Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium der Finanzen Empfehlungen zur Regulierung alternativer Handelssysteme Mai 2001 Das vorliegende Diskussionspapier ist eine Empfehlung der Börsensachverständigenkommission (BSK) an das Bundesministerium der Finanzen zur Regulierung alternativer Handelssysteme. Es wurde im Frühjahr 2001 von einer Arbeitgruppe der BSK erarbeitet und am 16. Mai 2001 von der BSK diskutiert und verabschiedet. Die BSK ist ein vom Bundesminister der Finanzen berufenes Gremium mit der Aufgabe, die Bundesregierung in Kapitalmarkt- und Börsenfragen zu beraten. Sie setzt sich zusammen aus Vertretern der Börsen, der Kreditwirtschaft, der Industrie, des Versicherungswesens, der Anleger, der Wissenschaft, der Deutschen Bundesbank sowie der Bundesländer, die Sitz einer Börse sind. Kontakt: Börsensachverständigenkommission Sekretariat c/o Deutsche Börse Neue Börsenstr. 1 60487 Frankfurt/Main Telefon: 069/2101-3980 Telefax: 069/2101-3981 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme Inhalt 1 Zusammenfassung........................................................................................................... 2 2 Bestandsaufnahme der Systemstrukturen und Merkmale ......................................... 4 2.1 Handelssysteme mit Marktplatzfunktion ....................................................................... 4 2.1.1 Gemeinsame Merkmale......................................................................................... 4 2.1.2 Order-getriebene Systeme .................................................................................... 4 2.1.3 Quote-getriebene Systeme.................................................................................... 5 2.1.4 Crossing-Systeme.................................................................................................. 5 2.1.5 Aktive Inseratsysteme............................................................................................ 5 2.1.6 Hybride Systeme.................................................................................................... 6 2.2 Kontrahentensysteme................................................................................................... 6 2.2.1 Gemeinsame Merkmale......................................................................................... 6 2.2.2 Besondere Merkmale............................................................................................. 6 3 Diskussion von Regulierungsbedarf und Regulierungsansätzen............................. 7 3.1 Überblick........................................................................................................................ 7 3.2 Identifikation des Regulierungsbedarfs ........................................................................ 8 3.2.1 Wertpapierhandelssysteme................................................................................... 8 3.2.2 Kontrahentensysteme.......................................................................................... 11 3.2.3 Übersicht .............................................................................................................. 13 3.3 Mögliche Regulierungsansätze .................................................................................. 14 3.3.1 Wertpapierhandelssysteme................................................................................. 14 3.3.2 Kontrahentensysteme.......................................................................................... 14 4 Empfehlungen................................................................................................................ 15 4.1 4.2 Ergänzungen des WpHG............................................................................................ 15 Richtlinien.................................................................................................................... 16 1 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme 1 Zusammenfassung Das vorliegende Diskussionspapier untersucht den Regulierungsbedarf für alternative Wertpapier-Handelssysteme in Deutschland und unterbreitet Vorschläge, wie diesem Regulierungsbedarf entsprochen werden kann. Zunächst wird eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Systemstrukturen und ihrer Merkmale ohne Rücksicht auf deren derzeitige regulatorische Einordnung vorgenommen. Dies führt zu einer systematischen Zweiteilung der Handelssysteme in Wertpapierhandelssysteme (Handelssysteme mit Marktplatzfunktion) einerseits und Kontrahentensysteme (bilaterale Handelssysteme) andererseits. Die Diskussion von Regulierungsbedarf und Regulierungsansätzen führt zu dem Zwischenergebnis, dass Wertpapierhandelssysteme aufgrund ihrer Funktion grundsätzlich den materiellen Börsenbegriff erfüllen können. Eine funktionale, materielle Definition der Börse als Abgrenzung zu Wertpapierhandelssystemen ist daher nicht möglich. Als Abgrenzungskriterium zwischen Wertpapierhandelssystemen und Börsen wird daher, bei gleicher funktionaler Ausgestaltung, mehrheitlich allein die formale Zulassung eines Handelssystems als Börse vorgeschlagen. Kontrahentensysteme können dagegen weder regulierte Märkte im Sinne der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie sein noch als Börse zugelassen werden. Die Diskussion des Regulierungsbedarfs erfolgt anhand verschiedener Kriterien des Anlegerund Funktionenschutzes, namentlich Transparenz, Aufklärung und Vermeidung von Interessenkonflikten, Preisermittlungs- und Preisstellungsmechanismen, Systemsicherheit, Bündelung der Liquidität sowie diskriminierungsfreier Marktzugang. Dabei werden die folgenden Ergebnisse erzielt: Transparenz: Größtes Regulierungsdefizit bei Wertpapierhandelssystemen ist die fehlende Transparenz. Die Anbieter von Wertpapierhandelssystemen müssen gesetzlich verpflichtet werden, Preise und Umsätze unverzüglich zu veröffentlichen. Zusätzlich müssen Anbieter von Systemen, die Referenzmärkte als Basis für ihre Preisfindung verwenden, die Marktteilnehmer über den Referenzmarkt und den dort jeweils herrschenden Preis/Quote sowie den Zeitpunkt, zu dem dieser Preis/Quote ermittelt wurde, informieren. Bei Kontrahentensystemen, die lediglich bilateralen Geschäftsabschlüssen dienen, reicht dagegen die vorhandene Bestimmung in § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG aus, wonach Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen zur Verfügung stellen müssen. Aufklärung und Vermeidung von Interessenkonflikten: Betreiber von Wertpapierhandelssystemen und von Kontrahentensystemen müssen die Nutzer darüber aufklären, dass es sich nicht um börsliche Systeme handelt und folglich keine hoheitliche Überwachung der Preisermittlung stattfindet. Ist ein Preisermittlungs- oder Preisstellungsmechanismus nicht durch Regeln festgelegt, ist darüber aufzuklären, dass die Preisstellung nach eigenem Ermessen erfolgt. Aufzuklären ist ferner über mögliche Interessenkonflikte sowie deren eventuelle Auswirkungen. Zur Konkretisierung dieser Aufklärungspflichten wird der Erlass einer Richtlinie zu § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG empfohlen. Preisermittlungs- und Preisstellungsmechanismen: Es sollte im Wertpapierhandelsgesetz festgelegt werden, dass Betreiber von Wertpapierhandelssystemen und Betreiber von Kontrahentensystemen mit festen Regeln zur Preisstellung ihre entsprechenden Regeln dem BAWe anzeigen und ihren Nutzern bekannt geben müssen. 2 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme Systemsicherheit: Anforderungen an die Systemsicherheit von Wertpapierhandelssystemen sollten durch eine Richtlinie zu § 33 Abs. 1 WpHG geregelt werden. Der Anbieter muss sicherstellen, dass die Systeme dem Stand der Technik entsprechen und einen störungsfreien Betrieb des Marktes ermöglichen. Eine Beschreibung der Systeme ist vor Aufnahme des Handels bei der zuständigen Behörde einzureichen. Für Kontrahentensysteme wird dagegen insoweit kein erhöhter Regulierungsbedarf gesehen. Bündelung der Liquidität und diskriminierungsfreier Marktzugang: Die BSK empfiehlt insoweit keine über die vorhandenen Regelungen hinausgehenden Maßnahmen. Um eine sachgerechte Überwachung der Geschäfte in Wertpapierhandelssystemen und in Kontrahentensystemen durch das BAWe zu ermöglichen, sollte ferner der Meldesatz für die täglichen Meldungen gemäß § 9 WpHG um die Angabe des jeweiligen Systems ergänzt werden. 3 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme 2 Bestandsaufnahme der Systemstrukturen und Merkmale Eine Erörterung des Regulierungsbedarfs alternativer Handelssysteme setzt eine Untersuchung der vorhandenen Systeme und ihrer Merkmale voraus. Eine gesetzliche Definition der verschiedenen Formen von Handelssystemen existiert weder in Deutschland noch auf europäischer Ebene. Es ist jedoch möglich, verschiedene Erscheinungsformen von Handelssystemen funktional zu unterscheiden. Dabei bietet sich eine Aufteilung in Handelssysteme mit Marktplatzfunktion 1 einerseits und Kontrahentensysteme2 andererseits an. Dem liegt ein umfassender Ansatz zugrunde, der auch Systeme einschließt, die in Deutschland noch nicht existieren. Ebenso werden nach heutigem Stand börsliche und außerbörsliche Systeme zunächst ohne Rücksicht auf ihre derzeitige regulatorische Einordnung untersucht. Dies gilt auch für die aufgeführten Beispiele. 2.1 2.1.1 Handelssysteme mit Marktplatzfunktion Gemeinsame Merkmale Gemeinsame Merkmale der Handelssysteme mit Marktplatzfunktion sind: - Die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage - in Wertpapieren 3 - innerhalb eines elektronischen Systems - zu festgelegten Regeln - mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages. Die Besonderheiten der einzelnen Systeme sind jeweils durch Unterstreichung hervorgehoben. 2.1.2 Order-getriebene Systeme Kontinuierlicher Handel Order-getriebene Systeme mit kontinuierlichem Handel dienen der - Zusammenführung von Angebot und Nachfrage - in Form von Markt- und Limit-Ordern - in Wertpapieren - in einem Orderbuch - innerhalb des elektronischen Systems - durch den Systembetreiber - zu festgelegten Regeln (i.d.R. nach Preis-Zeit-Priorität) - mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages. Beispiele: - US-amerikanische ECNs4 - Instinet Deutschland, Reuters - Xetra, Deutsche Börse 1 2 3 4 Auf einem Marktplatz treffen Angebot und Nachfrage Vieler aufeinander. S.u. Kapitel 2.2. Der Begriff „Wertpapiere“ gilt in allen Fällen für Instrumente i.S.d. § 2 Abs. 1 und 2 WpHG. Z.B. Instinet oder Island. ECN: Electronic Communication Network nach Regulation ATS der US SEC. 4 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme Auktionen Order-getriebene Systeme mit Auktionen dienen der - Zusammenführung von Angebot und Nachfrage - in Wertpapieren - zu bestimmten Zeitpunkten - innerhalb eines elektronischen Systems - durch den Systembetreiber - in einer Auktion - zu festgelegten Regeln (i.d.R. zu dem Preis, der zu einer maximalen Ausführungsmenge führt) - mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages. Beispiele: - Optimark, Optimark Holdings Inc. - Xetra, Deutsche Börse 2.1.3 Quote-getriebene Systeme Quote-getriebene Systeme mit mehreren Market Makern ermöglichen den - Handel in Wertpapieren - ausschließlich über mehrere Market Maker 5 je Wertpapier - innerhalb eines elektronischen Systems - zu den vom Market Maker - nach festgelegten Regeln gesetzten Preisen/Mengen - mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages. Beispiel: - Quotrix, Düsseldorfer Börse/vwd/Lang & Schwartz (sofern mehrere Market Maker agieren) - Der amerikanische Aktienmarkt Nasdaq 2.1.4 Crossing-Systeme Crossing-Systeme dienen der - Zusammenführung von Angebot und Nachfrage - in Wertpapieren - innerhalb eines elektronischen Systems - durch den Systembetreiber - zu Preisen, die nach festgelegten Regeln - auf Basis anderer Märkte ermittelt wurden - zu bestimmten Terminen - mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages. Beispiele: - ITG-Posit, Investment Technology Group (Europa und USA) - Xetra XXL, Deutsche Börse 2.1.5 Aktive Inseratsysteme Aktive Inseratsysteme dienen der - Veröffentlichung verbindlicher Angebote über den - Kauf oder Verkauf von Wertpapieren, - auf welche die Marktteilnehmer - innerhalb des elektronischen Systems - unmittelbar, 5 Wertpapierdienstleister im Sinnes des § 2 Abs. 3 Nr. 2 WpHG (Eigenhandel für andere). 5 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme - zu zuvor festgelegten Bedingungen - mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages, zugreifen können. Beispiele: - Die Systeme der Webstock AG und der Tradecross AG - IBIS, Deutsche Börse (bis 1997) 2.1.6 Hybride Systeme Es ist grundsätzlich möglich, die Funktionalitäten der oben beschriebenen Systeme miteinander zu kombinieren. Ein Beispiel hierfür ist das Handelssystem Xetra der Deutschen Börse, über das kontinuierlicher Handel, Auktionen, Elemente des Market-Making und Crossing-Funktionalitäten angeboten werden. 2.2 2.2.1 Kontrahentensysteme Gemeinsame Merkmale In Kontrahentensystemen werden nicht Angebot und Nachfrage vieler Marktteilnehmer zusammengeführt. Sie dienen vielmehr bilateralen Vertragsschlüssen. Es fehlt daher die Marktplatzfunktion. Kontrahentensysteme ermöglichen den - An- und Verkauf von Wertpapieren - ausschließlich über einen Anbieter - innerhalb eines elektronischen Systems - zu den vom Anbieter gesetzten Preisen/Mengen - mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages. Beispiele: - TradeLink, vwd - Maxblue, Deutsche Bank - XEOS, IBM dient als Basis der Systeme verschiedener Finanzdienstleister 2.2.2 Besondere Merkmale Kontrahentensysteme mit Market Makern Die Regeln des Systembetreibers können den Anbieter verpflichten, während der gesamten Geschäftszeit des Systems Preise zu stellen. Kontrahentensysteme mit Market Makern ermöglichen den - An- und Verkauf von Wertpapieren - ausschließlich über einen Market Maker - innerhalb eines elektronischen Systems - zu den vom Market Maker gesetzten Preisen/Mengen - mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages. Beispiel: - CITICATS-OS, Citibank Kontrahentensysteme mit festen Regeln zur Preisstellung Es gibt auch solche Systeme, die feste Regeln zur Erstellung der Angebotspreise aufweisen. Dies kann z. B. die Orientierung an einem Referenzmarkt sein. Kontrahentensysteme mit festen Regeln zur Preisstellung ermöglichen den - An- und Verkauf von Wertpapieren - ausschließlich über einen Anbieter 6 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme - innerhalb eines Systems - zu den vom Anbieter nach festen Regeln gesetzten Angebotspreisen/Mengen - mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages. Beispiel (Deutschland): - Quotrix, Düsseldorfer Börse, vwd und Lang & Schwartz (sofern nur ein Market Maker agiert) 3 Diskussion von Regulierungsbedarf und Regulierungsansätzen 3.1 Überblick Neue Technologien haben zur Entwicklung neuer Handelssysteme geführt und die Kosten für die Entwicklung und Bereitstellung von Handelssystemen gesenkt. Fraglich ist, ob dieser Entwicklung mit Änderungen des regulatorischen Rahmens begegnet werden muss. Die Regulierung von Handelssystemen muss den Anleger- und Funktionenschutz unter Beachtung fairer Wettbewerbsbedingungen sicherstellen, ohne zu einer Überregulierung zu führen. Die bisherige Unterscheidung zwischen Börsen und Wertpapierdienstleistern erscheint vor diesem Hintergrund nicht mehr ausreichend. Dies wird aus den Beispielen in Kapitel 2 deutlich: - Betreiber von Handelssystemen, die in anderen Ländern keinen Börsenstatus besitzen, bedürften bei Sitz in Deutschland einer Zulassung als Börse, weil sie die materiellen Merkmale6 einer Börse erfüllen (z. B. Order-getriebene Systeme wie Instinet). - Betreiber von Handelssystemen, die Marktplatzfunktionen anbieten, sind als Wertpapierdienstleister reguliert (z. B. Crossing-Systeme wie ITG-Posit). Außerbörsliche Order-getriebene und Quote-getriebene Systeme mit Marktplatzfunktion sind auf Basis der heutigen Regulierung in Deutschland unzulässige, weil ungenehmigte Börsenveranstaltungen. Die Voraussetzung einer Zulassung als Börse ist eine hohe Markteintrittsbarriere für innovative Wettbewerber der etablierten Börsen. Anbieter der entsprechenden alternativen Handelssysteme meiden daher zum Teil den Standort Deutschland, um nicht den hohen regulatorischen Anforderungen 7 des BörsG unterworfen zu werden. Andere Anbieter umgehen die Regulierung als Börse bzw. das Verbot des Systembetriebs durch Auslagerung des physischen Handelssystems (Server-Hardware) ins Ausland. Crossing-Systeme, aktive Inseratsysteme und Kontrahentensysteme werden heute in Deutschland als Wertpapierdienstleister im Sinne von § 2 Abs. 3 WpHG eingestuft. Grundlage der Regulierung bildet somit die EU-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 8 (WpDRiL) bzw. deren Umsetzung in deutsches Recht im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und dem Kreditwesengesetz (KWG). 6 Als materielle Merkmale einer Börse haben sich herausgebildet: Die organisierte Zusammenführung von Angebot und Nachfrage in vertretbaren nicht zur Stelle gebrachten Wertpapieren, Devisen und Waren (einschließlich der Derivate) mit dem Ziel, Vertragsabschlüsse nach einheitlichen Geschäftsbedingungen zwischen zum Handel zugelassenen Personen zu ermöglichen. Mithin ist an die Stelle des Merkmal der Zusammenkunft von Kaufleuten vor Ort das neue Merkmal des (auch elektronischen) organisierten Zusammenführens von Aufträgen getreten. Vgl. Peterhoff, 1999, Wertpapierhandelsgesetz, Börsengesetz mit BörsZulV, Verkaufsprospektgesetz mit VerkProspV: Kommentar /hrsg. Von Schäfer, F.A., Stuttgart; Berlin; Köln, § 1 Rdnr. 19. 7 Für die Zulassung als Börse sind neben den funktionalen (materiellen) Eigenschaften (Marktplatzfunktion) die im Börsengesetz festgelegten gesetzlichen Rahmenbedingungen der Börsenveranstaltung zu erfüllen, sog. formale Voraussetzungen, betreffend die Aufgaben und die Organisation einer Börse (z.B. Börsenrat, Geschäftsführung, Handelsüberwachungsstelle, Zulassungsstelle). 8 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften,11.6.1993, Nr. L 141/27, Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen. 7 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme Die Regulierung als Wertpapierdienstleister gewährleistet zwar in wesentlichen Aspekten den Schutz des Investors (Regelungen im WpHG) und minimiert die systemischen Risiken (Regelungen im KWG und WpHG). Gesetzliche Vorschriften, die faire, effiziente, transparente und sichere Märkte (Funktionenschutz) garantieren, finden sich heute allerdings vor allem im BörsG. Diese Vorschriften finden jedoch keine Anwendung auf Wertpapierdienstleister. Wertpapierhandelssysteme und Kontrahentensysteme könnten somit einen nicht ausreichenden Funktionenschutz aufweisen. Aus Kapitel 2 wird deutlich, dass sich die funktionalen (materiellen) Merkmale einer Börse und anderer Handelssysteme mit Marktplatzfunktion überschneiden können. Als Abgrenzungskriterium zwischen Wertpapierhandelssystemen und Börsen wird daher, bei gleicher funktionaler Ausgestaltung, mehrheitlich allein die formale Zulassung eines Handelssystems als Börse vorgeschlagen. Handelssysteme mit Marktplatzfunktion, die keine Börsen sind, werden im folgenden als Wertpapierhandelssysteme bezeichnet. Daneben existieren Kontrahentensysteme, die jedoch keine Marktveranstaltung darstellen. Handelssysteme Marktplätze Börsen Abb. 1 3.2 Wertpapierhandelssysteme Bilaterale Systeme Kontrahentensysteme Unterscheidung der Handelssysteme Identifikation des Regulierungsbedarfs Die BSK geht davon aus, dass für Handelssysteme, die in Deutschland bereits als Börse reguliert sind, kein zusätzlicher Regulierungsbedarf hinsichtlich des Anleger- und Funktionenschutzes besteht. Die weitere Untersuchung bezieht sich daher auf den Regulierungsbedarf von Handelssystemen, die nicht als Börse zugelassen sind. Der Regulierungsbedarf in bezug auf den Anlegerschutz orientiert sich dabei am Schutzbedürfnis von Privatanlegern. In bezug auf professionelle Marktteilnehmer erscheint hingegen eine Regulierung lediglich unter dem Aspekt des Funktionenschutzes (Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes) erforderlich. Bei der Diskussion des Regulierungsbedarfs wird zwischen Wertpapierhandelssystemen und Kontrahentensystemen unterschieden. 3.2.1 Wertpapierhandelssysteme Der Regulierungsbedarf einzelner Aspekte des Anleger- und Funktionenschutzes wird anhand folgender, sich teilweise überschneidender Aspekte erörtert. 8 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme Anlegerschutz Funktionenschutz Transparenz von Preisen und Volumen Diskriminierungsfreier Marktzugang Ordnungsgemäßer Preisermittlungsmechanismus Aufklärung des Anlegers (u.a. Offenlegung von Interessenkonflikten) Vermeidung von Interessenkonflikten Systemsicherheit Bündelung von Liquidität Tabelle 1 Kriterien des Anleger- und Funktionenschutzes Transparenz von Preisen und Volumen Die Transparenz von Preisen und Volumen ist das wichtigste Kriterium für die Garantie fairer, effizienter und sicherer Märkte. Nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG sind Wertpapierdienstleister lediglich verpflichtet, ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Gegenüber Nichtkunden besteht nach der derzeitigen Rechtslage keine Verpflichtung, Preise und Umsätze zu veröffentlichen. Das Fehlen von Transparenz in Wertpapierhandelssystemen kann die effiziente Preisbildung behindern und zu Informationsasymmetrien führen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn im Verhältnis zum Gesamtmarkt relevante Volumina über diese Systeme abgewickelt werden. Eine volumenabhängige Regulierung (wie teilweise in den USA) wird jedoch nicht empfohlen, da das Schutzbedürfnis des Privatanlegers nicht von der Größe des Marktes, in dem er agiert, abhängt. Es ist unabdingbar erforderlich, die Transparenz von Wertpapierhandelssystemen zu gewährleisten. Kunden und Nichtkunden des Wertpapierhandelssystems müssen in der Lage sein, die Entwicklung von Preisen und Volumen auf diesen Märkten zeitnah zu verfolgen. Die BSK schlägt vor, die Anbieter von Wertpapierhandelssystemen zu verpflichten, Preise und Umsätze unverzüglich zu veröffentlichen. Zusätzlich müssen Anbieter von Systemen, die Referenzmärkte als Basis für ihre Preisfindung verwenden, die Marktteilnehmer über den Referenzmarkt und den dort jeweils herrschenden Preis/Quote, sowie den Zeitpunkt zu dem dieser Preis/Quote ermittelt wurde, informieren. Vermeidung von Interessenkonflikten Interessenkonflikte können entstehen zwischen dem Kunden und 1) dem Betreiber eines Quote-getriebenen Systems, wenn dieser selbst Market Maker ist; 2) dem Betreiber eines Order-getriebenen Systems, wenn dieser Eigenhandel über sein System tätigt; 3) einem anderen Kunden des Systems; 4) dem Systembetreiber bezüglich der „bestmöglichen Ausführung“ und dem Interesse des Systembetreibers, möglichst viele Transaktionen auf der eigenen Plattform auszuführen. 9 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme Zu 1 und 2) Dem Wortlaut nach könnten die Regelungen der §§ 31 ff. WpHG ausreichend sein. Während der Handel an Börsen in Echtzeit durch die Handelsüberwachungsstelle und die Börsenaufsicht überwacht wird, sind Geschäfte in Wertpapierhandelssystemen nach derzeitiger Rechtslage erst bis spätestens zum folgenden Werktag an das BAWe zu melden. Das BAWe überprüft die Meldungen vor allen Dingen auf Insiderverstöße. Die Überwachung der täglich eingehenden Meldungen im Hinblick auf Interessenkonflikte ist heute nicht ausdrücklich vorgesehen. Die oben bereits angeregte Veröffentlichung von Preisen und Volumen wird bereits dazu beitragen, dass Privatanleger in Wertpapierhandelssystemen nicht unangemessen benachteiligt werden. Deshalb erscheint eine tägliche Überwachung der Preisermittlung nicht erforderlich. Die BSK schlägt vor, Wertpapierhandelssysteme zu verpflichten, den Privatanleger darüber aufzuklären, dass es sich nicht um eine Börse handelt und folglich insbesondere eine neutrale, hoheitliche Überwachung der Preisermittlung nicht stattfindet. Zu 3) Der Betreiber des Wertpapierhandelssystems muss sicherstellen, dass mit Interessenkonflikten bei Ausführung der Kundenaufträge ordnungsgemäß umgegangen wird. Die entsprechenden Regelungen der §§ 31 ff. WpHG sind ausreichend. Zu 4) Ergänzend zu § 31 WpHG gelten hier die Regelungen des § 10 BörsG. Diese sind bei entsprechender Aufklärung des Kunden ausreichend. Die zuständige Behörde sollte ferner auf Basis der §§ 31 ff. WpHG die ihr gemäß § 9 WpHG gemeldeten Geschäfte zumindest stichprobenartig auf die Vermeidung von Interessenkonflikten hin überprüfen. Aufklärung des Anlegers Die Vorgaben des § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG müssen an die Entwicklung von Wertpapierhandelssystemen und die zunehmende Nutzung des Internet angepasst werden. Wenn der Betreiber eines Quote-getriebenen Systems selbst einer der Market Maker ist, oder wenn Eigenhandel des Betreibers von Order-getriebenen Systemen auf der eigenen Plattform stattfindet, muss sich die Aufklärung darauf und auf die daraus möglicherweise entstehenden Interessenkonflikte sowie deren mögliche Auswirkungen erstrecken. Wenige Mitglieder der BSK fordern eine schriftliche Erklärung des Kunden in Papierform, um die Wirksamkeit dieser Aufklärung sicherzustellen. Wegen des oft leichtfertigen Umgangs mit dem Medium Internet erscheine es nicht ausreichend, wenn bei Internet-Systemen die Erklärung des Kunden lediglich „per Mausklick“ erfolge. Diskriminierungsfreier Marktzugang Das Fehlen objektiver Kriterien, bei deren Erfüllung Wertpapierdienstleister oder auch Anleger unmittelbar an einem Markt teilnehmen können, könnte dazu führen, dass Aufträge aufgrund des fehlenden Zugangs zum System nicht zum bestmöglichen Preis ausgeführt werden können. Das Erfordernis objektiver Kriterien für den Marktzugang muss jedoch nicht gesetzlich vorgeschrieben werden. Wesentliches Erfolgskriterium eines erfolgreichen Handelssystems ist die Anziehung von Liquidität. Kein Betreiber eines Handelssystems wird freiwillig eine über- 10 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme mäßige Einschränkung der Zahl der Marktteilnehmer herbeiführen. Der Zugang zum Markt wird Dritten letztlich immer über Intermediäre mit Marktzugang möglich sein. Ordnungsgemäße Preisermittlungsmechanismen Eine gesetzliche Regelung der Preisermittlungsmechanismen existiert heute nicht. Die Vorgabe durch den Gesetzgeber kann zu einer nicht gewünschten Einengung der Angebotsvielfalt führen (Überregulierung). Andererseits ist die ständige Überwachung der Preisbildung durch neutrale Stellen ein wesentliches Qualitätsmerkmal einer Börse. Es erscheint nicht angemessen, jeden Anbieter von Handelssystemen hierzu zu verpflichten. Die BSK schlägt jedoch vor, dass die Betreiber von Wertpapierhandelssystemen ihre Preisermittlungsmechanismen durch entsprechende Bekanntgabe an die Nutzer transparent machen müssen. Insbesondere ist darüber aufzuklären, ob ein eigener Preisermittlungsmechanismus stattfindet oder ob Referenzpreise verwendet werden. Ebenso ist die zuständige Behörde vor erstmaliger Aufnahme des Handels über den Preisermittlungsmechanismus in Kenntnis zu setzen, um eine Missbrauchsaufsicht zu ermöglichen. Systemsicherheit Die Sicherstellung der Systemsicherheit fällt grundsätzlich unter die in § 33 Abs. 1 WpHG aufgeführten Organisationspflichten. Der Betrieb eines Marktplatzes stellt jedoch besondere Anforderungen an die Systemsicherheit, vor allem im Hinblick auf Datenschutz, Stabilität und Erreichbarkeit. Die BSK schlägt vor, die Systemsicherheit durch entsprechende Richtlinien zu § 33 Abs. 1 WpHG zu regeln. Der Anbieter muss sicherstellen, dass die Systeme dem Stand der Technik entsprechen und einen störungsfreien Betrieb des Marktes ermöglichen. Eine Beschreibung der Systeme ist vor Aufnahme des Handels bei der zuständigen Behörde einzureichen, um eine Missbrauchsaufsicht zu ermöglichen. Bündelung von Liquidität Das Auftreten einer Vielzahl von Handelssystemen neben den etablierten Börsen kann zur Fragmentierung der Liquidität und damit in vielerlei Hinsicht zu Marktineffizienzen 9 führen. Die Nachteile einer Marktfragmentierung sind im Interesse der Förderung von Innovation und Wettbewerb hinzunehmen. Letztlich werden sich die Systeme mit der größten Kundenakzeptanz und ökonomischen Leistungsfähigkeit durchsetzen. Dazu ist jedoch die oben geforderte Transparenz der Systeme im Hinblick auf Volumina, Preise, Preisermittlungsmechanismen und mögliche Interessenkonflikte der Anbieter erforderlich. Diese natürliche Marktbereinigung sollte nicht durch regulatorische Eingriffe behindert werden. 3.2.2 Kontrahentensysteme Kontrahentensysteme haben sich aus dem Vertrieb von Optionsscheinen und anderen eigenemittierten Wertpapieren10 der Banken entwickelt. Die Bank verkauft von ihr selbst oder einer Tochtergesellschaft emittierte Titel und ist gleichzeitig bereit, sie auch wieder zurückzukaufen. Demgemäss bietet sie für diese Wertpapiere auf Nachfrage Kauf- und Verkaufspreise, um Liquidität zur Verfügung zu stellen. 9 Preisbildungsprozess reflektiert nicht die Marktlage; stark vergrößerte Spreads; erhöhte Suchkosten, hier vor allem Benachteiligung des Privatanlegers. 10 Indexzertifikate, Aktienanleihen, Anleihen mit aktienkursabhängiger Verzinsung etc. 11 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme Anfrager sind Finanzintermediäre, in der Regel andere Kreditinstitute (z. B. Direktbanken) bzw. indirekt die Kunden dieser Institute. Die telefonische Kommunikation zwischen der (Emittenten-)Bank und dem Intermediär wird heute durch den Austausch von Informationen und Willenserklärungen über elektronische Systeme ersetzt. Die Bank, die in der Regel gleichzeitig Betreiberin dieses Kontrahentensystems und Emittentin ist, stellt Vertragspartnern jeweils im bilateralen Verhältnis Preise für den Kauf und Verkauf der in das System einbezogenen Wertpapiere. Der Vertragspartner kann der Bank durch Ausfüllen eines elektronischen Formulars auf der Grundlage dieses Preisangebots den Abschluss eines Kauf- bzw. Verkaufsgeschäfts antragen. Akzeptiert die Bank dieses Angebot, kommt zwischen den Vertragsparteien ein Kaufvertrag zustande. Einzelheiten dieses Vertragsschlussprozesses werden in den Verträgen zwischen der Bank und ihrem Vertragspartner geregelt. Handelt es sich bei der Bank um eine Universalbank, die im Rahmen ihrer Investment Banking-Aktivitäten als Emittentin, im Rahmen ihres Privatkundengeschäfts als Intermediärin gegenüber Privatkunden tätig wird, kommen als Vertragspartner der Bank auch ihre eigenen Privatkunden in Betracht. Diese haben im Rahmen des Online Banking-Angebots Zugang zu dem System. Bank und Kunde schließen in diesem Fall Festpreisgeschäfte über die in das System einbezogenen Wertpapiere ab. 11 Neben Optionsscheinen und sonstigen eigenemittierten Wertpapieren werden heute auch vermehrt fremdemittierte Wertpapiere, insbesondere Aktien, in die Angebotspalette der Anbieter in Kontrahentensystemen einbezogen. Das Betreiben eines der oben skizzierten Kontrahentensysteme kann als "Market Making" im weiteren Sinne verstanden werden. Die Anbieter stellen in das Kontrahentensystem verbindliche Quotelisten für die von ihnen gehandelten Wertpapiere ein. Diese Quotelisten gelten i.d.R. bis zu einem festgelegten maximalen Ordervolumen. Will der Kunde höhere Volumen handeln, so muss er mit dem Anbieter direkt verhandeln. Die Preise in den Quotelisten sind dabei nicht über den gesamten Handelszeitraum fixiert, sondern werden von den Anbietern „je nach Marktlage“ angepasst. Die Handelszeiten der Kontrahentensysteme sind in der Regel länger als die der Börsen. 12 Die über Kontrahentensysteme gehandelten Volumina nahmen in den letzten Jahren stark zu, wobei zum Nutzerkreis dieser Systeme - direkt oder indirekt - vor allem Privatanleger gehören. 13 Durch die Elektronisierung der Vermittlungsleistung könnten die Unterschiede zwischen Marktplätzen und Kontrahentensystemen verwischt werden. Die BSK geht davon aus, dass der Privatanleger nicht ohne weiteres in der Lage ist, zwischen dem Handel in Wertpapierhandelssystemen und Kontrahentensystemen zu unterscheiden. Über diesen Unterschied ist daher aufzuklären. In bezug auf den Regulierungsbedarf ist zwischen den Bereichen Transparenz, Aufklärung und Systemsicherheit zu unterscheiden: Transparenz Die BSK ist mehrheitlich der Auffassung, dass für Kontrahentensysteme die im WpHG bereits enthaltene Verpflichtung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, ausreicht (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG). Ein erhöhter Regulierungsbedarf wird mehrheitlich nicht gesehen. 11 Nr. 9 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. Gehandelt werden kann in z.B. vwd-TradeLink werktags von 8 bis 23 Uhr und samstags von 10 bis 16 Uhr sowie sonntags von 17 bis 20 Uhr. 13 Über das seit Anfang 1999 existierende Kontrahentensystem vwd-Tradelink wurden im Januar 2001 in 240.000 Geschäften € 1,5 Mrd. umgesetzt (Quelle: Pressemitteilung.). Die durchschnittliche Ordergröße lag somit bei € 6.250. 12 12 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme Die BSK geht mehrheitlich davon aus, dass eine allgemeine Veröffentlichung von Preisen und Umsätzen in Kontrahentensystemen aufgrund der fehlenden Marktplatzfunktion nicht zu fordern ist. Eine allgemeine Veröffentlichungspflicht von Geschäften in börsennotierten Wertpapieren gibt es nämlich in Deutschland nicht. Es wäre vor diesem Hintergrund widersprüchlich, Transparenz nur für außerbörsliche Geschäfte, die über Kontrahentensysteme getätigt werden, vorzuschreiben. Aufklärung/Vermeidung von Interessenkonflikten Anbieter von Kontrahentensystemen ohne feste Regeln zur Preisstellung müssen die Nutzer darauf hinweisen, dass die Preise nach eigenem Ermessen gestellt werden und es sich nicht um Börsenpreise handelt. Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass der Betreiber des Systems selbst Vertragspartner ist, es sich bei dem System nicht um eine Börse handelt und folglich die Preisstellung keiner hoheitlichen Überwachung unterliegt. Aufzuklären ist ferner über die Art und Weise des Zustandekommens von Verträgen innerhalb des Systems. Die Aufklärung sollte jeweils bei Aufruf des Systems zur Nutzung erfolgen und jederzeit abrufbar sein. Preisstellungsmechanismen Für Anbieter von Kontrahentensystemen mit festen Regeln zur Preisstellung gelten gegenüber den Nutzern entsprechende Anforderungen wie für Wertpapierhandelssysteme. Es ist also darüber zu informieren, nach welchen Regeln die Preisstellung erfolgt und gegebenenfalls, ob Referenzpreise verwendet werden. Vor Aufnahme des Handels ist die Aufsichtsbehörde über den Preisstellungsmechanismus zu informieren. Systemsicherheit Die Regelungen des § 33 Abs. 1 WpHG sind ausreichend. 3.2.3 Übersicht Kriterium Wertpapierhandelssysteme Transparenz Aufklärung / Vermeidung von Interessenkonflikten Preisermittlungsmechanismus Systemsicherheit Kontrahente nsysteme Unverzügliche VeröffentKeine über § 31 Abs. 2 Nr. 2 lichung Preise/Umsätze WpHG hinausgehenden Erfordernisse Angabe von Referenzmarkt, Preis/Quote sowie dem Zeitpunkt der Feststellung Aufklärung, dass kein Börsenhandel und damit keine hoheitliche Überwachung der Preisermittlung vorliegen; gegebenenfalls, dass ein eigener Preisermittlungsmechanismus stattfindet bzw. bei Kontrahentensystemen Preise nach eigenem Ermessen gestellt werden; Aufklärung über mögliche Interessenkonflikte und deren eventuelle Auswirkungen. Sofern feste Regeln zur Bekanntgabe an die Nutzer Preisstellung vorhanden, Meldung an Behörde gleiche Anforderungen Richtlinie zu § 33 Abs. 1 Nr. 1 WpHG Systembeschreibung bei Behörde einreichen Kein über § 33 Abs. 1 Nr. 1 WpHG hinausgehender Regulierungsbedarf Bündelung Liquidität Marktzugang Tabelle 2 Kein Regulierungsbedarf Übersicht über den Regulierungsbedarf 13 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme 3.3 3.3.1 Mögliche Regulierungsansätze Wertpapierhandelssysteme Eine nationale Lösung zur Regulierung von Wertpapierhandelssystemen muss europäische Entwicklungen einbeziehen. Dies gilt insbesondere für die Möglichkeit, als Wertpapierhandelssystem den Status eines Regulierten Marktes im Sinne der WpDRiL zu erlangen. Für die Regulierung von Wertpapierhandelssystemen gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: 1) Privatrechtlich organisiertes Wertpapierhandelssystem, als börsenähnliche Institution im BörsG reguliert 2) Neu zu schaffender Tatbestand für Handelssysteme im WpHG, nicht notwendigerweise Regulierter Markt. Die BSK schlägt mehrheitlich die Option 2 vor. Darüber hinaus sollten Wertpapierhandelssysteme die Möglichkeit haben, bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen den Status eines Regulierten Marktes zu erhalten oder auch als Börse zugelassen zu werden. Die Anerkennung als Regulierter Markt wird bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen durch das BAWe ausgesprochen und durch entsprechende Meldung an die Europäische Kommission bestätigt. Sofern ein Anbieter eines Wertpapierhandelssystems die Voraussetzungen des BörsG erfüllt, kann er auf Antrag durch Genehmigung der zuständigen Börsenaufsichtsbehörde Börsenstatus erlangen. Über den Antrag entscheidet die Börsenaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen. 3.3.2 Kontrahentensysteme Die BSK geht davon aus, dass Kontrahentensysteme keine Marktveranstaltungen sind. Es ist daher nicht erforderlich, Kontrahentensystemen die Möglichkeit zu geben, den Status einer Börse oder eines Regulierten Marktes zu erlangen. Es erscheint lediglich eine Definition im Wertpapierhandelsgesetz erforderlich. 14 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme 4 Empfehlungen Die Empfehlungen der Mehrheit der BSK beziehen sich auf Ergänzungen des WpHG sowie auf entsprechende Richtlinien des BAWe, um einem erhöhten Regulierungsbedarf bei elektronischen Handelssystemen Rechnung zu tragen. 4.1 Ergänzungen des WpHG Um geeignete Ansatzpunkte zur Konkretisierung der Verhaltensregeln des WpHG zu gewinnen, erscheint eine Definition der Begriffe „Wertpapierhandelssystem“ und „Kontrahentensystem“ sinnvoll. Bei einer gesetzliche Definition könnten folgende Merkmale Berücksichtigung finden: - Wertpapierhandelssysteme sind elektronische Systeme, die - der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage - in Wertpapieren (i.S.d. § 2 Abs. 1 und 2 WpHG) - innerhalb des Systems, - zu festgelegten Regeln, - mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages dienen und - nicht als Börse zugelassen sind. - Kontrahentensysteme sind elektronische Systeme, die - dem An- und Verkauf von Wertpapieren (i.S.d. § 2 Abs. 1 und 2 WpHG) ausschließlich über einen Anbieter innerhalb des Systems zu den vom Anbieter gesetzten Preisen und Mengen mit dem Ergebnis eines unwiderruflichen Vertrages dienen. Um dem BAWe eine sachgerechte Überwachung der in außerbörslichen Handelssystemen getätigten Geschäfte zu ermöglichen, sollte eine entsprechende Identifikation der Handelsplattform im Meldesatz erfolgen. Dies könnte durch eine Ergänzung des § 9 Abs. 2 WpHG erfolgen, wonach der Meldesatz für die täglichen Meldungen an das BAWe das Wertpapierhandelssystem oder Kontrahentensystem, sofern es sich um ein in solchen Systemen abgeschlossenes Geschäft handelt, benennen muss. Die besonderen Verhaltensregeln für Wertpapierhandelssysteme und Kontrahentensysteme sollten in einer neuen gesetzlichen Bestimmung zusammengefasst werden. Diese Bestimmung sollte folgende Anforderungen enthalten: - Die in Wertpapierhandelssystemen zustande gekommenen Preise und Umsätze sind unverzüglich zu veröffentlichen. - Die für die Preisermittlung in Wertpapierhandelssystemen angewendeten Regeln oder die für die Preisstellung in Kontrahentensystemen angewendeten festen Regeln sind dem Bundesaufsichtsamt anzuzeigen und den Nutzern bekannt zu machen. - Findet die Preisermittlung in Wertpapierhandelssystemen auf Grundlage eines Referenzmarktes statt, so sind der Referenzmarkt und der verwendete Preis/Quote sowie der jeweilige Zeitpunkt der Feststellung den Nutzern bekannt zu geben. Dasselbe gilt für Kontrahentensysteme mit festen Regeln zur Preisermittlung. 15 BSK: Empfehlungen zur Regulierung Alternativer Handelssysteme 4.2 Richtlinien Neben den Ergänzungen des WpHG sollten die folgenden Aspekte auf der Grundlage von § 35 Abs. 6 WpHG durch Richtlinien des Bundesaufsichtsamts näher ausgeführt werden: Aufklärungspflichten: § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG Die Betreiber von Wertpapierhandelssystemen und Kontrahentensystemen müssen den Privatanleger darüber aufklären, dass es sich bei den Handelssystemen nicht um eine Börse handelt und folglich insbesondere eine neutrale, hoheitliche Überwachung der Preisbildung nicht stattfindet. Sofern Privatanleger nicht selbst, sondern über Wertpapierdienstleistungsunternehmen an diesen Systemen teilnehmen, hat diese Aufklärung durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu erfolgen. Wenn der Betreiber eines Quote-getriebenen Systems selbst Market Maker ist, oder wenn Eigenhandel des Betreibers von Order-getriebenen Systemen auf der eigenen Plattform stattfindet, muss sich die Aufklärung darauf und auf die daraus möglicherweise entstehenden Interessenkonflikte sowie deren mögliche Auswirkungen erstrecken. Der Betreiber von Kontrahentensystemen ohne feste Regeln zur Preisstellung muss darauf hinweisen, dass die Preise nach eigenem Ermessen gestellt werden und es sich nicht um Börsenpreise handelt. Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass der Betreiber des Systems selbst Vertragspartner ist. Systemsicherheit: § 33 Abs. 1 WpHG Der Anbieter von Wertpapierhandelssystemen muss sicherstellen, dass die Systeme dem Stand der Technik entsprechen und einen störungsfreien Betrieb des Marktes, vor allem im Hinblick auf Datenschutz, Stabilität und Erreichbarkeit, ermöglichen. Dies sollte in einer Richtlinie näher ausgeführt werden. Eine Beschreibung des Wertpapierhandelssystems ist vor Aufnahme des Handels beim BAWe einzureichen. 16