Stichproben im Rechnungswesen, Stichprobeninventur Prof. Dr. Irene Rößler und Prof. Dr. Albrecht Ungerer Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim Im einfachsten Fall des Dollar-Unit oder Monetary-Unit Sampling (DUS oder MUSVerfahren) wird aufgrund einer Stichprobe etwa über eine Binomial- oder Poissonverteilung der höchst mögliche Anteil fehlerhafter Einheiten in der Grundgesamtheit bei einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit abgeschätzt, wenn in der Stichprobe eine bestimmte Anzahl fehlerhafter Einheiten gefunden wurde. Wurde beispielsweise in einer Stichprobe vom Umfang 100 keine fehlerhafte Einheit gefunden, so sind nach der Binomial- oder Poissonverteilung mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% weniger als 3% der Einheiten fehlerhaft, denn: • Binomialverteilung (1 − π)n = β =⇒ 1 − π = p p n β = 100 0, 05 = 0, 970 =⇒ π = 0, 03, für größeres n ist π < 0, 03 und für kleineres n ist π > 0, 03, d.h. Pu (0; 0, 95) = 0, 03. • Poissonverteilung 1 ln 0,05 ln β1 = = 0, 03, π= n 100 für größeres n ist π < 0, 03 und für kleineres n ist π > 0, 03, d.h. Pu (0; 0, 95) = 0, 03. Dieser Anteil wird nun dadurch in einen Wert transformiert, dass 3% der Buchwerte als falsch und zwar jeweils um den Betrag des größten Buchwertes angenommen werden. Dies ergibt eine sehr konservative und damit für einen β-Fehler anfällige Obergrenze für den Gesamtüberbewertungsfehler (N = 10 000, Y = 1 Mio.€, n = 100) Dmax = N · Pu (0, 1 − α) · Ymax = 10 000 · 0, 03 · 500 = 150 000€. Werden Fehler gefunden, so steigt Pu entsprechend an. Stringer von Haskins & Sells [von dieser WP-Gesellschaft wurde die Verwendung dieser Grenze 1970 zum ersten mal empfohlen, vgl. auch bei Wampler/McEacharn (2005)] verfeinerte dieses Verfahren durch extreme Schichtung nach dem Buchwert der Posten, was praktisch eine Auswahl von Posten proportional zu ihrem Buchwert bedeutet. Der maximale Überbewertungsfehler, die „Stringer-bound“ wird nun berechnet, indem als Einheiten die Währungseinheiten, also €, angenommen werden – der Grundgesamtheitsumfang ist also der gesamte Buchwert Y –, daraus eine Stichprobe gezogen wird und dann mit Hilfe der Poissonverteilung der Anteil „falscher €“, also der Überbewertungsfehler, geschätzt wird. Es wird, wie beim PPS-Verfahren nach dem Kumulationsverfahren jeweils eine Einheit, z.B. Forderung, ausgewählt und auf Überbewertung geprüft. Werden in der Stichprobe keine Überbewertungen festgestellt, so wird als Obergrenze für den maximalen Überbewertungsfehler bei den gleichen Bedingungen wie im vorstehenden Beispiel, also 3% der € sind höchstens falsch, d.h. 0, 03 · Y = 0, 03 · N · Y , Dmax = Y · Pu (0, 1 − α) = N · Pu · Y = 10 000 · 0, 03 · 100 = 30 000€ errechnet. Der Fehler wird also nicht aufgrund des größten, sondern nur des durchschnittlichen Buchwertes geschätzt. Werden nun Fehler in der Stichprobe gefunden, so werden sie als • relative Fehler (auch taintings genannt) Y − xi ti = i Yi nach folgendem Schema zu einer Schätzung der • Obergrenze (Stringer bound) Dmax m X = Y · Pu (0, 1 − α) · 1 + Y [Pu (k, 1 − α) − Pu (k − 1, 1 − α)] tk k=1 mit 1 ≥ t1 ≥ t2 ≥ . . . ≥ tm verrechnet. Jeder relative Fehler wird also mit dem Zuwachs des geschätzten Fehleranteils in der Grundgesamtheit gewichtet und durch Multiplikation mit dem gesamten Buchwert in € bewertet. Verfahren des Monetary-Unit Sampling I. Einfaches MUS 1. Vorgabe höchsttolerierbarer Fehler in € bei 1 − α. 2. Abschätzung der bei 1 − α höchstmöglichichen Fehlerzahl in der Grundgesamtheit bei k gefundenen Fehlern, z.B. durch die Poissonverteilung: k λk;0,95 0 1 2 3 3,00 4,74 6,30 7,75 4 ... 9,15 . . . 3. Bewerte diese Grenze mit einem €-Betrag, z.B. konservativ mit ymax λk,1−α ymax Dmax = N · n N = 10 000 Y = 1 Mio. n = 100 ymax = 500 k = 0: d ≤ 10 000 · 0, 03 · 500 = 1, 5 · 105 k = 1: .. . d ≤ 10 000 · 0, 0474 · 500 = 2, 37 · 105 Weniger konservativ wäre z.B. eine Schichtung mit X λ Dmax = Nh h yh max nh h N ·y nh = P h h max · n. Nh · yh max II. Monetary Unit Sampling Grundgesamtheit j = 1, . . . , Y 1. wie oben 2. Wähle € aus der Merkmalssumme Y nach PPS, Schätzung der höchstmöglichen Zahl „falscher“ € λk,1−α λk,1−α =N· ·y 3. Dmax = Y · n n N = 10 000 Y = 1 Mio. n = 100 k = 0: d ≤ 10 000 · 0, 03 · 100 = 3 · 104 k = 1: .. . d ≤ 10 000 · 0, 0474 · 100 = 4, 74 · 104 III. Stringer Bound 1. wie oben 2. – wie oben, aber Berücksichtigung von di als d ti = i , 0 ≤ ti ≤ 1 („taint“) yi – ordne gefundene Fehler 1 ≥ t1 ≥ t2 . . . k 0 λk;0,95 λk;0,95 − λk−1;0,95 1 2 3 4 ... 3,00 4,74 6,30 7,75 9,15 . . . – 1,74 1,56 1,45 1,40 . . . 3. Modifizierte Höchstfehlergrenze k Y Y X Dmax = · λk,1−α − (λ − λm−1,1−α )(1 − tm ) n n m=1 m,1−α " # k X Y Dmax = λ0,1−α + (λm,1−α − λm−1,1−α )tm n m=1 N = 10 000 Y = 1 Mio. n = 100 k = 0: d ≤ 3 · 104 k = 1 (t1 = 1): d ≤ 3 · 104 + 1, 74 · 104 = 4, 74 · 104 k = 1 (t1 = 0, 4): .. . d ≤ 3 · 104 + 1, 74 · 104 · 0, 4 = 3, 7 · 104 Der geschätzte Überbewertungsfehler ist nur dann genauso groß wie bei MUS (II), wenn alle taints 1 wären, d.h. wenn der tatsächliche Inventarwert null und der Buchwert größer als null ist, ansonsten ist der Überbewertungsfehler kleiner als bei MUS (II). Indessen gibt es von theoretischer Seite Einwände gegen dieses Konzept, mit dem scheinbar „Stecknadeln im Heuhaufen“ gefunden werden können. Um die Poissonverteilung bei der Schätzung anwenden zu können, ist Voraussetzung , dass jede Einheit in der Gesamtheit die gleiche (kleine) Chance besitzt, „falsch“ zu sein. Außerdem müssen die Geldeinheiten unabhängig voneinander sein. Diese Voraussetzung ist hier verletzt, denn es werden nicht einzelne Geldeinheiten, sondern der durch sie charakterisierte Posten ausgewählt und damit auch benachbarte Geldeinheiten, also ein gesamter Klumpen. Mit dem SuperpopulationsansatzR wird versucht, diesen Einwänden zu begegnen. N ist eine Stichprobe aus f (y) mit µy = yf (y) dy und Y = N µy . Die Wahrscheinlichkeit Pd (y) dafür, dass y „falsch“ ist, ist sehr klein. Die Dichte der Fehler d in der Untergesamtheit der falschen y ist g(d|y) mit Z∞ g(d) = g(d|y)f (y)Pd (y) dy 0 Z∞ Z∞ µd = d g(d|y)f (y)Pd (y) dydd 0 0 In der als Stichprobe aufgefassten Grundgesamtheit ist PdS (y) = fS (y)Pd (y) mit fS (y) = yf (y) µy bei PPS. Also ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig gezogene Einheit falsch ist, Z∞ Y yf (y)Pd (y) PdS (y) = dy = d . µy Y 0 Z∞ gS (d) = g(d|y)fS (y)Pd (y) dy. 0 d Für t = gilt: y RR E(T |T 6= 0) = µtS = t g(d|y)fS (y)Pd (y) dydd µd D∗ R = = PdS µy PdS Y fS (y)Pd (y) dy =⇒ D∗ = µtS · Y · PdS . PdS wird üblicherweise aus der Binomial- oder Poissonverterteilung, bei der StringerBound also mit λk,1−α P̂dS = n geschätzt. Damit ist der Schätzwert für µtS λ0,1−α + µ̂tS = k X (λm,1−α − λm−1,1−α )tm m=1 λk,1−α <1 und die Überbewertungsgrenze " # k X Y D= λ0,1−α + (λm,1−α − λm−1,1−α )tm . n m=1 In der Praxis geht man folgendermaßen vor: Findet man „genügend viele“ Fehler di , so kann bei PPS-Auswahl eine Punktschätzung D̂∗ = t · k k k Y X Y X di ·Y = ti = n n i=1 n i=1 yi vorgenommen und das übliche Konfidenzintervall unter der Normalverteilungsannahme bestimmt werden. Bei sehr wenig Fehlern (spricht gegen die Normalverteilungsannahme) wird die Stringer-Bound empfohlen. Literatur Jaspers, W. / Meinor, R. (2005). 1082. Kostensenkung durch Stichprobeninventur. WPg 19/2005, S. 1077- Stange, K. (1960). Die zeichnerische Ermittlung der besten Schichtung einer Gesamtheit (bei proportionaler Aufteilung der Probe) mit Hilfe der Lorenzkurve. Unternehmensforschung, 4, 156-163. Stuers, M. (2005). Wirtschaftlichkeit und Qualität der Lagerbuchführung. Düsseldorf. Wampler, B. / McEacharn, M. (2005). Monetary-Unit Sampling using Microsoft Excel. The CPA Journal May 2005.