Gerard Poldervaart [email protected] Calciumtransport in die Früchte ist ein komplizierter Prozess Info Nicht viel, aber oft Nach Meinung von Baab ist ein häufiges Spritzen calciumhaItiger Produkte in einer relativ niedrigen Dosis besser als ein weniger häufiges Spritzen in einer höheren Dosis. Sein Motto lautet: ,,viel hilft nicht immer viel." Calcium ist einer der wichtigsten Nährstoffe für einen Obstbaum. Esist allgemein bekannt, dass ein Calciummangel in den Früchten zu einem nicht unerheblichen Teil für Lagerkrankheiten wie Stippe, Schalenbräune und Fleischbräune verantwortlich ist. Weniger bekannt ist, dass Calcium auch einen Einfluss auf die Anfälligkeit für Fruchtfäule und sogar Stress hat. Eine gute Calciumzufuhr zu den Früchten ist daher essenziell für eine gute Fruchtfleischqualität. Manche Nährstoffe wie Stickstoff werden im Herbst von den Blättern zu den Ästen transportiert und dort gespeichert. Im Frühjahr verwendet die Pflanze die gespeicherten Reserven dazu, Blüten, Blätter und junge Früchte zu versorgen. Für Calcium gilt dies nicht. Der Großteil der erforderlichen Calciummenge muss jedes Jahr aufs Neue vom Baum aufgenommen und zu den Früchten transportiert werden. Eine Vielzahl von Faktoren und Umständen hat einen Einfluss auf die Aufnahme von Calcium und dessen Transport zur Frucht. Manche davon kann der Obstbauer beeinflussen, andere nicht. Aufnahme und Transport Die Aufnahme von Calcium aus dem Boden hängt abgesehen von der verfügbaren Calciummenge vom Säuregrad (pHl des Bodens, der Bodentemperatur, dem Umfang des Wurzelsystems und der Wassermenge im Boden ab. Aufgenommenes Calcium wird mit dem Saftfluss durch die Pflanze in Ein schwaches Wachstum ist positiv für den Caldumgehait In den Früchten. 16 EFM 2011-04 Richtung Blätter und Früchte transportiert. Die Verdünstung ist hier die treibende Kraft. Am meisten Calcium nehmen die Früchte in der Zellteilungsphase auf. Sie beginnt mit der Blüte und endet, wenn die Früchte die Größe einer Walnuss erreicht haben (Walnussstadium).ln der Zellstreckungsphase, also zwischen Walnussstadium und Ernte, ist die Aufnahme deutlich geringer. Weil über die Blätter etwa zehnmal so viel Wasser verdunstet als über die Früchte, wird das Calcium vorwiegend in die Blätter transportiert. Dazu kommt noch, dass wachsende Triebe den Früchten Calcium entziehen. Die Hemmung des Triebwachstums hat also einen positiven Einfluss auf die Calciumversorgung der Früchte. Versuche des DLR Rheinpfalz - Kompetenzzentrum Gartenbau (KoGa) haben eindeutig den Einfluss von Wachstumshemmung durch Wurzelschnitt auf den Stippebefall bei Cox Orange Pippin nachgewiesen. Dies erläuterte Forscher Gerhard Baab in seinem Vortrag auf dem Seminar des Vereins der Absolventen Landwirtschaftlicher Schulen Ende Januar in Ritten bei Bozen (Italien). Einfluss von Wachstumshemmung Abbildung 1: Einfluss von diversen Calciumblattdüngern und Wurzelschnitt auf das Auftreten von Stippe bei Cox Orange Pippin % Stippe 80~~69~-------------------------------------------70 60 50 40 30 20 10 o • Ohne Wurzelschnitt • Mit Wurzelschnitt Quelle: DLR Rheinpfalz Tabelle 1: Deliqueszenzpunkte verschiedener Calciumsalze (Thomas. Eichert; Uni Bonn; INRES-Pflanzenernährung) Calciumsalz Deliqueszenzpunkt Calciumchlorid 31% Calciumnitrat 54% Calciumformiat 96% (DQI In einem Versuch mit der Sorte Cox Orange Pippin wurden im Juli und August sechs Mal verschiedene calciumhaltige Blattdünger gespritzt. Die Hälfte der Bäume bekam einen Wurzelschnitt, die andere Hälfte nicht. In allen Fällen sorgte der Wurzelschnitt für weniger Stippebefall. Bei den Bäumen ohne Wurzelschnitt wiesen bei der Beurteilung im Dezember durchschnittlich (alle Behandlungen) 39 % der Früchte Stippe auf. Bei den Bäumen mit Wurzelschnitt waren es nur" %. Auch bei der Sorte Berlepsch stellten die Forscher des DLR Rheinpfalz bei Bäumen mit Wurzelschnitt einen höheren Calciumgehalt (4,5 Milligramm pro 100 Gramm Frischgewicht) als bei den Bäumen ohne Wurzelschnitt (4,2 Milligramm pro 100 Gramm Frischgewicht) fest. Schalenbräune und Stippe traten bei den Bäumen mit Wurzelschnitt in geringem Ausmaß auf. Eine Wachstumsförderung durch eine hohe Stickstoffdüngung kann dagegen Lagerschäden Vorschub leisten. Baab und seine Kollegen entdeckten bei der Sorte Pinova einen Zusammenhang zwischen der Höhe der Stickstoffdüngung und dem Auftreten von Stippe. 13-'08_010 1e·:2 c.AL. •••.•~ ~AL.ZI·· ••••• ~~ t""P" t ~~ -\Uf& •..••.• """ lJftE~"" e.A.,-C\\JWt - E( CALCluMCI-lLOf\\oe. - SC~I\ CLORU ALCICO • LA•• , CALCI ORURO • sc. Cl-il..Q CALCI~MKLORIO • SK KALCIUMKLORIO • KALSIUMKLORIO • FLO CHLORIO VAPENATY· $ FLiN Aufnehmbarkeit Zur Erhöhung des Calciumgehalts in den Früchten kann der Obstbauer aus einer ganzen Reihe von Calciumblattdüngern wählen. Die Mittel weisen allerdings Unterschiede bei ihren Eigenschaften, darunter die Löslichkeit, und bei eventuellen phytotoxischen Auswirkungen auf Blätter und Früchte CalcIumprodukte unterschieden sich Im Ausmaß ihrer Aufnehmbarkeit. EFM EFM 2011·04 17 auf. Bei der Aufnahme spielen unter anderem der Deliqueszenzpunkt und die Formulierung des Calciumblattdüngers eine wichtige Rolle. Einfluss auf Lagerschäden Ergibt eine Fruchtanalyse, dass der Calciumgehalt hoch ist, bedeutet dies noch nicht automatisch, dass auch das Risiko auf mit Calcium in Zusammenhang stehende Abweichungen gering ist. Bei Versuchen mit Calciumblattdüngern muss deshalb nicht nur der Einfluss des Produkts auf den Calciumgehalt, sondern vor allem auch die Auswirkung auf Lagerschäden bestimmt werden. Dei iqueszenzpun kt Indirekt beeinflusst die Luftfeuchte die Aufnahme über den hygroskopischen Zustand des applizierten Düngers, denn nur gelöste Stoffe können durch Blattoberflächen aufgenommen werden. Bei trockenen Witterungsbedingungen verfestigen sich einige Calciumformulierungen sehr rasch nach der Ausbringung (Calciumformiat), wohingegen andere noch lange gelöst bleiben (Calciumchlorid). Jedes Calciumsalz besitzt sozusagen eine charakteristische Luftfeuchtigkeit, bei der ein Übergang zwischen trocken und gelöst stattfindet. Diese Grenz-Luftfeuchtigkeit wird auch Deliqueszenzpunkt (DQ) genannt. Der DQ bestimmt, bei welcher relativen Feuchte der applizierte Blattdünger flüssig und damit aufnehmbar oder auskristallisiert und damit nicht aufnehmbar vorliegt. Die verminderte Aufnahmequote gering hygroskopischer Salze mindert andererseits die Gefahr von Salzschäden. Darüber hinaus liegt ein wenig hygroskopischer Stoff nicht unter allen Umweltbedingungen in trockener Form vor, sondern kann sich bei ausreichend hohen Luftfeuchtigkeiten auch wieder verflüssigen und wieder aufnehmbar werden. In Tabelle 1 sind die Deliqueszenzpunkte (DQ) der verschiedenen Calciumsalze aufgeführt. Stoffe mit einem niedrigen Deliqueszenzpunkt (zum Beispiel Calciumchlorid) sind schon bei einer niedrigen Luftfeuchtigkeit aufnehmbar. Dem steht gegenüber, dass die Gefahr einer Blatt- und Frucht- Abbildung 2: Einfluss von Calciumbehandlungen im August oder September auf den Gloeosporium-Befall bei Pinova. % Fruchtfäule 35r---------------------------------------------30+-----------------~--------------------------25+----L~------20 15 10 5 o Kontrolle 4 x 5 kg CaCI August 4 x 5 kg CaCi September 4 x 10 kg CaCi September verbrennung relativ groß ist. Mittel mit einem hohen Deliqueszenzpunkt (Calciumformiat) werden erst bei einer sehr hohen relativen Luftfeuchtigkeit aufgenommen. Die Beschädigungsgefahr für Blätter und Früchte ist aber gering. Aufnahme über Spaltöffnungen Lange wurde angenommen, dass das Blatt nur durch die Kutikula an der Blattoberseite Calcium und andere Nährstoffe aufnehmen kann. Unter Einfluss von Feuchtigkeit (hohe Luftfeuchtigkeit) schwillt die Kutikula an und es entstehen ,wässrige Poren', durch die Moleküle die Zellen der Epidermis erreichen können. Auf diesem Weg können Moleküle mit einem Durchmesser von maximal 1 Nanometer in das Blatt eindringen. 2001 veröffentlichten Thomas Eichert und Jürgen Burkhardt von der Universität Bonn Forschungsergebnisse, die besagen, dass Moleküle auch über die Spaltöffnungen (Stomata) an der Unterseite des Blattes in die Pflanze eindringen können. Auf diesem Weg können Moleküle mit bis zu 40 Nanometern, zum Beispiel Chelate, aufgenommen werden. Diese Erkenntnis über die Aufnahme von Nährstoffen über die Spaltöffnungen ist sehr wichtig für das Wissen rund um die Aufnahme von Nährstoffen durch die Frucht. Nach Angaben von Baab sind im Mai und Juni in der Schale einer jungen Frucht Spaltöffnungen vorhanden. Nach dem Junifall werden diese Spaltöffnungen zu Lentizellen. Die Aufnahme von Nährstoffen über die Lentizellen unterscheidet sich von der Aufnahme über die Spaltöffnungen. Forscher der Universitäten Bonn und Stuttgart fanden bei Golden Delicious heraus, dass im Juni drei Viertel des auf die Frucht gespritzten Calciums innerhalb von zwei bis vier Tagen aufgenommen wurden. Nach dem Junifall, wenn die Spaltöffnungen in der Fruchtschale zu Lentizellen geworden sind, dauerte dies zweimal so lange, nämlich vier bis acht Tage. Zeitpunkt der Calciumbehandlungen Der Unterschied in der Aufnahmegeschwindigkeit erfordert laut Baab - speziell bei Sorten, die schnell einen Calciummangel aufweisen -, schon Tabelle 2: Einfluss von frühen und späten Calciumbehandlungen und auf den Stippebefall Behandlung Zeitraum Unbehandelt EFM 2011-04 CalcIumgehalt (in mg pro 100 Gramm Frisch ewicht) % Stippe 3,7 18 5 x 5 Liter Wuxal Calcium Mai -Juni 3,9 9 5 x 5 Liter Wuxal Calcium Juli - August 4,2 6 Quelle: DLR Rheinpfalz 18 auf den Calciumgehalt in der Frucht früh (Anfang Juni) mit den Calciumbehandlungen zu beginnen. Dem steht gegenüber, dass später in der Saison die Fruchtschalenoberfläche und damit die Oberfläche, die Calcium aufnehmen kann, größer wird. Für eine optimale Calciumversorgung muss Calcium also sowohl früh als auch spät in der Saison gespritzt werden. Baab untermauerte dies mit Daten aus einem Versuch mit der Sorte Cox's, in dem der Calciumblattdünger Wuxal Calcium fünf Mal im Mai und Juni bzw. fünf Mal im Juli und August gespritzt worden war. Beide Behandlungen sorgten für eine Erhöhung des Calciumgehalts in der Frucht und für weniger Stippe (siehe Tabelle 2). Weniger Fruchtfäule Esgibt noch einen anderen Grund dafür, auf jeden Fall kurz vor der Ernte einige Calciumbehandlungen durchzuführen. Gut mit Calcium versorgte Früchte leiden während der Lagerung oft weniger unter Fruchtfäule. Ein Versuch mit Pinova im Jahr 2006 zeigt dies sehr schön (siehe Abbildung 2). In diesem Versuch wurden vier Behandlungen mit S Kilo Calciumchlorid pro Hektar im August mit vier MaiS Kilo oder vier Mal 10 Kilo Calciumchlorid pro Hektar im September verglichen. Die Behandlungen im September ergaben einen deutlich geringeren Befall durch Gloeosporium-Fruchtfäule. Mehrere Einflussfaktoren Calciumhat nicht nur einen Einflussauf physiologischeLagersehliden,sondernauch a Fruchtfäule. E Kontaktwinkel Die Aufnahme von Calcium, aber auch von anderen Elementen, wird unter anderem vom der Kontaktfläche und der Blattoberfläche zwischen den Tropfen der Spritzbrühe bestimmt. Ein Tropfen, der als Kugel auf dem Blatt oder der Frucht liegt, hat nur mit einem kleinen Teil der Tropfenoberfläche Die Calciumversorgung der Frucht ist ein komplizierter Prozess, der von vielen Faktoren beeinflusst wird. In diesem Artikel wurden bereits unter anderem das Wachstumsniveau, das Entwicklungsstadium der Frucht und die Formulierung des Calciumblattdüngers behandelt. Es gibt jedoch noch mehr. So spielt die Vitalität und Qualität der Rosettenblätter eine große Rolle beim Calciumtransport zur Frucht. Sind zum Beispiel die Rosettenblätter durch Blütenfrost beschädigt, ändert sich nach Angaben von Baab die Aufnahme von Nährstoffen wie Calcium. Für eine gute Aufnahme von Blattdüngen ist anscheinend die relative Luftfeuchtigkeit in der Zeit zwischen drei bis fünf Tagen nach der Behandlung wichtig. Ferner gilt Baab zufolge, dass manche Pflanzenschutzmittel einen direkten Einfluss auf mit Calcium in Zusammenhang stehende Lagerschäden haben. So zeigte sich, dass das Fungizid Flint (WirkstoffTrifloxystrobin) einen direkten Einfluss auf den Calciumgehalt in der Frucht und das Auftreten von Lagerschäden hat. Bei der Formulierung von Flint wird Calciumformiat verwendet. Derselbe Stoff ist der Hauptbestandteil von Calciumblattdüngern wie Folanx 29 und Lebosol Calcium Forte. Kontakt mit dem Blatt. Ein flacher Tropfen hingegen hat eine große Kontaktfläche (siehe Abbildung Blattoberfläche 3). Der Kontaktwinkel zwischen Tropfen und ist ein Maß für die Form des Tropfens. Je kleiner der Winkel ist, desto flacher ist der Tropfen und desto mehr Kontakt hat der Tropfen mit der Blattoberfläche. Formulierte Calciumprodukte als nicht formulierte haben einen günstigeren Kontaktwinkel Produkte. Düngal Calcium, ein formuliertes Calcium- chlorid, ist ein Produkt mit einem besonders günstigen Kontaktwinkel. diversen Versuchen wurden mit Calcium in Zusammenhang gerschäden mit Düngal besser unterdrückt dukten. Die Beigabe eines Netzmittels In stehende La- als mit anderen Calciumpro- verringert ebenfalls den Kontakt- winkel der Spritzbrühe. Abbildung 3: Der Kontaktwinkel zur Blattoberfläche von einem Tropfen eines nicht formulierten Produkts (links) und von einem Tropfen eines formulierten Produkts (rechts). EFM 2011-04 19