mit
S
L ⊂ i∈I Ki und Ki ⊂ Ui für alle i ∈ I. Weiterhin sei (Vi )i∈I eine Familie von Kartengebieten von N , wobei jedes Vi Definitionsbereich einer
Untermannigfaltigkeitskarte von A ist oder Vi ∩ A = ∅ (hier geht ein, dass
28
BERNHARD HANKE
A ⊂ M abgeschlossen ist: Falls x ∈ A, so existiert um x eine Untermannigfaltigkeitskarte nach Definition 1.4. Falls x ∈
/ A, so existiert eine offene
Umgebung von x, die A nicht berührt.) Wir können weiterhin annehmen,
dass f (Ui ) ⊂ Vi für alle i ∈ I.
Nach Proposition 4.4 ist für alle i ∈ I die Menge trKi ∩L (M, N ; A) ofr (M, N ) und offen und dicht in C r (M, N ). Hier befen und dicht in CW
S
achten wir, dass L ⊂ M abgeschlossen (und damit Ki ∩ L ⊂ Ui kompakt ist). Für die Offenheit beachten wir, dass es für jede offene Teilmenr (U , V ) eine offene Teilmenge V ⊂ C r (M, N ) gibt, so dass
ge U ⊂ CW
i i
W
U = {f |Ui |f ∈ V, f (Ui ) ⊂ Vi }. Dies folgt aus der Definition der schwachen
Topologie. Für die Dichtheit beachten wir, dass es nach dem Beweis von Proposition 4.4 für jedes f ∈ C r (M, N ) und jede Umgebung N ⊂ CSr (Ui , Vi )
von f eine Funktion g ∈ N ∩ trKi ∩L (Ui , Vi ; A) gibt mit g = f außerhalb
einer beliebig kleinen Umgebung von Ki ∩ L. Dieses g kann also durch f auf
ganz M fortgesetzt werden.
Ist nun L ⊂ M kompakt, so kann im vorherigen Absatz die Indexmenge
I endlich gewählt werden. Daher ist dann auch
[
trL (M, N ; A) =
tKi ∩L (M, N ; A)
i∈I
r (M, N ).
offen und dicht in CW
Falls L ⊂ M beliebig (aber abgeschlossen ist), so können wir argumentieren, dass in CSr (M, N ) der Durchschnitt abzählbar vieler offener und dichter
Teilmengen wieder offen und dicht ist, da CSr (M, N ) eine Baire-Raum ist
(vgl. [Hirsch], Kapitel 2.4.). Ein direkteres Argument geht wie folgt: Nach
Proposition 4.6. im Skript zur Differentialgeometrie aus dem Wintersemester
besitzt M eine Ausschöpfung
K1 ⊂ K2 ⊂ K3 ⊂ . . . ⊂ M
durch abzählbar
viele kompakte Teilmengen. (Mit Ausschöpfung“ meinen
S
”
wir, dass i Ki = M ). Hier können wir annehmen, dass Ki ⊂ int(Ki+1 ) für
alle i > 1 gilt. Wir definieren nun die kompakten Teilmengen
Ci := Ki \ Ki−1 ⊂ M
Dann gilt Ci ∩ Ci+2 = ∅ für alle i ≥ 1. Wir setzen nun
L1 := L ∩ (C1 ∪ C3 ∪ . . .) , L2 := L ∩ (C2 ∪ C4 ∪ . . .)
Wir können direkt obigen Beweis verwenden um zu zeigen, dass die Mengen
trL1 (M, N ; A) und trL2 (M, N ; A) offen in CSr (M, N ) sind. (Man wählt dazu
eine lokal endliche Überdeckung von L1 oder L2 durch kompakte Teilmengen
K, so dass bezüglich lokaler Karten für alle Punkte im jeweiligen K entweder
Eigenschaft i. oder ii. gilt.) Für die Dichtheit argumentieren wir so: Es sei
f ∈ C r (M, N ) beliebig und N ⊂ CSr (M, N ) eine offene Umgebung von f .
Wir finden dann für alle i ∈ I in N eine Funktion g die entlang Ci transversal
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
29
zu A ist und außerhalb einer beliebig kleinen Umgebung von Ci ⊂ M mit f
übereinstimmt. Induktiv erhält man so Funktionen
g1 ∈ N ∩ trL1 (M, N ; A) , g2 ∈ N ∩ trL2 (M, N ; A) .
Dies zeigt, dass trL1 (M, N ; A) und trL2 (M, N ; A) offen und dicht in
CSr (M, N ) sind. Damit ist dann auch
trL (M, N ; A) =trL1 (M, N ; A)∩ trL2 (M, N ; A)
offen und dicht in CSr (M, N ) und der Beweis des Transversalitätssatzes
vollständig erbracht.
Folgende Tatsache verdient noch besondere Beachtung (vergleiche Aufgabe 3 auf Übungsblatt 7)
Satz 4.5. Es seien M m und N n glatte C ∞ -Mannigfaltigkeiten und f : M →
N eine C k -Abbildung. Dann existiert ein offene Umgebung N ⊂ CSk (M, N )
von f mit der folgenden Eigenschaft: Jede Abbildung g ∈ N ist C k -homotop
zu f .
Insbesondere können kleine Störungen von f (zum Beispiel zu transversalen Abbildungen) durch Homotopien erfolgen.
Wir notieren noch die folgende relative Version des Transversalitätssatzes.
Korollar 4.6. In obiger Situation sei C ⊂ M eine abgeschlossene Teilmenge und f ∈ C r (M, N ) sei transversal zu A entlang C. Es sei L ⊂ M
abgeschlossen und N ⊂ CSr (M, N ) eine offene Umgebung von f . Dann gibt
es ein g ∈ N , so dass g tL A und g = f auf C.
Beweis. Es existiert eine offene Umgebung U ⊂ M von C, so dass f tU A.
Nach obiger Diskussion existiert eine Folge gk ∈ C r (M, N ), so dass gk tL\U
A, lim gk = f in CSr (M, N ) sowie gk = f auf C. Da trL∩U (U, N ; A) offen in
CSr (U, N ; A) ist, gilt gk trL A, falls k groß genug ist.
4.7.11
5. Vektorbündel und tubulare Umgebungen
Vektorbündel sind eine Kombination linearer und nicht-linearer Strukturen. Sie sind für die Klassifikation glatter Mannigfaltigkeiten und in vielen
anderen Bereichen der Geometrie und Topologie von größter Wichtigkeit.
Definition 5.1. Ein (topologisches) reelles, bzw. komplexes Vektorbündel
vom Rang k ist eine stetige Abbildung
p:E→B
zwischen topologischen Räumen zusammen mit der Struktur eines reellen,
bzw. komplexen Vektorraumes der Dimension k auf jeder Faser
Eb := p−1 (b) ⊂ E
für b ∈ B. Diese Vektorraumstrukturen sollen der folgenden lokalen Trivialitätsbedingung genügen (formuliert für reelle Vektorbündel; der komplexe
30
BERNHARD HANKE
Fall ist analog): Ist b ∈ B, so existiert eine offene Umgebung U ⊂ B von b
und ein Homöomorphismus (genannt lokale Trivialisierung)
φU : E|U := p−1 (U ) → U × Rk
mit den folgenden Eigenschaften:
• φ ist fasererhaltend, d.h. φ(Eb ) = {b} × Rk .
• Für jeden Punkt b ∈ B ist φb := φ|Eb ein Vektorraumisomorphismus
Eb ∼
= {b} × Rk = Rk .
Wir nennen dann E den Totalraum, B die Basis und p die Bündelprojektion
des Vektorbündels.
Anschaulich gesprochen ist ein Vektorbündel eine Familie von Vektorräumen, die über den Punkten von b parametrisiert ist. Diese Vektorräume sollen jedoch in stetiger Weise zusammenhängen.
Beispiel.
• Das triviale Vektorbündel p : B × Rk → B und p : B × Ck → B,
wobei p(b, v) := b.
• Ist M m eine glatte Mannigfaltigkeit, so ist die kanonische Projektion
des Tangentialbündels p : T M → M ein reelles Vektorbündel vom
Rang m.
• Das Möbiusband E ist der Totalraum eines reellen Vektorbündels
von Rang 1 über S 1 .
Wir betrachten auch glatte Vektorbündel. Dabei sind Totalraum und Basis glatte Mannigfaltigkeiten. Die genaue Definition ist wie folgt.
Definition 5.2. Ein glattes reelles, bzw. komplexes Vektorbündel vom Rang
k der Klasse C r , r ≥ 1, ist eine glatte Abbildung
p:E→B
zwischen C r -Mannigfaltigkeiten E und B (eventuell mit Rand) zusammen
mit der Struktur eines reellen, bzw. komplexen Vektorraumes auf den Fasern
Eb , b ∈ B. Weiterhin muss die lokale Trivialitätsbedingung aus Definition
5.1 erfüllt sein, wobei jedoch verlangt wird, dass alle Abbildungen φU Diffeomorphismen der Klasse C r sind. Die Vektorräume Ck werden dabei mit
R2k identifiziert und tragen die entsprechende Struktur einer (reellen) C r Mannigfaltigkeit.
Fals M m eine glatte Mannigfaltigkeit der Klasse C r , r ≥ 2 ist, so definiert
die Standardprojektion T M → M ein reelles Vektorbündel vom Rang m der
Klasse C r−1 .
Ausgehend von den lokalen Trivialisierungen gelangen wir zu der folgenden alternativen Beschreibung von Vektorbündeln: Sei p : E → B ein (reelles
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
31
oder komplexes, topologisches oder C r -glattes) Vektorbündel. Sei (Ui )i∈I eine offene Überdeckung von B zusammen mit lokalen Trivialisierungen (wir
behandeln wieder nur den reellen Fall)
φi : E|Ui → Ui × Rk .
Sind i, j ∈ I, so definiert die Verknüpfung φj ◦ φ−1
eine stetige (bzw. C r i
glatte) Abbildung
φji : Ui ∩ Uj → GL(k, R) ⊂ Rk×k .
Diese Übergangsabbildungen erfüllen die Kozykelbedingung
• φkj (x) · φji (x) = φki (x) für alle x ∈ Ui ∩ Uj ∩ Uk , i, j, k ∈ I.
• φii (x) = id für alle x ∈ Ui und i ∈ I.
Umgekehrt definiert eine Familie (φji )i,j∈I stetiger (bzw. C r -glatter) Abbildungen
φji : Ui ∩ Uj → GL(k, R) ,
die der Kozykelbedingung genügt, ein stetiges (bzw. C r -glattes) Vektorbündel E → B, indem wir
!
a
k
E :=
Ui × R
/ (x, v)i ∼ (x, φji (x) · v)j falls x ∈ Ui ∩ Uj , v ∈ Rk ,
i∈I
k
setzen. Dabei bedeutet
` der untere Index, dass wir (x, v)i ∈ Ui × R auffassen. Das Zeichen
steht für die disjunkte Vereinigung und die Menge
der Äquivalenzklassen nach der beschriebenen Äquivalenzrelation trägt die
Quotiententopologie. Die Projektion p : E → B ist einfach durch (x, v) 7→ x
gegeben.
Man weist unter Benutzung der Kozykelbedingung nach, dass es sich wirklich um ein Vektorbündel handelt.
In Aufgabe 1 auf Blatt 8 wird geklärt, wann zwei Kozykeln im wesentlichen gleiche Vektorbündel definieren.
6.7.11
Die Beschreibung durch Kozykel kann man dazu benutzen, aus gegebenen
Vektorbündeln neue zu konstruieren. Seien zum Beispiel p1 : E1 → B und
p2 : E2 → B reelle Vektorbündel von Rang k1 oder k2 mit zugehörigen
(1)
(2)
Kozykeln (φji ) und (φji ). Dann definiert die Familie
(1)
(2)
φji ⊕ φji : U1 ∩ U2 → GL(k1 + k2 , R)
ebenfalls einen Kozykel, dabei schreiben wir (für x ∈ U1 ∩ U2 ) die Matrix
(1)
(2)
φji (x) als linken oberen und φji (x) als unteren rechten Block einer Matrix in GL(k1 + k2 , R). Da zugehörige Vektorbündel heißt Whitney-Summe
von E1 und E2 und wird mit E1 ⊕ E2 → B bezeichnet. In analoger Weise
kann man funktorielle Konstruktionen aus der linearen Algebra (wie Tensorprodukt zweier Vektorräume, Übergang zum Dualraum etc.) mittels der
Kozykelkonstruktion faserweise“ auf Vektorbündeln durchführen.
”
32
BERNHARD HANKE
Definition 5.3. Es sei p : E → B ein Vektorbündel vom Rang k. Wir
nennen eine Teilmenge E 0 ⊂ E zusammen mit der Restriktion p|E 0 : E 0 → B
ein Untervektorbündel vom Rang l (mit l ≤ k), falls für alle b ∈ B eine
offene Umgebung U ⊂ B von B und eine lokale Trivialisierung
φU : E|U → U × Rk
existiert, so dass φU (EU0 ) = U × Rl . Hier setzen wir EU0 := p−1 (U ) ∩ E 0 und
fassen wie üblich Rl = Rl × 0 ⊂ Rk auf.
Mit den Vektorraumstrukturen auf den Fasern von E → B ist dann E 0 →
B selbst ein Vektorbündel vom Rang l. Unterbündel von komplexen und
glatten Vektorbündeln werden analog definiert.
Ist E 0 ⊂ E ein Unterbündel, so können wir ein Quotientenbündel E/E 0 →
B mittels Kozykeln wie folgt konstruieren: Nach Wahl von lokalen Trivialisierungen von E wie in der vorherigen Definition erhalten wir einen
Kozykel φji : Ui ∩ Uj → GL(k, R). Die Abbildungen φji (x) : Rk → Rk ,
x ∈ Ui ∩Uj induzieren dann lineare Abbildungen von Quotientenvektorräumen Rk /Rl → Rk /Rl und nach Identifikation von Rk /Rl mit Rk−l erhalten wir
einen Kozykel für ein Vektorbündel vom Rang k − l. Dieses ist das gesuchte
Quotientenbündel.
Ein wichtiges Verfahren zur Konstruktion von neuen Vektorbündeln ist
die Pull-Back-Konstruktion. Sei dazu p : E → B ein Vektorbündel (eventuell
glatt) und f : X → B eine stetige (bzw. glatte) Abbildung. Wir setzen dann
f ∗ E := {(x, e) ∈ X × E | f (x) = p(e) ∈ B} ⊂ X × E
versehen mit der Unterraumtopologie (bzw. der induzierten glatten Struktur). Dann definiert
π : f ∗ E → X , (x, e) 7→ x
wieder ein stetiges (bzw. glattes) Vektorbündel vom Rang k. Ein wichtiger
Spezialfall ist die Inklusion eines Unterraumes i : X ,→ E. In diesem Fall
nennt man i∗ E die Einschränkung von E auf X. Der Totalraum i∗ E kann
mit p−1 (X) ⊂ E identifiziert werden. Die Einschränkung von E → B auf X
wird auch mit E|X bezeichnet.
Wir wollen nun noch Abbildungen zwischen Vektorbündeln studieren.
Definition 5.4. Es seien p : E → B und q : H → C Vektorbündel. Ein
Vektorbündel-Morphismus oder eine Vektorbündelabbildungvon p : E → B
nach q : H → C ist eine stetige (bzw. glatte) Abbildung
F :E→H
mit den folgenden Eigenschaften:
• F ist fasererhaltend: Ist b ∈ B, so existiert ein c ∈ C mit F (Eb ) ⊂
Hc .
• F ist faserweise linear: Die induzierten Abbildungen Fb : Eb → Hc
sind R- (bzw. C-)linear.
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
33
Da F fasererhaltend ist, induziert F eine Abbildung f : B → C, so dass f ◦
π = p◦F . In der vorherigen Notation gilt f (b) = c. Die Abbildung f ist stetig
und glatt, wenn F glatt ist (und von der gleichen Differenzierbarkeitsklasse
wie F ).
Ist B = C und f = idB , so nennen wir F einen Vektorbündelmorphismus
über B.
Besitzt F eine inverse Vektorbündelabbildung, so nennen wir F einen Vektorbündelisomorphismus. In diesem Fall heißen p : E → B und q : H → C
isomorph, geschrieben E ∼
= H. Bei glatten Vektorbündeln wird für die Isomorphie in der Regel verlangt, dass die auftretenden Vektorbündelabbildungen ebenfalls glatt sind.
Die lokale Trivialisierbarkeit von Vektorbündeln lässt sich also auch so
ausdrücken, dass Vektorbündel lokal isomorph zu trivialen Bündeln sind.
Allgemein nennen wir ein Vektorbündel, das isomorph zu einem trivialen
Bündel ist trivialisierbar. Ist das Tangentialbündel einer glatten Mannigfaltigkeit M (glatt) trivialisierbar, so heißt M parallelisierbar.
Proposition 5.5. Es seien M und N glatte Mannigfaltigkeiten. Sind M
und N diffeomorph, so sind T M → M und T N → N (glatt) isomorphe
Vektorbündel.
Beweis. Ist f : M → N ein Diffeomorphismus, so definiert T f : T M → T N
den gewünschten Vektorbündelisomorphismus.
Diese einfache Beobachtung eröffnet einen Weg zur Klassifikation von glatten Mannigfaltigkeiten: Können wir mit Hilfe von geeignet definierten Invarianten zeigen, dass T M und T N als Vektorbündel nicht isomorph sind,
so können M und N nicht diffeomorph sein. Dieses Programm führt auf die
Theorie der charakteristischen Klassen von Vektorbündeln.
Ist F : E → H eine Vektorbündelabbildung, so definieren der (faserweise
gebildete) Kern und das (faserweise gebildete) Bild von F in der Regel keine
Unterbündel von E und H. Der folgende Satz zeigt aber, dass dies unter
gewissen Zusatzbedingungen doch gilt.
Satz 5.6. Es seien E → B und H → B Vektorbündel vom Rang k und l
über dem gleichen Basisraum B und F : E → H eine Vektorbündelabbildung
über B. Weiterhin sei F von konstantem Rang, d.h. es existiert ein d ∈ N,
so dass Fb : Eb → Hb für alle b ∈ B Rang d hat . Dann ist
[
ker F :=
ker Fb ⊂ E
b∈B
ein Untervektorbündel vom Rang k − d und
[
im F :=
im Fb ⊂ H
b∈B
ein Untervektorbündel vom Rang d.
Diese Unterbündel sind glatt, wenn die Bündel E → B, H → B, sowie
die Abbildung F glatt sind.
34
BERNHARD HANKE
Der Beweis wird in den Übungen erarbeitet.
Es ergibt sich folgende Konsequenz.
Korollar 5.7. Es sei p : E → B ein Vektorbündel und E 0 ⊂ E eine Teilmenge (bzw. eine glatte Untermannigfaltigkeit, falls wir glatte Vektorbündel
betrachten), so dass p|E 0 : E 0 → B ein Vektorbündel vom Rang l ist (mit den
von E induzierten linearen Strukturen auf den Fasern). Dann ist E 0 ⊂ E
ein Untervektorbündel vom Rang l (im Sinne von Defintion 5.3).
Beweis. In diesem Fall definiert die Inklusion i : E 0 ,→ E eine Vektorbündelabbildung von konstantem Rang. Es gilt offensichtlich E 0 = im i.
11.7.11
Wichtige Beispiele glatter Vektorbündels sind universelle Bündel über
Graßmannschen Mannigfaltigkeiten.
Definition 5.8. Seien k, n ∈ N, wobei k ≤ n. Wir setzen
Gn,k := Gk (Rn ) := {E ⊂ Rn |E ist k−dimensionaler Untervektorraum von Rn }
Die Menge Gn,k trägt die Struktur einer glatten C ∞ -Mannigfaltigkeit der
Dimension k · (n − k), siehe [Hirsch], Aufgabe 1 auf Seite 14. Für k = 1 ist
Gn,1 der reell-projektive Raum RPn .
Setzen wir
Ek (Rn ) := {(E, x) ∈ Gk × Rn | x ∈ E} ,
so definiert
Ek (Rn ) → Gk (Rn ) , (P, x) 7→ P
ein glattes reelles Vektorbündel vom Rang k (vgl. Aufgabe 1 auf Blatt 9).
Dieses ist das tautologische Bündel über Ek (Rn ). Es spielt eine wichtige Rolle
für die Klassifikation von Vektorbündeln.
Vektorbündel können oft mit zusätzlichen Strukturen versehen werden.
Wir behandeln hier speziell Orientierungen und innere Produkte.
Definition 5.9. Es sei V ein reeller endlichdimensionaler Vektorraum.
Wir nennen zwei Basen von V gleich orientiert, wenn die Matrix
des Koordinatenübergangs positive Determinante hat. Dies definiert eine
Äquivalenzrelation auf der Menge aller Basen von V und teilt diese in genau
zwei Äquivalenzklassen.
Eine Orientierung von V ist die Wahl einer dieser Äquivalenzklassen.
Eine Basis in der gewählten Äquivalenzklasse nennt man dann positiv orientiert.
Die Standardorientierung von Rn wir durch die kanonische Basis
(e1 , . . . , en ) repräsentiert.
Sind V und W orientierte Vektorräume, so trägt die direkte Summe V ⊕ W eine induzierte Orientierung: Wir wählen positiv orientierte Basen (v1 , . . . , vk ) und (w1 , . . . , wl ) von V und W und betrachten (v1 , . . . , vk , w1 , . . . , wl ) als positiv orientierte Basis von V ⊕ W .
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
35
Man überprüft leicht, dass diese Definition mit den oben eingeführten
Äquivalenzrelationen auf den Basen von V , W und V ⊕ W verträglich ist.
Definition 5.10. Ein orientiertes reelles Vektorbündel ist ein reelles Vektorbündel p : E → B zusammen mit Orientierungen der Fasern Eb = p−1 (b)
für alle b ∈ B. Diese Orientierungen sollen im folgenden Sinne kompatibel
sein: Ist b ∈ B, so gibt es eine offene Umgebung U ⊂ B von b und eine
lokale Trivialisierung E|U ∼
= U × Rk , so dass jeder Isomorphismus Eb ∼
= Rk
k
orientierungserhaltend ist (bzgl. der Standardorientierung des R ).
Falls ein reelles Vektorbündel mit einer Orientierung versehen werden
kann, so nennen wir es orientierbar.
Eine glatte Mannigfaltigkeit M heißt orientierbar, wenn das Tangentialbündel T M → M orientierbar ist. Dies ist äquivalent zur Bedingung, dass
M einen orientierten Atlas trägt, also einen Atlas bei dem die Übergangsfunktionen an allen Punkten positive Jacobi-Determinante haben. (vgl. Aufgabe 4 auf Blatt 9).
Das Möbiusband T → S 1 definiert ein nicht-orientierbares reelles Vektorbündel vom Rang 1, vergleiche Aufgabe 3 auf Blatt 9.
Definition 5.11. Es sei p : E → B ein reelles (topologisches oder glattes)
Vektorbündel. Ein inneres Produkt auf E ist eine (topologische, bzw. glatte)
Abbildung
α : E ⊕ E → R,
so dass für alle p ∈ B die induzierte Abbildung
αp : (E ⊕ E)p = Ep ⊕ Ep → R
ein Skalarprodukt definiert.
Ist M eine glatte Mannigfaltigkeit (der Klasse C r , 1 ≤ r ≤ ∞), so nennt
man ein inneres Produkt auf T M eine Riemannsche Metrik.
Als Spezialfall betrachten wir eine glatte Untermannigfaltigkeit M ⊂ RN .
Wir erhalten dann durch die Einschänkungen des Standardskalarproduktes
auf RN auf die Tangentialräume Tp M , p ∈ M , eine Riemannsche Metrik auf
M.
Wir bemerken, dass für Vektorbündel E → B mit innerem Produkt lokale
Trivialisierungen
E|U ∼
= U × Rk
so gewählt werden können, dass jedes Skalaprodukt auf Ex , x ∈ U , mit
dem Standardskalarprodukt auf Rk identifiziert wird. Man vergleiche dazu
Aufgabe 2 auf Blatt 9.
Umgekehrt kann man auf jedem reellen Vektorbündel E → B mit parakompakter Basis B (dies ist zum Beispiel erfüllt, wenn B eine Mannigfaltigkeit ist), ein inneres Produkt definieren, indem man zunächst eine trivialisierende offene Überdeckung (Ui ) von B wählt, das Standardskalarprodukt auf
36
BERNHARD HANKE
Rk vermöge der Trivialiserungen auf ein inneres Produkt αi auf E|Ui zurückzieht und anschließend mittels einer der Überdeckung (Ui ) untergeordneten
Teilung der Eins (φi ) das innere Produkt
X
φi · αi
i∈I
auf E definiert. Hier beachte man, dass die Menge der Skalarprodukte auf
einem Vektorraum V konvex ist.
Proposition 5.12. Es sei p : E → B ein Vektorbündel mit innerem Produkt
α und E 0 ⊂ E ein Untervektorbündel. Dann ist das orthogonale Komplement
[
(E 0 )⊥ :=
(Ep0 )⊥
p∈B
ebenfalls ein Unterbündel. Dabei wird das orthogonale Komplement in Ep0
bezüglich dem Skalarprodukt αp gebildet.
Beweis. Es seien m = rk E und k = rk E 0 und E|U ∼
= U × Rm eine lokale
Trivialiserung. Wir können zusätzlich annehmen, dass unter dieser Trivialiserung E 0 |U ∼
= U × Rk und dass das innere Produkt auf den Fasern von E 0 |U
auf das Standardskalarprodukt auf Rk abgebildet wird. Die Standardbasis
(e1 , . . . , ek ) von Rk induziert k Schnitte s1 , . . . , sk : U → E 0 |U , p 7→ (p, ei ),
die über jedem Punkt p ∈ U eine Orthonormalbasis von Ep0 definieren. Wir
betrachten nun die Abbildung
ψ :U ×R
m
m
→ U × R , v 7→
k
X
α(v, si (p(v))) · si (p(v)) .
i=1
In jeder Faser Ep ⊂ E, p ∈ U , ist dies die orthogonale Projektion auf Ep0 .
Daher haben wir
(E 0 |U )⊥ = ker ψ
und dies definiert in der Tat ein Unterbündel von E|U nach Satz 5.6.
13.7.11
Definition 5.13. Es sei E → B ein reelles oder komplexes Vektorbündel
vom Rang k. Ein (stetiger, bzw. glatter) Rahmen von E ist eine Familie
(s1 , . . . , sk ) von (stetigen, bzw. glatten) Schnitten von E → B, so dass für
alle x ∈ B die Vektoren (s1 (x), . . . , sk (x)) eine Basis von Ex bilden (als
R-bzw. C-Vektorraum).
In diesem Fall kann man jeden (stetigen, bzw. glatten) Schnitt s : B → E
in eindeutige Weise als Linearkombination
s=
k
X
φi (x) · si (x)
i=1
mit (stetigen, bzw. glatten) Funktionen φi : B → R (bzw. φi : B → C)
schreiben.
Folgende Aussage ist nicht schwer zu beweisen:
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
37
Proposition 5.14. Ein Vektorbündel besitzt genau dann einen Rahmen,
wenn es trivialisierbar ist.
Da jedes Vektorbündel E → B lokal trivialisierbar ist, existiert für jeden
Punkt x ∈ B eine offene Umgebung, so dass E|U einen Rahmen hat. Diesen nennt man auch einen lokalen Rahmen. Lokale Rahmen sind für viele
Rechnungen nützlich.
Wir können mit Hilfe orthogonaler Komplemente eine konkretere Beschreibung von Normalenbündeln geben. Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit
und V ⊂ M eine glatte Untermannigfaltigkeit. Wir wählen eine Riemannsche Metrik auf M und fassen T V als Unterbündel von T M |V auf. Dann
definiert
T V ⊥ → T M |V / T V , v 7→ [v]
einen Vektorbündelisomorphismus auf das Normalenbündel von V in M
νVM := T M |V / T V .
(Dieses ist unabhängig von Riemannschen Metriken definiert). In diesem
Bild sind Normalenvektoren von V in M also nichts anderes als Tangentialvektoren in T M |V , die senkrecht auf V ⊂ M stehen.
Mit Hilfe Riemannscher Metriken können wir kleine Umgebungen von V
in M als den Totalraum des Normalenbündels νVM interpretieren. Dies führt
auf das Konzept von tubularen Umgebungen:
Definition 5.15. Es sei M eine glatte Mannigfaltigkeit und V ⊂ M eine
glatte Untermannigfaltigkeit. Eine tubulare Umgebung ist eine glatte Einbettung
f : νVM → M
so dass f |V : V ,→ M die Inklusion von V ist.
Eine partielle tubulare Umgebung ist eine glatte Einbettung
f :U →M
wobei U ⊂
V
νM
ein offene Umgebung des Nullschnittes ist, mit
f |V : V ,→ M
wie oben.
Jede partielle tubulare Umgebung kann durch Verkürzen der Fasern zu
einer echten tubularen Umgebung verbessert werden, vgl. [Hirsch], S. 109.
Satz 5.16. Es existiert eine tubulare Umgebung von V in M .
Beweis. Es sei g : T M ⊕ T M → R eine Riemannsche Metrik auf M . Wir
betrachten die Abbildung
f : (T V )⊥ → M , v 7→ expp(v) (v)
wobei wir für x ∈ M die Exponentialabbildung
expx : Tx M → M
38
BERNHARD HANKE
benutzen. Es folgt aus Sätzen der Riemannschen Geometrie, dass f eine
partielle tubulare Umgebung von V in M definiert.
Falls M eine glatte Mannigfaltigkeit mit Rand und V ⊂ M eine sauber
eingebettete Untermannigfaltigkeit ist, so definieren wir als tubulare Umgebung von V in M eine saubere Einbettung
f : νVM → M ,
die - wie üblich - den Nullschnitt erhält. Es ist dann automatisch die Einschränkung
f : νVM |∂V → ∂M
eine tubulare Umgebung von ∂V ⊂ ∂M . Indem man in obiger Konstruktion
einer tubularen Umgebung mit einer Riemannschen Metrik auf M startet,
so dass
⊥
T V |∂V ⊂ T (∂M )|∂V
gilt, sieht man, dass es auch in dieser allgemeinen Situation stets tubulare
Umgebungen von V in M gibt. (Auf der linken Seite wird das orthogonale
Komplement in T M gebildet.) Man vergleiche das Bild auf Seite 115 in
[Hirsch].
Eine Variante tubularer Umgebungen sind sogenannte Kragenumgebungen: Ist M eine glatte Mannigfaltigkeit mit Rand, so existiert eine glatte
Einbettung
f : ∂M × [0, ∞) → M
so dass f |∂M ×{0} mit der Inklusion ∂M ,→ M identifiziert werden kann. Für
die Konstruktion startet man wieder mit einer Riemannschen Metrik g auf
M . Das Normalenbündel
M
→ ∂M
ν∂M
ist eindimensional und trivialisierbar, wie man mit Hilfe eines berandeten
Atlas von M sieht. Es sei C ⊂ ∂M eine Komponente und
νM ∼
=C ×R
C
eine Trivialisierung. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass für alle c ∈ C der Vektor (c, 1) einer glatten Kurve γ : [0, ∞) →
M mit γ(0) = c entspricht, d.h. dieser Vektor ist nach innen“ gerichtet.
”
Ähnlich wie im Falle von eingebetteten Untermannigfaltigkeiten konstruiert
man mit Hilfe der Exponentialabbildung eine glatte Einbettung
f : C × [0, ) → M
mit f |C×{0} = C ,→ M . Daraus macht man wieder durch Verkürzen“ der
”
Fasern eine Kragenumgebung.
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
39
18.7.11
6. Abbildungsgrad, Schnittzahl, Eulerzahl
In diesem letzten Abschnitt werden wir Transversalitätstheorie benutzen,
um global-topologische Invarianten zu definieren und zu untersuchen.
Es seien M n und N n glatte orientierte Mannigfaltigkeiten ohne Rand
der gleichen Dimension und M kompakt. Es sei f : M → N eine glatte
Abbildung, y ∈ N ein regulärer Wert von f und x ∈ f −1 (y). Wir setzen
(
+1, falls Tx f : Tx M → Ty N orientierungserhaltend ,
degx f =
−1, falls Tx f : Tx M → Ty N orientierungsumkehrend .
Dies ist der lokale Abbildungsgrad von f in x. Weiterhin definieren wir den
Abbildungsgrad von f über y als
X
degx f ∈ Z .
deg(f, y) :=
x∈f −1 (y)
Hier beachte man, dass f −1 (y) als abgeschlossene, nulldimensionale Untermannigfaltigkeit der kompakten Mannigfaltigkeit M nur aus endlich vielen
Punkten besteht.
Es gelten folgende Tatsachen:
• Falls f, g : M → N glatt homotope Abbildungen sind und y regulärer
Wert sowohl von f als auch von g ist, dann gilt deg(f, y) = deg(g, y).
• Falls N zusammenhängend ist und y, z ∈ N reguläre Werte von f
sind, so ist deg(f, y) = deg(f, z).
Zum Beweis siehe Lemma 1.1. bis Lemma 1.4. in Abschnitt 5.1. in [Hirsch].
Es sei nun N zusammenhängend. Wir definieren nun für beliebige stetige
Abbildungen f : M → N den Abbildungsgrad deg(f ) ∈ Z folgendermaßen:
• Approximiere f durch eine glatte Abbildung fe : M → N , die homotop zu f ist (vgl. Aufgabe 3 auf Blatt 7).
• Wähle einen regulären Wert y ∈ N von fe (dieser existiert nach dem
Satz von Sard) und setze
deg(f ) := deg(fe, y) .
Diese Definition hängt nicht von der Wahl von fe oder von der Wahl von y
ab. Dies folgt aus den vorhergehenden Beobachtungen und daraus, dass jede
stetige Homotopie zwischen glatten Abbildungen durch eine glatte Homotopie approximiert werden kann (nach dem relativen Approximationssatz).
Man vergleiche auch Lemma 1.5. in Abschitt 5.1. in [Hirsch].
Der Abbildungsgrad ist eine fundamentale topologische Invariante stetiger
Abbildungen zwischen glatten orientierten Mannigfaltigkeiten der gleichen
Dimension. Er kann auch für Abbildungen zwischen topologischen Mannigfaltigkeiten definiert werden. Dazu benötigt man aber Homologietheorie.
Aus der Konstruktion folgt, dass (stetig) homotope Abbildungen f : M →
N den gleichen Abbildungsgrad haben.
40
BERNHARD HANKE
Proposition 6.1. Es sei N zusammenhängend und f : M → N eine stetige
Abbildung von Grad ungleich 0. Dann ist f surjektiv.
Beweis. Angenommen, f ist nicht sujektiv. Dann kann eine zu f homotope
glatte Approximation fe : M → N so gewählt werden, dass fe ebenfalls nicht
surjektiv ist. Wir wählen als regulären Wert einen Punkt y ∈ N , der nicht
im Bild von f liegt. Dann folgt aus der Definition, dass deg(f ) = deg(fe, y) =
0.
Wir notieren folgende wichtige Aussage:
Satz
glatte
Dann
dehnt
6.2. Es sei W n+1 eine kompakte, zusammenhängende, orientierte,
Mannigfaltigkeit mit Rand und f : ∂W → S n eine stetige Abbildung.
kann f genau dann zu einer stetigen Abbildung F : W → S n ausgewerden, wenn deg f = 0.
Beweis. Siehe den Beweis von Theorem 1.8. in [Hirsch]. Man beachte, dass
für die Ausdehnbarkeit im Falle von deg f = 0 das Konzept der tubularen
Umgebungen benötigt wird.
Wir können nun die Homotopieklassen stetiger Abbildungen in Sphären
vollständig klassifizieren:
Korollar 6.3 (Hopf). Es sei M eine geschlossene, zusammenhängende,
orientierte, glatte Mannigfaltigkeit ohne Rand und f, g : M → S n stetige
Abbildungen. Dann sind äquivalent:
• deg f = deg g.
• f und g sind homotop.
Jede ganze Zahl tritt als Abbildungsgrad einer stetigen Abbildung f : M →
S n auf.
Zum Beweis vergleiche man Theorem 1.10. in Abschmitt 5 in [Hirsch].
Falls M oder N nicht orientierbar sind, kann man für stetige Abbildungen M → N immer noch den mod 2-Abbildungsgrad mit Werten in Z/2Z
definieren. Dieser hat ebenfalls sehr nützliche Eigenschaften. Für eine Diskussion siehe Blatt 10, Aufgabe 4.
Ergänzend zum letzten Korollar bemerken wir noch folgendes:
Proposition 6.4. Es sei M n eine kompakte, zusammenhängende, glatte
Mannigfaltigkeit mit Rand und f, g : M → S n zwei stetige Abbildungen.
Dann sind f und g homotop.
Dies folgt durch Betrachtung des Doppels M ∪∂M M von M unter Benutzung des Satzes von Hopf. Details finden sich in [Hirsch], S. 129.
Wir kommen nun noch zu einer Verallgemeinerung des Abbildungsgrades,
der sogenannten Schnittzahl von stetigen Abbildungen f : M m → W m+n
mit einer glatten Untermannigfaltigkeit N n ⊂ W . Hier seien M m und W n+m
glatte Mannigfaltigkeiten ohne Rand, M sei kompakt und M sowie das NorW seien orientiert (letzteres ist zum Beispiel der Fall, wenn N
malenbündel νM
DIFFERENTIALTOPOLOGIE SS 11
41
und W orientiert sind). Wir konstruieren in dieser Situation die Schnittzahl
](f, N ; W ) ∈ Z
wie in [Hirsch], S. 131 f.
Definition 6.5. Es sei M m eine geschlossene orientierte glatte Mannigfaltigkeit und E → M ein reelles orientiertes glattes Vektorbündel vom Rang
m. Dann heißt
e(E) := ](M ,→ E, M ; E) ∈ Z
die Eulerzahl von E. Wir fassen hier M ⊂ E als Nullschnitt auf.
Die Eulerzahl
χ(M ) := χ(T M ) ∈ Z
des Tangentialbündels T M → M heißt Eulercharakteristik von M .
Die Eulercharakteristik kann mittels Indizes von glatten Vektorfeldern auf
M berechnet werden, siehe [Hirsch], S. 133 f. Beispielsweise berechnet man
auf diese Weise:
(
+2 falls n gerade ,
χ(S n ) =
0 falls n ungerade .
Wir notieren das folgende wichtige Ergebnis:
Satz 6.6. Es sei M eine orientierte geschlossene glatte Mannigfaltigkeit.
Dann sind äquivalent:
i. χ(M ) = 0.
ii. M trägt ein nullstellenfreies Vektorfeld.
Die Implikation ii. ⇒ i. folgt direkt aus der Definition von χ(M ). Für
die andere Implikation (die in der Vorlesung nicht behandelt wurde), siehe
[Hirsch], Theorem 2.10. in Abschnitt 5.2.
Insbesondere erhalten wir den verallgemeinerten Igelsatz: Die Sphäre S n
trägt genau dann ein nullstellenfreies Vektorfeld, wenn n ungerade ist.
Die Eulercharakteristik kann auch für nicht orientierbare geschlossene
Mannigfaltigkeiten definiert werden. An dieser Stelle gehen wir darauf nicht
weiter ein.
Üblicherweise definiert man die Eulercharakteristik für endliche Simplizialkomplexe durch Bilden der Wechselsumme der Anzahlen von Ecken, Kanten etc. Wir zitieren das folgende Resultat:
Satz 6.7 (Indexsatz von Poincaré-Hopf). Es sei M eine glatte geschlossene
triangulierte Mannigfaltigkeit (d.h. wir haben zusätzlich einen Homöomorpismus von M auf einen endlichen Simplizialkomplex gegeben). Dann stimmt
die differentialtopologisch definierte Eulercharakteristik von M mit der üblichen Wechselsummendefinition überein. Insbesondere ist letztere von der
Triangulierung von M unabhängig.
Für den Beweis konstruiert man ausgehen von der gegebenen Triangulierung von M ein Vektorfeld mit isolierten Nullstellen, so dass für jedes
k-Simplex genau eine isolierte Nullstelle von Index (−1)k auftritt.
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