· TECHNIK Alk ydharze Erst frittieren, dann lackieren Gebrauchte Frittierfette und -öle als Syntheserohstoff für Lacke und Polymere Pascal Senter*, Tobias Wingensiefen Gebrauchte Frittierfette und -öle aus der Gastronomie lassen sich zu Alkydharzen umsetzen und als Lackrohstoff verwenden. Eingehende Einsatzprüfungen in einer Lackformulierung ergaben kaum Qualitätsunterschiede zu Referenzlacken. I 20 n Deutschland wurden im Jahr 2008 insgesamt 46.300 Tonnen gebrauchter Frittierfette und -öle vernichtet. [1] Ein noch viel größerer Teil wird jedes Jahr als Automobilkraftstoff oder für die Energiegewinnung in Blockheizkraftwerken verwendet. Ein nachhaltiger Nutzen wird nicht erzielt. Statt diese Stoffe einfach zu verfeuern oder gar zu vernichten, könnten sie wesentlich sinnvoller genutzt werden. Fette und Öle, die zum Frittieren verwendet werden sowie Triester aus Fettsäuren und Glycerin können wichtige Rohstoffkomponenten für Alkydharze sein. Fettsäuren verleihen Alkydharzlacken einen zusätzlichen Glanz, eine höhere Wasserbeständigkeit sowie ein „speckigeres“ Erscheinungsbild. Die in der Gastronomie in hohen Mengen anfallenden gebrauchten Frittierfette und -öle könnten daher eine interessante Rohstoffquelle sein. Allerdings enthalten sie zahlreiche Produkte aus Nebenreaktionen im Frittiermedium und sind durch das Frittiergut verunreinigt. So stellte sich die Frage, ob gereinigte Recyclingprodukte sich als Rohstoff für Lacke und Polymere eignen. Es wurden gebrauchte Frittierfette aus verschiedenen Gastronomiebetrieben untersucht. Dabei handelte es sich um Rapsöl * Korrespondierender Autor. Kontakt: Pascal Senter Valspar Industries GmbH +49 (0) 178 21 75 478 [email protected] 2 • 2012 und Palmkernfett sowie weitere unbekannte Arten von Frittierfetten und -ölen. Die Proben waren durchschnittlich eine Woche bei 170 °C zum Frittieren verwendet worden. Bei den Untersuchungen wurden sie frischen Proben derselben Fette und Öle gegenübergestellt. Im Vergleich zu den unbenutzen Proben zeigten die gebrauchten Fette und Öle eine deutliche durch den Frittiervorgang hervorgerufene Verfärbung (Abb. 1) sowie einen leichten Abfall der Iodzahl (Tab. 1). Eine wesentliche Änderung der Zusammensetzung in Form einer Fettspaltung konnte dagegen nicht nachgewiesen werden. Der Aggregatzustand der Öle wechselte nach dem Frittieren von flüssig zu flüssig/fest, sodass diese Öle vor der Filtrierung erwärmt und homogenisiert werden mussten. Die Applikation der belasteten Fette mit einem 140 µm-Spaltrakel zeigte starke Oberflächenstörungen, dagegen war die Oberfläche der unbelasteten Fette und Öle einwandfrei. Die Filme konnten aufgrund des geringen Anteils an konjugierten C=C-Doppelbindungen allerdings nicht trocknen. Alkydharze aus Frittierfett Erster Schritt bei der Aufbereitung der gebrauchten Fette und Öle war eine einfache Filtration über einen 80 µm-Filter. Im Filterbeutel zeigten sich starke Verunreinigungen durch das Frittiergut in Form von Paniermehlresten und verkohlten Pommes Frites (Abb. 2). Um aus Frittierfett ein brauchbares Alkydharz herzustellen, bieten sich verschiedene Verfahren an. So können die Fette verseift und in ihre Ausgangsstoffe Fettsäure und Glycerin gespalten werden. Tab. 1: Kennzahlen und Belastung der Fette/Öle Altes Fett im Test FARBE UND LACK Abb. 1: Gebrauchtes Frittieröl (links) zeigt im Vergleich zum frischen Produkt eine deutlich dunklere Färbung 118. Jahrgang Fett/-öl Frittierzeit Säurezahl (mg KOH/1g Fett) Iodzahl (g/100g Harz) Rapsöl / 0,1 79,7 Rapsöl 7 Tage bei ca. 170°C 2,1 68,6 Palmkernfett / 0,3 51,2 Palmkernfett 7 Tage bei ca. 170°C 3,7 40,2 Unbekanntes Fett/Öl 7 Tage bei ca. 180°C 2,5 58,4 www.farbeundlack.de Lacktechnikwissen komplett Wir bieten die gesamte Wertschöpfungskette einer Beschichtung in fünf Modulen Lacktechnologie von den naturwissenschaftlichen Grundkenntnissen über Rohstoffe, Lackformulierung bis zur Applikation, Filmbildung bis zur Charakterisierung PraxisWorkshops zum intensiven Austausch mit Referenten und Fachkollegen. Sie können jedes Modul einzeln buchen – Sie sparen 25%, wenn Sie alle fünf Module besuchen. Modul 3 Der Lackfilm – Wissen wie’s funktioniert 06. – 08. Februar 2012 Modul 4 Lackieren – aber richtig! 05.– 08. März 2012 Modul 5 Lackcharakter – prüfen, messen, bewerten 16. – 18. April 2012 Modul 1 Das Bindemittel – Rückgrat eines Lacksystems 06. - 09. November 2012 Modul 2 Der Lack – Rohstoffe, Rezeptierung, Herstellung 03. – 06. Dezember 2012 Die genauen Lehrgangsinhalte und weitere Informationen finden Sie hier: www.farbeundlack.de/veranstaltungen Vincentz Network Plathnerstr. 4c 30175 Hannover Ellen Wengerek T +49 511 9910-275 fragen Sie uns auch nach PLANETENMISCHERN, AUSPRESSVORRICHTUNGEN und RÜHRWERKEN Seminare PENDRAULIK Labordissolver mechanisch DISPERLUX Labordissolver PENDRAULIK Wandhubdissolver DISPERLUX Kompakte Dissolver DISPERLUX Hubsäulendissolver PENDRAULIK GmbH Philipp-Reis-Straße 36 * 31832 Springe Tel.: +49 5041 946 00-0 Fax: +49 5041 946 00-99 www.pendraulik.de * [email protected] TECHNIK · Alk ydharze Ergebnisse auf einen Blick säure anschließend zugegeben. Danach wird wieder auf die Reaktionstemperatur von 240 bis 260 °C erhitzt. Da sich die Säure im Laufe der Reaktion verbraucht, fällt auch die Säurezahl. Die Reaktion kann daher über eine Bestimmung der Säurezahl und des Viskositätsanstiegs verfolgt und gesteuert werden. Das bei der Veresterung entstehende Wasser wird abdestilliert und so das Gleichgewicht zum Ester hin verschoben. Sobald eine Säurezahl von weniger als 12 mg KOH pro g Festsubstanz erreicht ist, wird die Reaktion durch Kühlen auf Raumtemperatur abgebrochen. Während oder nach dem Abkühlen kann das entstandene Alkydharz mit einem geeigneten Lösemittel auf den gewünschten Festkörper und die gewünschte Viskosität eingestellt werden. Während der Reaktion zeigten sich zwischen ungebrauchten und gebrauchten Fetten bzw. Ölen keine Unterschiede. Die erhaltenen Alkydharze wiesen eine durchschnittliche OH-Zahl von 104 mg KOH pro g sowie einen Öl-Gehalt von ca. 42 % auf und wurden mit Xylol auf 60 % Festkörper eingestellt (Tab. 2). Die dunklere Farbe der belasteten Fette und Öle blieb auch im Harz erhalten und erzeugte leicht dunkle Filmbildner. Eine 70:30 Abmischung mit einem Standard-Melaminharz, 8 min bei 140 °C • In der Gastronomie verwendete Frittierfette und -öle sind Triglyceride und damit ökologisch und ökonomisch interessante Rohstoffkomponenten für Alkydharzlacke. • Belastete Fette lassen sich durch Filtern ausreichend reinigen. • In einem zweistufigen Umesterungsverfahren können sie zu Alkydharzen umgesetzt werden. • In einen Testlack eingearbeitet zeigten sie kaum Qualitätsunterschiede gegenüber Lacken auf Basis frischer Fette und Öle. 22 Diese Methode ist technisch hochwertiger, aber sehr energieintensiv. Eine deutlich einfachere und wirtschaftlichere Variante ist das Umesterungsverfahren. Im ersten Schritt wird zunächt 1 Mol des Fettes bzw. Öls (Triglycerid) mit 2 Mol Glycerin umgesetzt und auf diese Weise 3 Mol Monoglycerid gewonnen. Die Umesterungsreaktion erfolgt bei Temperaturen zwischen 240 und 260 °C und kann durch basische Katalysatoren wie Bleiglätte, Bleiacetat oder Natriumhydroxid beschleunigt werden. Um unerwünschte Einflüsse des Luftsauerstoffes auszuschließen, findet die Reaktion unter Inertgasatmosphäre statt. Der Ablauf der Umesterungsreaktion lässt sich anhand einer Prüfung der Verdünnbarkeit und Verträglichkeit des Reaktionsgemisches mit Methanol überwachen: Während die Polyol-Triglycerid-Mischung nur schlecht mit Alkohol verdünnbar ist, nimmt die Methanoltoleranz mit sinkendem Gehalt an Triglycerid zu [2]. Nach ungefähr 2,5 Stunden und erfolgreicher Methanolverdünnbarkeit ist die Reaktion zum Monoglycerid abgeschlossen. Im zweiten Schritt werden die Monoglyceride mit Polycarbonsäuren (z.B. Phthalsäureanhydrid) unter Polykondensation umgesetzt. Dazu wird das Monoestergemisch auf 20 °C unter dem Siedepunkt der jeweils gewählten Carbonsäure gebracht und diese Carbon- Abb. 2: Filterbeutel mit Rückständen aus gebrauchtem Frittieröl gehärtet, ergab bei allen Alkydharzen oberflächenstörungsfreie Polymerfilme mit einer Xylolresistenz von 200 Doppelhüben. Ein Oberflächendefekt, wie er zu Beginn bei den gebrauchten Ölen und Fetten sichtbar war, wurde nicht auf die Harze übertragen. Einsatz als Bindemittel Die erhaltenen Mittelölalkydharze aus gebrauchten bzw. ungebrauchten Fetten wurden in ein Einbrenn-Industrielacksystem mit 1 % Zinkoxid für den leichten Korrosionsschutz eingearbeitet und mit Melaminharz co-vernetzt. Als Referenz diente Tab.2: Kennzahlen der Alkydharze Alkydharz aus Fett/Öl Frittierzeit ReaktionsSäurezahl Iodzahl zeit (mg KOH/1g Harz) (g/100g Harz) Alkydharz aus Rapsöl / Ca. 8h 10,7 30,3 Alkydharz aus Rapsöl 7 Tage bei ca. 170°C Ca. 8h 10,5 25,1 Alkydharz aus Palmkernfett / Ca. 12h 5,50 20,2 Alkydharz aus Palmkernfett 7 Tage bei ca. 170°C Ca. 8h 13,8 15,1 Alkydharz aus Unbekannter Probe 7 Tage bei ca. 180°C Ca. 11h 6,00 22,4 Tab. 3: Leistungsfähigkeit der Lacke Test Dauer Industrielack aus Alkydharz (Standard) Industrielack aus Rapsöl (gebraucht) Industrielack aus Rapsöl (ungebraucht) Pendelhärte nach König / 115 104 101 Haftung / GT1 GT1 GT1 Salzsprühtest (w NaCl = 5%) 240h 0,5 mm Unterwanderung 3 mm Unterwanderung Kein Erweichen oder Blasenbildung 4 mm Unterwanderung Kein Erweichen oder Blasenbildung Lagerung in Dieselkraftstoff 168h i.O. Kein Erweichen oder Blasenbildung i.O. Kein Erweichen oder Blasenbildung i.O. Kein Erweichen oder Blasenbildung Lagerung in Öl 10W-30 168h i.O.Kein Erweichen oder Blasenbildung i.O.Kein Erweichen oder Blasenbildung i.O.Kein Erweichen oder Blasenbildung FARBE UND LACK 2 • 2012 118. Jahrgang www.farbeundlack.de TECHNIK ein handelsübliches Standardalkydharz. Auch bei diesen Versuchen waren keine Oberflächenstörungen in Form von Kratern oder Benetzungsstörungen zu erkennen. Die Beschichtungsstoffe wurden auf einen Festkörper von ca. 68 % eingestellt und sind somit in der Kategorie High-Solid-Lacke einzuordnen. Die Viskosität der Lacke auf Basis der gebrauchten Frittierfette zeigte sich in den Tests geringfügig höher als die ihrer unbelasteten Gegenstücke, sie waren aber immer noch pump- und verarbeitungsfähig. Die Lacke wurden auf eine Auslaufzeit von 30“ DIN 4 Auslaufbecher eingestellt und anschließend mit einer Trockenlackschichtdicke von 80 µm pneumatisch appliziert. Als Prüfuntergrund dienten kaltgewalzte Stahlbleche. Weder die synthetisierten Harze noch die Lacke zeigten Änderungen ihres Eigenschaftsprofils nach einer Lagerung von drei Wochen bei 50 °C. Kaum Qualitätsunterschiede Die Testlacke (Abb. 3) auf Basis der gebrauchten und ungebrauchten Fette und Öle sowie des Referenz-Harzes wurden verschiedenen typischen Tests unterzogen. Dabei zeigten sich keinerlei signifikante Unterschiede in der Qualität der Lacke (Tab. 3). Lediglich die dunkle Eigenfärbung der gebrauchten Fette zieht sich durch alle Prozessschritte bis hin zum Lack und limitiert so die Herstellung weißer Farbtöne. Das Einsatzgebiet für derartige „Recyclinglacke“ könnte von reinen Dekor-Einbrennlacken, etwa für Feuerlöscher und Baggerschaufeln, bis zu 2-Komponenten isocynatvernetzenen Polyurethanlacken reichen. Auch ein Einsatz in Alkydharzklebern in Form von Teppichklebstoffen scheint realisierbar. Zudem spricht nichts gegen eine Verwendung für wässrige fettsäuremodifierzte Bindemittel. Abb. 3: Kaum Qualitätsunterschiede: Applizierte Lacke auf Basis von Alkydharzen aus gebrauchten und ungebrauchten Frittierölen sowie einer Referenz Ökologie und Ökonomie Nicht nur der ökologische Aspekt spielt bei „Recycling-Lacken“ eine ausschlaggebende Rolle, sondern auch der ökonomische, denn der Rohstoffbeschaffungspreis ist bei gebrauchten Fritterfetten und -ölen deutlich geringer als bei handelsüblichen Ölen. Eine Betrachtung der Kosten für Beschaffung, Prüfung und Aufarbeitung lässt auf eine Ersparnis bis zu 50 % schließen. Im Zuge knapper Rohstoffe bleibt die Hoffnung bzw. die Möglichkeit, alterna- Danksagung Die Autoren bedanken sich bei den Mitarbeitern der Firma Atcoat GmbH. Ein besonderer Dank gilt Dr. Monika Schneider. tive Rohstoffquellen zu nutzen (welche gebrauchte Fette und Öle auch darstellen). Eine Verwendung von gebrauchten Fetten und Ölen als Polymerrohstoff kann der Verteuerung von Lebensmitteln entgegenwirken, da dieser Rohstoff für die Lebensmittelindustrie und gleichzeitig für die Polymerindustrie verwendet werden kann. Aus diesem Grund könnten die Anbauflächen für andere Lebensmittel genutzt werden und durch vermehrten Anbau verbilligt werden. Die Anbauflächen für Ölsamen ließen sich verkleinern, da weniger Ölsamen für die Harzherstellung angepflanzt werden müssten. Der besondere Vorteil des beschriebenen Verfahrens ist, dass der chemische Herstellungsprozess von „Recycling-Alkydharzen“ mit dem für herkömmliche Alkydharze identisch ist. Literatur [1] • Pascal Senter, Valspar Industries. 2008 absolvierte seine verkürzte Lacklaborantenausbildung bei Bollig und Kemper in Köln und begann dort die Weiterbildung zum Chemietechniker. Ein Jahr lang entwickelte er dort wasserbasierende Polyurethanbindemittel und Lacksysteme. 2009 wechselte er zu Valspar Industries und unterstützt den Standort Eschweiler im Bereich der Entwicklung von Spiegelschutzlacken und Solutions. Mitte 2012 wird er seine Weiterbildung abschließen. • Tobias Wingensiefen, Valspar Industries. 2006 absolvierte seine verkürzte Lacklaborantenausbildung bei der Akzo Nobel in Köln und wechselte im selben Jahr zu Valspar Industries in Eschweiler. Bis 2009 war er in der Entwicklung von 1-K und 2-K Polyurethan-Wasserlacken tätig. Seit 2009 arbeitet er im globalen technischen Service für Spiegelschutzlacke und Solutions. Mitte 2012 wird er seine Weiterbildung zum Chemietechniker abschließen. www.farbeundlack.de · Alk ydharze [2] Statistisches Bundesamt: Umwelt, Abfallentsorgung 2008, Fachserie 19 Reihe 1, Wiesbaden 2010 Stoye, D., Freytag, W (Hrsg.): Lackharze: Chemie, Eigenschaften und Anwendungen, S.67, Carl Hanser Verlag, Würzburg 1996 Und nun sind Sie gefragt: Bewerten Sie diesen Beitrag für den FARBE UND LACK Preis 2012 www.farbeundlack.de/bewertung 118. Jahrgang 2 • 2012 FARBE UND LACK 23