TIER Landwirtschaftliches Wochenblatt EIN FALL FÜR DEN TIERARZT? „Husten, Schnupfen, Heiserkeit“ Während der kalten und feuchten Jahreszeit erkälten sich nicht nur Menschen, sondern auch Pferde. I n den vergangenen Jahren hat die Zahl der Pferde, die an Atemwegserkrankungen leiden oder sogar allergische Komponenten entwickeln, eklatant zugenommen. Über die Ursachen gibt es nur Vermutungen: Zunehmende Empfindlichkeit aufgrund von Umweltphänomenen und genetische Disposition werden vor allem genannt. Zudem kann auch ein Pferd einmal eine „Erkältung“ bekommen. Denn wie beim Menschen sind bei Pferden vor allem im Winter Influenzaviren unterwegs, die zusammen mit anderen Erregern oder alleine zu Atemwegsinfektionen führen können. Als Pferdebesitzer stellt man sich schnell die Frage, was an Husten „normal“ ist und ab wann man anfangen sollte, sich Sorgen zu machen. Bei einer klinischen Untersuchung der Lunge gehört das Abhören mit einem Stethoskop dazu. Ein typisches Alarmzeichen Grundsätzlich gilt: Es ist für kein gesundes Pferd normal, zu husten. Die Körper die Schleimhäute Reizschwelle für Husten liegt beim feucht hält. Ist der NasenPferd deutlich höher als bei anderen ausfluss aber dickflüssig, Tierarten, sodass Husten immer ein zäh und weiß-gräulich, so ist Fall für Diagnostik und Therapie dies ein Anzeichen für eine durch den Tierarzt ist. Husten bevermehrte Bildung von Sedeutet immer eine Störung im Bekret in den Atemwegen, das reich der Atemwege, entweder der aufgrund seiner Konsistenz oberen (Nüstern, Nasengänge, Kehlnicht ohne Weiteres vom kopf) oder der unteren (Luftröhre, Körper abtransportiert werBronchien, Lunge). den kann. In diesem Fall Auch ein Pferd kann sich einmal sollte der Tierarzt geholt verschlucken oder aufgrund einer Zähflüssiges, weiß-graues werden, der dann entscheianderen banalen Ursache einmalig Sekret ist ein Hinweis auf den kann, mit welchen Präkurz husten. Hustet das Pferd aber eine Atemwegserkrankung. paraten das Pferd am sinnmehr als einmal beim Reiten, in der Fotos: Dr. N. Beusker, A. Beusker vollsten behandelt wird. Box, auf der Stallgasse oder auf der Zeigt der Nasenausfluss soWeide, so ist das ein Fall für den gar eine gelbliche oder gelbTierarzt. Denn eine nicht rechtzeitig und ausrei- grüne Farbe, so liegt eine bakterielle Infektion chend behandelte Atemwegsinfektion kann sich vor, und das Pferd gehört umgehend in tierärztunter Umständen schnell in ein chronisches liche Behandlung. Hat das Pferd zusätzlich FieAtemwegsproblem verwandeln, und das ist kein ber, so ist sofort der Tierarzt zu holen. Zu beachSpaß, weder für das Pferd noch für den Besitzer. ten ist, dass einseitiger stinkender NasenausDer Pferdebesitzer sollte dem Tierarzt möglichst fluss auch ein Hinweis auf eine Zahnproblematik erklären können, wann das Pferd hustet, zum sein kann. Beispiel in der Box, beim Fressen, beim ersten Einige Pferde, die ein Atemwegsproblem haben, Antraben oder immer wieder während des Rei- zeigen weder Husten noch Nasenausfluss, sontens. Dieser wird das Pferd dann abhören – even- dern fallen durch vermehrt geblähte Nüstern, tuell auch nach Belastung oder nach CO2-Rück- eine erhöhte Atemfrequenz, Kurzatmigkeit und atmung aus einer Plastiktüte – , dann die Lunge Leistungseinbußen auf. In diesem Fall ist der „abklopfen“ (Perkussion) und entscheiden, wel- Tierarzt hinzuzuziehen, denn das Pferd kann che Therapie und möglicherweise welche weiter- möglicherweise unter einer Einengung der Atemführenden Untersuchungen, wie eine Endosko- wege, zum Beispiel durch geschwollene Schleimpie der Atemwege, eine Analyse der Blutgase häute oder fest sitzendes Sekret, leiden. oder eine Probenahme des Sekrets mit Bakteri- Ein Alarmzeichen erster Güte ist das Nasenbluenanzucht, nötig und sinnvoll sind. ten beim Pferd. Ganz seltenes Nasenbluten in Ein weiteres Anzeichen einer Atemwegsinfekti- ganz geringem Umfang kann auftreten, wenn on beim Pferd kann Nasenausfluss sein. Ist die- ein kleines Äderchen in der Nasenschleimhaut ser nur in geringen Mengen vorhanden, flüssig geplatzt ist. Tritt das Nasenbluten häufiger auf und klar, so ist das ähnlich, wie wenn uns Men- und/oder regelmäßig nach Belastung, so gehört schen an kalten Tagen die Nase läuft, weil der das Pferd in tierärztliche Hände. Denn dieses 48 7 / 2009 Nasenbluten ist meist ein Zeichen einer Lungenblutung, die entsteht, wenn die Lunge die geforderte Leistung nicht erbringen kann und gewissermaßen überdehnt wird. Vorbeugend kann viel getan werden Im ungünstigsten Fall und manchmal bedingt durch eine nicht rechtzeitige, nicht ausreichende und nicht ausreichend lange durchgeführte medikamentöse Behandlung kann sich eine vormals „simple” Atemwegsinfektion zu einer chronischen Erkrankung ausweiten. Das als COB (chronisch obstruktive Bronchitis) bekannte Phänomen ähnelt dem menschlichen Asthma und bewirkt eine Überempfindlichkeit der Pferdelunge gegen Umweltreize, wie Staub, Milben und Schimmelpilze. Die Lunge reagiert mit einem Zusammenziehen der Bronchien, einer Schwellung der Schleimhäute und/oder vermehrter Sekretbildung, was die Atmung des Pferdes beeinträchtigt. Chronisch lungenempfindliche Pferde stellen hohe Ansprüche an das Management, und der erste und wichtigste Schritt ist hier das Herstellen optimaler Haltungsbedingungen. Diese Pferde brauchen viel frische Luft, eine staub- und vor allem schimmelpilzfreie Einstreu (kein Stroh) und Futter (nasses Heu oder Silage und eventuell angefeuchtetes Kraftfutter) und regelmäßige angepasste Bewegung. Diese Maßnahmen kann man auch für den Zeitraum einer „Hustenbehandlung“ zur Unterstützung des Heilungserfolgs durchführen. Manchen chronisch lungenkranken Pferden kann zudem mit bestimmten Futterzusatzpräparaten geholfen werden, die die Lungenfunktion unterstützen. Prophylaktisch kann man mehrere Dinge tun. Abgesehen von Futter und Einstreu guter Qualität, viel frischer Luft, regelmäßiger Impfung gegen Influenza- und Herpesviren und ausreichender Bewegung sollte ein Pferd vor allem nicht nass geschwitzt ohne Abschwitzdecke in der Kälte stehen. Hustet das Pferd mehr als einmalig, so sollte ein Tierarzt geholt werden. Hört man andere Pferde im Stall husten oder findet offensichtlich ausgehustete Schleimbrocken vor einer Box, so sollte dem entsprechenden Pferdebesitzer Bescheid gesagt werden. Und wer einmal versuchen möchte, die Atemfrequenz seines Pferdes zu zählen, der stellt sich mit einer Uhr schräg hinter sein Pferd und zählt die Atembewegung des Bauches über 15 Sekunden. Multipliziert mit vier ergibt das die Atemfrequenz pro Minute (Normalfrequenz in Ruhe: 8 bis 16 Atemzüge pro Minute). Manchmal muss man vorsichtig eine Hand auf die Flanke des Pferdes legen, um die Ein- und Ausatmung erkennen zu können. ■ Mit dieser Folge endet unsere Tierarztserie. Unsere Autorin: Dr. Nicole Beusker, Tierärztin und Chiropraktikerin für Pferde