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Reizgase, Inhalationstrauma (Toxisches Lungeödem)
Definition
Der Begriff Reizgase umfasst alle Gase, Dämpfe, Stäube sowie Rauch und Nebel, die nach
einer Inhalation zu einer Schädigung der Atemwege oder des gesamten Organismus führen.
Leitsymptom der Reizgasvergiftung ist die Atemnot, welche durch verschiedene
Mechanismen ausgelöst werden kann:
direkte Schädigung der Schleimhäute des Respirationstraktes,
Auslösung einer Atemnot durch fehlbesetztes Hämoglobin
direkte Schädigung des Organismus durch das Gift selbst
Kommt es zu einer toxischen Schädigung der Alveolarmembran und der pulmonalen
Kapillarwände, führt dies zu einem Austritt von Flüssigkeit aus der Lungenstrombahn in das
Lungenzwischengewebe und die Alveolen.
Die schädigenden Substanzen werden in der Regel über die Atemwege inhaliert
(Reizgasintoxikation), es handelt sich in erster Linie um chemische Substanzen wie z.B,
Art des Reizgases
Eigenschaften
Gelbgrün, stechender Geruch
Chlor
Phosgen
Farblos, schwach riechend
(nach Heu)
Farblos, stechender Geruch
Ammoniak
Schwefeldioxid
Schwefelwasserstoff
Farblos, nach faulen Eiern
riechend
Farblos, nach faulen Eiern
riechend
Vorkommen (Beispiele)
Chem. Industrie,
Schwimmbäder,
Haushaltsreiniger
Brandgase (Verbrennungen
von PVC), chem. Industrie
Chem. Industrie, Kühltechnik,
Haushaltsreiniger,
Düngemittel
Papierindustrie, Verbrennen
fossiler Brennstoffe
Jauchegrube, Kläranlagen
Die akute Lebensbedrohung nach einer Reizgasinhalation entsteht durch die Ausbildung
eines toxischen Lungenödems.
Das toxische Lungenödem kann sich entweder unter Einwirkung des Reizgases direkt
ausbilden oder sich erst nach einer Latenzzeit von einigen Stunden entwickeln („sekundäres
Ertrinken“).
Merke: Deshalb ist bei jedem Verdacht auf Reizgasintoxikation eine entsprechende
(stationäre) Überwachung für 24-36 Stunden erforderlich. (Mitfahrverweigerung!!)
Cave: Rettungsmaßnahmen unter besonderer Beachtung des Eigenschutzes !!
Ersteller: Dieter Rothmann
Seite 1
Datum: 18.05.2003
Symptome
Hustenreiz;
Würgereiz;
Augentränen;
retrosternale (hinter dem Brustbein) Schmerzen;
o Stichworte: Kohlenmonoxidvergiftung, Inhalationstrauma
zunehmende, hochgradige Atemnot;
Orthopnoe (schwerste Atemnot);
o Häufig Einsatz der Atemhilfsmuskulatur zu sehen
Zyanose (Blaufärbung);
Haut: gräulich, schweißnass, kalt;
o Stichwort: Schock
brodeln, Rasseln (schon von weitem hörbar);
o Stichwort: Lungenödem
evtl. schaumig-rotes Sputum;
Tachykardie;
Blutdruckabfall bis hin zum Schock;
Anfänglich oft spastische Atmung (asthma cardiale).
Cave: Bei dem Verdacht einer Rauchgasintoxikation, muss immer an ein Inhalationstrauma
gedacht werden. (Stichworte: Verbrannte Nasenhaare, Wimpern; Russ an den äußeren
Atemorganen) Sollte sich ein Verdacht auf ein Inhalationstrauma verhärten, ist deren
betroffene Fläche mit bis zu 15% der Körperoberfläche gleichzusetzen.
Diagnose
Anamnese, äußere Umstände: Zimmerbrand, Garage, Fahrzeuge mit laufendem
Motor
Inspektion: Verbrennungen ?
BAK
o Blutdruck-, Pulsmessung
EKG
Pulsoxymetrie:
o Cave: Fehlmessung bei zusätzlicher CO-Vergiftung! Dann falsch hohe
Werte!
Blutzuckeruntersuchung: Bei Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Krämpfen
Giftgasnachweis durch Gasspürgeräte der Feuerwehr.
In der Klinik: COHB-Bestimmung (Wie viel Hämoglobin ist mit Kohlenmonoxid
besetzt?), Blutgasanalyse, Röntgenthorax (Hat sich Wasser in der Lunge gesammelt?)
Ersteller: Dieter Rothmann
Seite 2
Datum: 18.05.2003
Therapeutische Maßnahmen:
Lagerung: Oberkörper hoch lagern, Beine tiefe (Entlastung des Herzen)
Atemwege freimachen/freihalten
o
Nach der Kontrolle der Vitalfunktionen evtl. Schocklage.
Beruhigung
o Stichworte: Atemnot, Schmerzen, Suizidale Absicht, Verlust des
Eigenheimes…
Sauerstoffgabe: 4-6-10 l O2/min
o Sauerstoffkatheder, Sauerstoffmaske
Ständige Kontrolle der Vitalfunktionen (BAK)
Wärmeerhalt
Evtl. Versorgung von Verbrennungen
Erweiterte Maßnahmen
Vorbereitung und anlegen eines venösen Zugangs (Vollelektrolytlösung)
o Stichwort: Blutdruckabfall, regelmäßiges Monitoring
Applikation von Kortikoiden (Pulmicort-Spray, Wirkstoff: Budesonid)
o 5 Hübe alle 5 Minuten (am Besten den Patienten selbst sprühen lassen)
evtl. je nach schwere, Vorbereitung der Intubation und Beatmung mit PEEP (präkl.
max. 5 cmH2O)
Applikation von ß2-Sympathomimetika (z.B. BronchoSpray, Wirkstoff: Salbutamol)
o Cave: Notarztindikation, Ausreichende Anamnese und Ausschluss von
Risikofaktoren (keine Maßnahme der Notkompetenz)
Hinweis:
Die Wirksamkeit der Kortikoidtherapie (Beispiel: Pulmicort, Wirkstoff: Budesonid), auch die
i.v. Applikation, bei Reizgasinhalationstrauma sind derzeit noch unbewiesen (Fehlen an
aussagekräftigen Studien); dennoch ist die Gabe eine allgemeine Empfehlung.
Weitere Medikamente, welche evtl. durch den Notarzt eingesetzt werden:
Kortison per i.V. Applikation (Medrate, Fortecortin)
Euphyllong (Wirkstoff: Theophyllin)
Diazepam (5-10mg)
Morphium (5-10mg)
o Morphium bewirkt neben der Sedierung auch eine therapeutisch relevante
Entlastung des kleinen Kreislaufs)
Lasix (Wirkstoff: Furosemid) (40-60mg)
Ersteller: Dieter Rothmann
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Datum: 18.05.2003
Pulmicort
Wirkstoff: Budesonid
Wirkung:
-
wirkt den Entzündungsmechanismen bei der Reizgasinhalation
entgegen
-
5 Hübe alle 5 Minuten oder 1 Hub jede Minute
Dosierung:
Nebenwirkungen:
-
Heiserkeit
leichte Reizung der Schleimhaut mit Schluckbeschwerden
Hustenreiz
Befall der Mund- und Rachenschleimhaut mit dem Pilz Candida
albicans
Vereinzelt kann es zu Überempfindlichkeitsreaktionen und zu
paradoxen Atemwegsverkrampfungen kommen
Kontraindikationen
-
Ersteller: Dieter Rothmann
Lungenentzündung
bakterielle oder durch Pilze verursachte Atemwegsinfektionen
Seite 4
Datum: 18.05.2003
Im Überblick
Reizstoffinhalation und toxisches Lungenödem
Definition:
-
Schädigung der Alveolarwand (Wand der Lungebläschen) mit anschließendem
Flüssigkeitsübertritt in die Lunge durch inhalierte Giftstoffe
Ursache:
-
Einatmen von bestimmte gasförmigen Substanzen in die tiefen Lungenabschnitte:
Rauchgas bei Wohnungsbränden, CS-Gas (Abwehrgas) oder Chlorgas im
Schwimmbad
Folge:
-
Toxisches Lungenödem
Störungen des Gasaustausches in der Lunge
>> Sauerstoffmangel
Symptome:
-
Atemnot, evtl,. Zyanose
Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen
Husten- und Würgereiz
Speichelfluss
Tachykardie
Oft brennender Schmerz retrosternal beim Einatmen
Schleimhautreizung evtl. auch an den Augen und im Mundbereich
Maßnahmen:
-
BAK
Lagerung mit erhöhtem Oberkörper, bei gleichzeitiger Möglichkeit die Arme nach
hinten aufzustützen (Atemhilfsmuskulatur)
Beruhigender Zuspruch (PEH)
Fenster und Kleidung öffnen
EKG-Ableitung (evtl. st-Streckensenkung)
Pulsoximetrie
Evtl. Notarzt rufen
Sauerstoff – Inhalation
Ereiterte Maßnahmen:
-
Unterstützung bei der Anwendung von inhalativen Glucocorticoiden
(Auxiloson/Pulmicort) zur Lungenödemprophylaxe
Ermittlung der Rauchgaszusammensetzung durch die Feuerwehr
Genaue Anamnese: Dauer der Rauchgasexposition, Vorerkrankungen der
Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems
Ersteller: Dieter Rothmann
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Datum: 18.05.2003
Literaturhinweise
Memorix-Notfallmedizin, S. Müller, Verlag: Chapman&Hall, 3. Auflage
Rettungsmedizin, T. Ziegenfuß, Thieme-Verlag, 1997
Arzneimittelwirkungen, E. Mutschler, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH
Stuttgart, 7. Auflage
Ersteller: Dieter Rothmann
Seite 6
Datum: 18.05.2003
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