03 Wundbehandlung früher und heute

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03 / Erste Hilfe
Wundbehandlung früher und heute
Lehrerinformation
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Arbeitsauftrag
Ziel
Material
Schüler werden in 6 Gruppen aufgeteilt und wählen je eine andere Persönlichkeit aus der
Medizingeschichte aus (kann natürlich auch von der LP vorgegeben werden). Lesen und
Verstehen des dazugehörenden Textes und Vorbereiten einer kurzen Präsentation.
Siehe Auftragsblatt für die Vorgaben der Präsentation.
Schüler lernen die Entwicklung der Wundbehandlung in der Geschichte, mit den
Schwerpunkten Antike, Mittelalter und Neuzeit.
Sie lesen und verstehen den Text ihrer gewählten Person und präsentieren ihn ihren
Klassenkameraden auf angebrachte Weise.
Arbeitsblatt
Infotexte Persönlichkeiten
Evtl. weiterführendes Material (siehe zusätzliche Informationen)
Evtl. Internetsuche (für weitere Informationen, Bilder etc.)
Sozialform
6er-Gruppen
Zeit
120’
Weiterführende Ideen
 Fiktives Gespräch zwischen J. Lister, V. von Bruns und P. Hartmann über die
Entwicklung neuer Verbandstoffe (könnte 1870 stattgefunden haben)
http://de.hartmann.info/DE/Home/Marke/Fiktives_Gespraech.zip
Zusätzliche
Informationen:
Zusätzliche Informationen
 Geschichte der Wundheilung Teil 1–3 (H. Röthel)
http://de.hartmann.info/active/PDF/DE/wundforum/wf496_pw.pdf
http://de.hartmann.info/active/PDF/DE/wundforum/wf197_pw.pdf
http://de.hartmann.info/active/PDF/DE/wundforum/wf297_pw.pdf
 Für sehr Wissenshungrige (ausführliche Dissertation über die Geschichte der
Wundbehandlung)
http://miami.uni-muenster.de/servlets/DerivateServlet/Derivate2499/diss_schlathoelter.pdf
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Arbeitsblatt
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Aufgabe:
Jede Gruppe wählt eine Person aus (Persönlichkeiten aus der Geschichte der Medizin
und ihre Ansicht zur Wundbehandlung) und bereitet einen kleinen Vortrag vor (5 bis 10
Minuten). Denkt dabei auch an Anschauungs-Material wie Bilder oder Vorführungen.
Beachtet, was alles vorkommen muss, und ergänzt mit Wissenswertem oder Anekdoten.
Persönlichkeiten aus der Geschichte
Zur Auswahl stehende Persönlichkeiten:
 Hippokrates (460–375 v. Chr.), Griechenland
 Claudius Galen (129–216 n. Chr.), Rom
 Ambroise Paré (1510–1590), Frankreich
 Joseph Lister (1827–1912), England
 Viktor von Bruns (1812–1883), Deutschland
 Dr. Heute (1976), Schweiz
Obligatorischer Inhalt:
 Was hatte er für ein Menschenbild?
 Was für Materialien kannte und benutzte er?
 Wie behandelte er Wunden?
 Welche neue Erkenntnis brachte er der Medizin?
 Wer waren seine Zeitgenossen?
Es kann sein, dass ihr bei der einen oder anderen Persönlichkeit nicht alle dieser Angaben finden könnt.
Versucht es trotzdem, vielleicht kann euch eine andere Gruppe helfen.
Mögliche Präsentationsformen:
 Versucht eure Präsentation möglichst klar und logisch zu gestalten, es kann aber durchaus auch unterhaltend
sein.
 Theaterstück mit eurer Persönlichkeit in der Hauptrolle
 Streitgespräch oder Dialog zweier Persönlichkeiten
 Vortrag mit Anschauungsmaterial (z. B. Bilder auf dem Hellraumprojektor)
 Eigene Ideen (Inhalt hat immer noch Priorität!)
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Infotext Persönlichkeiten
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Hippokrates (460–375 v. Chr.)
Die Lehren der grossen Philosophen bewirken neue Grundauffassungen des
Lebens, die auch als richtungsweisende Ideen medizinischen Denkens die
Zeiten überdauern werden. Die hippokratische Medizin sucht ihre
Grundlagen in der Erforschung der Natur des Menschen und der Gesetze
der natürlichen Welt, in die er hineingeboren und von der er abhängig ist.
Die Naturheilkraft wird postuliert – der Arzt soll ein Diener dieser Kraft sein.
Gesundheit ist die vollendete Harmonie im körperlichen wie im seelischen
Bereich, sie ist das Gleichgewicht der Gegensätze, die im Menschen
wirksam werden. Krankheit ist ein Bruch dieser Harmonie, aber verbunden
mit der Tendenz, das Gleichgewicht wieder herzustellen durch die dem
Organismus eigene natürliche Heilkraft. Im Vordergrund steht die
sogenannte Säftelehre. Blut, Schleim, dunkle und helle Galle als die vier
Kardinalsäfte sind Träger des Lebens und entsprechen den vier Elementen
Feuer, Wasser, Erde, Luft und deren Primärqualitäten warm, feucht, kalt
und trocken. Das richtige Mischungsverhältnis dieser vier Säfte (Eukrasie)
galt als Grundvoraussetzung für die Gesundheit des Menschen.
Hippokrates, dessen Mythos bis in unsere
Zeit wirkt. Der hippokratische Eid, ein ihm
zugeschriebenes Gelöbnis, das ethische
Leitsätze ärztlichen Handelns enthält, ist
heute noch das Vorbild des
Ärztegelöbnisses.
In der Erkenntnis, dass die Gesundheit das höchste Gut ist, wurde auch der
Krankheitsverhütung besondere Bedeutung eingeräumt. Diät, Gymnastik,
Luft- und Wasserkuren standen hoch im Kurs, aber auch harntreibende und
abführende Mittel sowie der Aderlass wurden häufig angewendet, um den
Körper von schädlichen Stoffen zu befreien. Viele dieser Gedanken zur
Gesunderhaltung des Körpers haben bis heute nichts von ihrer Aktualität
eingebüsst.
Auf dieser Basis entfalteten die Anhänger des Hippokrates nach seinem
Vorbild ein hervorragendes praktisches Arzttum. Die Genauigkeit der
Diagnose war, nach dem Überlieferten zu schliessen, erstaunlich, und die
Abhandlung Hippokrates’ über Kopfwunden gilt noch heute als
Meisterleistung. Er unterscheidet zwischen Krankheit und Symptom,
zwischen Heilung und blosser Stillung des Schmerzes. Er berichtet weiter
vom Unterschied zwischen scharfen und gequetschten Wunden und der
davon abhängigen trockenen Heilung oder Eiterung: „Die gequetschten
Wunden eitern, weil das gequetschte Gewebe sich in Eiter auflösen muss,
bevor es durch neues Fleisch ersetzt wird“ (primäre und sekundäre
Wundbehandlung).
Schale, um 500 v. Chr.: Achilles verbindet
Patroklos.
Im Traktat „Über die ärztliche Arbeitsstätte“ ist auch von der Technik des
Verbandes und seinen verschiedenen Arten die Rede. Nach diesen
Anweisungen soll das Verbandmaterial rein, leicht, weich und dünn sein
sowie in Breite und Dicke dem zu verbindenden Körperteil entsprechen.
Auch die Griechen benutzen deshalb vorwiegend feines Leinen als
Verbandstoff.
In der Schrift „Über die Knochenbrüche“, die mit grosser Wahrscheinlichkeit ebenfalls auf Hippokrates selbst
zurückgeht, wird wiederum das Anlegen von Verbänden beschrieben. Sie sollen weder zu fest noch zu locker sein,
über der Bruchstelle beginnen und nach festen Regeln erneuert werden.
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Gerade die Knochenchirurgie und die Wundbehandlung zählten zu den hoch entwickelten Künsten der
griechischen Heilkunde. Ein Umstand, der auf die vielen „äusseren Schäden“, auf Brüche und Verrenkungen durch
Kriegsverletzungen und nicht zuletzt auf häufig auftretende Sportverletzungen zurückzuführen gewesen sein
dürfte. Als ein Beispiel für die Behandlung einer kriegsbedingten Wunde heisst es in der „Ilias“: „Er schneidet mit
seinem Messer die scharfe und grausame Spitze aus seinem Fleisch, reinigt mit lauwarmem Wasser die Wunde
vom Blut und trägt eine mit den Händen zerdrückte, schmerzlindernde, bittere Wurzel auf. Die Wunde wird
trocken, das Blut kommt zum Stillstand, und die Schmerzen lassen nach.“
Sicherlich nicht umsonst wurde es für jeden Arzt als unerlässlich bezeichnet, einen genügend großen Vorrat an
Leinwandbinden, an Leinenpolstern und Leinenkompressen zu halten. Aber auch die Verwendung ungereinigter
Wolle war bei der Behandlung von Knochenbrüchen erlaubt, falls Leinenbinden nicht zur Hand waren. Dabei wurde
jedoch auf die Gefahr der Entzündung bei unsachgemässser Handhabung hingewiesen, wie dem Chirurgen generell
peinliche Sauberkeit als Pflicht auferlegt war. Tampons oder Dochte wurden schliesslich verwendet, um Wunden
offenzuhalten. Und als Vorläufer eines antiseptischen Wundverbandes könnten die mit starkem Rotwein
getränkten Leinenkompressen bezeichnet werden.
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Claudius Galen (129–216 n. Chr.)
Mit dem Verfall des hellenistischen Reiches wechselt auch der Schauplatz
der antiken Heilkunst. Rom tritt in Erscheinung. Etwa ab dem 3. Jahrhundert
v. Chr. beginnen griechische Ärzte, sich in Rom niederzulassen, und
griechisches Gedankengut beeinflusst zunehmend die römische Urmedizin,
die in ganz ausgeprägter Weise immer noch vor allem eine Angelegenheit
der Götter ist. Die römische Medizin erhält so relativ spät Impulse von der
griechischen Heilkunst, die dann allerdings entscheidend ihr Wesen prägen,
so dass durchaus von einer „gräko-romanischen“ Medizin gesprochen
werden kann. Die Säftelehre des Hippokrates wird vertieft und ebenso wie
die Pneumalehre von Galen dogmatisiert. (Man nahm an, dass in den
Arterien nur Luft und in den Venen nur Blut floss. Zugrunde lag dieser
Anschauung die Beobachtung, dass bei der Leichenschau Verstorbener
häufig kein Blut in den Arterien vorhanden war, während die Venen mit Blut
gefüllt waren.) Die methodische Schule allerdings entfernte sich von der
Ganzheitlichkeit und der natürlichen Ansicht des Körpers und förderte eine
Theoretisierung und Systematisierung des medizinischen Wissens. Die
Geburtsstunde der schulischen Medizin.
Mit dem grossen Lebenswerk Galens, der sicherlich zu den bedeutendsten
Persönlichkeiten der antiken Medizin zählt, endet auch eine grosse Epoche.
Er fasst noch einmal hippokratische Gedanken und Theorien zusammen
und verschmilzt sie mit den Lehren der Zeit. Es entsteht ein Werk, das trotz
mancher Irrtümer lange Zeit das Bild der mittelalterlichen Heilkunde prägen
sollte. Ganz wie es sich Galen mit fast prophetischer Ahnung erwünscht
hatte: „So hab ich bis ins Alter Praxis geübt und nirgends bis heute in
Therapie und Prognose übel bestanden, wie viele andere Ärzte von
höchstem Ruf. Wenn aber jemand gleichfalls durch Taten, nicht durch
kunstvolle Reden berühmt werden will, der braucht nur mühelos in sich
aufzunehmen, was von mir in eifriger Forschung während meines ganzen
Lebens festgestellt worden ist.“
Claudius Galen (129 bis ca. 216 n. Chr.),
römischer Arzt und Philosoph griechischer
Herkunft, hinterliess ein umfangreiches
Lebenswerk, das trotz mancher Irrtümer
als „Bibel“ der Medizin über viele Jahrhunderte die Heilkunst beherrschte. Ein
Hauptanliegen seiner wissenschaftlichen
Arbeit war die theoretische Fundierung
und Systematisierung des medizinischen
Wissens.
Bekannt ist aber auch eine Reihe von Werken, die der Praxis dienen sollten.
Ein herausragendes Beispiel ist die achtbändige Enzyklopädie „De medicina“
des römischen Arztes Aulus Cornelius Celus, von denen zwei Bände von „Krankheiten, die durch die Hand geheilt
werden“, also von der Chirurgie handeln. Die Vielfalt der beschriebenen Eingriffe wie beispielsweise
Fisteleröffnungen, Resektionen (operative Entfernung bestimmter Gewebeteile eines Organs) oder Amputationen
zeugen bereits von einem erstaunlichen Fortschritt der Chirurgie gegenüber der hippokratischen Medizin.
Zusätzlich zu Tupfern, Kompressen und der Kauterisation (Ausbrennen der Wunde mit einem heissen Eisen) wurde
auch erstmals versucht die Blutstillung durch Unterbinden der Glieder vorzunehmen. Ein in Essig, Wein oder
Wasser ausgedrückter Schwamm diente als direkter Wundverband, der mit Leinenbinden befestigt wurde.
Auch über die Verbandtechnik selbst ist aus der römischen Kaiserzeit reichlich Material erhalten geblieben. So
beschreibt z. B. der griechische Chirurg Heliodoros, der zur Zeit des Kaisers Trajan in Rom praktizierte, mit
minuziöser Genauigkeit die für alle Körperteile am besten geeigneten Verbände. Von Soranos von Ephesos, einer
der glanzvollsten Gestalten der antiken Medizin, ist eine Verbandlehre überliefert, die 60 zum Teil sehr
komplizierte Verbände umfasst und erstmals illustriert ist.
In den Galenischen Schriften finden sich bereits Anleitungen für insgesamt 108 Verbände, die allerdings nicht
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selten den Techniken von Heliodoros und Soranos nachempfunden sind. Ganz allgemein erscheint es so, dass der
kunstvoll angelegte Verband für den antiken Chirurgen von grösster Bedeutung war. Verschiedene Verbände
lassen zwar deutlich erkennen, dass sie weitaus mehr „theatralischen“ Zwecken als der medizinischen Indikation
dienten. Vieles aber, was zum Fixieren von Wundauflagen, zum Komprimieren oder zur Ruhigstellung der Glieder
erdacht wurde, hat in fast unveränderter Form auch heute noch Gültigkeit, wie z. B. der Schildkrötenverband, mit
der ein Ellenbogen oder Knie verbunden wurde oder den Kornährenverband für den Unterschenkel. Die Namen
erinnern noch an Herkunft des Wissen, heute jedoch sind diese Verbände durch elastischen Binden ersetzt
worden.
Entsprechend der differenzierten Aufgabenstellung des Verbandes wurden auch unterschiedlichste Binden aus
Leinen entwickelt. So waren einfache und mehrköpfige Rollbinden, zusammengenähte oder gespaltene Binden im
Gebrauch. Letztere wurden beispielsweise dazu verwendet, bei Kopf- oder Gesichtsverletzungen Leinwandstücke
auf der Wunde festzuhalten.
Ebenso sind Versuche bekannt, starre Verbände zur Ruhigstellung von Gliedmassen zu schaffen, die sich allerdings
auf die Anwendung von Mehlkleister, Harzen, Gummi oder Eiweiss beschränken. Aber auch grundsätzliche
Anweisungen zur Verbandtechnik wurden gegeben. So fordert Galen, dass der Verband Schmerzen vermeiden,
richtig sitzen, gefällig aussehen und sich schnell anlegen lassen soll. Die Binden sollen sauber sein und ihre Farbe so
gewählt werden, dass man nicht den Eindruck hat, sie seien von Blut durchtränkt.
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Ambroise Paré (1510–1590)
Die Wende zum 16. Jahrhundert ist nicht nur der Beginn umwälzender
Ereignisse in der abendländischen Geschichte, auch in der Medizin gibt es
durch Männer, die sich mutig herrschenden Lehrmeinungen und
festgefügten Traditionen entgegenstellen und so neue, dramatische Impulse
setzen. Eine ganze Reihe epochemachender Entdeckungen bringt endlich
den ersehnten Aufschwung in der Heilkunde.
So erwächst den Lehren Galens in der Gestalt des Paracelsus (14931541)
ein überzeugter Gegner, der sich scharf gegen den Formalismus und die
Naturfremdheit der Ärzte wendet und für die neuerliche Einbeziehung und
Beobachtung der Natur plädiert. Er beginnt, die noch junge Chemie für die
Therapie nutzbar zu machen und die Vorgänge zwischen anorganischer und
organischer Natur zu sondieren.
Der grosse Anatom Andreas Vesalius (15141564) erschüttert die Autorität
des galenischen Lehrgebäudes weiter. In seinen „Sieben Büchern vom Bau
des menschlichen Körpers“ zeigt er in wissenschaftlicher, sachlicher Arbeit
die Irrtümer der bisherigen Anatomie auf (wie z. B. die Pneumalehre  siehe
Claudius Galen) und begründet ein neues anatomisches Denken.
Auf dem Gebiet der Chirurgie und der Wundbehandlung wirkt der Franzose
Ambroise Paré (15101590) bahnbrechend. Seine „medizinische
Ausbildung“ begann Paré auf der untersten Stufe als Lehrling eines Barbiers
und vervollständigte seine chirurgischen Kenntnisse bei einem BarbierChirurgen am Hôtel-Dieu in Paris. Da ihm aufgrund der Ausbildung die
„höheren medizinischen Weihen“ verschlossen waren, blieb ihm nur der
damals übliche Weg über die Schlachtfelder als Militärchirurg oder
Feldscher. Und hier auf den Kriegsschauplätzen bewies er seine Genialität
als Chirurg, aber auch seine hohe moralische Sittlichkeit, die von
Frömmigkeit und Demut geprägt war. Er diente vier französischen Königen
als Chirurg auf Lebenszeit, bekleidete den Posten als Prosektor an der
Medizinischen Fakultät in Paris und praktizierte hier in kurzen
Friedenszeiten als niedergelassener Chirurg.
Claudius Galen (129 bis ca. 216 n. Chr.),
römischer Arzt und Philosoph griechischer
Herkunft, hinterliess ein umfangreiches
Lebenswerk, das trotz mancher Irrtümer
als „Bibel“ der Medizin über viele Jahrhunderte die Heilkunst beherrschte. Ein
Hauptanliegen seiner wissenschaftlichen
Arbeit war die theoretische Fundierung
und Systematisierung des medizinischen
Wissens.
Verbandstücke und Verbände aus dem
Werk „Gründlichen Bericht von den
Bandagen“ von Heinrich Bass aus dem
Jahre 1720.
Seine Entdeckungen und neue Behandlungsmethoden beziehen sich
hauptsächlich auf Kriegsverletzungen, wobei die erstmals von ihm
praktizierte Gefässunterbindung (Blutgefässe abbinden) bei einer Unterschenkelamputation anstelle der bisher
üblichen Kauterisierung (ausbrennen der Wunde) das wohl bedeutendste neue Verfahren darstellte. Grosse
Aufmerksamkeit widmete er des weiteren Schädelverletzungen, er entwickelte Augen- und Nasenprothesen. Und
ein Schlachtenerlebnis auf seinem ersten Feldzug führte auch zu einem Methodenwechsel in der Behandlung von
Schusswunden. Diese galten wegen des Schiesspulvers als vergiftet und wurden deshalb mit kochendem
Holunderöl kauterisiert. Auch Paré arbeitete nach dieser Regel, bis ihm eines Tages während eines besonders
hitzigen Gefechts das Öl ausging. Er sah sich gezwungen, stattdessen ein Digestivum aus Eigelb, Rosenöl und
Terpentin auf die Wunden aufzutragen.
Ich konnte in der Nacht gar nicht recht schlafen“, so berichtet Paré, „weil ich fürchtete, meine Verwundeten, die
ich doch nicht kauterisiert hatte, tot und vergiftet vorzufinden. Ich erhob mich darum im Morgengrauen und fand
zu meiner großen Erleichterung die, denen ich das Digesitvum gegeben hatte, mit wenig Schmerzen und ihre
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Wunden ohne Entzündung oder Schwellung, und sie hatten die ganze Nacht gut geschlafen. Die anderen aber, bei
denen ich das kochende Öl verwendet hatte, fand ich fiebernd, mit großen Schmerzen und Schwellungen um ihre
Wunden. Da beschloß ich, niemals mehr so grausam die Armen, von Feuerwaffen Verwundeten zu brennen“
(Goemann).
Die Geschichte dieser zufälligen Entdeckung kann dabei als Beispiel gelten für das Wirken der Ärzte in jener
Epoche. Mehr Praktiker als Theoretiker, suchten sie alle möglichen Quellen und Erfahrungen für ihre Medizin zu
nutzen. Nicht selten erforderte es hierzu den Einsatz der ganzen Persönlichkeit, sich gegen herrschende
Lehrmeinungen zu verteidigen und durchzusetzen.
Die neuen Erkenntnisse in der Anatomie des menschlichen Körpers, in der Chirurgie und in der Wundbehandlung
hatten zur Folge, dass auch die Verbandlehren neu illustriert und erörtert wurden. Als Verbandmaterial fanden,
wie bereits seit Jahrhunderten, vorwiegend Leinen, Hanfwerg, Wolle und rohe Baumwolle Verwendung. Aber auch
Seide wurde zur Herstellung von Binden empfohlen. Im Jahre 1707 veröffentlichte der Franzose Pierre Dionis sein
Lehrbuch „Cours d’opérations de chirurgie“, das bis ins 19. Jahrhundert hinein benutzt wurde.
Beeinflusst von der französischen Chirurgie haben in Deutschland vor allem Heinrich Bass und später Joachim
Friedrich Henckel ihre Verbandlehren vorgelegt, die ebenfalls über lange Zeit als medizinische Standardwerke für
junge Chirurgen galten.
Auffallend ist dabei die Vielzahl der Verbandstoffe, aber auch der sonstigen medizinischen Hilfsmittel und
chirurgischen Geräte, die in dieser Zeit entwickelt wurden und gebräuchlich waren. Sie zeigen deutlich, wie sehr
man um die Lösung medizinischer Probleme bemüht war. Aber immer noch standen der Weiterentwicklung der
Chirurgie zwei grosse Hindernisse im Weg: die unmenschlichen Schmerzen, die jeder Eingriff verursachte, und die
fast immer eintretende Wundinfektion, die nicht selten zunächst geglückte Operationen letztlich doch scheitern
liess.
Im Hauptteil der Verbandlehren werden dann die Indikation der Verbandstoffe und die speziellen
Verbandtechniken erläutert. Auch mögliche Schädigungen des Patienten sind miteinbezogen. Interessant ist in
diesem Zusammenhang, dass Bass bereits die Gefahren bei Verwendung unsauberen Verbandmaterials schildert
und die schlimmen Zustände in den Krankenhäusern anprangert. Er hat bereits die Auswirkungen der
Kontaktinfektion gesehen, obwohl deren Ursachen noch unbekannt waren.
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Joseph Lister (1827–1912)
Die grundsätzliche Vorstellung, dass es in der Atmosphäre oder in den
Ausdünstungen des Bodens krankheitsauslösende Stoffe und winzige
Lebewesen gebe, hegte man seit Tausenden von Jahren. Die Griechen
glaubten dass so genannte Miasmen, Ausdünstungen von stillstehenden
Gewässern und aus kranken Menschen, durch Luftübertragung in die
Wunde gelangen und dort Eiter hervorrufen konnten, und hatten zur
Bekämpfung bereits Hygieneregeln aufgestellt. Lazzaro Spallanzani (1729–
1799), ein italienischer Physiologe und Naturforscher, wies bereits im 18.
Jahrhundert nach, dass sich in einer versiegelten, mit Flüssigkeit gefüllten
Flasche, in der durch langsames Erhitzen jegliches Lebewesen vernichtet
worden war, kein lebender Organismus entwickeln konnte. Von diesem
Wissen machten Nahrungsmittel- und Weinhersteller Gebrauch – nicht aber
die Wissenschaft.
Dann kam Louis Pasteur (1822–1895). Pasteur war Chemiker, seine
bedeutendsten Leistungen aber hat er für die Medizin vollbracht. Über
seine Forschungsarbeit zum Prozess der Gärung kam er zu der
Überzeugung, dass auch die ansteckenden Krankheiten von Mikroben
verursacht werden. Man musste die Erreger finden und zugleich Methoden,
sie zu bekämpfen. Im Februar 1874 erhielt Pasteur einen Brief von dem
englischen Chirurgen Joseph Lister, der ihn zu seinen Entdeckungen
beglückwünschte. Gleichzeitig dankte ihm Lister, dass er es ihm durch seine
Forschungen ermöglicht habe, ein wirksames Schutzsystem, nämlich das
„antiseptische” Verfahren, zu entwickeln. Ermutigt vom Brief Listers
entschloss sich Pasteur, selbst das Studium der Human- und
Veterinärpathologie aufzunehmen. Er untersuchte zunächst den Milzbrand,
entdeckte eine Reihe neuer pathogener Mikroben und begann schliesslich
an Impfungen zu arbeiten. Seine berühmteste Leistung auf diesem Gebiet:
die Schutzimpfung gegen die Tollwut 1885.
Joseph Lister kommt der Verdienst zu, als erster Kliniker aus Pasteurs
Beobachtungen praktische Konsequenzen gezogen zu haben. Er gewann die
Überzeugung, dass nicht, wie bisher angenommen, die schlechte Luft in den
Krankensälen die Wundeiterung verursachte, sondern eben die in der Luft
enthaltenen Keime. Um diese Keime von den Wunden fernzuhalten bzw.
bereits in der Wunde enthaltene Keime zu vernichten, führte er den mit
dem Desinfektionsmittel Karbolsäure getränkten Wundverband ein. Zudem
versuchte er, alles zu reinigen, was mit einer Operation zu tun hatte: die
Instrumente, die Verbandstoffe, die Hände des Chirurgen usw. So wurde
während den Operationen jeweils reichlich Karbol zerstäubt.
Die drei Abbildungen zeigen anschaulich
die Entwicklung der Antisepsis zur Asepsis.
Abb. Oben: Operation mit Karbolsäure
nach der antiseptischen Methode Listers
(Holzstich von 1882). Der Schutz des
Operationsgebietes wird durch den
„Karbolregen“ gewährleistet. Operateur
und Assistenten tragen jedoch noch ihre
normale Strassenkleidung, auch
Handschuhe und Mundschutz sind noch
nicht gebräuchlich.
Mit dem listerschen Gedanken der Antisepsis wurde ein neues Zeitalter der Chirurgie eingeleitet. Sein im Jahre
1867 publiziertes Verfahren machte trotz mancher Widerstände Schule, die Todesraten in den von Eiter und
Wundbrand verseuchten Hospitälern konnten entscheidend gesenkt werden. Doch die anfänglichen Erfolge
zeigten bald auch ihre Schattenseiten. Die Karbolsäure erwies sich als giftig, sie reizte Wunden und Haut und
erzeugte schliesslich auch dort Eiter, wo man ihn verhindern wollte. Man erkannte, dass es noch wichtiger war, die
Krankheitserreger durch vorbeugende Maßnahmen von Anfang an von den Wunden fernzuhalten. Aus dem
Verfahren der „Keimvernichtung“ (Antisepsis) entstand eine von vornherein „keimfreie Arbeitsweise“ (Asepsis).
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Stellvertretend für viele, die sich Verdienste bei der Verbreitung der Asepsis erworben haben, ist vor allem der
deutsche Chirurg Ernst von Bergmann (1836–1907) zu nennen. Realisierbar wurde die Asepsis durch seine
Erfindung des Dampfsterilisators (Autoklav), durch die Schaffung abgegrenzter OP-Bereiche, die nur mit weissen
Kitteln und steriler Kleidung betreten werden durften, durch das Tragen von Gummihandschuhen, die erstmals für
Operationen empfohlen wurden, und nicht zuletzt durch neue Verbandstoffe, die die hygienisch sehr fragwürdige
Scharpie (Fasern von zerzupften von Baumwoll- oder Leinenstoffen) endlich ablösten.
Die umwälzenden Neuerungen auf dem Gebiet der Wundbehandlung erforderten erstmals seit Jahrhunderten
auch neue Verbandstoffe. Lister benötigte beispielsweise für seinen Okklusivverband eine Reihe von
Verbandstoffen, wie sie bisher in dieser Art und Weise nicht verwendet wurden. Professor von Nussbaum,
Generalstabsarzt in München, schildert anlässlich eines Vortrages im Jahre 1875 das Verfahren folgendermassen:
„Während des Carbolsäure-Regens wird jede Wunde, mit 10 neuen Schichten verbunden. Direkt auf die Wunde
kommt meist ein mit Dextrin präparierter Seidenstoff, der die Wunde vor Berührung der antiseptischen Stoffe
schützt und über dieselbe gleichsam eine zarte Haut bildet. Über diesen Seidenstoff, der ebenfalls mit CarbolsäureLösung benetzt ist, wird eine mit verdünnter Carbolsäure angenetzte Schichte von Listers antiseptischem Gaze (ein
feiner Mull, getränkt mit Carbolsäure, Harz und Parafin) gelegt; dann kommen 6 Schichten trockenen
antiseptischen Gazes, welche weit über den Seidenstoff hinausreichen, und zur Aufnahme und Desinfection des
Wundsecretes bestimmt sind. Endlich kommt eine impermeable Schichte von Mackintosch (gummierter
Baumwollstoff), welcher ebenfalls mit verdünnter Carbolsäure angenetzt ist. Schliesslich kommt noch eine trockne
Schichte Gaze und das Ganze wird mit Pflaster und Binden gut befestigt, damit es an Ort und Stelle bleibt. An
passenden Plätzen kann anstatt des antiseptischen Gazes eine Paste von Schlemmkreide und Carbolöl (1 T
Carbolsäure, 4 T heisses Leinöl) gelegt und mit Stanniol (Zinnfolie) gedeckt werden. "
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Victor von Bruns (1812–1883)
Der schnellen Verbreitung der listerschen Methode musste zwangsläufig
eine starke Nachfrage nach Verbandstoffen folgen, die alleine schon aus
Kostengründen zu einer wirtschaftlichen, industriellen Fertigung führte.
Paul Hartmann hatte in seiner Verbandstofffabrik bereits im Jahre 1874 die
Fertigung von Carbolgaze nach brieflicher Anweisung von Sir Joseph Lister
aufgenommen. Aufgrund des raschen Aufschwungs konnten schon bald
immer bessere Qualitäten zu immer günstigeren Preisen geliefert werden.
Alle anderen Versuche, Stoffe wie Jute, Sumpfmoos oder Papier als
Verbandstoff einzusetzen, hatten somit stets nur sporadische Bedeutung
und konnten den Siegeszug der Baumwollgewebe nicht aufhalten.
Aber noch ein weiteres Material trägt in dieser Zeit dazu bei, die Herrschaft
der Scharpie (Fasern von zerzupften von Baumwoll- oder Leinenstoffen)
endgültig zu brechen: die Baumwollwatte. Obwohl sie bereits seit längerer
Zeit für Verbandzwecke im Gebrauch war, z. B. zur Einhüllung ganzer
Gliedmassen oder zur Polsterung einzelner Stellen bei Knochenbrüchen,
konnte sie sich in der Wundversorgung aufgrund ihrer nur geringen
Saugfähigkeit gegenüber der Scharpie nicht durchsetzen.
Victor von Bruns und seine Erfindung.
Die Frage nach der Ursache für die geringe Saugfähigkeit der Baumwolle
suchte nun der Tübinger Chirurg Prof. Victor von Bruns zu klären. Zu seinen
Versuchen, die er zusammen mit dem Apotheker Johannes Schmid
durchführte, schreibt er später: „Hier angestellten Versuchen zufolge liegt
die Ursache dieser Eigenschaft in einer wachsartigen Substanz, welche
höchstwahrscheinlich die Oberfläche der Baumwollfäden, ähnlich den
glänzenden Pflanzenblättern, wenn auch nur in höchst minimaler Menge
überzieht. Durch Behandlung mit Äther lässt sich dieser Stoff ausziehen und
nach Abdampfen des Äthers als eine fettige, weiche, wachsähnliche Masse
darstellen. Bequemer und wohlfeiler als durch Äther, namentlich für den
Gebrauch der Baumwolle in Krankenhäusern, geschieht die Entfernung
dieses Stoffes durch Kochen der rohen Baumwolle mit einer vier
prozentigen Sodalösung...“
1867 erwarb Paul Hartmann sen. (1812–
1884) die sogenannte Scheckenbleiche in
Heidenheim und gründete eine
Textilfabrik. Mit der Produktion der
epochemachenden neuen Verbandstoffe,
der listerschen Gaze und der
Baumwollwatte, wurde dann schon bald
der Grundstein für einen neuen
Industriezweig, die Verbandstoffindustrie,
gelegt.
Bruns publizierte sein Verfahren zur Entfettung der Baumwolle erstmals am 2. August 1870 im „Schwäbischen
Merkur“. Schon am 16. August desselben Jahres veröffentlichte auch der Arzt Dr. Karl Ehrle eine Mitteilung über
blutstillende Watte, zu deren Herstellung er die Baumwolle ebenfalls zuerst entfettet hatte. Den Anstoss zu beiden
Publikationen gab der Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 und der damit zu erwartende grosse
Scharpie-Bedarf.
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Heinrich Theophil Bäschlin in Schaffhausen und Paul Hartmann in Heidenheim an der Brenz nahmen daraufhin
noch während des Krieges die Herstellung von Baumwollwatte auf und stellten sie ab 1872 auf industrieller Basis
her. Damit und mit der nur kurze Zeit später einsetzenden Fertigung der listerschen Gaze war der Grundstein für
einen neuen Industriezweig, die Verbandstoffindustrie, gelegt. Sie begann nun zielstrebig, dem Arzt immer mehr
seiner vorbereitenden Tätigkeiten abzunehmen, mit denen er bisher in starkem Masse belastet war.
Besondere Sorgfalt wurde dabei der Fertigung steriler und imprägnierter Verbandstoffe gewidmet, zumal die
Zusammenhänge zwischen der Wundheilung und der Wirkung des Verbandstoffes in den Grundzügen ja bereits
sichtbar geworden waren. Ganz gleich, ob es sich um mit Carbolsäure, Jodoform oder Borsäure imprägnierte
Watten oder Gazeprodukte handelte, all diese Verbandstoffe trugen nicht unwesentlich zur Bekämpfung
sekundärer Wundinfektionen bei. Bereitwillig nahm die Industrie aber auch zahlreiche Vorschläge und Anregungen
aus der Praxis auf und entwickelte sie weiter. Allein das breite Fertigungsprogramm der Verbandstofffabrik Paul
Hartmann aus diesen frühen Jahren ist ein beredter Beweis für den regen Gedankenaustausch in jener Zeit. Einige
Beispiele dazu sind neben der Karbolgaze auch Karbol-Seide und -Catgut (Darmfaden) nach Lister oder der
Jodoformgaze-Verband nach Mikulicz um nur einige zu nennen.
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Dr. Heute
Trotz aseptischer Arbeitsweise bei der Wundbehandlung stellte man bald fest, dass in jede Zufallswunde pathogene
Keime gelangen können, denen mit keimfreier Wundversorgung nicht beizukommen ist. Man erkannte die „Virulenz
der Bakterien“, d. h. die Infektions- und Vermehrungskraft der Mikroben in der Wunde. Paul Leopold Friedrich,
Chirurg in Greifswald, beschäftigte sich mit diesem Problem und teilte im Jahre 1898 das Ergebnis seiner Versuche
mit: „Wenn man eine Wunde mit Erdkeimen infiziert und sie innerhalb von 6 Stunden in toto ausschneidet, bleibt
die Infektion aus.“ Damit ist der Begriff der Auskeimungs- oder Inkubationszeit geschaffen, der Frist für die
Anpassung der Keime an die Wundverhältnisse bis zu ihrer Vermehrung.
In die Periode grosser Fortschritte, aber auch grosser Unsicherheit in der Wundbehandlung fällt dann die
Entdeckung der Sulfonamide (erstes antibakterielles Medikament) durch Gerhard Domagk (1932) und wenige Jahre
später die Einführung des Penicillins durch Alexander Fleming. Nach jahrzehntelanger Erfahrung ist heute jedoch
festzustellen, dass mit dem Einsatz von Antibiotika die Problematik der Verhütung und Bekämpfung von
Wundinfektionen nicht grundsätzlich gelöst werden konnte. Vielmehr führte die oft unkritische Antibiotika-Gabe
durch Selektion zur Entwicklung antibiotikaresistenter Bakterienstämme, die vor allem im Krankenhausbereich als
besonders virulente Hospitalismuskeime neue Probleme aufwerfen. Gefordert wird heute eine strenge
Indikationsstellung beim Einsatz von Antibiotika, die natürlich gleichzeitig mit einer disziplinierten Beachtung der
aseptischen Regeln und einem subtilen Wundmanagement einhergehen muss.
Beispiel aus einer Broschüre für moderne Wundbehandlung. Klar ersichtlich die speziellen Wundpflaster
für eine optimale Unterstützung der verschiedenen Wundheilungsphasen.
Der Forschungsaufwand, der betrieben wurde und wird, um den medizinischen Fortschritt zu sichern, ist enorm und
berührt viele naturwissenschaftliche Disziplinen. Profitiert hat davon auch der Bereich der Wundheilung, und
wenngleich noch längst nicht alle Vorgänge der Wundheilung hinreichend erklärt sind, lassen sich doch aus dem
bekannten Wissen eine Reihe therapeutischer Massnahmen ableiten, die die körpereigenen Bemühungen, die
Kontinuität der Hautdecke wiederherzustellen, in sinnvoller Weise unterstützen. Wie Paracelsus in seiner Zeit schon
beobachtet hat, und was jetzt wissenschaftlich nachvollziehbar ist, folgt die Natur einem einheitlichen Schema, das
heute als Schema der Wundheilungsphasen bekannt ist. Es beginnt mit der Blutgerinnung, dann wird die Wunde
von untergegangenem Gewebe, Fremdkörpern und Keimen gereinigt und schliesslich neues Gewebe zur
Defektfüllung aufgebaut, das sich mit der Zeit in belastbares Narbengewebe umbaut.
Dementsprechend orientiert sich auch eine zeitgemässe Wundbehandlung an den Wundheilungsphasen, um eine
möglichst optimale externe Unterstützung der einzelnen, zeitlich aufeinander folgenden zellulären Vorgänge zu
erreichen.
Seit den Arbeiten von Georg Winter zur modernen Okklusivbehandlung, die 1962 in „Nature“ publiziert wurden,
gehört dazu vor allem auch, sekundär heilende Wunden „feucht“ zu behandeln und nicht auszutrocknen. Denn nur
in einem permanent feuchten Wundmilieu finden die an den Reparationsprozessen beteiligten Zellen ideale
Bedingungen. Dabei hat die Erkenntnis über die signifikanten Vorteile einer Feuchttherapie gegenüber der
03 / Erste Hilfe
Wundbehandlung früher und heute
Infotext Persönlichkeiten
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Versorgung mit trockenen Wundauflagen gerade in den letzten Jahren zur Entwicklung spezialisierter
Wundauflagen geführt. Sie saugen nicht mehr nur Wundsekrete auf und schützen die Wunde vor schädlichen
äusseren Einwirkungen, sondern sind in der Lage, durch ihre physikalischen Eigenschaften auf problemlose Art ein
heilungsförderndes, feuchtes Wundmilieu zu schaffen.
Während nun die Heilung akuter, traumatischer Wunden nicht zuletzt dank den enormen Möglichkeiten der
plastischen Chirurgie im Allgemeinen gut beherrscht wird, stellen chronische Wunden, gleich welcher Art, nach wie
vor eine grosse Herausforderung an das ärztliche Können dar. Betroffen von chronischen Wunden sind vor allem
ältere Menschen, und die Veränderung der Altersstruktur hin zur Überalterung der Bevölkerung weltweit wird zu
einer weiteren deutlichen Zunahme der Zahl chronischer Wunden führen.
Die Geschichte der Wundheilung wird also weitergeschrieben werden müssen, und es wird sich zeigen, ob neue,
eventuell gentechnische Fortschritte oder die Entwicklung bioaktiver Wundauflagen die Probleme werden lösen
helfen. Das medizinisch-wissenschaftliche Engagement ist vorhanden.
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