Fakultät für Physik Wintersemester 2016/17 Übungen zur Physik I für Chemiker und Lehramt mit Unterrichtsfach Physik Dr. Andreas K. Hüttel Blatt 3 / 2.11.2016 1. Mehr krumm als schief Ein Teilchen bewegt sich auf einer Bahn, die mit der Zeit t parametrisch dargestellt wird. Für den Ortsvektor~r(t) gilt: R cos(ωt) ~r(t) = R sin(ωt) v0t (a) Welche Bahn (in Worten) beschreibt das Teilchen im Raum? Spiralbahn um die z-Achse (b) Berechnen Sie Geschwindigkeit und Beschleunigung des Teilchens durch Ableiten nach der Zeit. −ωR sin(ωt) ˙ = ωR cos(ωt) ~v(t) = ~x(t) v0 −ω 2 R cos(ωt) ˙ = −ω 2 R sin(ωt) ~a(t) = ~v(t) 0 (c) In welche Richtung zeigt die Beschleunigung? Senkrecht zur Spiralbahn auf ihre Achse zu. (Die “Richtung der Bahn” ist gleich der Richtung der Geschwindigkeit, und ~v ·~a = 0. Außerdem ist ax = −ω 2 Rrx und ay = −ω 2 Rry .) (d) Wir führen ein zweites Bezugssystem bzw. Koordinatensystem B ein, dessen Ursprung sich im ersten wie 0 ~r∆ (t) = 0 v0t bewegt. Was sind Ort ~rB (t), Geschwindigkeit ~vB (t) und Beschleunigung ~aB (t) des Teilchens im neuen Bezugssystem B? R cos(ωt) ~rB (t) =~r(t) −~r∆ (t) = R sin(ωt) 0 −ωR sin(ωt) ~vB (t) = ωR cos(ωt) 0 −ω 2 R cos(ωt) ~aB (t) = −ω 2 R sin(ωt) 0 2. Krumme Koordinaten Rechnen Sie folgende Punkte im Kartesischen Koordinatensystem in Kugel- und Zylinderkoordinaten ((r, θ , φ ) bzw. (r, φ , z)) um. 0 (a) ~r = 1 −1 Zur Erinnerung an Zylinder- und Kugelkoordaten zeigen wir hier nochmals die verwendeten Konventionen aus dem Vorlesungsskript:1 Es hilft, sich eine Skizze speziell zu der Aufgabe zu machen, wo der betrachtete Punkt liegt, und wie die Winkel der Koordinatensysteme gemessen werden.~r liegt genau “unterhalb der y-Achse” (da x = 0 ist). Kugelkoordinaten: r ist der Abstand vom Ursprung, also q √ r = 02 + 12 + (−1)2 = 2 Unser Punkt liegt “unterhalb der positiven y-Achse”, also ist φ gerade ein rechter Winkel: π φ= 2 Der Betrag von z ist gleich dem Betrag von y, also geht θ um einen 45◦ -Winkel nach unten (negativ). Oder mathematisch, −1 z 1 θ = arcsin( ) = arcsin( p )=− π r 4 02 + 12 + (−1)2 Zylinderkoordinaten: r= p 02 + 12 = 1 1 Es gibt verschiedene Versionen, wie die Winkel bei Kugelkoordinaten definiert werden können. Manchmal wird z.B. auch der Winkel θ von der positiven z-Achse aus gemessen. Die verschiedenen Definitionen machen keinen physikalischen oder mathematischen Unterschied, nur ist wichtig, daß man innerhalb einer Rechnung immer bei der gleichen Definition bleibt, und daß alle Formeln, die man sich notiert hat, zur gleichen Definition gehören! π 2 z = −1 φ= √ 3 (b) ~r = 1 2 Kugelkoordinaten: q √ √ √ 2 3 + 12 + 22 = 8 = 2 2 r= 1 π φ = arctan( √ ) = 6 3 2 π θ = arcsin( q )= √ 2 4 3 + 12 + 22 Zylinderkoordinaten: q √ 2 r= 3 + 12 = 2 1 π φ = arctan( √ ) = 6 3 z=2 0 (c) ~r = 0 5 Kugelkoordinaten: r= p 02 + 02 + 52 = 5 φ ist undefiniert, kann jeden beliebigen Wert annehmen (der Punkt liegt auf der z-Achse, also macht es nichts aus, wie groß φ ist...); wir können, wenn wir eine Zahl angeben müssen, zum Beispiel φ = 0 sagen. 2 5 π θ = arcsin( √ )= 2 02 + 02 + 52 Zylinderkoordinaten: r= p 02 + 02 = 0 φ undefiniert z=5 3. Fast alles ist relativ Zum Thema Relativbewegung und Bezugssysteme... (a) Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Zug, der geradlinig mit konstanter Geschwindigkeit relativ zur Erdoberfläche fährt. Einige Reihen vor Ihnen sitzt ein Freund, dem Sie einen Ball zuwerfen. Erläutern Sie mithilfe des zweiten Newton’schen Axioms, weshalb Sie aus Ihrer Beobachtung des fliegenden Balls nicht die Geschwindigkeit des Zugs relativ zur Erdoberfläche ermitteln können. 2 Siehe auch http://www.der-postillon.com/2015/12/weil-er-durch-null-geteilt-hat-schuler.html Weil Sie sich im Zug mit dessen konstanter Geschwindigkeit geradlinig bewegen, ist ihr Bezugssystem ein Inertialsystem. In einem solchen Inertialsystem wirken keine Scheinkräfte. Der Ball fliegt, nachdem er geworfen wurde, auf der gleichen Trajektorie einer nur durch die Gewichtskraft beschleunigten Bewegung — unabhängig davon, ob sich der Zug bewegt oder nicht. Also lässt sich die Geschwindigkeit des Zugs aus der beobachteten Trajektorie nicht ermitteln. (b) Ein Aufzug mit einer Kabinenhöhe von 2, 50 m wird von t = 0 an mit konstanter Beschleunigung a = 1 m/s2 nach unten beschleunigt. Nach 3s wird von der Decke eine Kugel fallen gelassen. i) Wann erreicht sie den Boden? Für die Bewegung der Kugel relativ zum Aufzug gilt (nach dem Loslassen zum Zeitpunkt t0 = 3 s): 1 m 1 s = 2, 50 m = (g − a)(t − t0 )2 = · 8, 81 2 · t 2 2 2 s s 5 s ≈ 0, 75 s (t − t0 ) = 8, 81 ii) Welche Fallstrecke hat sie im Ruhesystem des Aufzugschachts zurückgelegt? Ihre Fallstrecke im Aufzugschacht ist die relativ zur Aufzugskabine zurückgelegte Strecke s = 2, 5 m plus die in der gleichen Zeit durch die Kabine im Schacht zurückgelegte Strecke, also 1 2 1 2 at − at0 = 5, 04 m s2 = s + 2 2 Man kann auch im ruhenden Bezugssystem rechnen, in dem die Kugel mit einer Anfangsgeschwindigkeit v0 = at0 beim Loslassen der Kugel für die Zeit (t − t0 ) frei fällt, und erhält dann: 1 s = g(t − t0 )2 + v0 (t − t0 ) = 5, 04 m 2 iii) Welche Geschwindigkeit hat sie beim Aufprall im Ruhesystem und relativ zum Aufzugssystem? Im Ruhesystem hat sie die Geschwindigkeit v = v0 + g(t − t0 ) = (3 + 9, 81 · 0, 75) m/s = 10, 36 m/s Im Aufzug hat sie beim Aufprall die Geschwindigkeit v2 = (g − a)(t − t0 ) = 6, 61 m/s 4. Angry Martians Die Flugbahnen von Geschossen werden hier auf der Erde stark vom Luftwiderstand beeinflusst. Wir wollen uns hier, um den Stoff aus der Vorlesung nochmal zu wiederholen, mit der Flugbahn von Gegenständen beschäftigen, bei denen der Effekt des Luftwiderstands in guter Näherung vernachlässigt werden kann. Beispielsweise auf dem Mars, der eine etwas dünnere Athmosphäre besitzt. Ein Geschoss wird vom Boden aus (Startort am Ursprung, Bewegung in der xz-Ebene) schräg nach oben geschossen, es bewegt sich im als konstant angenommenen Schwerefeld des Mars (gMars = 3, 69 m/s2 ), und Luft- bzw. Athmosphärenwiderstand wird vernachlässigt. Der Betrag der Geschwindigkeit beim Start ist |v|. (a) Geben Sie die Komponenten vx und vz der Startgeschwindigkeit als Funktion des Winkels α an. vz = |v| sin α, vx = |v| cos α (b) Geben Sie die Vektoren ~v(t) und~r(t) an. vx · t vx , ~r(t) = 0 0 ~v(t) = gMars 2 vz − gMars · t vz · t − 2 · t (c) Nach welcher Flugzeit t schlägt das Geschoss wieder am Boden (z = 0) auf? 1 vztA − gMarstA2 = 0 2 1 vztA = gMarstA2 2 2vz tA = gMars (d) An welchem Ort x landet es? Für den Aufschlagsort xA einfach tA aus c) einsetzen: xA = vxtA = 2vx vz gMars (e) Unter welchem Winkel ist die Reichweite maximal? Um das Maximum von xA (α) zu finden, leiten wir diese Funktion nach α ab und setzen die Ableitung gleich Null: dxA ! =0 dα Aus Teilaufgabe (a) haben wir xA = 2|v|2 sin α · cos α gMars dxA dα dxA =0 dα ⇔ Produktregel = 2|v|2 (cos2 α − sin2 α) gMars (cos2 α −sin2 α) = 0 ⇒ α = 45◦ = sin2 α =1 cos2 α ⇒ tan α = 1 π 4 (f) Zahlenbeispiel: |v|= 20 m/s. Berechne die Reichweite, die Scheitelhöhe (den Maximalwert von z) und die Flugzeit für die Winkel α = 30◦ , 45◦ , 60◦ . Das Geschoss steigt bis vz = 0 ist. tScheitel = zScheitel = v2z − v2z vz gMars v2 = z gMars 2gMars |v|2 Scheitelhöhe: zScheitel = sin2 α 2gMars 2|v|2 Reichweite: xA = sin α cos α gMars 2|v| Flugzeit: tA = sin α gMars gMars Winkel 30◦ Reichweite [m] 93,87 Scheitelhöhe [m] 13,56 Flugzeit [s] 5,42 45◦ 60◦ 108,39 93,87 27,09 40,65 7,66 9,38 (g) Bei genauer Betrachtung der Ballistik muss der Athmosphärenwiderstand berücksichtigt werden, d.h. die Geschwindigkeit vx nimmt mit der Zeit ab. Was bedeutet das qualitativ für den Winkel, unter dem die höchste Reichweite erreicht wird? Der Winkel muss kleiner als 45◦ gewählt werden, um die Flugzeit zu reduzieren. Generell gilt: Je länger ein Körper in der Luft ist, umso länger wird ihm durch die Reibung kinetische Energie entzogen, desto kürzer wird also der Wurf. Da aber bei höheren Abwurfwinkeln ein Körper länger in der Luft ist als bei niedrigeren, muss der Abwurfwinkel kleiner gewählt werden. Eine genaue Berechnung ist schwierig; Abbildung 1 zeigt ein numerisch gerechnetes Beispiel. Abbildung 1: Beispiel: Ergebnis einer Analyse für einen Fußball, unter Berücksichtigung des (irdischen) Luftwiderstands.