Mathematik f¨ur Physiker III

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Anton Bovier
Mathematik für Physiker III
Vorlesungsskript, Uni Bonn, Wintersemester
2011/2
12. Januar 2013
IAM, Uni Bonn
v
Dieses Skript habe ich für eine Vorlesung Mathematik für Physikerinnen und
Physiker im WS 2011/12 in Bonn geschrieben. Der Inhalt hat zwie wesentliche Teile. Im ersten wir eine Darstellung der wesentlichen Resultate der Funtionentheorie
gegeben. Dabei wird die Theorie der mehrdimensionalen Integration vorausgesetzt.
Kernstück ist natürlich die Theorie der komplexen Integration, mit dem Satz von
Cauchy, der Cauchy’schen Integralformel, und schliesslich dem Residuenkalkül,
der ja ein für Physiker unverzichtbares Hilfsmittel zur Berechnung von Integralen
liefert Recht ausführlich wird auf die Theorie der harmonischen Funktionen und deren Zusammenhang mit analytischen Funktionen eingegangen, wobei auch der enge
Zusammenhang der Lösung des Dirichletproblems in d = 2 und der Cauchy’schen
Integralformel intensiv betrachtet wird. Besonders die Verwendung konformer Abbildungen zur Konstruktion von Lösungen des Dirichletproblems in komplizierten
Gebieten scheint mir auch heute in der theoretischen Physik wieder wichtig genug
zu sein, um hier behandelt zu werden. Aus dem gleichen Grund habe ich auch den
Riemann’schen Abbildungssatz behandelt.
Der zweite Teil der Vorlesung behandelt die Theorie der Sturm-Liouville’schen
Randwertprobleme. In der Physike treten diese ständig auf, ganz prominent natürlich
in der Quantenmechanik. Gerade in der Quantenmechanik hat man es natürlich oft
mit Problemen auf undendliche Gebieten zu tun, die nach Separation der Variablem
auf SL-Probleme auf der Halbachse führen. Daher wird auch die etwas schwierige
Theorie der singulären Sturm-Liouville Probleme gerade für diesen Fall behandelt.
Für den reguläare Fall geben wir einen vollständigen Beweis des Spekralsatzes, und
auch für den singulären Fall wird dieser zumindest in den gröberen Zügen erklärt.
Die Darstellung ist bewusst kompakt gehalten, und es werden keine umfangreichen Beispiele behandelt. Ich hoffe, dass damit diese Notizen eine Hilfe dabei
sind, sich rasch und effizient in der Materie zurechtzufinden. Zur weiterführenden
Lektüre gibt es Lerhbücher in Hülle und Fülle.
Bonn, Januar 2012,
Anton Bovier
Inhaltsverzeichnis
1
Komplexe Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1 Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.1 Matrixdarstellung der komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.2 Elementare Eigenschaften der komplexen Zahlen . . . . . . . . .
1.2 Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Komplexe Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.1 Analytische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.2 Potenzreihen als analytische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Analytische Funktionen und konforme Abbildungen . . . . . . . . . . . . .
1.4.1 Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4.2 Konforme Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4.3 Möbiustransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
2
2
5
10
10
12
15
15
16
17
2
Komplexe Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1 Kurvenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Die Cauchy’sche Integralformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Höhere Ableitungen und Taylorreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.1 Weitere Eigenschaften analytischer Funktionen . . . . . . . . . . .
2.4 Residuenkalkül . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.1 Weitere Interpretationen des Residuums und das
Argumentenprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Harmonische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5.1 Das Mittelwertsatz und das Maximumsprinzip . . . . . . . . . . . .
2.5.2 Der Poissonkern und das Dirichletproblem . . . . . . . . . . . . . . .
2.5.3 Harmonische Funktionen und konforme Abbildungen . . . . . .
2.5.4 Beispiel: Joukowski Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.6 Der Riemann’sche Abbildungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.6.1 Möbiustransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.7 Weitere Reihenentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.7.1 Folgen analytischer Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.7.2 Laurentreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
19
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25
30
33
39
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54
55
vii
viii
3
Inhaltsverzeichnis
Sturm-Liouville Eigenwertprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.1 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Reguläre Sturm-Liouville Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1 Normalform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.2 Der Sturm’sche Vergleichsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.3 Vollständigkeit der Eigenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Singuläre Sturm-Liouville Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.1 Motivierendes Beispiel: Laplace Gleichung . . . . . . . . . . . . . .
3.3.2 Sturm-Liouville Probleme auf der Halbachse . . . . . . . . . . . . .
3.3.3 Vollständigkeit und verallgemeinerte
Fouriertransformation im Limespunktfall . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.4 Diskretes und kontinuierliches Spektrum . . . . . . . . . . . . . . . .
59
59
60
61
62
63
67
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73
74
79
85
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Kapitel 1
Komplexe Funktionen
Der wichtigste Teil der Vorlesung Mathematik für Physiker befasst sich mit der
komplexen Anlysis, auch Funktionentheorie gennannt. Bereits im der Mathematik
für Physikerinnen 2 sind uns komplexe Zahlen im Zusammenhang mit Lösungen
von partiellen Differentialgleichungen begegnet. Die komplexe Analysis spielt in
fast allen Bereichen der Physik eine zentrale Rolle. Das reicht von der Elektrodynamik, die Quantenmechanik, bis zu aktuellen Problemen der konformen Feldtheorie.
In vielen Fällen ist die komplexe Analysis ein unverzichtbares Hilfsmittel, etwa
bei der Berechnung einer Vielzahl von wichtigen Integralen. Die Cauchy’sche Integralformel und der damit zusammenhängende Residuenkalkül wird daher auch
das Kernstück dieser Vorlesung sein. Es gibt eine grosse Zahl von Lehrbüchern zu
diesem Thema. Die Vorlesung wird sich zum Teil an dem schönen Buch “Complex
Analysis” von Lars Ahlfors [1] orientieren. Ein empfehlenswertes Buch auf Deutsch
ist das von Remmert [5] und die deutsche Übersetzung des Buchs von Cartan [3].
1.1 Komplexe Zahlen
Die Einführung komplexer Zahlen entspringt dem Bedürfnis, Lösungen allgemeiner algebraischer Gleichungen finden zu können. Bereits die Einführung irrationaler
2
Zahlen wurde dadurch motiviert, dass etwa
√ die Gleichung x = 2 keine rationalen
Lösungen besitzt. Die irrationale Zahl 2, die eine Lösung dieser Gleichung darstellt, konnte dann allerdings als Grenzwert einer Folge rationaler Zahlen realisiert
werden. Die reellen Zahlen wurden dann als Abschluss der rationalen Zahlen definiert: die rationalen Zahlen wurden um alle ”Grenzwerte”von Cauchyfolgen erweitert. Allerdings bleibt damit die einfache Gleichung x2 = 1 weiter unlösbar. Wenn
wir nun künstlich die Zahl i einführen, der wir die Eigenschaft i2 = −1 andefinieren, können wir den Körper der rellen Zahlen zu einem neuen Zahlenkörper, C,
erweitern, der der kleinste Körper ist, der alle reellen Zahlen und die Zahl i enthält.
1
2
1 Komplexe Funktionen
1.1.1 Matrixdarstellung der komplexen Zahlen
Die Einführung der Zahl i mag zunächst sehr merkwürdig und künstlich erscheinen.
Es ist vielleicht beruhigend zu sehen, dass wir ein Object, dass diese Eigenschaft
besitzt durchaus im Rahmen dessen, was wir schon verstehen, realisieren können.
Dazu betrachten wir denRaum
der reellen 2 × 2-Matrizen. Wit ordnen jeder reellen
a0
Zahl, a ∈ R, die Matrik
zu. Unter der Addition und Matrizenmultiplikation
0a
bilden diese einen Körper,
der
isomorph zum Körper der reellen Zahlen ist. Nun
0 −1
fügen wir die Matrix
zu diesem Körper hinzu. Offenbar gilt, dass
1 0
0 −1
0 −1
−1 0
·
=
.
(1.1.1)
1 0
1 0
0 −1
0 −1
D.h., die Matrix
hat die Eigenschaft, die wir von der Zahl i forden. Man
1 0
kann sich leicht überzeugen (Übung), dass diedie Menge der
die man
Matrizen
a0
0 −1
erhält, wenn zuu den Matrizen der Form
die Matrix
sowie alles
0a
1 0
was man durch Addition und Matrixmultiplikation daraus erhalten kann, gerade die
Menge der Matrizen der Form
a −b
,
(1.1.2)
b a
mit a, b ∈ R, ist, und dass diese Menge einen Körper bez. Addition und Multiplikation bildet. Dieser Körper ist isomorph zu dem Körper der komplexen Zahlen. Dazu
müssen wir nur nachprüfen, dass die Multiplikationsregeln erfüllt sind: Im Körper
C haben wir wegen der Assoziativität
(a + ib)(c + id) = (ab − cd) + i(bc + ad).
(1.1.3)
Dementsprend gilt
a −b
c −d
(ac − bd) −(bc + ad)
·
=
(1.1.4)
−b a
−d c
−(bc + ad)( (ac − bd)
10
0 −1
= (ac − bd)
+ (bc + ad)
.
01
1 0
Wir werden diese Matrikdarstellung im Folgenden nicht benutzen.
1.1.2 Elementare Eigenschaften der komplexen Zahlen
Wir fassen zusammen:
1.1 Komplexe Zahlen
3
Definition 1.1. Die komplexen Zahlen sind die Menge
C ≡ {z = a + ib, a ∈ R, b ∈ R}
(1.1.5)
auf denen die algebraischen Operationen Addition und Multiplilakation wie folgt
definiert sind:
(a + ib) + (c + id) = (a + c) + i(b + d),
(1.1.6)
(a + ib) · (c + id) = (ac − bd) + i(ad + bc).
(1.1.7)
Eine komplexe Zahl, z = a + ib, heisst reell, wenn b = 0 und imaginär, wenn a = 0
und b 6= 0 ist.
Theorem 1.2. Die komplexen Zahlen bilden bezüglich Addition und Multiplikation
einen Körper. Dieser Körper ist algebraisch abgeschlossen, d.h. jede Polynomiale
Gleichung der Form
n
∑ ck zk = 0
(1.1.8)
k=0
mit n ≥ 1 und ck ∈ C und wo cn 6= 0 ist besitzt mindestens eine Lösung in C.
Beweis. Die erste Aussage ist eine Übungsaufgabe. Die Abgeschlossenheit ist nicht
trivial und kann an dieser Stelle noch nicht bewiesen werden. t
u
Die komplexen Zahlen bilden in natürlicher Weise auch einen Vektroraum der
Dimension 2 über den reellen Zahlen. Hierzu indentifizieren wir die komplexe Zahl
z = a + ib mit dem Vektor (a, b) ∈ R2 . Geometrisch entspricht damit jede komplexe
Zahl einem Punkt im R2 , den wir in diesem Zusammenhang auch als komplexe
Ebene bezeichnen. Da auf dem R2 die Euklidische Metrik eine Norm definiert ist,
liegt es nahe, einer komplexen Zahl z = a + ib die Norm
p
(1.1.9)
|z| ≡ k(a, b)k ≡ a2 + b2
zuzuordnen. Diese kann auch in anderer Weise ausgedrückt werden. Dazu benötigen
wir die im folgenden wichtige Operation der komplexen Konjugation, die üblicherweise
als z → z∗ notiert wird. Dabei ist für z = a + ib,
z∗ ≡ a − ib.
(1.1.10)
Geometrisch entspricht diese Operation der Spiegelung des der Zahl z entsprechenden Punktes der komplexen Ebene an der reellen Achse. Die reellen Zahlen sind damit charakterisierbar als diejenigen komplexen Zahlen für die gilt z = z∗ , während
für die imaginären Zahlen gilt z = −z∗ . Man sieht nun leicht, dass damit
|z|2 = zz∗
(1.1.11)
gilt. Wir nennen |z| auch den Betrag der komplexen Zahl z.
Betrachten wir nun diejenigen komplexen Zahlen die Betrag 1 haben. Klarerweise gilt für zwei solche Zahlen z, y, dass |zy| = |z||y|, das heisst, auch das Produkt
4
1 Komplexe Funktionen
zweier solcher Zahlen liegt auf dem Einheitskreis. Da eine Zahl mit Betrag 1 einem
Punkt auf dem Einheitskreis entspricht, können wir sie in der Form
z = cos φ + i sin φ
(1.1.12)
mit φ ∈ [0, 2π) darstellen. Wenn y = cos ψ + i sin ψ ist, so gilt dann
zy = (cos φ cos ψ − sin φ sin ψ) + i (cos φ sin ψ + sin φ cos ψ)
(1.1.13)
= cos(φ + ψ) + i sin(φ + ψ).
Das heisst, die Multiplikation zweier komplexer Zahlen mit Betrag 1 entspricht der
Addition der Winkel der entsprechenden Punkte auf dem Einheitskreis. Dementsprechend kann man im Allgemeinen das Produkt zweier komplexer Zahlen so interpretieren, dass deren Beträge multipliziert werden und die Winkel addiert werden: wenn z = r cos φ + ir sin φ , und y = r0 cos ψ + ir0 sin ψ, dann gilt
zy = rr0 cos(φ + ψ) + irr0 sin(φ + ψ).
(1.1.14)
Abb. 1.1 Graphische Darstellung der Multiplication von 3 + 2 i and 1 − i
Der Körper der komplexen Zahlen bildet einen normierten und damit metrischen
und topologischen Raum auf dem Fragen der Konvergenz genauso wie auf den reellen Zahlen diskutiert werden können. insbesonder sagen wir, dass eine Folge von
komplexen Zahlen, zn ∈ C, gegen eine komplexe Zahl z ∈ C konvergiert, genau
dann, wenn |zn − z| gegen 0 konvergiert. Man kann sehr leicht zeigen, dass folgendes gilt:
1.2 Potenzreihen
5
Theorem 1.3. Der Körper der komplexen Zahlen, C, ist topologisch abgeschlossen,
d.h., jede Cauchy-Folge zn ∈ C besitzt einen Grenzwert in C.
1.2 Potenzreihen
Analysis handelt von Funktionen, und komplexe Analysis von Funktionen komplexer Variablen. Die einfachsten Funktionen einer komplexen Variablen, z, sind sicher
die Polynome: da wir die Multiplikation und Addition definiert haben, können wir
Polynome der Form p : C → C, bilden, d.h. Ausdrücke der Form
n
∑ ck zk ,
p(z) =
(1.2.1)
k=0
mit cn ∈ C. Die nächstliegende Verallgemeinerung sind dann unenedliche n, d.h.
Auddrücke der Form
∞
∑ ck zk .
p(z) =
(1.2.2)
k=0
Hier stellen sich nun schon interessante Fragen. Zunächst kann man für eine beliebige Folge komplexer Zahlen einen solchen Ausdruck formal hinschreiben. Man
nennt dies dann auch eine formale Potenzreihe, und man kann bereits mit diesen
diverse Rechenoperationen ausführen. Andererseits kann man sich fragen wann und
ob ein solcher Ausdruck als konvergente Reihe sinnvoll interpretiert werden kann
und dann ggf. eine Funktion auf einer Teilmenge der komplexen Ebene darstellt.
Dies wollen wir nun untersuchen. Wenn die formale Potenzreihe p(z) durch (1.2.2)
gegeben ist, so sezten wir
n
pn (z) ≡
∑ ck zk
(1.2.3)
k=0
für die Partialreihe der Ordnung n.
Definition 1.4. Eine Potenzreihe, p(z), konvergiert am Punkt z zu der komplexen
Zahl y ∈ C, genau dann wenn
lim |pn (z) − y| = 0.
n↑∞
(1.2.4)
Definition 1.5. Eine Potenzreihe p(z) heisst absolut konvergent im Punkt z, wenn
die Reihe
∞
∑ |ck ||z|k < ∞.
(1.2.5)
k=0
Wenn D ⊂ C eine Teilmenge von C ist so heisst p(z) absolut konvergent in D, wenn
p(z) für jedes z ∈ D absolut konvergiert.
Wir zeigen zunächst, dass die absolute Konvergenz stärker ist als die Konvergenz.
6
1 Komplexe Funktionen
Lemma 1.6. Ist eine Potenzreihe p(z) in z absolut konvergent, so existiert eine komplexe Zahl y so dass pn (z) gegen y konvergiert.
Beweis. Wir bezeichnen mit p̄(z) und p̄n (z) die Potenzreiche
∞
p̄(z) ≡
∑ |ck ||z|k ,
(1.2.6)
k=0
bzw. deren Partialreihen. Offensichtlich ist die Folge p̄n (z) monoton wachsend und
durch den nach Voraussetzung endlichen Wert p̄(z) beschränkt. Daher existiert eine
Zahl b ∈ R+ , so dass p̄n (z) gegen b konvergiert. Offensichtlich ist dann
∞
| p̄n (z) − b| =
∑
k=n+1
|ck ||z|k ,
(1.2.7)
und es folgt dass die rechte Seite dieser Gleichung gegen Null konvergiert. Weiterhin
gilt, dass
|pn (z)| ≤ p̄n (z) ≤ b,
(1.2.8)
so dass die Folge pn (z) mindestens einen Häufungspunkt besitzt. Wir nehmen an,
es gäbe zwei Häufungspunkte, y und y0 . Seien nun n` und n0` Unterfolgen, so dass
pn` (z) → y,
und
pn0 (z) → y0 ,
`
wenn ` ↑ ∞.
(1.2.9)
Sei ohne Beschränkung der Allgemeinheit n0` ≥ n` . Dann folgt, dass
pn0` (z) − pn` (z) ≤
∞
∑
k=n` +1
|ck ||z|k .
(1.2.10)
Wir wissen aber, dass die rechte Seite gegen Null strebt, wenn ` ↑ ∞. Nun ist aber
|y − y0 | = y − pn` (z) − y0 + pn0 (z) + pn` (z) − pn0 (z)
(1.2.11)
`
`
≤ y − pn` (z) + y0 − pn0 (z) + pn0 (z) − pn` (z) .
`
`
Nach Vorraussetzung streben alle drei Terme auf der rechten Seite nach Null,
was im Widerspruch zu der Annahme y 6= y0 steht. Also hat pn (z) genau einen
Häufungspunkt und konvergiert1 . t
u
Beachte, dass es Reihen gibt, die konvergieren, ohne absolut zu konvergieren.
Zum Beispiel gilt
n
(−1)k+1
lim ∑
= ln 2,
n↑∞ k=1
k
1 Dies folgt aus folgendem Grund: Jeden unendliche Punktmenge in einen beschränkten Gebiet
hat mindestens einen Häfungspunt. Wenn also die Folge pn (z) nur einen Häufungspunkt hat, und
wir lassen alle Folgenglieder weg, die nicht in einer ε-Umgebung dieses Häufungspunktes liegen,
so muss diese Menge endlich sein. Damit aber konvergiert die Folge
1.2 Potenzreihen
7
die Reihe ist aber nicht absolut konvergent.
Eine der wichtigsten Potenzreihen ist die geometrische Reihe,
∞
g(z) =
∑ zk .
(1.2.12)
k=0
Hier können wir alles explizit berechnen, da
n
gn (z) =
∑ zk =
k=0
1 − zn+1
1−z
(1.2.13)
Wir sehen, dass für |z| < 1,
ḡn (z) =
1 − |z|n+1
1
→
,
1 − |z|
1 − |z|
(1.2.14)
d.h. g(z) konvergiert absolut im inneren des Einheitskreises |z| < 1, und es gilt
gn (z) → g(z) =
1
.
1−z
(1.2.15)
Für Werte von z mit |z| = 1 konvergiert die Reihe nicht. Die Bedeutung der geometrischen Reihe liegt darin, dass fast die Kontrolle des Konvergenzverhaltens von Potenzreihen fast immer auf einen Vergleich mit der geometrischen Reihe hinausläuft.
Ein weiterer wichtiger Begriff ist der der gleichmässigen oder uniformen Konvergenz.
Definition 1.7. Eine Potenzreihe, p(z) konvergiert gleichmässig in D ⊂ C, wenn es
für jedes ε > 0 ein n0 ∈ N gibt, dass für jedes z ∈ D ein y(z) ∈ C existiert, so dass
für alle n > n0 ,
|pn (z) − y(z)| < ε.
(1.2.16)
Lemma 1.8. Falls eine Potenzreihe p(z) für einen Wert z0 ∈ C konvergiert, so gilt
folgendes:
• Für jedes z mit |z| < |z0 | konvergiert p(z) absolut.
• Für jede kompakte Teilmenge der Scheibe {z ∈ C : |z| < |z0 } konvergiert p(z)
gleichmässig.
Beweis. Es ist klar, dass wir durch Umbenennung ck → ck zk0 die Aussage des Satzes
auf den Fall z0 = 1 zurückführen können. Dann können wir weiter durch Subtraktion der Konstanten ∑∞
k=0 ck von c0 den allgemeinen Fall auf den zurückführen, wo
p(1) = 0 ist.
Nun gilt in jedem Fall ck = pk (1) − pk−1 (1), und da pk (1) nach null konvergiert
muss notwending ck nach Null konvergieren. Insbesonder ist damit die Folge |ck |
beschränkt, e.g. |ck | ≤ M < ∞. Damit folgt aber für |z| < 1,
∞
∞
k=0
k=0
M
∑ |ck ||z|k ≤ M ∑ |z|k = 1 − |z| < ∞,
(1.2.17)
8
1 Komplexe Funktionen
d.h. die Reihe ist absolut konvergent wie behauptet.
Als nächstes beobachten wir, dass in diesem Fall
n−1
pn (z) = (1 − z) ∑ pk (1)zk + pn (1)zn .
(1.2.18)
k=0
Hier benutzen wir nur, dass ck = pk (1) − pk−1 (1). Nun konvergiert pn (1) nach
Null, und damit auch |pn (1)| → 0. Dann konvergiert bereits der letzte Summand
in (1.2.18) für |z| ≤ 1 gegen Null. Weiter ist die Nullfolge |pn (1)| notwendig beschränkt, sagen wir durch einen Wert M < ∞.
Für die erste Summe haben wir damit
n−1
n−1
1
,
(1.2.19)
(1 − z) ∑ pn (1)zk ≤ |1 − z| ∑ |pk (1)||z|k ≤ |1 − z|M
1
−
|z|
k=0
k=0
was unter unseren Annahmen endlich ist. Dies beweist aber die gleochmässige Konvergenz in jedem Gebiet D in dem supz∈D |1−z|
u
1−|z| < ∞. t
Definition 1.9. Sei p(z) eine Potenzreihe. Dann heisst
r0 ≡ sup {|z|, so dass p(z) konvergiert} ,
(1.2.20)
der Konvergenzradius der Potenzreihe p(z).
Für Potenzreihen gilt also eine interessante Dichotomie: Es gibt eine (möglicherweise
verschwindende) Zahl r0 ≥ 0, so dass ausserhalb des Kreises vom Radius r0 die
Reihe nicht konvergiert, während sie im inneren dieses Kreises absolut konvergiert.
Lediglich auf dem Kreis kann komplexeres Verhalten vorliegen. Dies lässt auch eine
alternative Beschreibung des Konvergenzradius zu, der sich für dessen Berechnung
anbietet.
Lemma 1.10. Der Konvergenzradius eine Potenzreihe p(z) ist gegeben durch
(
)
∞
r0 = sup r ≥ 0 :
∑ |ck |rk < ∞
.
(1.2.21)
k=0
Beweis. Der Beweis dieser Aussage folgt aud dem oben gesagten sofort. t
u
Korollar 1.11. Der Konvergenzradius einer Potenzreihe ist gegeben durch
r0 = lim inf |cn |−1/n
⇔
1
= . lim inf |cn |1/n .
r0
(1.2.22)
Beweis. Sei r < r0 . Dann gibt es ein ε > 0, so dass r + ε < r0 , und ein n0 , so dass
für alle n > n0 , |cn |1/n ≤ (r + ε/2)−1 .
1.2 Potenzreihen
9
∞
∑ |ck |rk =
k=0
=
∞
k
1/k
|c
|
r
∑ k
k=0
n0 ∑
k=0
|ck |1/k r
≤ Cε + 2
k
(1.2.23)
∞
+
∑
k=n0 +1
r
r + ε/2
k
r + ε/2
< ∞,
ε
so dass der Konvergenzradius also mindestens lim sup |cn |−1/n ist. Umgekehrt, wenn
r > lim sup |cn |−1/n , so gibt es auch ein ε, so dass r > ε + lim sup |cn |−1/n . Weiterhin
gibt es eine unendliche Folge n` , so dass für alle `, |cn` |−1/n` > lim sup |cn |−1/n −
ε/2. Dann aber ist
∞
∞
∑ |ck |rk ≥ ∑
n`
|cn` |1/n` r
`=0
∞ k=0
≥
∑
`=0
∞
≥
∑
`=0
r
r − ε/2
r
r − ε/2
(1.2.24)
n`
`
= ∞.
Damit ist auch die umgekehrte Behauptung und somit das Korollar bewiesen. t
u
Die Aussage des Korollares heisst auch Cauchy’sches Wurzelkriterium. Einfacher zu handhaben ist das folgende Quotientenkriterium, dass auf Hadamard
zurückgeführt wird.
Korollar 1.12. Der Konvergenzradius einer Potenzreihe ist gegeben durch
r0 = lim
n↑∞
|cn |
,
|cn+1 |
(1.2.25)
sofern dieser Grenzwert existiert.
Beweis. Übung. t
u
Es gibt gelegentlich Fälle, in denen das Quotientenkriterium versagt. Ein Beispiel
ist die Reihe mit
(
2, wenn n gerade,
cn =
1, wenn n ungerade
Der Kovergenzradius der Reihe ist r0 = 1, aber die Folge der Quotientien |cn /cn+1 |
oszilliert zwischen 2 und 1/2 und konvergiert nicht.
Klarerweise hat die geometrische Reihe den Konvergenzradius r0 = 1. Eine weitere Reihe von zentraler Bedeutung ist die Exponentialreihe,
∞
exp(z) =
zk
∑ k!
k=0
(1.2.26)
10
1 Komplexe Funktionen
Der Konvergenzradius der Exponentialreihe ist r0 = ∞. Umgekehrt hat die Reihe
∞
∑ k!zk
(1.2.27)
k=0
den Konvergenzradius r0 = 0 (Übung!).
1.3 Komplexe Funktionen
Unter einer komplexen Funktion verstehen wir in natürlicher Weise eine Abbildung
f einer Teilmenge D ⊂ C in die komplexen Zahlen. Dabei ist D der Definitionsbereich von f und f (D) der Wertebereich. Wir sagen, dass eine komplexe Funktion f
einen Grenzwert, w ∈ C bei einem Punkt a ∈ C besitzt und schreiben
lim f (z) = w,
z→a
(1.3.1)
wenn es für jedes ε > 0 ein δ > 0 gibt, so dass für alle y : |y − a| < δ , | f (y) − w| <
ε gilt (Man schreibt hierfür gerne ∀ε>0 ∃δ <0 ∀y| y−a|<δ | f (y) − w| < ε). Wir sagen
weiter, dass eine komplexe Funktion bei astetig ist, genau dann wenn a im Inneren
des Definitionsbereichs D liegt, und wenn
lim f (z) = f (w)
z→a
(1.3.2)
gilt. f heisst stetig in einer Menge M ⊂ D, wenn f in jedem Punkt a ∈ M stetig ist.
f heisst gleichmässig stetig in einer Menge M, wenn es für jedes ε > 0 ein δ > 0
gibt, so dass für alle a ∈ M| und für alle y : |y − a| < δ , | f (y) − f (a)| < ε gilt.
Wir sehen, dass soweit alles genauso ist, als wäre f eine Funktion von R2 nach
2
R .
1.3.1 Analytische Funktionen
Der nächste natürliche Schritt in der Untersuchung von komplexen Funktionen ist
die Frage nach der Differenzierbarkeit. Hier wird sich ein wesentlicher neuer Gesichtspunkt ergeben.
Wir haben in der reellen Analysis gelernt, dass die Ableitung einer Funktion
an einem Punkt x eine lineare Abbildung ist, und zwar diejenige, die die Funktion
lokal am besten approximiert. Eine Funktion heisst dann differenzierbar, wenn es
eine eindeutig bestimmte beste lineare Approximation gibt. Eine lineare Abbildung
in der komplexen Ebene ist nun im allgemeinen eine 2 × 2-Matrix mitreellen
Ein
x
trägen, die den der komplexen Zahl z = x + iy entsprechenden Vektor
abbildet
y
1.3 Komplexe Funktionen
auf
11
a11 a21
x
a11 x + a21 y
=
,
a12 a22
y
a12 x + a22 y
d.h. die komplexe Zahl z = x + iy wird auf die komplexe Zahl (a11 x + a21 y) +
i(a12 x + a22 y) abgebildet.
Eine spezielle Klasse von linearen Abbildungen, die der Körperstruktur der komplexen Zahlen naheliegt, sind diejenigen linearen Abbildungen, die sich als Multiplikation mit einer komplexen Zahl realisieren lassen, also wenn z → wz für w ∈ C.
Man sieht leicht, dass dies genau dann der Fall ist, wenn
a11 = a22 ,
und
a21 = −a12 .
(1.3.3)
in diesem Fall entspricht die Abbildung der Multiplikation mit der komplexen Zahl
a11 + ia12 .
Der strukturelle Reichtum der komplexen Analysis entspringt nun der Idee, eine
komplexe Funktion nur dann für differenzierbar zu erklären, wenn ihre Linearisierung als Multiplikation mit einer komplexen Zahl dargestellt werden kann.
Definition 1.13. Eine komplexe Funktion f : D → C heisst differenzierbar in a ∈ D,
genaus dann wenn es eine komplexe Zahl w ∈ C gibt, so dass
lim
z→a
f (z) − f (a)
= w.
z−a
(1.3.4)
Wir schreiben dann w = f 0 (a) und nennen w die Ableitung von f bei a.
Anmerkung 1.14. Wir sehen, dass die Definition formal identisch zur Definition der
Ableitung von reellen Funktionen einer reellen Variablen. An sich ist die Bezeichnung ”differenzierbarnicht sehr glücklich, besser wäre von änalytischßu sprechen,
doch wird dieser Begriff restriktiver gehandhabt.
Lemma 1.15. Eine komplexe Funktion f (z) = g(z) + ih(z), wo g, h reell wertige
Funktionen sind, ist genau dann differenzierbar in a, wenn die Funktionen g, h aufgefasst als Funktionen von R2 → R, differenzierbar sind und wenn gilt
∂ g(a) ∂ h(a)
=
,
∂x
∂y
und
∂ g(a)
∂ h(a)
=−
.
∂y
∂x
(1.3.5)
In anderen Worten, eine komplexe Funktion ist differenzierbar, wenn sie differenzierbar ist als Funktion R2 → R2 im üblichen Sinne, und wenn ihre Ableitung eine
lineare Abbildung ist, die als Multiplikation mit einer komplexen Zahl realisiert
werden kann.
Anmerkung 1.16. Die Gleichungen (1.3.5) heissen Cauchy-Riemann (Differential)
Gleichungen.
Beweis. Der Beweis ist nach dem bisher gesagten elementar. t
u
12
1 Komplexe Funktionen
Definition 1.17. Sei D ⊂ C eine offenen Menge und sei f auf D definiert. f heisst
analytisch oder holomorph auf D, wenn f an jedem Punkt z ∈ D differenzierbar ist.
1.3.2 Potenzreihen als analytische Funktionen
Es wird sich heraustellen, dass analytische Funktionen unendlich oft differenzierbar
sind und dass sie in jedem Punkt in D als konvergente Potenzreihen dargestellt werden können. Um dies zu zu zeigen benötigen wir aber einige tiefe Resultate aus der
Theorie der Integration von komplexen Funktionen. Allerdings können wir schon
jetzt die Umkehraussage beweisen:
n
Lemma 1.18. Sei p(z) ≡ ∑∞
k=0 an z eine Potenzreihe mit Konvergenzradius r. Dann
stellt f (z) = p(z) ein analytische Funktion auf der Menge D = {z : |z| < r} dar. Es
gilt, dass f (n) (0) = n!an .
Beweis. Wir müssen nachprüfen, ob der Limes
lim h−1 ( f (z + h) − f (z))
h→0
(1.3.6)
existiert. Nun ist für jedes z ∈ D auch z + h ∈ D, sofern nur |h| hinreichend klein ist.
Also sind für solche z, h sowohl f (z + h) als auch f (z) konvergente Reihen. Für alle
hinreichend kleinen h 6= 0 haben wir daher
∞
h−1 ( f (z + h) − f (z)) = h−1 ∑ ak (z + h)k − zk
k=0
k
k k−` ` k
z h −z
k=0
`=0 `
∞
k k k−` `
= h−1 ∑ ak ∑
z h
k=1
`=1 `
∞
k k k−` `−1
= ∑ ak ∑
z h
k=1
`=1 `
∞
k k−1
= ∑ ak
z
1
k=1
∞
k k k−` `−1
+ ∑ ak ∑
z h
k=2
`=2 `
∞
= h−1 ∑ ak ∑
Der erste Term ist unabhängig von h und wird die gewünschte Ableitung sein. Wir
müssen also nur zeigen, dass der zweite Term verschwindet, wenn h → 0 strebt. Nun
ist aber
1.3 Komplexe Funktionen
13
∞
∞
k k k k−` `−1 k
z h ≤ |h| ∑ ak ∑
|z|k−` |h|`−2
∑ ak ∑
k=2 `=2 `
k=2
`=2 `
∞
k−2 k
≤ |h| ∑ |ak | ∑
|z|k−2−` |h|`
`
+
2
k=2
`=0
Wir müssen also nur zeigen, dass die Summe in der letzten Zeile für hinreichend
kleine h konvergiert. Nun ist aber
k − 2 k2
k−2
k(k − 1)
k
≤
.
=
(` + 1)(` + 2)
`
2
`
`+2
Daher ist
∞
k−2 ∑ |ak | ∑
k=2
`=0
∞
k
|z|k−2−` |h|` ≤ ∑ |ak+2 2(|z| + |h|)k
`+2
k=0
Nun ist aber der Konvegenzradius dieser Reihe nach der Cauchyformel gleich
1/k
2 1/k
(k + 2)2
1/k k/(k−2) (k + 2)
= lim sup ak
lim sup ak+2
2
2
k
k↑∞
1/k
= lim sup ak
= r.
k
Das heisst, die Reihe konvergiert sobals |z| + |h| < r, was aber für hinreichend kleines h stets gilt, da ja |z| < r ist. Damit ist aber die Differenzierbarkeit bewiesen.
Wir haben auch eine explizite Formel für die Ableitung,
f 0 (z) =
∞
∑ (k + 1)ak+1 zk .
k=0
Dies ist wieder eine Potenzreihe und eine einfache Anwendung des Cauchy-Kriteriums
zeigt dass, deren Konvergenzradium wiederum r ist. D.h., auch f 0 (z) ist eine analytische Funktion im selben Gebiet, und es folgt durch Iteration dieses Arguments, dass
f in Inneren seines Konvergenzkreises unendlich oft differenzierbar ist. Einfaches
Nachrechnen zeigt, dass
f (n) (z) =
∞
∑ (k + 1) . . . (k + n)ak+n zk
k=0
gilts, so dass klarerweise
f (n) (0) = n!an .
t
u
Wir können nun dieses Resultat benutzen, um weitere Eigenschaften wichtiger
durch Potenzreihen definierter Funktionen zu untersuchen. Als erstes betrachten wir
die
14
1 Komplexe Funktionen
1.3.2.1 Exponentialfunktion.
Wir haben oben die Exponentialreihe exp(z) definiert. Da diese den Konvergenzradius r0 = ∞, ist sie auch überall unendlich oft differenzierbar und es gilt
exp0 (z) =
∞
k
∞
1
∞
1
∑ k! zk−1 = ∑ (k − 1)! zk−1 = ∑ k! zk = exp(z).
k=0
k=1
(1.3.7)
k=0
Das, heisst, die Exponentialreihe ist die komplexe Erweiterung der durch die Differentialgleichung f 0 (x) = f (x) definierten reellen Exponentialfunktion. In der Tat
können wir auch im Komplexen die Exponentialfunktion als Lösung dieser Gleichung definieren, und die Reihendastellung daraus gewinnen. Die Differentialgleichung erlaubt weitere Schlüsse zu ziehen, ohne mühevoll mit Reihen rechnen zu
müssen. So gilt inbesondere die fundamentale Identität
exp(z) exp(y) = exp(z + y),
(1.3.8)
für alle z, y ∈ C. Beide Seiten der Gleichung erfüllen nämlich die Differentialgleichung
d
f (z) = f (z)
dz
mit der Anfangsbedingung f (0) = exp(y), und so folgt die Identität aus der Eindeutigkeit der Lösung solcher Gleichungen.
Insbesondere gilt daher für b ∈ R, dass
| exp(ib)|2 = exp(ib) exp(−ib) = exp(0) = 1,
dass also exp(ib) für b ∈ R auf dem Einheitskreis liegt, und damit für z = a + ib mit
a, b ∈ R,
exp(a + ib) = exp(a) exp(ib)
(1.3.9)
und somit | exp(z)| = exp(ℜ(z)).
Weiterhin gilt für reelle φ , ψ ∈ R,
ℜ exp(i(φ + ψ)) = ℜ exp(iφ )ℜ exp(iψ) − ℑ exp(iφ )ℑ exp(iψ))
ℑ exp(i(φ + ψ)) = ℜ exp(iφ )ℑ exp(iψ) − ℑ exp(iφ )ℜ exp(iψ)),
Die sind aber gerade die Additionstheoreme für cos φ = ℜ exp(iφ )) und sin(φ ) =
ℑ exp(iφ ). Die Identiäte exp(iφ ) = cos φ + i sin φ kann auch direkt über die bekannten Reihendarstellungen erhalten werden.
Eine wichtige Beobachtung ist, dass die Exponentialfunktion periodisch in der
imaginären Richtung ist, nämlich
exp(z + 2πi) = exp(z),
für alle z ∈ C. Dies hat wichtige Konsequenzen für ihre Umkehrfunktion, dem Logarithmus.
1.4 Analytische Funktionen und konforme Abbildungen
15
1.3.2.2 Der Logarithmus
Die komplexe Exponentialfuntion bildet die komplexe Ebene auf C ohne die Null
ab. Wir wollen die Umkehrfunktion ln w definieren. Sie soll die Eigenschaft haben,
dass z = ln w, wenn exp(z) = w. Ausser für den Fall w = 0, können wir (1.3.9)
benutzen um diese Gleichung in die zwei Gleichungen
exp(a) = |w|,
exp(ib) = w/|w|,
zu zerlegen, wobei z = a + ib angenommen ist. Die erste Gleicung für den Realteil
des Logarithmus hat für alle |w| =
6 0 eine eindeutige Lösung. Die zweite Gleichung
hat eine eindeutige Lösung im Streigen 0 ≤ b < 2π, aber mit b sind auch alle Zahlen
b = 2nπ mit n ∈ Z Lösungen. Wir bezeichnen den Imaginärteil des Logarithmus mit
arg(w) und schreiben
ln w = ln |w| + i arg w.
Es gibt also unendlich viele Möglichkeiten, den Logarithmus zu definieren. Interessant wird dies erst, wenn man eine Wahl für die Definition längs einer Kurve treffen
will (dies wird uns in der Integrationstheorie interessieren). Betrachte z.B. den Einheitskreis, z = exp(iφ ). Eine kanonische Wahl für den Logarithmus scheint dann
ln z = φ . Allerdings ist diese längs des Kreises nicht stetig: am Punkt 1 springt ln z
von 2π auf 0 zurück. Alternativ könnte man eine stetige Funktion längs der Kurve
wählen, bei der nach der Umkreisung der Null nun eine andere Wahl des Logarithmus eingesetzt wird. Die werden wir darauf im Kontext Riemann’scher Flächen
zurückkommen.
1.4 Analytische Funktionen und konforme Abbildungen
Wir wollen in diesem Abschnitt die geometrischen Eigenschaften analytischer
Funktionen als Abbildungen der komplexen Ebene auf sich selbst betrachten. Dabei
wird der Begriff der komformen Abbildungen eine zentrale Rolle spielen.
1.4.1 Kurven
Wir betrachten Kurven in der komplexen Ebene als parametrischen Abbilildungen
γ : I → C,
wo I ⊂ R ein Intervall ist und γ eine stetige Funktion. Wie in der Integrationstheorie,
verstehen wir unter der eigentlichen Kurve die Equivalenzklasse solcher Abbildungen unter stetigen und monotonen Reparametrisierungen (siehe Kapitel 2 im Skript
[2]).
16
1 Komplexe Funktionen
Eine Kurve heisst einfach oder eine Jordan Kurve, wenn γ(t1 ) = γ(t2 ) impliziert,
dass t1 = t2 .
1.4.2 Konforme Abbildungen
Sei γ eine Kurve mit Parametrisierung γ(t), a ≤ t ≤ b, die in einem Gebiet Ω enthalten ist. Sei f : Ω → C eine stetige Funktion. Dann ist γ 0 (t) ≡ f (γ(t)) die Paramatrisierung einer neuen Kurve g, dem Bild von γ. Wenn f sogar analytisch ist, und
γ differenzierbar, dann ist dies auch g und
g0 (t) = f 0 (γ(t))γ 0 (t).
(1.4.1)
Solange weder γ 0 (t) noch f 0 (γ(t)) verschwindet, folgt dass g bei g(t) einen Tangentialvektor besitzt. Die Richtung dieses Tangentialvektors ist bestimmt durch
arg g0 (t) = arg f 0 (γ(t)) + arg γ 0 (t).
(1.4.2)
Das heisst, dass der Winkel zwischen den Tangenten der ursprünglichen Kurve und
der Bildkurve am jeweiligen Bild nur von der Abbildung f abhängt, nicht aber von
der Betrachteten Kurven: Haben zwei Kurven an einem Punkt die gleiche Tangente,
so gilt dies auch für ihre Bilder. Diese Eigenschaft wird als winkelerhaltend oder
konform bezeichnet.
Eine weitere Eigenschaft analytischer Funktionen betrifft die Streckung von Liniensegmenten. Wegen der Definition der Differenuzierbarkeit gilt ja, dass
lim
h↓0
| f (γ(t + h)) − f (γ(t))|
= | f 0 (γ(t)|.
|γ(t + h) − γ(t)|
(1.4.3)
Die rechte Seite ist wieder unabhängig von γ sondern hängt nur von dem Punkt
z0 = γ(t) ab, d.h. jede Kurve durch den Punkt z0 wird lokal um den gleichen Faktor
| f 0 (z0 )| gestreckt.
Beide Aussagen besagen letztlich nichts anderes, als was wir schon wissen: die
Ableitung einer analytischen Funktion ist eine Dreh-Steckung, und eine analytische Funktion ist lokal gut durch ihre Ableitung approximiert. Natürlich können
wir dasselbe Ergebnis auch über die Cauchy-Riemann Gleichungen verifizieren.
Dazu nehmen wir an, dass die partiellen Ableitungen von f stetig seien. Es sei
γ(t) = x(t) + iy(t). Dann ist
g0 (t) =
∂ f (γ(t)) 0
∂ f (γ(t)) 0
x (t) +
y (t).
∂x
∂y
Dies können wir umschreiben in der Form
(1.4.4)
1.4 Analytische Funktionen und konforme Abbildungen
17
∂ f (γ(t))
∂ f (γ(t)) 0
1 ∂ f (γ(t))
∂ f (γ(t)) 0 ∗
−i
γ (t) +
+i
γ (t) .
∂x
∂y
2
∂x
∂y
(1.4.5)
Um die Winkeltreue zu garantieren, muss dass Argument von g0 (t) und γ 0 (t) sich
um einen von der Richtung von γ 0 (t) unabhängigen Betrag unterscheiden, also
arg(g0 (t)/γ 0 (t)) unabhängig von arg(γ 0 (t) sein. Nun ist aber
∂ f (γ(t))
1 ∂ f (γ(t))
∂ f (γ(t)) γ 0 (t)∗
g0 (t) 1 ∂ f (γ(t))
=
−
i
+
+
i
.
γ 0 (t) 2
∂x
∂y
2
∂x
∂y
γ 0 (t)
g0 (t) =
1
2
Damit dies für alle möglichen Richtungen von γ 0 (t) gleich ist, muss
∂ f (γ(t))
∂ f (γ(t))
+i
=0
∂x
∂y
gelten, was (in Komplex- und Realteil ausgeschrieben) die Cauchy-Riemann Gleichungen sind.
Wir fassen zusammen:
Theorem 1.19. Eine Abbildung f : Ω → C ist genau dann Konform, wenn sie analytisch ist und ihre Ableitung in Ω nirgends verschwindet.
1.4.3 Möbiustransformationen
Eine wichtige Klasse von Funktionen sind die rationalen Funktionen vom Grade 1,
d.h. Funktionen der Form
az + b
.
(1.4.6)
f (z) =
cz + d
Diese werden auch gebrochene linearae Abbildungen oder Möbiustransformationen
gennant. Man prüft leicht nach, dass diese Abbildung invertierbar ist, sofern ad −
bc 6= 0; das inverse ist gegeben durch
f −1 (w) =
dw − b
.
−cw + a
(1.4.7)
Eine Möbiustranformation ist ausser im Punkt w = −d/c differenzierbar, wie man
leicht nachrechnet. Damit ist sie in jedem Gebiet, dass diesen Punkt nicht enthält
analytisch.
Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen den Möbiustranformationen und
der Gruppe derlinearen
Abbildungen on C2 → C2 . Betrachten wir nämliche Ele
z
mente von C2 , 1 , und die Abbildung von C2 nach C,gegeben durch
z2
z1
→ z2 /z1 ,
z2
18
1 Komplexe Funktionen
so gilt folgendes: Wenn z = z1 /z2 und w = w1 /w2 , f die Möbiustransformation
(1.4.6), dann ist f (z) = w wenn
w1
ab
z1
.
=
w2
cd
z2
Beachte, dass die Invertierbarleit der Möbiustransformation gerade die bekannte
Form
ab
det
6= 0
cd
annimmt.
Möbiustransformationen werden auch als Abbildungen der erweiterten komplexen Ebene, C ∪ {∞}, bei der der Punkt ∞ zu den komplexen Zahlen formal hinzugenommen wird. Wir haben dann f (∞) = b/d, und f (−d/c) = ∞. Eine konkrete
Realisierung der erweiterten komplexen Ebene gewinnt man z.B. durch die sog.
Riemmann’sche Kugel. Hier betrachten wir die Einheitskugel im R3 . Jeder Punkt,
(x1 , x2 , x3 ) der Kugel wir auf die erweiterte komplexe Ebene abgebildet durch
z=
x1 + ix2
,
1 − x3
wobei der Nordpol, (0, 0, 1), auf den Punkt ∞ fällt. Die Abbildung ist eins-zu-eins
mit der Umkehrabbildung gegeben durch
x3 =
|z|2 − 1
,
|z|2 + 1
x2 =
i(z∗ − z)
,
|z|2 + 1
x1 =
z + z∗
,
|z|2 + 1
Kapitel 2
Komplexe Integration
Die Theorie die komplexen Integration ist der in der Praxis wichtigste Teil der Funktionentheorie. Sie liefert erstaunlich hilfreiche Methoden zu Berechnung bestimmter
Integrale.
2.1 Kurvenintegrale
In der Theorie der komplexen Integration interessieren wir uns für Integrale komplexer Funktionen längs Kurven in der komplexen Ebene. Wie schon bei der Definition
der Ableitung, wird wieder so vorgegangen, als könnten wir Formeln einfach aus
der reellen Integration übertragen.
Definition 2.1. Sei γ : [a, b] → C und f eine komplexe Funktion. Dann definieren
wir
Z
Z b
f (z)dz ≡
f (γ(t))γ 0 (t)dt.
(2.1.1)
γ
a
Anmerkung 2.2. Wenn γ nur stückweise differenzierbar ist, so verstehen wir unter
der rechten Seite die Summe über die entsprechenden differenzierbaren Stücke.
Anmerkung 2.3. Das komplexe Integral “passt” zu dem reellen Integral in dem Sinne, dass für Kurven, die in in der reellen Achse liegen, der Real- und Imaginärteil
des Integrals einfach die Integrale von Real- und Imaginärteil der Funktion f im
üblichen Sinn sind.
Beachte, dass das Integral einer komplexen Funktion eine komplexe Zahl ist.
Wir können Real- und Imaginärteil als Kurvenintegral der Differentialformen im
üblichen Sinn auffassen,
ω ≡ u(z)dx − v(z)dy,
b ≡ v(z)dx + u(z)dy
ω
und
(2.1.2)
(2.1.3)
19
20
2 Komplexe Integration
auffassen, wenn f = u + iv ist. Das heisst, wir haben
Z
Z
Z
f (z)dz =
ω +i
γ
γ
γ
b
ω.
Interessanterweise gilt, dass
∂u ∂v
dx ∧ dy
− −
∂y ∂x
∂v ∂u
b= − +
dω
dx ∧ dy.
∂y ∂x
dω =
(2.1.4)
(2.1.5)
Insbesondere folgt aus den Cauchy-Riemmann Gleichungen, dass für analytische
Funktionen f , beide Differentialformen geschlossen sind. Dies ist in der Tat die
Grundlage für alle Besonderheiten der komplexen Integration.
Aus der Definition des komplexen Integrals ergibt sich insbesondere die Invarianz unter Reparametrisierung der Kurve, die wir ja für gewöhnliche Kurvenintegrale
gezeigt hatten [2]:
Theorem 2.4. Sei γ : [a, b] → C eine differenzierbare Parametrisierung einer Kurve, und sei τ : [α, β ] → [a, b] streng monoton wachsend und differenzierbar. Dann
parametrisiert g(s) ≡ γ(τ(s)) dieselbe Kurve und es gilt für jede stetige Funktion f ,
gilt
Z b
a
f (γ(t))γ 0 (t)dt =
Z β
f (g(s))g0 (s)ds.
(2.1.6)
α
Beweis. Übung. t
u
Wir wollen nun den zentralen Satz von Cauchy beweisen.
Theorem 2.5. Sei f analytisch in einem offenen Kreis D ⊂ C. Sein γ eine geschlossene Kurve in D. Dann gilt
Z
f (z)dz = 0.
(2.1.7)
γ
Beweis. Wir müssen nur zeigen, dass die geschlossenen Differentialformen ω und
b auch exakt sind. Sei obdA z = x + iy mit x, y > 0. Ohne Beschränkung der Allω
gemeinheit sei D um die Null zentriert. Wir suchen eine komplexe Funktion deren
b erzeugt. Eine naheReal- und Imaginärteil gerade die Differentialformen ω und ω
liegender Versuch ist es, die Funktion f längs einer einfachen Kurve zu integrieren.
Wir wählen dazu das Rechteck mit den Ecken (0, x, x + iy, iy), und die zwei Kurven
R1 , R2 von 0 nach x + iy, die längs er Kanten des Rechtecks verlaufen. Wir machen
nun die Annahme, dass
Z
Z
f (w)dw =
R1
R2
f (w)dw ≡ F(z)
(2.1.8)
gilt. Wir werden diese Annahme später beweisen. Seien U(z) and V (z) Real- bzw.
Imaginärteil von F. Dann erhalten wir folgende explizite Darstellungen durch reelle
2.1 Kurvenintegrale
21
Integrale:
Z x
U(z) =
0
u(r)dr −
Z x
V (z) =
Z y
v(x + is)ds
(2.1.9)
u(x + is)ds
(2.1.10)
Z 0y
v(r)dr +
0
0
bzw.
U(z) = −
Z y
Z y
v(ir)dr +
Z x0
V (z) =
u(x + is)ds
(2.1.11)
Z y 0
u(r)dr +
0
u(x + is)ds
(2.1.12)
0
Die Tatsache, dass wir beide Darstellungen haben, erlaubt uns alle partiellen Ableitungen einfach zu berechnen. Wir erhalten
∂U(z)
∂x
∂U(z)
∂y
∂V (z)
∂x
∂V (z)
∂y
= u(z),
(2.1.13)
= −v(z),
(2.1.14)
= v(z),
(2.1.15)
= u(z),
(2.1.16)
bzw.
dU = ω
b
dV = ω.
(2.1.17)
(2.1.18)
Damit aber sind unsere beiden Differentialformen exakt, und die Aussage des Satzes
folgt unmittelbar.
Bleibt zu zeigen, dass (2.1.8) gilt. Dazu sein ∂ R der Rand unseres Rechteckes.
Wir können dieses Rechteck nun in 4n gleich grosse Rechtecke zerlegen deren Kantenlänge jeweils 2−n x, bzw. 2−n y ist. Wir numerieren diese Rechtecke mit Rn1 , . . . Rn4n
durch. Wir wollen zeigen, dass
Z
f (w)dw = 0.
∂R
Es ist elementar einzusehen, dass
4n
Z
f (w)dw =
∂R
∑
Z
n
k=1 ∂ Rk
f (w)dw.
Insbesondere muss gelten, dass für mindestens eines dieser Rechtecke,
22
2 Komplexe Integration
Z
Z
−n ∂ Rn f (w)dw ≥ 4 ∂ R f (w)dw .
(2.1.19)
k
In der Tat kann man sogar eine Folge von Rechtecken, Rnn so finden, dass
R ⊃ R21 ⊂ R22 ⊃ · · · ⊃ Rnn ,
indem man das Argument aus (2.1.19) in jedem Schritt anwendet. Es gilt dann, dass
die Folge der Rechtecke Rnn gegen einen Punkt w0 konvergiert. Da f analytisch ist,
gibt es für jedes ε > 0 ein δ , so dass
| f (w) − f (w0 ) − (w − w0 ) f 0 (w0 )| ≤ ε|w − w0 |.
(2.1.20)
Nun sei n so gross, dass das Rechteck Rnn im Kreis mit Radius δ um z0 liegt. Dann
ist
Z
∂ Rnn
Z
f (w)dw =
∂ Rnn
Z
+
∂ Rnn
f (w0 ) − (w − w0 ) f 0 (w0 ) dw
(2.1.21)
f (w) − f (w0 ) − (w − w0 ) f 0 (w0 ) dz.
Das erste Integral verschwindet, z.b. durch explizites Nachrechnen. Für das zweite
Integral benutzen wir (2.1.20) und die elementare ABschätzung
Z
0
≤ |∂ Rnn | max f (w0 ) − (w − w0 ) f 0 (w0 )
f
(w
)
−
(w
−
w
)
f
(w
)
dw
0
0
0
∂ Rn
w∈∂ Rn
n
n
≤ 2−n ε(x + y)2 2−n ≤ ε4−nC.
(2.1.22)
Damit aber haben wir, dass unser ursprüngliches Integral im Betrag kleiner als jedes
ε > 0 ist, also verschwinden muss. Dies beschliesst den Beweis des Satzes. t
u
Anmerkung 2.6. Der letzte Teil des Beweises kann auch so zusammengefasst werden: Jede geschlossene Differentialform in einem Kreis ist exakt. Diese Aussage
lässt sich, ebenso wie der Satz von Cauchy selbst, noch dahingehend verallgemeinern, dass statt des Kreise auch viel allgemeinere Gebiete genommen werden
können. Das Argument des Beweises lässt sich so zusammenfassen: die Differentialformen die einer affinen Funktion f entsprechen sind trivialerweise exakt, mit
F(z) = az2 + bz. Andererseits ist die lokale Approximation durch lineare Funktionen so gut, dass die Fehlerterme schneller verschwinden, als die einzelnen Beiträge
wachsen.
Als eine erste Anwendung des Satzes von Cauchy wollen wir die Berechnung
der Fouriertransformierten der Gaussverteilung anschauen. Sei u ∈ R. Wir suchen
1
φ (u) = √
2π
Quadratische Ergäntzung liefert
Z ∞
−∞
e−x
2 /2+iux
dx.
2.1 Kurvenintegrale
23
2 /2
φ (u) = e−u
1
√
2π
Z ∞
2 /2
−∞
e−(x−iu)
dx.
Das Integral in diesem Ausdruck können wir als komplexes Integral der Funktion
exp(−z2 /2) längs der Kurve
γ(t) = t − iu,
t ∈ R,
auffassen. Genau er gesagt, sollten wir es als Grenzwert des Integrals längs der
Kurven γn (t) = t − iu,t ∈ [−n, n] auffassen. Nun sie Rn das Rechteck mit den Eckpunkten (−n − iu, n − iu, n, −n). Da die Funktion exp(−z2 /2) analytisch ist, gilt
Z
exp(z)dz = 0.
∂ Rn
Andererseits ist
Z n
Z
0=
=
∂ Rn
Z 0
+
−u
−n
exp(−(x − iu)2 /2)dx +
exp(−(n + iy)2 /2)dy +
Z −u
Z −n
exp(−x2 /2)dx
n
exp(−(−n + iy)2 /2)dy.
0
Für die beiden letzten Integrale gilt
Z 0
2
≤ u exp(−(n2 − u2 )/2,
exp(−(n
+
iy)
/2)dy
−u
und
Z −u
2
2
2
0 exp(−(−n + iy) /2)dy ≤ u exp(−(n − u )/2,
so dass beide Terme nach Null streben, wenn n ↑ ∞. Damit folgt
Z n
lim
n↑∞ −n
2
exp(−(x − iu) /2) =
Z −∞
exp(−x2 /2) =
√
2π,
∞
und somit
φ (u) = exp(−u2 /2).
Eine wichtige Verallgemeinerung des Satzes von Cauchy ist folgende Aussage.
Theorem 2.7. Sei D eine offen Kreisscheibe, und sei ξ1 , . . . , ξk eine endliche Menge
von Punkten in D. Sei D0 = D\{ξ1 , . . . , ξk }. Sei f analytisch auf D0 ist, und es gelte
für alle Punte ξ j ,
lim (z − ξ j ) f (z) = 0.
(2.1.23)
z→ξ j
Dann gilt die Aussage des Satzes von Chauchy für jede geschlossene Kurve in D0 .
b weiterhin exakt
Beweis. Wir müssen nur zeigen, dass die Differentialformen ω, ω
sind. Wir betrachten der Einfachheit halber den Fall k = 1. Sei R0 ein Quadrat, das
24
2 Komplexe Integration
den Punkt ξ1 enthält. Dann ist leicht zu sehen, dass
Z
Z
f (w)dw =
R
f (w)dw.
R0
Wegen der Eigenschaft (2.1.23) folgt aber, dass für jedes ε > 0 R0 so klein gewählt
werden kann, dass auf seinem Rand
| f (w)| ≤
ε
|ξ1 − w|
gilt. Nun ist aber
Z
1
dw
∂ R |ξ1 − w| ≤ 8,
0
(2.1.24)
so dass das Integral über ∂ R0 durch 8ε beschränkt ist. Dies liefert die gewünschte
Aussage. Für den Fall, dass einer der Ausnahmepunkte auf dem Rand des Rechteckes zu liegen käme, muss man die Konstruktion etwas komplizierten, das Ergebnis bleibt aber bestehen. t
u
2.2 Die Cauchy’sche Integralformel
Der Satz von Cauchy hat eine bemerkenswerte Konsequenz, die Cauchy’sche Integralformel. Um diese herzuleiten, benötigen wir noch das folgende Resultat.
Lemma 2.8. Sei γ eine stückweise differenzierbare geschlossene Kurve in der komplexen Ebene, die den Punkt a ∈ C nicht enthält. Dann gibt es ein κ ∈ Z, so dass
Z
γ
dz
= κ2πi.
z−a
(2.2.1)
Beweis. Sei γ : [0, T ] → C eine Parametrisierung der Kurve γ. Wir nehmen der
Einfachheit halber an, dass γ(t) überall differenzierbar ist – andernfalls muss man
stückeln. Wir definieren
Z t
γ 0 (s)
h(t) ≡
ds.
(2.2.2)
0 γ(s) − a
Dann ist h0 (t) =
γ 0 (s)
γ((t)−a .
e−h(t) (γ(t) − a)
tion
Also gilt
Einfaches Nachrechnen zeigt, dass die Ableitung der Funk-
verschwindet, die Funktion also konstant gleich γ(0) − a ist.
eh(t) =
γ(t) − a
.
γ(0) − a
(2.2.3)
Da die Kurve geschlossen ist, ist auch γ(T ) = γ(0), also
eh(T ) = 1.
(2.2.4)
2.3 Höhere Ableitungen und Taylorreihen
25
Daher muss h(T ) ein vielfaches von 2π sein. h(T ) ist aber das gesuchte Integral und
das Lemma ist bewiesen. t
u
1
dz
Die ganze Zahl n(γ, a) = 2πi
γ z−a heisst Windungszahl (oder Index) der Kurve
γ bezüglich des Punktes a.
Indem wir a = 0 setzen, so sehen wir, dass für eine Kurve, die sich gerade einmal
um den Nullpunkt windet, n(γ, 0) = 1 gilt.
R
Theorem 2.9. Sei f analytisch in einer offenen Kreisscheibe D und sei γ eine geschlossene Kurve in D. Dann gilt für jeden Punkt a ∈ D\γ,
1
2πi
f (z)dz
= f (a)n(γ, a).
z−a
Z
γ
(2.2.5)
Insbesondere ist für Kurven mit Windungszahl 1
1
2πi
Z
γ
f (z)dz
= f (a).
z−a
(2.2.6)
Beweis. Der Beweis ist recht einfach. Wir schreiben
Z
γ
f (z)dz
=
z−a
Z
γ
f (a)dz
+
z−a
Z
γ
f (z) − f (a)
dz.
z−a
Der erste Term gibt wie behauptet n(γ, a) f (a). Der zweite Term verschwindet, da
der Integrand die Vorraussetzungen des Theorems 2.7 erfüllt. Die Funktion F(z) ≡
f (z)− f (a)
ist nämlich ausser im Punkte z = a in D analytisch und da f in a stetig ist,
z−a
gilt limz→a F(z)(z − a) = 0. t
u
2.3 Höhere Ableitungen und Taylorreihen
Die Cauchy’sche Integralformel mag zunächst seltsam erscheinen. Ihre Stärke zeigt
sich aber, wenn wir Ableitungen berechnen wollen. Wir erhalten nämlich, indem
wir (2.2.6) benutzen, für jede Kurve mit Windungszahl 1,
d
1
f (a) =
da
2πi
Z
f (z)
γ
d 1
1
dz =
da z − a
2πi
Z
γ
f (z)
dz.
(z − a)2
(2.3.1)
Dabei benutzen wir die Leibnitzregel nach der die Ableitung in das Integral ziehen können (die Bedingungen dafür sind leicht nachzuprüfen). Genauso können wir
integrieren und erhalten
dn
n!
f (a) =
n
da
2πi
Z
γ
f (z)
dz.
(z − a)n+1
(2.3.2)
26
2 Komplexe Integration
Diese Beobachtung zeigt uns, dass, wie schon angekündigt, alle analytischen Funktionen unendlich oft differenzierbar sind. Die Formel (2.3.2) liefert aber noch viel
mehr.
Wir hatten schon im Theorem 2.7 gesehen, dass singuläre Punkte an denen
(2.1.23) gilt in Hinblick auf den Satz von Cauchy ungefährlich sind. Wir wollen
dies nun noch weiter formalisieren.
Theorem 2.10. Sei f in einen Gebiet Ω 0 = Ω \{ξ1 , . . . , ξk } analytisch, wo Ω eine
zusammenhängende offene Menge ist. Dann existiert eine analytische Funktion auf
Ω , die mit f auf Ω 0 koinzidiert, genau dann wenn für alle i = 1, . . . , k, (2.1.23) gilt.
Beweis. Zuächst ist klar, dass die Bedingungen (2.1.23) notwendig sind, das ja f
zumindestens an allen Punkten ξ j einen endlichen Grenzwert haben muss sein muss.
Als nächstest stellen wir fest, dass um jeden Punkt ξ j ein Kreis, C j , gelegt werden
kann, so dass Cauchy’s Formel gilt und
f (z) =
1
2πi
Z
Cj
f (w)
dw
w−z
(2.3.3)
für jedes z 6= ξ j innerhalb von C j gilt. Das Integral in (2.3.3) ist aber eine analytische
Funktion überall innerhalb von C j , insbesondere auch in ξ j . Damit ist die Funktion
(
f (z),
ifz ∈ Ω 0 ,
˜f (z) =
R
(2.3.4)
f (w)
1
2πi C j w−z dw, ifz = ξ j ,
analytisch in Ω , und stellt die gewünschte analytische Fortsetzung der Funktion f
dar. t
u
Man sagt auch, die Funktion f habe in den Punkten ξ j hebbare Singulritäten.
Wir können die obige Konstruktion als eine Fortsetzung der Funktion f auf die
singulären Punkte ξ j auffassen. Das folgende Lemma gibt eine Verallgemeinerung
dieser Konstruktion, die im Folgenden wichtig sein wird.
Lemma 2.11. Sei γ eine geschlossene Kurve und sei φ : γ → C stetig auf γ. Dann
sind die Funktionen
Z
φ (w)
dw
(2.3.5)
Fn (z) ≡
n
γ (w − z)
für n ∈ N analytisch innerhalb (und auch ausserhalb) der Kurve γ, und es gilt
Fn0 (z) = nFn+1 (z).
(2.3.6)
Beweis. Wir betrachten zunächst F1 (z). Sei z0 ein Punkt, der nicht auf γ liegt. Dann
gibt es auch eine δ -Umgebung von z0 , die γ nicht schneidet. Wir nehmen nun z in
einer δ /2-Umgebung von z0 . Es gilt, weil 1/(w − z) − 1/(w − z0 ) = (z − z0 )/(w −
z)(w − z0 ),
Z
φ (w)
F1 (z) − F1 (z0 ) = (z − z0 )
dw,
(2.3.7)
(w
−
z)(w − z0 )
γ
2.3 Höhere Ableitungen und Taylorreihen
und so
27
|F1 (z) − F1 (z0 )| ≤ |z − z0 |δ −2 max |φ (w)||γ|.
w∈γ
Hieraus folgt zunächst, dass F1 ausserhalb und innerhalb von γ jeweils stetig (aber
nicht gleichmässig!) stetig ist. Da dieses Resultat auch gilt, wenn wir φ durch
φ /(w − z0 ) ersetzen, folgt, dass der Differenzenquotient
F1 (z) − F1 (z0 )
=
z − z0
Z
γ
φ (w)
dw
(w − z)(w − z0 )
(2.3.8)
gegen einen Grenzwert konvergiert, wenn z → z0 strebt. Damit ist F1 in den betrachteten Gebieten differenzierbar, und also analytisch. Ausserdem sehen, wir, dass
F10 (z0 ) =
Z
γ
φ (w)
dw = F2 (z0 ).
(w − z0 )2
(2.3.9)
Der allgemeine Fall folgt nun durch vollständige Induktion. Dazu nimmt man an,
dass das Resultat für n−1 gilt, und benutzt dann das obige Ergebnis für die Funktion
φ (w)/(w − z)n−1 . Genauer benutzt man wieder, dass
1
1
1
1
1
=
+ (z − z0 )
−
−
.
(w − z) (w − z0 )n (w − z)n−1 (w − z0 ) (w − z0 )n
(w − z)n (w − z0 )
Wir setzen
Z
Fbn−1 (z) =
γ
φ (w)/(w − z0 )
dw
(w − z)n−1
Damit ist
Z
Fn (z) − Fn (z0 ) Fbn−1 (z) − Fbn−1 (z0 )
φ (w)
=
+
dw.
n
z − z0
z − z0
γ (w − z) (w − z0 )
Da Fbn−1 nach Induktionshypothese analytisch ist, erhalten wir,
Fn (z) − Fn (z0 ) b0
= Fn−1 (z0 ) + Fn+1 (z0 ) = (n − 1)Fbn (z0 ) + Fn+1 (z0 ).
z→z0
z − z0
Fn0 (z0 ) = lim
Da aber Fbn (z0 ) = Fn+1 (zo ) ist, folgt to behauptete Gleichung für Fn0 . t
u
Lemma (2.11) impliziert insbesondere die Gleichungen (2.3.2) ohne Rückgriff
auf die Leibnitz-Regel. Wenn nämlich φ sogar analytisch ist, und γ Windungszahl
1 hat, dass besagt Theorem 2.9, dass F1 (z) = 2πiφ (z), und demnach Fn+1 (z) =
n!2πi f (n) (z).
Sei nun f eine analytische Funktion. Wir setzen
F(z) =
f (z) − f (a)
.
z−a
(2.3.10)
28
2 Komplexe Integration
Dann ist F analytisch ausser in a, hat aber in a eine hebbare Singularität. Ausserdem
wissen wir, dass limz→a F(z) = f 0 (z) existiert. Daher existiert nach dem vorherigen
Satz eine analytische Funktion, f1 , so dass f1 (z) = F(z), für z 6= a und f1 (a) = f 0 (a).
Damit ist
f (z) = f (a) + (z − a) f1 (z).
dieselbe Prozedur können wir nun auf f1 anwenden um eine Funktion f2 zu erhalten,
so dass
f1 (z) = f1 (a) + (z − a) f2 (z),
und so weiter, bis
fn−1 (z) = fn−1 (a) + (x − a) fn (z).
Dabei hat fn die Integraldarstellung
f (w)
dw.
C w−z
Z
fn (z) =
Wenn wir diese Folge von Identitäten ineinander einsetzen erhalten wir, dass
f (z) = f (a)+(z−a) f1 (a)+(z−a)2 f2 (a)+· · ·+(z−a)(n−1) fn−1 (a)+(z−a)n fn (z).
(2.3.11)
Man kann diese Gleichung n-mal ableiten und dann z = a einsetzen. Man erhält
dann
f (n) (a) = n! fn (a),
(2.3.12)
da auf der rechten Seite nur der Term übrigbleibt, in dem wir alle n Ableitungen auf
(z − a)n angewandt haben. Dies liefert die Taylorformel:
Theorem 2.12. Wenn f in Ω analytisch ist, und z, a ∈ Ω , so gilt
(z − a)(n−1) (n−1)
(z − a)2 00
f (a)+· · ·+
f
(a)+(z−a)n fn (z).
2!
(n − 1)!
(2.3.13)
Dabei ist fn (z) analytisch in Ω und es gilt, dass
f (z) = f (a)+(z−a) f 0 (a)+
fn (z) =
1
2πi
f (w)
dw.
n
C (w − a) (w − z)
Z
(2.3.14)
Beweis. Der erste Teil der Aussage folgt aus dem oben gesagten sofort. Um die Formel (2.3.14) zu gewinnen, lösen wir (2.3.13) nach fn (z) auf und setzen das Ergebnis
in die Identität
Z
fn (w)
1
fn (z) =
dw
2πi C w − z
ein. Dies ergibt
2.3 Höhere Ableitungen und Taylorreihen
fn (z) =
1
2πi
n−1
29
f (w)
dw
n
C (w − a) (w − z)
Z
1
1
+ ∑ f (k) (a)
k!
2πi
k=0
Z
C
(2.3.15)
1
dw.
(w − a)n−k (w − z)
Wir wollen zeigen, dass die Termin in der zweiten Zeile alle gleich Null sind. Dazu
setzen wir
Z
1
F` (a) =
dw.
`
C (w − a) (w − z)
Wir betrachten zunächst F1 (a),
F1 (a) ≡
1
dw.
C (w − a)(w − z)
Z
(n)
Wir wissen aus Lemma 2.11, dass Fn+1 (a) = n!F1 (a). Andererseits ist aber (siehe
die Identität vor Gleichung (2.3.7)) für a innerhalb von C,
Z 1
1
1
F1 (a) =
−
dw = 0
z−a C w−z w−a
weil C bezüglich a und z die gleiche Windungszahl hat. Damit verschwinden aber
auch alle Fn (a), und somit alle Terme in der zweiten Zeile von (2.3.15). (2.3.14) ist
bewiesen.
Lemma 2.13. Sei f eine analytische Funktion in der Scheibe Dr (a) vom Radius r
mit Zentrum in a. Sei M ≡ supz∈Dr (a) | f (z)| < ∞. Dann gilt (2.3.2) und
| f (n) (a)| ≤ n!Mr−n .
(2.3.16)
Dieses Lemma hat eine höchst interessante Konsequenz:
Theorem 2.14. Sei f eine analytische Funktion in der Scheibe Dr (a) vom Radius r
mit Zentrum in a. Dann konvergiert die Taylorreihe
∞
1
∑ k! f (k) (a)(z − a)k ,
(2.3.17)
k=0
für alle |z − a| < r absolut, und stellt f (z) dar.
Beweis. Der Beweis ist elementar. Lemma 2.13 zeigt, dass die Potenzreihe (in
der Variablen (z − a)) mindestens den Konvergenzradius r hat, und daher konvergiert die Reihe wie behauptet. Andererseits folgt aus Theorem 2.12 und derselben
Abschätuung an das Restglied, dass diese gegen f (z) konvergiert.
Damit haben wir gezeigt, dass alle analytischen Funktionen lokal als konvergente
Potenzreihen dargestellt werden können.
30
2 Komplexe Integration
2.3.1 Weitere Eigenschaften analytischer Funktionen
Wir sammeln noch einige weitere interessante Beobachtungen über analytische
Funktionen, die aus den obigen Formeln folgen.
Theorem 2.15. [Satz von Liouville] Eine Funktion, die auf ganz C analytisch und
beschränkt ist, ist konstant.
Beweis. Wenn | f (z)| überall durch eine Konstante, M, beschränkts ist, und die
Funktion überall analytisch ist, so erhalten wir die Schranke
| f 0 (z)| ≤ Mr−1
für jedes r < ∞, weswegen f 0 z) = 0 gilt. Damit muss f konstant sein.
Als weiteres Resultat erhalten wir den Fundamentalsatz der Algebra:
Theorem 2.16. Jedes nicht konstante Polynom besitzt in C mindestens eine Nullstelle.
Beweis. Sei P(z) ein Polynom. Dann ist P in C analytisch. Sei nun P(z) 6= 0 für alle
z. Dann ist auch 1/P(z) analytisch in ganz C. Nun gilt offenbar, dass |P(z)| → ∞,
wenn |z| ↑ ∞. Daher strebt 1/P(z) gegen Null, wenn |z| ↑ ∞. Daraus aber folgt, dass
1/P(z) beschränkt ist, und somit dass P(z) konstant ist.
Als nächstes wollen wir zeigen, dass eine analytische Funktion verschwindet,
wenn alle ihre Ableitungen in einem Punkt verschwindet.
Lemma 2.17. Sei f analytisch in einem Gebiet Ω . Wenn für einen Punkt a ∈ Ω gilt,
dass f (k) (a) = 0, für alle k = 0, 1, 2, . . . . Dann ist f (z) = 0 für alle z ∈ Ω .
Beweis. Wir benutzen den Satz von Taylor und erhalten, dass für alle n,
f (z) = (z − a)n fn (z),
wobei wir in der Darstellung γ als Kreis mit Radius R mit Mittelpunkt in a wählen
und z innerhalb des Kreises liege. Dann liefert uns die Formel (2.3.14) die Schranke
| fn (z)| ≤
C
Rn−1 (R − |z − a|)
,
wo C das Maximum von f auf γ ist. so dass
R
|z − a| n
| f (z)| ≤ C
.
R
R − |z − a|
Da |z − a| < R, folgt, dass die rechte Seite nach null strebt, wenn n nach unendlich
strebt. Daher muss f (z) = 0 sein, für alle z im Innern von γ. Es folgt dann auch, dass
alle Ableitungen von f dort verschwinden.
2.3 Höhere Ableitungen und Taylorreihen
31
Ein einfaches Argument zeigt, dass die Funktion sogar auf ganz Ω verschwindet.
Dazu definieren wir die Teilmengen E1 , E2 ⊂ Ω mit den Eigenschaften
E1 ≡ {z ∈ Ω : f (k) (z) = 0, ∀k = 0, 1, . . . .}
E2 ≡ {z ∈ Ω : ∃k≥0 : f (k) (z) 6= 0}.
Klarerweise ist sind E1 und E2 disjunkt und ihre Vereinigung ist gleich Ω . Daher
können insbesondere nicht sowohl E1 als auch E2 offen sein, ausser eine der Mengen
wäre leer. Nun haben wir gerade gezeigt, dass E1 offen ist: wenn ein Punkt a in E1
liegt, so gibt es eine Umgebung, die auch noch in E1 liegt. Andererseits ist auch E2
offen: da ja f und alle ihre Ableitungen stetig sind, so gibt es zu jedem Punkt, z and
dem e.g. f (k) (z) > 0, auch eine Umgebung auf der dies wahr bleibt. Daraus folgt
nun, dass E1 entweder leer ist (was der Annahme widerspricht), oder gleich Ω ist.
Das beweist die Aussage. t
u
Das obige Ergebnis hat interessante Folgerungen. Sei a eine Nullstelle einer analytischen Funktion. Dann muss es ein k ∈ N geben, so dass
f (z) = (z − a)k fk (z),
wobei fk analytisch ist und fk (a) 6= 0 ist. Da fk insbesondere auch stetig ist, gibt
es dann eine Umgebung von a, wo fk und somit auch f von Null verschieden sind:
die Nullstellen einer analytischen Funktion sind isoliert. Eine analytische Funktion
kann also in einem endlichen Gebiet nur endlich viele Nullstellen haben.
Als nächstes betrachten wir Funktionen die in einer Umgebung eines Punktes
analytisch sind, nicht aber in diesem selbst. Der Punkt a heisst dann eine isolierte
Singularität von f . Der Fall, dass f (z) bei a einen endlichen Grenzwert besitzt
führt auf den schon behandelten Fall der hebbaren Singularitäten. Wir betrachten
nun den Fall, dass limz→a f (z) = ∞. Es existiert dann eine Umgebung, Uδ (a) = {z :
|z − a| < δ }, so dass f (z) 6= 0 für alle z ∈ Uδ (a) (wegen der Stetigkeit von f ). In
diesem Gebiet ist dann g(z) ≡ 1/ f (z) wohldefiniert und analytisch. Weiter ist die
Singularität von g bei a hebbar, da
lim (z − a)g(z) = lim (z − a)/ f (z) = 0.
z→a
z→a
Weiter hat g in a eine isolierte Nullstelle, also die Form
g(z) = (z − a)k gk (z),
mit gk analytisch und gk (a) 6= 0. Daraus folgt, dass
f (z) = (z − a)−k fk (z),
(2.3.18)
wo fk analytisch ist und in a nicht verschwindet. Man sagt dann, dass f bei a einen
Pol der Ordnung k hat. Eine Funktion f , die in einem Gebiet ausser an isolierten
Polstellen analytisch ist, heisst meromorph.
32
2 Komplexe Integration
Aus der Tatsache, dass analytische Funktionen nur isolierte Nullstellen haben,
folgt, dass der Quotient f (z)/g(z) zweier analytischer Funktionen stets meromorph
ist (sofern g nicht identisch Null ist).
Der folgende Satz gibt eine allgemeine Klassifizierung isolierter Singularitäten.
Theorem 2.18. Sei eine Funktion f auf einem Gebiet Ω bis auf einen Punkt a analytisch. Dann gilt eine der folgenden Aussagen:
(i) f (z) ist identisch Null in Ω ;
(ii)es gibt eine ganze Zahl k ∈ Z, so dass für alle reellen Zahlen α > h, limz→a (z −
a)α f (z) = 0, und für alle reellen Zahlen α < h, limz→a (z − a)α f (z) = ∞.
(iii)Für keine reelle Zahl α gilt, dass entweder limz→a (z−a)α f (z) = 0 oder limz→a (z−
a)α f (z) = ∞.
Eine Singlarität der Form (ii) heisst algebraisch von Grad k, eine Singularität
vom Typ (iii) heisst essentiell.
Beweis. Wir nehmen zunächst an, dass für ein α ∈ R limz→a (z − a)α f (z) = 0. Dann
gilt dasselbe für jeden gösseren Wert von α, und mithin gibt es eine kleinste Ganze
Zahl, k, so dass limz→a (z − a)k f (z) = 0 gilt. Dann hat (z − a)k f (z) eine hebbare
Singularität bei a. Also hat diese Funktion eine Nullstelle der Ordnung m. Somit
gilt limz→a (z − a)α f (z) = 0, für alle α > m − k, und limz→a (z − a)α f (z) = ∞, für
alle α < −m − k, da (z − a)α f (z) = (z − a)α−k+m g(z) wo g analytisch ist und bei a
nicht verschwindet.
Falls umgekehrt für α ∈ R, limz→a (z − a)α f (z) = ∞, so gilt dasselbe für alle kleineren Exponenten, und somit gibt es eine ganze Zahl k, so dass limz→a (z−a)k f (z) =
∞. Dann hat (z − a)k f (z) einen Pol mit einer Ordnung m, und es folgt wieder, dass
limz→a (z − a)α f (z) = 0, für alle α > +m + k, und limz→a (z − a)α f (z) = ∞, für alle
α < m + k.
Damit sind wir stets in der Situation (i) oder (ii), solange die Aussage des Falls
(iii) nicht gilt, was den Satz beweist. t
u
Im Fall einer algebraischen Singularität der Ordnung k können wir stets den Satz
von Taylor auf die Funktion (z − a)k f (z) anwenden. Damit erhalten wir eine Entwicklung der Form
f (z) = Bk (z − a)−k + Bk−1 (z − a)−(k−1) + B1 (z − a)−1 + φ (z),
(2.3.19)
wo φ (z) analytisch ist.
Funktionen mit essentiellen Singularitäten haben ein viel komplizierteres Verhalten.
Theorem 2.19. Sei f eine analytische Funktion mit einer wesentlichen Singularität
in a. Dann nähert sich die Funktion in jeder Umgebung von a jeder komplexen Zahl
beliebig nahe an.
Beweis. Nehmen wir das Gegenteil an. Dann gibt es eine Zahl A ∈ C und ε, δ > 0,
so dass in Uδ (a)\{a}, | f (z) − A| > ε. Dann gilt aber für alle α < 0,
2.4 Residuenkalkül
33
lim |z − a|α | f (z) − A| = ∞.
z→a
Dann wäre aber a keine essentielle Singulariät der Funktion f (z) − A. Wenn aber
f (z) − A eine algebraische Singularität hat, dann hat nach dem oben gesagten aber
auch f (z) eine algebraischen Singularität, da sich beide Funktionen nur um eine
analytische Funktion unterscheiden. t
u
2.4 Residuenkalkül
Die Darstellung (2.3.19) für Funktionen mit isolierten algebraischen Singularitäten
hat eine bemerkenswerte Konsequenz, die schon von Cauchy beobachtet wurde und
den sogenannten Residuenkalkül begründet.
Wir geben unsere erste Formulierung des Residuensatzen.
Theorem 2.20. Sei f eine meromorphe Funktion mit isolierter algebraischer Singularität bei a. Sei f durch (2.3.19) dargestellt und sein γ eine geschlossene Kurve
mit n(γ, a) = 1, die keine weitere Singularität von f umschliesst. Dann gilt
1
2πi
Z
f (z)dz = B1 .
(2.4.1)
γ
Beweis. Indem wir die Darstellung (2.3.19) benutzen, finden wir
k
Z
f (z)dz =
γ
∑ Bm
m=1
Z
γ
dz
+
(z − a)m
Z
φ (z)dz.
(2.4.2)
γ
Nach
dem Satz von Cauchy ist das letzte Integral gleich Null, während die IntegraR
dz
le γ (z−a)
m für m ≥ 2 aufgrund von Lemma 2.11 verschwinden: Für m = 1 stellt
das Integral eine Konstante dar, und die Terme mit m ≥ 2 sind deren Ableitungen,
verschwinden also. Es bleibt somit nur der Term mit m = 1, der nach Lemma 2.8
gerade das behauptete Ergebnis liefert. t
u
Der obige Satz liefert ein zunächst verblüffendes Ergebnis, indem er die Berechnung von Integralen auf die Untersuchung der Singularitäten der Funktion f
zurückführen lässt. Tatsächlich ist er im Lichte der Cauchy’schen Integralformel
fast trivial: Falls f einen Pol der Ordnung k besitzt, so ist (z − a)k f (z) analytisch,
und
Z
Z
f (z)dz =
γ
γ
f (z)(z − a)k
2πi d k−1 k
dz
=
f
(z)(z
−
a)
.
(k − 1)! dzk−1
z=a
(z − a)k
Den Koeffizienten B1 in der Entwicklung (2.3.19) einer Funktion f an einem Pol a
nennt man das Residuum der Funktion f bei a und schreibt, B1 = Res( f , a), oder
kurz Res(a).
34
2 Komplexe Integration
Wir können das obige Ergebnis leicht auf den Fall verallgemeinern, dass eine
Funktion f innerhalb von γ endlich viele isolierte Pole hat.
Theorem 2.21. Sei γ eine geschlossene Kurve so dass für jeden Punkt, a, innerhalb
der Kurve n(γ, a) = 1. Sei f analytisch innerhalb von γ ausser an endlich vielen
isolierten Singularitäten, a j . Dann gilt
Z
γ
f (z)dz = 2πi ∑ Res( f , a j ),
(2.4.3)
j
wo Res(a j ) das Residuum der Funktion f and der Singularität a j ist, also der Koeffizient von (z − a j )−1 in der Entwicklung der Funktion f in der Form (2.3.19) um
den Punkt a j .
Beweis. Seien k Singularitäten innnerhalb γ. Dann kann man stets eine das Innere
von γ so in zwei Teile schneiden, dass einer davon genau eine Singularität, sagen
wir a1 , enthält. Indem man an diesem Schnitt entlang einmal in die eine und einmal
in die andere Richtung integriert, kann man das Integral in zwei Integrale zerlegen,
von denen eines nur die Singularität a1 , das andere aber eine Singularität weniger
enthält. Das das ursprüngliche Kurvenintegral die Summe beider Integrale ist, folgt
die Aussage durch Induktion. t
u
Der Residuensatz ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Berechnung bestimmter Integrale. Wir betrachten zwei Beispiele:
Beispiel 1: Betrachte das reelle Integral
Z 2π
0
Wir haben
Z 2π
0
dt
=
a + cost
dt
.
a + cost
Z 2π
0
a+
dt
=
+ 12 e−it
1 it
2e
Wir wollen dieses Integral als komplexes Integral über den Einheitskreis auffassen.
Dazu parametrisieren wir diesen als z(t) = exp(it), und bemerken , dass dz(t) =
iz(t)dt (Nachprüfen!!!), und daher für Funktionen f (cost, sint),
Z 2π
Z
1
1
f (cost, sint)dt = −i
f
(z + 1/z), (z − 1/z) z−1 dz.
2
2i
0
|z|=1
Für unseren Fall erhalten wir also
Z 2π
1
dz
2 + 2az + 1
z
0
|z|=1
√
Der Nenner hat die Nullstellen z± = −a ± a2 − 1, von denen für a > 1 nur z+ im
Innern des Einheitskreises liegt. Dann ist
1
dt = −i
a + cos φt
Z
2.4 Residuenkalkül
35
dz
=
2
|z|=1 z + 2az + 1
Z
dz
2πi
πi
2πi
=
=√
.
=− √
2
z− − z+
|z|=1 (z+ − z)(z− z)
2 a −1
a2 − 1
Z
Thus
Z 2π
0
dt
π
.
=√
2
a + cost
a −1
Beispiel 2: Fouriertransformationen. Betrachten wir nun eine Funktion f (z), die in
der oberen Halbebene, {z ∈ C : ℑ(z) ≥ 0} nur endlich viele isolierte Pole hat. Wir
betrachten zunächst den Fall, dass keiner davon auf der reellen Achse liegt. Wir
wollen das reelle Integral
Z
∞
f (x)eiux dx
−∞
mit u ∈ R+ berechnen. WIr nehmen an, dass f (z) bei unendlich gegen Null strebt,
genauer, wir nehmen an, dass zumindest in der oberen Halbebene
|z f (z)| ≤ C < ∞,
Dazu betrachten wir eine Folge von Rechtecken Cn deren Kanten durch die Geraden
(−n, n), (n, n + in), (n + in, −n + in) und (−n + in, −n) gegeben sind. Dann gilt
zunächst, für n so gross, dass alle Pole von f in Cn liegen,
Z
∂Cn
f (z)eiuz dz = 2πi ∑ Res( f (z)eiuz , a j ).
j
Betrachten wir nun die Integrale längs der einzelnen Kanten des Rechtecks.
Z n+in
f (z)eiuz dz =
−n+in
Z n
f (x + in)eiux−nu dx.
−n
Offenbar gilt
Z n+in
iuz max | f (x + in)|e−un 2n.
−n+in f (z)e dz ≤ x∈[−n,n]
Klarerweise strebt dieser Term gegen Null, wenn n ↑ ∞. Als nächstest betrachten
wir das Integral
Z n+in
f (z)eiuz dz =
f (n + ix)eiun−ux dx.
0
n
Wir haben
Z n
Z n+in
Zn
1C
C
iuz −ux
f
(z)e
dz
n
≤ 0 |n + ix| e dx ≤ u n ,
was ebenfalls mit n ↑ ∞ nach Null strebt. Genau die gleiche Abschätug haben wir
für das Integral längs der Kante (−n, −n + in). Es folgt daher, dass
Z ∞
−∞
f (x)eiux dx = lim
Z
n↑∞ ∂Cn
f (z)eiuz dz = 2πi ∑ Res( f (z)eiuz , a j ).
j
36
2 Komplexe Integration
In vielen Fällen ist allerdings die Vorraussetzung, dass f keine Singlarität auf der
reellen Achse hat, nicht erfüllt. Wir betrachten den Fall, dass f (oBdA) bei Null
einen Pol der Ordnung 1 mit Residuum Res(0) hat. Dann betrachten wir wieder
Im
−n + in
n + in
−δ
−n
δ
n
Re
Abb. 2.1 Integrationskontur
Rechtecke Cn , verformen diese aber dadurch, dass wir das Stück (−δ , δ ) auf der
reellen Achse durch einen Halbkreis hδ mit Radius δ der in die negative Halbebene
zeigt, ersetzen. Das erhaltene Objekt nennen wir C̃n . Dann gilt wieder
Z
∂ C̃n
f (z)eiuz dz = 2πi ∑ Res( f (z)eiuz , a j ) + 2πiRes( f , 0),
j
wobei die Summe den Pol bei Null nicht enthält. Andererseits ist
Z
f (z)eiuz dz =
Z −δ
−n
Z n
∂ C̃n
+
f (x)eiux dx +
f (x)eiux dx +
f (n + ix)eiu(n+ix) dx +
Z
f (z)eiuz dz
cδ
δ
0
Z −n
f (x + in)eiu(x+in) dx
n
Z 0
+
Z n
f (−n + ix)eiu(−n+ix) dx.
n
Wir wissen schon, dass die letzten drei Integrale verschwinden, wenn n ↑ 0. Andererseits wissen wir, dass bei Null,
f (z)eiuz =
Res(0)
+ R0 (z),
z
wo R0 (z) analytisch ist. Nun können wir explizit nachrechnen (siehe Beispiel 1),
dass
Z 2π
Z
dz
=
idt = iπ,
cδ z
π
2.4 Residuenkalkül
37
whärend das Integral der analytischen Funktion R0 beschränkt ist durch
Z
R0 (z)dz ≤ Cδ .
cδ
Damit erhalten wir
Z ∞
−∞
f (x)eiux dx ≡ lim lim
Z −δ
δ →0 n↑∞ −n
f (x)eiux dx +
Z n
f (x)eiux dx
δ
= 2πi ∑ Res(a j ) + πiRes(0).
(2.4.4)
j
Hier ist das Integral als uneigentliches Integral verstanden.
Als explizites Beispiel nehmen wir die Funktion f (z) = z(z21+1) . Diese hat einen
einfachen Pol bei Null mit Residuum Res(0) = 1. Weiter besitzt die Funktion in der
oberen Halbenene einen Pol der Ordnung eins bei z = i, mit Residuum Res(i) =
1
1
i2i = − 2 . Daher gilt
eiux
dx = −πie−u + πi = iπ(1 − e−u ).
2
−∞ x(x + 1)
Z ∞
∞ sin(ux)dx
= π(e−u − 1).
Insbesondere ist −∞
x(x2 +1)
Ein einfaches, aber wichtiges Beispiel ist
R
π
eikx
dx = e−um ,
2 + m2
k
m
−∞
Z ∞
für m > 0 und u reell. Beachte, dass das Integral für m = 0 divergiert.
Beispiel 3: Im nächsten Beispiel wollen wir zeigen, wie der Residuenkalkül für
Funktionen angewandt werden kann, die andere Singularitäten als Pole haben. Sei
α ∈ (0, 1), und sei f eine Funktion, die bei Unendlich abfällt, so dass |z f (z)| ≤ C, für
alle |z| > K. Weiter habe f bei Null höchstens einen Pol und ansonsten nur isolierte
Singularitäten.
Das neue Problem ist nun, dass zα f (z) wie wir es schon beim Logarithmus gesehen haben nicht eindeutig definiert ist, und insbesondere nicht überall als stetige
Funktion definiert werden kann. Eine mögliche Wahl ist
zα = exp(α ln z) = exp (α ln |z| + iα arg(z))
wobei arg(z) ∈ [0, 2π) liegt. Diese Funktion ist analytisch auf dem Gebiet, dass man
erhält, wenn man von C die positive reelle Achse entfernt. Längs der reellen Achse
hat die Funktion dann einen Sprung von e2πiα f (x), ist aber im Imaginärteil von oben
bzw. von unten halbstetig. Wir konstruieren nun folgende Schar von Kurven:
γn,1 ist ein Kreisbogen von (n, iδ ) nach (n, −iδ ), der die reelle Achse vermeidet.
γn,2 ist ein Kreisbogen von (δ , −iδ ) nach (δ , iδ ), die ebenfalls die reelle Achse
vermeidet. Schliesslich sind γn,3 , γn,4 die Geraden von (δ , iδ ) nach (n, iδ ) bzw. on
38
2 Komplexe Integration
Im
Re
Abb. 2.2 Integrationskontur
(n, −iδ ) nach (δ , −iδ ). Sei γn die geschlossene Kurve, die man erhält wenn man
γn,1 , γn,3 , γn,2 und γn,4 nacheinander durchläuft. Dann gilt, für n gross genug und δ
klein genug,
Z
γn
zα f (z) = 2πi ∑ Res(a j ),
j
wo a j die Pole von f (z) in der oberen Halbebene, und Res(a j ) die entsprechenden
Residuen von zα f (z) sind. Andererseits ist
Z
lim
n↑∞ γn,1
und
Z
lim
δ ↓0 γn,2
zα f (z)dz = 0,
zα f (z)dz = 0.
Schliesslich ist
Z ∞
zα f (z)dz = lim lim
Z
δ ↓0 n↑∞ γn,4
0
zα f (z)dz = −e−2πα lim lim
Z
δ ↓0 n↑∞ γn,3
Setzen wir dies zusammen, erhalten wir
Z ∞
−1
zα f (z)dz = 1 − e2πiα
2πi ∑ Res(a j ).
0
j
zα f (z)dz.
2.4 Residuenkalkül
39
Beispiel 4: Laplacetransformierte Es sei u ∈ C mit ℜ(u) > 0. Ferner sei α > −1.
Wir wollen das Integral
Z
∞
0
e−ux xα dx
berechnen. Zunächst sehen wir, dass dieses Integral endlich existiert. Wenn u reell
ist, so finden wir durch Substitution
Z ∞
−ux α
e
0
−α−1
Z ∞
x dx = u
0
e−x xα dx = u−α−1Γ (α + 1).
(2.4.5)
Falls u komplex mit positivem Realteil und positivem Imaginärteil ist, so können
wir ebenso xu = y substituieren, sie neue Variable muss aber jetzt in der komplexen Ebene längs der Halbgeraden, die in Null startet und durch den Punkt u läuft
integriert werden. Wir können aber den Cauchy’schen Integralsatz ausnutzen um
zu sehen, dass dieses Integral für alle genannten u gleich dem Integral längs der
positiven reellen Achse ist. Falls dagegen ℜ(u) > 0 aber ℑ(u) < 0, so ist
Z u∞
0
e−z zα dz = e−2πiα Γ (α + 1),
da wir die Unstetigkeit auf der reellen Achse nicht überqueren können. Wir erhalten
also in diesem Fall
Z ∞
0
e−ux uα dx = e−2πiα u−α−1Γ (α + 1).
Um dieses Ergebnis aber richtig zu verstehen, müssen wir uns überlegen, wie wir
u−α−1 interpretieren müssen. Unter unseren Annahmen an u gibt es β < π/2, so
dass u = |u|ei(2π−β ) . Dann ist u−α−1 = |u|−α−1 e−i(2π−β )(α+1) , und
e−2πiα u−α−1 = |u|−α−1 e−i(2π−β )(α+1)−2πiα = |u|−α−1 eiβ (α+1) .
was wir erhielten, wenn wir u als u = |u|e−β i auffassen. Mit dieser Interpretation
haben wir dann immer die Formel (2.4.5).
2.4.1 Weitere Interpretationen des Residuums und das
Argumentenprinzip
Die Rolle, die der Term der Ordnung (z − a)−1 in der Entwicklung einer Funktion
mit Pol bei a spielt kann noch anders interpretiert werden, wie folgende alternative
Definition des Residuums zeigt:
Definition 2.22. Das Residuum einer Funktion f mit isolierter Singularität bei a
ist die eindeutige Zahl, R, so dass die Funktion f (z) − R/(z.a) in einem Gebiet
0 < |z − a| ≤ δ die Ableitung einer einwertigen analytischen Funktion ist.
40
2 Komplexe Integration
Um zu verstehen, dass diese Definition mit unseren bisherigen Definitionen
übereinstimmt, beobachten wir, dass
f (z) −
k
Res( f , a)
= ∑ Bk (z − a)−` + φ (z).
z−a
`=2
Nun ist φ analytisch, also lokal eine Potenzreihe, und somit Ableitung einer Potenzd
1
( dz
(z − a)−`+1 , für ` ≥ 2. Lediglich der Term
reihe. Ausserdem sind (z − a)−` = 1−`
−1
(z − a) hat als Stammfunktion die mehrdeutige Funktion ln(z − a). Damit gilt
Z
γ
( f (z) − R/(z − a))dz = 0,
was dem Residuensatz entspricht.
Eine andere wichtige Beobachtung ist das Argumentenprinzip . Es basiert auf
folgender Beobachtung. Wenn f eine k-fache Nullstelle bei a hat, so ist f (z) =
(z − a)k fk (z), und f 0 (z) = k(z − a)k−1 fk (z) + (z − a)k fk0 (z). Folglich ist
f 0 (z)/ f (z) = k/(z − a) + fk0 (z)/ fk (z),
wobei der zweite Term analytisch ist. Damit hat f 0 / f Residuum k bei a. Ähnlich
gilt für den Fall eines Pols der Ordnung k bei a, dass
f 0 (z)/ f (z) = −k/(z − a) + fk0 (z)/ fk (z),
mit den nähmlichen Eigenschaften für den zweiten Term. Damit haben wir aber
folgenden Satz:
Theorem 2.23. Sei f meromorph in einem Gebiet Ω mit Nullstellen a j der Ordnungen k j und Polen bi der Ordnung hi ; sei γ eine geschlossene Kurve in Ω die weder
Nullstellen noch Pole von f enthält. Dann gilt
Z
γ
f 0 (z)
dz = ∑ k j n(γ, a j ) − ∑ hi n(γ, bi ).
f (z)
j
i
(2.4.6)
Das Argumentenprinzip hat eine sehr wichtige Konsequenz, die als Satz von
Rouché’s bekannt ist.
Theorem 2.24. Sein Ω ∈ C ein Gebiet und γ eine geschlossene Kurve in Ω , so dass
für jeden Punkt z, der nicht auf γ liegt, n(γ, z) ∈ {0, 1}. Seien f und g analytisch
in Ω , und es gelte | f (z) − g(z)| < | f (z)| für z ∈ γ. Dann haben f und g die gleiche
Zahl von Nullstellen innerhalb von γ.
Beweis. Die Voraussetzung and f und g impliziert, dass sowohl f als auch f auf γ
keine Nullstellen haben. Ferner gilt auf γ
g(z)
f (z) − 1 < 1.
2.5 Harmonische Funktionen
41
Das heisst, die Abbildung F(z) = g(z)/ f (z) bildet γ auf eine Kurge Γ ≡ F(γ), ab,die
innerhalb des Einheitskreises um den Punkt 1 liegt. Nun ist
Z
F 0 (z)/F(z)dz =
γ
Z
1/zdz = n(Γ , 0).
Γ
In unserem Fall ist aber n(Γ , 0) = 0. Andererseits ist
Z
Z 0
g (z) f 0 (z)
0 = F 0 (z)/F(z)dz =
−
dz.
g(z)
f (z)
γ
γ
Da f und g nur Nullstellen haben, folgt dass deren Anzahle in γ gleich sein muss
aus dem vorherigen Theorem. t
u
Eine weitere Folgerung dieses Resultats ist die Beobachtung, dass wenn ft (z) eine
Familie von analytischen Funktionen ist, die stetig von dem Parameter t abhängen,
dann auch isolierte Nullstellen stetig von t abhängen.
2.5 Harmonische Funktionen
Die Theorie analytischer Funktionen ist eng mit der der harmonischen Funktionen in
Dimension d = 2 verknüpft. Diese wiederum sind von grosser Bedeutung in vielen
Gebieten der Physik, insbesondere der Elektrostatik in d = 2 und der Hydrodynamik, wo das Geschwindigkeitsfeld eines inkompressiblen Flusses der Gradient einer
harmonischen Funktion ist. Eine harmonische Funktion in d = 2 ist eine reellwertige
Funktion u(x, y), die die Laplacegleichung
∆u ≡
∂ 2u ∂ 2u
+
=0
∂ x 2 ∂ y2
(2.5.1)
löst. Wir hatten schon gesehen, dass die Real- und Imaginärteile einer analytischen
Funktion als Funktion von Real- und Imaginärteil von z betrachtet, harmonisch
sind. umgekehrt kann man aus einer harmonischen Funktion u auch eine analytische Funktion gewinnen, indem wir setzten
f (z) = f (x + iy) =
∂ u(x, y)
∂ u(x, y)
−i
.
∂x
∂y
(2.5.2)
Dies überprüft man leicht, indem man zeigt, dass die Cauchy-Riemann Gleichungen
erfüllt sind. Nun erinnern wir uns an den Zusammenhang zwischen komplexem
Kurvenintegral und den Differentialformen ω und ω̂, (2.1.2) and (2.1.3). Für den
Fall der Funktion (2.5.2) gibt dies
42
2 Komplexe Integration
∂u
∂u
dx + dy
∂x
∂y
∂u
∂u
ω̂ = − dx + dy.
∂y
∂x
ω=
(2.5.3)
(2.5.4)
Offenbar ist jetzt ω das Differential von u, d.h.
ω = du,
(2.5.5)
während ω̂ gerade das duale des Differentials ist,
ω̂ = ∗ du.
(2.5.6)
f dz = du + i∗ du.
(2.5.7)
Damit können wir also schreiben
Wir hatten zum Beweis des Cauchy’schen Integralsatzes gezeigt, dass ω und ω̂
exakte Differentialformen sind, das heisst also dass nicht nur du sondern auch ∗ du
exakt sind. Explizit heisst das, dass für jede geschlossene Kurve γ in einem Gebiet,
in dem u harmonisch ist ,
Z
∗
du = 0.
(2.5.8)
γ
Diese Gleichung hat eine interessante Bedeutung, die sich zeigt, wenn wir eine Parametrisierung γ(t) = (γx (t), γy (t)) wählen. Dann ist
Z
Z T
∂u 0
∂u 0
∗
(2.5.9)
du =
− γx (t) + γy (t) dt
∂y
∂x
γ
0
Der Integrand ist das Skalarprodukt des Tangentialvektors γ 0 (t) and die Kurve mit
der Normalenableitung von u bezüglich γ.
Schliesslich bemerken wir noch, dass lokal jede harmonische Funktion der Realteil einer analytischen Funktion ist.
Theorem 2.25. Sei u eine harmonische Funktion in einem (offenen) Gebiet Ω . Dann
existiert in in einer offenen Umgebung jedes Punktes in Ω eine analytische Funktion, F, so dass in Ω ℜ(F(x + iy)) = u(x, y). Wenn darüber hinaus Ω einfach zusammenhängend ist, so gibt es eine solche Funktion für ganz Ω . Die Funktion F ist bis
auf eine Konstante eindeutig.
Beweis. Wir haben oben gezeigt, dass die in (2.5.2) definierte Funktion f analytisch
ist. Andererseits wissen wir, dass die Differentialformen ω, ω̂ aus Gleichung (2.5.3)
exakt sind, d.h. jeder Punkt in Ω besitzt eine offene Umgebung, O, so dass in O
ω = dU,
ω̂ = dV,
wo U,V , der Real- bzw. Imaginärteil einer analytischen Funktion F = U + iV sind
(siehe den Beweis des Satzes von Cauchy 2.5). Die Aussage bez. einfach zusam-
2.5 Harmonische Funktionen
43
menhängender Gebiete hatten wir explizit für Kreisscheiben bewiesen, sie gilt aber
wie der Satz von Cauchy in grösserer Allgemeinheit.
2.5.1 Das Mittelwertsatz und das Maximumsprinzip
Aus der Causchy’schen Integralformel können wir durch Wahl von γ als Kreis mit
Radius r und Mittelpunkt a folgende Formel für eine analytische Funktionen f herleiten:
Z
1 2π
f (a + reit )dt.
(2.5.10)
f (a) =
2π 0
Hierzu haben wir lediglich die Parametrisierung γ(t) = reit + a gewählt. Diese Formel liefert sofort die analoge Formel für den Realteil von f , und mithin für harmonische Funktionen. Man nennt diese Eigenschaft die Mittelwerteigenschaft. Diese
impliziert nun sofort das Maximumsprinzip.
Theorem 2.26. Sei u harmonisch in einem offenen Gebiet Ω . Wenn u in Ω ein lokales Maximum besitzt, so ist u in Ω konstant.
Beweis. Sei a ein Punkt in dem U ein lokales Maximum hat. Da u stetig ist, gibt es
eine Umgebung U von a in der u(z) ≤ u(a). Wähle einen Kreis Cr (a) mit Mittelpunkt der ganz in U liegt. Dann folgt aus (2.5.10)
u(a) =
1
2π
Z 2π
0
u(a + reit )dt ≤ max u(z)
(2.5.11)
z∈Cr (a)
Offenbar muss also maxz∈Cr (a) u(z) ≥ a, nach Voraussetzung also maxz∈Cr (a) u(z) =
a. Dann ist aber Gleichheit in der nur dann möglich, wenn u(z) = u(a) für alle
z ∈ Cr (a). Dann aber folgt, dass u(z) ≡ u(a) in Ω ist, da ja u als Realteil einer
analytischen Funktion nur isolierte Nullstellen haben kann. t
u
Eine offensichtliche Konsequenz des Maximumsprinzips ist die Formulierung
“eine harmonische Funktion in einem Gebiet Ω nimmt ihr Maximum auf dem Rand
von Ω an”.
Klarerweise gilt das für Maxima gesagte auch für Minima. Daraus erhalten wir:
Theorem 2.27. Wenn eine harmonische Funktion u auf dem Rand eines Gebiets Ω
verschwindet, dann ist u(z) = 0 für alle z ∈ Ω .
Beweis. Aus dem vorigen Satz folgt, dass für alle z ∈ Ω , u(z) ≤ 0 und u(z) ≥ 0. t
u
Das folgende Korollar ist ebenso wichtig wie offensichtlich:
Korollar 2.28. Seinen u, v harmonisch auf einem Gebiet Ω , und gelte u(z) = v(z)
für alle z ∈ ∂ Ω . Dann ist u(z) = v(z) für alle z ∈ Ω .
44
2 Komplexe Integration
2.5.2 Der Poissonkern und das Dirichletproblem
Nachdem wir gesehen haben, dass harmonische Funktionen durch ihre Werte auf
dem Rand eines Gebiets eindeutig bestimmt sind, stellt sich in natürlicher Weise
die Frage, wie man aus den Randdaten eine entsprechende harmonische Funktion
findet. Diese sogennante Dirichletproblem ist eine zentrale Fragestellung aus der
Theorie der partiellen Differentialgleichungen. Im allgemeinen stellt es sich wie
folgt:
Definition 2.29. Sei Ω ∈ Rd ein offenes Gebiet, und sein g : ∂ Ω → R eine Funktion
auf dem Rand von Ω . Finde eine stetige Funktion u : Ω̄ → R, so dass
∆ u(x) = 0,
x∈Ω
u(x) = g(x),
x ∈ ∂Ω.
(2.5.12)
(2.5.13)
Die Existenz von Lösungen eines Dirichletproblems ist im allgemeinen nicht
unproblematisch und hängt von Eigenschaften sowohl des Gebiets Ω als auch der
Randdaten g ab.
Für den Fall d = 2 liefert die komplexe Analysis einen eleganten Zugang zu
dem Problem. Wir werden im folgenden den Fall behandeln, dass Ω eine offene
Kreischeibe x2 + y2 < R2 ist. Wir wissen dann, dass u der Realteil einer analytischen
Funktion f ist, die die Darstellung
∞
f (z) =
∑ an zn
(2.5.14)
n=0
als absolut konvergente Reihe besitzt. Wir können den Koeffizienten a0 als reell
annehmen. Mit der Darstellung z = reit erhalten wir die Darstellung von g in Polarkoordinaten
1 ∞ (2.5.15)
g̃(r,t) ≡ g(r cost, r sint) = a0 + ∑ rn an eint + a∗n e−int .
2 n=1
Wir erinnern uns, dass diese Darstellung als Funktion der Variablen t ∈ [0, 2π) gerade die Fourierreihe von g̃(r,t) ist. Damit erhalten wir die Darstellung der Koeffizienten an als Fourierintegrale:
1 2π
g̃(r,t)dt,
2π 0
Z 2π
1
g̃(r,t)
an =
dt, n ≥ 1.
π 0 rn eint
Z
a0 =
(2.5.16)
(2.5.17)
Übung: Hier offenbart sich ein direkter Zusammenhang zwischen Fourierreihen
und der Cauchy’schen Intergralformel. Zeige dazu, dass man die Darstellung (2.5.16)
durch Anwendung der Cauchy’schen Integralformel erhalten kann.
Nun kann man diese Formel in (2.5.14) einsetzen. Es folgt, für |z| < r,
2.5 Harmonische Funktionen
45
1
f (z) =
2π
Z 2π
1
2π
Z 2π
=
0
!
z n
dt
g̃(r,t) 1 + 2 ∑
it
n=1 re
∞
g̃(r,t)
0
reit + z
dt.
reit − z
(2.5.18)
(2.5.19)
Hier haben wir lediglich die auftretende geometrische Reihe aufsummiert. Wir
müssen nun nur noch den Realteil der rechten Seite berechnen um unsere Darstellung für g zu erhalten:
it
r2 − |z|2
re + z
=
.
ℜ
reit − z
|reit − z|2
Somit erhalten wir, für |z| < r,
g(x, y) =
1
2π
Z 2π
g̃(r,t)
0
2
r2 − |z|2
dt,
|reit − z|2
(2.5.20)
2
r −|z|
where z = x + iy. Die Funktion ζ (z) ≡ |re
it −z|2 heisst Poissonkern, und die Darstellung (2.5.20) Poissonintegral .
Indem wir für g die konstante Funktion g(z) = 1 einsetzen, erhalten wir die Identität
Z
1 2π r2 − |z|2
dt = 1.
(2.5.21)
2π 0 |reit − z|2
Wir können nun die Poisson’sche Integralformel benutzen, um das Dirichletproblem
für den Kreis zu lösen.
Theorem 2.30. Sei Cr (0) wie oben. Sei g̃(t) eine stetige periodische Funktion mit
Periode 2π. Dann ist
F(x, y) ≡
1
2π
Z 2π
g̃(t)
0
r2 − |z|2
dt
|reit − z|2
(2.5.22)
die einzige Lösung des Dirichletproblems auf Cr (0) mit Randdaten g(reit ) = g̃(t).
Beweis. Zunächst ist die Funktion F(x, y) nach Konstruktion der Realteil der Funktion
Z
1 2π
reit + z
dt,
g̃(t) it
2π 0
re − z
die offenbar analytisch ist. Damit ist F harmonisch. Es bleibt also nur zu zeigen,
dass die Funktion am Rand der Kreischeibe stetig ist, d.h.
lim
z→rit ,|z|<r
F(x, z) = g̃(t).
(2.5.23)
Nun hatten wir schon gesehen, dass der Poissonkern sich zu 1 integriert. (2.5.23)
folgt also, wenn wir zeigen, dass
46
2 Komplexe Integration
1 r2 − |z|2
2π |reit − z|2
eine Dirac-Folge ist, die gegen die Dirac-Funktion an der Stelle t konvergiert, wenn
z → reit strebt. Dazu müssen wir nur zeigen, dass der Poissonkern ausserhalb jeder
Umgebung des Punktes reit in diesem Limes gegen Null strebt, was leicht zu sehen
ist und als Übung gestellt wird. t
u
Beispiel: Betrachte den Einheitskreis und Randwerte g̃(t) = cost. Es empfiehlt sich,
statt direkt den Realteil auszurechnen, zunächst die analytische Funktion f zu berechnen. Diese hat die Darstellung
f (z) =
Z 2π
1
2π
cost
0
eit + z
dt.
eit − z
Um dieses Integral zu berechnen, benutzen wir den Residuenkalkül und gehen wie
im Beispiel 1 vor. Wir erhalten dann
f (z) =
1
2πi
Z
∂C1 (0)
1
w+z
(w + 1/w)
dw.
2
(w − z)w
Im Innern des Einheitskreises hat der Integrand Pole bei 0 und bei z. Der Pol bei z
ist einfach, und das Residuum ergibt sich als:
1
Res(z) = (z + 1/z)(2z)/z = z + 1/z.
2
Der Pol bei Null ist vom Grad 2 und das Residuum berechnet sich als
Res(0) =
1 (w − z) − (w + z) 1 d w + z =
= −z−1 .
w=0
w=0
2 dw w − z
2
(w − z)2
Daher haben wir
f (z) = z.
Der Realteil ist r cost, und diese ist als Realteil der analytischen Funktion z harmonisch, und erfüllt die Randbedingung.
Genauso (Übung!) zeigt man, dass für Randbedingungen g̃(t) = cos nt, die
Lösung des Dirichletproblems durch die Funktion
u(x, y) = ℜ(zn ) = rn costn
gegeben ist. Beachte, dass die Lösung gegen Null um so schneller abklingt, je
hochfrequenter die Randdaten sind. Wir hätten natürlich die Antwort direkt erraten können: Wir brauchen nur zu bemerken, dass cos nt auf dem Einheitskreis der
Realteil der analytischen Funktion zn ist. Dann wissen wir sofort, dass deren Realteil harmonisch ist und die Randbedingung erfüllt, und also die einzige Lösung sein
muss.
2.5 Harmonische Funktionen
47
Anmerkung 2.31. Ich werde im Folgenden stets u(z) schreiben, wenn man korrekterweise u(x, y) setzen müsste.
2.5.3 Harmonische Funktionen und konforme Abbildungen
Die Lösung des Dirichletproblems mittels des Poissonintegrals für den Fall des
Kreises mag sehr speziell erscheinen. In Wirklichkeit liefert sie aber ein Hilfsmittel
zur Lösung des Dirichletproblems in viel allgemeineren Gebieten. Zunächst machen
wir folgende einfache Beobachtung:
Lemma 2.32. Sei Ω ein offenes Gebiet und f eine analytische Funktion Ω →
f (Ω ) ⊂ C, die auf f (Ω ) invertierbar ist. Sei u : f (Ω ) → R eine harmonische Funktion. Dann ist U(z) ≡ u( f (z)) eine harmonische Funktion auf Ω .
Beweis. Wir wissen, dass u lokal der Realteil einer analytischen Funktion h ist.
Dann ist aber auch h( f (z)) analytisch und deren Realteil ist eine harmonische Funktion.
Sei nun Ω ein Gebiet, und sei f eine analytische Funktion, die Ω auf die offene
Einheitskreisscheibe wie oben abbildet. Wir suchen eine Lösung des Dirichletproblems
∆U(z) = 0,
z ∈ Ω,
U(z) = g(z),
z ∈ ∂Ω.
(2.5.24)
(2.5.25)
Ein Kandidat für die Lösung ist die Funktion u( f (z)), wo u das Dirichletproblem
im Einheitskreis löst, nämlich
∆ u(z) = 0,
z ∈ C1 (0),
u(z) = f −1 (g(z)),
z ∈ ∂C1 (0).
(2.5.26)
(2.5.27)
Wir wissen schon, dass h( f (z)) die harmonisch in C1 (0) ist, und ebenso gilt, dass
auf dem Rand des Kreises u( f (z)) = g(z), sofern f auf ganz C̄1 (0) invertierbar ist.
Die einzige übrige Bedingung, die nachzuprüfen ist, ist die Stetigkeit am Rand, also
ob
lim
u( f (z)) = u( f (z0 ))
Ω 3ζ →z0 ∈∂ Ω
gilt. Da u stetig ist, reduziert sich die Frage auf die Stetigkeit der Abbildung f am
Rand von Ω .
Generell stellt sich die Frage, für welche Gebiete Ω es analytische Funktionen
gibt, die Ω auf den Kreis abbilden und die oben gewünschten Eigenschaften haben.
48
2 Komplexe Integration
2.5.4 Beispiel: Joukowski Funktion
Eine einfache Anwendung in der Elektrostatik ist das folgende Beispiel. Wir betrachten einen Halbzylinder mit Radius r Wir suchen eine nicht-triviale harmonische
Funktion, die auf der rellen Achse und auf dem Halbkreis mit Radius r verschwindet, d.h. die Funktion verschwinde auf dem Rand der Menge
Or = {zx + iy ∈ C : y > 0, x2 + y2 > r}.
Dazu betrachten wir die sog. Joukowski Funktion
f (z) = z + 1/z.
Aus der Darstellung in Polarkoordinaten,
f (reit ) = (r + 1/r) cost + i(r − 1/r) sint
sieht man leicht, dass der Imaginärteil von f (z) verschwindet wenn z rell ist oder
r = 1, d.h. f bildet den Rand der Menge O1 auf die reelle Achse ab. f bildet in der
Tat sogar die Menge O1 eins-zu-eins auf die obere Halbebene ab. Andererseits ist
f auf der Menge O1 analytisch, f erlaubt also eine harmonische Funktion auf der
oberen Halbebene mit Randbedingung auf der reellen Achse auf eine harmonische
Funktion in O1 abzubilden. Wie man auch leicht sieht, ist f am Rande von O1 stetig
(sogar analytisch).
Eine harmonische Funktion mit Randbedingung u(x, y) = 0, für y = 0 ist nun
u(x, y) = y. Dann ist die Funktion
h(x, y) = u( f (x + iy)) = (r − 1/r) sint = y −
y
x2 + y2
harmonisch in O1 und verschwindet auf dem Rand. Bei unendlich ist h(x, y) ∼ y, dh.
im Unedendlichen liegt ein konstantes elektrisches Feld in die y-Richtung vor.
Wichtiger ist die Anwendung der Joukowski Funktion in der Hydrodynamik.
Für wirbelfreie Strömungen in einem inkompressiblen Medium, erhält man für ein
(stationäres) Geschwindigkeitsfeld v die Gleichungen
rotv = 0
und
divv = 0.
Daraus ergibt sich, dass v der Gradient eines Potentials φ ist, dass harmonisch ist,
∆ φ = 0. Zu der harmonischen Funktion φ gehört nun eine analytische Funktion,
F, deren Realteil φ ist. Der Imaginärteil dieser Funktion, ψ, hat, wie wir gesehen
haben die Eigenschaft, dass
dψ(z) = ∗ dφ (z) = −v2 (z)dx + v1 (z)dy,
d.h. der Gradient von ψ ist das um π/2 gedrehte Geschwindigkeitsfeld. Nun betrachten wir dies in unserem obigen Beispiel: Wir suchen eine Strömung in O1 mit
2.6 Der Riemann’sche Abbildungssatz
49
der Eigenschaft, dass die Geschwindigkeit am Rand von O1 keine Komponente hat,
die senkrecht zum Rand steht. Dieses Problem ist für die obere Halbebene leicht
zu lösen, nämlich gerade durch die Funktion u(x, y) = y (denn die zugehörige Geschwindigkeit ist v = (1, 0)). Mittels der Joukowski Funktion erhalten wir daraus
die gewünschte Lösung für das Gebiet 01 , also
xy
x 2 − y2
,
−
.
v(x, y) = 1 − 2
(x + y2 )2 (x2 + y2 )2
Man kann das obige Resultat auch einfach auf ganz C ausdehen, indem man
die erhaltenen Lösung an der reellen Achse spiegelt. Die Funktion ψ(x, y) ≡ y −
y/(x2 + y2 ) ist dann harmonisch ausserhalb des Einheitskreises und verschwindet
auf ihm. Wir sehen auch an der Formel für das Geschwindigkeitsfeld, dass dieses in
der unteren Halbebene gerade das Spiegelbild des Feldes in der oberen Halbebene
ist.
Damit kann man jetzt durch weitere konforme Abbildungen Stömungsfelder
für kompliziertere Objekte gewinnen. So kann man zunächst das Problem für allgemeine Kreise mit Mittelpunkt a und Radius r einfach durch die Abbildung
z → (z − a)/r lösen. Die entsprechende harmonische Funktion ist dann h(x, y) =
(y−ℑa)/r −r (x−ℜa)y−ℑa)
2 +(y−ℑa)2 . Dann kann man weitere Gebiete erhalten, indem man
zB die Joukowski Funktion einsetzt. Der Kreis kann dann auf Figuren abgebildet
werden, die wie Tragflächenprofile aussehen, und dies war tatsächlich die von Joukowski angestrebte Anwendung. Die harmonische Funktion für dieses komplizierte
Gebiet ist dann der Realteil von F(w) = (g(w) − a)/r,pwo g eine Umkehrfunktion
der Joukowski Funktion ist, also etwa g(w) = w/2 + w2 /4 − 1, wobei die Wurzel so zu definieren ist, dass eine ein-wertige analytische Funktion im Äusseren des
Bildes des Kreises unter der Joukowski Funktion is
2.6 Der Riemann’sche Abbildungssatz
Man kann sich fragen, für welche Gebiete man im Prinzip eine konforme Abbildung auf den Einheitskreis finden kann. Ein wesentliches, und zunächst äusserst
überraschndes Resultat hierzu ist der folgende Riemann’sche Abbildungssatz.
Theorem 2.33. Sei Ω eine einfach zusammenhängendes offenes Gebiet in C das
nicht gleich C ist, und sei z0 ∈ Ω ein beliebiger Punkt in Ω . Dann existiert eine einzige analytische Funktion f auf Ω , mit den Eigenschaften f (z0 ) = 0, f 0 (z0 ) > 0, und
f ist eine eins-zu-eins Abbildung zwischen Ω und dem Inneren des Einheitkreises,
D1 ≡ {z ∈ C : |z| < 1}.
Anmerkung 2.34. Die obige Aussage ist nicht die allgemeinste Form des Riemmanschen Abbildungsatzes. Es gibt auch Resultate für nicht einfach zusammenhängende
Gebiete. Der Satz löst aber das Problem der Lösung von Dirichletproblemen noch
50
2 Komplexe Integration
nicht völlig, da nicht klar ist, wann die Abbildung f auch am Rand von Ω stetig ist. Überhaupt ist die Theorie des Randverhaltens dieser Abbildungen ein sehr
kompliziertes Thema, dass wir hier nicht im Einzelnen diskutieren können. Es ist
allergings für alle “vernünftigen” zusammenhängenden Gebiete (z.B. alle von einer Jordan-Kurve begrenzten Gebiete können so konform auf den Kreis abgebildet
werden, dass die Abbildung auf dem Abschluss des Gebiets stetig ist). D
Beweis. Wir kommen nun zum Beweis des Riemann’schen Abbildungssates. Wir
benötigen zunächst ein Hilfsergebnis.
Lemma 2.35. [Satz von Schwarz] Es sei f analytisch auf {z : |z| < 1}, und | f (z)| ≤
1, f (0) = 0. Dann gilt | f (z)| ≤ |z| und | f 0 (0)| ≤ 1. Gleichheit gilt nur wenn f (z) = cz
mit |c| = 1.
Beweis. Die Funktion f1 (z) = f (z)/z, z 6= 0 und f1 (0) = f 0 (0) ist unter den Voraussetzungen analytisch und und erfüllt das Maximumsprinzip. Nun ist auf jedem
Kreis vom Radium r < 1, | f1 (z)| ≤ 1/r, und also für alle |z| < 1, | f1 (z)| ≤ 1, was
die Behauptung ist. Falls irgendwo Gleicheit herrscht, so hat die Funktion im Kreis
ein lokales Maximum und muss daher konstant sein, was die zweite Aussage ist.
Sein nun f eine konforme eins-zu-eins Abbildung von D1 auf sich selbst, dann
ist dies auch f −1 , und sei f (0) = 0. Beide Funktionen erfüllen die Vorraussetzung
des Lemma. Da nun gelten muss, dass z = f ( f −1 (z)), folgt
|z| = f ( f −1 (z)) ≤ f −1 (z) ≤ |z|.
dies kann aber nur der Fall sein, wenn in beiden Ungleichungen Gleichheit gilt,
d.h. es ist f (z) = cz. Diese Beobachtung impliziert sofort, dass es höchstens eine
Abbildung geben kann, die die in Satz 2.33 geforderten Eigenschaften hat. Gäbe es
nämlich zwei derartige Abbildungen, etwa f und g, dann wäre Es ist nämlich g◦ f −1
eine konforme umkehrbare Abbildung von D1 nach D1 . Ausserdem gilt g( f −1 (0)) =
g(z0 ) = 0, so dass wir wissen, dass g( f −1 (z) = cz. Ferner ist
c=
d
g( f −1 (0) = g0 (z0 )/ f 0 (z0 ).
dz
Da sowohl g0 (z0 ) als auch f 0 (z0 ) reell und positive sind, kann nur c = 1 in Frage
kommen, alse f = g.
Der Beweis der Existenz ist etwas schwieriger. Wir definieren dafür eine Menge
F von Funktionen f auf Ω die die Eigenschaften haben:
(i) g ist analytisch und eins-zu-eins, i.e. g(z1 ) = g(z2 ) impliziert z1 = z2 .
(ii)|g(z)| ≤ 1, für alle z ∈ Ω .
(iii)g(z0 ) = 0, g0 (z0 ) > 0.
Die Idee des Beweises ist zu zeigen, dass diese Menge nicht leer ist, und das dasjenige Element, dass maximale Ableitung hat, die gesuchte Abbildung f ist.
Um zu
√ sehen, dass F nicht leer ist, nehmen wir einen Punkt a 6∈ Ω und setzen
h(z) = z − a, wobei h eine ein-wertige Wahl der Wurzel ist; da a 6∈ Ω und Ω
2.6 Der Riemann’sche Abbildungssatz
51
einfach zusammenhängend ist, kann man eine Wahl so treffen, dass h auf ganz Ω
definiert ist. h ist auf Ω eins-zu-eins, und es gibt auch keine zwei Punkte in Ω , so
dass h(z1 ) = −h(z2 ). Dies impliziert aber, dass, da es sicher ein ρ > 0, so dass das
Bild on Ω unter h die Scheibe {w : |w − h(z0 )| < ρ} enthält, alle Spiegelpunkte
dieser Menge, also die Menge {w : |w + h(z0 )| < ρ}, gerade nicht im Bild von Ω
liegen. Daher ist für alle z ∈ Ω , |h(z) + h(z0 )| > ρ. Insbesondere gilt |h(z0 )| > ρ/2.
Aus der Funtkion h konstruieren wir nun ein Element von F , nämlich
g0 (z) ≡
ρ |h0 (z0 )| h(z0 ) h(z) − h(z0 )
.
4 |h(z0 )|2 h0 (z0 ) h(z) + h(z0 )
Offenbar gilt (i), da h eins-zu-eins und analytisch ist und g eine gebrochen lineare
Funktion von h ist deren Nenner keine Nullstelle in Ω hat. Weiter gilt
ρ 1 h(z) − h(z0 ) |g0 (z)| =
4 |h(z0 )| h(z) + h(z0 ) 1
ρ 1
2
≤ 1,
=
|h(z0 )| −
4 |h(z0 )|
h(z) h(z) + h(z0 ) d.h. (ii) gilt ebenfalls. Schliesslich ist g(z0 ) = 0, und
g00 (z) =
ρ |h0 (z0 )| h(z0 ) h0 (z)(h(z) + h(z0 ) − (h(z) − h(z0 ))h0 (z)
,
4 |h(z0 )|2 h0 (z0 )
(h(z) + h(z0 ))2
und daher
g00 (z0 ) =
ρ |h0 (z0 )|
> 0.
8 |h(z0 )|2
Somit ist auch (iii) erfüllt.
Wir setzen nun B ≡ supg∈F g0 (z0 ). Dann existiert eine Folge gn ∈ F , so dass
limn↑∞ gn (z0 ) = B. Man kann nun zeigen, dass diese Folge so gewählt werden kann,
dass gn gegen eine analytische Funktion f konvergiert. Dann ist f (z0 ) = 0, | f (z)| ≤
1, für alle z ∈ Ω , und f 0 (z0 ) = B, weswegen auch B < ∞ gelten muss. Schliesslich
ist f nicht konstant, und es folgt dann, dass f ebenfalls eins-zu-eins ist.
Es bleibt also nur zu zeigen, dass f jeden Wert in D1 annimmt. Nehmen wir
an dies sei nicht so, und f nehme den Wert w0 nicht an. Dann können wir einen
ein-wertigen Zweig der Funktion
s
f (z) − w0
F(z) =
1 − w∗0 f (z)
definieren. Es ist klar, dass |F(z)| ≤ 1. Wir setzen nun
G(z) =
|F 0 (z0 )| F(z) − F(z0 )
.
F 0 (z0 ) 1 − F(z0 )∗ F(z)
Diese Funktion ist aber auch wieder in F , und es gilt
52
2 Komplexe Integration
G0 (z) =
|F 0 (z0 )| F 0 (z)(1 − F(z0 )∗ F(z)) + (F(z) − F(z0 ))F(z0 )∗ F 0 (z)
,
F 0 (z0 )
(1 − F(z0 )∗ F(z))2
und so
G0 (z0 ) =
Schliesslich ist F(z0 ) =
√
−w0 und
|F 0 (z0 )|
;
1 − F(z0 )∗ F(z0 )
1
1 + |w0 |2
F 0 (z0 ) = (−w0 )−1/2 f 0 (z0 )(1 + w0 w∗0 ) = B √
2
−w0
und daher
G0 (z0 ) = B
1 + |w0 |
1
1 + |w0 |2
p
=B p
> B.
1 − |w0 |
|w0 |
|w0 |
Dies führt aber zum Widerspruch, und der Satz ist bewiesen. t
u
Anmerkung 2.36. Der Beweis dieses Satzes ist extrem unkonstruktiv und zeigt nicht
wirklich, wie man die gewünschte Abbildung wirklich finden soll. Es gibt explizite
Formeln für die Abbildung von Polygonen auf den Einheitskreis, die allerdings recht
unhandlich sind (sie involvieren elliptische Funktionen).
2.6.1 Möbiustransformationen
Eine in der Praxis wichtige Klasse von konformen Abbildungen sind die schon
früher betrachteten gebrochen linearen Abbildungen, oder Möbiustransformationen
. Wir wollen hier nochmals auf deren Eigenschaften eingehen.
Theorem 2.37. Jede Möbiustransformation kann durch die Hintereinanderausführungen
der folgenden drei elementaren Möbiustransformationen erhalten werden:
(i) Translation: z → z + a, a ∈ C;
(ii)Multiplikation (“Drehstreckung”): z → bz, b ∈ C, und
(iii)Inversion: z → 1/z.
Beweis. Sei f (z) =
az+b
cz+d .
Durch Erweitern sieht man, dass
f (z) =
ad − bc
a
−
.
c c(cz + d)
Dies können wir mittels der elementaren Transformationen wie folgt konstruieren
z → cz → cz + d → c(cz + d) →
1
ad − bc
ad − bc
a
→−
→−
+ .
c(cz + d)
c(cz + d)
c(cz + d) c
Damit ist die Behauptung bewiesen. t
u
2.6 Der Riemann’sche Abbildungssatz
53
Eine wichtige Konsequenz ist die Tatsache, dass Möbiustransformationen Kreise
auf Kreise oder Geraden abbilden.
Theorem 2.38. Sei f eine Möbiustransformation und γ ein Kreis oder eine Gerade.
Dann ist das Bild von f ein Kreis oder eine Gerade.
Beweis. Sei γ ein Kreis. Offenbar ist das Bild eines Kreises unter Translation und
Multiplikation wieder ein Kreis. Falls γ die Null nicht enthält, so ist auch unter der
Inversion das Bild von γ ein Kreis, da für eine Menge K = {z ∈ C : |z − a| = r} gilt
2
∗
1
r2
=
+ a
.
z r2 − |a|2 (r2 − |a|2 )2
Hier is angenommen, dass r 6= |a|, also der Nullpunkt nicht auf dem Kreis liegt.
Was passiert, wenn die Null auf dem Kreis liegt, also |a| = r ist? Zunächst kann
man durch Anwendung einer Drehstreckung den allgemeinen Fall auf den mit r = 1
und a = 1 zurückführen. Dann ist das Bild des Kreises parametrisiert durch
1/z(t) =
e−it/2
1
1
=
= − i tan(t/2).
it
2 cos(t/2) 2
1+e
Dies is aber die Paramterisierung der Geraden { 21 + iR}. Ähnlich zeigt man, dass
auch die Blder von Geraden nur Kreise oder Geraden sein können, wobei die zwei
Fälle davon abhängen, ob die Gerade durch die Null geht, oder nicht.
Wie man leicht sieht, bildet die Möbiustransformation z → z−1
z+1 den Einheitskreis
auf die imaginäre Achse ab. Dabei wird der Punkt −1 aufgespalten und nach +∞
und −∞ gesendet. Das Innere des Einheitskreises wird auf die linke Halbebene, und
das Äussere auf die rechte Halbebene abgebildet.
Eine weiteres wichtiges Resultat ist noch folgender Satz.
Theorem 2.39. Seien z1 , z2 , z3 und w1 , w2 , w3 jeweils verschiedene Punkte in C.
Dabb gibt es genau eine Möbiustransformation, f , so dass für i = 1, 2, 3,
f (zi ) = wi .
(2.6.1)
Beweis. Wir zeigen zunächst, dass es eine eindeutige Möbiustransformation gibt,
die (z1 , z2 , z3 ) nach (1, 0.∞) abbildet, nämlich
S(z) =
z − z2 z1 − z3
.
z − z3 z1 − z2
Das S die gewünschte Eigenschaft hat, ist offensichtlich. Gäbe es eine weitere solche Abbildung, sagen wir T , so würde S ◦ T −1 die Punkte (1, 0, ∞) auf sich selbst
abbilden. Da diese die Form (az + b)/(cz + d) haben muss, erhielten wir die Gleichungen
54
2 Komplexe Integration
a+b
c+d
b
0=
d
a∞ + b a
∞=
= .
c∞ + d
c
1=
Offenbar implieziert die letzte Gleichung c = 0, die zweite b = 0, und dann erste
a = d, so dass die Abbildung die Identität ist.
Sei nun S die Abbildung von eben, und T die einzige Möbiustransformation, die
(w1 , w2 , w3 ) auf (1, 0, ∞) abbildet. Dann ist S−1 T die gewüschte Möbiustransformation.
Falls es zwei solche Abbildugen gäbe, gäbe es eine Möbiustransformation, die
(z1 , z2 .z3 ) auf sich abbildet und nicht die Identität ist. Daraus könnte man aber eine
zweite Abbildung basteln, die (z1 , z2 , z3 ) auf (1, 0, ∞) abblildet, was aber nicht geht.
t
u
2.7 Weitere Reihenentwicklungen
2.7.1 Folgen analytischer Funktionen
Wir betrachten eine Folge von analytischen Funktionen fn auf Gebieten Ωn . Es gelte, dass fn auf einem Gebiet Ω gegen eine Funktion f konvergiert. Wann können
wir erwarten, dass f analytisch ist? Der folgende Satz von Weierstrass beantwortet
diese Frage.
Theorem 2.40. Seien fn auf Gebieten Ωn analytische Funktionen, und die Folge von
Funktionen fn konvergiere gegen eine Funktion f auf Ω , und zwar gleichmässig auf
jeder kompakten Teilmenge von Ω . Dann ist f analytisch in Ω und die Folge fn0
konvergiert gegen f 0 gleichmässig auf jeder kompakten Teilmenge von Ω .
Beweis. Wir benutzen die Tatsache, dass eine Funktion auf einem
Gebiet analyR
tisch ist, wenn für alle geschlossenen Kurven γ in diesem Gebiet γ f (z)dz = 0. Wir
dürfen annehmen, dass Ω ⊂ Ωn für alle n. Für jede abgeschlossene Kreisscheibe
Dr (a) ≡ {|z − a| ≤ r} ⊂ Ω und jeden geschlossenen Weg γ ⊂ Dr (a) gilt nun
Z
fn (z)dz = 0
γ
. Da fn auf Dr (a) uniform konvergiert, folgt auch
Z
0 = lim
n↑∞ γ
Z
fn (z)dz =
Z
lim fn (z)dz =
γ n↑∞
f (z)dz,
γ
so dass f in Dr (a) analytisch ist. Daraus folgt dass f in Ω analytisch ist.
(2.7.1)
2.7 Weitere Reihenentwicklungen
55
Die Konvergenz der Ableitungen folgt aus der Konvergenz der Funktion mittels
Cauchy’schen Integralsatzes. Wir haben ja
fn0 (w) =
Z
γ
fn (z)
dz,
(z − w)2
(2.7.2)
mit γ z.B. ein kleiner Kreis um w. Da fn uniform konvergiert, tut dies auch fn0 . t
u
Ein wichtiges Beispiel sind Reihen von analytischen Funktionen,
∞
f (z) =
∑ gk (z),
k=0
wo die gk analytisch sind und die Reihe unifomr auf kompakten Teilmengen konvergiert. Dann folgt aud dem obigen Satz, dass f analytisch ist, und die Ableitung
gegeben ist als
f 0 (z) =
∞
∑ g0k (z).
n=0
Eine weitere interessante und überraschende Anwendung ist der Satz von Hurwitz.
Theorem 2.41. Die Funktionen fn seien analytisch in Ω und haben keine Nullstelle
in Ω . fn konvergiere gegen f uniform auf kompakten Teilmengen von Ω . Dann ist
entweder f (z) ≡ 0, oder f hat keine Nullstelle in Ω .
Beweis. Wenn f nicht identisch verschwindet, so hat f nur isolierte Nullstellen. Für
jeden Punkt w gibt es daher eine positive Zahl r, so dass f (z) für 0 < |z − |0 | ≤ r
nicht verschwindet. Wegen dem Maximumsprinzip ist nimmt dann | f (z)| sein Maximum auf dem Rand C dieser Scheibe an. Daher konvergiert dort auch 1/ fn (z)
gleichmässig gegen 1/ f (z) (denn |1/ fn (z)−1/ f (z)| = | fn (z)− f (z)|/(| fn (z)|| f (z)|).
Hier konvergiert der Zähler nach Voraussetzung nach Null und der Nenner ist nach
unten beschränkt). Da auch fn0 konvergiert, haben wir
Z
lim
n↑∞ C
fn0 (z)
dz =
fn (z)
Z
C
f 0 (z)
dz.
f (z)
(2.7.3)
Die linke Seite ist aber gleich Null, da fn keine Nullstellen hat, und somit gilt dasselbe auch für f . t
u
2.7.2 Laurentreihen
Wir hatten bereits gesehen, dass jede analytische Funktion lokal durch eine absolut
konvergente Taylorreihe dargestellt werden kann,
∞
f (z) =
1
∑ n! f (n) (z0 )(z − z0 )n .
n=0
56
2 Komplexe Integration
Solche Reihen sind in einem Gebiet der Form |z − z0 | < r absolut konvergent, wo r
der Konvergenzradius der Reihe ist. Umgekehrt könnte man hoffen, durch Übergang
zu Variablen 1/(z − z0 ) eine Reihenentwicklung der Form
∞
∑ An (z − z0 )−n
f (z) =
n=0
zu erhalten, die dann in einem Gebiet der Form |z − z0 | > 1/r konvergieren mag. Sei
in der Tat f (z) analytisch für |z − z0 | > r. Dann setzen wir g(z) = f (z0 + 1/(z − z0 )),
und es folgt, dass g für |z − z0 | < R analytisch ist. Dann hat g(z) eine konvergente
Taylorentwicklung
∞
g(z) =
∑ an (z − z0 )n
n=0
und somit gilt
∞
f (z) = g(z0 + 1/(z − z0 )) =
∑ an (z − z0 )−n .
n=0
Diese Reihe konvergiert für |z − z0 | > R. Die Koeffizienten an ergeben sich aus der
Taylorformel für g als an = n!1 g(n) (z0 ).
Noch allgemeiner kann man in einem Gebiet der Form r < |z − z0 | < R eine
Darstellung
∞
f (z) =
∑
n=−∞
Bn (z − z0 )n
(2.7.4)
erwarten. Solche Reihen nennt man Laurentreihen.
Theorem 2.42. Sei f in einem Kreisring r < |z − z0 | < R analytisch. Dann besitz f
in diesem Gebiet eine Darstellung als konvergente Laurentreihe der Form (2.7.4).
Die Koeffizienten Bn sind gegeben durch
Bn =
1
2πi
Z
|z−z0 |=ρ
f (z)dz
,
(z − z0 )n+1
(2.7.5)
für irgendein R1 < ρ < R.
Beweis. Im Folgenden setzen wir der notationellen Einfacheit halber z0 = 0. Der
allgemeine Fall folgt durch einfache Variablentransformation. Die Idee des Beweises beruht darauf zu zeigen, dass wir f als Summe zweier Funktionen f1 und f2
darstellen können, wobei f1 (z) für |z − z0 | < R, und f2 (z) für |z − z0 | > r analytisch
sind. Dazu setzen wir aber einfach
Z
f1 (z) =
für |z| < ρ1 < R, und
f2 (z) = −
|w|=ρ1
1
2πi
f (w)dw
,
w−z
Z
|w|=ρ2
f (w)dw
,
w−z
(2.7.6)
(2.7.7)
2.7 Weitere Reihenentwicklungen
57
für r < ρ2 < |z|. Cauchy’s Integralsatz zeigt, dass die Werte der Integrale nicht von
der Wahl von ρ1 und ρ2 abhängen, soweit die Ungleichungen eingehalten sind. Die
Funktionen f1 und f2 sind analytische Funktionen in den Gebieten |z| < R bzw.
|z| > r. Schliesslich können wir für jedes r < |z| < R, ρ1 > |z| > ρ2 so wählen, dass
Z
Z
f (w)dw
1
−
f1 (z) + f2 (z) =
.
(2.7.8)
2πi |w|=ρ1
w−z
|w|=ρ2
Dies ist aber das Integral längs des grösseren Kreises gefolgt vom Integral längs des
inneren Kreises in umgekehrter Richtung, was (wie man durch aufschneiden sieht),
äquivalent zu einem Integral über eine geschlossene Kurve die z enthält ist. Daher
ist für alle |z| in dem Ring r < |z| < R die rechte Seite der Gleichung gleich f (z),
wegen dem Cauchy’schen Integralsatz. Also haben wir die geünschte Darstellung
=
Abb. 2.3 Integrationskontur
f (z) = f1 (z) = f2 (z).
(2.7.9)
Nun hat aber f1 eine Taylorentwicklung mit positiven Potenzen
∞
f1 (z) =
∑ Bn zn ,
n=0
mit Bn wie behauptet.
Wir sehen, dass f2 (∞) = 0. Daher hat g(w) = f2 (1/w) eine Taylorentwicklung
ohne den Term der Ordnung 0, d.h.
∞
g(w) =
∑ an wn .
n=1
Dabei ist
an =
1
2πi
Z
|w|=1/ρ
g(w)dw
wn+1
für 1/ρ < 1/r. Durch Variablentransformation w = 1/z erhalten wir
(2.7.10)
58
2 Komplexe Integration
Z
|w|=1/ρ
g(w)dw
=
wn+1
Z
|z|=ρ
g(1/z)(−z−2 )dz
=
z−n−1
Z
|z|=ρ
f2 (z)dz
z−n+1
Setzen wir die Definition von f2 ein und verwenden wieder den Cauchy’schen Integralsatz, so finden wir
Z
f (z)dz
1
an =
2πi |z|=ρ z−n+1
und somit, da für n < 0, Bn = a−n ,
Bn =
wie behauptet. t
u
1
2πi
Z
|z|=ρ
f (z)dz
zn+1
Kapitel 3
Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
Wir betrachten im letzten Teil der Vorlesung nochmals Eigenwertprobleme, wie sie
in der Physik sehr verbreitet vorkommen. Es gibt zahlreiche gute Darstellungen dieser Theorie, z.B. das Buch von Coddington und Levinson [4], auf das ich teilweise
zurückgreife.
3.1 Definitionen
Ein wichtiger Typ von Differentialgleichungen, die in der Physik wiederholt auftreten, sind Gleichungen der Form
− (h(x) f 0 (x))0 + v(x) f (x) = λ w(x) f (x)
(3.1.1)
für x ∈ a, b ⊂ R, mit Randbedingungen, die im allgemeinen die Form
cos α f (a) + sin αh(a) f 0 (a) = 0,
cos β f (b) + sin β h(b) f 0 (b) = 0,
(3.1.2)
annehmen können, als die gesuchte Funktion f und ihre Ableitungen involvieren.
Es ist angenommen, dass w(x) > 0 und h(x) > 0, für alle x ∈ (a, b).
Gesucht ist eine Funktion f und ein Wert λ für den dieses Problem einen Lösung
hat. Man spricht hier also von einem Eigenwertproblem, genauer von einem Eigenwertproblem von Sturm-Liouville Typ. Die einfachste Form des Problems hat die
Form
− f 00 (x) + v(x) f (x) = λ f (x)
(3.1.3)
mit Dirichlet Randbedingungen
f (a) = f (b) = 0.
(3.1.4)
Eine Differentialgleichung der Form 3.1.3 nennt man auch Schrödingergleichung.Sie
entpricht in der Quantenmechanik der zeitunabhängigen Schrödingergleichung für
59
60
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
ein Teilchen, dass sich in einer Dimension in einem Intervall [a, b| unter dem Einfluss eines Potentials v bewegt. Im Fall eines konstanten Potentials kann man ein
solches Problem leicht mittels Fouriertransformation lösen, im allgemeines ist das
aber nicht möglich und wir benötigen eine aufwendigere Theorie. Deren Grundzüge
wollen wir in diesem Kapitel erarbeiten.
Grundsätzlich unterscheidet man zwei Fälle:
(i) Reguläre Sturm-Liouville Probleme: Hier sind sowohl a als b endlich, d.h. wir betrachten Lösungen auf einem endlichen Intervall. Darüberhinaus haben die Koeffizientenfunkionen an den Randpunkten keine Singularitäten, d.h. v ist stetig und
h sogar stetig differenzierbar, darüberhinaus haben weder p noch w Nullstellen
am Rand.
(ii)Singuläre Sturm-Liouville Problem: Hier ist das Intervall [a, b] undendlich, oder
die Koeffizientenfunktionen haben Singularitäten an den Intervallgrenzen, oder
beides.
Der reguläre Fall ist naturgemäss viel einfacher, und wir werden zunächst diesen
betrachten. Leider kommen in der Physik häufig auch singuläre Probleme vor.
3.1.1 Beispiele
Sturm-Liouville Probleme treten in einer Vielzahl von Anwendungsgebieten auf. Es
gibt mehrere hundert spezielle Typen, die besondere Namen tragen. Wir geben hier
nur eine kleine Liste an.
• Radiale Laplace Gleichung in Kugelkoordinaten:
d
2 d
r
f (r) + `(` − 1) f (r) = 0
−
dr
dr
(3.1.5)
• Schrödinger Gleichung für ein-dimensionalen harmonischen Oszillator:
− f 00 (x) + ω 2 x2 f (x) = E f (x).
(3.1.6)
• Radiale Schrödinger Gleichung für harmonischen Oszillator in d = 3:
d
d
r2 f (r) + ω 2 r2 f (x) + `(` − 1) f (r) = λ f (x)
(3.1.7)
−
dr
dr
• Radiale Schrödinger Gleichung für das Wasserstoff-Atom d = 3:
c
d
2 d
−
r
f (r) + f (x) + `(` − 1) f (r) = λ f (x)
dr
dr
r
• Legendre Gleichung:
(3.1.8)
3.2 Reguläre Sturm-Liouville Probleme
61
− (1 − x2 ) f 0 (x) = λ f (x).
(3.1.9)
’
3.2 Reguläre Sturm-Liouville Probleme
Das wesentliche Ziel der Sturm-Liouville Theorie ist es, zu zeigen, dass sich das
Problem qualitativ so ähnlich verhält, wie das Randwertproblem für die Laplacegleichung − f 00 = λ f .
Der erste Schritt ist zu zeigen, dass der Sturm-Liouville Operator
L≡−
1 d
d
v(x)
h(x) +
,
w(x) dx
dx w(x)
(3.2.1)
ein selbstadjungierter (symmetrischer) Operator in einem geeigneten Hilbertraum
ist. Wir verstehen hier L als Abbildung auf einem Raum von Funktionen, die die
Funktiion f in die Funktion (L f ) abbildet, wobei
(L f )(x) = −
1
v(x)
(h(x) f 0 (x))0 +
f (x)
w(x)
w(x)
ist. Das entspechende Skalarprodukt definieren wir als
h f , giw ≡
Z b
a
f ∗ (x)g(x)w(x)dx,
(3.2.2)
was unserem schon aus MfPII bekannten Skalarprodukt bezüglich des Masses
m(x)dx entspricht. Wir erlauben hierbei auch komplexe Funktionen einer reellen
Veränderlichen.
Die nächste Aussage beschreibt in welchem Sinn L selbtadjungiert ist.
Theorem 3.1. Seien f , g zweimal stetig differenzierbar in (a, b) und seine sowohl
die Funktionen als ihre Ableitungen und zweiten Ableitungen im Raum L2 (R, m(x)dx).
f und g erfüllen darüberhinaus die Randbedingungen (3.1.2). Dann gilt
h f , (Lg)iw = h(L f ), giw .
(3.2.3)
Beweis. Der Beweis besteht im wesentlichen in der Anwendung der Formeln für
die partielle Integration. Wir haben
62
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
Z b
1
v(x)
w(x) f ∗ (x) −
(h(x)g0 (x))0 +
g(x) dx
w(x)
w(x)
a
Z b
=−
f ∗ (x) (h(x)g0 (x))0 + v(x)g(x) dx
h f , (Lg)i =
(3.2.4)
a
Z b
=
a
b
f ∗0 (x)(h(x)g0 (x) + f ∗ (x)v(x)g(x) dx − f ∗ (x)(h(x)g0 (x)) a
Z b
1
−( f 0 (x)(h(x))0 + v(x) f (x) g(x)w(x)dx
a w(x)
b
b + f ∗0 (x)h(x)g(x) a − f ∗ (x)(h(x)g0 (x)) a
b
b = h(L f )∗ , gi + f ∗0 (x)h(x)g(x) a − f ∗ (x)(h(x)g0 (x)) a .
=
Nun sind die Randterme ausgeschrieben
b b
f ∗0 (x)h(x)g(x) a − f ∗ (x)(h(x)g0 (x)) a
∗0
∗
(3.2.5)
0
= f (b)h(b)g(b) − f (b)h(b)g (b)
− f ∗0 (a)h(a)g(a) + f ∗ (a)h(a)g0 (a).
Nur erlauben die Randbedingungen es, h(a) f 0 (a) durch f (a) (und genauso natürlich
für den Rand b) auszudrücken, und tut man dies sieht man, dass die rechte Seite von
(??) gleich Null ist. Damit ist aber die Behauptung gezeigt. t
u
Die Selbstadjungiertheit hat sofort eine wichtige Konsequenz:
Theorem 3.2. Seien λ1 6= λ2 Eigenwerte eines regulären Sturm-Liouville Problems,
und seien f1 und f2 die zugehörigen Eigenfunktionen, so gilt
(i) λ1 , λ2 ∈ R;
(ii)
h f1 , f2 iw = 0.
(3.2.6)
Beweis. Der Beweis geht wie in endlichdimensionalen Vektorräumen: Zunächst ist
λi∗ h fi , fi iw = hL fi , fi iw = h fi , L fi iw 0 = h fi , fi iλi ,
weshalb λi = λi∗ folgt. Weiter ist
λ1 h f1 , f2 i = h(L f1 ), f2 i = h f1 , (L f2 )i = λ2 h1 , f2 i,
weswegen die Behauptung wegwn λ1 6= λ2 folgt. t
u
3.2.1 Normalform
Wir wollen nun zeigen, dass wir durch eine Variablentransformation die allgemeine
Sturm-Liouville Gleichung auf die Schrödinger Form vereinfachen können. Dazu
3.2 Reguläre Sturm-Liouville Probleme
setzen wir
z(x) ≡
63
Z x
dt
a
h(t)
.
(3.2.7)
Da h nach Vorraussetzung positiv ist, ist diese eine invertierbare Funktion. Wie benutzen sie um die Variablentransformation x → z durchzuführen. Dazu setzen wir
g(z(x)) = f (x),
(3.2.8)
g(z) = f (x(z)),
(3.2.9)
oder
wo x(z) die Umkehrfunktion von z(x) ist. Da z0 (x) = 1/h(x), haben wir
1 dg(z(x)
d f (x)
=
,
dx
h(x) dz
(3.2.10)
d 2 f (x)
1 d 2 g(z(x)) h0 (x) dg(z(x))
=
−
2
dx
h(x)2
dz2
h(x)2
dz
(3.2.11)
und
Somit ist
d 2 g(z)
d 2 f (x)
d f (x)
= h(x)2
+ h0 (x)h(x)
2
dz
dx2
dx
0
0
= h(x) h(x) f (x) .
(3.2.12)
Also ist
d 2 g(z)
+ v(x(z))h(x(z)) − λ w(x(z)h(x(z)) = 0,
(3.2.13)
dz2
wenn f die Gleichung (3.2.1) löst. Somit können wir die Lösung des allgemeinen
Sturm-Liouville Problems auf den Fall
−
− g00 (x) +V (x)g(x) = λ µ(x)g(x)
(3.2.14)
zurückführen.
3.2.2 Der Sturm’sche Vergleichsatz
Der wesentliche Inhalt der Sturm-Liouville Theorie beruht auf dem Vergleich des
Oszillationsverhaltens von Lösungen der Gleichung (3.2.14) für verschiedene Werte von λ . Wir beschränken uns im Folgenden der Einfachheit halber auf den
Schrödinger-Fall, µ(x) = 1.
Zur Vorbereitung betrachten wir einige Eigenschaften des Anfangswertproblems.
Lemma 3.3. Alle Lösungen der Gleichung
64
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
− f 00 (x) +V (x) f (x) = λ f (x),
(3.2.15)
mit Anfangsbedingung fλ (a) = 0, fλ0 (a) = c, mit c 6= 0 haben die gleichen Nullstellen.
Beweis. Sei gλ (a) die einzige Lösung der Gleichung mit Anfangsbedingungen
gλ (a) = 0, g0λ (a) = 1. Dann ist fλ (x) = cgλ (x). Damit folgt die Behauptung trivialerweise.
Lemma 3.4. Sei fλ0 Lösung der Gleichung (3.2.15) mit Anfangsbedingung fλ0 (a) =
0, und sei fλ0 (xλ0 ) = 0. Dann gibt es eine stetige Funktion x(λ ), mit x(λ0 ) = xλ0 , so
dass fλ (x(λ )) = 0.
Beweis. Das einfachste Argument ist, fλ (x) ist stetig in λ und zweimal differenzierbar in x. Dann kann man den Satz über implizite Funktionen verwenden um zu
erhalten, dass die Lösung der Gleichung fλ (x) = 0 stetig in λ sind.
Theorem 3.5 (Sturm’scher Vergleichsatz). Seien f1 , f2 Lösungen der Gleichung
− fi00 (x) +V (x) fi (x) = λi fi (x)
(3.2.16)
die nicht identisch Null sind. Sei 1 (a) = f1 (b) = 0, und λ2 > λ1 . Dann hat f2 eine
Nullstelle in (a, b). Wenn λ1 = λ2 ist und f2 (a) 6= 0, dann hat f2 ebenfalls eine
Nullstelle in (a, b).
Beweis. Die sogenannte Wronski-Determinante,
W (x) ≡ f10 (x) f2 (x) − f1 (x) f20 (x),
(3.2.17)
spielt heir eine entscheidende Rolle. Es gilt nämlich wegen (3.2.16),
W 0 (x) = f100 f2 (x) − f1 (x) f200 (x)
(3.2.18)
= (λ2 − λ1 ) f1 (x) f2 (x).
Es genügt anzunehmen, dass a and b aufeinanderfolgende Nullstellen von f1 sind,
und dass f1 (x) > 0, für x ∈ (a, b). Weiter können wir annehmen, dass es ein ε > 0
gibt, so dass f2 (x) > 0 für x ∈ (a, a + ε). Dann ist
W (a) = f10 (a) f2 (a) ≥ 0,
und wenn f2 (a) 6= 0, sogar W (a) > 0. Falls nun f2 in (a, b) nicht verschwindet, so ist
f2 in diesem Intervall positiv, und somit ist W 0 (x) ≥ 0 für x ∈ (a, b), mit Gleichheit
nur im Fall λ1 = λ2 . Somit ist falls λ1 6= λ2 ,
W (b) = (λ2 − λ1 )
Z b
a
f1 (x) f2 (x)dx > 0,
während im Fall λ1 = λ2 , W (b) = W (a) > 0, wenn f2 (a) 6= 0. Somit ist in jedem
Fall W (b) > 0, was aber unmöglich ist, da ja W (b) = f10 (b) f2 (b) und f10 (b) < 0 und
3.2 Reguläre Sturm-Liouville Probleme
65
f2 (b) > 0 nach Annahme. Damit haben wir einen Widerspruch und die Aussage des
Satzes ist bewiesen. t
u
Wir können aus diesem Satz sofort die folgende Aussage herleiten:
Korollar 3.6. Sei fλ (x) Lösung der Gleichung (3.2.16) mit fλ (a) = 0. Sei N(b, λ )
die Zahl der Nullstellen von fλ im Intervall [a, b]. Dann ist N(b, λ2 ) ≥ N(b, λ1 ),
wenn λ2 > λ1 .
Beweis. Der Beweis folgt sofort aus dem vorigen Satz und wird als Übung gestellt.
t
u
Man kann die Aussage des obigen Satzes leicht verallgemeinern:
Theorem 3.7. Seien f1 , f2 Lösungen der Gleichungen
− (h(x) fi0 (x))0 + gi (x) fi (x)0,
i = 1, 2,
(3.2.19)
und sei für x ∈ (a, b), g2 (x) < g1 (x). Wenn f1 (a) = 0 und f1 (b) = 0, dann hat f2
eine Nullstelle in (a, b).
Beweis. Indem wir die Gleichungen (3.2.19) mit f1 bzw. f2 multiplizieren und voneinander abziehen, erhalten wir
− f2 (x)(h(x) f10 (x))0 + f1 (x)(h(x) f10 (x))0 + (g1 (x) − g2 (x)) f1 (x) f2 (x) = 0. (3.2.20)
Nehmen wir an, dass f2 (x) in (a, b) nicht verschwindet. Dann können wir annehmen, dass f1 und f2 in (a, b) beide positiv sind. Damit erhalten wir, dass
Z b
a
Z b
f2 (x)(h(x) f10 (x))0 − f1 (x)(h(x) f10 (x))0 dx = (g1 (x)−g2 (x)) f1 (x) f2 (x)dx > 0.
a
(3.2.21)
Andererseits ist der Integrand auf der linken Seite der Gleichung gerade
d
h(x) f2 (x) f10 (x) − f1 (x) f20 (x) .
dx
(3.2.22)
Somit ist
0 < h(b) f2 (b) f10 (b) − f1 (b) f20 (b) − h(a) f2 (a) f10 (a) − f1 (a) f20 (a) (3.2.23)
= h(b) f2 (b) f10 (b) − h(a) f2 (a) f10 (a).
Nun muss aber f10 (a) > 0 und f10 (b) < 0 sein, und da weiter f2 (a) ≥ 0 und f2 (b) ≥ 0
sind, führt dies zum Widerspruch. Damit ist das Lemma bewiesen.
Wir können Satz 3.7 benutzen um zu zeigen, dass die Anzahl der Nullstellen
N(b, λ ) nach unendlich geht, wenn λ ↑ ∞.
66
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
Lemma 3.8. Mit der obigen Notation gilt, dass
lim N(b, λ ) = +∞.
λ ↑∞
(3.2.24)
Umgekehrt gibt es ein λ0 , so dass für λ < λ0 , N(b, λ ) = 0.
Beweis. Da V stetig auf [a, b], gibt est V0 < ∞, so dass V (x) ≤ V0 , für alle x ∈ [a, b].
Daher ist
V (x) − λ ≤ V0 − λ ,
und die Lösungen der Gleichung − f 00 + (V (x) − λ ) f = 0 mit f (a) = 0 haben mehr
Nullstellen in [a, b] als die Löungen der Gleichung
− f 00 (x) + (V0 − λ ) f (x) = 0.
(3.2.25)
Die Lösungen dieser Gleichung sind aber, für λ > V0 ,
p
λ −V0 (x − a) .
fλ (x) = C sin
Da diese Funktion aber für wachsendes λ beliebig viele Nullstellen in [a, b] bekommt, folgt die erste Aussage des Lemma. Die zweite Aussage folgt in völlig analoger Weise daraus, dass − f 00 − λ f = 0 für hinreichend kleine λ keine Nullstelle in
(a, b] hat. t
u
Jetzt kommen wir zum Sturm’schen Oszillationssatz.
Theorem 3.9. Seien λ0 < λ1 < λ2 < . . . die Eigenwerte des Randwertproblems mit
Randbedingungen f (a) = f (b) = 0. Dann hat die Eigenfunktion fn (x) ≡ fλn (x) genau n Nullstellen in (a, b).
Beweis. Betrachte zunächst den Fall n = 0. Angenommen, f0 habe eine Nullstelle, z ∈ (a, b). Dann können wir die Funktionen v1 (x) ≡ f0 (x)1Ix∈(a,z) und v2 (x) =
2
d
f0 (x)1Ix∈(z,b) definieren. Mit L = − dx
2 +V (x) ist
hv1 , Lv2 i =
Z b
a
v01 (x)v02 (x) +V (x)v1 (x)v2 (x) dx = 0
(3.2.26)
hvi , Lvi i = λ0 kvi k22 .
Hier haben partiell integriert und benutzt, dass die Funktionen vi an der Stelle z
zwar nicht differenzierbar sind, die Ableitung aber nur einen Sprung hat, und somit
diese Stelle im Integral keinen Beitrag liefert. (Dies ist der Grund, warum wir diese
Argument nur dann benutzen können, wenn f ein Nullstelle hat).
Damit gibt es einen zweidimensionalen Unterraum in L2 in dem h f , L f i =
λ0 k f k22 . Darin liegt bereits die Eigenfunktion f0 . Jetzt können wir in dem zu f0
orthogonalen Unterraum Testfunktionen finden, für die h f , L f i = λ0 k f k22 . Dann besagt das sog. Variationsprinzip, dass es in dem zu f2 orthogonalen Raum eine Eigenfunktion f−1 von L gibt mit Eigenwert λ−1 kleiner oder gleich λ0 . Die Möglichkeit
3.2 Reguläre Sturm-Liouville Probleme
67
λ−1 = λ0 fällt weg, weil alle Lösungen mit f (a) = 0 und gleichem λ Vielfache
voneinander sind. Es folgt also, das es einen Eigenwert λ−1 < λ0 gibt, was im Widerspruch zur Annahme steht, dass λ0 der kleinste Eigenwert ist. Also hat f0 keine
Nullstelle in (a, b).
Nehmen wir an, fn habe n Nullstellen z1 < z2 < · · · < zn in (a, b). Da λn+1 > λn ,
muss fn+1 in jedem Intervall (zi , zi+1 ) eine Nusstelle haben, also mindestens n + 1
in (a, b). Um zu zeigen, dass fn+1 nicht mehr als n + 1 Nullstellen haben kann,
geht man wie im Fall n = 0 vor: Hat fn m > n + 1 Nullstellen, so gibt es einen mdimensionalen Teilraum von L2 in dem h f , L f i = λn+1 k f k22 . Daraus folgt wieder aus
dem Variationsprinzip, dass es m Eigenwerte geben muss, die kleiner oder gleich
λn+1 sind. Dies steht aber im Widerspruch dazu, dass λn+1 gerade der n + 1-ste
Eigenwert ist. t
u
Man kenn dieses Resultat auch so formulieren:
Die Zahl der Eigenwerte von L die kleiner als λ sind ist gleich der Zahl der
Nullstellen der Funktion fλ (x) im Intervall (a, b).
Wir können diese Beobachtungen wie folgt zusammenfassen:
Korollar 3.10. Das Randwertproblem aus Lemma 3.3 besitzt abzählbar undendlich
viele Eigenwerte −∞ < λ0 < λ1 < . . . . Die Anzahle der Eigenwerte, die kleiner sind
als E, ist gleich der Anzahl der Nullstellen der Lösungen fE aus Korollar 3.6.
3.2.3 Vollständigkeit der Eigenfunktionen
Die letzte Aussage gilt auch für die allgemeine Form des regulären Sturm-Liouville
Problems, was wir aber nicht im Detail nachprüfen wollen. Man findet diese z.B. in
[4].
Schliesslich können wir noch zeigen, dass die Eigenfunktionen eine vollständige
Basis im Hilbertraum L2 ([a, b], dx) bilden. Dazu gehen wir im wesentlichen vor
wie im Fall der Fourierreihen. Zunächst zeigen wir, dass glatte Funktionen, die die
Randbedingungen erfüllen, gut approximiert werden.
Theorem 3.11. Seien φi , i = 0, 1, 2, 3, . . . normierten Eigenfunktionen des Problems
(3.3).
(i) Sei f ∈ C2 ([a, b] zweimal stetig differenzierbar. Dann gilt
∞
f (x) =
∑ h f , φn iφn (x),
(3.2.27)
n=0
für alle x ∈ [a, b], und die Reihe konvergiert gleichmässig in [a, b].
(ii)Die Funktionen φn bilden eine Basis des Hilbertraums L2 ([a, b], dx).
Beweis. Wir erinnern uns zunächst daran, dass für jede Funktion f ∈ L2 ([a, b], dx)
gilt, dass für jedes m ∈ N,
68
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
m
∑ h f , φk i2 ≤ k f k22 .
(3.2.28)
k=0
Wir nehmen im Folgenden ohne Beschränkung der Allgemeinheit an, dass die Eid2
genwerte unseres Problems alle strikt positiv sind . Wir schreiben L ≡ − dx
2 +V (x).
Dann hat die inhomogene Gleichung
L f (x) = u(x),
(3.2.29)
eine eindeutige Lösung, die mit Hilfe der Methode der Variation der Konstanten
gezeigt werden kann. Wir haben nämlich:
Lemma 3.12. Seien ψ1 (x), ψ2 (x) Lösungen der Gleichung Lψi = 0 mit ψ1 (a) =
ψ2 (b) = 0. Es sei 0 kein Eigenwert von L. Dann hat (3.2.29) eine eindeutige Lösung,
die in folgender Form dargestellt werden kann:
Z b
f (x) = ψ1 (x)
x
ψ2 (y)
g(y)dy + ψ2 (x)
W (ψ1 , ψ2 )(y)
Z x
a
ψ1 (y)
g(y)dy. (3.2.30)
W (ψ1 , ψ2 )(y)
Beweis. Der Beweis des Lemmas ist elementar. Zunächst beachten wir, dass W (ψ1 , ψ2 )(y)
eine Konstante ist die gar nich von y abhängt, wie wir schon gesehen haben. Dann
ist
Z b
d2
ψ2 (y)
ψ1 (x)
g(y)dy
dx2
x W (ψ1 , ψ2 )(y)
Z b
d
ψ2 (x)
ψ2 (y)
0
=
ψ1 (x)
g(y)dy − ψ1 (x)
g(x)
dx
W (ψ1 , ψ2 )(x)
x W (ψ1 , ψ2 )(y)
Z b
ψ2 (y)
ψ2 (x)
= ψ100 (x)
g(y)dy − 2ψ10 (x)
g(x)
W
(ψ
,
ψ
)(y)
W
(ψ
x
1
2
1 , ψ2 )(x)
ψ20 (x)
ψ2 (x)
g(x) + ψ1 (x)
g0 (x).
−ψ1 (x)
W (ψ1 , ψ2 )(x)
W (ψ1 , ψ2 )(x)
Daher ist
Z b
x
ψ2 (y)
ψ1 (y)
g(y)dy + ψ200 (x)
g(y)dy
W
(ψ
,
ψ
)(y)
W
(ψ
x
a
1
2
1 , ψ2 )(y)
ψ2 (x)
ψ1 (x)
− ψ10 (x)
g(x) + ψ20 (x)
g(x)dy
W (ψ1 , ψ2 )(x)
W (ψ1 , ψ2 )(x)
Z b
Z x
ψ1 (y)
ψ2 (y)
= ψ100 (x)
g(y)dy + ψ200 (x)
g(y)dy − g(x)
W
(ψ
,
ψ
)(y)
W
(ψ
x
a
1
2
1 , ψ2 )(y)
f 00 (x) = ψ100 (x)
Z
weshalb L f (x) = g(x). Ausserdem überprüft man leicht, dass die Randbedingungen
für f erfüllt sind. t
u
Das Lemma liefert eine Darstellung von f in der Form
3.2 Reguläre Sturm-Liouville Probleme
69
Z b
f (x) =
G(x, y)g(y)dy,
(3.2.31)
a
wo
(
G(x, y) =
ψ1 (x)ψ2 (y)
W (ψ1 ,ψ2 )(y) ,
ψ2 (x)ψ1 (y)
W (ψ1 ,ψ2 )(y) ,
wenn x < y,
wenn x ≥ y
(3.2.32)
Die Funktion G(x, y) heisst Green’sche Funktion. Natürlich können wir auch schreiben
Z
b
f (x) = (L−1 u)(x) ≡
G(x, y)u(y)dy.
a
und L−1 ist der inverse Operator zum Operator L. Wegen der Selbstadjungiertheit
von L ist G symmetrisch, also G(x, y) = G(y, x). Da LL−1 f = f , gilt insbesondere,
dass
L−1 φk = λk−1 φk ,
was man einfach sieht, indem man L auf beide Seiten anwendet. Insbesondere ist
also
Z
b
a
G(x, y)φk (y) = λk−1 φk (x).
Also ist auch, für alle m,
m
m
k=0
k=0
m
∑ λk−2 φk (x)2 = ∑ (G(x, y)φk (y))2
=
≤
(3.2.33)
∑ hG(x, ·), φk i2
k=0
Z b
dyG(x, y)2 ,
a
wo wir die Ungleichung (3.2.28) benutzt haben. Nach Integrationüber x erhalten wir
m
∑ λk−2 ≤
k=0
Z b
Z b
dx
a
a
dyG(x, y)2 ≤ (b − a)2 γ 2 ,
(3.2.34)
mit γ ≡ sup(x,y∈[a,b] |G(x, y)|. Insbesondere strebt λk−1 gegen Null. Nun setzen wir
m−1
Gm (x, y) ≡ G(x, y) −
∑ λk−1 φk (x)φk (y),
(3.2.35)
k=0
und wir bezeichnen mit Gm den zugehörigen Integraloperator. Wir setzen für einen
Operator A auf unserem Hilbertraum
kAk ≡
sup
u∈L2 :kuk2 =1
kAuk2 .
(3.2.36)
70
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
kAk heisst die Norm des Operators A. Man kann leicht zeigen, dass für selbstadjungierte Operatoren gilt, dass
kAk ≡
sup
u∈L2 :kuk2 =1
|hu, Aui|.
(3.2.37)
Damit ist insbesondere kAk der grösste Eigenwert von A; das bedeutet für unseren
Operator L−1 , dass (wir nehmen an dass λ0 > 0)
kL−1 k = λ0−1 ,
und es folgt, dass
kGm k = λm−1 .
Daher gilt
m−1
−1
lim L f − ∑ λk−1 h f , φk iφk = 0.
m↑∞ k=0
(3.2.38)
Andererseits konvergiert die Reihe
∞
∑ λk−1 h f , φk iφk (x)
(3.2.39)
k=0
nicht nur in L2 sondern auch uniform: Dies folgt daraus, dass für jedes m, n,
n
∑
k=m
λk−1 h f , φk iφk (x) =
n
∑ L−1 (h f , φk iφk (x))
k=m
Z b
=
n
∑ h f , φk iφk (y)dy.
G(y, x)
a
k=m
Daher ist wegen der Cauchy-Schwartz Ungleichung
Z b
n
n
∑ λk−1 h f , φk iφk (x) ≤ G(x, y) ∑ h f , φk iφk (y)dy
a
k=m
k=m

Z b
≤
G(x, y)2 dy
a
Z b
=
(3.2.40)
Z b
a
n
G(x, y) dy
a
!2
∑ h f , φk iφk (z)
1/2
dz
k=m
!!1/2
n
2
(3.2.41)
2
∑ h f , φk i
k=m
s
n
√
≤ γ b − a ∑ h f , φk i2 ,
k=m
wobei
wir im letzten Schritt die Orthonormalität der φk und die Ungleichung
Rb
G(x,
y)2 dy ≤ γ 2 (b − a) ausgenutzt haben. Da die rechte Seite mit m, n ↑ ∞ gea
3.2 Reguläre Sturm-Liouville Probleme
71
gen Null strebt, und die Schranke von x unabhängig ist, folgt die gleichmässige
Konvergenz der Reihe (3.2.39). Insbesondere stellt die Reihe eine stetige Funktion
dar. Darau und aus (3.2.38) folgt aber, dass diese Funktion gerade L−1 f ist.
Schliesslich ist für jede zweimal stetig differenzierbare Funktion g, die die Randbedingungn erfüllt Lg ≡ f stetig, und es gilt f = L−1 g. Wir haben gezeigt, dass
∞
f (x) =
∑ λk−1 hg, φk iφk (x)
(3.2.42)
k=0
∞
=
∑ λk−1 hL f , φk iφk (x)
k=0
∞
=
∑ h f , φk iφk (x),
k=0
mit gleichförmiger Konvergenz, wie gewünscht.
Die Vollständigkeit des Funktionensystems im Hilbertraum L2 folgt dann wie im
Fall der Fourierreihen weil die oben betrachteten Funktionen in diesem Raum dicht
liegen. t
u
Der obige Beweis lieftert auch eine Darstellung der Green’schen Funktion wie
wir sie schon von den Fourierreihen kennen:
∞
G(x, y) =
∑ λk−1 φk (x)φk (y).
(3.2.43)
k=0
Aus der Aussage des letzten Satzes kann man auch das im Beweis von Theorem
3.9 verwendete Variationsprinzip herleiten. Es folgt nämlich, dass wenn f ∈ L2 eine
Funktion ist, so dass h f , L f i = λ k f k22 , dann konvergiert die Reihe
∞
∑ h f , φn iφn
n=0
in der L2 Norm gegen f . Insbesondere ist dass
∞
h f,L f i =
λn k f k22 .
∑ λn h f , φn i2 ≥ inf
n
n=0
Daraus folgt, dass infn λn ≤ λ , was das Variationsprinzip ist.
Wenn man zusätzlich noch darauf besteht, dass f zu gewissen Eigenfunktionen
orthogonal ist, so fallen die zugehörigen Eigenwerte in dem Infimum weg, und man
erhält die entsprechenden Aussagen für Unterräume.
72
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
3.2.3.1 Resolvente und Spektrum
Wir haben im Beweis des obigen Satzes den Lösungsoperator L−1 kennengelernt.
Wir können dieses Konzept verallgemeinern, indem wir die sogenannte Resolvente,
Rλ ≡ (L − λ )−1 , einführen. Für einen gegebenen Sturm-Liouville Operator L (mit
spezifizierten Randbedingungen) ist dies nichts anderes als der Operator, der einer
Funktion u die Lösung, f = Rλ u, der Gleichung
(L − λ ) f (x) = u(x)
mit den entsprechenden Randbedingungen zuordnet, sofern diese Gleichung eine
eindeutige Lösung besitzt. In völliger Analogie zum vorher betrachteten Fall wissen
wir, dass dies genau dann der Fall ist, wenn λ kein Eigenwert des Randwertproblems
ist. Man sagt:
Definition 3.13. Die Resolventenmenge ist die Menge aller λ ∈ C, so dass Rλ ein
beschränkter Operator ist. Das Komplement der Resolventenmenge in C heisst das
Spektrum von L (mit gegebenen Randbedingungen).
Man kann unter sehr allgemeinen Annahmen zeigen, dass die Resolventenmenge stets eine offene Menge ist. Für den Fall regulärer Sturm-Liouville Operatoren
haben wir gerade gezeigt, dass das Spektrum eine abzählbar unendliche, nach unten beschränkte Teilmenge von R ist. Man sagt in diesem Fall, der Operator L habe
diskretes Spektrum oder reines Punktspektrum. . Die Aussage des vorhergehenden
Satzes ist dann eine spezielle Form des Spektralsatzes: Wenn ein selbstadjugierter
Operator auf einem Hilbertraum ein reines Punktspektrum besitzt, so bilden seine
Eigenfunktionen eine vollständiges Orthorgonalsystem (oder eine Orthogonalbasis)
des Hilbertraums.
3.3 Singuläre Sturm-Liouville Probleme
In der Physik treten sehr häufig Sturm-Liouville Probleme auf, die nicht in die Klasse der regulären Probleme fallen. Insbesondere sind wir häufig mit Eigenwertproblemen auf unendlichen Intervallen, also R oder R+ konfrontiert. Letzteres ist e.g.
der Fall für die radiale Schrödingergleichung. Hier stellt sich dann die Frage, was
die Rolle von Randbedingungen übernimmt, da wir bei undendlich schlecht eine
Funktionswert fordern können. Aus physikalischen Gründen werden Randbedingungen z.B. in der Quantenmechanik durch Integrabilitätsbedingungen ersetz, d.h.
man sucht etwa nach Lösungen der Schrödingergleichung im Raum L2 der quadratisch integrablen Funktionen.
3.3 Singuläre Sturm-Liouville Probleme
73
3.3.1 Motivierendes Beispiel: Laplace Gleichung
Um eine Idee davon zu bekommen, was im singulären Fall zu erwarten ist, betrachten wir den einfachen Fall der Gleichung
− f 00 (x) = λ f (x),
f (0) = 0.
x ∈ (0, ∞)
(3.3.1)
Wir wollen versuchen, dieses Problem als den Grenzfall der Probleme
− f 00 (x) = λ f (x),
f (0) = 0,
x ∈ (0, b)
(3.3.2)
f (b) = 0,
aufzufasssen, wenn b ↑ ∞. Nun wissen wir schon, dass die normierten Eigenfunktionen des letzteren Problems gegeben sind durch
r
2
kπx
φk (x) =
sin
,
b
b
2
mit k = 0, 1, 2, . . . , die Eigenwerte sind alse λk= kπx
.
b
Sei nun f eine Funktion auf R+ , die kompakten Träger hat, d.h. es gibt ein c < ∞,
so dass für alle x ≥ c, f (x) = 0. Dann ist Wir setzen
g(t) ≡
Z ∞
sin(tx) f (x)dx.
0
Für alle b ≥ c ist dann aber
r
Z b
g(kπ/b) =
sin(kπx/b) f (x)dx =
0
b
hφk , f i
2
gerade der k-te Fourierkoefizient des Problems (3.3.2). Die Vollständigkeitsrelation
besagt nun, dass
Z ∞
0
| f (x)|2 dx =
Z b
0
| f (x)|2 dx =
2 ∞
∑ |g(kπ/b)|2 ,
b k=1
(3.3.3)
für alle b > c. Nun können wir die letzte Gleichung auch als Integral darstellen,
wenn wir die Stufenfunktionen ρb (x) einführen, die be Null starten und an den Stellen kπ/b jeweils um 2/b springen. Dann ist nämlich (3.3.3)
Z ∞
0
| f (x)|2 dx =
Z ∞
0
|g(t)|2 dρb (t).
(3.3.4)
Wenn b ↑ ∞, so konvergiert ρb (t) → ρ(t) ≡ π2 t, punktweise, und wir erhalten
74
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
Z ∞
0
| f (x)|2 dx =
Z ∞
0
|g(t)|2 dρ(x) =
2
π
Z ∞
0
|g(t)|2 dt
(3.3.5)
Die letztere Gleichung gilt nun für alle Funktionen mit beschränktem Träger,
und weil diese dicht in L2 liegen, für alle f ∈ L2 . Es ist die schon bekannte Vollständigkeitsrelation für die (einseitige) Fouriertransformation (PlancherelRelation). Wir können die Funktionen sintx, für t ∈ R+ als verallgemeinerte Eigenfunktionen unseres Randwertproblems (3.3.1) auffassen, und alle Werte λ ∈ R+
als verallgemeinerte Eigenwerte, R+ dementsprecend als das (kontinuierliche)
Spektrum. Das Spektrum ist die Menge der Werte λ , an denen die Funtktion
ρ(λ ) ≡ limb↑∞ ρb (λ ) wächst. In unserem Fall ist das also gerade die Menge [0, ∞).
Tatsächlich können wir dies auch wie folgt charakterisieren: Das Spektrum des
Problems (3.3.1) sind alle Werte λ ∈ C für die es Lösungen gibt, die nicht expo00
nentiell wachsen. Denn wir wissen
√ ja schon, dass alle Lösungen von − f = λ f
Linearkombinationen von exp(± λ x) sind (ausser für λ = 0, wo wir stattdessen
1 und
√ x haben). Damit
√ auch f (0) = 0 gilt, bleiben nur noch die Vielfachen von
exp( λ x) − exp(− λ x). Ausser für λ ∈ R+ wachsen diese stets exponentiel an.
3.3.2 Sturm-Liouville Probleme auf der Halbachse
Unser Ziel ist es, den oben angegebenen Zugang zu verallgemeinern. Wir betrachten
das Problem
L f (x) = λ f (x),
sin α f (0) − cos α f 0 (0) = 0.
x ∈ R+ ,
(3.3.6)
Der Einfachheit wollen wir annehmen, dass L ein Schrödingeroprator ist. Alle Resutlte gelten aber auch für den allgemeinen Fall.
Im folgenden wird es sehr nützlich sein, λ als komplexe Zahl, und somit auch
die Lösung f als komplexwertige Lösung aufzufassen.
Zunächst beginnen wir mit einer Fallunterscheidung.
Definition 3.14. Wenn würR einen Wert λ0 ∈ C jede Lösung der Gleichung L f = λ0 f
quadratintegrabel ist, also 0∞ | f (x)|2 dx < ∞, so sagen wir, dass L vom Limes-KreisTyp bei Unendlich ist. Andernfalls ist er von Limes-Punkt-Typ.
Die Definition scheint merkwürdig, da eine Eingenschaft nur für einen Wert von
λ0 gefordert wird. Das nächste überraschende Resultat erklärt dies.
Theorem 3.15. Falls für ein λ0 ∈ C jede Lösung von L f = λ0 f quadratintegrabel
ist, so gilt dies für alle λ ∈ C.
Beweis. Seien φ und ψ zwei orthonormale Lösungen von L f = λ0 f . Sei g eine
Lösung von
Lg = λ g = λ0 g + (λ − λ0 )g.
3.3 Singuläre Sturm-Liouville Probleme
75
Indem wir den Term (λ − λ0 )g als gegebene Inhomogenität auffassen, können wir
so tun als suchten wir die Lösung der inhomogenen Gleichung
L f − λ f = (λ − λ0 )g,
die wir mittels der Methode der Variation der Konstanten durch die Lösungen φ und
ψ der homogenen Gleichung erhalten, nämlich
g(x) = c1 φ (x) + c2 ψ(x) + (λ − λ0 )
Z x
c
(φ (x)ψ(y) − φ (y)ψ(x)) g(y)dy.
mit Konstanten c, c1 , c2 , wobei c beleibig gewählt werden kann (wovon dann c1 , c2
abhängen. Wir benutzen die Abkürzung
rZ
x
k f k2,c ≡
| f (y)|2 dy.
c
pR
∞
pR ∞
2
2
Wir setzen M = max
c |φ (y)| dy,
c |ψ(y)| dy . Beachte, dass wir M so
klein machen können, wie wir wollen, indem wir c gross genug wählen. Es folgt
dann mit der Dreiecks und Cauchy-Schwartz Ungleichung, dass
kgk2,c ≤ (c1 + c2 )M + 2|λ − λ0 |M 2 kgk2,c .
Jetzt möchten wir diese Ungleichung nach kgk2,c auflösen: dazu wählen wir c so,
dass 2|λ − λ0 |M 2 ≤ 12. Es folgt
kgk2,c ≤ 2(c1 + c2 )M.
Die rechte Seite hängt nicht von x ab, also folgt, indem wir x nach unendlich
schicken,
rZ
∞
|g(y)|2 dy ≤ 2(c1 + c2 )M,
c
und somit kgk2 < ∞. t
u
Wir werden nun sehen, was es mit den Bezeichnungen Limespunkt und Limeskreis auf sich hat. Betrachten wir dazu zunächst zwei linear unabhängige Lösungen
von L f = λ φ , ψ, die die Anfangsbedingungen
φ (0, λ ) = sin α,
0
φ (0, λ ) = − cos α,
ψ(0, λ ) = cos α
(3.3.7)
0
ψ (0, λ ) = sin α
erfüllen. Es gilt, dass
W (φ , ψ)(0) = 1,
und damit W (φ , ψ)(x) = 1 für alle x ≥ 0. Die Funktionen sind stetig differenzierbar
und als Funktionen vom λ analytisch. Sie erfüllen bei 0 die Randbedingungen
76
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
cos αφ (0, λ ) + sin αφ 0 (0, λ ) = 0
(3.3.8)
0
sin αψ(0, λ ) − cos αψ (0, λ ) = 0.
Jede andere Lösung von L f = λ f ist, bis auf Vielfache, von der Form
χ(x, λ ) = φ (x, λ ) + m(λ )ψ(x, λ ).
(3.3.9)
Wir wollen nun bei b > 0 eine Randbedingung
cos β χ(b, λ ) + sin β χ 0 (b, λ ) = 0
(3.3.10)
fordern. Diese kann als Bedingung für m(λ ) aufgelöst werden.
m(λ ) = −
cot β φ (b, λ ) + φ 0 (b, λ )
.
cot β ψ(b, λ ) + ψ 0 (b, λ )
(3.3.11)
m is nunmehr eine Funktion von b, β , λ , und als Funktion von λ meromorph. Für
reelle λ ist m reell. Nun durchläuft z ≡ cot β mit β die reelle Achse. Dann ist aber
für gegebenes b, λ m als Funktion von z eine Möbiustransformation, und wir wissen
deshablb, dass das Bild der reellen Achse ein Kreis in der komplexen Ebene ist. Wir
nennen diesen Kreis Cb . Es sei im Folgenden ℑλ > 0.
Man kann die Gleichung für diesen Kreis in der Form
W (χ, χ ∗ )(b) = 0
(3.3.12)
ausdrücken. Eine längere Rechnung, die wir hier nicht vorstellen wollen, zeigt, dass
dieser Kreis dem Mittelpunkt
W (φ , ψ ∗ )(b)
W (ψ, ψ ∗ )(b)
(3.3.13)
1
|W (ψ, ψ ∗ )(b)|
(3.3.14)
cb = −
und Radius
rb =
hat. Nun ist ψ ∗ (x, λ ) = ψ(x, λ ∗ ), und daher gilt
d
W (ψ, ψ ∗ )(x) = (λ − λ ∗ )ψ(x, λ )ψ ∗ (x, λ ),
dx
(3.3.15)
und somit, da weiterhin W (ψ, ψ ∗ )(0) = 0,
W (ψ, ψ ∗ )(b) = 2iℑλ
Z b
0
|ψ(x, λ )|2 dx.
(3.3.16)
Hier sehen wir, den Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Norm von ψ und
rb , wenn b → ∞. Im Fall des Grenzkreises ist ist jedenfalls kψk2 < ∞, und somit
limb→∞ rb > 0.
3.3 Singuläre Sturm-Liouville Probleme
77
Man kann nun ebenfalls zeigen, dass die Kreise Cb für wachsendes b inneinander
liegen. Damit gibt es genau zwei Fälle:
• Cb → C∞ mit r∞ > 0, oder
• Cb → c∞ , wo c∞ ein Punkt ist.
Im ersten Fall wissen wir schon, dass ψ ∈ L2 ist. Nun ist weiter
W (χ, χ ∗ )(b) = 2iℑm
Z b
0
|χ(x, λ )|2 dx +W (χ, χ ∗ )(0),
Da W (χ, χ ∗ )(0) = −2iℑλ , und W (χ, χ ∗ )(b) = 0 wenn χ die Randbedingung
erfült,so folgt, dass
Z b
ℑm
|χ(x, λ )|2 dx =
,
(3.3.17)
ℑλ
0
und es ist insbesondere wegen ℑλ 6= 0, kχk2 < ∞. Man kann zeigen, dass für m, die
W (χ,χ ∗ )(b)
∗
im Inneren des Kreises Cb liegen, W
(ψ,ψ ∗ )(b) < 0. Die Gleichung W (χ, χ ) = 0 ist
nämlich ausgeschrieben
F(m, m∗ ) ≡ W (φ , φ ∗ ) + m∗W (φ , ψ ∗ ) + mW (ψ, φ ∗ ) + mm∗W (ψ, ψ ∗ ) = 0.
Beachte dass stets W ( f , f ∗ ) rein imaginär ist, und auch die beiden mittleren Terme rein imaginär sind. Die rein imaginäre quadratische Funktion von m auf der
linken Seite strebt also, wenn |m|2 ↑ ∞ nach ∞W (ψ, ψ ∗ ). Daher trennt der Kreis
F(m, m∗ ) = 0 gerade die Gebiete wo F(m, m∗ )/W (ψ, ψ ∗ ) positiv bzw. negative
sind, und der negative Bereich ist das Innere des Kreises.
Somit gilt für solche χ,
Z b
0
|χ(x, λ )|2 dx ≤
ℑm
.
ℑλ
Nehmen wir nun m so dass m im Innern aller Kreise Cb , liegt, bzw. m = c∞ im
Limespunktfall, so gilt diese Ungleichung für jedes b, und mithin gilt
kχk22 ≤
ℑm
< ∞.
ℑλ
Somit haben wir also in jedem Fall für ℑλ > 0 eine Lösung in L2 , und im Fall des
Limeskreises sogar 2.
Wir haben also gezeigt:
Theorem 3.16. Sei ℑλ 6= 0 und seien φ , ψ, χ wie oben. Dann erfüllt χ eine reelle
Randbedingung der Form (3.3.10) genau dann wenn m auf dem Kreis Cb der durch
die Gleichung W (χ, χ ∗ )(b) = 0 beschrieben ist. Wenn b ↑ ∞, so konvergiert Cb entweder zu einem Grenzkreis C∞ oder zu einem Punkt c∞ . Im ersten Fall sind alle
Lösungen von L f = λ f in L2 , und im zweiten Fall ist genau eine Lösung in L2 falls
ℑλ 6= 0.
78
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
Wir können nun die Green’sche Funktion für das Randwertproblem
L f (x) = λ f (x),
0
sin α f (0) − cos α f (0) = 0,
x ∈ (0, b),
(3.3.18)
cos β f (b) + sin β f 0 (b) = 0,
angeben, nämlich
(
ψ(x, λ ) (φ (y, λ ) + m(λ , b, β )ψ(y, λ )) , wenn x ≤ y
G(x, y; λ ) =
ψ(y, λ ) (φ (x, λ ) + m(λ , b, β )ψ(x, λ )) , wenn x > y.
(3.3.19)
Wir sehen nun, dass im Fall des Grenzpunktes m und somit G(x, y; λ ) konvergiert
und zwar zu
(
ψ(x, λ ) (φ (y, λ ) + c∞ (λ )ψ(y, λ )) , wenn x ≤ y
(3.3.20)
G(x, y; λ ) =
ψ(y, λ ) (φ (x, λ ) + c∞ (λ )ψ(x, λ )) , wenn x > y.
Für nicht-reelle Werte von λ ist G(x, y; λ ) quadratintegrabel in jeder der beiden
Variablen x und y, nicht aber notwendig bezüglich beider gleichzeitig.
Beispiel: Wir wollen zu unserem einfachen Beispiel − f 00 = λ f zurückkommen.
Wir setzen λ = ω 2 und ω = v + iu. Betrachte weiter den Fall α = 0. Hier ist
φ (x) = −
sin(ωx)
,
ω
ψ(x) = cos(ωx).
Für m erhalten wir also den Ausdruck
m=−
1 − cot β sin(ωb) − ω cos(ωb)
.
ω cot β cos(ωb) − ω sin(ωb)
Für b ↑ ∞ und u > 0 haben wir
cos(b(v + iu)) ∼
1
exp(−ivb + bu),
2
sin(b(v + iu)) ∼
i
exp(−ivb + bu)
2
und damit
m∼
1 i cot β exp(−ivb + bu) + ω exp(−ivb + bu)
∼ i/ω,
ω cot β exp(−ivb + bu) − ωi exp(−ivb + bu)
das heisst wir sind im Limespunktfall. Für die Funktion χ erhalten wir im Grenzwert
b↑∞
χ(x, λ , ∞) = ω −1 (− sin(ωx) + i cos(ωx)) = i exp(iωx).
Diese Funktion ist in der Tat die einzige (bis auf Vielfache) quadratintegrable
Lösung der Gleichung (für u > 0). Andererseits haben wir
3.3 Singuläre Sturm-Liouville Probleme
79
χ 0 (0, λ , ∞) = −1.
χ(0, λ , ∞) = i/ω,
Damit erfüllt χ be Null keine reelle Randbedingung, in Übereinstimmung mit unserem allgemeinen Resultat, dass die Wronski-Determinante W (χ, χ ∗ )(0) 6= 0.
Die Green’sche Funktion ist also
(
cos(ωx) (− sin(ωy) + i cos(ωy)) /ω, wenn x ≤ y
G(x, y; λ ) =
cos(ωy) (− sin(ωx) + i cos(ωx)) /ω, wenn x > y.
Nun ist aber
− sin(ωy) + i cos(ωy) = i exp(iωy),
was für ℑω > 0 integrabel ist. Die Green’sche Funktion ist daher stets L2 wenn ω
nicht reell ist, also für alle λ 6∈ R+ . Wir finden also wieder, dass das Spektrum des
Laplaceoperators auf der Halbachse die positiven reellen Zahlen sind.
In fasst allen praktischen Anwendungen finden wir uns im Limespunktfall.
Dies zeigt zum Beispiel folgender Satz, den ich nicht beweisen werde.
2
d
2
Theorem 3.17. Sei L = − dx
2 + V (x) auf R+ und sei V (x) ≥ −Cx für ein C > 0.
Dann ist L im Limes-Punkt-Typ.
3.3.3 Vollständigkeit und verallgemeinerte Fouriertransformation
im Limespunktfall
Wir wollen nun zeigen, dass im Limespunktfall eine Darstellung der Green’schen
Funktion analog zu (3.3.5) gilt. Wir betrachten wieder das Randwertproblem (3.3.18)
auf dem endlichen Intervall (0, b). Wir wissen, dass es eine unendliche Folge von
Eigenwerten λn,b und zugehörigen Eigenfunktionen en,b gibt. Seien ψ, φ wieder wie
oben definiert. Da ψ die Randbedingung bei Null erfüllt, müssen die Eigenfunktionen Vielfache davon sein, also
en,b (x) = rn,b ψ(x, λn,b ).
(3.3.21)
Für jede stetige Funktion f mit kompaktem Träger gilt dann, dass für hinreichend
grosses b,
Z ∞
0
Z b
2
| f (x)| dx = ∑ |rn,b | f (x)ψ(x, λn,b )dx (3.3.22)
| f (x)| dx =
0
0
n=0
Z ∞
2
∞
2
= ∑ |rn,b | f (x)ψ(x, λn,b )dx .
2
Z b
n=0
∞
2
2
0
Nun sei wieder ρb (x) eine Stufenfunktion, die and den Stellen λn,b um den Wert
|bn,b |2 springt. Sei weiter
80
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
g(λ ) ≡
Z ∞
f (x)ψ(x, λ )dx.
(3.3.23)
0
Dann können wir (3.3.22) schreiben als
Z ∞
0
Z ∞
| f (x)|2 dx =
−∞
|g(λ )|2 dρb (λ ).
(3.3.24)
Wenn wir zeigen können, dass ρb gegen eine nichtfallende Funktion ρ konvergiert,
wenn b ↑ ∞, dann erhalten wir die gewünschte Vollständigkeitrelation
Z ∞
0
| f (x)|2 dx =
Z ∞
−∞
|g(λ )|2 dρ(λ ),
(3.3.25)
zunächst für alle Funktionen f mit kompaktem Träger und dann durch ein einfaches
Approxiationsargument für alle Funktionen in L2 . Die Funktion ρ heisst dann die
Spektralfunktion bzw. das Spektralmass von L. Die Funktionen ψ(x, λ ), für λ an
Stellen wo ρ wächst heissen verallgemeinerte Eigenfunktionen von L. Für den Fall,
dass ρ an der Stelle λ einen Sprung hat, ist ψ(x, λ ) eine echte Eigenfunktion von L
und liegt in L2 .
In der Tat gilt folgender Satz.
Theorem 3.18. Sei L im Limespunktfall. Dann gilt folgendes:
(i) Es gibt eine nicht-fallende Funktion ρ auf R so dass
ρ(λ ) − ρ(µ) = lim (ρb (λ ) − ρb (µ)) ,
b↑∞
(3.3.26)
für alle Punkte λ , µ an denen ρ stetig ist.
(ii)Für jedes f ∈ L2 (R+ , dx) gibt es eine Funktions g(λ ) ∈ L2 (R, dρ(x)), so dass
Z ∞ g(λ ) −
lim
a↑∞ −∞ Z a
0
2
f (x)ψ(x, λ )dx dρ(λ ) = 0;
(3.3.27)
2
g(λ )ψ(x, λ )dρ(λ ) dx = 0,
(3.3.28)
(iii)
lim
Z ∞ a,b→∞ 0
f (x) −
Z b
−a
d.h. die Umkehrformel
Z ∞
f (x) =
−∞
g(λ )ψ(x, λ )dρ(λ )
gilt im L2 -Sinn.
(iv)Wenn c∞ (λ ) der Limespunkt ist, so gilt
ρ(λ ) − ρ(µ) = lim
ε↓0
1
π
Z λ
ℑc∞ (ν + iε)dν,
µ
an allen Stetigkeitstellen von ρ. Umgekehrt ist
(3.3.29)
3.3 Singuläre Sturm-Liouville Probleme
c∞ (l) − c∞ (l0 ) =
81
Z ∞
1
λ −l
−∞
−
1
λ − l0
dρ(λ ).
Beweis. Der Beweis dieses Satzes wurde in der Vorlesung nicht mehr behandelt.
Ich gebe hier eine gekürzte Version des Beweises, wie er sich in [4]) findet.
Wir werden zwei Lemmata aus der Analysis benutzen.
Lemma 3.19. Seien hn : R → R eine Familie von nicht-fallenden Funktionen, und
H → R+ eine nichtfallende stetige und nicht-negative Funktion, so dass für alle
y ∈ R,
|h(y)| ≤ H(y).
Dann existiert einen Folge nk ↑ ∞ und eine nicht-fallende Funktion h, so dass
lim hnk (y) = h(y),
k↑∞
für alle y ∈ R.
Lemma 3.20. Sei hn eine Folge nicht-fallender Funktionen, die gleichmässig beschränkt ist und die punktweise gegen eine nicht-fallende Funktion h konvergiert.
Dann gilt für jedes endliche Interval (a, b) und jede stetige Funktion f , dass
Z b
lim
n↑∞ a
Z b
f (y)dhn (y) =
f (y)dh(y).
a
Wir kommen nun zu dem eigentlichen Beweis. Wir fixieren wieder b < ∞, und
wir wählen mb (λ ) auf dem Kreis Cb (λ ). Wir setzten χb = φ + mb (λ )ψ wie früher
beschrieben. Jetzt können wir die Vollsatändigkeitsrelation für diese Funktion benutzen und wir erhalten
2
Z b
Z b
∞
2
2
(3.3.30)
|χb (x)| dx = ∑ |rn,b | ξb (x)ψ(x, λn.b )dx .
0
n=0
0
Andererseit erhalten wir
W (χb , ψ(·, λn,b )∗ )(b) −W (χb , ψ(·, λn,b )∗ )(0) = (λ − λn,b )
Z b
0
χb (x)ψ(x, λn,b )dt.
(3.3.31)
Nur erfüllen aber χb und ψ(·, λn,b ) dieselben Randbedingungen bei b, so dass
W (χb , ψ(·, λn,b )∗ )(b) = 0. Da ausserdem W (χb , ψ(·, λn,b )∗ )(0) = 1, folgt dass
Z b
0
χb (x)ψ(x, λn,b )dt =
1
.
λn,b − λ
Wenn wir dies in (3.3.30) einsetzen und die Definition der Funktion ρb benutzen, so
erhalten wir
Z b
Z ∞
dρb (k)
|χb (x)|2 dx =
.
(3.3.32)
2
0
−∞ |λ − k|
82
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
Nun ist andererseits, für ℑ(λ ) > 0,
Z b
0
so dass
|χb (x)|2 dx =
Z ∞
dρb (k)
2
−∞ |λ − k|
=
ℑ(mb (λ )
,
ℑ(λ )
ℑ(mb (λ )
.
ℑ(λ )
(3.3.33)
Nun sind ja die Kreise Cb alle ineinader enthlaten, und also insbesondere, gibte es
K < ∞, so dass, für alle b > 1, ℑ(mb (i)) ≤ K. Dann haben wir aber, indem wir λ = i
wählen, dass
Z ∞
dρb (k)
≤ K.
(3.3.34)
2
−∞ k + 1
Damit gilt auch, für jedes ν > 0, dass
Z ν
−ν
dρb (k) ≤ k(1 + ν 2 ).
(3.3.35)
WIr bemerken noch, dass in der Definition der Funktion ρb ohne Effekt eine Konstante addiert werden kann. Wir können also ρb (0) = 0 festlegen. Dann ist
|ρb (k)| ≤ K(1 + k2 ),
für alle k ∈ R. Daher können wir wegen Lemma 3.19 Folgen bn und geeignete β =
βn finden, so dass ρbn → ρ, für eine nichtfallende Funktion ρ.
Nun sei f eine zweimal stetig differenzierbare Funktion, die bei 0 verschwindet
und die kompakten Träger hat. Dann gilt zunächst
Z ∞
0
Z ∞ Z ∞
2
|L f (x)| dx =
−∞
0
2
(L f )(x)ψ(x, k)dx dρb (k).
(3.3.36)
Andererseit gilt wegen der Selbstadjungiertheit von L,
Z ∞
Z ∞
(L f )(x)ψ(x, k)dx = k
0
f (x)ψ(x, k)dx = kg(k),
(3.3.37)
0
also
Z ∞
0
|L f (x)|2 dx =
Z ∞
−∞
k2 |g(k)|2 dρb (k).
(3.3.38)
Wir setzen jetzt ∆ = R \ (−µ, µ). Dann erhalten wir aus den beiden vorherigen
Gleichungen
Z
Z ∞
|g(k)|2 dρb (k) ≤ µ −2
|L f (x)|2 dx.
0
∆
Da nun aber
Z ∞
0
| f (x)|2 dx =
Z µ
−µ
|g(k)|2 dρb (k) +
Z
∆
|g(k)|2 dρb (k)
3.3 Singuläre Sturm-Liouville Probleme
83
haben wir
Z ∞
Z ∞
Z µ
−2
2
2
≤
µ
|L f (x)|2 dx.
|
f
(x)|
dx
−
|g(k)|
dρ
(k)
b
0
0
−µ
(3.3.39)
Wenn wir nun b längs der Folge bn nach unendlich schicken, und das Lemma 3.20
verwenden, folgt
Z ∞
Z ∞
Z µ
2
2
≤ µ −2
|L f (x)|2 dx.
(3.3.40)
|
f
(x)|
dx
−
|g(k)|
dρ(k)
−µ
0
0
Schliesslich schicken wir auch µ nach unendlich und erhalten die Parsevalgleichung
Z ∞
0
| f (x)|2 dx =
Z ∞
−∞
|g(k)|2 dρ(k).
(3.3.41)
Eine Verallgemeinerung dieser Gleichung auf beliebige L2 Funktionen f folgt wegen der Dichtheit der betrachteten Funktionen.
Der Beweis der L2 -Konvergenz ist weitgehend eine Konsequenz der ParsevalGleichung. Wir lassen ∆ = (µ, λ ] ⊂ R ein endliches Interval sein und setzten
Z
f∆ (x)
g(λ )ψ(x, λ )dρ(λ ).
∆
Aus der Parseval-Identität folgt für beliebige L2 Funktionen f1 , f2 , dass
Z ∞
0
f 1(x) f2 (x)∗ dx =
Z
g1 (k)g2 (k)∗ dρ(k).
R
Dies benutzt lediglich, dass
4 f1 f2∗ = | f1 + f2 |2 − | f1 − f2 |2 + i| f1 + i f2 |2 − i| f 1 − i f2 |2 ,
und die Parseval identität für die vier auftretenden Funktionen. Sei nun h ∈ L2 mit
Träger auf (0, a), und sei ĥ ihre verallg. Fouriertransformierte. Dann haben wir
Z a
Z aZ
f∆ (x)h(x)dx =
0
0
Z
=
D
g(k)Ψ (x, k)dρ(k)h(x)∗ dx
(3.3.42)
∆
g(k)ĥ(k)∗ dρ(k).
Daher gilt
Z ∞
0
( f (x) − f∆ (x))h(x)∗ dx =
Z
∆c
g(k)ĥ(k)∗ dρ(k).
(3.3.43)
Damit erhalten wir unter Verwendung der Cauchy-Schwartz Ungleichung
Z ∞
2 Z
Z
Z ∞
Z
2
2
2
2
( f (x) − f∆ (x))h(x)2 dx ≤
|g(k)|
dρ(k)
|
ĥ(k)|
dρ(k)
≤
|g(k)|
dρ(k)
|h(x)|
(3.3.44)
dx.
0
0
∆c
R
∆c
84
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
Wenn wir jetzt h(x) = ( f (x) − f∆ (x))1Ix≤a wählen, so erhalten wir
Z a
0
2
| f (x) − f∆ (x)| dx ≤
Z
Dc
|g(k)|2 dρ(k).
(3.3.45)
Da die Schranke nicht von a abhängt, gilt sie auch im Limes a ↑ ∞. Ferner geht
die rechte Seite geht nach Null, wenn µ, λ nach (−∞, ∞) gehen. Damit haben wir
(3.3.28) bewiesen.
Die Gleichung (3.3.29) und (3.3.47) folgen im wesentlichen aus der Relation
3.3.33, und implizieren dann die Eindeutigkeit der Grenzfunktion ρ.
Die obigen Resultate verallgemeinern in der Tat die Theorie der Fouriertransformation. Jeder Sturm-Liouville Operator im Limespunktfall liefert uns die Möglichkeit
Funktionen durch (verallgemeinerte) Eigenfunktionen dieses Operators darzustellen. Insbesondere erhalten wir die eine Darstellung für die Green’schen Funktion:
Wenn wir eine Lösung der Gleichung
L f (x) − λ f (x) = u(x)
mit Randbedingungen in Null wie oben suchen, dann ist diese durch
1
φ (k, x)
k
−
λ
−∞
Z ∞
f (x) =
Z ∞
u(y)ψ(y, k)dydρ(k)
0
gegeben. Formal is damit die Green’sche Funktion
G(x, y; λ ) =
Z ∞
φ (x, k)φ (y, k)
−∞
k−λ
dρ(k).
Wir wollen noch zeigen, dass die Green’sche Funktion eine beschränkte
Abbldung
R
von L2 nach L2 ist, falls λ nicht im Spektrum von L liegt. Sei û(k) = u(x)ψ(x, k)dx.
Dann haben wir zum einen die Darstellung der Lösung als
Z ∞
f (x) =
0
Z ∞
Gλ (x, y)u(y)dy =
−∞
1
û(k)ψ(x, k)dρ(k).
k−λ
Nun wissen wir aus der Vollständigkeitsrelation (Parseval-Gleichung), dass
1
|û(k)|2 dρ(k)
|k − λ |2
1
1
kûk22,ρ = inf
kuk22 ,
≤ inf
2
k∈R |k − λ |
k∈R |k − λ |2
k f k22 =
Z ∞
−∞
(3.3.46)
was endlich ist sofern λ nicht auf der reellen Achse ist (mit etas mehr Sorfalt kann
der Abstand vom der reellen Achse durch den Abstand von der Menge der Punkte in
R, bei denen ρ wächst ersetzt werden). Wir sehen also, dass wie im regulären Fall,
λ genau dann nicht um Spektrum von L liegt, wenn die Gleichung (L−λ ) f = u eine
eindeutige quadratintegrable Lösung besitzt, die die Randbedingung in 0 erfüllt.
3.3 Singuläre Sturm-Liouville Probleme
85
3.3.4 Diskretes und kontinuierliches Spektrum
Die Eigenschaften der Funktion ρ bestimmen unterschiedliche Typen des Spektrums eines Operators L. Das Spektrum ist zunächst einmal die Menge der Punkte
in R an denen ρ nicht konstant ist:
σ (L) = {λ ∈ R : ∀l>λ ρ(l) > ρ(λ )} .
(3.3.47)
Da ρ eine wachsende Funktion ist, kann es ausser Sprüngen keine Unstetigkeiten.
Die Menge der Punkte λ an denen ρ springt nennt man das Punktspektrum oder das
diskrete Spektrum von L. Zu diesen Werten gehören echte Eigenfunktionen. Den
verbleibenden Teil des Spektrums nennt man das kontinuierliche Spektrum von L.
Eine wichtige Frage ist es zu verstehen, wann man mit diskretem Spektrum rechnen kann. Wir haben schon gesehen, dass etwa der quantenmechanische harmonische Oszillator diskretes Spektrum hat. Die Frage ist im allgemeinen nicht immer
einfach zu beantworten.
Der folgende Satz gibt ein einfaches Kriterium:
2
d
Theorem 3.21. Sei L = − dx
2 + V (x) auf R+ . Wenn V (x) ↑ +∞ wenn x ↑ ∞, dann
hat L rein diskretes Spektrum mit Eigenwerten −∞ < λ0 < λ1 < λ2 < . . . . Die zugehörigen Eigenfunktionen en (x) = ψ(x, λn ) haben genau n Nullstellen in (0, ∞) und
bilden eine vollständige Orthonormalbasis von L2 .
Beweis. Der Beweis benutzt im Wesentlichen den Sturm’schen Oszillationssatz.
Dieser liefert zunächst folgende Hilfsaussage:
Lemma 3.22. Sei f Lösung von − f 00 (x) + q(x) f (x) = 0 auf [b, ∞) und es sei q(x) ≥
1. Dann haben sowohl f als auch f 0 höchstens eine Nullstelle in [b, ∞).
Beweis. Wir benutzen zunächst den Satz 3.7, der besagt, dass zwischen zwei Nullstellen von f eine Nullstelle der Lösung der Gleichung
−u00 (x) + u(x) = 0
liegen muss. Nun ist aber die allgemeine Lösung dieser Gleichung
u(x) = ce−x + dex .
Falls f zwei Nullstellen hätte, so müsste jede Funktion u ebenfalls eine Nullstelle
haben, was aber nicht wahr ist. Also hat f nur eine Nullstelle. Weiter gilt f 00 (x) >
f (x), wenn f (x) > 0, und f 00 (x) < f (x), wenn f (x) negativ ist. Falls also einmal f
und f 0 gleiches Vorzeichen haben, so bleibt dies so für immer und f 0 wird nie mehr
eine Nullstelle haben.
Wenn f negativ ist und wächst und f 0 verschwindet, bevor f eine Nullstelle hat,
dann wird f 0 nach dieser Nullstelle nie wieder positiv und insbesodere gibt es keine
zweite Nullstelle von f 0 . Falls f eine Nullstelle vor f 0 hat, dann wird f 0 danach nur
noch wachsen und hat keine Nullstelle. Entsprechendes gilt wenn f positiv ist und
fällt.
86
3 Sturm-Liouville Eigenwertprobleme
Korollar 3.23. Unter den Annahmen des Satzes gibt es für jedes λ ein xλ , so dass
für x > xλ , V (x) − λ > 1. Daher hat Ψ (·, λ ) höchstens eine Nullstelle x > xλ . Insbesondere hat ψ(x, λ ) nur endlich viele Nullstellen. Dasselbe gilt für ψ 0 (x, λ ). Weiter
folgt, dass für x → ∞, entweder f und f 0 beide gegen +∞, beide gegen −∞ oder
beide gegen 0 streben.
Wie im regulären Fall gibt es einen kleinsten Wert λ0 so dass ψ(x, λ ) überhaupt
eine Nullstelle hat. Weiter nimmt die Zahl der Nullstellen mit λ zu, und es folgt, dass
es eine diskrete Folge von Zahlen λ0 < λ1 < λ2 < . . . gibts, so dass ψ(x, λ ) gerade n
Nullstellen für λ < λn und n + 1 Nullstellen für λ > λn hat. Nun wissen wir, dass die
n-ten Eigenfunktionen des Randwertproblems auf (0, b) gerade n Nullstellen haben,
und die Spektralfunktionen ρb (λ ) gerade an diesen Eigenwerten λn einen Sprung
haben. Es folgt daraus, dass λn,b > λn ist. Andererseits ist für hinreichend grosses b,
λn,b < λn + ε, für jedes ε > 0, da ja ψ(x, λn + ε) n + 1 Nullstellen hat. Damit müssen
die Sprünge von ρb gerade gegen die Punkte λn konvergieren, während sonst der
Grenzwert konstant ist.
Bleibt die quadratische Integrierbarkeit von Ψ (x, λn ) zu zeigen. Wenn diese
Funktion bei unendlich divergieren würde, dann könnte sich die Zahl ihrer Nullstellen nicht bei einer beliebig kleinen Vergrösserung von λ um eins vergrössern.
Daher muss ψ(x, λn ) und ihre Ableitung nach Null konvergieren. Daher folgt, dass
(für c gross genug)
Z
∞
c
und somit, da ψ(x, λn ) =
Z ∞
c
ψ 00 (x,λn )
V (x)−λn ,
|ψ 00 (x, λn )|dx < ∞,
auch
|ψ(x, λn )|2 dx ≤
Z ∞
c
|ψ(x, λn )|dx < ∞.
Da die Integrale von 0 bis c nur endlich sein können, folgt die Behauptung.
Literaturverzeichnis
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introduction to the theory of analytic functions of one complex variable, International Series in
Pure and Applied Mathematics.
2. Anton Bovier. Mathematik für Physiker II. Universität Bonn, 2011.
3. Henri Cartan. Elementare Theorie der analytischen Funktionen einer oder mehrerer komplexen
Veränderlichen. Übersetzt aus dem französischen von Volkmar Lindenau. B. I. Hochschultaschenbücher, Band 112/112a. Bibliographisches Institut, Mannheim, 1966.
4. Earl A. Coddington and Norman Levinson. Theory of ordinary differential equations. McGrawHill Book Company, Inc., New York-Toronto-London, 1955.
5. Reinhold Remmert. Funktionentheorie. I, volume 5 of Grundwissen Mathematik [Basic Knowledge in Mathematics]. Springer-Verlag, Berlin, 1984.
87
Sachverzeichnis
absolute Konvergenz, 5
analytisch, 11
Andernfalls betrachten wir den Operator L + λ
für hinreichend grosses λ ., 68
Argumentenprinzip, 40
Basis, 67
Cauchy
Satz von, 20
Cauchy’sche Integralformel, 24
Cauchy-Riemann Gleichungen, 11, 17, 20
Differentialform, 19
Differenzierbarkeit, 11
Dirichletproblem, 44
Eigenfunktion, 62
Eigenfunktionen
verallgemeinerte, 74
Eigenwert, 62
essentielle Singularität, 32
exakte Differentialform, 21
Exponentialfunktion, 14
Funktion
analytische, 11
differenzierbare, 11
geometrische Reihe, 7
geschlossene Differentialformen, 20
Green’sche Funktion, 69, 78
hebbare Singularität, 26
Hilbertaum, 61
Hilbertraum, 67
holomorph, 11
Index, 25
isolierte SIngularität, 31
Joukowski Funktion, 48
komplexe Ebene, 3
komplexe Konjugations, 3
komplexe Zahlen, 2
komplexes Integral, 19
konforme Abbildung, 15
Konvergenz, 5
gleichmässige, 7
Konvergenzradius, 8
Kurvenintegrale, 19
Laplacetransformierte, 39
Laurentreihe, 56
Logarithmus, 15
Möbiustransformation, 52
Möbiustransformationen, 17
Maximumsprinzip
für analytische Funktionen, 43
für harmonische Funktionen, 43
meromorph, 31
Mittelwerteigenschaft, 43
Norm, 3, 70
Poisson’sch Integralformel, 45
Poissonkern, 45
Pol, 31
Potenzreihe, 5
formale, 5
Punktspektrum, 72, 84
Quotientenkriterium, 9
89
90
Residuensatz, 33
Residuum, 33, 39
Resolvente, 72
Resolventenmenge, 72
Riemann’scher Abbildungssatz, 49
Satz von Cauchy, 20
selbstadjungiert, 61
Singularität
essentielle, 32
hebbare, 26
isolierte, 31
Skalarprodukt, 61
Spektralfunktion, 80
Spektralmass, 80
Sachverzeichnis
Spektralsatz, 72
Spektrum, 72, 74, 84
diskretes, 72, 84
kontinuierliches, 74, 84
stetig, 10
gleichmässig, 10
Variationsprinip, 71
Vollständigkeit, 67
Windungszahl, 25
winkeltreu, 15
Wronski-Determinante, 64
Wurzelkriterium
Cauchy’sches, 9
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