22 EDITORIAL Geschichte 1/ 11 Zu diesem Heft Die Welt ist klein geworden. Immer schneller rücken Städte, Länder, Kontinente zusammen. Spätestens seit der industriellen Revolution ist es dieser Eindruck von Beschleunigung, der unser Weltbild, unsere Idee von Fortschritt prägt. Dabei begann der Weg in die Neuzeit mit der gegenteiligen Erfahrung: Zwischen 1400 und 1700 wuchs die Weltkugel. Kontinente, die auf den alten Karten noch eng beieinander gelegen hatte, rückten auseinander, neue kamen hinzu, gewaltige Wassermassen machten sich breit. Die Erkundung der afrikanischen Küste, die Suche nach einem Seeweg nach Indien, die Entdeckung Amerikas – das alles waren, im Nachhinein betrachtet, ungeheure Weltvergrößerungsmaßnahmen. Den Zeitgenossen ging es indes weniger darum, ein neues Bild der Erde zu erschaffen. Kolumbus, da Gama oder Magellan brachen als Schatzsucher und Missionare auf. Sie wollten Gewürze finden und Edelmetalle, sie wollten ihren Glauben verbreiten und herrschen. Während der Conquista, der blutigen Eroberung Mittel- und Südamerikas, zerstörten die Europäer das Neue und Fremde, wo sie es trafen. Sie löschten die Kulturen der Inka, Maya und Azteken aus, sie töteten und versklavten die Bevölkerung. Es dauerte noch mindestens ein Jahrhundert, bis die Neugier auf das Unbekannte neben die Gier nach dem Bekannten, nach Gold, Silber und Sklaven, trat. Entdecken, erobern, erforschen – so lautete der Dreiklang, der den Ton angab in der Geschichte der europäischen Expansion. Ihren Beginn – vom Aufstieg Portugals bis zum Goldenen Zeitalter der Niederlande – schildert dieses Heft. Es ist eine Geschichte, die bis heute nachhallt. Bis heute sind die Narben der Kolonialzeit sichtbar. Bis heute ist aber auch die Faszination jener Epoche ungebrochen, in der die Welt den Horizont des Menschen noch überstieg, in der die Erde noch unausgemessen, ja unermesslich war. Fundstück Edle Wilde, ferne Länder: Theodor de Brys exotische Bildwelten Land in Sicht 30 50 68 1400–1700: Wie sich die Europäer die Erde untertan machten • Von Wolfgang Reinhard Das Zeitalter der europäischen Expansion begann mit Heinrich dem Seefahrer • Von Klaus J. Hennig Mythos 1492 Abenteurer, Sturkopf, Schurke: Wer war Christoph Kolumbus? • Von Mirjam Zimmer Aufbruch der Nordmänner Der Weg der Wikinger von Grönland nach Amerika • Von Christian Staas Niemandes Söhne Blut für Gold und Silber: Wie die Spanier Lateinamerika eroberten • Von Sebastian Schoepp »Die Conquista geht weiter« Ein Gespräch mit dem uruguayischen Schriftsteller Eduardo Galeano DIE ZEIT Geschichte Warum die Chinesen nicht zu Entdeckern wurden Die Ordnung der Dinge Sammeln, sortieren, erkennen: Die Geburt der empirischen Wissenschaft aus dem Geist der Entdeckungsfahrten • Von Philipp Blom »Sofort ziehen sie den Toten übers Feuer« Gab es wirklich Kannibalen in der Neuen Welt? • Von Sebastian Michael Brauns Unscheinbare Retterin Keine andere Entdeckung war so wichtig: Eine Reise zum Ursprungsort der Kartoffel • Von Karen Naundorf Bildnachweise Menschen, Daten, Bücher Chronik Hier spricht der Pädagoge Bibliografie Impressum Zugabe • Von Arne Bellstorf Gewürze der Welt ( I–IV) Gold, Silber, Armut Die erste Inflation der Weltgeschichte • Von Wolfgang Uchatius In 1082 Tagen um die Erde 86 XX Um Amerika herum in den Pazifik: Ferdinand Magellans waghalsige Weltreise • Von Eva-Maria Schnurr Die Schrecken des Eises Henry Hudson und die Suche nach der Nordwestpassage • Von Hella Kemper Aufstieg um jeden Preis Was die Seeleute des 17. Jahrhunderts durchmachen mussten • Von Ulrich Baron 4 Mitte der Welt Nach Afrika! Nach Indien! Hölle an Bord Chefredakteur Europa, China und die Jesuiten: Die Geschichte eines einzigartigen Kulturaustauschs • Von Jürgen Osterhammel Das Leben der Anderen Wie die Niederländer die Iberer auf den Weltmeeren verdrängten • Von Ulrich Baron Christian Staas »Licht am Lichte entzünden« Das große Wettsegeln um Pfeffer, Muskatnuss, Gewürznelke und Zimt – vier kulturhistorische Porträts • Von Hella Kemper Seite , , und i Weitere Texte im Internet: www.zeit.de/zeit-geschichte Titel: Kolumbus’ Schiff »Santa Maria« in stürmischer See, Holzschnitt nach einem Gemälde von Paul Schreckhaase (1904). Amerika-Karte von Theodor de Bry, 1594–1596 (Montage) DIE ZEIT Geschichte 5