Der Betriebsübergang Rechtliche Hinweise für die M+E-Industrie 3. Auflage, Januar 2017 Impressum © Januar 2017 Arbeitgeberverband Gesamtmetall (Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V.) Voßstraße 16, 10117 Berlin Telefon 030/55150-0 Telefax 030/55150-400 [email protected] www.gesamtmetall.de Ansprechpartner: Sibylle Talkenberg Autoren: Antonia Fischer-Dieskau (Gesamtmetall), Helmut Fitkze (Nordmetall), Sabine Glaser (Gesamtmetall), Esther Gottwein (SWM), Alexander Hennemann (vbm), Prof. Dr. Franz-Josef Rose (Hessenmetall), Sibylle Talkenberg (Gesamtmetall), Constanze Weber (Gesamtmetall) Dieser Leitfaden ist mit großer Sorgfalt erstellt worden. Er ersetzt gleichwohl die Beratung im Einzelfall nicht. Mit der Bitte um Verständnis wird darauf hingewiesen, dass keinerlei Haftung übernommen wird. Vorwort Der Betriebsübergang und die vielen komplexen Folgefragen sind ein fester Bestandteil in der Beratung der Mitgliedsunternehmen. Gesamtmetall hatte im Jahr 2005 aus diesem Grund rechtliche Hinweise für die M+E-Industrie herausgegeben. Diese Ausarbeitung war überarbeitungsbedürftig, insbesondere aufgrund umfangreicher neuer Rechtsprechung des EuGH und des BAG. Die Neuauflage soll in erster Linie die Verbandsmitarbeiter bei der Beratung der Mitgliedsfirmen unterstützen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie anhand der aktuellen Rechtsprechung und Literatur komplett überarbeitet ist, sie die praxisrelevanten Fragen kurz und prägnant aufwirft und beantwortet, zahlreiche Beispiele zur Veranschaulichung enthalten sind, die Kapitel sehr stark untergliedert sind, um die Suche nach den entscheidenden Fundstellen zu vereinfachen, Praxishinweise den Umgang mit der zum Teil komplizierten Materie erleichtern und zusammenfassende Übersichten am Ende eines jeden Kapitels aufgenommen wurden. Jedes Kapitel enthält eine eigene Gliederung und ein eigenes Inhaltsverzeichnis. Die Gesamtausgabe berücksichtigt die Rechtsprechung bis Sommer 2016. Die Hinweise zum Informationsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB sind in einem separaten Kapitel (Kapitel B) enthalten. Für die betriebliche Altersversorgung sind sie allerdings wegen der Komplexität des Themas in das Kapitel „Betriebliche Altersversorgung“ eingearbeitet worden. Die Besonderheiten, die sich aus dem Umwandlungsrecht ergeben, werden in den jeweiligen Kapiteln an passender Stelle dargestellt. Die relevanten Gesetzestexte des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 613a BGB), des Umwandlungsrechts (UmwG) und des Handelsgesetzbuches (HGB) sind am Schluss der Neuauflage abgedruckt. Weiterführende Hinweise enthält die Ausarbeitung „Betriebsänderungen - Rechtliche und praktische Hinweise“ von Gesamtmetall. 1 Einleitung I. Entstehungsgeschichte und Rechtsgrundlagen Die alte Rechtsprechung1 lehnte den automatischen Übergang der Rechtsverhältnisse auf den Erwerber so lange ab, bis die Norm des Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB geschaffen worden ist. § 613a Abs. 1 bis 4 BGB sind bereits 1972 im Zuge der damaligen Reform des Betriebsverfassungsgesetzes in das BGB eingefügt worden. Die Norm sollte vor allem zwei Zwecke verfolgen: Zum einen ging es um den Schutz der Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeberwechsel durch einen Betriebsübergang. Zum anderen sollte die Kontinuität des Betriebsratsamtes oder eine zügige Neuwahl in betriebsratslosen Einheiten gesichert werden. 1977 erging dann auf europäischer Ebene die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14.02.1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen. Diese Richtlinie wurde 1998 durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29.06.1998 geändert. Auslöser und Hintergrund dieser Änderung war die Christel-Schmidt-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, in der der Begriff des Betriebsübergangs abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des BAG definiert wurde und die die (berechtigte) Sorge aufkommen ließ, dass künftig jede schlichte Funktionsnachfolge unter den Begriff des Betriebsübergangs fallen würde. Dies wurde in der Richtlinie 98/50/EG zwar explizit ausgeschlossen, jedoch beeinflusst die Rechtsprechung des EuGH das nationale Recht bis heute nicht nur erheblich, sondern auch grundlegend (Klarenberg-Entscheidung).2 2001 schließlich wurde die Betriebsübergangsrichtlinie durch die Richtlinie 2001/32/EG des Rates vom 12.03.2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ersetzt. Auf nationaler Ebene führte diese Richtlinie zur Schaffung der Absätze 5 und 6 des § 613a, die in Deutschland, insbesondere wegen der Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber den von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmern, für erhebliches Aufsehen gesorgt und gleichzeitig eine immense Rechtsunsicherheit verursacht haben. Die enge Verzahnung von europäischem und nationalem Recht führt dabei vor allem dazu, dass der Rechtsprechung des EuGH zentrale Bedeutung zukommt. Aus diesem Grund müssen Tatbestand und Rechtsfolgen des § 613a BGB im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie (richtlinienkonform) ausgelegt werden. Die Bedeutung des § 613a BGB hat in der Praxis weiterhin dadurch zugenommen, dass in § 324 UmwG die Anwendung des § 613a Abs. 1, 4 bis 6 BGB angeordnet ist. Schließlich ist mit dem BetrVerfReformgesetz aus dem Jahre 2001 eine Stärkung der betriebsverfassungsrechtlichen Mandate verwirklicht worden, da in § 21a BetrVG3 das sog. Übergangsmandat des Betriebsrats geregelt ist. 1 BAG v. 06.02.1995 – 5 AZR 411/83; NZA 1985, 735; LAG Hamm v. 30.09.2009 – 2 Sa 595/09. Siehe Kapitel A: „Tatbestand“. 3 § 21a hat insoweit § 321 UmwG abgelöst; siehe Kapitel I „Betriebsverfassungsrecht“. 2 3 II. Zielsetzungen des § 613a BGB und der Richtlinie 2001/32 Das primäre Ziel sowohl der europäischen Betriebsübergangsrichtlinie als auch des § 613a BGB liegt nunmehr darin, die Arbeitnehmer bei einem Betriebsinhaberwechsel zu schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche zu gewährleisten.4 Die Kontinuität des amtierenden Betriebsrats bzw. die weitere Vertretung der übergehenden Arbeitnehmer durch einen Betriebsrat soll gewährleistet werden. Die Haftung des alten und des neuen Arbeitgebers soll geregelt werden. Die erstgenannte Zielsetzung, Bestands- und (weitgehenden) Inhaltsschutz für die übergehenden Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist aus Sicht der Richtlinie wie des BGB die wichtigste. Sie wird vor allem dann relevant, wenn der Erwerber eines Betriebs oder Betriebsteils Struktur und/oder Organisation ändern bzw. anpassen will. Dies wirft zahlreiche, schwierige Rechtsfragen auf, deren Lösung letztlich i. d. R. davon abhängt, ob der durch § 613a gewährleistete Bestands- und Inhaltsschutz der übergehenden Arbeitsverhältnisse einer entsprechenden Anpassung entgegensteht. Deutlich wird dies z. B. bei § 613a Abs. 4, der nur Kündigungen wegen des Betriebsübergangs verbietet, aber Kündigungen aus anderen Gründen weiterhin für zulässig erklärt. Daraus lässt sich verallgemeinernd eine wichtige Schlussfolgerung ziehen, die zumindest als Kontrollfrage bei verschiedenen Problemen im Zusammenhang mit Betriebs(teil)übergängen genutzt werden kann: Was dem Veräußerer erlaubt war, kann dem Erwerber nicht verboten sein. Daher hilft die Kontrollfrage, ob die in Frage stehende Änderung auch ohne den Betriebsübergang zulässig gewesen wäre. Für die Praxis von Bedeutung ist der Verzicht der Rechtsprechung auf das Kriterium der Wahrung der Identität des Betriebes oder Teilbetriebes beim Übergang (siehe unten A. IV.3). Gelang es früher bei Zerschlagung des Betriebes die Rechtsfolgen des § 613a BGB zu vermeiden, ist dies jetzt nur noch möglich, wenn mit der Zerschlagung des Betriebes auch der Funktions- und Zweckzusammenhang der übertragenen organisatorischen Einheit verloren geht. Soweit § 613a und der dahinter stehende Schutzgedanke eingreift, besteht keine Möglichkeit einer anderweitigen Regelung. § 613a ist zwingendes Recht, sodass zu Lasten der Arbeitnehmer nicht von dieser Vorschrift abgewichen werden kann. Regelungen oder Vereinbarungen, die gegen § 613a verstoßen oder die Norm umgehen wollen, sind daher i. d. R. gemäß § 134 BGB nichtig.5 III. Weitere Haftungsgrundlagen Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass § 613a BGB nicht die einzige Haftungsgrundlage in Bezug auf Arbeitsverhältnisse ist. Vielmehr kann nach anderen Haftungstatbeständen eine, ggf. sogar über § 613a BGB hinausgehende Haftung eintreten. Liegt einem Betriebsübergang eine Umwandlung nach dem UmwG zugrunde, sind die dortigen Spezialtatbestände zu beachten. Diese erweitern die Haftung des übernehmenden Rechtsträgers in Bezug auf den anspruchsberechtigten Personenkreis, da auch bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer u. U. Ansprüche geltend machen können. Praktisch relevant ist dies vor allem für die Ansprüche von Betriebsrentnern. Wird ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft, also im Wege der Einzelrechtsnachfolge übertragen, können als weitere Haftungsgrundlage die §§ 25, 28 HGB dazu treten. 4 5 Siehe Erwägungsgrund (3) der Richtlinie 2001/23/EG. BAG vom 12.05.1992 – 3 AZR 247/91, NZA 1992, 1080. 4 DER BETRIEBSÜBERGANG Rechtliche Hinweise für die M+E-Industrie Kapitel A: Tatbestand 11 Kapitel B: Informationspflicht 77 Kapitel C: Widerspruchsrecht 105 Kapitel D: Rechtsfolgen – Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung 129 Kapitel E: Kündigungsverbot 233 Kapitel F: Insolvenz 265 Kapitel G: Altersteilzeit 287 Kapitel H: Betriebliche Altersversorgung 311 Kapitel I: Betriebsverfassungsrecht 363 Kapitel J: Haftung des Veräußerers 403 5 Kapitel A: Tatbestand 11 I. Anwendungsbereich der Norm 11 II. Übergang betroffener Rechtsverhältnisse 12 1. Beschäftigte Arbeitnehmer 12 a) Klare Zuordnung des betroffenen Arbeitnehmers 13 b) Unklare Zuordnung des betroffenen Arbeitnehmers 13 aa) Tätigkeit in verschiedenen Betriebsbereichen bb) Tätigkeit in zentraler Unternehmensposition cc) Sonderproblem: Freigestellte Betriebsräte 13 15 15 2. Telearbeitnehmer / Freie Arbeitsplatzwahl 15 3. Arbeitnehmer in Altersteilzeit 16 4. Entsandte Mitarbeiter 16 5. Auszubildende 17 6. Studenten / Praktikanten 17 7. Leitende Angestellte / Angestellter Geschäftsführer 17 8. Organmitglieder juristischer Personen 18 9. Zeitarbeitnehmer 18 10. Arbeitnehmerähnliche Personen 19 11. Heimarbeiter 20 12. Freie Mitarbeiter 20 13. Handelsvertreter 20 14. Durch Werkvertrag gebundene Personen 21 15. Rentner / Ausgeschiedene Personen 21 III. Rechtsverhältnis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs 23 1. Bestehende Vertragsverhältnisse 23 a) Aktive Verträge 23 aa) Verträge in Teilzeit bb) Unbefristete Verträge cc) Befristete Verträge dd) Verträge mit laufender Kündigungsfrist ee) Verträge nach Ablauf der Kündigungsfrist ff) Aufhebungsvertrag 23 23 23 24 25 25 b) Ruhende Verträge 26 c) Sabbatical 26 2. Beendete Vertragsverhältnisse 26 a) Ansprüche auf Betriebsrente 27 b) Noch offene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis 27 7 c) Nachvertragliches Wettbewerbsverbot 27 IV. Der Betrieb als Übertragungsobjekt 28 1. Inhalt des Betriebsbegriffs nach § 613a BGB 28 a) Betriebsbegriff im Betriebsverfassungsrecht 29 b) Abgrenzungsfragen 29 aa) Abgrenzung zum Unternehmen bb) Abgrenzung zum Konzern 29 30 2. Tatbestandsmerkmale des Betriebsbegriffs 30 a) Sächliche Mittel prägen den Betrieb 31 b) Immaterielle Mittel prägen den Betrieb 31 c) Übergehende Arbeitsverhältnisse prägen den Betrieb 31 3. Wahrung des Funktions- und Zweckzusammenhangs 32 a) Aufgabe der Betriebsidentität möglich 33 b) Fortsetzung des Funktions- und Zweckzusammenhangs durch Übernahme sächlicher Betriebsmittel 34 aa) Aufgabe des Kriteriums der „eigenwirtschaftlichen Nutzung“ bb) Ortsfeste Betriebsmittel cc) Räumliche Änderung der Betriebsmittel dd) Änderung des Warensortiments ee) Trennung von Betriebsmitteln und betrieblichem Zweck ff) Warenlager als Betriebsmittel 35 36 36 36 37 37 c) Fortsetzung des Funktions- und Zweckzusammenhangs durch Übernahme immateieller Betriebsmittel 38 aa) Bedeutung der Mittel für den Betriebszweck bb) Übernahme von Kundenstämmen cc) Betriebszweck durch technische Betriebsmittel bestimmt dd) Fortsetzung von Lieferantenverträgen ee) Übertragung betrieblichen Know-Hows 38 39 40 40 40 d) Fortsetzung des Funktions- und Zweckzusammenhangs durch Übernahme von Arbeitnehmern 41 aa) Übernahme der Hauptbelegschaft bb) Übernahme von Spezialisten 41 42 V. Betriebsteil als Übertragungsobjekt 44 1. Definition des Betriebsteils 44 a) Teilbetrieb im Betriebsverfassungsrecht 44 b) Teilbetrieb beim Betriebsübergang 44 aa) „Auf Dauer angelegter“ Teilbetrieb bb) Betriebsteil als abgrenzbar zu übertragende Einheit cc) Notwendigkeit einer eigenständigen Betriebsstruktur dd) Betriebsmittel des Teilbetriebes 45 45 46 47 8 ee) Arbeitnehmer des Teilbetriebes 47 2. Wahrung des notwendigen Funktions- und Zweckzusammenhangs 48 VI. Funktionsnachfolge als Verneinung des Betriebsübergangs 49 1. Fremdvergabe von bislang selbst erbrachten Leistungen 50 2. Auftragsverlust an Mitbewerber 51 VII. Betriebsstilllegung/-unterbrechung 52 1. Stilllegung der wirtschaftlichen Tätigkeit 53 a) Zeitmoment 54 b) Umstandsmoment 54 2. Betriebsunterbrechung 56 VIII. Wechsel des Betriebsinhabers 57 1. Übernahme der Leitungsmacht 57 2. Gesellschafterwechsel als Ausschluss des Betriebsübergangs 58 3. Grenzüberschreitender Wechsel des Inhabers 60 a) Übergang innerhalb der Europäischen Union 60 b) Übergang außerhalb der Europäischen Union 60 IX. Übergang durch Rechtsgeschäft 63 1. Rechtsgeschäft als Rechtsgrundlage 63 a) Art des Rechtsgeschäfts 63 b) Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts 64 c) Einzelne Rechtsgeschäfte 65 d) Disposition der Parteien 66 2. Bedeutung des Übertragungswillens 66 a) Geschäftswille 66 b) Fortsetzungswille 67 c) Übertragungswille 68 3. Gesellschaftsrechtlicher Betriebsübergang 68 a) Formen der Umwandlung 69 aa) Verschmelzung bb) Spaltung cc) Ausgliederung dd) Vermögensübertragung 69 70 70 70 b) Umwandlung und Betriebsübergang 70 4. Erbfall als Gesamtrechtsnachfolge 71 5. Übertragung hoheitlicher Aufgaben 72 a) Übertragung durch Gesetz oder Verwaltungsakt 72 9 b) Übertragung durch Vertrag 72 X. Rechtsmissbräuchliches Verhalten 72 1. Bewusste Vermeidung des Betriebsübergangs 73 2. Vorgeschobener Aufhebungsvertrag 73 10 Kapitel A: Tatbestand Der Tatbestand des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht. Der gesetzliche Schutzzweck der Norm erstreckt sich auf die individuelle Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Zielsetzung ist es, den Arbeitsvertrag trotz Übertragung des Betriebes oder Betriebsteils auf den Erwerber zu erhalten. Hingegen dient § 613a BGB nicht dem Schutz kollektivrechtlicher Amtsträger. Das Betriebsratsgremium als solches wird nicht geschützt, hier sind Sonderregeln nach §§ 21a und b BetrVG einschlägig.6 Die Darstellung des Tatbestandes erfolgt in der Weise, dass zunächst eine Definition des persönlichen Geltungsbereichs der Norm erfolgt, nämlich die Bestimmung des Anwendungsbereichs (I.) der vom Betriebsübergang betroffenen Rechtsverhältnisse (II.), die im Zeitpunkt des Betriebsüberganges bestehen müssen (III.). Sachlicher Gegenstand des Überganges kann entweder der gesamte Betrieb (IV.) oder lediglich ein Betriebsteil (V.) sein. Die Funktionsnachfolge (VI.) schließt den Betriebsübergang aus, gleiches gilt bei der Betriebsstilllegung bzw. der Betriebspause (VII.). Im Ergebnis muss es zu einem Wechsel des Inhabers kommen (VIII.), wobei dies durch Rechtsgeschäft (IX.) zu geschehen hat. I. Anwendungsbereich der Norm Der Tatbestand des § 613a BGB setzt voraus, dass ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht. Immer dann, wenn der Erwerber entsprechende sächliche Gesamtheiten übernimmt, sollen die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs greifen, insbesondere die betroffenen Arbeitsverhältnisse durch Übergang auf den Erwerber erhalten bleiben. Der klassische Fall des Betriebsübergangs ist daher der „asset deal“. Materielle oder immaterielle Betriebsmittel gehen insoweit auf den Erwerber über, dass er über die tatsächliche Leitungsmacht verfügt. Ein anderes Ergebnis gilt beim sogenannten „share deal“. Werden nur ein oder mehrere Anteilseigner durch Verkauf und Zukauf von Aktienpaketen ausgewechselt, liegt kein Betriebsübergang, sondern nur ein Inhaberwechsel vor, der die Anwendung des § 613a BGB dann ausschließt, wenn keine anderen relevanten Tatbestandsmerkmale der Norm erfüllt sind. Denn die Anwendung der Rechtsnormen des Betriebsüberganges setzt voraus, dass durch ein Rechtsgeschäft der betriebliche Zweck von einem anderen Unternehmen als Erwerber fortgeführt wird. Beim Inhaberwechsel bleibt der alte Eigentümer erhalten, die Leitungsmacht wird nicht übertragen. Die Regeln des Betriebsübergangs gelten sowohl bei der Einzelrechts- (das Rechtsgeschäft betrifft nur ein Rechtsgut und dieses geht über, z. B. der Betrieb oder Betriebsteil) als auch bei der Gesamtrechtsnachfolge (das Rechtsgeschäft betrifft alle Rechte und Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Kaufgegenstand stehen und dabei geht der Betrieb oder Betriebsteil quasi mit über). Das Tatbestandsmerkmal „Rechtsgeschäft“ bringt zum Ausdruck, dass vor allem die Einzelrechtsnachfolge, also die Übertragung eines Betriebs oder Betriebsteils durch Vertrag, als Betriebsübergang zu verstehen ist. Findet eine Gesamtrechtsnachfolge statt, z. B. nach den Tatbeständen des Umwandlungsgesetzes, also durch Verschmelzung oder durch Vermögensvollübernahme, kann es nach § 324 UmwG zu einem Übergang der betroffenen Arbeitsverhältnisse kommen. Voraussetzung ist, dass sowohl Tatbestand als auch Rechtsfolgen des § 613a BGB über § 324 UmwG verwirklicht sind.7 6 7 Siehe unten: Kapitel H. Siehe unten: Kapitel A, IX. 3. 11 Wird anlässlich eines Erbfalls ein Betrieb übertragen, finden die Rechtsfolgen des § 613a BGB ebenfalls statt. Zusammenfassender Überblick Betriebsübergang nach § 613a BGB durch asset deal durch share deal (+) (-) da lediglich Inhaberwechsel durch Einzelrechtsnachfolge durch Gesamtrechtsnachfolge Übertragung eines Betriebs oder Betriebsteils - Vermögensübertragung nach UmwG - Erbrechtsnachfolge II. Übergang betroffener Rechtsverhältnisse Der Tatbestand des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB kann nur auf „Arbeitsverhältnisse“ angewendet werden, die „im Zeitpunkt des Übergangs“ bestehen. Beide Voraussetzungen knüpfen an den vom Gesetz zugunsten der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vorgesehenen Schutzzweck an. Gerade dieser Zweck wird durch den persönlichen Anwendungsbereich der Norm verdeutlicht, nämlich die Erhaltung der bestehenden Arbeitsplätze, also der Fortbestand der zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisse. Daneben sollen die Verteilung der Haftungsrisiken zwischen dem alten (Veräußerer) und dem neuen (Erwerber) Arbeitgeber geregelt werden. Die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer sollen in Zeiten wirtschaftlicher Änderungen, die sich aus Umstrukturierungsmaßnahmen und Ähnlichem ergeben, nicht mehr als notwendige Nachteile erleiden. Nach dem Normzweck müssen dabei verschiedene Gruppen unterschieden werden: Der Wortlaut des § 613a BGB spricht ausschließlich von den vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitsverhältnissen. Eine weitere Differenzierung in Arbeiter, Angestellte oder Auszubildende erfolgt nicht. 1. Beschäftigte Arbeitnehmer Erfasst werden die Arbeitsverhältnisse aller Arbeitnehmer.8 Im Ergebnis fallen alle Arbeitnehmer in den Schutzbereich des § 613a BGB. Dies gilt auch unabhängig von der Größe des übertragenen Betriebes. Eine Kleinbetriebsklausel wie im Kündigungsschutzrecht oder in der Betriebsverfassung existiert nicht. 8 BAG v. 13.02.2003 – 8 AZR 59/02, NZA 2003, 854. 12 Auch ist der Umfang der Arbeitszeit ohne Bedeutung. Arbeitnehmer, die in Teilzeit beschäftigt sind, unterfallen ebenso dem Schutz des § 613a BGB wie Vollzeitkräfte. Gleiches gilt für befristet beschäftigte Mitarbeiter. Ihr Vertrag geht über, soweit der Betriebsübergang sich während der Laufzeit des Vertrages vollzieht. Letztlich ist die Tarifbindung einer oder beider Vertragsparteien ebenso wenig von Bedeutung wie die Tatsache, ob ein Betriebsrat gewählt ist oder nicht. Für die Anwendung der Norm ist vielmehr entscheidend, ob der vom Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer tatsächlich in dem übergegangenen Betrieb oder Betriebsteil beschäftigt ist. a) Klare Zuordnung des betroffenen Arbeitnehmers Die Frage, ob für die Arbeitnehmer der Schutz nach § 613a BGB besteht, hängt davon ab, ob das eigene Rechtsverhältnis vom Übergang des Betriebs oder Betriebsteils betroffen ist. Hierfür ist eine Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum abgebenden Betrieb erforderlich. Denn nur die Arbeitsverhältnisse, die dem vom Übergang betroffenen Betriebsteil zuzuordnen sind, können nach § 613a BGB auf den Erwerber übergehen.9 Der Übergang eines Rechtsverhältnisses setzt folglich voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer dem übertragenen Betrieb oder Betriebsteil zuzurechnen ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sein Einsatz unter der bestimmenden Leitung des Hauptbetriebs der Erfüllung des ganzen (Betrieb) oder eines abgrenzbaren Betriebszwecks (Betriebsteil) dient. Wichtig ist die tatsächliche Eingliederung in den Arbeitsbereich durch weisungsabhängiges Tätigwerden-Müssen; es ist nicht ausreichend, wenn er nur bei Gelegenheit Tätigkeiten für den übertragenen Bereich verrichtet, ohne in die Struktur eingebunden zu sein.10 Nicht von Bedeutung ist die vertragliche Absprache. Daher ist es egal, ob eine schriftliche oder mündliche Absprache getroffen wurde, maßgeblich für die Zuordnung des Arbeitnehmers ist der faktische Arbeitseinsatz.11 Beispiel: Der Betrieb eines Unternehmens verfügt über einen produzierenden Teil und eine Logistikabteilung mit 10 LKW. Wird nur der Fuhrpark verkauft und findet ein Betriebsübergang statt, sind die Arbeitnehmer, die vorher ausschließlich die Fahrzeuge gesteuert haben, eindeutig dem übertragenen Bereich zuzuordnen. b) Unklare Zuordnung des betroffenen Arbeitnehmers Die Zuordnung der Arbeitnehmer ist dann problematisch, wenn sie in mehreren Arbeitsbereichen ihre Tätigkeit erbringen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Arbeitnehmer ohne klare Zuordnung zwischen verschiedenen Betriebsteilen wechseln oder in Konzernzentralen für mehrere Konzernunternehmen tätig werden. aa) Tätigkeit in verschiedenen Betriebsbereichen Für den Schutz des § 613a BGB ist es von Bedeutung, dass ein Arbeitnehmer klar dem vom Betriebsübergang betroffenen Betrieb oder Betriebsteil zugeordnet werden kann. Veräußerer und Erwerber müssen wissen, welche Arbeitsverhältnisse vom Betriebsübergang betroffen sind. 9 BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 375/96, NZA 1998, 249. BAG v. 24.08.2006 – 8 AZR 556/05, DB 2006, 2818. 11 LAG Hamm v. 22.08.1996 – 4 Sa 322/96. 10 13 Sind Arbeitnehmer in mehreren Betriebsteilen eingesetzt, ist der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses in erster Linie anhand des zeitlichen Aufwandes zu ermitteln12. Kriterium kann aber auch die Bedeutung der Tätigkeit für einen Bereich sein. Der Schwerpunkt der Tätigkeit richtet sich im Ergebnis danach, wo der Arbeitnehmer qualitativ oder quantitativ überwiegend seine Arbeitsleistung erbringt.13 Beispiel: Ein Betrieb verfügt über einen produzierenden Teil und eine Logistikabteilung mit zehn LKW. Ein Arbeitnehmer arbeitet überwiegend an einer Produktionsmaschine. Bei gelegentlichen personellen Engpässen im Fuhrpark hilft er aus, da er über eine entsprechende Fahrerlaubnis verfügt. Bei einem Betriebsübergang des Fuhrparks auf einen neuen Inhaber wäre sein Rechtsverhältnis nicht betroffen, da er aufgrund seiner überwiegenden Tätigkeit dem Produktionsbereich zugerechnet werden muss. Unabhängig von der objektiven Zuordnung, die sich an der faktischen Beschäftigung des Arbeitnehmers orientiert, hat das BAG die Zuordnung auch am Willen des Veräußerers und Erwerbers orientiert.14 Dies vor allem dann, wenn ein Arbeitnehmer als Springer permanent in verschiedenen Betriebsbereichen tätig ist. Da der Schutzzweck der Norm eine eindeutige Zuordnung der Arbeitnehmer verlangt, soll nach Auffassung des BAG bei fehlenden objektiven Kriterien eine einvernehmliche Regelung des Erwerbers und des Veräußerers möglich sein15. Erst wenn Erwerber und Veräußerer sich nicht einigen können, soll nach objektiven Indizien entschieden werden. Vorzugswürdig erscheint hingegen die Ansicht16, dass unabhängig vom subjektiven Willen der Beteiligten grundsätzlich die objektiven Gegebenheiten entscheidend sein sollen. Allein die objektive Betrachtung des Tätigkeitsbildes des betroffenen Arbeitnehmers ist in der Lage, sachgerechte Lösungen hervorzurufen, die dem Schutzzweck des § 613a BGB gerecht werden. Primär sollte folglich das objektiv sich zeigende Bild der Tätigkeit betrachtet werden. Beispiel: In einem übertragenen Betrieb sind zentrale Bereichsleiter tätig, die ohne Schwerpunktbildung auch für andere Betriebe zuständig sind. Das Problem verstärkt sich dann, wenn die betroffenen Arbeitnehmer für die verschiedenen Betriebe in etwa in gleichem Umfang tätig sind. Dies könnte bei verschiedenen Betriebsübergängen der einzelnen Betriebe zur theoretischen Konsequenz führen, dass sie gegenüber dem Erwerber des jeweiligen Betriebs die Rechtsfolgen 17 aus § 613a BGB einfordern könnten. Im Ergebnis kann kein Vollzeitarbeitsverhältnis geteilt werden. Weder kann der Arbeitnehmer bei nicht eindeutiger Zuordnung seiner Tätigkeit beim Veräußerer und zeitgleich beim Erwerber arbeiten noch gleichzeitig bei mehreren Erwerbern. Da letztlich auch nicht zwei oder mehrere Arbeitsverhältnisse in Teilzeit durch den Betriebsübergang entstehen sollen, muss der Arbeitnehmer entweder beim Veräußerer verbleiben oder bei einem Übergang auf einen einzigen Erwerber übergehen. 12 BAG v. 17.10.2013 – 8 AZR 763/12, NZA 2014, 392. LAG Schleswig-Holstein v. 13.06.2013 – 5 Sa 367/12, NZA-RR 2013, 456; LAG Düsseldorf v. 21.11.1995 – 16 (15) Sa 428/95. 14 BAG v. 20.07.1982 – 3 AZR 261/80, DB 1983, 50. 15 BAG 24.01.2013 – 8 AZR 706/11, NZA 2013, 1390. 16 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 72. 17 LAG Hamm v. 15.04.1998 – 8 Sa 2302/98. 13 14 Praxishinweis: Bei nicht eindeutiger Zuordnung ist eine Absprache zwischen dem betroffenen Arbeitnehmer, dem Veräußerer und einem möglichen Erwerber notwendig. Über entsprechende Absprachen zwischen dem Veräußerer und einem oder mehreren Erwerbern im Vorfeld ist der betroffene Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 5 BGB zu informieren. bb) Tätigkeit in zentraler Unternehmensposition Ein weiteres Problem kann bezüglich der Mitarbeiter entstehen, die in zentralen Unternehmenspositionen angesiedelt sind und hierbei ihre Tätigkeit für verschiedene Konzernunternehmen erbringen. Wird eine Konzerntochter übertragen, für die ein entsprechender Mitarbeiter Serviceleistungen erbracht hat, geht dessen Arbeitsverhältnis nur dann auf den Erwerber über, sofern er ganz überwiegend Tätigkeiten für den vom Betriebsübergang betroffenen Teilbereich des Konzerns erbracht hat. Den Maßstab der Entscheidung bildet die Frage, ob mit Übertragung des Unternehmens der betroffene Konzernbereich seine Funktion verloren hat. Betriebsteile in Form von Verwaltungseinrichtungen gehen nämlich nur dann auf den Erwerber über, wenn durch Übertragung von sächlichen und/oder immateriellen Betriebsmitteln oder durch den Übergang der Arbeitnehmer der Funktions- und Zweckzusammenhang genau dieser Einheit erhalten bleibt.18 Die im Betrieb durchgeführte Tätigkeit muss sich folglich gleich oder ähnlich beim Erwerber fortsetzen. Beispiel: Ein Mitarbeiter in der Konzernzentrale führt unter anderem Verwaltungsarbeiten für den Technikbereich einer Konzerntochter durch. Diese wird veräußert. Die Verwaltungsabteilung der Konzernzentrale wird stillgelegt, die verbleibenden Arbeiten anders verteilt. Die Tätigkeit für die Technik reicht allein für einen Betriebsübergang des Arbeitsverhältnisses nicht aus. Es fehlt an 19 der ausschließlichen organisatorischen Einbindung in die übertragene Konzerntochter. Etwas anderes gilt folglich nur dann, wenn der Arbeitnehmer ausschließlich für die Konzerntochter tätig war und organisatorisch fast wie ein eigener Mitarbeiter angesehen werden muss20 te. cc) Sonderproblem: Freigestellte Betriebsräte Auch die Zuordnung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds ist schwierig. Bezogen auf seine tatsächliche Tätigkeit ist es keinem Betriebsteil zuzuordnen. Im Ergebnis wird man eine hypothetische Betrachtungsweise anstellen müssen, welchem Betriebsteil der Betriebsrat zuzuordnen wäre, wenn er nicht freigestellter Betriebsrat geworden wäre. Würde er seine Tätigkeit in dem vom Betriebsübergang betroffenen Betriebsteil erbringen, geht sein Arbeitsverhältnis trotz Status eines freigestellten Betriebsrats mit auf den Erwerber über.21 Praxishinweis: Auch bzgl. der arbeitsvertraglichen Zukunft, also der Zuordnung zum künftigen Betrieb von freigestellten Betriebsräten, sollte eine einvernehmliche Lösung zwischen dem betroffenen Betriebsrat, dem Veräußerer und dem Erwerber gefunden werden. 2. Telearbeitnehmer / Freie Arbeitsplatzwahl Für die Anwendung des § 613a BGB ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten des Unternehmens innehat oder als Telearbeiter tätig ist. 18 BAG v. 24.08.2006 – 8 AZR 556/05, DB 2006, 2118. BAG v. 08.08.2002 – 8 AZR 583/01, NZA 2003, 315. 20 LAG Köln v. 08.06.2001 – 11 Sa 281/01, BB 2001, 2172. 21 BAG v. 19.09.1997 – 2 ABR 15/97, NZA 1998, 189. 19 15 Auch die inhaltliche Ausgestaltung der Telearbeit – alternierende oder ausschließliche Telearbeit – ist ohne Bedeutung. Bei der Durchführung beider Formen der Telearbeit ist der Schutz des § 613a BGB geboten, da die betroffenen Personen trotz der Tätigkeit von der eigenen Wohnung aus nach wie vor arbeitsrechtlich an das Unternehmen gebunden sind. Dies gilt vor allem dann, wenn sich das Unternehmen im Wege der einseitigen Anordnung vorbehält, den Arbeitsplatz jederzeit wieder in den Betrieb zu integrieren. Unabhängig von der Telearbeit greift der Schutz des § 613a BGB auch bei jeder anderen Form von Arbeit, die nicht an einen konkreten Arbeitsplatz gebunden ist. Dabei ist es egal, ob die Dispositionsbefugnis beim Arbeitgeber oder Arbeitnehmer liegt. Sowohl der zeitliche Umfang als auch die mögliche Entfernung vom Betrieb sind ohne Bedeutung. 3. Arbeitnehmer in Altersteilzeit Altersteilzeit ist sowohl nach Gesetz als auch nach den tariflichen Möglichkeiten der verschiedenen Branchen in zwei Modellen denkbar. Im sogenannten „Blockmodell“ arbeitet der Arbeitnehmer aktiv in der ersten Hälfte der Altersteilzeit, während er in der zweiten Hälfte der Altersteilzeit von der Arbeitsleistung befreit wird. Im „Teilzeitmodell“ arbeitet der Arbeitnehmer während der gesamten Dauer des Altersteilzeitverhältnisses, jedoch ist die von ihm zu erbringende Arbeitszeit um die Hälfte reduziert. Der persönliche Anwendungsbereich des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gilt für beide Modelle, also sowohl für Arbeitnehmer mit reduzierter Arbeitszeit wie auch für die Arbeitnehmer, die sich im „Blockmodell“ in der Arbeitsphase22 oder in der Freistellungsphase23 befinden. Beim Betriebsübergang wird das Rechtsverhältnis, wie es bestanden hat, fortgesetzt. Eine inhaltliche Änderung oder gar ein Wechsel der Arbeits- oder der Freistellungsphase kann weder vom Veräußerer noch vom Erwerber verlangt werden. Gleiches gilt für den Arbeitnehmer selbst. Das bedeutet: Geht in der Arbeitsphase der Betrieb über, wird die Arbeitsphase bis zum vereinbarten Ende fortgesetzt. Auch an die zuvor vereinbarte Freistellungsphase ist der Erwerber gebunden. Geht der Betrieb in der Freistellungsphase über, muss der Erwerber ebenfalls den Altersteilzeitvertrag erfüllen. Bei einer Freistellung von der Arbeit durch Altersteilzeit im Blockmodell wird der Arbeitnehmer regelmäßig dem Teil zugeordnet, in dem er zuletzt tätig war.24 4. Entsandte Mitarbeiter In der Praxis kommt es vielfach vor, dass Arbeitnehmer von ihrem Dienstsitz an andere Betriebe des Unternehmens oder gar an andere Unternehmen im Konzernverbund entsandt werden. Auch die Entsendung ins Ausland ist sowohl für kurze Zeit wie auch für einen längeren Zeitraum möglich. Der entsandte Mitarbeiter und das entsendende Unternehmen schließen in diesen Fällen regelmäßig einen Entsendungsvertrag, der die Einzelheiten der Tätigkeit an dem anderen Arbeitsplatz beinhaltet. Findet ein Betriebsübergang zwischen dem entsendenden Unternehmen als Veräußerer und einem dritten Unternehmen als Erwerber statt, geht auch das Arbeitsverhältnis der entsand- 22 BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408. BAG v. 30.10.2008 – 8 AZR 54/07, NZA 2009, 432; LAG Rheinland-Pflalz v. 01.10.2012 – 5 Sa 158/12. 24 BAG v. 31.01.2008 – 8 AZR 27/07, NZA 2008, 705. 23 16 ten Mitarbeiter auf den Erwerber über. Voraussetzung ist nur, dass deren Vertragsverhältnis dem entsendenden Betrieb zuzurechnen war.25 Praxishinweis: Der Betriebsübergang hat aber auch im Entsenderecht Grenzen: Liegt ein Betriebsübergang vor, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine weitere Entsendung durch den Erwerber als den, der sich aus der übergegangenen Entsendungsvereinbarung ergeben hat. Auch kann der Arbeitnehmer bei der Entsendung in ein anderes Unternehmen nicht geltend machen, sein Vertrag wäre auf dieses (Dritt)Unternehmen übergegangen, in das er entsandt wurde. 5. Auszubildende Der Schutzzweck des § 613a BGB gilt ferner für Personen, die nach dem Berufsbildungsgesetz zum Zweck der Berufsausbildung beschäftigt werden.26 Dies kann zur Folge haben, dass ein Unternehmen, welches bislang nicht ausgebildet hat, durch Zukauf eines Betriebes mit einer Ausbildungsabteilung nach dem Betriebsübergang für die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Ausbildung Sorge zu tragen hat. 6. Studenten / Praktikanten Vielfach werden in Unternehmen Studenten und Praktikanten beschäftigt. Dies erfolgt z. T. im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, z. B. während der Semesterferien oder als studienbegleitendes oder Orientierungspraktikum. Wird das Rechtsverhältnis geschlossen, um Entgelt zu erzielen, liegt ein normales, in der Regel befristetes Arbeitsverhältnis vor, welches bestandsgeschützt unter den Anwendungsbereich des § 613a BGB fällt. Für die Frage des notwendigen Schutzes des Vertragsverhältnisses besteht insoweit kein Unterschied zu einem normalen Arbeitsverhältnis. Der Erwerber muss in alle Rechte und Pflichten eintreten. Etwas anderes gilt für die Zusage eines Unternehmens an einen Studenten, betriebsbezogen die Anfertigung einer Diplomarbeit zu ermöglichen oder ein studienbegleitendes bzw. Orientierungspraktikum durchzuführen. In diesen Fällen liegt regelmäßig kein echtes Arbeitsverhältnis vor; die Erbringung der universitären Leistung als Prüfungsleistung oder als praktische Studienzeit steht klar im Vordergrund. Da § 613a BGB ausschließlich die abhängigen Arbeits- und vergleichbare Rechtsverhältnisse schützen will, ist unter Berücksichtigung des Sinnes und Zweckes der Vorschrift das Rechtsverhältnis eines Praktikanten oder Diplomanden nicht bestandsgeschützt und geht damit auch nicht auf den Erwerber über. Studenten im Rahmen eines dualen Studiums sind ebenfalls durch § 613a BGB geschützt. Der Erwerber muss den Ausbildungsvertrag und die weiteren Absprachen zur Durchführung des Studiums erfüllen. Änderungen oder Ausweitungen können weder der betroffene Auszubildende noch der Erwerber verlangen. 7. Leitende Angestellte / Angestellter Geschäftsführer Beim Betriebsübergang von leitenden Angestellten wird auf den notwendigen Schutz dieser Personengruppe abgestellt. Der Inhalt des Vertrages, insbesondere das Ausmaß, eigenver25 26 BAG v. 14.07.2005 – 8 AZR 392/04, NZA 2005, 1411. BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 382/05, NZA 2006, 1406. 17 antwortlich handeln zu können, ist zwar bei der Bestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz ausschlaggebend, die Notwendigkeit des gesetzlichen Schutzes aus § 613a BGB wird aber umso höher bewertet, je größer die persönliche und finanzielle Abhängigkeit vom Unternehmen ist. Im Gegensatz zu den Organmitgliedern wird bei leitenden Angestellten – auch mit weitreichenden Befugnissen faktischer und finanzieller Art – die Abhängigkeit vom Unternehmen bejaht. Deshalb können sie für den Bestand ihres Rechtsverhältnisses Übertragungsschutz beanspruchen. Daher fallen auch leitende Angestellte unter den Schutz des § 613a BGB.27 8. Organmitglieder juristischer Personen Aus zwei Gründen sind die Rechtsverhältnisse der Organmitglieder, z. B. Vorstände einer AG, nicht vom Tatbestand des § 613a BGB umfasst. Zum einen sind Organmitglieder keine Arbeitnehmer, da sie nicht vertraglich verpflichtet sind, weisungsabhängig ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Darüber hinaus stehen sie in einem besonderen Vertrauensverhältnis zur Gesellschaft. Personen in solch leitender Funktion sollen nicht gegen den Willen des (Erwerber-)Unternehmens tätig werden dürfen. Dies gilt bereits für den bestehenden Vertrag und wird inhaltlich durch den fehlenden Kündigungsschutz belegt. Aufgrund der Nähe zum Arbeitgeber und der entsprechenden Befugnisse im Betrieb bzw. Unternehmen kann es zu keiner zwangsweisen Übertragung eines Rechtsverhältnisses dieser Personengruppe und damit nicht zur Anwendung des § 613a BGB auf den Erwerber kommen, da sich kein Unternehmen ein Organmitglied aufdrängen lassen muss. Problematisch wird die Anwendung des § 613a BGB dann, wenn neben der Bestellung zum Geschäftsführer bzw. zum Mitglied des Vorstandes aus früheren Zeiten noch ein Arbeitsverhältnis besteht. In diesen Fällen ist die Frage der Anwendbarkeit des § 613a BGB auf die betreffende Person zweigeteilt zu beantworten. Für die Organstellung wird kein Übertragungsschutz gewährt, hingegen kann ein möglicherweise ruhendes Anstellungsverhältnis beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auf den Erwerber übergehen.28 Im Regelfall erlischt aber das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis. Bei der Bestellung zum Organ wird vom Abschluss eines konkludenten Aufhebungsvertrages ausgegangen.29 Gleiches gilt beim Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrages. Für ein anderes Auslegungsergebnis, also für das Bestehen eines ruhenden Anstellungsvertrages, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Regelmäßig kommt ein Wiederaufleben nicht in Betracht.30 Praxishinweis: Auf die reine Organstellung wird § 613a BGB auch nicht analog angewandt. 9. Zeitarbeitnehmer Bei der Anwendung des § 613a BGB auf Zeitarbeitnehmer ist zu unterscheiden, ob der Betrieb bzw. Betriebsteil des verleihenden oder der Betrieb bzw. der Betriebsteil des entleihenden Unternehmens durch Rechtsgeschäft auf einen Dritten übertragen wird. 27 BAG v. 22.02.1978 – 5 AZR 800/76, BB 1978, 914. BAG v. 13.02.2003 – 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552. 29 BAG v. 03.02.2009 – 5 AZB 100/08, NZA 2009, 669. 30 BAG v. 05.06.2008 – 2 AZR 754/06, NZA 2008, 1002; LAG Köln v. 09.01.2014 – 7 Sa 98/13. 28 18 Lediglich dann, wenn der Verleihbetrieb selbst Objekt der Übertragung ist, gehen die Rechtsverhältnisse, die zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer bestehen, auf den Erwerber über.31 Übernimmt ein Zeitarbeitsunternehmen von einem anderen Zeitarbeitsunternehmen lediglich die bei einem bestimmten Entleiher eingesetzten Beschäftigten, die nicht die Hauptbelegschaft32 darstellen, und setzt diese weiter als eigene ein, stellt dies keinen (Teil-) Betriebsübergang dar, weil die übernommenen Arbeitnehmer keinen eigenständigen Betriebsteil darstellen.33 Dies gilt vor allem dann, wenn noch weitere Baustellen vorhanden sind. Bildet der Betrieb bzw. Betriebsteil des Entleihers den Gegenstand der Übertragung, findet § 613a BGB keine Anwendung, da zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer keine arbeitsrechtliche Beziehung besteht. Praxishinweis: Sind im übernommenen Betrieb Zeitarbeitnehmer beschäftigt, ist aufgrund der gesetzlichen Höchstüberlastungsdauer von 18 Monaten, die gemäß § 19 Abs. 2 AÜG ab dem 01.04.2017 gilt, nicht auszuschließen, dass der Erwerber diese Höchstdauer ebenfalls beachten muss, d. h. die Fristen unabhängig vom Betriebsübergang weiterlaufen. Gleiches könnte für die neun Monate hinsichtlich des Equal Pay gelten. Es empfiehlt sich zudem für den Erwerber dringend, vor dem Betriebsübergang mit dem Zeitarbeitsunternehmen einen eigenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zu schließen (ausdrücklich als solchen bezeichnet) und die Zeitarbeitnehmer (ggf. schriftlich) namentlich mit dem Zeitarbeitsunternehmen unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren. Dies gilt aufgrund des Deklarationsgebotes aus dem zu erwartenden § 1 Abs. 1b Sätze 5 und 6 AÜG. Auf diese Art und Weise kann die Gefahr des fingierten Arbeitsverhältnisses zwischen dem Einsatzbetrieb und dem Zeitarbeitnehmer ausgeschlossen werden. Bei entsprechender Tarifgebundenheit des Erwerbers sind die (Neu-)Regelungen des Tarifvertrages zur Leih-/Zeitarbeit zu berücksichtigen. Dies betrifft insbesondere die Übernahmeverpflichtung nach 24 Monaten. Sofern eine nahtlose Weiterbeschäftigung erfolgt, besteht für den Erwerber das Risiko, dass auch die bisherigen Einsatzzeiten mit auf die Frist angerechnet werden müssen. In diesen Fällen kann das Risiko bestehen, dass es zu einer Übernahmeverpflichtung bereits zu einem Zeitpunkt kommt, zu dem der Zeitarbeitnehmer noch keine 24 Monate beim Erwerber tätig gewesen ist. Für einen Neubeginn der Einsatzzeit sollte, wie in den gesetzlichen Regelungen vorgesehen, eine Unterbrechungsfrist von mehr als drei Monaten eingehalten werden. 10. Arbeitnehmerähnliche Personen Rechtsverhältnisse von arbeitnehmerähnlichen Personen unterfallen dem Schutzzweck des § 613a BGB nicht. Arbeitnehmerähnliche Personen sind Dienstleistende, die trotz persönlicher Abhängigkeit deshalb nicht als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind, weil sie eine selbstständige Tätigkeit erbringen. Dies, obwohl mangels mehrerer Auftraggeber meist eine wirtschaftliche Abhängigkeit zum Auftraggeber besteht.34 Arbeitnehmerähnliche Personen wer31 BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 1023/12, NZA 2014, 436; BAG v. 18.02.1988 – 2 AZR 578/87, n.v.; LAG Sachsen-Anhalt v. 20.01.2009 – 8 Sa 146/08. 32 BAG v. 19.03.2017 – 8 AZR 150/14. 33 BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 1023/12. 34 BAG v. 08.05.2007 – 9 AZR 777/06, BB 2007, 2298. 19 den regelmäßig persönlich ohne Hilfe Dritter tätig, sind in Betriebsorganisation nicht eingegliedert und in der Regel nur einem Kunden gegenüber vertraglich verpflichtet.35 Zu arbeitnehmerähnlichen Personen in diesem Sinn zählen insbesondere Frachtführer und Hausgewerbetreibende. Gleiches kann auch für Künstler, Schriftsteller und sonstige Mitarbeiter von Radio- und Fernsehanstalten gelten.36 Diese Personengruppen stehen nicht in einem „Arbeitsverhältnis“ i. S. d. § 613a BGB und unterfallen daher nicht dessen persönlichem Schutzbereich.37 Praxishinweis: Die Abgrenzung der arbeitnehmerähnlichen Personen von echten Arbeitnehmern kann im Einzelfall sehr schwierig sein. Daher kann die Rechtsprechung aus Gründen des wirtschaftlichen Schutzes das Vertragsverhältnis schnell als Arbeitsvertrag qualifizieren. Solche Personen, z. B. freie Haustechniker, sollten nicht wie eigene Arbeitnehmer geführt, sondern vielmehr als selbstständige Werkvertragspartner behandelt werden. 11. Heimarbeiter Die Rechtsprechung hat es bislang grundsätzlich als unbedenklich angesehen, dass bestimmte Arbeitnehmerschutzvorschriften vom Gesetzgeber nicht auch zugunsten arbeitnehmerähnlicher Personen für anwendbar erklärt worden sind. Da § 613a BGB nur auf Arbeitsverhältnisse Anwendung findet, unterfallen Verträge mit Heimarbeitern nicht dem Anwendungsbereich des § 613a BGB.38 12. Freie Mitarbeiter Echte freie Mitarbeiter stehen nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Unternehmen. Kennzeichnend für das Rechtsverhältnis ist die Möglichkeit, sowohl die Arbeitszeit als auch die Ausführung der Arbeit frei zu bestimmen sowie die Möglichkeit, sich mehreren Vertragspartnern gegenüber zu verpflichten. Da § 613a BGB nur auf Arbeitsverhältnisse Anwendung findet, sind freie Mitarbeiterverhältnisse nicht in den Anwendungsbereich des § 613a BGB einbezogen.39 13. Handelsvertreter Auch bei einem Handelsvertreter nach § 78 HGB existiert kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 613a BGB. Denn gem. § 84 Abs. 1 HGB ist nur derjenige Handelsvertreter, der als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Normative Voraussetzung ist, dass der Handelsvertreter im Wesentlichen frei seinen Vertragspartner wählen, seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Fraglich ist, ob dies auch für Handelsvertreter gilt, die als „Einfirmenvertreter“ mit geringem Einkommen tätig sind. In Abgrenzung zum echten unabhängigen Handelsvertreter gilt gem. § 84 Abs. 2 HGB derjenige, der nur für einen Unternehmer Geschäfte vermittelt, dann als Angestellter, also als Arbeitnehmer, wenn er wirtschaftlich abhängig ist und damit nach dem Gesetz nicht selbstständig sein kann. 35 BAG v. 30.08.2000 – 5 AZB 12/00, NZA 2000, 1359. BVerfG v. 13.01.1982 – 1 BvR 848/77, DB 1982, 1062. 37 BAG v. 24.03.1998 – 9 AZR 218/97, NZA 1998, 1001. 38 BAG v. 08.05.2007 – 9 AZR 777/06, DB 2007, 2268. 39 BAG v. 13.02.2003 – 8 AZR 59/02, NZA 2003, 854. 36 20 Nur in diesem Fall findet der Bestandsschutz gemäß § 613a BGB Anwendung, mit der Folge, dass unselbstständige Handelsvertreter, insbesondere die „Einfirmenvertreter“, in den persönlichen Anwendungsbereich des § 613a BGB fallen.40 14. Durch Werkvertrag gebundene Personen Durch Werkverträge gebundene Personen fallen nicht in den Schutzbereich des § 613a BGB. Die Eingliederung in das Unternehmen, das beim Betriebsübergang veräußert wird, erfolgt nicht durch Anstellungsvertrag, sondern durch Werkvertrag zwischen dem entsendenden Unternehmen als Auftragnehmer und dem vom Betriebsübergang betroffenen Unternehmen als Auftraggeber. Etwas anderes kann bei langjähriger Tätigkeit und organisatorischer Eingliederung in den Betrieb des Auftragnehmers gelten. Durch die tatsächlich vergleichbare Stellung mit den „regulären“ Arbeitnehmern können sich betroffene Personen auf eine Zugehörigkeit zum Betrieb des Auftragnehmers berufen und anschließend die Rechtsfolgen des § 613a BGB geltend machen. Dies vor allem dann, wenn sächliche Mittel des Auftraggebers genutzt werden.41 Beispiel: In einem Unternehmen arbeiten seit Jahren Arbeitnehmer eines fremden Elektrobetriebes. Sie führen alle entsprechenden Tätigkeiten aus. Ursprünglich wurde ein Werkvertrag geschlossen, der Einsatz der Elektriker erfolgte ausschließlich über den Elektrobetrieb. Dieses System der Arbeitsanweisung wurde nicht durchgehalten, Anweisungen erfolgten ab einem gewissen Zeitpunkt regelmäßig von den betrieblichen Vorgesetzten des beauftragenden Unternehmens. Der Elektrobetrieb wird insolvent, anschließend geht der Betrieb des beauftragenden Unternehmens auf einen neuen Inhaber über. Hier werden sich die im Unternehmen eingesetzten Elektriker gem. § 10 AÜG auf die unzulässige Arbeitnehmerüberlassung und damit auf die Zugehörigkeit zum übergegangenen Betrieb berufen können. Ihr Rechtsverhältnis geht nach § 613a BGB auf den Erwerber über. Praxishinweis: Die tatsächliche Durchführung eines anderslautenden Vertrages ist daher für die Beurteilung des Einzelfalls entscheidend. Anderslautende vertragliche Absprachen sind ohne Bedeutung. Wichtig sind saubere Kommunikationsstrukturen; der Werkvertragspartner selbst oder seine Mitarbeiter dürfen nicht wie eigene Mitarbeiter geführt und damit nicht mittels Ausübung des Direktionsrechts zur Arbeitsleistung angewiesen werden. 15. Rentner / Ausgeschiedene Personen Ehemalige Beschäftigte, die wegen Bezug der Alters-42 oder einer sonstigen Rente ausgeschieden sind, fallen nicht in den Schutzbereich des § 613a BGB. Gleiches gilt für die Personen, die aus anderen Gründen bereits vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs aus dem Betrieb bzw. dem Unternehmen ausgeschieden sind. 40 BAG v. 21.01.1988 – 2 AZR 480/87, NZA 1988, 838. BAG v. 15.02.2007 – 8 AZR 431/06, NZA 2007, 793. 42 BAG v. 18.03.2003 – 3 AZR 315/02, DB 2004, 1624. 41 21 Zusammenfassender Überblick Übergang nach § 613a BGB Rechtsverhältnisse im betroffenen Betrieb(-steil) Anmerkungen JA JA/NEIN grds. abhängig von Zuordnung durch Veräußerer und Erwerber, i. Ü. objektive Kriterien Zentrale Abteilungen JA wenn überwiegender Teil der Tätigkeit betroffen Freigestellte Betriebsräte JA/NEIN Hypothetische Zuordnung Verschiedene Einsatzorte Beschäftigte Auszubildende JA Telearbeitnehmer JA Leitende Angestellte JA Organmitglieder NEIN Altersteilzeitmitarbeiter JA Unabhängig ob Arbeits- oder Freistellungsphase Studenten/Praktikanten JA wenn Erwerbstätigkeit vorliegt Zeitarbeitnehmer NEIN wenn Einsatzbetrieb übertragen wird (Ausnahme: Der Hauptbetrieb wird übertragen) Entsandte Mitarbeiter JA Heimarbeiter NEIN Freie Mitarbeiter NEIN Arbeitnehmerähnliche Personen NEIN Handelsvertreter NEIN Werkvertragsgebundene Personen NEIN Rentner / ausgeschiedene Personen NEIN wenn Vertragsverhältnis dem entsendenden Betrieb zuzurechnen ist 22 III. Rechtsverhältnis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs Der persönliche Geltungsbereich des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfordert gerade zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses. Fraglich ist, ob zu dem Zeitpunkt auch die wechselseitigen Rechte und Pflichten aktiv bestehen müssen, ob folglich auch ein ruhender Vertrag unter den Schutzbereich der Norm fällt. 1. Bestehende Vertragsverhältnisse Der Betriebsübergang nach § 613a BGB knüpft nach seinem Wortlaut allein an das Bestehen einer vertraglichen Beziehung zwischen dem betroffenen Arbeitnehmer und dem Unternehmen des Veräußerers an. Inhaltlich können damit aktive und auch ruhende Arbeitsverhältnisse betroffen sein. a) Aktive Verträge Aktive Arbeitsverhältnisse können sowohl unbefristet als auch nach dem TzBfG mit Zeit- oder Sachgrundbefristung befristet geschlossen werden. aa) Verträge in Teilzeit Auch in Teilzeit zu erfüllende Verträge unterfallen dem Schutz des § 613a BGB. Diese gehen ohne Anspruch auf inhaltliche Veränderung auf den Erwerber über. bb) Unbefristete Verträge Regelmäßig fallen die Rechtsverhältnisse von unbefristet eingestellten Arbeitnehmern unter den Tatbestand des § 613a BGB. Dabei ist es egal, ob der Arbeitnehmer seiner Tätigkeit nachkommt, Urlaub hat oder Entgeltfortzahlung bezieht. Der Schutz des Bestandes des Arbeitsverhältnisses greift ferner unabhängig davon ein, ob das Arbeitsverhältnis sich in einem gekündigten Zustand befindet oder nicht. cc) Befristete Verträge Auch befristete Arbeitsverhältnisse unterfallen dem Bestandsschutz des § 613a BGB. Nach Betriebsübergang läuft das zeitbefristete Arbeitsverhältnis bis zum vorgesehenen Ablauf beim Erwerber weiter. Zwar müssen befristete Verträge vom Erwerber erfüllt werden, jedoch bestehen keine Ansprüche des Arbeitnehmers auf Verlängerung oder gar auf Entfristung. Der Vertrag mit dem Veräußerer ist beim Betriebsübergang nicht zu Lasten des Erwerbers als unzulässige Vorbeschäftigung anzusehen. Denn ein einheitlicher befristeter Vertrag wird mit der vereinbarten Laufzeit übertragen. Ist das Rechtsverhältnis aufgrund eines Sachgrundes befristet, hängt die Zulässigkeit der Befristung auch für den Erwerber davon ab, inwieweit er sich auf das Bestehen des Befristungsgrundes berufen kann. Der Sachgrund, der bei Vertragsschluss vorlag und die Befristung rechtfertigt, muss auch für ihn gelten43. Ein Austausch des Grundes ist aufgrund des Betriebsübergangs für ihn nicht möglich. Praxishinweis: Aus diesem Grund sollte sich der Erwerber vor dem Übergang des Betriebs über alle Verträge, die befristet geschlossenen sind, informieren. Dies betrifft den Beginn, das vorgesehene Ende und vor allem den Befristungsgrund. Schriftliche Vereinbarungen über die Befristung sollte er sich zeigen lassen. 43 LAG Köln v. 05.06.2014 – 7 Sa 106/14. 23 Die Kenntnis dieser Punkte ist schon deshalb wichtig, da von ihnen die Möglichkeit einer möglichen Verlängerung von zeitbefristeten Verträgen bzw. der Abschluss von Anschlussbefristungen (Kettenverträge) abhängt. Der befristete Vertrag zwischen dem Arbeitnehmer und dem Veräußerer endet selbst dann, wenn das Ende der Befristung nach dem Vertrag genau einen Tag vor dem geplanten Betriebsübergang liegt. Der Erwerber ist in diesen Fällen nicht gehindert, mit dem Arbeitnehmer ein neues Vertragsverhältnis als befristeten Vertrag ohne Sachgrund zu schließen.44 Allerdings darf keine Vorbeschäftigung beim Erwerber stattgefunden haben, also ein bereits abgewickeltes Arbeitsverhältnis der Vergangenheit. Eine Grenze der Vertragsfreiheit dürfte erst in rechtsmissbräuchlichem Verhalten liegen. Der Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB ist aber selbst kein Befristungsgrund i. S. d. TzBfG.45 So kann der Arbeitgeber nicht unter Berufung auf einen geplanten Betriebsübergang einen befristeten Vertrag genau auf den Termin der Übergabe der Leistungsmacht an den Betriebserwerber abschließen. Tritt der Erwerber eines Betriebs noch in der ersten Instanz als Nebenintervenient dem beklagten Betriebsveräußerer bei, ist ein Parteiwechsel auch nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zulässig, wenn die klagende Partei nunmehr den Betriebserwerber anstelle des Betriebsveräußerers auf Abgabe einer das Arbeitsverhältnis gestaltenden Willenserklärung in Anspruch nimmt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sowohl der aus dem Rechtsstreit ausscheidende Betriebsveräußerer als auch der in den Rechtsstreit eintretende Betriebserwerber ihr Einverständnis mit dem Parteiwechsel erklären.46 Praxishinweis: In diesen Fällen ist der Vertragsschluss mit einem von § 14 Abs. 1 TzBfG anerkannten sachlichen Grund für die Befristung notwendig. Alternativ kann eine Zeitbefristung in Betracht kommen, wenn die Grenze des Rechtsmissbrauchs nicht überschritten wird. dd) Verträge mit laufender Kündigungsfrist Auch ein gekündigtes Arbeitsverhältnis, bei dem sich während der Kündigungsfrist ein Betriebsübergang vollzieht, unterfällt dem Schutz des § 613a BGB.47 Ein gekündigtes Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Kündigungsfrist auch, wenn es während dieser Zeit auf den Erwerber übergeht. Des Ausspruchs einer neuen Kündigung durch den Erwerber bedarf es nicht, auch wird nicht die Kündigungsfrist erneut in Lauf gesetzt. Praxishinweis: In Fällen, in denen zwischen Zugang der Kündigungserklärung und Ablauf der Kündigungsfrist ein freier Arbeitsplatz entsteht, auf dem der gekündigte Arbeitnehmer aufgrund Funktion und Qualifikation beschäftigt werden kann, ergibt sich zugunsten des Arbeitnehmers ein Wiedereinstellungsanspruch. Wichtig ist, dass die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG von sechs Monaten auch beim Betriebsübergang erfüllt werden kann. Beschäftigungszeiten beim Veräußerer und beim Erwer- 44 BAG v. 19.05.2005 – 3 AZR 649/03, DB 2005, 2362. BAG v. 24.09.2014 – 7 AZR 987/12; v. 30.10.2008 – 8 AZR 855/07, NZA 2009, 723. 46 BAG v. 21.06.2011 – 9 AZR 236/10, NZA 2011, 1274. 47 BAG v. 15.12.2005 – 8 AZR 202/05, NZA 2006, 597. 45 24 ber werden zusammengerechnet.48 Daher kann schnell nach dem Betriebsübergang der volle Kündigungsschutz bestehen. ee) Verträge nach Ablauf der Kündigungsfrist Ebenso kann § 613a BGB für Beschäftigungsverhältnisse nach Ablauf der Kündigungsfrist zur Anwendung kommen. Bei einem unbefristeten Rechtsverhältnis gehen die betroffenen Arbeitnehmer trotz Ablauf der Kündigungsfrist auf den Erwerber über, wenn durch Vergleich oder eine vorläufig vollstreckbare oder rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts der Fortbestand des Vertrages festgestellt wird.49 Häufig werden zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Verträge geschlossen, die eine Beschäftigung für den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vorsehen. Entsprechende Verträge müssen schriftlich vereinbart werden und gelten als befristete Verträge im Sinne § 14 TzBfG. Sie gehen bis zum Ablauf der vorgesehenen Befristung auf den Erwerber über. Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens kann auch ein Teilvergleich über die Beschäftigung, der diese bis zum rechtskräftigen Abschluss regelt, geschlossen werden. Verfahrensbeteiligte sind der die Kündigung aussprechende Arbeitgeber als Veräußerer und der Arbeitnehmer. Ist beim Zugang der Kündigung der Betriebsübergang vollzogen, kann der Arbeitnehmer entscheiden, den die Kündigung aussprechenden Veräußerer oder den Erwerber oder beide zu verklagen. Praxishinweis: Auch über das Bestehen von Prozessrechtsverhältnissen sollte sich der Erwerber beim Veräußerer im Vorfeld der Absprachen zum Betriebsübergang erkundigen und sich die zugrunde liegenden Verträge zeigen lassen. ff) Aufhebungsvertrag Arbeitgeber und Arbeitnehmer schließen häufig zur Vermeidung einer sonst durch den Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung einen Aufhebungsvertrag, der das Ende der Tätigkeit und damit des Rechtsverhältnisses zu einem bestimmten, in der Zukunft liegenden Zeitpunkt vorsieht. Wird während dieses Zeitablaufs der Betrieb veräußert, gilt die vereinbarte Ablauffrist des Vertrages auch zwischen dem betroffenen Arbeitnehmer und dem Erwerber. Einige Besonderheiten gelten: Der so geschlossene Aufhebungsvertrag ist dann allerdings wegen Rechtsmissbrauch unwirksam, wenn parallel zur Aufforderung, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen, ein neues Angebot eines Arbeitsvertrages vom Erwerber unterbreitet oder auch nur in Aussicht gestellt wird.50 Ein wirksamer Aufhebungsvertrag liegt hingegen vor, wenn dem Arbeitnehmer ein Angebot unterbreitet wird, zeitbefristet in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft einzutreten. Erfolgt das Angebot allerdings nur zum Schein, um die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG für den Arbeitgeber günstig beeinflussen zu können oder zur Täuschung über den Betriebsübergang insgesamt, ist der Aufhebungsvertrag aufgrund § 138 BGB, also 48 BAG v. 23.05.2013 – 2 AZR 54/12, NZA 2013, 1197; v. 23.10.2008 – 2 AZR 131/07; Hess. LAG v. 11.09.2013 – 18 Sa 296/13. 49 BAG v. 12.09.1985 – 2 AZR 193/84, ZIP 1986, 388. 50 BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, FB-ArbR 2013, 2027; v. 18.08.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145. 25 wegen Sittenwidrigkeit der Absprache, ebenfalls unwirksam.51 Ein Aufhebungsvertrag ist nur dann in Anbetracht eines nachfolgenden Betriebsübergangs wirksam, wenn er auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet ist. Das ist nicht der Fall, wenn ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber gleichzeitig verbindlich in Aussicht gestellt worden ist. 52 Praxishinweis: Wird der Vertrag mit dem Veräußerer endgültig aufgehoben, um den Übertritt in eine Qualifizierungsgesellschaft zu ermöglichen, ist dies rechtswirksam möglich. Der Aufhebungsvertrag ist jedoch unwirksam, wenn er die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes bezweckt, weil zugleich ein neues Arbeitsverhältnis vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt wurde. b) Ruhende Verträge Das Rechtsverhältnis eines Mitarbeiters, bei dem die Hauptpflichten im Zeitpunkt des Betriebsüberganges ruhen, unterfällt dem persönlichen Geltungsbereich des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB.53 Dies gilt für über einen längeren Zeitraum erkrankte Mitarbeiter, insbesondere dann, wenn sie aus der Pflicht zur Entgeltfortzahlung herausgefallen sind und Krankengeld beziehen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang ferner an Arbeitnehmer, die sich in Elternzeit54 befinden. Ferner an Mütter, die in den Fristen des Mutterschutzgesetzes vor und nach der Geburt nicht beschäftigt werden können. Bezieht ein Arbeitnehmer eine vorläufige Erwerbsunfähigkeitsrente, bleibt das Arbeitsverhältnis aber ungekündigt bestehen, geht ebenfalls der ruhende Vertrag auf den Erwerber über. Auch Geschäftsführer, die ausnahmsweise noch über einen ruhenden Anstellungsvertrag aus einer Zeit verfügen55, als sie noch nicht berufen worden sind, genießen Schutz nach § 613a BGB. Besteht das ruhende Grundverhältnis, geht dieses, falls nicht wie üblich konkludent aufgehoben, sondern ausdrücklich als weiter bestehend vereinbart, auf den Erwerber über.56 c) Sabbatical Ergänzend findet § 613a BGB auf Rechtsverhältnisse Anwendung, bei denen die Arbeitnehmer im Rahmen eines Sabbatical für einen gewissen Zeitraum unbezahlt von der Arbeit freigestellt worden sind. Regelmäßig ruhen in diesem Zeitraum die wechselseitigen Rechte und Pflichten beider Parteien. 2. Beendete Vertragsverhältnisse § 613a BGB findet keine Anwendung auf Vertragsverhältnisse zwischen Unternehmen und ehemaligen Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnis beendet ist. Ein bestehender Vertrag, der übergehen könnte, existiert nicht mehr. 51 BAG v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, NZA 2007, 866. BAG v. 18.08.2011 – 8 AZR 312/10, NZA 2012, 152. 53 LAG Rheinland-Pfalz v. 02.12.2014 – 7 Sa 466/14. 54 LAG Sachsen v. 01.06.1994 – 9 (4) Sa 257/93, ArbuR 1995, 30. 55 Siehe oben: Kapitel A, II. 7. 56 LAG Hamm v. 13.10.2006 – 4 Sa 180/06; LAG Köln v. 12.01.1993 – 4 Sa 903/92. 52 26 Bei beendeten Verträgen muss aber differenziert werden in Ansprüche aus einer zugesagten nachvertraglichen Versorgung (Betriebsrente) und noch offenen Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis.57 a) Ansprüche auf Betriebsrente Die nachvertragliche Beziehung, die sich zum Teil allein über das Betriebsrentenrecht nach dem BetrAVG vollzieht, ist für die Anwendung des § 613a BGB nicht ausreichend.58 Rentenleistungen, die vom Veräußerer zum Zeitpunkt des aktiven Arbeitsverhältnisses zugesagt worden sind, muss dieser weiter erfüllen, der Erwerber muss entsprechende Ansprüche nicht übernehmen.59 Die Übertragung einer vom Unternehmen erbrachten Rentenleistung auf eine externe Versorgungseinrichtung oder eine Rentnergesellschaft ist mangels aktiv bestehenden Arbeitsverhältnisses zwischen dem Unternehmen als Versorgungserbringer und dem Rentner als Versorgungsempfänger kein Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB.60 b) Noch offene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis Das Bestehen weiterer offener oder gar streitiger Forderungen aus dem beendeten Vertrag begründet kein anderes Ergebnis. Der vor dem Betriebsübergang ausgeschiedene Arbeitnehmer muss versuchen, die Erfüllung vom Veräußerer zu erlangen. Denn es ist kein aktives Vertragsverhältnis auf den Erwerber übergegangen. c) Nachvertragliches Wettbewerbsverbot Die Frage der Anwendbarkeit des § 613a BGB stellt sich auch für die ehemaligen Arbeitnehmer, die ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit dem Veräußerer geschlossen haben. Zwei Konstellationen sind denkbar: Zum einen geht das Vertragsverhältnis zu einem Zeitpunkt auf den Erwerber über, zu dem der zum Wettbewerbsverbot verpflichtete Arbeitnehmer noch aktiv arbeitet. Dann geht das Wettbewerbsverbot auf den Erwerber über.61 Der Erwerber wird Berechtigter und Verpflichteter aus dem mit dem ehemaligen Arbeitnehmer des Veräußerers geschlossenen Wettbewerbsverbot. Er kann sich aber unter den gesetzlich vorgesehenen Mitteln davon wieder lösen. Praxishinweis: Über das Bestehen von Wettbewerbsvereinbarungen noch aktiver Arbeitnehmer sollte sich der Erwerber erkundigen. Eine aktuelle Notwendigkeit für eine solche Vereinbarung besteht vielfach nicht mehr. Zum anderen geht der Betrieb des Veräußerers zu einem Zeitpunkt über, zu dem er bereits die Karenzentschädigung an den ausgeschiedenen Arbeitnehmer bezahlt. Dann bleiben die Rechte und Pflichten aus dem Wettbewerbsverbot beim Veräußerer, da das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Übergangs nicht mehr besteht. Die Wettbewerbsabrede geht isoliert nicht über. 57 LAG Düsseldorf v. 25.02.2014 – 6 Sa 1431/13. BAG v. 11.11.1986 – 3 AZR 194/85, NZA 1987, 559. 59 Siehe unten: Kapital H. 60 BAG v. 11.03.2008 – 3 AZR 358/06, NZA 2009, 790. 61 LAG Baden-Württemberg v. 06.08.1998 – 19 Sa 10/98. 58 27 Zusammenfassender Überblick Übergang nach § 613a BGB Vertragsverhältnisse Unbefristete Arbeitsverträge Befristete Arbeitsverträge Gekündigte Arbeitsverhältnisse Ruhende Arbeitsverträge (befristet bis Renteneintritt) JA Fristablauf vor Betriebsübergang NEIN Fristablauf nach Betriebsübergang JA Ablauf Kündigungsfrist vor Betriebsübergang NEIN Ablauf Kündigungsfrist nach Betriebsübergang JA Vertragliches oder gesetzliches Ruhen JA Betriebsrentner NEIN Nicht erfüllte Ansprüche ausgeschiedener Arbeitnehmer NEIN Nachvertragliches Wettbewerbsverbot Arbeitsverhältnis endet nach Betriebsübergang JA Arbeitsverhältnis endet vor Betriebsübergang NEIN Anmerkungen Arbeitsverhältnis endet beim Erwerber mit Fristablauf IV. Der Betrieb als Übertragungsobjekt Der Tatbestand des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB differenziert zwischen dem Betriebsübergang des gesamten Betriebs und dem eines Betriebsteils. Ist der gesamte Betrieb vom Übergang betroffen, müssen die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitsverhältnisse gerade diesem Betrieb zugeordnet werden können, der selbst das Objekt des Betriebsüberganges darstellt. Geht nur ein Betriebsteil über müssen die betroffenen Arbeitnehmer diesem zuzuordnen sein. 1. Inhalt des Betriebsbegriffs nach § 613a BGB Im Normtext des § 613a BGB findet sich keine Definition des Betriebsbegriffs. Eine Lösung kann aus dem Regelungszusammenhang der Norm und im Kontext weiterer arbeitsrechtlicher Normen, in denen der Betrieb von Bedeutung ist, gesucht werden. Vor allem das Be28 trVG als kollektive Regelung des Betriebsbereichs kann Hinweise auf den Betriebsbegriff nach § 613a BGB geben.62 a) Betriebsbegriff im Betriebsverfassungsrecht Auch das Betriebsverfassungsgesetz selbst enthält keine Legaldefinition des Betriebes. Nach der Rechtsprechung ist der Betrieb eine organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Unternehmen allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mithilfe von materiellen oder immateriellen Mitteln versucht, einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt zu verfolgen.63 Unter Berücksichtigung der Gesetzesmotive zu § 613a BGB ist der Betriebsbegriff des BetrVG unmittelbar nicht für die Bestimmung des Betriebsübergangs heranzuziehen.64 Somit sind im Ergebnis zwei verschiedene Rechtsbereiche geschaffen worden, nämlich der Betrieb im Betriebsverfassungsrecht als Basis einer kollektiven Interessenvertretung und der Betrieb im Rahmen des § 613a BGB als Schutzbereich individueller Arbeitnehmerinteressen. Dennoch sprechen rechtssystematische Überlegungen dafür, dass sowohl in § 613a BGB als auch im BetrVG von einem nahezu identischen Betriebsbegriff auszugehen ist. Zusammen mit der Novellierung des BetrVG im Jahr 1972 ist die Norm des Betriebsüberganges ins BGB integriert worden. Daher spricht schon das Gesetzgebungsverfahren dafür, einen identischen Betriebsbegriff zu verwenden. Zielsetzung war es, einen einheitlichen Sachverhalt, den Übergang eines gesamten Betriebes oder Betriebsteils, kollektiv- und individualrechtlich zu begleiten. Die Rechtsprechung ist dem im Ergebnis auch gefolgt.65 b) Abgrenzungsfragen Bevor der Betrieb als Objekt des Überganges im Sinn des § 613a BGB durch die Wahrung der Identität der betrieblichen Zwecksetzung im Einzelnen beschrieben wird, ist es notwendig, den Betrieb vom Unternehmen und vom Konzern abzugrenzen. aa) Abgrenzung zum Unternehmen Der Begriff des Betriebs ist von dem des Unternehmens zu trennen. Genauso wie für den Betrieb gibt es auch für das Unternehmen keine Legaldefinition.66 Überwiegend wird als Unternehmen eine in zulässiger Rechtsform organisierte Einheit verstanden, die auf Dauer angelegt ist und in der ein Unternehmer wirtschaftliche oder ideelle Zwecke verfolgt.67 Ist es Zielsetzung eines Betriebes, als tatsächliche Einheit einen bestimmten (Produktions-)Zweck zu verfolgen, ist es Zielsetzung des Unternehmens, den betrieblichen Zweck wirtschaftlich zu verwerten. Die konkrete Abgrenzung des Unternehmens zum Betrieb hängt vom jeweiligen Sachverhalt unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten ab.68 So kann ein Unternehmen über mehrere Betriebe verfügen, anders ist es aber auch möglich, dass mehrere Unternehmen verschiedener Rechtsträger einen einheitlichen Betrieb bilden. Dazu müssen sich die Unternehmen, die miteinander und nicht nebeneinander einen gemeinsamen Zweck verfolgen, zu einer Produktionsgemeinschaft zusammenschließen und über eine gemeinsame Leitungsmacht bzw. eine Führungsvereinbarung verfügen. 62 Gaul, § 1, Rn. 28. BAG v. 22.01.2015 – 8 AZR 139/14; v. 22.06.2005 – 7 ABR 57/04, NZA 2005, 1248. 64 BT-Drucksache VI/17 86, S. 59. 65 BAG v. 22.01.2015 – 8 AZR 139/14. 66 Gaul, § 1, Rn. 19. 67 BAG v. 03.05.1987 – 2 AZR 623/85, NZA 1988, 32. 68 BAG v. 29.11.1989 – 7 ABR 64/87, NZA 1990, 615. 63 29 bb) Abgrenzung zum Konzern Der Konzern ist in Abgrenzung zum Betrieb und zum Unternehmen ein Zusammenschluss von mehreren selbstständigen Unternehmen.69 Die Legaldefinition des Konzerns findet sich in §§ 17, 18 AktG, nach denen ein Konzern ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmen ist, die untereinander in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen oder unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst sind. 2. Tatbestandsmerkmale des Betriebsbegriffs Der Vergleich zwischen § 613a BGB und dem Betriebsverfassungsrecht macht deutlich, dass es keinen relevanten inhaltlichen Unterschied zwischen den verwendeten Betriebsbegriffen gibt.70 Entscheidend sind die tatsächlich eingerichtete Organisation und der Zweck, der mit dem Betrieb verfolgt wird.71 Unerheblich ist, ob es sich um einen Haupt- oder Nebenbetrieb handelt und wie viele Arbeitnehmer beschäftigt werden. Auch das Eigentum an den Betriebsmitteln wie die gesamte Eigentümerstellung sind in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.72 Der Betriebsübergang führt bei der Integration des erworbenen gesamten Betriebes oder von Betriebsteilen in den Erwerberbetrieb nicht zur Bildung eines gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen. Denn normative Zielsetzung ist nicht die Schaffung eines rechtlichen bzw. organisatorischen Verbundes der vom Übergang betroffenen Betriebe, sondern allein der Schutz der betroffenen Arbeitnehmer durch Übergang ihrer Arbeitsverträge vom Veräußerer auf den Erwerber.73 Die genannte Definition des Betriebes74 aus dem BetrVG findet beim Betriebsübergang nach § 613a BGB aber nur dann Anwendung, wenn im Betrieb Arbeitnehmer zur Erreichung des Betriebszwecks beschäftigt werden.75 Der Betrieb muss folglich über Arbeitsplätze verfügen, die mit Arbeitnehmern besetzt sind. Nur diese können mit den dazugehörigen Rechtsverhältnissen auf den Erwerber übergehen. Der Norm des § 613a BGB unterfallen Gewerbebetriebe, kaufmännische, land- und forstwirtschaftliche Betriebe, Betriebe der öffentlichen Hand, Praxen von Rechtsanwälten, Ärzten und sonstiger freier Berufe. Für die Bestimmung des verfolgten betrieblichen Zwecks können materielle oder immaterielle Betriebsmittel herangezogen werden. Möglich ist auch, den Betrieb über die an der Erreichung des Betriebszwecks beteiligten Arbeitnehmer zu bestimmen.76 Drei Faktoren sind im Rahmen des Betriebsübergangs von Bedeutung: Übertragung von sächlichen Mitteln, Übertragung von immateriellen Mitteln, Übergehende Arbeitsverhältnisse. Praxishinweis: Daher ist die Frage der prägenden Mittel zu stellen. Welche der Faktoren sind wesentlich für die Erreichung des angestrebten betrieblichen Zwecks? Weiter ist zu fragen, gehen diese – und vor allem in überwiegender Anzahl – auf den Erwerber über? 69 Gaul, § 1, Rn. 25. Gaul, § 1, Rn. 3. 71 Erf-Kom. Preis, § 613a BGB Rdn. 5 - 9. 72 BAG v. 15.12.2005 – 8 AZR 205/05, NZA 2006, 597. 73 BAG v. 16.02.2006 - 8 AZR 211/05, NZA 2006, 592. 74 BAG v. 22.01.2015 – 8 AZR 139/14; v. 22.06.2005 – 7 ABR 57/04, NZA 2005, 1248. 75 Müller-Glöge, Münchener Kommentar, § 613a BGB, Rn. 38 f. 76 BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 455/10, NZA 2012, 504; LAG Hamm v. 07.11.2012 – 2 Sa 956/12. 70 30 a) Sächliche Mittel prägen den Betrieb Die Übertragung sächlicher Betriebsmittel ist nach wie vor das wichtigste Indiz zur Beantwortung der Frage, ob ein Betrieb auf den Erwerber übergegangen ist. Dies ist besonders dann der Fall, wenn Grundstücke und Gebäude, Maschinen und Anlagen, Werkzeuge, Rohund Hilfsstoffe, Halb- und Fertigprodukte, Fahrzeuge oder sonstige Transportgeräte, Computeranlagen sowie Büroeinrichtungen und -maschinen übertragen werden. Sind die übertragenen Betriebsmittel konkret einem bestimmten Betrieb zuzuordnen, kann dieser im Sinne des § 613a BGB das Objekt des Betriebsübergangs darstellen. Allein die Zuordnung der Mittel zum Betrieb ist aber dann nicht ausreichend, wenn deren Wichtigkeit für die Erreichung des Betriebszwecks nicht beachtlich ist. Nur dann, wenn die übertragenen Gegenstände dem Betrieb zugeordnet werden können und sie für die Erreichung des betrieblichen Zwecks von Bedeutung sind, kann ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB vorliegen.77 Beispiel: Ein Betrieb verfügt über einen Förderkran, der mit 8 Arbeitnehmern wechselschichtig besetzt ist. Daneben existieren 20 LKW mit 24 Fahrern. Die LKW werden von dem Kran beladen. Wird nun ausschließlich der Kran veräußert, liegt keine Übertragung des Betriebes vor, da die LKW den wesentlichen Teil der Betriebsmittel ausmachen. Mangels der Eigenständigkeit der Krananlage im betrieblichen Zusammenhang ist auch der Übergang eines Teilbetriebes „Krananlage“ zu verneinen. Nur bei ausreichender Bedeutung eines Betriebsmittels kann es genügen, wenn allein dieses Betriebsmittel übergeht. Voraussetzung ist allerdings, dass es die wesentlichen Produktionszwecke erfüllt. Bei einer untergeordneten Bedeutung ist es dagegen notwendig, dass mehrere, den betrieblichen Zweck bestimmende Betriebsmittel auf den Erwerber übergehen.78 b) Immaterielle Mittel prägen den Betrieb Neben den Sachmitteln können auch immaterielle Betriebsmittel übertragen werden. Zu ihnen gehören insbesondere der Kundenstamm, das betriebliche Know-How, Kundenlisten, Geschäftsbeziehungen zu Dritten, Aufträge, die Position des Unternehmens am Markt, Formen der Forschung, Angaben über Abmessungen, Verfahrenstechniken, Computerprogramme, Rezepturen und Ähnliches. Auch die Übertragung dieser Mittel kann den Betrieb im Sinne des § 613a BGB, der übergeht, bestimmen. Wie bei den Sachmitteln bestimmen immaterielle Betriebsmittel den Betrieb nur dann, wenn diese von besonderer Bedeutung sind oder sie den betrieblichen Zweck in wesentlichem Maße prägen.79 c) Übergehende Arbeitsverhältnisse prägen den Betrieb Aufgrund der betriebsmittelorientierten Betrachtungsweise, getrennt nach sächlichen und immateriellen Betriebsmitteln, sah das BAG es zunächst als nicht relevant an, ob Arbeitsverhältnisse von dem Betriebsübergang betroffen waren.80 Die Arbeitsverhältnisse der vom Übergang des Betriebes betroffenen Arbeitnehmer wurden nur auf der Rechtsfolgenseite betrachtet. Problematisch war diese Rechtsauffassung des BAG in den Fällen, in denen ledig77 Siehe unten: Kapitel A, IV. 3.b). BAG v. 22.08.2013 – 8 AZR 521/12; Hess. LAG v. 13.03.2013 – 12 Sa 1313/11. 79 Siehe unten Kapitel A, IV, 3.c). 80 BAG v. 19.11.1996 – 3 AZR 394/95, NZA 1997, 722. 78 31 lich die Belegschaft vom Veräußerer auf den Erwerber überging, insbesondere bei der reinen Auftragsnachfolge. Ein Betriebsübergang wurde verneint. Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH81 hat das BAG die rein sachmittelorientierte Betrachtung aufgegeben. Da die Wahrung der Identität des Betriebs ausreichend ist, kann zur Bestimmung des von der Übertragung betroffenen Betriebes auch eine Gruppe von Arbeitnehmern in Betracht kommen.82 Je nach Bedeutung der Arbeitnehmer ist der Übergang der überwiegenden Anzahl der Arbeitnehmer notwendig oder nur eines bzw. einer Gruppe von Arbeitnehmern, wenn er oder sie für die Erreichung des Betriebszwecks von erheblicher Bedeutung sind.83 Zusammenfassender Überblick Betriebsbegriff Identität zwischen § 613a BGB und BetrVG geprägt durch: Sachmittel Immaterielle Güter Übergehende Mitarbeiter 3. Wahrung des Funktions- und Zweckzusammenhangs Das BAG hat im Anschluss an die Christel-Schmidt-Entscheidung des EuGH84 und an die Ayse-Süzen-Entscheidung des EuGH85 die substratbezogene Betrachtungsweise verlassen und definiert den Betrieb – unter Mischung der Begriffe des Betriebes und des Unternehmens nach deutschem Recht – nunmehr als organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung.86 Die Einheit des Betriebes wird nicht als bloßes Organisationsgefüge verstanden, gemeint ist vielmehr der Zweckzusammenhang des Betriebes, der sich aus dem Personal, den Führungskräften, der Arbeitsorganisation, den Betriebsmethoden und den zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergibt. Im Ergebnis sind die durchgeführten Tätigkeiten zu betrachten, die in einem inneren Zusammenhang stehen müssen.87 Die Beibehaltung einer solchen funktionalen Verknüpfung 81 EuGH v. 11.03.1997 – C-13/93, NZA 1997, 433. BAG v. 21.06.2012 – 8 AZR 181/11, NZA-RR 2013, 6; BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 729/96, NZA 1998, 534. 83 Siehe unten Kapitel A, IV, 3.d). 84 EuGH v. 14.04.1994 – C-392/92, NZA 1994, 545. 85 EuGH v. 11.03.1997 – C-13/93, NZA 1997, 433. 86 BAG v. 11.11.1986 – 3 AZR 194/85, NZA 1987, 559. 87 BAG v. 22.01.2009 – 8 AZR 158/07, NZA 2009, 905. 82 32 zwischen den übertragenen Faktoren erlaubt es nämlich dem Erwerber, diese zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen.88 Die von der Rechtsprechung geforderte funktionale Verknüpfung ergänzt das Kriterium der Identität des Betriebes, die nach der alten Rechtsprechung des BAG grundsätzlich bei einem Betriebsübergang gewahrt sein musste.89 Insbesondere bei der Integration eines Betriebes wurde geprüft, ob dieser nach dem Betriebsübergang noch in seiner „alten Struktur“ bestehen blieb. a) Aufgabe der Betriebsidentität möglich Der Übergang eines Betriebes setzte nach der alten Rechtsprechung des EuGH90 voraus, dass die Identität des Betriebs, die für die Erreichung des Zwecks notwendig ist, als solche erhalten bleibt und auf den Erwerber übergeht. Das BAG war dieser Rechtsprechung gefolgt und hat entschieden, dass ein Betriebsübergang zu verneinen ist, wenn eine komplette Integration eines Betriebes in den Betrieb des Erwerbers als Ergebnis festgestellt werden konnte.91 Nunmehr verzichtet der EuGH auf das Kriterium der Übertragung einer eigene Identität wahrenden Einheit. Danach kann ein Übergang des Betriebes nach der Richtlinie 2001/23/EG auch dann zu bejahen sein, wenn der übertragene Unternehmensteil (der Betrieb) oder eine Untergliederung (der Betriebsteil) seine organisatorische Selbstständigkeit (Identität) nicht bewahrt.92 Die Entscheidung bedeutet aber nicht, dass jeglicher Zusammenhalt bzw. jegliches Zusammenfassen der Betriebsorganisation verloren gehen darf. Vielmehr verlangt der EuGH insoweit, dass auch nach der Übertragung eine funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten bleiben muss, die es dem Erwerber erlauben, dieselbe oder eine gleichartige Betätigung auszuüben, wie sie auch vom Veräußerer durchgeführt wurde. In Kenntnis dieser Entscheidung des EuGH hat das BAG die Anforderungen weiter präzisiert. Unter Verzicht auf das Merkmal der „organisatorischen Selbstständigkeit“ der übertragenen Einheit wird auf die Beibehaltung des „Funktions- und Zweckzusammenhangs“ abgestellt.93 Dies bedeutet, die übertragene Einheit muss in ihrer Struktur auch beim Erwerber erkennbar sein. Die alte wirtschaftliche Tätigkeit muss erkennbar bleiben, auch wenn sie in eine andere Organisationsstruktur eingegliedert wird. Beispiel: Ein Krankenhausträger betreibt nur die unmittelbaren Tätigkeiten, die mit der Heilbehandlung in Verbindung stehen. Insbesondere die Elektroarbeiten in den verschiedensten Bereichen werden von einem Dienstleister über einen Werkvertrag durchgeführt. Übernimmt das Krankenhaus nicht nur die Elektriker und deren Aufgaben in den Operationssälen, sondern auch die Führungskräfte, und macht dies einen erheblichen Teil der Arbeiten aus, ohne gleich einen abgrenzbaren Teilbereich im Rechtssinn zu erfüllen, kann trotz Zerstörung des Betriebes „Krankenhauselektrik“ ein Betriebsübergang vorliegen, da die Leistungen „Elektromontage“ abgrenz- 88 EuGH v. 14.04.1994 – C-392/92, NZA 1994, 545. BAG v. 24.04.2008 – 8 AZR 268/07, NZA 2008, 1314. 90 EuGH v. 14.04.1994 – C-392/92, NZA 1994, 545. 91 BAG v. 06.04.2006 – 8 AZR 249/04, NZA 2006, 1039. 92 EuGH v. 12.02.2009 – C-466/07, NZA 2009, 251. 93 BAG v. 22.01.2009 – 8 AZR 158/07, NZA 2009, 905. 89 33 bar weiter von den übernommenen Elektrikern erbracht werden. Alle Arbeitnehmer gehen somit auf das Krankenhaus über. Im Ergebnis muss daher beim Betriebsübergang in einer Gesamtbetrachtung geprüft werden, ob die betroffene wirtschaftliche Einheit unter Wahrung des Funktionszusammenhangs auf den Erwerber übergegangen ist. Als Einheit in diesem Sinne wird die organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung verstanden. Es hat eine Gesamtschau der vorliegenden Umstände zu erfolgen, die sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnende Tatsachen einbezieht. Dabei ist festzustellen, dass allein die Fortsetzung der Tätigkeiten, die in dem übertragenen Betrieb verrichtet wurden, den Tatbestand des Betriebsübergangs nicht erfüllt. Inhaltlich ist zu prüfen, in welcher Weise sich eine Bewegung vom Veräußerer in Richtung Erwerber vollzieht. Dies bezieht sich auf das Personal, die Führungskräfte, die Arbeitsorganisation, die Betriebsmethoden und die zur Verfügung stehenden Betriebsmittel, gleich ob materieller oder immaterieller Art. Die bloße Möglichkeit, den Betrieb unverändert fortzuführen, genügt zur Bejahung des Betriebsübergangs aber nicht.94 Der Betrieb wird als Einheit gesehen, die vor allem aus dem Inhaber, dem Betriebszweck, der technischen Leitung, der räumlichen Einheit, der wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit, der Einheit der Belegschaft, der Dauerhaftigkeit, der Verbundenheit, der Einheit der personellen und sozialen Leitungsmacht, der Art der Tätigkeit und der Leitung in wirtschaftlichen Fragen besteht. Die genannten Kriterien können einzeln vorliegen oder aus einer Gesamtschau ein bestimmtes Betriebsbild begründen. Sind somit mehrere Merkmale vorhanden, die den betrieblichen Zweck prägen und wird der Betriebszweck nach Übernahme der Betriebsmittel vom Erwerber fortgesetzt, kann ebenfalls ein Betriebsübergang vorliegen. b) Fortsetzung des Funktions- und Zweckzusammenhangs durch Übernahme sächlicher Betriebsmittel Gerade das BAG prüfte nach alter Rechtsprechung stets, ob beim Betriebsübergang eine durch Sachmittel geprägte, substantielle organisatorische Betriebseinheit auf den Rechtserwerber übertragen wurde.95 Die Bestimmung des Betriebsübergangs über die vom Veräußerer an den Erwerber übergehenden Betriebsmittel ist nach wie vor vom Normzweck gedeckt. Ob und wann eine wirtschaftliche Einheit durch Übertragung sächlicher Betriebsmittel vom Veräußerer auf den Erwerber fortgeführt wird, um letztlich einen Betriebsübergang nach § 613a BGB bejahen zu können, kann nicht einheitlich beantwortet werden. Sämtliche, den Übertragungsvorgang kennzeichnende Tatsachen sind zu berücksichtigen. Die dabei vom Übergang betroffenen Betriebsmittel sind in Beziehung zu setzen zur Art des Unternehmens. Aus der Art des Betriebes kann sich der Betriebsübergang insoweit ergeben, als materielle Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter vom Veräußerer auf den Erwerber übergehen. Sächliche Betriebsmittel bestimmen den Betriebsbegriff dann, wenn sowohl der alte als auch der neue Inhaber mithilfe dieser Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt.96 Wird mit Hilfe technischer Betriebsmittel ein gewisses Produkt hergestellt, liegt ein Betriebsübergang dann vor, wenn der Erwerber mit genau diesen Mitteln nach Übernahme des Betriebes durch Rechtsgeschäft weiterproduziert und so den betrieblichen Zweck fortsetzt.97 94 BAG v. 04.05.2006 – 8 AZR 299/05, NZA 2006, 1096. Annuß, BB 1998, 1582. 96 BAG v. 09.02.1994 – 2 AZR 781/93, NZA 1994, 612. 97 BAG v. 21.06.2012 – 8 AZR 181/11, NZA 2013, 344. 95 34 Vor allem ein Produktionsbetrieb wird im Wesentlichen von den Betriebsmitteln, den Maschinen, Grundstücken etc. geprägt. In diesen Fällen ist der Funktions- und Zweckzusammenhang im Sinne der Rechtsprechung gewahrt, wenn die wesentlichen, den Produktionsprozess aufrechterhaltenden Betriebsmittel auf den Erwerber übergehen.98 Die übergehenden Mittel müssen für die Erreichung des Betriebszwecks prägend sein. Um die Rechtsfolgen des § 613a BGB zur Anwendung zu bringen, setzt der Tatbestand somit nicht notwendig voraus, dass alle Wirtschaftsgüter, die bisher zum Betrieb des Veräußerers gehörten, auf den neuen Betriebsinhaber übergehen. Es hat eine Wesentlichkeitsbetrachtung zu erfolgen. Unwesentliche Bestandteile der betrieblichen Anlagen oder des Betriebsvermögens bleiben bei der Betrachtung, ob ein Betrieb als Einheit übergeht, außer Betracht. Entscheidend ist vielmehr, ob der Erwerber mit den übernommenen Betriebsmitteln den bisherigen betrieblichen Zweck fortführen kann. aa) Aufgabe des Kriteriums der „eigenwirtschaftlichen Nutzung“ Lange Zeit prüfte das BAG zur Bejahung eines Betriebsübergangs die Frage, ob der Erwerber die Betriebsmittel nach dem Übergang eigenwirtschaftlich nutzen kann.99 Dies insbesondere in den Fällen, in denen die Betriebsmittel vorher weder im Eigentum des Veräußerers noch nach dem Betriebsübergang im Eigentum des Erwerbers stehen. Beispiel: Ein Caterer nutzt die im Eigentum des Auftraggebers (eines Krankenhauses) stehende Küche, um das Krankenhaus mit Essen zu versorgen. Nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer geht der Auftrag an einen Konkurrenten. Dieser nutzt auch die Küche. Die alte Rechtsprechung bejahte den Betriebsübergang nur dann, wenn der Erwerber die Küche auch zu eigenen Zwecken (Party-Catering) neben der vertragsbegründenden Nutzung nutzen konnte. Die Rechtsprechung hat das Merkmal der notwendigen Eigenwirtschaftlichkeit der Nutzung der Betriebsmittel aufgegeben.100 Stattdessen wird auf die Wesentlichkeit der eingesetzten Betriebsmittel und die Möglichkeit der Wertschöpfung abgestellt und gefragt, wer den Nutzen aus den Betriebsmitteln zieht. Kann daher der Erwerber die Betriebsmittel betriebswirtschaftlich für sich einsetzen, kann dies ein Indiz für einen Betriebsübergang sein. 101 Die Übertragung von Betriebsmitteln ist daher wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktions- bzw. Zweckzusammenhangs ausmacht. Beispiel: Ein Subunternehmer nutzt die Einrichtung eines Schlachthofs. Wenn ein neuer Subunternehmer den alten ablöst, kann der Betriebsübergang dann bejaht werden, wenn der Erwerber die Einrichtungsgegenstände betriebswirtschaftlich wertschöpfend für sich nutzen kann. Im Ergebnis hat daher eine betriebsmittelorientierte Prüfung der Voraussetzungen des § 613a BGB zu erfolgen. Stehen die Betriebsmittel bzw. deren Nutzung derart im Vorder- 98 Siehe dazu Kapitel A., III. 3.b) aa). BAG v. 22.05.2014 – 8 AZR 1069/12; v. 11.12.1997 – 8 AZR 426/94, NZA 1998, 532. 100 EuGH v. 15.12.2005 – C-232/04, NZA 2006, 29. 101 BAG v. 22.08.2013 – 8 AZR 521/12; v. 13.06.2006 – 8 AZR 271/05, NZA 2006, 1101. 99 35 grund, dass allein ihre Übernahme die Aufrechterhaltung der Arbeitsorganisation zur Folge hat, ist ein Betriebsübergang zu bejahen.102 bb) Ortsfeste Betriebsmittel Grundsätzlich ist die Frage, welche Betriebsmittel bei der Erfüllung der arbeitstechnischen Zwecke wesentlich sind, von der Eigenart des Betriebes und der betrieblichen Zwecksetzung abhängig. Bei Produktionsbetrieben ist regelmäßig auf das oder die Betriebsgrundstücke, vorhandene Gebäude, Maschinen und Anlagen abzustellen. Ferner auf Werkzeuge, Rohund Hilfsstoffe, Halb- und Fertigfabrikate, Fahrzeuge und sonstige Transportgeräte, Computeranlagen sowie Büroeinrichtungen und -maschinen.103 Gehen diese vom Veräußerer auf den Erwerber über, bleibt der Funktionszusammenhang der Einheit gewahrt und der Betriebsübergang ist zu bejahen. cc) Räumliche Änderung der Betriebsmittel Die Frage, inwieweit der betriebliche Funktionszusammenhang gewahrt bleibt, hängt auch von einer möglichen Ortsveränderung des Betriebes wie der vorhandenen Betriebsmittel ab. Ist der Erwerber in der Lage, die wesentlichen Maschinen zu demontieren und an anderer Stelle aufzubauen, ist bei unverändertem Betriebszweck der Übergang des Betriebs zu bejahen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Demontage der Maschinen und die Integration in bereits bestehende Produktionsanlagen des Erwerbers zum Untergang des alten Betriebes führen. In diesem Fall wird lediglich der betriebliche Zweck des Erwerbers fortgesetzt.104 Beispiel: Ein stillgelegtes Unternehmen verkauft einen Kran, mit dem früher Fertigprodukte auf Waggons geladen worden sind. Nach einer Demontage des Krans und Neuaufbau in einem Hafen, in dem mit einer Vielzahl von Kränen Schiffe be- und entladen werden, wird er in diesen Zweck integriert. Eine funktionale und zweckorientierte Verbindung zwischen dem Beladen der Waggons und der Schiffe besteht nicht. Ein Betriebsübergang ist daher zu verneinen. dd) Änderung des Warensortiments Auch das Warensortiment ist für die Frage eines möglichen Betriebsübergangs von Bedeutung. Für den Betriebsübergang, d. h. die Fortsetzung des betrieblichen Zwecks, spricht die Tatsache, dass der Erwerber genau das Sortiment an Waren vorhält, welches der Veräußerer auch anbot. Dabei kann auf übernommene Bestände und auf neues Material abgestellt werden. Folglich kann sich durch die Änderung des Warenangebotes der Ausschluss eines Betriebsübergangs ergeben. Beispiel: Eine Konditorei mit Kaffeebetrieb wird veräußert. Der Erwerber übernimmt alle Einrichtungsgegenstände. Nur dann, wenn er auch weiterhin den Kunden Kaffee und Kuchen ver105 kauft, ist ein Betriebsübergang zu bejahen. Wichtig ist dabei ferner, dass das Ambiente erhalten bleibt. Eine Änderung tritt z. B. dann ein, wenn aus einem Café mit Bedienung und gemütlichen Sitzecken ein Stehkaffee mit Selbstbedienung wird. Der Betriebsübergang scheidet folglich bei der Änderung des Be102 BAG v. 15.02.2007 – 8 AZR 431/06, NZA 2007, 793. BAG v. 18.10.1990 – 2 AZR 172/90, NZA 1991, 305. 104 BAG v. 27.01.2011 – 8 AZR 328/09; v. 16.05.2002 – 8 AZR 319/01, NZA 2003, 93. 105 BAG v. 26.02.1987 – 2 AZR 321/86, NZA 1987, 589. 103 36 triebskonzepts aus. Gleiches kann bei der Änderung der Struktur und/oder des Einkaufsbzw. Verkaufskonzepts der Fall sein.106 Beispiel: Ein Fachmöbelgeschäft wird aufgegeben und ein Discount-Möbelgeschäft eröffnet. In diesem Fall ist die Struktur derart massiv geändert, dass ein Betriebsübergang ausscheidet. ee) Trennung von Betriebsmitteln und betrieblichem Zweck Die funktionale Verbindung der wirtschaftlichen Einheit geht ferner dann unter, wenn sich der Erwerber entschließt, mit den übernommenen Maschinen ein anderes Produkt auf den Markt zu bringen, welches mit dem ursprünglichen Produkt des Veräußererbetriebs nicht in Zusammenhang steht. 107 Beispiel: Nach Übertragung von Maschinen, mit denen der Veräußerer vorher Schuhe in Serie produziert hat, werden nach Übergang von dem Erwerber nur noch Musterexemplare als Vorserie gefertigt. Hier ist der betrieblich verfolgte Zweck geändert worden. Insbesondere wenn es zu einer Trennung von Grundstück und Maschinenpark kommt, ist zu fragen, ob entweder das Grundstück oder die Maschinen den prägenden Charakter des Betriebes darstellen108. So kann ein Betriebsübergang zu bejahen sein, wenn die wesentlichen, zur Produktion notwendigen Maschinen vom Grundstück getrennt und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. Voraussetzung ist, dass mit den Maschinen die alten betrieblichen Zielsetzungen weiter verfolgt werden. Dies gilt unabhängig vom Kaufpreis des Grundstücks. Die Wertigkeit der einzelnen übertragenen Vermögensbestandteile spielt daher keine Rolle. Entscheidend ist, ob mit einem der übertragenen Vermögensteile der betriebliche Zweck fortgeführt werden kann.109 Aber auch das Grundstück kann aufgrund einer bestimmten Lage entscheidend sein. Beispiel: Ein Hafengrundstück mit einer Krananlage zum Be- und Entladen von Schiffen bildet das Übertragungsobjekt. Hier reicht allein die Übertragung des Grundstücks aus, um einen Betriebsübergang zu bejahen, wenn der Erwerber mit einem neuen Kran weiterhin Schiffe be- und entlädt. ff) Warenlager als Betriebsmittel Die Frage, ob die Übernahme eines Warenlagers als materielles Betriebsmittel im Sinne des Betriebsübergangs zu qualifizieren ist, hängt ebenfalls von den Umständen des Einzelfalls ab. 106 BAG v. 13.06.2006 – 8 AZR 331/05, NZA 2006, 1357; LAG Berlin-Brandenburg v. 14.08.2014 – 10 Sa 861/14. 107 BAG v. 13.05.2004 – 8 AZR 331/03, NZA 2004, 1295. 108 LAG Hamburg v. 30.10.2001 – 8 Sa 72/01. 109 BAG v. 12.02.1987 – 2 AZR 247/86, NZA 1988, 170. 37 Ist der Abverkauf vom Lager von hochwertigen und lang lagernden Produkten der wesentliche Zweck des Betriebes oder eines abgrenzbaren Teils110, kann ein Betriebsübergang bejaht werden. In diesem Fall steht die Lagertätigkeit des Betriebes im Vordergrund. In ihr ist der eigentliche Betriebszweck zu sehen, der bei der Übertragung des Lagerbestandes auf den Erwerber übergeht. Ist hingegen das Lager leicht und niedrigpreisig anderweitig aufzufüllen und erfüllt nur einen Nebenzweck des Betriebes, ist regelmäßig ein Betriebsübergang zu verneinen.111 In diesem Fall kommt den Lagerräumen ohne Ware die eigentliche, den Betriebszweck bestimmende Funktion zu. Beispiel: Aus einem Hochregallager werden EDV-Komponenten durch Versand verkauft. 25 EDVFachleute betreiben das Geschäft. Sie werden unterstützt von 6 Lageristen. Ca. 4.000 Computer sind ganz oder in Teilen eingelagert. Wird allein das Lager ohne die Computer veräußert und ein Buchversandhandel durchgeführt, liegt keine Übertragung des Betriebes „Computerhandel“ vor, da das Lager der wesentliche Teil des Betriebes ist. Die Frage eines möglichen Betriebsübergangs kann bei einem Lager wesentlich durch die Arbeitsorganisation und die Betriebsmethoden beeinflusst werden. Danach ist selbst bei Austausch des EDV-Systems ein Übergang des Betriebes zu bejahen, wenn die Art der Lagerhaltung und die Zuordnung erhalten bleiben.112 c) Fortsetzung des Funktions- und Zweckzusammenhangs durch Übernahme immateieller Betriebsmittel Auch immaterielle Betriebsmittel können den Betriebsbegriff im Sinne des § 613a BGB und damit die Wahrung des betrieblichen Funktionszusammenhangs prägen. Dies dann, wenn sowohl Erwerber als auch Veräußerer mit den immateriellen Betriebsmitteln die wesentlichen arbeitstechnischen Zwecke des Betriebes erreichen können. Praxishinweis: Beim Betriebsübergang ist die Übertragung der für den Produktionszweck wichtigen Maschinen leichter festzustellen als die Übertragung von immateriellen Betriebsmitteln. Hier sind genaue Erkundigungen beim Veräußerer über Umfang und Bedeutung der immateriellen Mittel notwendig. aa) Bedeutung der Mittel für den Betriebszweck Auch bei den immateriellen Betriebsmitteln ist zwischen wesentlichen und unwesentlichen Betriebsmitteln zu unterscheiden. Ein Betriebsübergang kann nur erfolgen, wenn immaterielle Betriebsmittel übergehen, die für die Erreichung des Betriebszwecks wesentlich sind. Es findet die gleiche Wesentlichkeitsbetrachtung statt, die zuvor bei den materiellen Betriebsmitteln angestellt wurde. Gerade bei Handels- und Dienstleistungsbetrieben ist bei der Prüfung eines Betriebsüberganges auf immaterielle Betriebsmittel abzustellen.113 Zu den immateriellen Betriebsmitteln in diesem Sinn gehören insbesondere Kundenstamm, Kundenlisten, das betriebliche Know-How, Geschäftsbeziehungen zu Dritten, bestehende Aufträge, Goodwill, die Position des Unternehmens am Markt, spezifische Forschungsformen, Computerprogramme, Rezepturen etc. 110 BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 375/96, NZA 1998, 249. LAG Köln v. 18.06.2003 – 3 (7) Sa 1318/02, EzA 2004, 5. 112 BAG v. 13.12.2007 – 8 AZR 937/06, NZA 2008, 1021. 113 BAG v. 22.08.2013 – 8 AZR 521/12; v. 22.10.2005 – 8 AZR 568/04, NZA 2006, 668. 111 38 bb) Übernahme von Kundenstämmen Die Übernahme der Kunden des Betriebes kann nur dann einen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB darstellen, wenn ohne große Unterbrechung auch aus der Sichtweise des Kunden die Identität des Betriebes gewahrt bleibt114. Dies ist dann der Fall, wenn der Erwerber in den alten Kundenstamm des Veräußerers gleichsam eintritt. Beispiel: Ein Ladenlokal wird mit geringer räumlicher Änderung, aber ohne Unterbrechung mit in etwa identischem Warensortiment vom Erwerber fortgeführt. Stammkunden besuchen das Geschäft regelmäßig. Unabhängig davon, ob im Ladenlokal noch die gleichen Personen tätig sind, die schon für den Veräußerer gearbeitet haben, ist der Betriebsübergang zu bejahen, da der neue Inhaber auf den alten Kundenstamm zurückgreift. Der Inhaberwechsel fällt den Kunden meistens gar nicht auf. Die Schließung und Neueröffnung eines Einzelhandels-Filialunternehmens stellt aber dann keinen Betriebsübergang dar, wenn aus der Sichtweise des Kunden ein neues Geschäft an gleicher Stelle eröffnet hat.115 Dies ist möglich, wenn z. B. das Warensortiment grundlegend geändert wird. Die alten Kunden bleiben weg, neue, die das geänderte Angebot akzeptieren, bilden sich heraus. Die Relation zwischen dem verfolgten betrieblichen Zweck und der Kundschaft spielt vor allem auch bei der Übernahme einer gastronomischen Einrichtung die entscheidende Rolle. Die Betriebsidentität geht verloren, wenn durch Änderung der Speisen neue Kunden gewonnen werden. 116 Beispiel: Wechselt ein Restaurant von gutbürgerlich-deutscher Küche zu arabischen Spezialitäten, stellt dies keinen Betriebsübergang dar, da sich inhaltlich der Charakter des Restaurants gewandelt hat. Allein die Tatsache, dass die Arbeitnehmer mit Küchenarbeiten ihre Arbeitsleistung erbringen, begründet kein anderes Ergebnis. Denn der Kundenstamm wechselt regelmäßig in diesen Fällen. Die Änderung der Lage des Betriebes ist für die Kundenbeziehung ebenfalls von Bedeutung. Ein Unternehmen kann gezwungen sein, sich nach räumlicher Veränderung einen ganz neuen Kundenstamm aufzubauen. Der funktionelle Zusammenhang zwischen dem neuen Betrieb an anderer Stelle und dem alten ist mangels Bindung der Kunden, die das Bild des Betriebes geprägt haben, verloren gegangen. Beispiel: Eine auf bayerisch getrimmte Weißbierwirtschaft wird nach Auslaufen des Pachtvertrages von dem Pächter in einer anderen Stadt neu eröffnet. Da die Kundschaft nicht mitwechselt und neue Anhänger der bayerischen Bierkultur gewonnen werden müssen, ist die Identität der alten Gastwirtschaft untergegangen. Ein Betriebsübergang liegt nicht vor. 114 LAG Schleswig-Holstein v. 30.08.1999 – 2 Sa 48/99, n. v.; LAG Hamm v. 07.01.1999 – 4 Sa 2350/97. 115 BAG v. 02.12.1999 – 8 AZR 796/98, NZA 2000, 369. 116 BAG v. 11.09.1997 – 8 AZR 555/95, NZA 1998, 31. 39 cc) Betriebszweck durch technische Betriebsmittel bestimmt Neben der räumlichen Veränderung des Betriebes ist entscheidend auf materielle Betriebsmittel abzustellen. Verbleiben diese im Ladenlokal, kann es bei einer rechtsgeschäftlichen Übertragung und Fortsetzung des betrieblichen Zwecks zu einem Übergang auf den neuen Besitzer des Ladenlokals kommen. Werden die Einrichtungsgegenstände per Rechtsgeschäft auf einen Erwerber übertragen, der den Geschäftsbetrieb verlagert, kann es trotz der Tatsache, dass der Kundenstamm verloren geht, dennoch zu einem Betriebsübergang kommen, wenn die Einrichtung für einen Betriebszweck wichtiger ist als der Kundenstamm. Zu denken ist etwa an Betriebe, die stark technisierte Geschäftseinrichtungen haben. Beispiel: Ein Bowlingcenter wird nach Ablauf des Pachtvertrages übertragen. Die Bowlinganlage wird demontiert und in einer anderen Stadt wieder aufgebaut. Trotz des Wegfalls der Bowlingkunden ist hier der technische Zweck für die Identität des Betriebes entscheidend. Trotz Neueröffnung an anderer Stelle ist diese gewahrt, ein Betriebsübergang somit zu bejahen. dd) Fortsetzung von Lieferantenverträgen Neben der Fortführung des Funktions- und Zweckzusammenhangs durch die Aufrechterhaltung der Kundenbeziehungen können als weiteres Indiz für den Betriebsübergang Lieferbeziehungen von Bedeutung sein. Werden Verträge, die mit alten Lieferanten bestanden, fortgesetzt oder kommen neue Verträge zusammen mit den alten zur Anwendung, kann ein Betriebsübergang vorliegen. Bei Vorliegen von alten und neuen Verträgen ist eine Gesamtbetrachtung durchzuführen. Wird danach die Geschäftsbeziehung durch Austausch von Erwerber und Veräußerer gleichsam fortgesetzt, kann dies als Indiz für einen Betriebsübergang anzusehen sein. Beispiel: Ein Geschäft, das CDs, DVDs und Videokassetten vertreibt, bezieht alle Waren von einem Großhändler. Wird das Einzelhandelsgeschäft übertragen und tritt der neue Händler in die alten Verträge mit dem Großhändler ein, liegt ein Betriebsübergang vor. Alle betroffenen Arbeitnehmer gehen auf den neuen Händler über. ee) Übertragung betrieblichen Know-Hows Neben den Lieferbeziehungen kann die Feststellung eines möglichen Betriebsübergangs auch von anderen Faktoren abhängig gemacht werden, so vom Übergang des für die Verfolgung des Betriebszwecks relevanten Know-Hows. Dies kann durch die Übernahme von Arbeitnehmern erfolgen oder durch die Veräußerung von Patenten, Mustern o. ä. an den Erwerber des Betriebs.117 Im Rahmen der Gesamtwürdigung kann daher spezifisches KnowHow eines Unternehmens als wesentliches Kriterium eines Betriebsübergangs angesehen werden. 117 LAG Rostock v. 10.04.2003 – 1 Sa 455/02; LAG Berlin v. 10.01.2003 – 2 Sa 1149/02, NZA 2013, 183. 40 Beispiel: Bei einem Unternehmen der Pharmaindustrie, welches sich mit der Erforschung eines speziellen Präparates befasst, kann allein die Übertragung dieses Forschungsbereichs als wesentli118 ches Merkmal des Betriebsüberganges anzusehen sein. d) Fortsetzung des Funktions- und Zweckzusammenhangs durch Übernahme von Arbeitnehmern Für die Bejahung des Tatbestandes des Betriebsübergangs kann es von Bedeutung sein, ob der Erwerber vom Veräußerer Arbeitnehmer übernimmt. Das kann in großer Anzahl geschehen, aber auch die Übernahme einzelner Personen ist möglich. Werden viele Mitarbeiter der Belegschaft oder einige Spezialisten übernommen, kann ein Betriebsübergang vorliegen. Die Übernahme von Arbeitnehmern ist grundsätzlich eigenes Kriterium für die Prüfung eines Betriebsübergangs.119 Die Übernahme von Arbeitnehmern kann daneben auch als weiteres Indiz neben die Übernahme von materiellen und immateriellen Gütern treten oder auch allein zur Beurteilung der Frage herangezogen werden. aa) Übernahme der Hauptbelegschaft Dass die früher vertretene sachmittelorientierte Ansicht des BAG ohne Berücksichtigung der Arbeitnehmer dem normativen Sinn und Regelungszweck des § 613a BGB nicht gerecht werden kann, wird insbesondere in den Fällen deutlich, wenn Dienstleistungsbetriebe übergehen, bei denen neben den Beschäftigten keine weiteren sächlichen oder immateriellen Betriebsmittel übergehen. Gleiches gilt, wenn diese Mittel für den betrieblichen Zweck unbedeutend sind. Denn kommt es bei den betroffenen Betrieben im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt.120 Denn gerade die Arbeitnehmer sind es, die den Übertragungen von Dienstleistungsbetrieben das typische Gepräge verleihen.121 Zu denken ist insbesondere an den Betriebsübergang von Cateringfirmen, Reinigungsdiensten etc. Dabei kann allein die Übernahme der Hauptbelegschaft als Wahrung des Funktionszusammenhangs der wirtschaftlichen Einheit verstanden werden. Wird eine erhebliche Anzahl von Arbeitnehmern übernommen, steht auch die Erweiterung des Dienstleistungsangebots mit der Notwendigkeit, Arbeitnehmer ergänzend zu schulen, einem möglichen Betriebsübergang nicht entgegen.122 Beispiel: Ein Callcenter wird übertragen. Von der reinen Verkaufsberatung beim Veräußerer soll beim Erwerber als Dienstleistung noch technischer Support durchgeführt werden, was mit den Arbeitnehmern trainiert wird. Übernimmt der Erwerber in einem solchen Fall eine Vielzahl von Ar118 LAG Düsseldorf v. 15.10.2001 – 10 TaBV 47/01. BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 455/10, NZA 2012, 504; LAG Düsseldorf v. 29.10.2010 – 9 Sa 303/07. 120 BAG v. 19.03.2015 – 8 AZR 150/14, DB 2015, 2030. 121 BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 568/04, NZA 2006, 668. 122 BAG v. 25.06.2009 – 8 AZR 258/08, NZA 2009, 1412. 119 41 beitnehmern vom Veräußerer, steht dem Betriebsübergang nichts entgegen, trotz der Änderung der Organisationsstruktur. In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, die wirtschaftliche Einheit des zu übertragenden Betriebes darstellen. Die Wahrung des Funktionszusammenhangs ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betroffene Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl- und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, welcher beim Rechtsvorgänger ähnliche Tätigkeiten durchgeführt hat. 123 Werden Arbeitnehmer von gleicher Qualifikationsstruktur übernommen, ist eine rein quantitative Betrachtung anzustellen. Beispiel: Der Veräußerer reinigt ein Krankenhaus, betreibt die Spülküche und führt für die Patienten Bring- und Holdienste. Alle Arbeitnehmer haben ein identisches Qualifikationsprofil. Der Erwerber ändert die Organisation, indem er die Reinigung nicht mehr betreibt. Er übernimmt die Arbeitnehmer der Spülküche und des Fahrdienstes, in Summe keine 75 % der Belegschaft. Das stellt keinen Betriebsübergang dar, weil die Hauptbelegschaft nicht übernommen worden ist. Der Betriebsübergang durch Übernahme der wesentlichen Belegschaft ist folglich insbesondere bei Dienstleistungsunternehmen, z. B. bei Bewachungsunternehmen, Cateringunternehmen, Reinigungsunternehmen etc. möglich. Hier spricht allein die Übernahme eines Großteils der Mitarbeiter des Veräußerers beim Erwerber für einen Betriebsübergang.124 Die weitere Übertragung von sächlichen Mitteln ist dann nicht erforderlich, wenn der wesentliche Teil der Belegschaft übernommen wird.125 Dies ist immer der Fall, wenn mehr als 75 % der Belegschaft übernommen wird. 40 % sind hierfür zu wenig.126 bb) Übernahme von Spezialisten Etwas anderes gilt dann, wenn der Erwerber lediglich wenige Arbeitnehmer übernimmt. In diesen Fällen kann nicht von der Übernahme der Belegschaft gesprochen werden. Werden nur vereinzelt Arbeitnehmer übernommen, ist im Rahmen einer Gesamtschau zu prüfen, ob weitere Gesichtspunkte dafür sprechen, dass ein Betriebsübergang bejaht werden kann. Dieser kann darin zu sehen sein, dass die betreffenden Arbeitnehmer über Spezialwissen verfügen.127 Beispiel: Bei der Übertragung eines Hotels wird vom Erwerber der Finanzfachmann eingestellt, der alleinige Kenntnis über die gesamte Buchhaltung und das Anlagevermögen hat. Er verfügt insoweit über Spezialwissen, das auf den Erwerber übergeht, mit der Folge, dass der Betriebsübergang bejaht werden kann. 123 BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 676/97, NZA 1999, 420. BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, NZA-RR 2013, 179; BAG v. 16.02.2006 – 8 AZR 211/05, NZA 2006, 592. 125 BAG v. 22.08.2013 – 8 AZR 521/12; v. 21.08.2008 – 8 AZR 201/07, NZA 2009, 29. 126 BAG v. 25.09.2008 – 8 AZR 607/07, NZA-RR 2009, 469. 127 BAG v. 21.08.2008 – 8 AZR 201/07, NZA 2009, 29. 124 42 Macht das Know-How von Menschen einen wesentlichen Teil der betrieblichen Identität aus, so reicht es aus, wenn wenige Know-How-Träger übergehen. Zwei Arten der Know-HowÜbertragung durch Übergang der Arbeitnehmer sind denkbar. Entweder gehen ein oder mehrere Spezialisten128 auf den Erwerber über oder ein gesamtes Team, das über besondere Kenntnisse verfügt.129 Existiert über das Know-How einzelner Personen noch ein spezifisches Teamwissen und geht nur ein Teil der Mitglieder dieses Teams auf den Erwerber über, hat dies zur Folge, dass die Fachkenntnis geteilt wird. In diesen Fällen ist ein Betriebsübergang regelmäßig zu verneinen.130 Beispiel: Ein Betrieb stellt mithilfe von spezialisierten Arbeitnehmern Produkte her. Eine Verlagerung ins Ausland findet statt. Gehen nur die Vorarbeiter mit zum Erwerber, um dessen Arbeitnehmer anzulernen, wird die einst bestehende Einheit zerstört und eine neue aufgebaut. So kann der Wechsel nur einer einzigen Person, die über das für den Betrieb relevante Fachwissen verfügt, einen Betriebsübergang nach § 613a BGB darstellen131, hingegen ist bei Arbeitnehmern von geringer Qualifikation von einem Betriebsübergang nur dann auszugehen, wenn eine hohe Anzahl von ihnen mit der fortgesetzten Tätigkeit beim Betriebserwerber beschäftigt wird. Zusammenfassender Überblick Notwendige Beibehaltung eines Funktions- und Zweckzusammenhangs des Betriebes (ohne Wahrung der Identität möglich) Übertragung von Sachmitteln Immateriellen Gütern Übergehenden Mitarbeitern • Ortsfeste Betriebe • Kundenstämme • Hauptbelegschaft • Warensortiment • Lieferverträge • Spezialisten • Lagerbestände • betriebliches Know-how 128 BAG v. 09.02.1994 – 2 AZR 781/93, NZA 1994, 612. LAG Rostock v. 10.04.2003 – 1 Sa 455/02. 130 LAG Berlin v. 18.09.1998 – 6 Sa 53/98, ARST 1999, 188. 131 BAG v. 21.06.2012 – 8 AZR 181/11; v. 09.02.1994 – 2 AZR 781/93, NZA 1994, 612. 129 43 V. Betriebsteil als Übertragungsobjekt Der Tatbestand und die Rechtsfolgen des § 613a BGB greifen nicht nur dann ein, wenn der gesamte Betrieb vom Veräußerer an den Erwerber übergeht, für die Anwendung reicht es aus, wenn nur ein Teil des Betriebes betroffen ist. Wie bei der Definition des gesamten Betriebes existiert in § 613a BGB auch keine Definition des Betriebsteils. 1. Definition des Betriebsteils Der Begriff des „Betriebsteils“ findet sich nicht nur in § 613a BGB, sondern vor allem auch in §§ 4 und 111 BetrVG. a) Teilbetrieb im Betriebsverfassungsrecht Der Begriff des Betriebsteils wird in § 4 und § 111 BetrVG verwendet und ist aufgrund des Regelungszusammenhangs für beide Normen des Betriebsverfassungsrechts als identisch anzusehen. Das Bestehen einer selbstständigen und abgrenzbaren Einheit ist normative Voraussetzung. Diese muss zum einen organisatorisch in einen Hauptbetrieb eingegliedert sein, zum anderen sich an dessen betrieblichem Zweck ausrichten.132 Entscheidend ist daher die organisatorische Abgrenzbarkeit bei gleichzeitig bestehender relativer Selbstständigkeit. Im Ergebnis muss es sich um räumlich und organisatorisch unterscheidbare Rechtsbereiche handeln, die aber aufgrund ihrer Eingliederung allein nicht bestehen können.133 Für die Differenzierung zwischen dem Betrieb und dem Betriebsteil nach dem BetrVG ist der Grad der Verselbstständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Während der Betrieb regelmäßig über eine eigene Leitungsebene verfügt, ist der Betriebsteil in die Leitung des Betriebes integriert. b) Teilbetrieb beim Betriebsübergang Anders als beim gesamten Betrieb knüpft das BAG beim Betriebsteilbegriff im Sinne des § 613a BGB nicht an die Definition des BetrVG an. Vielmehr wird der Begriff des Betriebsteils weit ausgelegt. Danach ist ein Betriebsteil im Sinne des § 613a BGB eine abgrenzbare organisatorische Untergliederung eines Gesamtbetriebes, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird.134 Ob es sich hierbei um eine nur untergeordnete oder eine Hilfsfunktion für den Hauptbetrieb handelt, ist ohne Bedeutung.135 Wichtig ist nur, dass der auf den Erwerber übertragene Teilbetrieb auch beim Veräußerer schon die Qualität eines Teilbetriebes hatte.136 Für die Erreichung des Teilzwecks können Mitarbeiter, ferner sächliche und/oder immaterielle Betriebsmittel zum Einsatz kommen. Bei einem Teilbetriebsübergang wird folglich ein mit einem abgrenzbaren Funktionszusammenhang versehener Betriebsteil auf einen neuen Inhaber übertragen, wobei dieser Funktionszusammenhang trotz Übertragung gewahrt bleiben muss. Dabei ist egal, welche Betriebsmittel oder welches sonstige Anlagevermögen im Einzelnen übertragen werden, ferner, 132 Rose in H//W/G/N/R/H, § 4 BetrVG, Rn. 11. BAG v. 19.02.2002 – 1 ABR 26/01, NZA 2002, 1300; LAG Sachsen-Anhalt v. 09.03.2010 – 2 Sa 369/09. 134 BAG v. 21.05.2008 – 8 AZR 481/07, NZA 2009, 144; LAG Berlin-Brandenburg v. 15.03.2013 – 6 Sa 1998/12. 135 BAG v. 22.07.2004 – 8 AZR 350/03, NZA 2004, 1383. 136 BAG v. 16.02.2006 – 8 AZR 204/05, NZA 2006, 794. 133 44 ob es sich um eine Maßnahme des Out- oder Insourcing gehandelt hat.137 Entscheidend ist, dass solche materiellen oder immateriellen Gegenstände übertragen werden, die den Teilbetrieb wesentlich prägen. Es hat im Ergebnis eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Die Frage, ob der Erwerber an den an ihn übertragenen Betriebsmitteln Eigentum erwirbt, ist unerheblich. § 613a BGB knüpft nicht an die Eigentumsverhältnisse vor oder nach Betriebsübergang an.138 Insbesondere muss der Erwerber kein Eigentum an den Produktionsmitteln erlangen.139 Wichtig ist nur, dass der Erwerber den Betriebsteil zur Durchführung des betrieblichen Zwecks eigenverantwortlich nutzen kann. Vertragliche Absprachen müssen nicht existieren, es reicht der tatsächliche Besitz, der ein Handeln ermöglicht. aa) „Auf Dauer angelegter“ Teilbetrieb Ergänzend stellt sich die Frage, welche zeitlichen Mindestanforderungen an einen übernahmefähigen Betriebsteil gestellt werden müssen, damit er die Voraussetzung einer „auf Dauer angelegten“ wirtschaftlichen Einheit erfüllt. Eine solche Einheit liegt nur vor, wenn zum einen objektiv die Betriebsmittel den Erwerber in die Lage versetzen, eine Zeit lang den betrieblichen Zweck fortzusetzen, zum anderen ein subjektives Moment hinzukommt, welches beinhaltet, dass der Erwerber dies auch tatsächlich will. Besteht hingegen keine Absicht, den Zweck des Teilbetriebes fortzusetzen, sondern lediglich das Ziel der Verwertung, ist ein Übergang des Betriebes mangels Fortführung zu verneinen. Beispiel: Ein Unternehmen, bestehend aus einer Produktionsabteilung und einem altersschwachen Fuhrpark, veräußert allein den Fuhrpark. Wenn der Erwerber den Fuhrbetrieb nicht fortführen, sondern nur die alten LKW aus Sammlerleidenschaft übernehmen will, ist eine Fortführung des Zwecks zu verneinen. Etwas anderes gilt, wenn erst für eine Zeit lang die Transportleistung erbracht wird und dann die Leidenschaft für alte LKW erwacht. bb) Betriebsteil als abgrenzbar zu übertragende Einheit Der Teilbetrieb ist nur dann als selbstständige übertragbare Einheit im Sinne des § 613a BGB zu betrachten, wenn er vom Hauptbetrieb abgrenzbar ist und einen eigenen betrieblichen Zweck verfolgt. Dieser Zweck kann sich darin erschöpfen, meist in untergeordneter Bedeutung eine oder mehrere Hilfsfunktionen für den Hauptbetrieb zu erbringen. Regelmäßig lässt sich der Teilbetrieb daher in den Zweck des Hauptbetriebes integrieren. Der Betriebsteil erschöpft sich dabei nicht in der reinen Tätigkeit für den Hauptbetrieb, seine Identität ergibt sich auch aus anderen Merkmalen, wie den beschäftigten Arbeitnehmern inklusive der Führungskräfte, der Arbeitsorganisation selbst, den verwendeten Betriebsmethoden und den eingesetzten Mitteln des Betriebsteils.140 Die Charakterisierung als Betriebsteil ist dabei unabhängig davon, ob der verfolgte Betriebszweck wirtschaftlich eigenständig von dem Zweck des Hauptbetriebes bestehen kann. Selbst wenn der Betriebsteil ohne Hauptbetrieb seine Daseinsberechtigung verlieren würde, ist er dennoch bei der Verfolgung eines eigenständigen wirtschaftlichen Zwecks als Betriebsteil im Sinne des § 613a BGB zu qualifizieren. 137 LAG Hamm v. 10.10.2001 – 19 Sa 1150/01. BAG v. 27.04.1995 – 8 AZR 197/94, NZA 1995, 1155. 139 BAG v. 31.01.2008 – 8 AZR 2/07, NZA 2009, 1232. 140 BAG v. 25.05.2000 – 8 AZR 335/99. 138 45 Beispiel: In einer Zinkproduktion existiert eine Wasseraufbereitungsanlage, die von der Produktion räumlich getrennt ist und in der fünf Arbeitnehmer ausschließlich beschäftigt sind. Die Wasseraufbereitung wird auf ein kommunales Wasserversorgungsunternehmen übertragen. Ein Teilbetriebsübergang liegt selbst dann vor, wenn nach Einstellung der Zinkproduktion für die Wasseraufbereitung keine Existenzberechtigung mehr besteht. Ebenfalls ohne Bedeutung für den Betriebsteilbegriff ist die Frage, inwieweit der Betriebsteil vor und nach der Veräußerung ausschließlich und exklusiv für den Hauptbetrieb zunächst des Veräußerers und dann des Erwerbers zuständig ist.141 Für die Qualifizierung spielt es keine Rolle, ob der Betriebsteil seine Dienstleistung und Produkte nur für einen speziellen Vertragspartner oder jedermann anbieten kann. Gerade Letzteres ist beim Outsourcing häufig der Fall. Beispiel: Der outgesourcte Fuhrpark eines Unternehmens transportiert als neue Gesellschaft nicht nur für das alte Unternehmen Waren, sondern bietet seine Transportleistung frei am Markt an. cc) Notwendigkeit einer eigenständigen Betriebsstruktur Die Abhängigkeit des Teilbetriebs vom Hauptbetrieb darf sich nur auf die Einheit der Leitungsmacht und die gemeinsame Verfolgung bestimmter Betriebszwecke erstrecken. Kennzeichnend für den Teilbetrieb als selbstständige Übertragungseinheit ist aber, dass er über eine eigenständige Betriebsstruktur verfügt, die vor und nach der Übertragung bestanden haben muss. Diese ist in einer bestehenden Arbeitnehmergruppe, einer erhaltenen Leitungsstruktur oder in einer gleichbleibenden Aufgabe bzw. einem gleichbleibenden betrieblichen Zweck zu erkennen. Bei der Definition des Betriebsteils ist es sowohl nach der Richtlinie der Europäischen Union142 als auch nach § 613a BGB143 von Bedeutung, dass die organisatorische Teileinheit bereits vor dem Übergang hinreichend strukturiert und vor allem selbstständig gewesen ist. Wird in einem Unternehmen eine bestimmte Dienstleistung, deren Zweck sich in verschiedenen Betriebsteilen durch eigene Mitarbeiter erfüllt, outgesourct, liegt kein einheitlicher betrieblicher Zweck eines nach § 613a BGB zu übertragenden Betriebsteils vor.144 Nur dann, wenn bestimmte Funktionen in einem Unternehmen als eigenständiger Betriebsteil organisatorisch zusammengefasst sind, kann dieser den Gegenstand eines Teilbetriebsübergangs bilden. Nur dann, wenn in einem Unternehmen ein bestimmter Zentralbereich mit festen Mitarbeitern auf einen Dritten übertragen wird, kann es zu einem Teilbetriebsübergang im Sinne des § 613a BGB kommen. Beispiel: In einem Unternehmen ist in jeder Abteilung ein Mitarbeiter für die EDV-Arbeiten zuständig. Wird nun die EDV im Unternehmen komplett outgesourct, liegt kein Teilbetriebsübergang vor, da keine eigene organisatorische Abteilung „EDV-Support“ vorliegt, die als wirtschaftliche Einheit auf einen Erwerber übergehen kann. Auch unter dem Gesichtspunkt der Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs begründet sich kein anderes Ergebnis, da keine für eine 141 BAG v. 09.02.1994 – 2 AZR 666/93, NZA 1994, 686. EuGH v. 10.12.1998 – C-173/96, NZA 1999, 189. 143 BAG v. 03.09.1998 – 8 AZR 306/97, NZA 1999, 147. 144 BAG v. 24.04.1997 – 8 AZR 848/94, NZA 1998, 253. 142 46 Teileinheit prägende Übertragung stattgefunden hat. Dies wäre bei der Übertragung einer großen Teileinheit möglich, die sich ausschließlich mit der Wartung der Server befasst hat. Von Bedeutung ist, dass die übertragende Einheit einen eigenständigen Betriebszweck verfolgt. Die Übertragung eines Betriebsteils ist somit von der bloßen Übertragung einzelner Betriebsmittel, wie Anlagen und Maschinen etc., zu unterscheiden. Im Ergebnis darf im Rahmen des § 613a BGB als Teilbetriebsübergang nicht nur eine Summe von Wirtschaftsgütern übertragen werden145, vielmehr muss der vom Erwerber erlangte Betriebsteil in der Lage sein, selbstständig einen organisatorischen Zweck zu erfüllen, der vorher schon bestanden hat. Der Erwerber muss den Betriebsteil im Wesentlichen unverändert fortführen können.146 dd) Betriebsmittel des Teilbetriebes Der Teilbetrieb muss über einen – in der Regel mit dem Hauptbetrieb abgestimmten – eigenen (Produktions-)Zweck verfügen, der mit eigenständigen Betriebsmitteln und den Arbeitnehmern im Teilbetrieb erreicht wird. Die Übertragung einzelner Betriebsmittel ist grundsätzlich unabhängig von der Fortführung des betrieblichen Zwecks möglich, solange die Identität, die bestanden hat, nach der Übertragung weiter existiert. Aus diesem Grund ist es ohne Bedeutung, wenn neben der Fortführung des Betriebszwecks durch einen Dritten Betriebsmittel veräußert werden. Die Übertragung eines Betriebsteils unter Fortführung des betrieblichen Zwecks und damit der Teilbetriebsübergang wird erst dann vereitelt, wenn wesentliche, den Betriebszweck prägende Maschinen und Anlagegegenstände veräußert werden. Übernimmt der Erwerber nur einen (kleinen) Teil aus dem Betrieb des Veräußerers, der nicht die Qualität eines Teilbetriebs hat, kann er aus dem Gesichtspunkt des § 613a BGB nicht verpflichtet werden, weitere Teile vom Veräußerer zu erwerben, um letztlich die Übernahme eines Betriebsteils zu sichern. 147 Insoweit bestimmt der Erwerber selbst, inwieweit er durch Umfang der Übernahme in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen der Arbeitnehmer des früheren Betriebes eintritt.148 Dabei müssen der Teil- und der Hauptbetrieb nicht zwingend verschiedene Zwecke verfolgen. Beispiel: Der Verkauf lediglich eines LKW stellt keinen Betriebsübergang des Fuhrparks dar, da kein eigener betrieblicher Zweck in Form eines Fuhrparks existiert hat, der fortgeführt werden kann. ee) Arbeitnehmer des Teilbetriebes Der Teilbetrieb mit seinem Produktionszweck muss nicht nur über materielle bzw. immaterielle Betriebsmittel verfügen, für § 613a BGB ist es unabdingbare Voraussetzung, dass Arbeitnehmer im Teilbetrieb vorhanden sind, mit denen der verfolgte Zweck erstrebt wird. In Fällen, in denen nicht der gesamte Betrieb, sondern nur ein Betriebsteil bzw. ein abgrenzbarer Bereich übertragen wird, kommt es entscheidend darauf an, dass der Arbeitnehmer dem übertragenen Betriebsteil angehört, damit sein Rechtsverhältnis auf den Erwerber übergeht.149 145 BAG v. 03.09.1998 – 8 AZR 306/97, NZA 1999, 147. BAG v. 22.05.1985 – 5 AZR 30/84, NZA 1985, 775. 147 BAG v. 03.09.1998 – 8 AZR 306/97, NZA 1999, 147. 148 BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 375/96, NZA 1998, 249. 149 BAG v. 24.01.2013 – 8 AZR 706/11; BAG v. 25.09.2003 – 8 AZR 446/02, NZA 2004,1406. 146 47 Der Betriebsübergang setzt voraus, dass nicht nur die Arbeitnehmer des Teilbetriebes vom Erwerber übernommen werden, sondern dass sie auch orientiert am funktionellen Betriebszusammenhang nahezu identische Tätigkeiten durchzuführen haben, die sie schon so oder so ähnlich für den Veräußerer erbracht haben.150 Unter Berücksichtigung der betreffenden Arbeitnehmer hängt die Bestimmung des Betriebsteils als organisatorische Untereinheit nicht von einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern ab. So kann der Betriebsteil nur über einen einzigen Arbeitnehmer verfügen, wenn dieser mit seiner Tätigkeit einen eigenen betrieblichen Teilzweck erfüllt.151 Voraussetzung ist allerdings, dass der verfolgte Zweck des Teilbetriebes vor und nach der Übertragung identisch ist.152 Übernimmt ein Zeitarbeitsunternehmen von einem anderen Zeitarbeitsunternehmen lediglich die bei einem bestimmten Entleiher eingesetzten Beschäftigten und setzt diese weiter als eigene ein, stellt dies keinen (Teil-)Betriebsübergang dar, weil die übernommenen Arbeitnehmer keinen eigenständigen Betriebsteil darstellen.153 Die Verneinung des Betriebsübergangs setzt in diesen Fällen aber voraus, dass noch andere Bereiche des Verleihers existieren, in denen eine Vielzahl von Arbeitnehmern beschäftigt wird. Auch hier muss auf die Mehrheitsverhältnisse abgestellt werden. 2. Wahrung des notwendigen Funktions- und Zweckzusammenhangs Auch der Übergang eines Betriebsteils setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass dessen Funktions- und Zweckzusammenhang erhalten bleibt und auf den Erwerber übergeht. Dabei wird, wie beim gesamten Betrieb, auf die Möglichkeit für den Erwerber abgestellt, ob er in der Lage ist, die übernommenen Betriebsmittel zu nutzen, um derselben oder einer zumindest gleichartigen Tätigkeit nachzugehen.154 Im Ergebnis wird auf die wirtschaftliche Einheit aus Personen und Sachen abgestellt. Die Fortsetzung des Zweckzusammenhangs ergibt sich aus der Gesamtschau aller maßgeblichen Kriterien. Es ist zu prüfen, in welcher Weise sich eine Bewegung vom Veräußerer in Richtung Erwerber vollzieht. Dies bezieht sich auf das Personal, die Führungskräfte, die Arbeitsorganisation, die Betriebsmethoden und die zur Verfügung stehenden Betriebsmittel, gleich ob materieller oder immaterieller Art.155 Die Übertragung ist selbst dann möglich, wenn der Teilbetrieb nach der Übertragung aufgrund der Integration seine Identität verliert, solange noch eine funktionsbezogene Zuordnung der Arbeiten zum Betriebsteil des Veräußerers möglich ist und der Erwerber die Betriebsmittel bzw. die übernommenen Arbeitnehmer für seine Zwecke nahezu identisch einsetzt. Beispiel: Ein Unternehmen, bestehend aus einer Produktionsabteilung und einem altersschwachen Fuhrpark, veräußert allein den Fuhrpark. Wenn der Erwerber den Fuhrbetrieb nicht fortführen, sondern nur die alten LKW als Sammlerleidenschaft übernehmen will, ist eine Fortführung des Zwecks zu verneinen. 150 BAG v. 21.05.2008 – 8 AZR 481/07, NZA 2009, 144. EuGH v. 14.04.1994 – C-392/92, NZA 1994, 545. 152 BAG v. 21.06.2012 – 8 AZR 244/11; v. 11.09.1997 – 8 AZR 555/95, NZA 1998, 31. 153 BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 1023/12. 154 BAG v. 22.01.2009 – 8 AZR 158/07, NZA 2009, 905; LAG Hamm v. 08.10.2013 – 7 Sa 888/13. 155 BAG v. 25.05.2000 – 8 AZR 335/99. 151 48 Die Fortsetzung des betrieblichen Zweckzusammenhangs ist durch die Übernahme der sächlichen Mittel, die dem Betriebsteil zuzuordnen sind, möglich. Sie kann sich aber auch aus einer Übernahme der immateriellen Betriebsmittel oder durch Übernahme der betroffenen Arbeitnehmer ergeben. In allen Fällen ist eine Wesentlichkeitsbetrachtung durchzuführen. Dabei findet die gleiche Wesentlichkeitsbetrachtung statt, die schon bei der Übertragung des gesamten Betriebes durchgeführt wurde. Unwesentliche Bestandteile der betrieblichen Anlagen oder des Betriebsvermögens bleiben bei der Betrachtung, ob ein Betriebsteil als Einheit übergeht, außer Betracht. Entscheidend ist vielmehr, ob der Erwerber mit dem oder den übernommenen Betriebsmitteln den Zweck des Teilbetriebes fortführen kann. Zusammenfassender Überblick Notwendige Beibehaltung eines Funktions- und Zweckzusammenhangs des Betriebes (ohne Wahrung der Identität möglich) bei Verfolgung eines eigenständigen Zwecks bei Wahrung der eigenständigen Struktur durch Übernahme der Betriebsmittel Übernahme der Arbeitnehmer VI. Funktionsnachfolge als Verneinung des Betriebsübergangs Der Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB wird regelmäßig dann verneint, wenn eine sogenannte „Funktionsnachfolge“ vorliegt.156 Allein die Identität der früher selbst und dann fremd vergebenen Aufgaben bzw. Arbeiten begründet keinen Schutz der betroffenen Arbeitnehmer. Zwar werden auch bei der Funktionsnachfolge regelmäßig die Tätigkeiten von einer oder mehreren neuen Personen erbracht, der funktionelle Zusammenhang, der zwischen dem alten Betrieb und der erbrachten Tätigkeit bestand und der das Wesen der alten betrieblichen Einheit prägte, geht aber nicht verloren. Eine neue betriebliche Einheit, die sich als Ausschnitt der alten Gesamtfunktion darstellt, wird folglich nicht begründet. Da die Abgrenzung zwischen Betriebsübergang und Funktionsnachfolge im Einzelfall schwierig ist, muss eine Überprüfung aller Umstände im Rahmen einer Gesamtschau erfolgen.157 156 157 BAG v. 22.08.2013 – 8 AZR 521/12; BAG v. 13.06.2006 – 8 AZR 271/05, NZA 2006, 1104. EuGH v. 15.12.2005 – C-232/04, NZA 2006, 29. 49 1. Fremdvergabe von bislang selbst erbrachten Leistungen Die Rechtsprechung verneint das Vorliegen eines Betriebsübergangs und bejaht stattdessen die reine Funktionsnachfolge, wenn durch die „organisatorische Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit“ weder Veräußerer noch Erwerber die Betriebs- oder Teilbetriebsidentität verlieren.158 Der Betrieb oder Betriebsteil muss folglich in seiner Identität beim Veräußerer und Erwerber erhalten bleiben. Dabei ist nicht so sehr auf die konkrete Organisation abzustellen als auf die Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs, der es dem Erwerber erlaubt, die erworbenen Betriebsmittel für einen bestimmten wirtschaftlichen Zweck zu nutzen. Wird daher eine bislang mit eigenen Kräften durchgeführte Aufgabe fremdvergeben, liegt ohne Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte (Übernahme von Teilen der Belegschaft oder von Sachmitteln) kein Betriebsübergang vor. Der alte Betrieb, der aus einer Mischtätigkeit inklusive der fremdvergebenen Funktion bestand, existiert dann weiter. Die übertragene Funktion allein ändert den Charakter des Betriebes nicht. Beispiel: Das Unternehmen beschließt, die Selbstreinigung, die bislang mit wenigen Mitarbeitern durchgeführt wurde, an eine Fremdfirma zu vergeben. Im Ergebnis hat kein eigener speziell mit der Reinigung befasster Betriebsteil bestanden, der als abgrenzbare Einheit auf den Erwerber übergehen konnte. Die Funktionsnachfolge hat folglich drei Voraussetzungen: Erstens muss ein identischer Auftraggeber vorliegen, zweitens muss eine nahtlose oder fast nahtlose Fortsetzung des alten Auftrags gegeben sein und drittens müssen sich die zu leistenden Tätigkeiten inhaltlich stark ähnlich sein.159 Die Abgrenzung zwischen einem echten Betriebsübergang und einer Funktionsnachfolge ist in den Branchen schwierig, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt und der Einsatz von sächlichen und/oder immateriellen Betriebsmitteln nur eine untergeordnete Rolle spielt. Klassische Beispiele sind die Reinigungstätigkeiten durch den Einsatz von Putzkolonnen oder Bewirtschaftungsverträge im Cateringbereich. Gleiches gilt für das gesamte Bewachungsgewerbe. Zu prüfen ist, ob aufgrund aller Umstände ein eigener übertragungsfähiger Betriebsteil vorliegt. 160 Die Übertragung allein der Funktion ist hierfür zu wenig, ein Betriebsübergang kann hingegen erfüllt sein, wenn zusätzlich Personen oder Sachmittel übergehen. Beispiel: Werden im Zusammenhang mit der Neuvergabe des Reinigungsauftrags wesentliche Betriebsmittel von der alten Firma auf die neue übertragen, könnte daher allein aufgrund dieser übertragenen Betriebsmittel ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB vorliegen. Zu denken ist etwa an die Übertragung von Reinigungs- und Kehrmaschinen. Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB und keine Funktionsnachfolge liegt ferner dann vor, wenn der neue Inhaber nicht nur die entsprechende Tätigkeit fortführt, sondern 158 BAG v. 22.01.2015 – 8 AZR 733/13, NZA 2015, 87; BAG v. 22.01.2009 – 8 AZR 158/07, NZA 2009, 905. 159 BAG v. 19.03.2015 – 8 AZR 150/14DB 2015, 2030. 160 BAG v. 05.12.2002 – 2 AZR 522/01, NZA 2003, 1168. 50 auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt.161 Der wesentliche Teil der Belegschaft wird dann übernommen, wenn ein nach Anzahl oder Qualifikation nicht unerheblicher Teil von Arbeitnehmern betroffen ist.162 2. Auftragsverlust an Mitbewerber Der EuGH sieht in dem reinen Verlust eines Auftrages an einen Mitbewerber keinen Übergang des Betriebes im Sinne der Richtlinie. Zur Begründung wird angeführt, dass das zuvor beauftragte Dienstleistungsunternehmen zwar einen Kunden verliert, im Ergebnis aber unverändert fortbesteht, ohne dass einer seiner Betriebe oder Betriebsteile auf einen neuen Auftraggeber übergegangen ist.163 Das BAG beurteilt den Auftragsverlust in gleicher Weise. Eine Funktionsnachfolge und damit kein Betriebsübergang wird vor allem dann angenommen, wenn ein Auftrag verloren geht, der im Wesentlichen ohne Nutzung von Betriebsmitteln durchgeführt wurde. Setzt der Erwerber zudem nur eigenes Personal ein und greift er nicht auf Arbeitnehmer des Veräußerers zurück, liegt regelmäßig eine Funktionsnachfolge vor. Verwendet der Erwerber allerdings Betriebsmittel des Auftraggebers, ist zu prüfen, ob der Mitteleinsatz nicht der bestimmende Aspekt der Tätigkeit ist. Ohne darauf abzustellen, ob der Erwerber „an“ oder „mit“ den Betriebsmitteln des Auftraggebers arbeitet oder ob er sie „eigen-“ oder „fremdnützig“ einsetzt bzw. einsetzen kann, wird allein auf deren Funktion im Rahmen der Wertschöpfungskette abgestellt.164 Beispiel: Ein Caterer hat eine Kantine gepachtet. Sämtliche Einrichtungsgegenstände sind in der Küche vorhanden. Das Unternehmen verliert den Auftrag an einen Konkurrenten. Nutzt dieser die Gegenstände weiter und setzt er nur eigenes Personal ein, liegt dann ein Betriebsübergang vor, wenn bei der Betrachtung der Wertschöpfungskette die Kücheneinrichtung gegenüber dem Know-How der Mitarbeiter, die in der Küche arbeiten, Vorrang genießt. Bei einem Auftragsverlust ist folglich darauf abzustellen, in welchen der betroffenen Betriebsmittel der Schwerpunkt der Wertschöpfung liegt. 165 Gehen diese – wenn auch nur im Wege des Nutzungsrechts – auf den Erwerber über, ist ein Betriebsübergang zu bejahen. Wertschöpfend kann in diesen Fällen die Arbeit der Mitarbeiter sein, ebenso materielle Betriebsmittel, letztlich auch immaterielle Mittel wie das Know-How etc. Beispiel: Ein Bewachungsunternehmen führt Sicherheitsleistungen am Flughafen durch, indem Personen und Handgepäck kontrolliert werden. Hierzu werden die üblichen Geräte genutzt, die an jedem Flughafen zu finden sind. Diese stehen im Eigentum des Flughafenbetreibers als Auftraggeber. Bei einem Verlust des Auftrags und Neuabschluss mit einem konkurrierenden Unternehmen des Bewachungsgewerbes nutzt der „Erwerber“ die Geräte ebenfalls. Da diese einen erheblichen Teil, wenn nicht den maßgeblichen Teil der Wertschöpfungskette darstellen, ist ein Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB zu bejahen. 161 BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 763/97. BAG v. 08.11.1997 – 8 AZR 295/95, NZA 1998, 251. 163 EuGH v. 11.03.1997 – C-13/95, NZA 1997, 433. 164 BAG v. 22.08.2013 – 8 AZR 521/12; v. 13.06.2006 – 8 AZR 271/05, NZA 2006, 1101. 165 EuGH v. 20.11.2003 – C-330/01, NZA 2003, 1385. 162 51 Sind keine als Betriebsmittel nutzbaren Geräte in der Wertschöpfungskette und kommt es allein auf die menschliche Arbeit an, liegt eine reine Funktionsnachfolge vor, wenn der „Erwerber“ als neuer Vertragspartner ausschließlich eigene Mitarbeiter einsetzt.166 Bei einem betriebsmittelarmen Betrieb (Bewachung eines militärischen Sperrgebiets durch Patrouillengänge und Torkontrollen) ist daher der Übergang von Arbeitnehmern entscheidend.167 Geht kein Personal über, ist ein Betriebsübergang in diesen Fällen zu verneinen. Es kann jedoch zu einem Betriebsübergang kommen, wenn zusammen mit dem Auftrag oder der Funktion sächliche Betriebsmittel übertragen oder eine nicht unerhebliche Anzahl Arbeitnehmer übernommen werden. Findet beides nicht statt, greift der Schutz des § 613a BGB nicht ein. Kommt es allerdings zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Betriebsübergang, haben die Arbeitnehmer des ehemals Beauftragten einen einklagbaren Anspruch auf Einstellung und Wahrung des Besitzstandes gegenüber dem neuen Auftragnehmer.168 Zusammenfassender Überblick Funktionsnachfolge hindert Betriebsübergang (insoweit nicht Sachmittel oder Arbeitnehmer übergehen) Fremdvergabe eigener Leistungen Auftragsverlust an Mitbewerber VII. Betriebsstilllegung/-unterbrechung Das BAG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine wirtschaftlich erhebliche Zeitspanne der Betriebsunterbrechung der Annahme eines Betriebsüberganges entgegensteht.169 Abzugrenzen ist, ob ein Betrieb unter Wahrung seiner zweckbindenden Identität übergeht oder ob er vom Erwerber mit der Zielsetzung übernommen wird, ihn erst gar nicht fortzuführen. Beispiel: Eine Betriebsstilllegung liegt vor, wenn der Erwerber aus dem übernommen Gartengrundstück, auf dem vorher ein Biergarten betrieben wurde, eine Parklandschaft machen möchte. 166 BAG v. 25.09.2007 – 8 AZR 607/07, NZA RR 2009, 469; LAG Hamm v. 18.11.2914 – 15 Sa 1017/14. 167 BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 45/05, NZA 2006, 263. 168 BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 295/95, NZA 1998, 251. 169 BAG v. 22.05.1997 – 8 AZR 101/96, NZA 1997, 1050. 52 Nicht nur die Absicht, endgültig den Betrieb einzustellen, auch die willentliche Unterbrechung für einen längeren Zeitraum kann einem Betriebsübergang entgegenstehen. Das erstgenannte Verhalten ist als Betriebsstilllegung zu bezeichnen, das zweite als Betriebspause. In beiden Fällen geht die Kontinuität zwischen der Tätigkeit des Veräußerers und der eines möglichen Erwerbers verloren. Dies gilt selbst dann, wenn der Letztgenannte zu einem späteren Zeitpunkt die Tätigkeit wieder aufnimmt. Der Erwerber würde dann bei Aufnahme der Tätigkeit einen gänzlich neuen Betrieb führen. Die Absicht, den Betrieb stillzulegen, können sowohl der Erwerber als auch der Veräußerer verfolgen. Die zugrunde liegenden Entscheidungen können von der Rechtsprechung aufgrund der im Grundgesetz verankerten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit nicht daraufhin überprüft werden, ob sie unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind.170 Gleiches gilt für die Entscheidung, die nur einen Teilbetrieb betrifft. Auch dieser kann überprüfungsfrei stillgelegt oder mit einer Betriebspause versehen werden, was beides einen Teilbetriebsübergang ausschließen kann. 1. Stilllegung der wirtschaftlichen Tätigkeit Grundsätzlich schließen sich Betriebsstilllegung und Betriebsübergang aus.171 Denn ein Betrieb oder Betriebsteil, der nicht besteht, kann nicht auf einen anderen Inhaber übertragen werden. Abgeschlossen ist die Stilllegung dann, wenn die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer beendet und die Betriebsmittel nicht mehr dem vorherigen Zweck entsprechend eingesetzt werden.172 Die betriebliche Identität ist damit untergegangen, Mitarbeiter können in diesen Fällen betriebsbedingt gekündigt werden.173 Beispiel: Ein Unternehmen veräußert ein Grundstück mit Hallen und Produktionsmaschinen. Wenn der Erwerber die Produktion nicht fortführen, sondern ein Hotel auf dem Grundstück eröffnen will, ist eine Fortführung des Zwecks zu verneinen. Manifestiert wird diese Absicht unter anderem durch den Verkauf der Maschinen, der Kündigung der die Produktion betreffenden Verträge, ferner Beantragung einer Baugenehmigung für das Hotel. Die Frage, ob eine Betriebsstilllegung vorliegt, ist dann nicht sicher zu beantworten, wenn kein entsprechend klarer Wille erkennbar ist. In diesen Fällen kommt es auf objektivierbare Umstände im Einzelfall an, die für eine Betriebsstilllegung sprechen können. Entscheidend ist insbesondere die Dauer der Unterbrechung des betrieblichen Zwecks, ferner die zur Stilllegung durchgeführten Aktivitäten. Nicht ausreichend ist allein die Einstellung der Produktion oder die Veräußerung von Betriebsmitteln.174 Die Rechtsprechung knüpft das Vorliegen einer Stilllegung – analog dem Rechtsinstitut der Verwirkung – an zwei Tatbestandsmerkmale an. Zum einen ist das Zeitmoment der Unter170 KR-Pfeiffer, § 613a BGB, Rn. 30. BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 692/10, NZA-RR 2012, 570; BAG v. 16.05.2002 – 8 AZR 319/01, NZA 1993, 93. 172 BAG v. 16.05.2002 – 8 AZR 319/01; NZA 2003, 93. 173 BAG v. 24.08.2006 – 8 AZR 317/05, NZA 2007, 1287; LAG Schleswig-Holstein v. 28.02.2012 – 6 Sa 362/11. 174 BAG v. 26.04.2007 – 8 AZR 695/05, NZA 2008, 72. 171 53 brechung entscheidend, darüber hinaus das Umstandsmoment, das die Aktivitäten der Stilllegung umfasst. Erst kumulativ können beide Tatbestandsmerkmale für eine zur endgültigen Stilllegung führende Unterbrechung des Betriebes sprechen.175 Der Betriebsübergang ist zu verneinen. a) Zeitmoment Das Zeitmoment ist erfüllt, wenn zwischen dem Ende der betrieblichen Tätigkeit und einer möglichen Neueröffnung eine nicht unerhebliche Zeitdauer vergangen ist. Ein erheblicher Zeitraum ist dann vergangen, wenn objektiv nicht mehr mit der Wiedereröffnung des Betriebes zu rechnen ist. Anknüpfungsmoment des Zeitmoments ist nicht primär der subjektive Wille des Veräußerers oder des Erwerbers. Entscheidend ist die Sicht eines objektiven Dritten. Dieser muss den Eindruck haben, dass aufgrund der vergangenen Zeitspanne der alte Betrieb nicht fortgeführt wird. Das Zeitmoment einer Betriebsstilllegung ist dann nicht erfüllt, wenn ein Erwerber zwar zunächst beschließt, eine Betriebspause einzulegen, dies aber bei festem Willen, den identischen Betriebszweck, den der Veräußerer verfolgt hat, nach einer gewissen Zeitspanne fortzuführen. In diesen Fällen gilt unabhängig von der tatsächlichen Zeitspanne die Unterbrechung als nicht erheblich. Der Wille, den Betrieb im Ergebnis fortzuführen, überwiegt in diesen Fällen. Dies hat zur Folge, dass ein Betriebsübergang auf den Erwerber zu bejahen ist.176 Als Indiz dafür, ob eine auf Dauer angelegte Betriebsstilllegung vorliegen soll, orientiert sich die Rechtsprechung an den Fristen des § 622 BGB.177 Alternativ sind die tariflich verankerten Kündigungsfristen entscheidend. Dauert die Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit länger als die längste gesetzliche oder tarifliche Kündigungsfrist, ist von einer Stilllegung auszugehen. b) Umstandsmoment Neben dem Zeitmoment muss das Umstandsmoment hinzukommen. Das Umstandsmoment, das für die Stilllegung des Betriebes sprechen kann, ist die Perpetuierung der Einstellung des betrieblichen Zwecks. Für die Stilllegung sprechen die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit, die Auflösung der dem Betriebszweck dienenden funktionellen Organisationseinheit, die Kündigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse, die Veräußerung von Betriebsmitteln sowie die Veräußerung der betrieblichen Grundstücke. Liegen für diese Handlungen entsprechende Gesellschafterbeschlüsse vor, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob darin der tatsächliche Wille zur Stilllegung enthalten ist.178 Die Betriebsstilllegung setzt voraus, dass die Betriebsorganisation und damit die zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern bestehende Betriebs- und Produktionsgemeinschaft aufgelöst wird. Die Auflösungsabsicht äußert sich darin, dass der Betriebsinhaber die wirtschaftliche Betätigung mit ernstlichem und endgültigem Willen einstellt. Er muss beabsichtigen, den bisherigen Betriebszweck dauernd und nicht nur für eine unerhebliche Zeitspanne einzustellen. 175 BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 282/97, DB 1999, 327. BAG v. 18.03.1998 – 8 AZR 159/98, NZA 1999, 704. 177 BAG v. 03.07.1986 – 2 AZR 68/85, NZA 1987, 123. 178 BAG v. 28.05.2009 – 8 AZR 273/08, NZA 2009, 1267. 176 54 Dabei muss der Stilllegungswille als subjektives Entscheidungskriterium „greifbare“ und damit „objektivierbare“ Formen angenommen haben. Dies bedeutet, dass der Veräußerer oder der Erwerber nicht nur die Auflösung geplant haben, sondern ihren ernsthaften Willen179 bereits durch erste Maßnahmen der Umsetzung zum Ausdruck bringen müssen. Beispiel: Führt der „alte Inhaber“ daher noch Verhandlungen mit einem potenziellen Erwerber oder potenziellen Teilhaber, fehlt ein ernstlicher Wille zur Stilllegung. Die Verhandlungen müssen aber ernsthaft und mit konkretem Ziel geführt werden. Führt hingegen der Erwerber den betrieblichen Zweck zunächst weiter, kommt es regelmäßig zu einem Betriebsübergang. Dies gilt selbst dann, wenn dies nur eine kurze Zeitspanne betrifft. An diesem Ergebnis ändert ein später gefasster Entschluss des Erwerbers, den Betrieb dennoch stillzulegen, nichts. Allerdings ist der Erwerb ohne die Absicht, den Betrieb weiterzuführen – also nur zur Zerschlagung der betrieblichen Einheit – nicht als Betriebsübergang zu qualifizieren. Da der Betriebsübergang notwendigerweise den Fortbestand der betrieblichen Einheit voraussetzt, ist der ernstliche Willensentschluss zur Einstellung des Betriebszwecks dann unbeachtlich, wenn objektiv ein anderweitiges Handeln erkennbar ist. Denn unabhängig vom subjektiven Willensentschluss ist es notwendig, dass sich der Einstellungswille durch tatsächliches Handeln manifestiert. Allein die Einstellung der Produktion genügt unter Umständen nicht.180 Der Veräußerer muss sich endgültig entschlossen haben, den Betrieb stillzulegen. Wichtig ist: Hinzutreten müssen unumkehrbare Handlungen, diesen Entschluss in die Tat umzusetzen.181 Beispiel: Ein Unternehmer teilt in einer Versammlung den Arbeitnehmern mit, dass er den Betrieb stilllegen wolle und spricht mit der Begründung betriebsbedingte Kündigungen aus. Gleichzeitig verhandelt er mit einem Investor, der Interesse an der Übernahme hat. Die Kündigungen sind unwirksam, da es an einem ernsthaften und endgültigen Willen zur Einstellung mangelt. Eine Betriebsstilllegung ist ebenfalls dann zu verneinen, wenn der ehemalige Eigentümer lediglich einzelne Betriebsmittel veräußert. In diesen Fällen ist regelmäßig danach zu differenzieren, ob mittels der übertragenen Betriebsmittel, seien es Einzelstücke oder ganze Sachgesamtheiten, die organisatorische Einheit des Betriebes erhalten bleibt. 182 Beispiel: Der Pächter einer Gastwirtschaft überträgt diese nach Ablauf des Vertrages an den Verpächter zurück. Der Pächter beabsichtigt, die Gastwirtschaft stillzulegen. Der Verpächter kauft dem ehemaligen Pächter eine Theke, eine Zapfanlage, renoviertes Mobiliar und modernisierte Sanitäreinrichtungen ab. Entgegen dem ursprünglichen Willen, die Gastwirtschaft nicht neu zu verpachten, überträgt der Verpächter alles mittels Vertrag zeitnah auf einen neuen Pächter. Dieser führt die Gastwirtschaft fort. Ein Betriebsübergang liegt vor, denn eine zeitliche Zäsur hat nicht 179 BAG v. 29.09.2005 – 8 AZR 674/04, NZA 2006, 720. BAG v. 12.02.1987 – 2 AZR 247/86, NZA 1988, 170. 181 BAG v. 11.11.1986 – 3 AZR 179/85, NZA 1987, 597. 182 BAG v. 27.04.1995 – 8 AZR 197/94, NZA 1995, 1155. 180 55 stattgefunden. Wesentliche Einrichtungsgegenstände wurden vom Veräußerer übertragen, daher bleibt der Wille des ehemaligen Pächters, den Betrieb einzustellen, unberücksichtigt. Für die Beurteilung, ob tatsächlich der Betrieb stillgelegt wird, ist die Dauer der Tätigkeit des ursprünglichen Betriebes von entscheidender Bedeutung. Gerade eine zeitlich lange Anwesenheit an einem Standort kann trotz Unterbrechung eine Betriebsfortführung und damit einen möglichen Betriebsübergang bedingen. Beispiel: Ein Modeverkaufshaus, in dem auch Jeans verkauft wurden, wird zwanzig Jahre in einem Ladenlokal betrieben. Nach einer Unterbrechung von sechs Monaten eröffnet eine JeansBoutique. Das BAG hat eine Unterbrechung von sechs bis neun Monaten für akzeptabel angesehen, wenn zuvor der Betrieb des Veräußerers langjährig an einem Standort gewesen ist. Eine Stilllegung hat folglich nicht stattgefunden. Die Erfüllung des Umstandsmoments ist auch in den Fällen zu verneinen, in denen lediglich das Gewerbe abgemeldet oder wenn allein der Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt wird.183 Gerade der Antrag auf vorläufige Insolvenz bedingt keine Stilllegung des Betriebes, da regelmäßig der betriebliche Zweck zunächst vom vorläufigen Insolvenzverwalter fortgeführt wird. 2. Betriebsunterbrechung Die Betriebspause ist die temporäre Unterbrechung der Verfolgung des betrieblichen Zwecks. Synonym mit diesem Begriff der Betriebspause wird der Begriff der Betriebsunterbrechung gebraucht.184 Für die notwendige Dauer einer Unterbrechung, die im Ergebnis zur Verneinung eines Betriebsübergangs führt, sind vom BAG keine feststehenden Zeitgrenzen vorgegeben. Notwendig ist, dass die Verfolgung des betrieblichen Zwecks für einen nicht unerheblichen Zeitraum eingestellt wird185, ohne dass zu irgendeinem Zeitpunkt der Wille bestand, den Betrieb endgültig aufzugeben. Allein die Verhandlungen zwischen Geschäftsleitung und dem Betriebsrat zur Vereinbarung eines Interessenausgleichs und Sozialplans begründen aber keine Betriebspause, die einen Betriebsübergang ausschließt. Dies gilt selbst dann, wenn nach erheblichem Zeitablauf eine Einigungsstelle entschieden hat186, die erst gerichtlich eingesetzt werden musste. Beispiel: Der Pächter einer Bowlingbahn hat diese nach Ablauf des Pachtvertrages an den Verpächter zurückgegeben. Der neue Pächter installiert eine völlig neue Bowlinganlage. Das BAG hat den Betriebsübergang mit der Begründung bejaht, das Bowlingspiel bilde den prägenden Teil der Wertschöpfungskette. Der Pächter und der Betriebsrat hatten vor der Rückgabe an den Verpächter über einen langen Zeitraum die Schließung der alten Gaststätte verhandelt. Schließlich kam es zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans. In dieser Zeit ruhte der Betrieb der Gaststätte. Das BAG hat trotz dieser Unterbrechung den Betriebsübergang nach § 613a BGB auf den neuen Pächter bejaht, da keine freiwillige Unterbrechung vorgelegen hat. Lediglich gesetzliche Beteiligungsrechte seien durchgeführt worden. 183 BAG v. 03.07.1986 – 2 AZR 68/85, NZA 1987, 123. BAG v. 03.07.1986 – 2 AZR 68/85, NZA 1987, 123. 185 EuGH v. 15.06.1988 – C-101/87, BAG v. 21.06.2001 – 2 AZR 137/00, NZA 2002, 212. 186 BAG v. 03.07.1986 – 2 AZR 68/85, NZA 1987, 123. 184 56 Bei der Beurteilung, wann eine Betriebsunterbrechung vorliegt, ist jede schematische Betrachtungsweise zu vermeiden. Für jede Branche ist gesondert festzustellen, ab welchem Zeitpunkt eine wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne vorliegt, die als Unterbrechung zu bewerten ist. Inhaltlich müssen wie bei der Betriebsstilllegung Zeit- und Umstandsmoment den Ausschluss des Betriebsübergangs rechtfertigen. Zusammenfassender Überblick Kein Betriebsübergang bei Betriebsstilllegung Betriebspause - Zeitmoment - Umstandsmoment VIII. Wechsel des Betriebsinhabers Der Tatbestand des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass der Betrieb „auf einen anderen Inhaber“ übergeht. Wer als neuer Inhaber oder Erwerber im Rahmen des § 613a BGB in Betracht kommt, sagt das Gesetz nicht, Voraussetzung ist aber, dass die Person des Betriebsinhabers infolge einer rechtsgeschäftlichen Übertragung wechselt. Ein Wechsel allein der Gesellschafter reicht nicht aus, da die Identität der Gesellschaft als Rechtssubjekt unverändert erhalten bleibt.187 1. Übernahme der Leitungsmacht Die Rechtsprechung hat anerkannt, dass als Inhaber sowohl auf der Seite des Veräußerers als auch auf der des Erwerbers eine natürliche oder eine juristische Person des privaten, aber auch des öffentlichen Rechts in Betracht kommen kann.188 Wichtig ist nur, dass zwischen ihnen ein Übergang, das heißt ein Wechsel, stattfindet. Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt der Inhaberwechsel dann vor, wenn die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten innehat, im Rahmen der vertraglichen Beziehung wechselt.189 Das BAG definiert den Inhaberwechsel identisch, verlangt aber zu187 BAG v. 14.08.2007 – 8 AZR 803/06, NZA 2007, 1428; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2013 – 10 Sa 48/13. 188 BAG v. 26.06.1997 – 8 AZR 426/95; NZA 1997, 1228. 189 EuGH v. 19.05.1992 – C-29/91; NZA 1994, 207. 57 sätzlich, dass der bisherige Inhaber seine wirtschaftliche Tätigkeit im Betrieb einstellt und der Erwerber als neuer Inhaber diese Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortführt. 190 Zwischen Veräußerer und Erwerber muss es nicht zu einer ausdrücklichen Vereinbarung kommen, die inhaltlich vorsieht, dass die Leitungsmacht auf den Erwerber übergeht. Notwendig ist allein, dass der Erwerber aufgrund einer sonstigen vertraglichen Absprache die faktische Herrschaftsmacht im Betrieb ausüben kann. Dies setzt inhaltlich voraus, dass der Erwerber in der Lage ist, organisatorisch die Geschicke des Betriebes zu bestimmen. Ein tatsächliches Handeln des Erwerbers im übernommenen Betrieb ist nötig, die Möglichkeit, dies zu tun, reicht hingegen nicht aus.191 Aus diesem Grund wird vom BAG derjenige als Inhaber des Betriebs angesehen, der in der Lage ist, den Betriebszweck mit den organisatorisch und personell zusammengefassten Betriebsmitteln im eigenen Namen und auf eigene Rechnung fortzuführen.192 Die Leitungsmacht muss auf eine andere Person gewechselt haben. 193 Praxishinweis: Allein die Spaltung eines Unternehmens in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft reicht dann als Wechsel des Inhabers nicht aus, wenn die Umstrukturierung nur aus Gründen der einfacheren Zerschlagung einer der Gesellschaften durchgeführt wurde. Arbeitnehmer, die auf die zu zerschlagende Betriebsgesellschaft „übergegangen“ sind, können geltend machen, es habe keinen Wechsel des Inhabers gegeben, wenn die Leitungsund Verantwortungsfunktionen nicht mit verteilt worden sind. Sie sind beim Veräußerer verblieben. Der Inhaberwechsel im Rahmen eines Betriebsübergangs wird in der Praxis bei folgenden Maßnahmen bejaht: bei Outhouse-Outsourcingmaßnahmen, wenn der Betrieb oder Betriebsteil auf ein Fremdunternehmen übertragen wird; bei Inhouse-Outsourcingmaßnahmen, wenn die Leitung des Betriebes auf ein anderes, neu gegründetes oder bereits bestehendes Konzernunternehmen übertragen wird; bei Inhouse-Outsourcingmaßnahmen, wenn ein zuvor übertragener Betrieb nach einem gewissen Zeitraum wieder in das alte Unternehmen rückintegriert wird;194 bei Abspaltungen, wenn ein Teil der Tätigkeit auf ein neues oder bereits bestehendes Drittunternehmen, das in keiner gesellschaftsrechtlichen Beziehung zum Veräußerer steht, übertragen wird; bei Verschmelzungen, wenn die Leitungsmacht zweier ehemals selbstständiger Unternehmen auf ein neues einheitliches oder bereits bestehendes Unternehmen übertragen wird. 2. Gesellschafterwechsel als Ausschluss des Betriebsübergangs Mit einem Wechsel des Inhabers ist regelmäßig auch ein Wechsel des Arbeitgebers verbunden. Daher ist ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB zu verneinen, wenn es nicht 190 BAG v. 02.12.1999 – 8 AZR 796/98; NZA 2000, 369. BAG v. 21.08.2008 – 8 AZR 77/07, NZA 2008, 825. 192 BAG v. 18.03.1999 – 8 AZR 169/98; NZA 1999, 869. 193 BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 301/97; NZA 1999, 715. 194 BAG v. 17.04.2003 – 8 AZR 253/02; AP Nr. 253 zu § 613a BGB. 191 58 zu einem Wechsel auf Arbeitgeberseite kommt, das handelnde Rechtssubjekt folglich identisch bleibt. 195 Ein reiner share-deal ist daher regelmäßig nicht als Betriebsübergang zu qualifizieren, ein asset-deal, der dem neuen Inhaber Kompetenzen bringt, schon, wenn auch Arbeitsverhältnisse betroffen sind. Kommt es daher nur zu einem Gesellschafterwechsel, scheidet ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB aus. Beispiel: In einer GmbH kommt es zu einem Wechsel in der Person der Gesellschafter. Einer der vorhandenen Gesellschafter überträgt mit Zustimmung der übrigen seinen Anteil auf eine natürliche oder juristische Person, die bislang in keinerlei Beziehung zur Gesellschaft stand. Allein durch den Austausch der Gesellschafter wird die Kontinuität der Gesellschaft nicht berührt, diese handelt unabhängig von den tatsächlich vorhandenen Gesellschaftern bzw. deren Stellung in der Gesellschaft. Gleiches gilt für die Übernahme der Kapitalmehrheit einer KG. Auch die Änderung der Kapitalverhältnisse in einer Gesellschaft ist kein Betriebsübergang. Alle gesellschaftsrechtlichen Veränderungen in der Unternehmensstruktur lösen folglich keinen Betriebsübergang aus, solange sich allein die Beherrschungsmöglichkeiten verschieben, ohne dass sich bei den Verantwortlichen für das operative Geschäft bzw. den Lenkungsapparat etwas ändert. Hingegen setzt ein echter Inhaberwechsel nach § 613a BGB voraus, dass der bisherige Inhaber seine wirtschaftliche Betätigung im Betrieb oder bei einem Betriebsteilübergang in diesem Betriebsteil gänzlich einstellt. Erst wenn die Leitungsmacht durch eine andere juristische oder natürliche Person neu ausgeübt wird, kann sich ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vollziehen.196 Die Anwendung der Regeln des Betriebsübergangs nach § 613a BGB ist auch zu verneinen, wenn eine gesellschaftsrechtliche Anwachsung im Sinne des § 738 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegt. In diesen Fällen scheidet ein Gesellschafter aus einer Gesellschaft aus und sein Anteil geht auf einen anderen oder mehrere andere Gesellschafter über. Wird durch den gesellschaftsrechtlichen Vorgang die betriebliche Ebene nicht tangiert, erlischt vor allem die Identität des Betriebsinhabers nicht, kommt § 613a BGB nicht zur Anwendung.197 195 BAG v. 14.08.2007 – 8 AZR 803/06, NZA 2007, 1428; LAG Düsseldorf v. 27.11.2014 – 15 Sa 383/14. 196 BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 301/97, NZA 1998, 715. 197 BAG v. 21.02.2008 – 8 AZR 157/07, NZA 2008, 815. 59 Zusammenfassender Überblick Merkmale eines Inhaberwechsels Übernahme tatsächlicher Leitungsmacht Gesellschaftsrechtliche Stellung (+) (-) 3. Grenzüberschreitender Wechsel des Inhabers Die Übertragung von Betrieben vom Veräußerer auf einen Erwerber stellt kein Ereignis dar, das auf die nationalen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist. a) Übergang innerhalb der Europäischen Union Kommt es zu einem Wechsel des Arbeitgebers aufgrund eines Betriebsübergangs in den Grenzen der Bundesrepublik, gilt § 613a BGB uneingeschränkt. Praxishinweis: Eine erhebliche räumliche Entfernung zwischen der alten Betriebstätte des Veräußerers und der neuen des Erwerbers kann die Wahrung der Identität zweifelhaft erscheinen lassen.198 Dies insbesondere dann, wenn landestypische Einflüsse den betrieblichen Zweck beeinflussen, im Zweifel gänzlich ändern. b) Übergang außerhalb der Europäischen Union Betriebsübergänge machen nicht an den Grenzen Deutschlands oder den Grenzen Europas Halt. Ein Betriebsübergang nach § 613a BGB erfolgt dann ins Ausland, falls erstens die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen und zweitens der Erwerber dort ansässig ist.199 Das deutsche Recht greift aber nur ein, wenn der Veräußerer seinen Sitz in der Bundesrepublik hat. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die betroffenen Arbeitnehmer zwingend im Ausland arbeiten müssen. Denn sie sind bis auf wenige vertraglich geregelte Ausnahmen nicht verpflichtet, die Arbeitsleistung an einem ausländischen Standort zu erbringen. Ist folglich ein Betriebsübergang ins Ausland zu bejahen, kann der Arbeitnehmer folgen, muss aber nicht. Weigert er sich, dem Übergang zu folgen, wird seine entsprechende Erklärung als Widerspruch im Sinne des § 613a Abs. 6 BGB zu bewerten sein. 198 199 BAG v. 26.05.2011 – 8 AZR 37/10. BAG v. 25.05.2000 – 8 AZR 335/98. 60 Der Widerspruch hat dann zur Konsequenz, dass der Veräußerer das Arbeitsverhältnis mangels Beschäftigungsmöglichkeit betriebsbedingt kündigen kann.200 Etwas anderes ergibt sich nur dann, wenn lediglich ein Teilbetriebsübergang ins Ausland vorgelegen hat. Dann sind beim Abbau von Arbeitsplätzen die Grundsätze der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zu berücksichtigen. Lediglich bei nicht dem deutschen Recht unterliegenden Arbeitsverhältnissen eines deutschen Betriebes entscheidet sich die Frage der Fortgeltung der Arbeitsverträge beim Betriebsübergang nicht nach § 613a BGB, sondern das entsprechende internationale Recht ist maßgeblich. Fraglich ist, ob bei einem transnationalen, aber noch europäischen Betriebsübergang § 613a BGB zum Schutz der Arbeitnehmer anzuwenden ist oder nicht. Die gleiche Frage stellt sich auch, wenn die Übertragung des Betriebes oder Betriebsteils sogar noch über die Grenzen der Europäischen Union hinausgeht. § 613a BGB sagt selbst nichts dazu aus, welches Recht bei einer grenzüberschreitenden Betriebsübertragung zur Anwendung gelangt. Bei einem Betriebsübergang ist zu unterscheiden zwischen dem Rechtssystem, welches den Übertragungsvertrag betrifft und dem, welches auf den Inhalt der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitsverträge zur Anwendung gelangt. Beide Rechtsfragen sind grundsätzlich getrennt voneinander zu betrachten. Für die Übertragung des Betriebes oder Betriebsteiles ist die Lösung im internationalen Privatrecht zu suchen. Dieses wird beherrscht vom Grundsatz der freien Rechtswahl201. Daher können die Vertragspartner darüber entscheiden, ob sie das Vertragsverhältnis dem deutschen oder einem bestimmten ausländischen Recht unterwerfen wollen. Die normative Grundlage der freien Rechtswahl ist in Art. 3 Rom I niedergelegt. Beispiel: Eine Firma stellt PVC-Fußbodenplatten in Berlin her. Das Unternehmen entlässt alle Arbeitnehmer und verkauft den Maschinenpark an ein französisches Unternehmen, welches in Lyon mit den Maschinen die Produktion der Fußbodenplatten fortführt. Hier ist ein Betriebsübergang zu bejahen. Die Konsequenz des Betriebsüberganges ist, dass die dem deutschen Arbeitsrecht unterliegenden Arbeitsverhältnisse auf den ausländischen Betriebserwerber übergehen. Dieser Übergang ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer dem Übergang widerspricht. Anders ist die Situation im Arbeitsrecht. Im Regelfall werden auf in Deutschland geschlossene Verträge deutsche Rechtsnormen angewendet. Diese Rechtsfolge steht entweder ausdrücklich im Arbeits- bzw. Anstellungsvertrag oder wird als Ergebnis den Umständen der Arbeitsleistung entnommen. Denn diese wird regelmäßig in den deutschen Betrieben erbracht. Die Konsequenz daraus ist, dass § 613a BGB auf eine Betriebsverlagerung ins Ausland anwendbar ist und alle Rechte und Pflichten der Arbeitsverhältnisse regelt.202 Denn der Tatbestand und die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs gelten nach der Regelanknüpfung des alten § 30 EGBGB auch bei Betriebsveräußerungen ins Ausland.203 Die Entscheidung des LAG hat immer noch Bestand, da nach Wegfall des EGBGB nunmehr Art. 8 Rom I bestimmt, dass die freie Rechtswahl nicht dazu führen darf, dass dem Arbeitnehmer zwingende Rechte entzogen werden können. 200 LAG Düsseldorf v. 11.01.2011 – 17 Sa 828/10. BAG vom 20.04.1989 – 2 AZR 431/88, NZA 1990, 32; Feudner, NZA 1999, 1184. 202 BAG v. 26.05.2011 – 8 AZR 792/09. 203 LAG Baden-Württemberg v. 17.09.2009 – 11 Sa 39/09, ZIP 2010, 388. 201 61 Im Ergebnis findet danach das Recht Anwendung, wo sich die wesentliche Hauptleistung aus dem Arbeitsvertrag vollzieht. Dies ist regelmäßig das Recht am Arbeitsort. Wenn Betriebe oder Betriebsteile außerhalb der genannten Grenzen übertragen werden, gilt daher Folgendes: Das Recht des Betriebsüberganges findet immer dann nach § 613a BGB statt, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil von Deutschland in einen Drittstaat übertragen wird. Dabei ist es wegen Art. 8 Rom I unerheblich, ob die Übertragung innerhalb der Grenzen der Europäischen Union oder darüber hinaus stattfindet.204 Wird ein Betrieb oder Betriebsteil von einem Drittstaat in die Europäische Union hinein oder nach Deutschland übertragen, findet für die ausländischen Arbeitnehmer, deren Betrieb oder Betriebsteil übertragen worden ist, kein Schutz des Rechts des Betriebsüberganges statt. Zwar steht die Verlagerung eines Betriebes ins Ausland der Anwendung des § 613a BGB nicht entgegen, die Wahrung der Identität zwischen dem in Deutschland liegenden Veräußerer- und dem im Ausland liegenden Erwerberbetrieb kann aber durch eine erhebliche räumliche Distanz zwischen der alten und der neuen Betriebstätte aufgehoben werden.205 Zusammenfassender Überblick Betriebsübergang außerhalb Deutschlands bei Übergang von Deutschland bzw. der EU heraus bei Übergang nach Deutschland bzw. der EU hinein (+) (-) 204 LAG Baden-Württemberg v. 17.09.2009 – 11 Sa 30/09, ZIP 2010, 388, ohne Begründung auch BAG v. 20.04.1989 – 2 AZR 431/88, NZA 1990, 32. 205 BAG v. 26.05.2011 – 8 AZR 37/10, NZA 1990, 32. 62 IX. Übergang durch Rechtsgeschäft Der Tatbestand des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass der Betrieb oder der Betriebsteil durch „Rechtsgeschäft“ auf den Erwerber übergeht. Das Merkmal „Rechtsgeschäft“ in § 613a BGB bringt zum Ausdruck, dass auch bei einer Einzelrechtsnachfolge, also der Übertragung eines Betriebes oder Betriebsteils durch konkrete „vertragliche“ Absprachen, der Übergang der betroffenen Rechtsverhältnisse und damit der Schutz der Arbeitnehmer sichergestellt wird. Da bei einer Gesamtrechtsnachfolge wie einem Erbfall206 die betroffenen Rechtsverhältnisse automatisch übergehen, war eine identische gesetzliche Regelung erforderlich, um auch bei der Einzelrechtsnachfolge ein vergleichbares Ergebnis zu erzielen. Daher sollte das Tatbestandsmerkmal „Rechtsgeschäft“ den Anwendungsbereich der Vorschrift nicht einschränken, sondern ihn lediglich gegenüber den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge abgrenzen. 1. Rechtsgeschäft als Rechtsgrundlage Der Normtext des § 613a BGB ist missverständlich. Auf ein Rechtsgeschäft im vertragsrechtlichen Sinn ist nicht abzustellen.207 Zur Bejahung des Tatbestandsmerkmals „durch Rechtsgeschäft“ ist es vielmehr ausreichend, dass unter Wahrung des Funktions- und Zweckzusammenhangs wesentliche sächliche oder immaterielle Betriebsmittel oder Teile der Belegschaft oder die Know-How-Träger auf den Erwerber übergehen. Dies zeigt, dass die vertragliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehung zwischen Erwerber und Veräußerer ohne Bedeutung ist. Es reicht aus, dass der Erwerber die tatsächliche Leitungsmacht im erworbenen Betrieb oder Betriebsteil erlangt. Ferner muss er gewillt sein, den betrieblichen Zweck fortzuführen. Nicht notwendig ist, dass der Erwerber auch Eigentum an den Betriebsmitteln erlangt.208 Dennoch ist in der Regel davon auszugehen, dass die Übertragung von Betrieben oder Betriebsteilen auf vertraglichen Absprachen zwischen Veräußerer und Erwerber beruht. Der Tatbestand des § 613a BGB konkretisiert solche vom Betriebsübergang erfassten Rechtsgeschäfte nicht näher. Daher können sowohl das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft als auch ein mögliches dingliches Verfügungsgeschäft als Rechtsgeschäft im Sinne des § 613a BGB anzusehen sein. a) Art des Rechtsgeschäfts Im Ergebnis muss im Rahmen des § 613a BGB ein Rechtsgeschäft geschlossen sein, welches einen Übergang des Betriebes zur Folge hat. Aus diesem Grund hängt die Bedeutung des „Rechtsgeschäfts“ entscheidend davon ab, welche Voraussetzungen für den Übergang des Betriebes erfüllt sein müssen. Das Rechtsgeschäft muss nicht zwischen Veräußerer und Erwerber geschlossen werden. Insbesondere in dreiseitigen Vertragsbeziehungen, die die Erbringung von Dienstleistungen beinhalten, findet regelmäßig keine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen „Veräußerer“ und „Erwerber“ statt.209 So z. B. bei Kündigung oder Fristablauf eines Bewachungs- oder Cateringvertrages und entsprechendem Neuabschluss. 206 Siehe unten Kapitel A, IX. 4. Staudinger, Annuß, § 613a BGB, Rn. 107. 208 BAG v. 31.08.2008 – 8 AZR 2/07, NZA 2009, 1232. 209 BAG v. 21.08.2008 – 8 AZR 201/07, NZA 2009, 29. 207 63 Veräußert ein Konzern eine Sparte (Teilbetrieb), in der eine bestimmte Dienstleistung erbracht wird, kann er selbst dann Veräußerer im Rahmen eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB sein, wenn er selbst nicht die vertragliche Arbeitgeberfunktion für die ständig tätigen Arbeitnehmer hat.210 Beispiel: In einem Industriepark, der aus einer Reihe konzerngebundener Unternehmen besteht, veräußert die Konzernmuttergesellschaft ein Tochterunternehmen, das sich um das FacilityManagement kümmert. Hier ist bei der Übertragung von Mitarbeitern und sonstigen Betriebsmitteln ein Betriebsübergang trotz der Tatsache zu bejahen, dass die Mitarbeiter über keinen Konzernarbeitsvertrag verfügen. Da die tatsächliche Leitungs- und Nutzungsmöglichkeit, also der Übergang der Herrschaftsmacht, für den Betriebsübergang entscheidend ist, ist es mit Sinn und Zweck des § 613a BGB nicht zu vereinbaren, als Rechtsgeschäft nur die schuldrechtlichen Absprachen gelten zu lassen. Sowohl Gesetzeszweck als auch Gesetzestext sprechen dagegen. Vor allem knüpft § 613a BGB, insbesondere dessen Rechtsfolgen in Abs. 2, an den Betriebsübergang als Übernahme der tatsächlichen Leitungsmacht an. Diese steht im originären Zusammenhang mit dem dinglichen Rechtsgeschäft. Aus diesem Grund ist als Rechtsgeschäft im Sinne des § 613a BGB sowohl das schuldrechtliche als auch das dingliche Rechtsgeschäft zu verstehen, sofern durch einen der Verträge der Betriebsübergang als Übertragung der Leitungsmacht erfolgt.211 Letztlich besteht das in § 613a BGB vorausgesetzte Rechtsgeschäft in der Einigung des bisherigen Inhabers (Veräußerer) mit dem neuen Inhaber (Erwerber), dass Letzterer die Verfügungsgewalt über den Betrieb oder den Betriebsteil erhält. Hat die Leitungsmacht bereits tatsächlich gewechselt und wird hinterher – gleichsam bestätigend – ein Vertrag geschlossen, der das tatsächliche Verhalten legitimieren soll, kommt es für die Bejahung des Betriebsübergangs auf den Zeitpunkt der Übernahme der tatsächlichen Leitungsmacht an. Das im Nachhinein geschlossene Rechtsgeschäft ist für den Zeitpunkt des Betriebsübergangs ohne Bedeutung. Wechselt ein Arbeitnehmer durch einen zwei- (zwischen AN und BQG) oder dreiseitigen (zwischen AN, BQG und Agentur für Arbeit) Vertrag vom Veräußererbetrieb in eine Beschäftigungs- und/oder Qualifizierungsgesellschaft (BQG) und wird ihm dabei nicht der Wechsel in den Erwerberbetrieb in Aussicht gestellt, liegt kein Fall der vertraglichen Umgehung des § 613a BGB vor.212 b) Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts Im Ergebnis sind folglich geringe Anforderungen an den Inhalt und die Form des der Übertragung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts zu stellen. Weiter ist zu fragen, inwieweit die Beteiligten in der Lage sein müssen, am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen. Geht dabei der Schutzzweck des § 613a BGB weiter, als er im BGB für sonstige Verträge vorgesehen ist? So führen z. B. die Regeln der §§ 104 ff. BGB zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts; fraglich ist, ob es beim Betriebsübergang zu einer Privilegierung kommen kann, weil dies der Schutz der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer erfordert. 210 EuGH v. 21.10.2010 – C-242/09. Soergel-Raab, § 613a Rn. 52. 212 Hessisches LAG v. 10.06.2013 – 16 Sa 1492/12. 211 64 Nach der Rechtsprechung kommt ein Übergang der Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer auf den Erwerber selbst dann in Betracht, wenn das zugrunde liegende Rechtsgeschäft an der fehlenden oder beschränkten Geschäftsfähigkeit des Erwerbers scheitert. Entgegen der allgemeinen Systematik des Zivilrechts kommt es dann zu einem Betriebsübergang kraft Rechtsgeschäft, wenn der Erwerber den Betrieb übernommen und tatsächlich fortgeführt hat.213 Insoweit ist der Schutz des § 613a BGB vorrangig zu den Kontrahierungsvorschriften des BGB. Auch die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung für die Kaufpreiszahlung steht der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts i. S. d. § 613a BGB nicht entgegen, wenn die tatsächliche Leitungsmacht später übergeht.214 Beispiel: Zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber wird ein Vertrag geschlossen, nach dem ein Grundstück mit Gebäude und Produktionseinrichtungen veräußert werden soll. Der Vertrag wird unter der Bedingung geschlossen, dass das Gutachten eines Wirtschaftsprüfers einen bestimmten im Vertrag festgelegten Wert bestätigt. Noch vor Abschluss der Arbeiten des Gutachters übernimmt der Erwerber die tatsächliche Leitungsmacht durch Anweisungen des eingesetzten Geschäftsführers und weiterer betrieblicher Vorgesetzter gegenüber den Arbeitnehmern. Da es allein auf die Übernahme der tatsächlichen Leitungsmacht ankommt, ist es im Rahmen des § 613a BGB folglich nicht von Bedeutung, ob das den Übergang der Leitungsmacht legitimierende Rechtsgeschäft wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit des Veräußerers oder des Erwerbers unwirksam ist. Daher steht dem Betriebsübergang die Unwirksamkeit oder gar die Anfechtbarkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts nicht entgegen.215 Dieses Ergebnis begründet sich damit, dass es sich bei der Übernahme des Betriebs oder Betriebsteils um einen rein tatsächlichen Vorgang handelt, der aus der Übertragung der Leitungsmacht zu schließen ist. c) Einzelne Rechtsgeschäfte Als Grundlage eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs kommen in Betracht: der Kaufvertrag eines Betriebes oder Betriebsteils (auch bei Insolvenz eines Betriebes216), der Schenkungsvertrag217, der Abschluss eines Mietvertrages, wenn der Mieter die tatsächliche Nutzungsbefugnis erlangt und den wirtschaftlichen Zweck fortführt, der Abschluss eines Pachtvertrages, wenn der Pächter die Nutzungsbefugnis erlangt und den betrieblichen Zweck fortführt218, die Bestellung eines Nießbrauchs an einem einzelnen Gegenstand des Betriebes, der jedoch für den Betrieb oder den Betriebsteil wesentlich ist, der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages, der zur Überlassung eines Betriebs- oder Betriebsteils als Sacheinlage verpflichtet219 oder 213 BAG v. 06.02.1985 – 5 AZR 411/83, NZA 1985, 735; LAG Hamm v.17.02.2000 – 4 Sa 1150/99. BAG v. 13.12.2007 – 8 AZR 1107/06, DB 2008, 1161. 215 BAG v. 06.02.1985 – 5 AZR 411/83, NZA 1985, 735. 216 BAG v. 13.11.1986 – 2 AZR 711/85, NZA 1987, 458. 217 Schaub, § 117, Rn. 31. 218 BAG v. 15.11.1978 – 5 AZR 199/77, DB 1979, 702. 219 Schaub, § 117, Rn. 31. 214 65 die vertragliche Übernahme von Geräten, deren Eigentum an eine Bank zur Sicherheit übereignet worden ist, mit eigener Nutzungsmöglichkeit220. Als Grundlage eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs kommt nicht in Betracht: die Anwachsung gem. § 738 BGB, also wenn nach Austritt aller Gesellschafter aus einer Personengesellschaft der verbleibende Gesellschafter Alleineigentümer wird. Denn in diesem Fall liegt keine Einzel- sondern eine Gesamtrechtsnachfolge vor,221 ferner jede andere Form der Gesamtrechtsnachfolge.222 Im Ergebnis hindert auch ein vereinbartes Rücktrittsrecht zugunsten des Erwerbers das Eintreten der Rechtsfolgen des Betriebsübergangs nicht. Kommt es daher vor Ausübung des Rücktritts zum Erwerb und zur Nutzung der Betriebsmittel durch den Erwerber, ist der Tatbestand des § 613a Abs. 1 BGB erfüllt.223 Der Schutz der betroffenen Arbeitsverhältnisse ist durch die Möglichkeit des Erwerbers, durch die tatsächliche Sachmittelherrschaft den Betrieb beeinflussen zu können, begründet. d) Disposition der Parteien Der Wortlaut und der Schutzzweck des § 613a BGB gebieten es, dass mittels Rechtsgeschäft die Rechtsfolgen des § 613a BGB nicht abbedungen werden können. Dies gilt sowohl für Vereinbarungen zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer als auch für solche zwischen Veräußerer und den betroffenen Arbeitnehmern.224 Die einzige Ausnahme ist das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gem. § 613a Abs. 6 BGB zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der Übergang des Betriebes bereits vollzogen hat. 2. Bedeutung des Übertragungswillens Neben der Frage der Geschäftsfähigkeit stellt sich die weitere Frage, ob sich die Übertragung vom Veräußerer auf den Erwerber willensgesteuert vollziehen muss. Zu denken ist an den Willen des Veräußerers, den Betrieb zu übertragen, den Willen des Erwerbers, den Betrieb fortzuführen, letztlich den Willen beider Parteien, miteinander ein Übertragungsgeschäft einzugehen. a) Geschäftswille Ob mit dem Rechtsgeschäft überhaupt beabsichtigt ist, einen Betriebsübergang herbeizuführen, ist für die Beurteilung des Rechtscharakters unerheblich.225 Auch die Rechtsprechung des EuGH verlangt nicht die Kausalität des Rechtsgeschäfts für den Betriebsübergang, d. h. die Übernahme und die Fortführung des betrieblichen Zwecks durch den Betriebserwerber. Ausreichend ist es, dass die für den Betrieb verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber dem Mitarbeiter eingeht, im Rahmen der vertraglichen Beziehung wechselt.226 220 BAG v. 03.07.1980 – 3 AZR 1077/78, BB 1981, 1466. BGH v. 08.11.1965 – II ZR 223/64, NJW 1966, 499. 222 BAG v. 21.02.2008 – 8 AZR 157/07, DB 2008, 1578. 223 BAG v. 20.03.2014 – 8 AZR 1/13, BB 2014, 2430; v. 15.12.2005 – 8 AZR 202/05, NZA 2006, 579. 224 BAG v. 20.10.1975 – 5 AZR 444/74, DB 1976, 391. 225 LAG Thüringen v. 14.11.2000 – 5 Sa 55/99, NZA-RR 2001, 121. 226 EuGH v. 19.05.1992 – C-29/91, NZA 1994, 207. 221 66 Dies bedeutet im Ergebnis, dass es auch dann zu einem Betriebsübergang kommen kann, wenn zwischen Veräußerer und Erwerber überhaupt keine willensgesteuerte Absprache zur Übertragung besteht.227 Dass kein aktueller Geschäftswille vorhanden sein muss, belegt ferner der Fall des Ablaufs eines Pachtvertrages. Einigen sich Verpächter und Pächter auf die Rückgabe der Pachtsache nach einer bestimmten Zeit, fällt diese nach Ablauf der Frist an den Verpächter zurück. Der Ablauf des Pachtvertrages mit Rückgabe der verpachteten Mittel stellt nur dann einen Betriebsübergang dar, wenn der Verpächter gewillt ist, den betrieblichen Zweck fortzuführen. Allein der Rückfall der Betriebsmittel reicht hierfür jedoch nicht aus. Beispiel: Schließt der Verpächter mit einem Dritten einen neuen Pachtvertrag und gehen die Betriebsmittel auf diesen als neuen Pächter über, liegt bei Fortführung des betriebstechnischen Zwecks ein Betriebsübergang unmittelbar vom Vorpächter vor. Dieser findet nicht im „Dreiecks-Verhältnis“ statt. Vielmehr kommt es direkt zu einem Betriebsübergang der Rechtsverhältnisse vom ehemaligen Pächter auf den neuen Pächter, auch ohne dass ein entsprechender Geschäftswille vorliegt. So z. B. wenn eine Gaststätte mit Inventar, einer Küche oder einem Biergarten, übertragen wird. Dabei ist es ohne Bedeutung, dass der neue Pächter seine Rechtsposition nicht vom ehemaligen Pächter, sondern vom Verpächter ableitet.228 Dies ist vielfach bei der Nutzung von Betriebsmitteln der Fall. Würde man in diesen Fällen annehmen, dass der Betriebsübergang sich über das „Dreieck“ aus altem Pächter, Verpächter und neuem Pächter vollzieht, hätte dies nur zur Konsequenz, dass ein weiterer Haftender im Sinne des § 613a Abs. 2 BGB vorhanden ist. Dieses Ergebnis wäre jedoch unbillig, da der Verpächter nicht gewillt ist, den betrieblichen Zweck fortzusetzen. Daher muss seine Haftung aus der Durchführung des betrieblichen Zwecks ausscheiden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verpächter selbst die Absicht hatte, den betrieblichen Zweck zunächst fortzuführen, diesen Willen aber dann zugunsten einer weiteren Verpachtungsmöglichkeit aufgibt. In diesen Fällen ist der Betriebsübergang über das „Dreieck“ anzunehmen. Nur in den Fällen, in denen der Verpächter den Betrieb stilllegen will, findet kein Betriebsübergang statt, der ehemalige Pächter ist berechtigt, die Rechtsverhältnisse ordnungsgemäß zu kündigen.229 b) Fortsetzungswille Eine Willensübereinstimmung zwischen Erwerber und Veräußerer, die kausal für den Betriebsübergang ist, braucht nicht vorzuliegen. Etwas anderes gilt bezüglich des Willens des Erwerbers, den mit dem Betrieb oder Betriebsteil beabsichtigten Zweck fortzusetzen. Die ihm zugeflossene Leitungsmacht muss er bewusst einsetzen, um die Geschicke der übernommenen Einheiten zu lenken. Ohne Willen oder gegen den Willen des Erwerbers ist das nicht möglich. 227 BAG v. 21.08.2008 – 8 AZR 201/07, NZA 2009, 29. Soergel-Raab, § 613a BGB, Rn. 56. 229 Müller-Glöge, Münchener Kommentar, § 613a BGB, Rn. 48, 61. 228 67 c) Übertragungswille Der Veräußerer braucht hingegen nicht den Willen zu haben, den Betrieb oder Betriebsteil auf den Erwerber zu übertragen. Willensgesteuert muss jedoch der Entschluss des Erwerbers sein, das Objekt selbst weiterführen zu wollen. Hinzutreten muss ferner der Wille, den Betrieb nicht stilllegen, sondern veräußern zu wollen. Fehlt dieser Übertragungswille, ist ein Betriebsübergang auszuschließen. Dies gilt vor allem dann, wenn jemand einen Betrieb oder Betriebsteil gegen den Willen des ehemaligen Inhabers übernommen hat. Beispiel: Der Betrieb ist durch eine Mehrzahl von Arbeitnehmern besetzt worden, die die Leitungsmacht ausüben. Da der Inhaber des Unternehmens nicht den Willen hat, den Betrieb oder Betriebsteil auf Personen zu übertragen, die eine rechtswidrige Betriebsbesetzung begehen, ist das Bestehen eines Übertragungswillens zu verneinen. Ein Übergang des Betriebes auf die Betriebsbesetzer nach § 613a BGB kommt nicht in Betracht. Zieht sich der Inhaber zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich zurück und übergibt er die Leitungsmacht tatsächlich an die Personen, die die Besetzung anführen, geht der gesamte Betrieb über, sobald über die Absicht der Besetzung hinaus ein Fortführungswille erkennbar ist. Zusammenfassender Überblick Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft Vertragliche Beziehung zwischen Veräußerer und Erwerber Ohne direkte Beziehung zwischen Veräußerer und Erwerber Fortsetzungswille zumindest beim Erwerber (z. B. Verpachtung) 3. Gesellschaftsrechtlicher Betriebsübergang Rechtsgeschäfte im Rahmen des § 613a BGB orientieren sich meist an den zivilrechtlichen Vorschriften. Kaufverträge richten sich nach dem allgemeinen Zivilrecht, also nach §§ 433 ff. BGB. Die dingliche Übertragung erfolgt bei Sachen nach § 929 BGB und bei einer Forderung nach §§ 398 ff. BGB. Bei der Übertragung von Betrieben oder Betriebsteilen nimmt die gesellschaftsrechtliche Veränderung eine Sonderstellung ein. Eine gesellschaftsrechtliche Nachfolgeregelung, die sich kraft Rechtsgeschäft vollzieht, liegt vor, wenn wie z. B. bei einer Verschmelzung das Vermögen eines Rechtsträgers in einem Akt als Ganzes auf einen neuen Rechtsträger übergeht. Gleiches gilt für die Spaltung von Unternehmen, ferner für die Vermögensübertragung. Das zugrunde liegende Rechtsgeschäft ist jeweils der Verschmelzungs-, der Spaltungs- bzw. der 68 Übernahmevertrag, folglich Rechtsgeschäfte, die in § 324 Umwandlungsgesetz (UmwG) geregelt sind. Nach § 324 UmwG bleiben § 613a Abs. 1 und Abs. 4 – 6 BGB durch die Wirkungen der Eintragung einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung unberührt. Schutzzweck der Norm ist es, die von den primär gesellschaftsrechtlich relevanten Vorgängen betroffenen Arbeitnehmer nicht schutzlos zu stellen. Wird durch ein gesellschaftsrechtliches Rechtsgeschäft im Sinne des Umwandlungsgesetzes das Unternehmen verändert, soll der Arbeitnehmerschutz dem Niveau entsprechen, welches den Arbeitnehmern zuteilwird, die von einem sonstigen Betriebsübergang betroffen sind. Inhaltlich bedeutet die Anwendung des § 324 UmwG, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen, wie die Rechtsfolgen, auch im Umwandlungsfall zu prüfen sind.230 Mit dieser Entscheidung hat die Rechtsprechung die alte Frage, ob § 324 UmwG einen Rechtsgrund- oder einen Rechtsfolgenverweis beinhaltet, dahin gehend beantwortet, dass eine Rechtsgrundverweisung vorliegt, also dass Tatbestand und Rechtsfolgen zu prüfen sind. Dies bedeutet, Rechtsgeschäft und Betriebsinhaberwechsel, ferner die Fortführung des betrieblichen Zwecks, müssen unter Beibehaltung des betrieblichen Funktions- und Zweckzusammenhangs auch in Fällen der Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung vorliegen. Zu beachten ist, dass das UmwG den handelnden Parteien vorschreibt, in den der Umwandlung zugrunde liegenden Vertrag als Verpflichtung aufzunehmen, die betroffenen Arbeitnehmer und deren Vertretungen über die Folge der Umwandlung zu informieren. Dies ist eine Pflicht, die ähnlich der aus § 613 Abs. 5 BGB ausgestaltet ist. Konkrete Vorgaben sind nicht vorhanden, weder sind der genaue Inhalt noch die Person des Verpflichteten genannt. Hier wird man auf die Ausführungen im Zusammenhang mit § 613a Abs. 5 BGB verweisen müssen.231 Praxishinweis: Die Anwendung des § 613a BGB in Umwandlungsfällen ergibt sich auch aus dem Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 28.10.1994.232 Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber von einer Geltung des § 613a BGB in den Fällen der Umwandlung ausgeht.233 Die Anwendung des § 613a BGB auf Fälle der Umwandlung entspricht auch europäischen Vorgaben, nämlich der Richtlinie 77/187 EWG, die in Art. 1 Abs. 1 ausdrücklich auch die Verschmelzung als gesellschaftsrechtliche Handlungsform einbezieht. a) Formen der Umwandlung Nach dem UmwG sind im Wesentlichen vier Formen der Umwandlung zu unterscheiden. Der Formwechsel nach §§ 190 - 304 UmwG ist für die Frage des Vorliegens eines Betriebsüberganges irrelevant. aa) Verschmelzung Bei der Verschmelzung gem. § 2 UmwG werden entweder durch Neugründung zwei oder mehrere Rechtsträger zu einem neu zu gründenden Rechtsträger oder durch Aufnahme eines oder mehrerer Rechtsträger zu einem bereits bestehenden Rechtsträger verschmolzen.234 Die Unternehmen, die in das neue Unternehmen aufgehen, lösen ihre alte Rechts230 BAG v. 25.05.2000 – 8 AZR 416/99, NZA 2000, 1115. Siehe zu § 613a BGB Kapitel B, V. 232 Soergel-Raab, § 613a BGB, Rn. 173. 233 Regierungsentwurf, BT-Drucksache 12/6699, S. 87, 118. 234 Lutter in Lutter, § 2 UmwG, Rn. 26. 231 69 form und Eigenständigkeit auf. Der Fortbestand aller alten Unternehmen, die an dem Vorgang beteiligt sind, kann nicht wirksam vereinbart werden. bb) Spaltung Die Spaltung kann als Aufspaltung oder als Abspaltung erfolgen. Bei der Aufspaltung gem. § 123 Abs. 1 UmwG überträgt ein Rechtsträger unter Selbstauflösung sein gesamtes Vermögen auf mehrere neu zu gründende Rechtsträger, die das jeweilige Teilvermögen übernehmen. Bei der Abspaltung gem. § 123 Abs. 2 UmwG sind ebenfalls zwei Durchführungswege denkbar. Zum einen kann ein Rechtsträger einen Teil seines Vermögens auf ein Drittunternehmen übertragen, wobei das abgeteilte Vermögen in den bereits bestehenden Rechtsträger voll integriert wird. Ferner ist es möglich, dass aus dem abgespaltenen Teilvermögen ein neuer selbstständiger Rechtsträger gegründet wird. In beiden Fällen bleibt die selbstständige Stellung des abgebenden Unternehmens als eigenständiger Rechtsträger erhalten.235 cc) Ausgliederung Ähnlich wie die Abspaltung vollzieht sich die Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG. Allerdings gelangen die als Gegenwert gewährten Anteile oder Mitgliedschaften unmittelbar in das Vermögen des übertragenen Rechtsträgers und nicht an dessen Anteilsinhaber. Damit vollzieht sich die Ausgliederung allein auf der Rechtsträgerebene.236 dd) Vermögensübertragung Bei der Vermögensübertragung gem. § 174 Abs. 1 UmwG wird entweder das Vermögen als Ganzes oder gem. § 174 Abs. 2 UmwG ein Teil des Vermögens auf einen dritten bereits bestehenden oder neu zu gründenden Rechtsträger übertragen.237 Der eigentliche Unterschied besteht in der an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers zu erbringenden Gegenleistung. Diese besteht in der Regel in einer Geldzahlung. b) Umwandlung und Betriebsübergang Allein gesellschaftsrechtlich relevantes Verhalten hat noch keine arbeitsrechtliche Auswirkung. Weder werden kollektivrechtlich die Strukturen und Kompetenzen nach dem Betriebsverfassungsrecht noch individualrechtlich die Zuordnung der Arbeitsverhältnisse, also der Arbeitnehmer, geändert. So ist der Abschluss eines Spaltungsvertrages weder eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG noch ein Betriebsübergang nach § 613a BGB. Zunächst wird nur die vermögensrechtliche Zuordnung von Betrieben und Betriebsteilen geändert. Arbeitsrechtlich ändert sich die Sachlage erst dann, wenn Betriebsleitungen installiert werden, die mit eigener Kompetenz für den neuen Betrieb ausgestattet sind. Die tatsächliche Ausübung der Leitungsmacht durch die Inanspruchnahme des Direktionsrechts nach § 106 GewO bildet den Betriebsübergang. Beispiel: Ein vermögensrechtlich gespaltener Betrieb gilt arbeitsrechtlich nach dem BetrVG weiter als ein Betrieb, solange die Entscheidungsstrukturen unangetastet bleiben. Ansprechpartner und betriebsverfassungsrechtlicher Kontrapart bleibt der Inhaber des Betriebes. Für die Arbeitnehmer- 235 Teichmann in Lutter, § 123 UmwG, Rn. 23. Teichmann in Lutter, § 123 UmwG, Rn. 26. 237 Schmidt in Lutter, § 174 UmwG, Rn. 2, 5, 14. 236 70 vertretung ist die neue Rechtsperson so lange nicht existent, bis sie arbeitsrechtlich (z. B. durch Übernahme der tatsächlichen Leitungsfunktion) in Erscheinung tritt. Zusammenfassender Überblick Formen der Unternehmensumwandlung Verschmelzung Spaltung § 2 UmwG § 123 UmwG Vermögensübertragung § 174 Abs. 1 UmwG (übertragender Rechtsträger erlischt) Aufspaltung Abspaltung Ausgliederung § 123 Abs. 1 UmwG § 123 Abs. 2 UmwG § 123 Abs. 2 UmwG Übertragung des Vermögens unter Auflösung des übertragenden Rechtsträgers Übertragung des Teilvermögens auf bestehenden oder neu gegründeten Rechtsträger Übertragung der Anteile oder Mitgliedschaften unmittelbar in das Vermögen des übertragenen Rechtsträgers (allein Rechtsträgerebene) 4. Erbfall als Gesamtrechtsnachfolge Das Tatbestandsmerkmal, dass der Betrieb oder der Betriebsteil durch Rechtsgeschäft übergehen muss, ist als negatives Abgrenzungsmerkmal zum Betriebsübergang kraft Gesamtrechtsnachfolge zu verstehen. Es soll zum Ausdruck gebracht werden, dass § 613a BGB nicht die Fälle erfasst, bei denen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Rechtsgüter übertragen werden. Bei einer Gesamtrechtsnachfolge tritt ein neuer Rechtsträger kraft Gesetzes an die Stelle des bisherigen Rechtsträgers. Das Vermögen geht als Ganzes in einem Rechtsakt auf den neuen Rechtsträger über. In der Praxis ist dies vor allem durch Eintritt des Erbfalls möglich. Gem. § 1922 BGB rückt der Erbe ohne Weiteres in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Im Arbeitsrecht findet dieser Wechsel in der Person des Vertragspartners durch Erbfolge allein auf Arbeitgeberseite statt. Beispiel: Erbt der Sohn von seinem Vater einen Handwerksbetrieb mit fünf Mitarbeitern, ist er automatisch der Arbeitgeber der vertraglich gebundenen Arbeitnehmer. Geht durch Erbfall ein Unternehmen auf den oder die Erben über, liegt kein Betriebsübergang nach § 613a BGB vor. Etwas anderes kann im Falle eines Vermächtnisses gelten. In diesen Fällen kommt § 613a BGB regelmäßig zur Anwendung, wenn der neue Inhaber in Erfüllung des Vermächtnisanspruches den Betrieb oder Betriebsteil erhalten hat. 71 5. Übertragung hoheitlicher Aufgaben Die Tatsache, dass der Betrieb nach § 613a BGB durch Rechtsgeschäft auf den Erwerber übergehen muss, kann bedeuten, dass der Übergang kraft Gesetzes oder kraft Hoheitsakt vom Anwendungsbereich ausgeschlossen ist. a) Übertragung durch Gesetz oder Verwaltungsakt Bei der Übertragung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe von einem Hoheitsträger auf einen anderen kommt es darauf an, ob gesetzliche oder vertragliche Beauftragung vorliegt. Erfolgt die Regelung der Nachfolge durch Gesetz, welches zugleich die Übernahme der betroffenen Arbeitnehmer regelt, ist ein Betriebsübergang nach § 613a BGB schon deshalb zu verneinen, weil überhaupt keine rechtsgeschäftliche Übertragung vorliegt. 238 Gleiches gilt für die Übertragung durch Hoheitsakt in Form eines Verwaltungsaktes. Dabei ist egal, ob durch Gesetz oder Verwaltungsakt der Betrieb oder die Arbeitsverhältnisse selbst übertragen werden. b) Übertragung durch Vertrag Anders ist es hingegen, wenn durch öffentlich-rechtliche Verträge Verwaltungsbereiche von einem Hoheitsträger auf einen anderen oder auf einen Privaten übertragen werden. Im Ergebnis gehen die Rechtsverhältnisse der entsprechenden Mitarbeiter gemäß § 613a BGB auf den Erwerber über.239 Dies gilt vor allem für Fälle der Privatisierung von Betrieben der öffentlichen Hand. Privatisierung in diesem Sinne ist regelmäßig dann gegeben, wenn die der öffentlichen Hand gehörenden Betriebsmittel auf einen privaten Rechtsträger übertragen werden.240 Im Ergebnis wird diese Übertragung somit genauso gestellt, als wären zwei private Rechtsträger beteiligt. Beispiel: Eine Kommune betreibt die Müllentsorgung der gemeindlichen Haushalte über einen kommunalen Eigenbetrieb, die Müll GmbH. In der Kommune befindet sich eine Müllverbrennungsanlage, die Verbrennung GmbH, die ebenfalls kommunaler Eigenbetrieb ist. Beschließt die Kommune, beide GmbHs unter Führung der Müllverbrennung zusammenzulegen und eine einheitliche Gesellschaft zu gründen, würde die Umsetzung des entsprechenden Beschlusses des Kommunalparlaments zum Ergebnis haben, dass ein Betriebsübergang auf die Verbrennung GmbH vorliegen würde. X. Rechtsmissbräuchliches Verhalten In § 613a BGB ist der Schutz solcher Arbeitnehmer verankert, deren Betrieb vom alten Arbeitgeber auf einen neuen Arbeitgeber durch Rechtsgeschäft übertragen wird. Da der Arbeitnehmer nicht die Existenzgrundlage verlieren soll, geht automatisch das Rechtsverhältnis auf den Erwerber über, wenn ein Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB vorliegt. 238 BAG v. 10.05.2012 – 8 AZR 434/11, NZA 2012, 1101; BAG v. 02.03.2006 – 8 AZR 124/05, NZA 2006, 848; LAG Berlin-Brandenburg v. 20.06.2013 – 26 Sa 349/13. 239 BAG v. 10.05.2012 – 8 AZR 434/11, NZA 2012, 1101; BAG v. 02.03.2006 – 8 AZR 147/05, NZA 2006, 1105. 240 BAG v. 30.06.1994 – 8 AZR 544/92, NZA 1995, 172. 72 Diesen Schutz soll der Arbeitnehmer nicht verlieren, Umgehungsgeschäfte zu Lasten des Arbeitnehmers lässt die Rechtsprechung daher nicht zu. 1. Bewusste Vermeidung des Betriebsübergangs Rechtsmissbräuchlich ist ein Verhalten des Arbeitgebers nur dann, wenn er bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 613a BGB den gesetzlich zugunsten des Arbeitnehmers vorgesehenen Schutz vereitelt. Unzulässig sind daher Maßnahmen, die bezwecken, den Übergang des Rechtsverhältnisses als gesetzlich angeordnete Rechtsfolge zu vereiteln, obwohl alle Voraussetzungen vorliegen. Anders zu beurteilen ist die Sachlage, wenn der Arbeitgeber als Veräußerer des Betriebes Transaktionen so gestaltet, dass erst gar kein Betriebsübergang entsteht.241 Denn der Arbeitgeber ist grundsätzlich befugt, Rechtsvorgänge so zu planen und auch abzuwickeln, dass die Regeln des Betriebsübergangs erst überhaupt nicht eingreifen. Daher kann die Neuvergabe eines Dienstleistungsauftrages ohne den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs so gestaltet werden, dass eine reine Funktionsnachfolge vorliegt. Beispiel: Bei einem Reinigungs- oder Bewachungsauftrag werden vom Erwerber keine sächlichen Betriebsmittel und keine Arbeitnehmer übernommen. Ferner arbeitet der Erwerber mit eigenem Know-How. 2. Vorgeschobener Aufhebungsvertrag Eine Umgehung der Regeln des Betriebsübergangs liegt allerdings vor, wenn alle Tatbestandsmerkmale des § 613a BGB erfüllt sind und der Arbeitnehmer veranlasst werden soll, auf seinen gesetzlichen Schutz zu verzichten oder ihn durch eigene vertragliche Bindungen zu Fall zu bringen.242 Beispiel: Bei einem Betriebsübergang wird dem Arbeitnehmer noch vor Übergang der Leitungsmacht unter Hinweis auf eine geplante Veräußerung des Betriebes ein Aufhebungsvertrag angeboten, dies verbunden mit dem Hinweis, beim neuen Erwerber einen Arbeitsvertrag abschließen zu können. Etwas anderes ist es, wenn der Arbeitnehmer – auch vom Arbeitgeber (dem Betriebserwerber) veranlasst – nach Vollzug des Betriebsübergangs einen Aufhebungsvertrag unterschreibt. 241 BAG v. 27.09.2007 – 8 AZR 941/06, NZA 2008, 1130, LAG Schleswig-Holstein v. 13.06.2013 – 5 Sa 367/12, NZA-RR 2013, 456. 242 BAG v. 21.08.2014 – 8 AZR 619/13, NZA 2014, 1405; BAG v. 19.03.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091. 73 Kapitel B: Informationspflicht 77 I. Zweck der Unterrichtung 77 II. Verpflichtete und Berechtigte 77 1. Die Informationsverpflichteten 78 2. Informationsberechtigte Arbeitnehmer 79 III. Zeitpunkt und Form der Unterrichtung 80 1. Maßgeblicher Zeitpunkt 80 2. Textform i. S. d. § 126b BGB 81 3. Darlegungs- und Beweislast 82 IV. Anforderungen an den Inhalt der Unterrichtung 83 1. Kenntnisstand der Unterrichtungspflichtigen 83 2. Identität des Betriebserwerbers 83 3. Sprachliche Anforderungen 84 4. Unterrichtung in Form eines Standardschreibens 85 5. Vervollständigung der Unterrichtung nach Betriebsübergang 85 V. Notwendiger Informationsinhalt 86 1. Zeitpunkt des Übergangs (Ziff. 1) 86 2. Grund für den Übergang (Ziff. 2) 87 3. Folgen des Betriebsübergangs (Ziff. 3) 87 a) Rechtliche Folgen 87 aa) Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten bb) Folgen für die kollektiven Regelungen cc) Haftungsverteilung (1) Unterrichtung bei Betriebsübergang in der Insolvenz 88 89 91 92 (2) Unterrichtung bei Unternehmensumwandlungen 92 dd) Kündigungsverbot wegen Betriebsübergang 93 b) Wirtschaftliche und soziale (Sekundär-)Folgen 93 aa) Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer und mögliche Kündigung bb) Sozialplananspruch cc) Wirtschaftliche Lage dd) Betriebliche Altersversorgung (1) Höhe der Anwartschaft (2) Fortbestand der Versorgungszusage 94 95 95 95 96 96 ee) Betriebsverfassungsrechtliche Folgen des Betriebsüberganges (1) Folgen für das Betriebsratsamt (2) Betriebsübergang versus Betriebsänderung 97 97 97 ff) Folgen für die Altersteilzeit 98 75 4. In Aussicht genommene Maßnahmen (Ziff. 4) 99 a) Arbeitnehmerbezogenheit der Maßnahmen 99 b) Konkrete betriebliche Vorhaben 99 VI. Rechtsfolgen einer fehlenden oder fehlerhaften Unterrichtung 99 1. Beginn der Widerspruchsfrist 99 2. Schadensersatzansprüche 100 VII. Reaktionspflicht des Arbeitnehmers 100 VIII. Checkliste für Informationsschreiben 101 76 Kapitel B: Informationspflicht Mit Wirkung zum 01.04.2002 ist mit § 613a Abs. 5 BGB eine gesetzliche Grundlage für die Information der Arbeitnehmer über den Betriebsübergang gegeben. Die Norm sieht vor, dass der bisherige Arbeitgeber oder der neue Betriebsinhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang unterrichten. Als Rechtsfolge ist bestimmt, dass dann der vom Übergang in vollständiger und zutreffender Form unterrichtete Arbeitnehmer nur innerhalb eines Monats dem Wechsel seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber widersprechen kann. § 613a Abs. 5 BGB beruht auf der Umsetzung von EG-Richtlinien. Im Unterschied zur Europäischen Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG vom 12.03.2001 sieht das nationale Gesetz die Unterrichtung der einzelnen Arbeitnehmer und nicht nur der Arbeitnehmervertretung vor. Die Betriebsräte sind nur bei Eingreifen entsprechender Normen nach dem BetrVG zu informieren. I. Zweck der Unterrichtung Nach der Gesetzesbegründung soll durch die Unterrichtung den Arbeitnehmern bereits vor dem Betriebsübergang eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung des Widerspruchsrechts zur Verfügung stehen. Die Arbeitnehmer sollen in die Lage versetzt werden, die Folgen des Betriebsübergangs für sich selbst abschätzen zu können. Dies durch Information über die im Gesetz genannten Umstände des Betriebsübergangs, nämlich den Zeitpunkt bzw. den geplanten Zeitpunkt des Übergangs (Ziff. 1), den Grund des Übergangs (Ziff. 2), die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für den Arbeitnehmer (Ziff. 3) und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen (Ziff. 4). Die Informationspflicht von Erwerber und Veräußerer und das an eine Frist gebundene Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers verfolgen ein weiteres Ziel: Dem Veräußerer soll Klarheit verschafft werden, welche Arbeitnehmer nach einem möglichen Widerspruch bei ihm verbleiben, und dem Erwerber, welche Mitarbeiter auf ihn übergehen und bei ihm tätig werden. Eine unzutreffende, fehlende oder unvollständige Information seitens des Veräußerers oder des Erwerbers nach § 613a Abs. 5 BGB führt jedoch nicht dazu, dass die betriebsbedingt durch den Veräußerer ausgesprochene Kündigung eines dem Betriebsübergang widersprechenden Arbeitnehmers dadurch unwirksam wird.243 Es wird allein geprüft, ob der Arbeitsplatz nach den üblichen Regeln des Kündigungsschutzrechts in Wegfall geraten ist. II. Verpflichtete und Berechtigte § 613a Abs. 5 BGB begründet die Informationspflicht gegenüber dem vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer sowohl für den Veräußerer als auch für den Erwerber. Sie sollen sich darüber verständigen, wer und in welcher Weise die gesetzlichen Pflichten erfüllt.244 Da beide hinsichtlich der Information Gesamtschuldner nach § 421 Satz 1 sind, wirkt eine Erfül- 243 244 BAG v. 24.05.2005 – 8 AZR 398/04, DB 2005, 2472. BT-Drucksache 14/7760, S. 19. 77 lung des Informationsanspruches durch den Veräußerer nach § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB auch für den Erwerber.245 1. Die Informationsverpflichteten Aufgrund des Gesamtschuldcharakters der Unterrichtungspflicht müssen Veräußerer und Erwerber die Unterrichtung im Vorfeld koordinieren und abstimmen.246 Praxishinweis: Veräußerer und Erwerber stimmen sich am besten im Vorfeld in begleitenden Regelungen zum Übernahmevertrag oder in diesem selbst ab. Schwierigkeiten entstehen aber dann, wenn überhaupt keine (Übernahme eines Pachtgrundstückes mit Gaststätte ohne Kenntnis des vorherigen Betreibers der Gaststätte) oder keine einvernehmlichen Verhandlungen zwischen Erwerber und Veräußerer (vorheriger Arbeitgeber verliert einen Auftrag an einen Mitbewerber) stattfinden. Auch kommt es vor, dass der Veräußerer keine Kenntnis von den wahren Absichten des Erwerbers hat. In diesen Fällen sollte vom Veräußerer dies den betroffenen Arbeitnehmern im Rahmen des Informationsschreibens mitgeteilt werden. Grundsätzlich genügt es den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB, wenn eine vom Veräußerer oder Erwerber allein vorgenommene Unterrichtung alle erforderlichen Informationen enthält oder sich der vollständige Inhalt aus einer Gesamtschau der - unter Umständen unabhängig voneinander erfolgten - Unterrichtungen ergibt.247 Der Umfang und die Frage des Absenders der Information hängen daher wesentlich davon ab, inwieweit die betroffenen Arbeitnehmer die am Betriebsübergang beteiligten Parteien kennen. 248 Praxishinweis: Insbesondere bei Vorbehalten in der Belegschaft gegenüber dem unbekannten Erwerber bietet sich eine gemeinsame Unterrichtung an. Die Akzeptanz des Vorgangs in der Belegschaft und damit eine möglichst geringe Anzahl von Widersprüchen aus der Belegschaft kann durch eine offene Information gesteigert werden. Soweit zwei Unterrichtungen abgegeben werden, die einander inhaltlich widersprechen, kommt es darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Arbeitnehmer die den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entsprechenden Informationen erhalten hat. Folgende Fälle sind zu unterscheiden: Erfolgte die falsche Unterrichtung nach der richtigen Unterrichtung und erfolgt keine eindeutige Klarstellung, beginnt die Widerspruchsfrist mangels Vorliegen einer eindeutigen Belehrung zu keinem Zeitpunkt zu laufen. Dem betroffenen Arbeitnehmer ist es nach der Intention des Gesetzes nicht zuzumuten, sich über den richtigen Inhalt und den wahren Sachverhalt selbst Informationen zu verschaffen. Anders verhält es sich dagegen, wenn die falsche Unterrichtung vor der richtigen erfolgte und die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist. Die bereits erfolgte falsche Unterrichtung wird von der später richtigen Unterrichtung aber nur dann korrigiert, wenn dies eindeutig angesprochen und richtiggestellt wird. Nur dann ist mit der richtigen Unterrichtung die Pflicht aus § 613a Abs. 5 BGB mit Wirkung für beide Schuldner (Veräußerer und Erwerber) erfüllt. 245 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 90. LAG München v. 20.11.2013 – 8 Sa 18/13; LAG Berlin-Brandenburg v. 14.06.2012 – 26 Sa 658/12; Hohenstatt/Grau, NZA 2007, S. 13. 247 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 90. 248 Hohenstatt/Grau, NZA 2007, 13. 246 78 Auch ist es möglich, eine Betriebsversammlung durchzuführen, in der – lediglich ergänzend, da die Textform249 im Gesetz vorgeschrieben ist – identisch über den Betriebsübergang mündlich berichtet wird. Praxishinweis: Um sicherzugehen, dass eine ausreichende Information an die Arbeitnehmer gelangt, bietet es sich an, eine oder mehrere betriebsinterne Stellen beim Veräußerer oder Erwerber als Ansprechpartner für die Arbeitnehmer zu benennen. Dies kann im Informationsschreiben mitgeteilt werden. Denn die Frist zur Einlegung des Widerspruchs beginnt erst zu laufen, wenn der vom Übergang betroffene Arbeitnehmer vollständig und zutreffend informiert wurde. Formulierungsvorschlag: „In Bezug auf etwaige Fragen, die den Übergang Ihres Arbeits- bzw. Anstellungsvertrages betreffen, können Sie sich an die nachbenannten Stellen wenden: Herr/Frau, Funktion, Telefonnummer, Adresse,(Veräußerer) oder Herr/Frau, Funktion, Telefonnummer, Adresse,(Erwerber).“ Eine Betriebsversammlung ist aber nicht in der Lage, die Unterrichtung der Arbeitnehmer gänzlich zu übernehmen. Das Gesetz verlangt die Information der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer in Textform. Es muss also eine verschriftlichte Erklärung vorliegen. Ändern sich die Tatsachen zu einem späteren Zeitpunkt oder werden erst später die wahren Tatsachen bekannt, muss in Fällen, in denen schon eine Unterrichtung erfolgt ist, eine Berichtigung erfolgen. Dies ist in Form einer Korrektur möglich oder in Form einer gänzlich neuen Unterrichtung. Praxishinweis: Wichtig ist, bei der Korrektur fangen die sich aus dem Gesetz für den vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer ergebenden Widerspruchsfristen neu an zu laufen. Bei einer gänzlich neuen Information gilt dies ohnehin. 2. Informationsberechtigte Arbeitnehmer Informationsberechtigt sind diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber übergehen. Im Gegensatz zur Betriebsübergangsrichtlinie sieht der Gesetzgeber nur die Unterrichtung der von einem Übergang „betroffenen“ Arbeitnehmer vor. Zu dem Kreis der Informationsberechtigten gehören nur Personen, deren Rechtsverhältnis vom Veräußerer auf den Erwerber wechselt.250 Das sind die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse dem übergehenden Betrieb oder Betriebsteil zuzuordnen sind.251 Daher müssen weder die Beschäftigten des bei dem Veräußerer verbleibenden Restbetriebs noch die Arbeitnehmer eines aufnehmenden Betriebs gemäß § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet werden. Dies gilt selbst dann, wenn sich deren Arbeitsbedingungen infolge der Übernahme ändern.252 249 Siehe unten Kapitel: B. III. 2. BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 303/05. 251 Worzalla, NZA 2002, 353. 252 Schnitker/Grau, BB 2005, 2239. 250 79 Praxishinweis: Ist der Umfang der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer nicht klar, hat eine entsprechend weite Information zu erfolgen. Dabei ist es manchmal besser, mehr Personen als ggf. erforderlich zu informieren. Den Maßstab bildet die Vertraulichkeit des Vorgangs. Die Erstellung einer für jeden Arbeitnehmer spezifischen Information ist aber nur dann notwendig, wenn es im Vergleich zu anderen Mitarbeitern abweichende Umstände gibt. Diese können sich aus dem Arbeitsplatz, der Tätigkeit des betroffenen Arbeitnehmers oder seinen persönlichen Umständen ergeben. Sind hingegen mehrere Arbeitnehmer aufgrund ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit oder der Einrichtung ihres Arbeitsplatzes vergleichbar, kann eine Gruppenbildung durchgeführt werden und eine gruppenbezogene Information erfolgen. Auch Teilidentitäten der Information mit spezifischen persönlichen Ergänzungen sind möglich. III. Zeitpunkt und Form der Unterrichtung § 613a Abs. 5 BGB verpflichtet die beteiligten Arbeitgeber zu einer Unterrichtung „vor“ dem Übergang. Spätestens zugehen muss die Unterrichtung nach dem Gesetz im Zeitpunkt des Vollzugs der Betriebsübernahme. Diese fällt mit der Übernahme der Leitungsmacht zusammen. 1. Maßgeblicher Zeitpunkt Der Gesetzgeber schreibt keinen konkreten Termin vor. Normative Vorgabe ist lediglich, dass die Information „vor dem Übergang“ zu erfolgen hat. Die Informationspflicht erlischt aber nicht mit diesem Zeitpunkt,253 sie kann also noch später erfolgen. In diesen Fällen beginnt dann die Widerspruchsfrist von einem Monat nach § 613a Abs. 6 BGB erst ab der Information zu laufen.254 Eine Nachholung mit vollständigem und zutreffendem Inhalt ist damit jederzeit möglich. Praxishinweis: Gerade bei später bzw. verspäteter Information ist die Nachhaltigkeit der Übergabe an den Arbeitnehmer von besonderer Bedeutung. In der Praxis kann sich ein Problem daraus ergeben, dass Transaktionen zwischen Unternehmen möglichst lange unveröffentlicht bleiben sollen. Während Sinn und Zweck der Informationspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB für eine frühzeitige Information sprechen, haben – gerade bei einer einvernehmlichen Transaktion – sowohl Veräußerer als auch Erwerber vielfach ein großes Interesse an einer späten Offenlegung der Einzelheiten, insbesondere des Grundes255, also des Zwecks der Transaktion. Praxishinweis: Die notwendige und erwünschte Vertraulichkeit muss mit dem Wunsch nach Klarheit über die Anzahl der übergegangenen Vertragsverhältnisse abgewogen werden. Denn nur ein deutlicher Hinweis an die Arbeitnehmer unter Angabe des gesetzlich vorgesehenen Fristablaufs bringt Klarheit, wie viele Arbeitnehmer zum Erwerber übergehen und wer nach Widerspruch beim Veräußerer verbleibt. 253 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 91. OLG München v. 18.02.2011 – 25 U 2675/10. 255 Siehe unten: Kapitel B. V. 2. 254 80 Demgegenüber besteht bei einer zu frühen Unterrichtung einerseits die Gefahr, dass bis zum Stichtag des Wechsels Änderungen eintreten, die auch den Inhalt der Unterrichtung betreffen, andererseits kann eine zu frühe Information eine starke Verunsicherung der Belegschaft hervorrufen. Soweit ein Geheimhaltungsinteresse der beteiligten Arbeitgeber besteht, kann das Informationsschreiben erst bei Übernahme der betrieblichen Leitungsmacht durch den übernehmenden Rechtsträger, den Erwerber, ausgehändigt werden. Auch bei einem verdeckten Betriebsübergang – so dieser in der Praxis möglich ist – muss die Information nachgeholt werden, da zum einen der Anspruch aus § 613a Abs. 5 BGB nicht mit dem Übergang erlischt, zum anderen die Frist des für den Arbeitnehmer möglichen Widerspruchs nicht zu laufen beginnt. Folgt dem ersten Betriebsübergang ein weiterer, muss der vom Übergang betroffene Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach der Information über den zweiten Betriebsübergang dem ersten widersprechen.256 2. Textform i. S. d. § 126b BGB Für die Unterrichtung der Arbeitnehmer ist zwingend die Textform nach § 126b BGB vorgeschrieben. Textform i. S. d. § 126b BGB liegt dann vor, wenn die Erklärung in einer Urkunde oder einer zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise erfolgt, die die Person des Erklärenden nennt und den Abschluss der Erklärung kenntlich macht. Die strengere Schriftform nach § 126 BGB wird nicht verlangt. Diese setzt voraus, dass die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigtem Handzeichen unterzeichnet ist. Die Textform ist ausreichend, weil nach der Gesetzesbegründung nicht die Warnfunktion, sondern die Informations- und Dokumentationsfunktion im Vordergrund steht.257 Wird die Textform nicht gewahrt, ist die Unterrichtung unwirksam.258 Eine Nachholung der rechtswirksamen Information ist möglich, eine rückwirkende Heilung hingegen nicht. Das bedeutet, dass eine mündliche Mitteilung – egal ob vom Veräußerer oder Erwerber – auf einer Betriebsversammlung nicht ausreicht. 259 Veräußerer oder Erwerber müssen die Mitteilung nicht dem betroffenen Arbeitnehmer als Empfänger überbringen; die Einräumung der Möglichkeit, sich vom Inhalt Kenntnis verschaffen zu können, ist ausreichend. Ob dies der betroffene Arbeitnehmer nutzt, ist diesem selbst überlassen. Die Unterrichtung kann erfolgen durch: Zusendung einer E-Mail, Aushang im Betrieb (z. B. am Schwarzen Brett), Einstellung im betrieblichen Intranet. 256 BAG v. 19.11.2015 – 8 AZR 773/14, DB 2016, 1579. LAG Düsseldorf v. 30.04.2008 – 7 (12) Sa 1099/06. 258 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 91. 259 BAG v. 22.06.2011 – 8 AZR 204/10, NZA 2012, 1184; Jauernig-Jauernig, § 126b BGB, Rn. 2. 257 81 Bei der Unterrichtung per E-Mail ist zu beachten, dass diese Informationsart nur dann zulässig ist, wenn der Arbeitnehmer seine E-Mail-Adresse zur Teilnahme am E-Mail-Verkehr bekannt gegeben hat. Eine flächendeckende Unterrichtung durch E-Mail setzt aber voraus, dass alle zu informierenden Arbeitnehmer über eine entsprechende Adresse verfügen. Auch bei Nutzung des betrieblichen Intranets ist es notwendig, dass alle Arbeitnehmer Zugang haben, regelmäßig folglich über einen PC verfügen müssen. Praxishinweis: Die Nutzung des E-Mail-Verkehrs hat den Nachteil, dass der Zugang beim Arbeitnehmer im Bestreitensfall nur durch eine Lesebestätigung nachzuweisen ist. Dann besteht aber die Gefahr, nicht nachweisen zu können, dass der vom Übergang betroffene Arbeitnehmer selbst die E-Mail gelesen hat. Für einen Aushang am Schwarzen Brett ist es wichtig, einen Ort zu wählen, von dem jeder Mitarbeiter weiß, dass er als Stelle für Bekanntmachungen genutzt wird. Veräußerer oder Erwerber müssen einen Ort wählen, an dem die Mitteilung sicher ist, also weder zerstört noch entfernt werden kann. Das Schwarze Brett sollte daher über einen abschließbaren Glasdeckel verfügen. Praxishinweis: Da der Beginn der Widerspruchsfrist an den Zugang der Unterrichtung beim Arbeitnehmer geknüpft ist, sollten sich Veräußerer oder Erwerber zumindest die Kenntnisnahme des Informationsschreibens durch den Arbeitnehmer bestätigen lassen. Dies durch Übergabe mit gleichzeitiger Bestätigung des Empfangs. Es bietet sich an, vor der schriftlichen Information eine Betriebsversammlung zum Thema des Betriebsüberganges durchzuführen. Anschließend kann in einem Informationsschreiben – unter Wiederholung des wesentlichen Inhalts – auf die Veranstaltung und die dort gegebenen Hinweise verwiesen werden. Formulierungsvorschlag: „Hiermit erkläre ich, …… (betroffener Arbeitnehmer), die Unterrichtung über einen Betriebsübergang in Textform am ……. (Datum) erhalten zu haben. Ort, Datum Unterschrift“ 3. Darlegungs- und Beweislast Für die Erfüllung der Unterrichtung trifft die Unterrichtungsverpflichteten (Veräußerer und/oder Erwerber) die Darlegungs- und Beweispflicht. Denn die Information muss dem Arbeitnehmer zugehen, sie ist erst mit dem Zugang bewirkt. Dann greifen die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Soweit die Unterrichtung zunächst formal und inhaltlich den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB genügt und damit nicht offensichtlich fehlerhaft ist, hat der Arbeitnehmer die fehlerhafte oder unvollständige Information durch Sachvortrag näher darzulegen. Gelingt ihm dies, müssen die Unterrichtungsverpflichteten sodann die Einwände des Arbeitnehmers mit entsprechenden Darlegungen und Beweisantritten entkräften.260 260 BAG v. 14.02.2006 – 8 AZR 763/05, NZA 2007, 682. 82 IV. Anforderungen an den Inhalt der Unterrichtung Für die Erfüllung der Unterrichtung trifft die Unterrichtungsverpflichteten (Veräußerer und Erwerber) die Darlegungs- und Beweispflicht. Die Information muss dem Arbeitnehmer zugehen. Sie ist erst mit dem Zugang bewirkt. 1. Kenntnisstand der Unterrichtungspflichtigen Nach der Rechtsprechung richtet sich der Inhalt der Unterrichtung nach dem Kenntnisstand der zur Unterrichtung Verpflichteten (Veräußerer und/oder Erwerber) und zwar bezogen auf den Zeitpunkt der Unterrichtung selbst.261 Können zum Zeitpunkt der Unterrichtung Einzelheiten zum Erwerber (noch) nicht mitgeteilt werden, z. B. weil der Erwerber noch zu gründen ist, muss dies den Arbeitnehmern bei der Unterrichtung offen gelegt werden.262 Formulierungsvorschlag: „Einzelheiten zum Betriebserwerber können zurzeit nicht mitgeteilt werden, weil dieser erst noch gegründet werden muss. Es ist beabsichtigt, dass…“ Ändert bzw. ergänzt sich der Kenntnisstand zu einem späteren Zeitpunkt, kann eine ergänzende oder eine gänzlich neue Informationspflicht entstehen. Die Umstände des Einzelfalls sind daher maßgeblich. Beispiel: Planen Veräußerer und Erwerber zu Beginn des Jahres den Fuhrpark zum Ende des Jahres durch Rechtsgeschäft zu übertragen und gelangen sie zur Mitte des Jahres zu dem Entschluss, den gesamten Betrieb bestehend aus Produktion und Fuhrpark zu übertragen, ist eine Information notwendig, wenn vorher nur über die Übertragung des Fuhrparks informiert worden ist. 2. Identität des Betriebserwerbers Im Hinblick auf den Zweck der Unterrichtung, dem Arbeitnehmer eine ausreichende Informationsgrundlage für die Entscheidung über die Ausübung oder Nichtausübung des Widerspruchsrechts zu geben, ist der Betriebserwerber identifizierbar anzugeben. Die Rechtsperson des Erwerbers (z. B. eine GmbH oder AG etc.) ist offen zu legen. Die Information muss so präzise erfolgen, dass der Arbeitnehmer Erkundigungen über den Erwerber und damit den etwaigen neuen Arbeitgeber einholen kann.263 Auch zur Durchführung eines möglichen Prozessverfahrens gegen den Erwerber allein oder gemeinsam gegen Erwerber und Veräußerer muss der Arbeitnehmer die Identität, also den Namen, die Rechtsform und postalische Adresse des Erwerbers kennen. Hinsichtlich der Identität einer noch zu gründenden Firma des Betriebserwerbers hat das Informationsschreiben die Angabe eines Firmensitzes und einer Geschäftsadresse zu enthalten. 261 BAG v. 20.03.2008 – 8 AZR 1016/06, NZA 2008, 1354. BAG v. 23.07.2009 – 8 AZR 541/08, ; LAG Schleswig-Holstein v. 05.12.2013 – 5 Sa 266/13. 263 BAG v. 23.07.2009 – 8 AZR 538/08, NZA 2010, 89. 262 83 Formulierungsvorschlag: „Veräußerer Erwerber (Rechtsform (Rechtsform Adresse ) Adresse ) An Herrn/Frau (Name und Adresse des vom Übergang betroffenen Arbeitnehmers) Übergang ihres Arbeitsverhältnisses Sehr geehrte(r) Herr/Frau Wie Ihnen bereits auf der Betriebsversammlung am ….. angekündigt wurde, wird der Geschäftszweig ……… des Veräußerers an den Erwerber übertragen. Die notwendigen Informationen über die Betroffenen erfahren Sie in der Kopfzeile dieses Briefes. Beabsichtigt ist, dass die Firma … (Erwerber) am …………. (Datum) die tatsächliche Leitung des Unternehmens übernimmt.“ Das BAG hat die Informationspflicht über die Identität des Betriebserwerbers dahin gehend erweitert264, dass bei Gesellschaften, sofern eine vollständige gesetzliche Vertretung nicht angegeben wird oder angegeben werden kann, die Nennung einer identifizierbaren natürlichen Person mit Personalkompetenz als Ansprechpartner des Betriebserwerbers erforderlich ist. Praxishinweis: Es kann ratsam sein, die bisherigen und künftigen Geschäftsaktivitäten des Erwerbers darzustellen, unabhängig vom zu übernehmenden Betrieb oder Betriebsteil. Dies gilt für das konkrete Unternehmen, aber auch für die Konzernmutter als beherrschendes Unternehmen. 3. Sprachliche Anforderungen Die erteilten Informationen müssen zutreffend, vollständig, präzise, für juristische Laien in einer verständlichen Sprache sein und dürfen keinen juristischen Fehler enthalten. Es genügt nicht mehr, wie von der früheren Rechtsprechung gefordert, dass die Belehrung über die rechtlichen Folgen nur „im Kern richtig“ ist und lediglich eine „ausreichende“ Unterrichtung erfolgen muss.265 Die dem Arbeitnehmer zu gebenden Informationen müssen vollständig sein.266 In Unternehmen, in denen die deutsche Sprache die übliche Kommunikationsform ist, muss keine Übersetzung in ausländische Sprachen erfolgen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitsvertrag in deutscher Sprache abgefasst ist.267 Übersetzungserfordernisse bestehen daher nicht. Vielmehr bildet die Tatsache, dass der Arbeitnehmer der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen individuellen, allein in seiner Person liegenden Umstand.268 Die Rechtsprechung begründet dieses Ergebnis mit dem Unterschied zwischen der „Empfangs-“ und der „Vernehmungstheorie“. 264 BAG v. 14.11.2013 – 8 AZR 824/12, NZA 2014, 610; BAG v. 23.07.2009 – 8 AZR 538/08, NZA 2010, 89. 265 BAG v. 20.03.2008 – 8 AZR 1016/06, NZA 2008, 1354. 266 Siehe unten Kapitel B, V. 267 Schiefer/Worzalla, NJW 2009, 560. 268 BAG v. 19.03.2014 – 5 AZR 252/12, NZA 2014. 84 Danach wird eine Erklärung bereits mit dem Zugang bei dem Empfänger wirksam und nicht erst dann, wenn sie vom Empfänger tatsächlich wahrgenommen worden ist.269 Wird jedoch im Tagesgeschäft in anderer, z. B. englischer Sprache kommuniziert, ist eine entsprechende Übersetzung notwendig. 270 Etwas anderes gilt aber auch dann, wenn es im Unternehmen bzw. im Betrieb üblich ist, schriftliche Informationen in die jeweiligen Sprachen der Mitarbeiter zu übersetzen. 4. Unterrichtung in Form eines Standardschreibens Da sich die Information gem. § 613a Abs. 5 BGB auf „die“ Arbeitnehmer bezieht, müssen die von § 613a Abs. 5 Nr. 3 und Nr. 4 BGB geforderten Angaben inhaltlich nicht auf die Person jedes einzelnen Adressaten zugeschnitten sein.271 Die Erstellung einer spezifischen Information ist aber notwendig, wenn es im Vergleich zu anderen Mitarbeitern abweichende Umstände gibt. Diese können sich aus dem Arbeitsplatz, der Tätigkeit des betroffenen Arbeitnehmers oder seinen persönlichen Umständen ergeben. Sind hingegen mehrere Arbeitnehmer aufgrund ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit oder der Einrichtung ihres Arbeitsplatzes vergleichbar, kann eine Gruppenbildung durchgeführt werden und eine gruppenbezogene Information erfolgen. Auch Teilidentitäten der Information mit spezifischen persönlichen Ergänzungen sind möglich. Praxishinweis: Es sind folglich Gruppen von Personen zu bilden, die in vergleichbarer Weise vom Betriebsübergang betroffen sind. Die Unterrichtung kann in einem Standardschreiben erfolgen. Sie muss jedoch eine konkrete betriebsbezogene Darstellung enthalten, die etwaige Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses erfasst.272 Kraft Gesetz eintretende Rechtsfolgen müssen als solche bezeichnet werden und dürfen nicht als freiwillige Selbstverpflichtung deklariert werden.273 5. Vervollständigung der Unterrichtung nach Betriebsübergang Eine Unterrichtung kann auch nach einem Betriebsübergang unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form vervollständigt werden.274 Soweit eine Vervollständigung aus Gründen der Rechtsklarheit zu erfolgen hat, ist sie auch als solche zu bezeichnen, damit die Arbeitnehmer vom nunmehrigen Beginn der Widerspruchsfrist Kenntnis erlangen. Sind die Umstände, die sich ändern, nicht gravierend oder beeinflussen sie die Transaktion und damit das Meinungsbild des betroffenen Arbeitnehmers kaum, muss keine ergänzende Information erfolgen. Praxishinweis: Da die Auswirkungen von Sachverhaltsänderungen auf das subjektiv geprägte Entscheidungsbild des Arbeitnehmers in der Praxis nur schlecht beurteilt werden können, ist eine ergänzende Information in vielen Fällen zu empfehlen. 269 Einsele, Münchner-Kommmentar, § 130 BGB, Rn. 9. Schnitker/Grau, BB 2005, 2239. 271 BAG v. 14.12.2006 – 8 AZR 763/05, NZA 2007, 682. 272 BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2007, 682. 273 BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268. 274 BAG v. 23.07.2009 – 8 AZR 538/08, NZA 2010, 89. 270 85 V. Notwendiger Informationsinhalt Übereinstimmend mit Art. 7 Absatz 6 der Betriebsübergangsrichtlinie benennt das Gesetz in § 613a Abs. 5 Nr. 1 bis 4 BGB den notwendigen Inhalt der Unterrichtung. 1. Zeitpunkt des Übergangs (Ziff. 1) Primär ist der vom Übergang des Betriebes betroffene Arbeitnehmer über den Zeitpunkt der Transaktion zu informieren. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Betriebsübergang i. S. d. § 613a Abs. 5 Nr. 1 BGB ist die tatsächliche Übernahme der arbeitsorganisatorischen Organisations- und Leitungsmacht durch den neuen Betriebsinhaber. Damit ist der kalendermäßige Stichtag des Betriebsübergangs gemeint. Das Datum des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts – wie z. B. ein Kaufvertrag – spielt für § 613a BGB keine Rolle.275 Formulierungsvorschlag: „Mit diesem Betriebsübergang geht gemäß § 613a BGB Ihr Arbeitsverhältnis auf den Erwerber über. Dies geschieht am … (Datum) mit der Übernahme der tatsächlichen Leitungsmacht. Mit diesem Zeitpunkt tritt der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus Ihrem Arbeitsverhältnis ein. Sie werden damit ab diesem Zeitpunkt Mitarbeiter des Erwerbers. Ihr Arbeitsverhältnis wird folglich anlässlich des Betriebsübergangs unverändert mit dem Erwerber fortgeführt.“ Falls sich der zunächst geplante Zeitpunkt des Betriebsüberganges nach der Unterrichtung verschiebt, stellt sich die Frage, ob die Arbeitnehmer erneut zu unterrichten sind. Das Erfordernis einer erneuten Unterrichtung richtet sich nach dem Zweck der Unterrichtungspflicht und hängt daher vom Einzelfall ab. Ausgehend vom Zweck der Unterrichtung kommt es darauf an, ob sich die Entscheidungsgrundlagen für die Ausübung des Widerspruchsrechts so geändert haben, dass aufgrund der ersten Unterrichtung eine sachgerechte Entscheidung nicht mehr möglich ist. Eine erneute Unterrichtung ist erforderlich, wenn sich der zunächst geplante Vorgang nach der Verschiebung als ein völlig anderer Betriebsübergang darstellt. Die ursprüngliche Unterrichtung nach Abs. 5 geht dann ins Leere. Soweit sich der Planungshorizont nachträglich verändert, bedarf es ebenfalls einer erneuten Unterrichtung. Eine nachträgliche Veränderung des Planungshorizonts ist dann gegeben, wenn ein ursprünglich mitgeteilter und nunmehr bevorstehender Betriebsübergang nicht mehr identisch ist, weil z. B. der Betrieb auf einen anderen als den angekündigten Erwerber übergeht.276 Es muss dann über den neuen Betriebsübergang unterrichtet werden. Einer erneuten Unterrichtung bedarf es nicht, wenn es sich lediglich um eine zeitliche Verschiebung handelt. Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn es aufgrund der Zeitspanne zwischen dem geplanten und dem endgültigen Betriebsübergang zu einer Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Lage kommt. Ist der Zeitpunkt von einer Eintragung, z. B. im Handelsregister (Umwandlungsgesetz), abhängig, muss über diesen Umstand und die voraussichtliche Eintragung unterrichtet werden. 275 276 Siehe oben Kapitel A, VIII 1. BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 303/05, NZA 2006, 1273. 86 2. Grund für den Übergang (Ziff. 2) Gemäß § 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB müssen Veräußerer und Erwerber die Arbeitnehmer über den Grund für den Übergang informieren.277 Dem Informationserfordernis über den Grund für den Betriebsübergang ist allein mit der Angabe der rechtsgeschäftlichen Grundlage für den Betriebsübergang (z. B. Kaufvertrag, Pachtvertrag) nicht Genüge getan.278 Neben dem Rechtsgrund muss auch über die zum Übergang führenden unternehmerischen Erwägungen informiert werden. Soweit sich die unternehmerischen Erwägungen im Falle eines Widerspruchs auf den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers auswirken, sind diese zumindest schlagwortartig mitzuteilen. 279 Die zwischen Erwerber und Veräußerer getroffenen Vereinbarungen sollen dargestellt werden. Praxishinweis: Gerade bei der Mitteilung über den Grund der Transaktion ist die verwendete Sprache entscheidend. Der normale Mitarbeiter muss das Schreiben verstehen können. Auch darf nicht schon aufgrund des reinen Umfangs der Information der Mitarbeiter an der Kenntnisnahme gehindert werden. Die Übersendung eines mehrere 100 Seiten starken Dokuments erfüllt daher die Informationspflicht nicht. Gleiches gilt, wenn ohne jede weitere Erläuterung nur der zwischen Veräußerer und Erwerber geschlossene Vertrag übermittelt wird. 3. Folgen des Betriebsübergangs (Ziff. 3) Die Arbeitnehmer müssen über die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf ihre Rechte und Pflichten informiert werden. Die Folgen des Betriebsübergangs betreffen einmal die individualrechtlichen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, aber auch wirtschaftliche und soziale Folgen des Betriebsübergangs280, die in § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB geregelt sind. a) Rechtliche Folgen Die Reichweite und der Umfang der Unterrichtung über die rechtlichen Folgen lassen sich zwar dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen, jedoch ergeben sich diese aus dem gesetzgeberischen Willen und dem Sinn und Zweck der Unterrichtung. Hinsichtlich der rechtlichen Folgen des Übergangs ist zwischen unmittelbaren und mittelbaren Folgen zu unterscheiden, die der Unterrichtung zugrunde liegen. Die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang ergebenden Rechtsfolgen erfordern einen Hinweis auf den Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, auf die Folgen des Betriebsübergangs für die kollektiven Regelungen gem. § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB, 277 BAG v. 26.03.2015 – 2 AZR 783/13. BAG v. 14.11.2013 – 8 AZR 824/12; BAG v. 23.07.2009 – 8 AZR 538/08, NZA 2010, 89. 279 BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1269. 280 BAG v. 26.03.2015 – 2 AZR 783/13. 278 87 auf die Haftung des bisherigen Arbeitgebers gem. § 613a Abs. 2 BGB und die Verteilung der Haftung zwischen Veräußerer und Erwerber sowie auf das Verbot der betriebsbedingten Kündigung wegen Betriebsübergangs gem. § 613a Abs. 4 BGB. Ein pauschaler Hinweis auf den Gesetzeswortlaut bzw. dessen Wiedergabe reicht nicht aus, denn daraus ergibt sich regelmäßig keine Entscheidungsgrundlage für den vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer. Praxishinweis: Es bietet sich an, eine synoptische Darstellung der alten und neuen Rechtslage darzustellen, so wie sie sich auf das Rechtsverhältnis des Arbeitnehmers zum Betriebserwerber auswirkt. aa) Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten Der Hinweis, dass der Erwerber in alle Rechte und Pflichten des Veräußerers aus dem Arbeitsverhältnis eintritt, ist zwingender Bestandteil der Information nach § 613a Abs. 5 BGB. Der entsprechende Hinweis des Erwerbers bezieht sich auf alle individualrechtlichen Ansprüche gem. § 613a Abs. 1 S. 1 BGB, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben. Zu unterrichten ist daher über das Weiterbestehen von Ansprüchen vor allem aber auch über die Änderung der bisherigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Werden die bestehenden Ansprüche einfach auf den Erwerber übertragen, reicht ein pauschaler Hinweis, der alle Ansprüche betrifft, mit dem Inhalt, dass alle Rechte und Pflichten übertragen werden, der Vertrag einfach fortgesetzt wird. Langzeiterkrankte Arbeitnehmer sind darauf hinzuweisen, dass 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres der Erholungsurlaub verfällt. Werden die bestehenden Rechte und Pflichten nur zum Teil281 auf den Erwerber übertragen, muss eine differenzierte Information erfolgen. Bei bestehen bleibenden Inhalten des Vertrages reicht der angesprochene pauschale Hinweis. Abgeänderte Inhalte müssen einzeln erwähnt werden; vor allem ist es wichtig, bezogen auf jedes einzelne Recht aus dem Arbeitsvertrag die Veränderung darzustellen. Der Rechtszustand vor und nach dem Betriebsübergang ist dem Mitarbeiter unter Darlegung der inhaltlichen Veränderung mitzuteilen. Für den Fall, dass beim Veräußerer die Arbeitsbedingungen tariflich geregelt sind und beim Erwerber keine entsprechenden Tarifverträge gelten, sollte dies ebenfalls dem Arbeitnehmer mitgeteilt werden. Für Mitarbeiter in der Altersteilzeit ist die Möglichkeit der betriebsbedingten Kündigung nach Widerspruch gegen den Betriebsübergang im Informationsschreiben nur bei Arbeitnehmern in der Arbeitsphase zu erwähnen. Arbeitnehmer in der Freistellungsphase können trotz Widerspruch nicht mehr betriebsbedingt gekündigt werden. Formulierungsvorschlag: „Ihr Arbeitsverhältnis ist von diesem Betriebsübergang betroffen. Es geht mit allen Rechten und Pflichten nach § 613a BGB auf … (Erwerber) über. Der ….. (Erwerber) tritt in die Rechte und Pflichten, die sich aus Ihrem Arbeitsvertrag ergeben, kraft Gesetzes ein. 281 Siehe unten: Kapitel D. 88 Ihr Aufgabenbereich bleibt somit bis auf Weiteres unverändert erhalten, sofern nichts anderes mit Ihnen ausdrücklich vereinbart wurde. Gleiches gilt für die Höhe des Jahreseinkommens. Diese bleibt ebenfalls unverändert, unbeschadet einer anderen Zusammensetzung.“ Eventuell: „Im Einzelnen gilt für Sie die beiliegende (Gesamt)Betriebsvereinbarung zur Übertragung des Betriebes bzw. Betriebsteils auf den Erwerber.“ Jede Änderung des Inhalts des Vertrages ist dem betroffenen Arbeitnehmer ausdrücklich und spezifiziert mitzuteilen. Soweit es im Zuge des Überganges zu Veränderungen oder Anpassungen (z. B. im Bereich betriebliche Altersversorgung) kommt, die vom Erwerber unter Beibehaltung des eingetretenen Zustandes nicht fortgeführt werden können, sind nähere Angaben über individualrechtliche Ansprüche erforderlich.282 Bei Ansprüchen gegen einen anderen Rechtsträger als das Unternehmen des Veräußerers, die von nicht völlig untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung für die Arbeitnehmer sind (z. B. Aktienoptionszusage der Konzernmutter), ist ein Hinweis geboten, wenn es entgegen § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gerade nicht zu einem Übergang von Rechten kommt.283 Formulierungsvorschlag: „Ihr Arbeitsverhältnis ist vom Betriebsübergang betroffen. Es geht mit allen Rechten und Pflichten nach § 613a BGB auf … (Erwerber) über. Folgende Ansprüche sind vom Übergang ausgenommen: …………………….“ Durch den Betriebsübergang gehen die Vertragsmerkmale zwischen Arbeitnehmer und veräußertem Betrieb auf den Erwerberbetrieb über. Fraglich ist, was mit den Regeln des Erwerberbetriebes gilt. Finden diese auf das neue Vertragsverhältnis mit dem übergegangenen Arbeitnehmer Anwendung? Da der aufnehmende Betrieb aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung verpflichtet ist, alle Arbeitnehmer gleich zu behandeln, kann er sie ohne zwingende Begründung nicht von den Ansprüchen ausnehmen, die im Betrieb des Betriebserwerbers gelten. Will ein Betriebserwerber dies verhindern, so muss bereits im Informationsschreiben dem Betriebsrat und betroffenen Arbeitnehmern mitgeteilt werden, dass bestimmte Rechte und Ansprüche für die übernommenen Arbeitnehmer nicht gelten sollen.284 bb) Folgen für die kollektiven Regelungen Weiterhin erstreckt sich die Informationspflicht auf die Folgen des Überganges für die kollektiven Regelungen. Erforderlich ist ein Hinweis über die Anwendbarkeit tariflicher und betrieblicher Normen und die Frage, inwieweit beim Veräußerer geltende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durch beim Erwerber geltende Tarifverträge abgelöst werden. Dabei sollte sichergestellt werden, dass die Informationsadressaten die betreffenden Bestimmungen auch effektiv einsehen können.285 Hierfür genügt es, wenn auf eine Anlage zu dem Informationsschreiben, auf Quellen im Internet oder Intranet durch die Personalabteilung Bezug genommen wird. 282 Hohenstatt/Grau, NZA 2007, 13. Hohenstatt/Grau, NZA 2007, 13. 284 BAG v. 10.08.1988 – 5 AZR 571/87, NZA 1988, 57. 285 Schnitker/Grau, BB 2005, 2239. 283 89 Die Rechtsprechung verlangt keine detaillierte Bezeichnung aller Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen.286 Ein Hinweis darauf, wo die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren kollektivrechtlichen Regeln einzusehen sind, sollte dennoch im Informationsschreiben enthalten sein. Ob die Normen kollektivrechtlich oder individualrechtlich fortwirken, sollte im Informationsschreiben hinreichend deutlich dargestellt werden.287 Dies gilt insbesondere aufgrund der Tendenz der Rechtsprechung, kollektivrechtlichen Regeln Vorrang einzuräumen.288 Folgender Inhalt des Informationsschreibens könnte notwendig sein: Für den Fall, dass beim Veräußerer die Arbeitsbedingungen tariflich geregelt sind und beim Erwerber keine entsprechenden Tarifverträge gelten, muss dies ebenfalls dem Arbeitnehmer mitgeteilt werden. Beinhaltet der Arbeitsvertrag eine dynamische Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag, die inhaltlich nicht als bloße Gleichstellungsabrede auszulegen ist, ist dem Arbeitnehmer mitzuteilen, dass sein Entgelt an der Entwicklung der tariflichen Vergütung teilnimmt. Beinhaltet der Arbeitsvertrag eine statische Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag und ist weder der Arbeitnehmer noch der Erwerber entsprechend tarifgebunden, ist dem Arbeitnehmer mitzuteilen, dass sich sein Entgelt nicht nach zukünftigen Tariflohnerhöhungen bemisst. Formulierungsvorschlag (Erwerber nicht tarifgebunden): „Sofern diese Rechte und Pflichten bei uns als dem bisherigen Inhaber für Sie durch Rechtsnormen der einschlägigen Tarifverträge ... (Name der einschlägigen Tarifverträge) geregelt und aufgrund Ihrer Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft anzuwenden waren, werden diese Rechte und Pflichten Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen Ihnen und dem neuen Inhaber, da der neue Inhaber an keinen Tarifvertrag gebunden ist. Diese Rechte und Pflichten dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zu Ihrem Nachteil geändert werden. Vor Ablauf der genannten Frist können die für Sie geltenden Rechte und Pflichten indes auch zu Ihrem Nachteil geändert werden, wenn die bei uns bisher für Sie einschlägigen Tarifverträge nicht mehr gelten oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrages dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und Ihnen vereinbart wird. Die für den Betrieb gültigen Betriebsvereinbarungen bleiben weiter gültig, da der Betrieb bei dem neuen Inhaber seine Identität behalten wird. Die entsprechenden Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können bei uns im … (Angabe der Stelle) eingesehen werden.“ Ändert sich der Inhalt eines beim Veräußerer anwendbaren Tarifvertrages aufgrund geänderter Tatbestandsmerkmale beim Erwerber, muss im Informationsschreiben auch darauf hingewiesen werden.289 286 BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006,1268. BAG v. 26.03.2015 – 2 AZR 783/13. 288 BAG v. 05.03.2013 – 1 AZR 417/12. 289 BAG v. 26.03.2015 – 2 AZR 783/13, DB 2015, 2760. 287 90 Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn durch die betriebliche Tätigkeit des Erwerbers die fachliche Geltung eines Tarifvertrages verloren geht. cc) Haftungsverteilung Ob neben dem Erwerber auch der Veräußerer für die Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis haftet und für wie lange und in welchem Umfang, ist ein wichtiger Bestandteil der Information nach § 613a Abs. 5 BGB. Das Haftungssystem beim Betriebsübergang ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Regelungen in § 613a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB. Nach der Rechtsprechung ist über die Gesamtschuldnerschaft des Veräußerers und des Erwerbers sowie deren anteilige Haftung nach § 613a Abs. 2 BGB zu unterrichten.290 Dieses Informationserfordernis versetzt die Arbeitnehmer in die Lage, ggf. näheren Rat einzuholen, wer in welchem Umfang für welche Ansprüche haftet.291 Wird beispielsweise eine Gratifikation gezahlt, die nicht Teil der Vergütung ist, sondern die die Treue zum Betrieb entlohnen soll, ist der Veräußerer verpflichtet, die Gratifikation zu zahlen, die vom Arbeitnehmer bei ihm „erdient“ worden ist. Beispiel: Bei Gratifikationen wie Weihnachtsgeld etc. kommt es häufig vor, dass bei einer unterjährigen Übertragung des Betriebes an den Erwerber, Ansprüche gegen den Veräußerer nur für fällige Ansprüche aus einem abgelaufenen Zeitraum einstehen. Geht daher noch vor der Auszahlung von fälligen Ansprüchen der Betrieb über, bleibt der Veräußerer bei zeitanteilig zu gewährenden Ansprüchen Verpflichteter. Dies sollte den Arbeitnehmern mitgeteilt werden. Formulierungsvorschlag: „Wir als Ihr bisheriger Arbeitgeber haften neben dem neuen Inhaber für die Erfüllung Ihrer Rechte aus dem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Wir haften weiter für solche Verpflichtungen, die vor dem Betriebsübergang entstanden und fällig geworden sind oder vor Ablauf eines Jahres danach fällig werden; soweit sie nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs entstehen, haften wir nur zeitanteilig. Dies betrifft folgende Ansprüche: ………………………. Der … (Erwerber) haftet ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs unbeschränkt für alle, auch für die rückständigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Aufgrund seiner Rechtsform ist das Haftungskapital auf … Euro beschränkt.“ 290 291 BAG v. 22.01.2009 – 8 AZR 808/07, NZA 2009, 547. BAG v. 23.07.2009 – 8 AZR 538/08, DB 2010, 58. 91 (1) Unterrichtung bei Betriebsübergang in der Insolvenz Bei einem Betriebsübergang in der Insolvenz ist darüber zu unterrichten, dass der Erwerber entgegen des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht für Forderungen einzustehen hat, die vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind.292 Voraussetzung ist, dass der Betriebsübergang erst nach diesem Zeitpunkt erfolgt. Eine allgemeine Unterrichtung über die insolvenzrechtlichen Besonderheiten ist hingegen nicht notwendig. (2) Unterrichtung bei Unternehmensumwandlungen Nach der Rechtsprechung entfällt bei der Gesamtrechtsnachfolge (wie bei der Verschmelzung) entgegen dem Gesetzeswortlaut des § 324 Umwandlungsgesetz i. V. m. § 613a Abs. 6 BGB das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers.293 Als Folgeproblem stellt sich die Frage, ob mit Wegfall des Widerspruchsrechts auch die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nach § 613a Abs. 5 BGB entfällt. Der 8. Senat des BAG hat festgestellt, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des § 613a Abs. 5 BGB die Unterrichtung auch ohne Widerspruchsrecht der betroffenen Arbeitnehmer zwingend gebietet.294 Denn die Erklärung des Arbeitnehmers, dem Übergang des Betriebes zu widersprechen, kann beim Übergang des gesamten Betriebes aufgrund des entfallenden Arbeitsplatzes beim Veräußerer als Kündigungserklärung bewertet werden.295 Praxishinweis: Die Unterrichtung sollte durch den neuen Rechtsträger erfolgen, weil das Unternehmen des Veräußerers als bisheriger Rechtsträger infolge der Umwandlung erlischt. Daher ist es zwingend erforderlich, auch bei der Gesamtrechtsnachfolge den Arbeitnehmer über das „Schicksal“ des Veräußererbetriebes zu informieren. Nur so kann er das Ausmaß seiner Weigerung, nicht zum Erwerber wechseln zu wollen, einschätzen. Formulierungsvorschlag: „Wir als Ihr bisheriger Arbeitgeber teilen Ihnen mit, dass wir das gesamte Unternehmen auf die … GmbH als Erwerberin im Wege der Verschmelzung übertragen. Das Unternehmen erlischt mit der Verschmelzung auf den Erwerber. Ihnen steht kein Widerspruchsrecht zu. Sollten Sie dennoch einen Widerspruch erklären, verstehen wir Ihren Widerspruch als fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses.“ Folgende Besonderheiten gelten bei Umwandlungsfällen gegenüber dem Betriebsrat: Im Fall der Verschmelzung kann die Unterrichtung des Betriebsrats dadurch erfolgen, dass ihm der zugrunde liegende Vertrag zugeleitet wird. Die Angaben im Verschmelzungsvertrag müssen dabei inhaltlich den Anforderungen sowohl des § 5 Abs. 1 Nr. 9 i. V. m. Abs. 3 UmwG als auch des Art. 7 Abs. 1 der Betriebsübergangsrichtlinie genügen. Dabei verlangt das Umwandlungsgesetz im Gegensatz zu § 613a Abs. 5 BGB Angaben über die arbeitsrechtlichen Folgen der Transaktion nicht in allen Einzelheiten. Die insoweit fehlenden Informationen werden über die Betriebsübergangsrichtlinie eingefordert, denn diese verlangt Angaben über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die betroffenen Arbeitnehmer. 292 LAG Köln v. 31.01.2011 – 5 Sa 1224/10, NZA-RR 2011, 372. BAG v. 21.02.2008 – 8 AZR 157/07, NZA 2008, 815. 294 BAG v. 21.02.2008 – 8 AZR 157/07, NZA 2008, 815. 295 BAG v. 21.02.2008 – 8 AZR 157/07, NZA 2008, 815. 293 92 dd) Kündigungsverbot wegen Betriebsübergang Eine Kündigung aus Anlass des Betriebsübergangs ist unwirksam.296 § 613a Abs. 4 BGB enthält ein Kündigungsverbot im Sinne von § 13 Abs. 3 KSchG, § 134 BGB. „Anlässlich“ des Betriebsübergangs ist eine Kündigung anzusehen, wenn dieser der maßgebliche Beweggrund für die Lösung des Arbeitsverhältnisses gewesen ist.297 Daher bleiben ordentliche, in Form von verhaltensbedingten oder personenbedingten Kündigungen und fristlose Kündigungen trotz Vorliegens eines Betriebsübergangs weiterhin möglich. Praxishinweis: Zur Vermeidung von Missverständnissen bietet sich der Hinweis an, dass das Recht zur Kündigung aus anderen Gründen unberührt bleibt, § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB. Das Kündigungsverbot wegen des Betriebsübergangs ist daher von Informationsrelevanz und bedarf der Unterrichtung. Der Kündigungsschutz nach dem KSchG ist dagegen kein informationsrelevanter Umstand, auf den im Informationsschreiben hinzuweisen ist, weil er kein Recht im Sinne des § 613a Abs. 4 BGB ist, das im Falle eines Betriebsüberganges mit übergehen würde.298 Formulierungsvorschlag: „Die Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses wegen des Betriebsübergangs durch uns als Ihren bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen, auch aus betriebsbedingten Gründen, die nicht mit der Veräußerung in Zusammenhang stehen, bleibt unberührt.“ b) Wirtschaftliche und soziale (Sekundär-)Folgen Im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Unterrichtung ist neben den unmittelbaren Rechtsfolgen des § 613a Abs. 1 bis 4 BGB auch über die weiteren Folgen des Betriebsüberganges zu informieren, soweit sie für die Informationsadressaten gravierende wirtschaftliche oder soziale Auswirkungen darstellen. Zu den wirtschaftlichen und soziale Folgen gehören das Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer, betriebsverfassungsrechtliche Folgen des Betriebsübergangs mit deren Auswirkungen auf den Betriebsrat oder Folgen für die Altersteilzeit.299 Zu den wirtschaftlichen Folgen gehören ferner auch solche Veränderungen, die nicht unmittelbar mit den im Gesetz genannten Informationspflichten aus § 613a Abs. 1 bis Abs. 4 BGB in Verbindung stehen. Dazu zählen Hinweise darauf, dass der Erwerber ein Existenzgründer ist300. Dies mit der Folge, dass keine Sozialplanpflicht besteht. Abgestellt wird allein auf die Bedeutung der Information für den Arbeitnehmer bezogen auf die Beurteilung seines Widerspruchsrechts. Für den Arbeitnehmer ist für die Ausübung des Widerspruchsrechts von Bedeutung, welche Vermögensgegenstände beim Berücksichtigen von welchem Wert sind. Soweit der Betriebserwerber nur die beweglichen Anlageteile des Betriebes, nicht aber das Betriebsgrundstück übernimmt, ist folglich darüber zu informieren.301 296 BAG v. 09.12.2010 – 8 AZR 152/08. ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 155. 298 BAG v. 15.02.2007 – 8 AZR 397/06, NZA 2007, 739. 299 BAG v. 14.11.2013 – 8 AZR 824/12, NZA 2014, 610. 300 BAG v. 14.11.2013 – 8 AZR 824/12, NZA 2014, 610. 301 BAG v. 14.11.2013 – 8 AZR 824/12, NZA 2014, 610. 297 93 Auch ist darüber zu informieren, dass bei Übertragung eines Betriebsteils auf einen Betriebserwerber dieser im Ergebnis so klein ist, dass bei einer möglichen Betriebsänderung kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht.302 aa) Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer und mögliche Kündigung Während in der Literatur umstritten ist, ob und inwieweit auch das Bestehen des Widerspruchsrechts gem. § 613a Abs. 6 BGB Gegenstand der Unterrichtung sein soll, hat die Rechtsprechung mehrfach entschieden, dass sich die Informationspflicht auf das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers und auf das Schriftformerfordernis erstreckt. 303 Das BAG begründet dies mit dem Sinn und Zweck der Unterrichtung sowie mit der systematischen Stellung des Widerspruchsrechts. Folgendes wird angeführt: Erstens sei es widersprüchlich, das Recht zum Widerspruch von der Informationspflicht auszunehmen, wenn der Sinn der Unterrichtungspflicht darin bestehe, den betroffenen Arbeitnehmern eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung ihres Widerspruchsrechts zu verschaffen. Zweitens bedeute die systematische Stellung des Widerspruchsrechts gem. § 613a Abs. 6 BGB nach der Unterrichtungspflicht nicht, dass das Widerspruchsrecht von der Unterrichtungspflicht ausgenommen werden solle. Formulierungsvorschlag: „Dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber können Sie nach § 613 Abs. 6 BGB schriftlich widersprechen. Die Schriftform ist notwendig. Der Widerspruch hat zur Folge, dass Ihr Arbeitsverhältnis nicht auf den Erwerber übergeht, sondern bei uns als Veräußerer verbleibt. Für den Fall des Widerspruchs gehen Sie allerdings das Risiko einer betriebsbedingten Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses ein, da Ihr bisheriger Arbeitsplatz in der Abteilung (…) ersatzlos weggefallen ist. Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit Ihrer Qualifikation und Ihrem tatsächlichen Einsatz entsprechend steht derzeit nicht zur Verfügung.“ --alternativ: „Sollte entsprechend Ihrer Qualifikation und ihrem Einsatz ein anderer Arbeitsplatz in unserem Unternehmen (Veräußerer) vorhanden sein, ist dennoch nicht sicher, dass Ihnen gegenüber keine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen wird. Sollten mehrere Arbeitnehmer, die über Ihre Qualifikation verfügen, Widerspruch einlegen, muss unter den widersprechenden Arbeitnehmern bezogen auf die vorhandenen Arbeitsplätze eine Sozialauswahl durchgeführt werden. Dies bedeutet, nur die sozial schutzwürdigen Arbeitnehmer verbleiben in unserem Unternehmen.“ „Der Widerspruch kann sowohl gegenüber uns als dem Veräußerer als auch gegenüber der Firma (……) als dem Erwerber erklärt werden. Wir bitten Sie, machen Sie von ihrem Widerspruchsrecht nur nach sorgfältiger Abwägung Gebrauch. Beachten Sie, dass ein einmal zugegangener Widerspruch nicht mehr einseitig von Ihnen zurückgenommen werden kann. Sollten Sie dennoch widersprechen wollen, bitten wir Sie, Ihren etwaigen Widerspruch unverzüglich an eine der folgenden Adressen zu richten: 302 303 BAG v. 06.05.2015 – 2 AZR 783/13, BB 2015, 1595. BAG v. 31.01.2008 – 8 AZR 116/06, NZA 2008, 1354; LAG Köln v. 16.12.2012 – 4 Sa 1129/11. 94 Veräußerer (Ansprechpartner und Adresse) oder Erwerber (Ansprechpartner und Adresse) Widerspruch kann nur innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zugang dieser Mitteilung eingelegt werden. Auf die notwendige Schriftform haben wir in diesem Schreiben bereits hingewiesen.“ bb) Sozialplananspruch Da dem Arbeitnehmer im Falle des Widerspruchsrechts Ansprüche zustehen können, ist er über eventuelle Ansprüche auf Leistungen aus einem Sozialplan zu unterrichten. 304 Von erheblicher Bedeutung ist es für den Arbeitnehmer zu erfahren, ob im Falle des Widerspruchs eine Kündigung seitens des Veräußerers zu erwarten ist und ob ihm für diesen Fall ein Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan zusteht. Diese Unterrichtungspflicht besteht aber nur dann, wenn Ansprüche aus einem Sozialplan tatsächlich in Betracht kommen. Formulierungsvorschlag: „Verhandlungen, die den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans zum Gegenstand haben, sind im Betrieb des Erwerbers aufgenommen worden. Diese Verhandlungen stehen aber in keinem Zusammenhang mit der Übertragung des Betriebes.“ cc) Wirtschaftliche Lage Das BAG hat die Unterrichtungspflicht auch auf Angaben zur wirtschaftlichen Lage des Erwerbers ausgeweitet.305 Nach der Rechtsprechung des BAG sind die betroffenen Arbeitnehmer jedenfalls über eine wesentliche Verringerung der verbleibenden Haftungsmasse zu informieren. Das BAG begründete dies damit, dass die gravierende Gefährdung der wirtschaftlichen Absicherung als wesentliches Kriterium anzusehen sei. Formulierungsvorschlag: „Die …… (Firma des Erwerbers) ist ein gesundes Unternehmen, das mit seinen …… Arbeitnehmern im vergangenen Jahr einen Gesamtumsatz von …. erwirtschaftet hat. Wirtschaftliche Schwierigkeiten sind nicht erkennbar.“ Praxishinweis: Zukunftsperspektiven sind regelmäßig sehr spekulativ. Die Durchführung einer Wirtschaftsprüfung inklusive entsprechendem Gutachten ist für die Information nach § 613a BGB jedenfalls nicht erforderlich. Der reine Hinweis auf die Existenzgründung ist ausreichend. dd) Betriebliche Altersversorgung Haben die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vom Veräußerer eine Zusage auf Erhalt einer betrieblichen Altersversorgung, stellt sich die Frage, inwieweit Erwerber und/oder Veräußerer hierüber zu informieren haben. 304 305 BAG v. 14.11.2013 – 8 AZR 824/12. BAG v. 31.01.2008 – 8 AZR 116/06, NZA 2008, 1354. 95 (1) Höhe der Anwartschaft Geht ein Betrieb oder Betriebsteil nach § 613a BGB vom Veräußerer auf den Erwerber über, besteht zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer kein Anspruch auf Auskunft über die Höhe der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs erworbenen Anwartschaften.306 (2) Fortbestand der Versorgungszusage Inwieweit darüber hinaus Informationsverpflichtungen nach § 613a Abs. 5 BGB bestehen, hängt von den Auswirkungen des Betriebsüberganges auf die betriebliche Altersversorgung ab. Wird die betriebliche Altersversorgung inhaltlich unverändert auf den Erwerber übertragen, besteht keine Informationspflicht nach § 613 Abs. 5 Ziffern 1 - 4 BGB. Denn die Altersversorgung ist keine rechtliche, wirtschaftliche oder soziale Folge des Betriebsüberganges nach Ziffer 3, sondern ein „Anhängsel“ an den Arbeitsvertrag, der bis zum Zeitpunkt des Übergangs ohne Rücksicht auf diesen entstanden ist. Auch ist die Übertragung keine infolge des Betriebsüberganges zugunsten des betroffenen Arbeitnehmers in Aussicht genommene Maßnahme nach § 613a Abs. 5 Ziffer 4 BGB. Die Informationspflicht nach Ziffern 3 und 4 besteht folglich bei unveränderter Fortführung der betrieblichen Altersversorgung nicht. 307 Praxishinweis: Wird die Altersversorgung ohne Änderung fortgeführt, besteht weder für den Veräußerer noch für den Erwerber die Pflicht, hierüber gem. § 613a Abs. 5 BGB zu informieren. Da die Altersversorgung aber für viele Arbeitnehmer von großer Bedeutung ist, wird die Akzeptanz des Betriebsübergangs erhöht, wenn den betroffenen Arbeitnehmern ein Ansprechpartner genannt wird. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Altersversorgung geändert wird. Arbeitnehmer, die vom Betriebsübergang betroffen sind, müssen dann informiert werden, wenn sich aufgrund des Übergangs an der Versorgungszusage des Veräußerers etwas ändert oder ob sie gegebenenfalls ergänzende Ansprüche aus einer beim Erwerber vorhandenen betrieblichen Altersversorgung erhalten können. Hierfür sind die Art und der Inhalt der im Einzelfall erteilten Versorgungszusage von Bedeutung, ferner die konkrete praktische Durchführung.308 Besondere Anforderungen an den Umfang der Informationen werden insbesondere dann zu stellen sein, wenn durch den Betriebsübergang ein Wechsel des Durchführungsweges oder die Ablösung durch eine bestehende oder konkret geplante erwerbereigene Versorgungsregelung bevorsteht, sich folglich Art und Inhalt der Rentenzusage ändern können.309 Auch die Frage, ob eine kollektivrechtliche Versorgungsordnung individual- oder kollektivrechtlich weitergilt, ist Gegenstand der Informationspflicht.310 306 BAG v. 22.05.2007 – 3 AZR 834/05, NZA 2007, 1283. BAG v. 22.05.2007 – 3 AZR 834/05, NZA 2007, 1283. 308 siehe Kapitel H ”Betriebliche Altersversorgung”. 309 Willemsen, Teil J, Rn. 502. 310 BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268. 307 96 Praxishinweis: Folgende Punkte sind für das Informationsschreiben wichtig: Im Informationsschreiben sollten Einstandspflichten des Erwerbers vermieden werden, die über die Rechtsfolgen des § 613a BGB hinausgehen. Im Informationsschreiben darf der Erwerber nicht auf die Möglichkeit künftiger Änderungen der betrieblichen Altersversorgung verzichten. Im Rahmen der Information nach § 613a Abs. 5 BGB dürfen folglich weder ausdrückliche noch konkludente, also durch Auslegung zu ermittelnde Hinweise auf eine Einschränkung der Befugnisse, die im Zusammenhang mit einer erteilten Betriebsrentenzusage stehen, enthalten sein. Auch fehlerhafte Informationen gilt es zu vermeiden, da nur so spätere Ansprüche auf Schadensersatz auszuschließen sind. ee) Betriebsverfassungsrechtliche Folgen des Betriebsüberganges Unter soziale Folgen des Übergangs gem. § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB fallen auch die Konsequenzen, die sich aus der Anwendung des Betriebsverfassungsrechts ergeben können. (1) Folgen für das Betriebsratsamt Das Informationsschreiben sollte Hinweise darüber enthalten, ob der Betriebsrat unverändert fortbesteht, der Betriebsrat des Erwerberbetriebs vom Zeitpunkt des Übergangs an zuständig ist oder der bisherige Betriebsrat mittels Übergangs- oder Restmandat vorerst zuständig bleibt. Formulierungsvorschlag: „Der bisherige Betriebsrat bleibt weiterhin für Sie zuständig.“ alternativ: „Durch Übertragung des Betriebsteils und Integration in das Unternehmen des Erwerbers wird für Sie der Betriebsrat des Erwerberbetriebes zuständig.“ Ist der vom Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer selbst Betriebsratsmitglied, ist ihm mitzuteilen, dass bei Übergang des Betriebes eine Neuwahl durchgeführt wird und er eventuell sein Amt verliert. (2) Betriebsübergang versus Betriebsänderung Betriebsübergang nach § 613a BGB und die Betriebsänderung nach § 111 BetrVG müssen voneinander getrennt betrachtet werden. Grundsätzlich stellt ein Betriebsübergang als solcher keine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG dar.311 So erfüllt z. B. die bloße Trennung des Betriebs in Grundstücks- und Anlagevermögen und Veräußerung des Betriebes zwar einen Betriebsübergang nach § 613a BGB dar, nach Ansicht der Rechtsprechung aber keine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG.312 Der Betriebsübergang kann aber auch mit einer Betriebsänderung verbunden sein. Soweit letztere dann auch vorliegt, bestehen Informationspflichten gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern aus § 613a Abs. 5 BGB und dem Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bzw. nach § 111 BetrVG. Ein bestehender Wirtschaftsausschuss ist nach § 106 BetrVG zu informieren. 311 312 vgl. Kapitel I „Betriebsverfassungsrecht“. BAG v. 31.01.2008 – 8 AZR 1116/06, NZA 2008, 1354. 97 ff) Folgen für die Altersteilzeit Soweit Arbeitnehmer in Altersteilzeit im Betrieb beschäftigt sind, sollte in das Informationsschreiben aufgenommen werden, dass deren Altersteilzeitverhältnisse auf den Erwerber übergehen und daher im Wesentlichen keine Besonderheiten bestehen. So hat der Erwerber alle finanziellen Ansprüche der Arbeitnehmer in Altersteilzeit oder in der Freistellungsphase zu erfüllen.313 Praxishinweis: Auch wenn die rechtliche Beurteilung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen in Bezug auf die Auswirkungen eines Betriebsübergangs im Wesentlichen mit der Beurteilung anderer Arbeitsverhältnisse identisch ist, ist es sinnvoll, die Mitarbeiter in Altersteilzeit gesondert zu informieren. Da nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB die Pflicht besteht, die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer über die "Folgen des Übergangs" zu informieren, sollten folgende Punkte den Inhalt des Informationsschreibens bilden: Das Altersteilzeitverhältnis geht sowohl in der Arbeits- als auch in der Freistellungsphase über. Der Erwerber tritt in vollem Umfang in die Rechte und Pflichten ein. Beinhaltet der Altersteilzeitvertrag eine dynamische Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag, nimmt das Entgelt an der Entwicklung der tariflichen Vergütung teil. Beinhaltet der Altersteilzeitvertrag eine statische Bezugnahmeklausel und ist weder Arbeitnehmer noch der Erwerber entsprechend tarifgebunden, bemisst sich das Entgelt nicht nach zukünftigen Tariflohnerhöhungen. Für den Fall, dass beim Veräußerer die Altersteilzeit tariflich geregelt ist und beim Erwerber keine entsprechenden Tarifverträge gelten, sollte dies ebenfalls dem Arbeitnehmer mitgeteilt werden. Gleiches gilt für weitere Änderungen. Dies bedeutet, sowohl Vergünstigungen als auch Verschlechterungen des Status Quo sollten dem Arbeitnehmer mitgeteilt werden. Die Möglichkeit der betriebsbedingten Kündigung ist nach Widerspruch gegen den Betriebsübergang im Informationsschreiben nur bei Arbeitnehmern in der Arbeitsphase zu erwähnen. Arbeitnehmer in der Freistellungsphase können trotz Widerspruch nicht mehr betriebsbedingt gekündigt werden. Formulierungsvorschlag: „Da zwischen Ihnen und unserem Unternehmen ein Altersteilzeitverhältnis besteht, welches sich in der Arbeitsphase befindet, teilen wir Ihnen mit, dass der Vertrag unverändert beim Erwerber fortgeführt wird.“ alternativ: „Da zwischen Ihnen und unserem Unternehmen ein Altersteilzeitverhältnis besteht, welches sich in der Freistellungsphase befindet, teilen wir Ihnen mit, dass der Vertrag vom Erwerber fortgeführt wird, insbesondere dieser die für Sie einbehaltene Vergütung ab dem Zeitpunkt des Betriebsüberganges zahlt. Da Sie sich in der Freistellungsphase befinden, kann Ihnen gegenüber auch bei eingelegtem Widerspruch gegen den Betriebsübergang keine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden.“ 313 Siehe unten: Kapitel G. 98 4. In Aussicht genommene Maßnahmen (Ziff. 4) Gem. § 613a Abs. 5 Nr. 4 BGB erstreckt sich die Unterrichtung auch auf die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen. a) Arbeitnehmerbezogenheit der Maßnahmen Unter „Maßnahmen“ im Sinne des § 613a Abs. 5 Nr. 4 sind z. B. Weiterbildungsmaßnahmen314 oder der Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan einschließlich der Durchführung der dort geregelten Maßnahmen315 (z. B. Kündigung, Betriebsverlegung) zu verstehen. Erforderlich ist ein Zusammenhang zwischen den Maßnahmen und dem Betriebsübergang. b) Konkrete betriebliche Vorhaben Ausgelöst wird eine Unterrichtungspflicht nur dann, wenn Maßnahmen bereits „in Aussicht genommen“ sind. Maßnahmen sind dann in Aussicht genommen, wenn ein Stadium konkreter Planung erreicht ist316 bzw. der betreffende Arbeitgeber nach Abschluss der Vorüberlegungen im Prinzip zur Durchführung einer konkreten Maßnahme entschlossen ist.317 Erst dann ist eine Unterrichtung über die mit dem Betriebsübergang spezifischen Folgen erforderlich. Praxishinweis: Bei Maßnahmen aus einem zwischen Veräußerer/Erwerber und Betriebsrat abgeschlossenen Interessenausgleich bzw. Sozialplan ist ein Verweis auf den Text der Vereinbarung unter Beifügung der entsprechenden Texte als ausreichend anzusehen.318 VI. Rechtsfolgen einer fehlenden oder fehlerhaften Unterrichtung Für die Erfüllung der Unterrichtung trifft die Unterrichtungsverpflichteten (Veräußerer und Erwerber) die Darlegungs- und Beweispflicht. Die Information muss dem Arbeitnehmer zugehen. Sie ist erst mit dem Zugang bewirkt. 1. Beginn der Widerspruchsfrist Nur eine ordnungsgemäße Unterrichtung setzt die Widerspruchsfrist in Gang.319 Unterbleibt die Unterrichtung oder ist sie nicht ordnungsgemäß, läuft die Widerspruchsfrist nicht.320 Eine fehlende oder fehlerhafte oder widersprüchliche Unterrichtung hat zur Folge, dass die Frist für die Ausübung des Widerspruchsrechts nicht zu laufen beginnt.321 Eine fehlerhafte Unterrichtung über Rechtsfragen kann dennoch für den zur Information Verpflichteten folgenlos bleiben, wenn der Unterrichtspflichtige die Rechtslage gewissenhaft geprüft und einen vertretbaren Rechtsstandpunkt angenommen hat.322 314 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 09.01.2013 – 2 Sa 94/12. BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 303/05, NZA 2006, 1273. 316 BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 303/05, NZA 2006, 1273. 317 Schnitker/Grau, BB 2005, 2238. 318 Willemsen/Lembke, NJW 2002, 1159. 319 BAG v. 20.05.2010 – 8 AZR 739/08; v. 02.04.2009 – 8 AZR 262/07, NZA 2009, 1149. 320 BAG v. 14.12.2006 – 8 AZR 763/05, BB 2007, 1340. 321 Rupp, NZA 2007, 301. 322 BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 303/05, NZA 2006, 1273; LAG Hamm v. 08.10.2013 – 7 Sa 888/13. 315 99 2. Schadensersatzansprüche Genügt die Information des Veräußerers/Erwerbers nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB, dann hat er seine Informationspflicht verletzt. Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei der Unterrichtungspflicht des § 613a Abs. 5 BGB um eine Rechtspflicht, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB auslösen kann.323 Der Arbeitgeber ist dem Arbeitnehmer gegenüber unter dem Gesichtspunkt einer schuldhaften (Arbeits-)Vertragsverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den dieser durch die fehlerhafte Unterrichtung über den Betriebsübergang erlitten hat. Das Verschulden des Arbeitgebers wird gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Der Arbeitnehmer kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er gestanden hätte, wenn er richtig und vollständig informiert worden wäre. Beispiel: Im Rahmen eines Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB wird nicht erwähnt, dass allen Arbeitnehmern, die beim Veräußerer ausscheiden und nicht zum Erwerber wechseln, ein Sozialplananspruch zusteht. Ein Arbeitnehmer, der ein rentennahes Lebensalter hat, wechselt zum Erwerber ohne Widerspruch. Dem Arbeitnehmer obliegt allerdings der Beweis, dass ihm der geltend gemachte Schaden aufgrund der unterbliebenen Unterrichtung entstanden ist. Hierzu gehört die Darlegung, dass er bei ordnungsgemäßer Belehrung fristgerecht widersprochen hätte und der eingetretene Schaden hierdurch nicht entstanden wäre. Es kann zwar vermutet werden, dass der Arbeitnehmer sich entsprechend der Aufklärung verhalten hätte, dies sei aber nur dann anzunehmen, wenn es nur eine Entscheidungsalternative gibt.324 Seine Entscheidung hat der Arbeitnehmer für diesen Fall glaubhaft zu machen. VII. Reaktionspflicht des Arbeitnehmers Grundsätzlich braucht der Arbeitnehmer auf eine Information über den Betriebsübergang nicht zur reagieren. Anders verhält es sich, wenn er dem Betriebsübergang widersprechen will oder ihm gegenüber eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen wurde und ihm durch den Betriebsübergang ein Wiedereinstellungsanspruch zusteht. Ein Wiedereinstellungsanspruch kommt in Betracht, wenn sich die der betriebsbedingten Kündigung zugrunde liegende Vorstellung des Arbeitgebers über Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung nachträglich als unzutreffend herausstellt.325 Soweit dem Arbeitnehmer Umstände mitgeteilt werden, die den Betriebsübergang tatsächlich ausmachen, hat er nach Kenntniserlangung unverzüglich sein Fortsetzungsverlangen gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen.326 Entsprechend der Frist zur Ausübung des Widerspruchsrechts hat auch das Fortsetzungsverlangen binnen einer Frist von einem Monat zu erfolgen. 323 BAG v. 20.03.2008 – 8 AZR 1022/06, NZA 2008, 1297; LAG Hamm v. 01.03.2013 – 10 Sa 1175/12. 324 BAG v. 20.03.2008 – 8 AZR 1022/06, NZA 2008, 1297. 325 LAG Sachsen-Anhalt v. 28.04.2009 – 6 Sa 429/08. 326 BAG v. 15.10.2013 – 9 AZR 2/13; BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06; NZA 2008, 357. 100 VIII. Checkliste für Informationsschreiben Vorab: Der zur Information Verpflichtete kann Beschäftigtengruppen bilden, die dann mit mehr oder weniger identischen Schreiben informiert werden können.327 1. Name, Rechtsform und Anschrift des Veräußerers und des Erwerbers 2. Mitteilung über (Teil-)Betriebsübergang a. Zeitpunkt des Betriebsübergangs b. Gründe des Betriebsübergangs c. Art der Fortführung (z. B. Eingliederung, selbstständige Fortführung) 3. bisherige und künftige Aktivitäten bzw. Bonität des Erwerbers 4. Hinweis auf Übergang des Arbeitsverhältnisses und Eintritt des Erwerbers in Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis 5. Auswirkungen auf Beschäftigungsverhältnis, z. B. a. unveränderter Aufgabenbereich b. Höhe des Einkommens c. Altersversorgung 6. Hinweis auf Schicksal der kollektiven Regelungen a. Tarifvertragliche Regelungen (ggf. auch kraft Bezugnahmeklausel) und b. Betriebsvereinbarungen 7. Hinweis auf Folgen für die betriebsverfassungsrechtliche Vertretung (Betriebsrat im Veräußererbetrieb, Betriebsrat im Erwerberbetrieb, Übergangsmandat) 8. soweit vorhanden: Hinweis auf Betriebsvereinbarung zum Betriebsübergang 9. soweit geplant: Hinweis auf in Aussicht genommene Maßnahmen 10. Haftungsfragen – insbesondere auch Haftung des Veräußerers 11. Hinweis auf beschränktes Kündigungsverbot 12. Hinweis auf Widerspruchsrecht, die Adressaten des Widerspruchs und die Folgen (Verbleib beim Veräußerer und Gefahr einer betriebsbedingten Kündigung) 13. Hinweis auf Ansprechpartner für Rückfragen (möglichst Person mit Personalkompetenz) 14. Dank für bisherige Zusammenarbeit 15. Empfangsbestätigung 327 Siehe oben Kapitel B, II., 2. 101 Kapitel C: Widerspruchsrecht 105 I. Kodifizierung des Widerspruchs 105 1. Normative Begründung 105 2. Rechtscharakter des Widerspruchs 106 3. Beteiligung des Betriebsrats 106 II. Voraussetzungen eines wirksamen Widerspruchs 107 1. Form und Inhalt des Widerspruchs 108 a) Formvoraussetzungen 108 b) Notwendiger Erklärungsinhalt 109 c) Widerspruch als „kollektive Kampfmaßnahme“ 109 2. Adressat des Widerspruchs 110 3. Widerspruchsfrist 110 a) Rechtscharakter der Frist 111 b) Berechnung der Frist 111 c) Verkürzung der Frist 112 d) Verlängerung der Frist 112 4. Bindung an die Erklärung 112 a) Widerruf der Erklärung 112 b) Anfechtung der Erklärung 113 III. Verzicht auf das Widerspruchsrecht 114 IV. Untergang des Widerspruchsrechts 115 1. Verwirkung des Widerspruchsrechts 116 2. Rechtsmissbräuchliche Ausübung 117 3. Sogenannte „Ketten-Widersprüche“ 118 V. Beweisprobleme 118 VI. Rechtsfolgen des Widerspruchs 119 1. Fortbestand des alten Vertrages 119 2. Arbeitsverpflichtung nach Widerspruch 119 3. Kündigungsmöglichkeit für den Veräußerer 120 103 Kapitel C: Widerspruchsrecht Ein Arbeitnehmer muss sich nicht wie ein Betrieb oder Betriebsteil veräußern lassen. Daher war seit Langem in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang widersprechen kann.328 Allerdings bestand lange Zeit keine gesetzliche Verankerung dieses Rechts, das nicht nur bei einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang, sondern auch bei einem gesellschaftsrechtlich veranlassten Umwandlungsvorgang besteht. I. Kodifizierung des Widerspruchs Zum 01.04.2002 wurde das Widerspruchsrecht in § 613a Abs. 6 BGB kodifiziert. Der Gesetzgeber geht dabei davon aus, dass es mit der Würde des Menschen, dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und dem Recht auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 1, 2, 12 GG) nicht vereinbar ist, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den sich der Arbeitnehmer nicht freiwillig ausgesucht hat. 1. Normative Begründung Zur Begründung des vom BAG seit Langem anerkannten Widerspruchsrechts des vom Übergang betroffenen Arbeitnehmers wird ausgeführt, dass es aufgrund des Betriebsübergangs zu keinem aufgezwungenen Schuldnerwechsel zu Lasten des Arbeitnehmers kommen darf. Der Arbeitnehmer soll sich nicht gegen seinen Willen „verkaufen“ lassen müssen. Außerdem steht ihm nach Art. 12 GG das Recht zur freien Berufswahl und zur freien Berufsausübung zu. Dieses Wahlrecht kann nach der Auffassung des BAG nicht durch den Betriebsübergang insoweit eingeschränkt werden, als der Arbeitnehmer im Zwangswege einen neuen Vertragspartner akzeptieren muss. Ergänzend wird auf die Höchstpersönlichkeit der Arbeitsleistung hingewiesen. Gegen den „Zwangsübergang“ spricht auch die Tatsache, dass der Arbeitnehmer sich vertraglich nur einem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Eine weiter gehende vertragliche Absprache, bei Veräußerung des Betriebs oder eines Betriebsteils mit auf den Erwerber überzugehen, ist kein rechtlich zulässiger Bestandteil des Arbeitsvertrages. Auch der EuGH hat die Möglichkeit des Arbeitnehmers, einem Betriebsübergang zu widersprechen, stets anerkannt.329 Zur Begründung führt der EuGH aus, dass in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG (der Betriebsübergangsrichtlinie) dem Arbeitnehmer das Recht zukommt, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber – auch ohne Begründung – zu widersprechen. Nach Auffassung des EuGH verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedsstaaten nicht, die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erwerber für den Fall vorzusehen, dass ein Arbeitnehmer sich frei dafür entscheidet, das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Erwerber fortzusetzen. Daher überlässt er die inhaltliche Ausgestaltung der Regelung den Mitgliedsstaaten330, einer Befugnis von der der Bundesgesetzgeber in § 613a Abs. 6 BGB Gebrauch gemacht hat. 328 BAG v. 22.04.1993 – 2 AZR 313/92, NZA 1994, 357. EuGH v. 16.12.1992 – C-132/91, NZA 1993, 169. 330 EuGH v. 16.12.1992 – C-132/91, NZA 1993, 169. 329 105 2. Rechtscharakter des Widerspruchs Der Widerspruch des Arbeitnehmers, einem Übergang des Betriebes oder Betriebsteils, dem er angehört, auf den Erwerber nicht folgen zu wollen, ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Diese kann gegenüber dem Veräußerer oder dem Erwerber erklärt werden. Das Widerspruchsrecht gilt nicht nur bei dem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang nach § 613a BGB, sondern auch bei der gesellschaftlichen Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz. Ist der alte Arbeitgeber aufgrund des Umwandlungsvorgangs als Rechtsperson erloschen, geht allerdings das Arbeitsverhältnis mit Widerspruch unter. Der Widerspruch wird in diesen Fällen als fristlose Kündigung umgedeutet. 331 Das BAG sieht den Widerspruch nach § 613a Abs. 6 BGB als Rechtsfolgenverweigerung an.332 Die Erklärung des Widerspruchs selbst ist befristungs- und bedingungsfeindlich. Wird z. B. der Widerspruch mit einer unzulässigen Bedingung verbunden, ist er unbeachtlich und das Arbeitsverhältnis geht auf den Erwerber über. Der Arbeitnehmer kann allerdings innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist aus § 613a Abs. 6 BGB erneut und dann ohne Nennung einer Bedingung widersprechen, wenn er auf seinen Fehler aufmerksam gemacht wird oder ihn selbst erkennt. Beispiel: Der Arbeitnehmer erklärt die Geltung des Widerspruchs nur für den Fall, dass der Veräußerer 333 das mit ihm dann weiter bestehende Rechtsverhältnis nicht betriebsbedingt kündigt. Er stellt seinen Widerspruch unter eine unzulässige Bedingung. Das Rechtsverhältnis geht auf den Erwerber über. Die Erklärung muss klar formuliert und inhaltlich verständlich sein, sodass sie vom Adressaten nur noch entgegengenommen zu werden braucht. Es bietet sich aus Gründen der Beweisbarkeit für den Arbeitnehmer, der dem Betriebsübergang widersprechen will, an, sie räumlich getrennt auf einem gesonderten Schriftstück zu verfassen. Der Widerspruch gegen den Übergang des Betriebes, über den nach § 613a Abs. 5 BGB informiert wurde, ist dann unbeachtlich, wenn die Maßnahme nicht durchgeführt wurde.334 Wird eine ganz andere betriebliche Maßnahme durchgeführt, ist erneut zu prüfen, ob diese den Tatbestand des Betriebsübergangs erfüllt. Praxishinweis: Ändert sich im zeitlichen Ablauf der Unterrichtung der betroffenen Arbeitnehmer der mit dem Betriebsübergang in Verbindung stehende Sachverhalt, ist weiter zu prüfen, ob der vorhandene Widerspruch auf den neuen Sachverhalt passt. 3. Beteiligung des Betriebsrats Ob der vom Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer die Widerspruchserklärung überhaupt abgeben will, gegenüber wem und mit welchem Inhalt, bestimmt er allein. Bzgl. des Inhalts, des oder der Adressaten, bei der Abfassung und vor allem bei der Frage der Zulässigkeit des Widerspruchs an sich bestehen keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. 331 BAG v. 21.02.2008 – 8 AZR 157/07, NZA 2008, 815; LAG Köln v. 26.09.2014 – 4 Sa 986/13. BAG v. 27.04.1995 – 8 AZR 197/94, NZA 1995, 1155. 333 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 92. 334 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 357. 332 106 Selbstverständlich kann der Arbeitnehmer den Betriebsrat vor der Erklärung aufsuchen und sich mit ihm beraten. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer weiteres Hintergrundwissen zum beabsichtigten Betriebsübergang erstrebt oder ergänzende Informationen über den Erwerber haben möchte. Gerade letztere liegen dem Betriebsrat durch Interessenausgleich- und Sozialplanverhandlungen regelmäßig vor. Der Arbeitnehmer kann den Betriebsrat ferner als Erklärungsboten einschalten, wenn er nicht selbst die Erklärung gegenüber dem Veräußerer oder dem Erwerber abgeben will. Eine Vertretung des Arbeitnehmers durch den Betriebsrat scheidet regelmäßig aus, denn der Betriebsrat ist nicht geschäftsfähig und kann kein Stellvertreter im Sinne der § 164 ff. BGB sein.335 Weder der Betriebsrat des Veräußererbetriebes noch der des Erwerberbetriebes können Empfänger einer Widerspruchserklärung nach § 613a Abs. 6 BGB sein. Werden ihnen gegenüber Erklärungen abgegeben, können die Mitglieder des Betriebsrats jeweils nur Erklärungs- bzw. Empfangsboten sein, mit der Folge, dass das Übermittlungsrisiko den Arbeitnehmer trifft. Eine Ausnahme wird man nur dann zulassen müssen, wenn entweder der Veräußerer und/oder der Erwerber z. B. im Rahmen der Information nach § 613a Abs. 5 BGB mitgeteilt haben, dass eventuelle Widersprüche bei dem Betriebsrat gesammelt werden sollen. Zusammenfassender Überblick Rechtscharakter des Widerspruchs Verweigerung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses Erklärung ist bedingungsfeindlich befristungsfeindlich mitbestimmungsfrei II. Voraussetzungen eines wirksamen Widerspruchs Der Arbeitnehmer kann mittels eines einseitigen Widerspruchs den Übergang seines Rechtsverhältnisses auf den Betrieb des Erwerbers aber nur dann verhindern, wenn eine inhaltlich vollständige und vor allem fristgemäße Erklärung abgegeben wurde. Ferner ist es erforderlich, den Empfang beim richtigen Adressaten sicherzustellen. Übermittlungsfehler muss sich der Arbeitnehmer zurechnen lassen. 335 Rieble, NZA 2005, 1. 107 1. Form und Inhalt des Widerspruchs Die Form des Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB ist durch den Gesetzestext vorgegeben. Für den Inhalt der Erklärung gibt das Gesetz keine klaren Vorgaben. a) Formvoraussetzungen Das Gesetz schreibt in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB vor, dass der Widerspruch „schriftlich“ zu erfolgen hat. Als Maßstab ist § 126 Abs. 1 BGB heranzuziehen. Voraussetzung ist folglich, dass das Schriftstück, welches den Widerspruch enthält, vom widersprechenden Arbeitnehmer eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet ist. Das Schriftformerfordernis ist aus zwei Gründen aufgenommen worden: Zum einen soll die Schriftform als Beweiserleichterung dienen, indem der Arbeitnehmer und/oder der Arbeitgeber mittels Urkunde belegen können, dass ein Widerspruch gegen den Betriebsübergang vorliegt. Darüber hinaus soll das Schriftformerfordernis den Arbeitnehmer vor Übereilung schützen. Er soll sich reiflich überlegen, ob er aufgrund der Informationen nach § 613a Abs. 5 BGB dem Betriebsübergang widerspricht oder nicht. § 126 BGB verweist bezüglich des Schriftformerfordernisses auf § 126a BGB. Die Schriftform kann folglich durch die elektronische Unterschriftsleistung gewahrt werden. Um eine rechtswirksame elektronische Unterschrift nach § 126a BGB zu leisten, muss der widersprechende Arbeitnehmer der Widerspruchserklärung seinen Namen hinzufügen und das zu erstellende elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. Aufgrund der hohen technischen Anforderungen an eine elektronische Unterschrift wird dies in der Praxis kaum von Relevanz sein.336 Berücksichtigt der vom Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform des Widerspruches nicht, führt dies zur Unwirksamkeit des Widerspruchs. Dies hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis gemäß § 613a Abs. 1 BGB auf den Erwerber übergeht. Richtigerweise kann jedoch der Arbeitnehmer erneut bis zu der in § 613a Abs. 5 BGB vorgesehenen Monatsfrist widersprechen. Ist diese Frist verstrichen, kann der Arbeitnehmer sich nur noch auf die fehlerhafte oder unvollständige Information nach § 613a Abs. 5 BGB berufen, da allein diese in der Lage ist, die Monatsfrist des § 613a Abs. 6 BGB nicht in Kraft zu setzen. Im Ergebnis ist es Sache des Arbeitnehmers, den Zugang der rechtswirksamen Erklärung sicherzustellen. Beispiel: Mehrere Arbeitnehmer beauftragen den Betriebsrat mit der Übergabe der Widerspruchserklärung. Ein Blatt mit der Widerspruchserklärung eines Arbeitnehmers geht dem Betriebsrat in dessen Büro verloren und wird daher nicht der Geschäftsleitung übergeben. Ein wirksamer Widerspruch liegt nicht vor, das Arbeitsverhältnis geht unter Berücksichtigung des § 613a Abs. 5 BGB auf den Erwerber über. Ein neuer Widerspruch ist nur innerhalb der Monatsfrist nach § 613a Abs. 6 BGB möglich. Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer auf seinen Fehler aufmerksam gemacht wird oder ihn selbst erkennt. 336 Schiefer, Rn. 432. 108 b) Notwendiger Erklärungsinhalt Das Gesetz normiert in § 613a Abs. 6 BGB lediglich das Schriftformerfordernis. Ob und inwieweit der Widerspruch begründet werden muss, sagt das Gesetz nicht. Nach der Rechtsprechung wird deshalb die Angabe eines Widerspruchsgrundes seitens des Arbeitnehmers für nicht erforderlich gehalten.337 Selbst das Bestehen eines Widerspruchsgrundes an sich ist nicht notwendig,338 denn es ist unerheblich, aus welchen Gründen der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber nicht fortsetzen will.339 Wichtig ist, dass der Wille des Arbeitnehmers, an dem Betriebsübergang nicht teilnehmen zu wollen, deutlich wird. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass die Worte „Widerspruch“ oder „widersprechen“ in dem Schreiben vorkommen. Ergibt sich aus dem Kontext der Willenserklärung ausreichend deutlich, dass der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang widersprechen will, liegt bei eingehaltener Schriftform ein rechtswirksamer Rechtsfolgenausschluss im Sinne des § 613a Abs. 6 BGB vor. Die Widerspruchserklärung ist gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen.340 Bei der Ermittlung des Erklärungsinhalts finden die Grundsätze zur Auslegung von Willenserklärungen Anwendung. Danach muss der rechtsgeschäftliche Wille in der Erklärung andeutungsweise seinen Ausdruck gefunden haben. Auch der Antrag beim Arbeitsgericht auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer fortbesteht, ist nicht als Widerspruch im Sinne des § 613a Abs. 6 BGB zu bewerten.341 Insoweit ermangelt es einer wirksamen einseitigen Willenserklärung, die als Widerspruch gegenüber dem Veräußerer oder dem Erwerber des Betriebes oder Betriebsteils abgegeben wird. c) Widerspruch als „kollektive Kampfmaßnahme“ Der Widerspruch soll den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber verhindern und nicht die arbeitgeberseitige Maßnahme als solche. Bei dem Widerspruch einer Vielzahl betroffener Arbeitnehmer stellt sich daher die Frage, ob die kollektive Erklärung dem Ziel dient, einen unzulässigen Druck auf den Arbeitgeber auszuüben. Letzteres ist als rechtsmissbräuchliches Verhalten der Arbeitnehmer unzulässig, was aber in der Praxis nur in Ausnahmefällen vorkommen wird. Die Abgabe einer Vielzahl von Widerspruchserklärungen von einer Reihe betroffener Arbeitnehmer kann lediglich ein zufälliges Ereignis darstellen. Erreicht nur eine Bündelung von Einzelerklärungen den Veräußerer oder den Erwerber, liegt ein von § 613a BGB gedecktes Verhalten vor und das kann in keiner Weise als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Arbeitnehmer unter Koordinierung durch den Betriebsrat oder die zuständige Gewerkschaft kollektiv handeln, um den Arbeitgeber zu einem gewissen Verhalten zu zwingen. Die Frage ist, wann der kollektive Widerspruch als instrumentalisiert anzusehen ist, um sachwidrige Ziele zu verfolgen. 337 BAG v. 19.03.1998 – 8 AZR 139/97, NZA 1998, 750. BAG v. 19.02.2009 – 8 AZR 176/08, NZA 2009, 3386. 339 BAG v. 15.02.2007 – 8 AZR 310/06, DB 2007, 1759. 340 BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 382/05, NZA 2006, 1406. 341 BAG v. 27.04.1995 – 8 AZR 197/94, NZA 1995, 1155. 338 109 Die Rechtsprechung hat anerkannt, dass bei einer „Gruppenerklärung“ ein solches unzulässiges Ziel immer dann verfolgt wird342, wenn mit dem Widerspruch nicht der Übergang des eigenen Rechtsverhältnisses, sondern die betriebliche Maßnahme in Gänze verhindert werden soll. In diesem Fall würde in unzulässiger Weise Druck auf das Unternehmen ausgeübt, um eine grundsätzlich autonome Unternehmerentscheidung zu verhindern. mittels des kollektiven Widerspruchs versucht werden soll, eine Vergünstigung zu erreichen, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Grundsätzlich haben entweder Erwerber oder Veräußerer die Beweislast bezüglich des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der kollektiv widersprechenden Arbeitnehmer. Dies wird im Einzelfall schwierig sein, da von den betroffenen Arbeitnehmern „nach außen“ als Motivation des Handelns allein der Bestand des eigenen Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden dürfte. Auch aus der Tatsache, dass standardisierte Widerspruchsschreiben Verwendung finden, lässt sich nicht zwingend auf einen Rechtsmissbrauch schließen. 343 2. Adressat des Widerspruchs § 613a Abs. 6 BGB normiert als Empfänger des Widerspruchs sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Inhaber. Bisheriger Arbeitgeber ist nur der Veräußerer des Betriebes oder Betriebsteils. Ein noch weiter zurückliegender ehemaliger Arbeitgeber ist hingegen kein „bisheriger“ Arbeitgeber im Sinne des Wortlauts des § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB.344 Ein zwingender Adressat wird vom Gesetz daher nicht vorgegeben. Auch nach der bisherigen Rechtsprechung war der Widerspruch nur gegenüber diesen beiden möglich345, weder der Betriebsrat des Veräußerers noch der des Erwerbers war als zulässiger Adressat der Widerspruchserklärung anerkannt. Da der vom Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer nach dem Gesetzeswortlaut somit sowohl gegenüber dem Veräußerer als auch gegenüber dem Erwerber widersprechen kann, sieht die Gesetzesbegründung vor, dass sich die Beteiligten des Betriebsübergangs untereinander über den Zugang eines Widerspruchs zu informieren haben.346 Die Wirksamkeit des Widerspruchs berührt diese Informationspflicht von Veräußerer und Erwerber jedoch nicht. Die Stellung als Adressat des Widerspruchs ist unabhängig von der Informationspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB. So ist es möglich, dass der Veräußerer des Betriebs oder Betriebsteils den Arbeitnehmer informiert hat, der Widerspruch jedoch gegenüber dem Erwerber erfolgt oder umgekehrt. 3. Widerspruchsfrist § 613a Abs. 6 BGB verpflichtet den widersprechenden Arbeitnehmer, den Widerspruch entweder beim Veräußerer oder beim Erwerber „innerhalb eines Monats“ nach dem Zugang der ordnungsgemäßen, das heißt vollständigen und inhaltlich zutreffenden Unterrichtung nach Abs. 5 zu erheben. 342 BAG v. 30.09.2004 – 8 AZR 462/03, NZA 2005, 44. BAG v. 30.09.2004 – 8 AZR 462/03, NZA 2005, 44. 344 BAG v. 11.12.2014 – 8 AZR 943/13. 345 BAG v. 11.12.2014 – 8 AZR 943/13; v. 22.04.1993 – 2 AZR 50/92, NZA 1994, 360. 346 BT-Drucksache 14/7066, S. 20. 343 110 Praxishinweis: Wichtig ist, nur eine rechtswirksame Unterrichtung des Arbeitnehmers nach § 613a Abs. 5 BGB setzt den Fristablauf in Gang.347 a) Rechtscharakter der Frist Die Ein-Monatsfrist ist eine Ausschlussfrist.348 Verstreicht sie ungenutzt, so ist der Betriebsübergang im Sinne des § 613a Abs. 1 BGB vollzogen. Das Rechtsverhältnis geht automatisch auf den Erwerber über, ohne dass der Arbeitnehmer noch eine Möglichkeit hätte, dem Übergang seines Rechtsverhältnisses zu widersprechen. b) Berechnung der Frist Die Frist wird durch die in Textform gefasste Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB ausgelöst. Die Frist beginnt folglich erst mit der korrekten Information zu laufen.349 Daher beginnt die Frist nicht zu laufen, wenn der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer überhaupt nicht informiert worden ist. nur unvollständig oder nur zum Teil informiert worden ist. gänzlich unzutreffend informiert worden ist. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Betriebsübergang in der Zukunft stattfindet oder bereits in der Vergangenheit stattgefunden hat. Daher kann auch noch nach Vollzug des Betriebsübergangs wirksam die Frist ins Laufen gesetzt werden, wenn erst später die vollständige und inhaltlich korrekte Unterrichtung durchgeführt worden ist.350 Dabei ist zu berücksichtigen, es gibt keine verbindliche Zeitspanne ab dem Betriebsübergang, nach deren Ablauf der Arbeitnehmer nicht mehr widerrufen kann. Die Rechtsprechung setzt als Grenze allein auf das Rechtsinstitut der Verwirkung. Dieses besteht erstens aus dem Zeitmoment, das erfüllt ist, wenn der betroffene Arbeitnehmer in Kenntnis aller für den Betriebsübergang relevanten Umstände beim Betriebserwerber tatsächlich eine erhebliche Zeit weiterarbeitet und zweitens dem Umstandsmoment, das erfüllt ist, wenn der Arbeitnehmer dem Veräußerer oder dem Erwerber durch tatsächliches Verhalten zu verstehen gibt, dass er dem Betriebsübergang nicht widersprechen werde. Dass eine die Frist erweiternde Sichtweise vom Normtext nicht gedeckt ist, zeigt die Gesetzesentstehung. Der Gesetzgeber kannte die Diskussion um die Probleme, die sich aus einem zeitlich unbegrenzten Widerspruchsrecht bei fehlerhafter Information nach § 613a Abs. 5 BGB ergeben.351 Dennoch ist eine die Widerspruchsmöglichkeit einschränkende Regelung bei vollzogenem Betriebsübergang mit der Folge unterblieben, dass eine praktisch unbegrenzte Widerspruchsmöglichkeit für die betriebliche Praxis den problematischsten Teil des Betriebsübergangsrechts darstellt. 352 . Im Ergebnis kann daher das Widerspruchsrecht nur unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung untergehen.353 347 BAG v. 23.07.2009 – 8 AZR 541/08; Hess. LAG 01.01.2013 – 13 Sa 274/13. BAG v. 16.04.2013 – 9 AZR 731/11. 349 BAG v. 02.04.2009 – 8 AZR 262/7, NZA 2009, 1149. 350 BAG v. 24.04.1993 – 2 AZR 50/92, NZA 1994, 360. 351 BT-Drucksache 14/8128, S. 4. 352 Rieble, NZA 2009, 401. 353 Siehe unten Kapitel C, II. 3. und IV. 348 111 Wichtig ist, das Widerspruchsrecht kann auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer und dem Erwerber ausgeübt werden. Insoweit besteht die Gestaltungs- und Verfügungsbefugnis zur Ausübung des Widerspruchs nachträglich fort.354 Insoweit ist jedoch zu prüfen, ob nicht durch die Beendigung des Vertrages zum Erwerber der Arbeitnehmer eine Disposition getroffen hat, die das Recht, dem Betriebsübergang zu widersprechen, verwirken lassen kann.355 Praxishinweis: Um zumindest den Beginn der Frist genau bestimmen zu können, sollte der Zeitpunkt des Betriebsübergangs und der Zugang des Schreibens beim betroffenen Arbeitnehmer möglichst beweisbar gesichert werden. Dies z. B. durch die Verwendung einer Quittung oder eines Empfangsbekenntnisses. c) Verkürzung der Frist Eine einseitige Verkürzung der Monatsfrist, z. B. durch den Arbeitgeber in einem Widerspruchsformular, ist unwirksam.356 Der Arbeitnehmer selbst kann auch nicht auf die Monatsfrist rechtswirksam verzichten. Die Monatsfrist ist insoweit vom Gesetzgeber nicht als dispositives Recht ausgestaltet. Auch entsprechend abweichende Vertragsklauseln, die die Frist verkürzen, z. B. in einem Arbeitsvertrag, sind unwirksam. d) Verlängerung der Frist Stimmen folglich alle Beteiligten, also Veräußerer, Erwerber und betroffener Arbeitnehmer zu, ist eine Verlängerung rechtlich möglich.357 Praxishinweis: Die Verlängerung sollte in der Praxis aber unterbleiben, um nach Ablauf der Frist Rechtssicherheit zu haben. Veräußerer und Erwerber müssen Klarheit darüber haben, ob ein Arbeitnehmer mit dem veräußerten Betrieb oder Betriebsteil auf den Erwerber übergeht oder nicht. 4. Bindung an die Erklärung Nach Zugang beim Veräußerer oder Erwerber ist der Arbeitnehmer regelmäßig an seine Erklärung gebunden. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze des BGB über die Abgabe, den Inhalt und den Zugang von Willenserklärungen. a) Widerruf der Erklärung Der Arbeitnehmer kann seinen Widerspruch nicht einseitig wieder außer Kraft setzen. Weder kann er einen „Widerruf des Widerspruchs“ erklären358, noch reicht es aus, durch bloßes Anbieten der Arbeitsleistung gegenüber dem Erwerber zu signalisieren, der Arbeitnehmer wolle am Widerspruch nicht festhalten oder ihn gar rückgängig machen. Fraglich ist, ob ein Arbeitnehmer, der den Widerspruch gegenüber dem Erwerber erklärt hat, mit dem Veräußerer eine Vereinbarung dahin gehend treffen kann, dass der Widerspruch nicht mehr gelten soll. Ein entsprechendes rechtliches Handeln wird man im Ergebnis als unzulässig ansehen müssen. 354 BAG v. 20.03.2008 – 8 AZR 1016/06, NZA 2008, 1354. siehe unten: Kapitel C, IV. 356 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 103. 357 Gaul/Otto, DB 2002, 634. 358 BAG v. 30.10.2004 – 8 AZR 491/02, NZA 2004, 481. 355 112 Zwar sind die Rechtskreise des Erwerbers und die des Veräußerers im Rahmen des § 613a BGB eng miteinander verknüpft, dennoch bleiben sie, gemessen an den Rechtsfolgen, getrennt. Wenn der Erwerber vom Arbeitnehmer den Widerspruch des Übergangs erklärt bekommen hat, trifft er eigene Dispositionen. Diese bereits getroffenen Dispositionen darf der Arbeitnehmer weder einseitig noch durch Absprache mit dem Veräußerer in Abrede stellen und damit negieren. b) Anfechtung der Erklärung Möglich ist aber die Anfechtung der Erklärung nach §§ 119, 123 BGB.359 Notwendig ist dabei, dass aus der Erklärung deutlich zu erkennen ist, dass sich der Arbeitnehmer in seiner Erklärung nicht festhalten lassen will. Das Wort „Anfechtung“ muss dabei nicht benutzt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die inhaltlich entsprechende Erklärung abgegeben wird, dass ein gesetzlich vorgesehener Grund zur Anfechtung besteht, letztlich, dass die Frist zur Anfechtung gewahrt ist. Zu beachten ist jedoch, dass das Anfechtungsrecht an gesetzliche Fristen gebunden ist. Ist der Arbeitnehmer durch Täuschung oder Drohung zum Widerspruch veranlasst worden, gilt die Anfechtungsfrist nach § 124 BGB, folglich die Jahresfrist. Die Anfechtung wegen Irrtums hat dagegen nach § 121 BGB unverzüglich zu erfolgen, nachdem der Arbeitnehmer von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Jede Anfechtung des Arbeitnehmers, die die Widerspruchserklärung betrifft, ist auf ein unzulässiges „venire contra factum proprium“ zu überprüfen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Anfechtung lediglich der Erhöhung der Abfindung dienen soll. Beispiel 360 Als widersprüchliches Verhalten des Arbeitnehmers hat es das LAG Bremen angesehen, wenn ein Arbeitnehmer nach Widerspruch des Übergangs seines Rechtsverhältnisses auf den Erwerber mit dem Veräußerer über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Zahlung einer Abfindung erfolgreich verhandelt und anschließend gegenüber dem Erwerber noch Lohn für die Zeit der Kündigungsfrist unter Anfechtung der Widerspruchs verlangt. 359 360 BAG v. 15.02.2007 – 8 AZR 310/06, DB 2007, 1759. LAG Bremen v. 18.09.1987 – 4 Sa 640/86, DB 1988, 128. 113 Zusammenfassender Überblick Widerspruch Form & Inhalt Schriftform Erklärung Adressat Frist § 126 BGB eines Arbeitnehmers 1 Monat mehrerer Arbeitnehmer Erwerber Veräußerer Anfechtung der Erklärung möglich III. Verzicht auf das Widerspruchsrecht Der Verzicht auf das Widerspruchsrecht ist aufgrund des zwingenden Charakters von § 613a BGB nur eingeschränkt möglich: Er kann nicht bereits im Arbeitsvertrag (gleichsam als Vorratserklärung) erfolgen. Er kann nicht im Vorfeld des Betriebsüberganges erfolgen. Er kann nicht in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Tarifvertrag vorgegeben werden, da eine solche Regelung einen Vertrag zu Lasten der betroffenen Arbeitnehmer darstellen würde und somit unwirksam ist.361 Die Erklärung, auf den Widerspruch zu verzichten, wirkt in den genannten Fällen weder gegenüber dem Veräußerer des Betriebes oder des Betriebsteils noch gegenüber einem möglichen Erwerber. Erst dann, wenn der Betriebsübergang unmittelbar bevorsteht, kann ein Verzicht rechtswirksam erklärt werden.362 Die Tatsache, dass der Übergang bevorsteht, manifestiert sich in dem Informationsschreiben an die betroffenen Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 5 BGB. Der Verzicht kann nach Erhalt folglich wirksam erklärt werden, da sich aus dem Inhalt des Informationsschreibens Umfang, Auswirkungen und Zeitpunkt des beabsichtigten Betriebsübergangs ergeben. Aus Beweisgründen sollte eine entsprechende Verzichtserklärung des Arbeitnehmers stets protokolliert werden.363 Die Unterschrift sollte dabei nicht nur den Verzicht, sondern auch die vollständige Belehrung umfassen. 361 362 BAG v. 02.10.1974 – 5 AZR 504/73, DB 1975, 601. BAG v. 19.03.1998 – 8 AZR 139/87, NZA 1998, 750. 114 Formulierungsvorschlag: „Verzicht auf das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 5 BGB Ich (Name) bin im Rahmen einer Betriebsversammlung am (Datum) mündlich und durch Schreiben vom (Datum) über den Betriebsübergang zwischen dem Unternehmen (Veräußerer) und dem Unternehmen (Erwerber) vollständig unterrichtet worden. Weitere Fragen habe ich nicht. Mit dem Übergang meines Arbeitsvertrages auf das Unternehmen (Erwerber) bin ich einverstanden. Daher verzichte ich auf das mir zustehende Recht, dem Betriebsübergang widersprechen zu dürfen. Der Verzicht gilt sowohl gegenüber dem Unternehmen (Veräußerer) als auch gegenüber dem Unternehmen (Erwerber). Datum Unterschrift“ Notwendig ist es, dass der Arbeitgeber eine unterzeichnete Erklärung als Urkunde in Händen hält. Denn erklärt der Arbeitnehmer trotz des wirksamen Verzichts den Widerspruch, ist ein entsprechender Widerspruch ohne Verbindlichkeit.364 Das Rechtsverhältnis geht auf den Erwerber über. Praxishinweis: Die gesetzlich geforderten Informationen sollten auf einer Betriebsversammlung in zeitlicher Nähe zum eigentlichen Betriebsübergang mündlich gegeben werden. Zusätzlich sollte – möglichst am Ende der Veranstaltung – der Inhalt wie im Gesetz gefordert in Textform, also als Anschreiben, den betroffenen Arbeitnehmern übergeben werden. Den Erhalt sollten die Arbeitnehmer quittieren und möglichst zusätzlich – ohne Überrumpelung durch den Veräußerer/Erwerber – einen Verzicht auf den Widerruf erklären. Der Verzicht auf den Widerspruch innerhalb der Monatsfrist ist nicht nur unmittelbar nach der erhaltenen Information des § 613a Abs. 5 BGB möglich, auch zu einem späteren Zeitpunkt, folglich während des Laufs der Monatsfrist, kann der Arbeitnehmer auf das Widerspruchsrecht verzichten. Dazu muss er entweder dem Erwerber oder dem Veräußerer erklären, keinen Widerspruch einlegen zu wollen. IV. Untergang des Widerspruchsrechts Der Widerspruch soll im Ergebnis den Arbeitnehmer vor einem aufgedrängten, also ungewollten, Arbeitgeber schützen. In der Praxis kommt es demgegenüber aber nicht selten vor, dass der Arbeitnehmer zunächst zum Erwerberbetrieb wechselt und dort über einen langen Zeitraum ins Unternehmen integriert wird, bevor er die Widerspruchserklärung abgibt. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob nicht das Recht, dem Übergang widersprechen zu können, verwirkt ist (unter 1.). Praxishinweis: Das Recht des Widerspruchs ist aber nur an die Frist von einem Monat nach dem Betriebsübergang gebunden, wenn zuvor eine vollständige und zutreffende Unterrichtung erfolgt ist. Auch kommt es vor, dass Arbeitnehmer nach Aufnahme der Arbeit beim Betriebserwerber mit diesem einen Aufhebungsvertrag schließen und dann erst dem Übergang des Rechtsverhältnisses nach § 613a Abs. 6 BGB widersprechen. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob nicht ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Arbeitnehmers vorliegt (unter 2.). 363 364 Gaul/Otto DB 2002, 634. BAG v. 19.03.1998 – 8 AZR 139/97, NZA 1998, 750. 115 1. Verwirkung des Widerspruchsrechts Eine Verwirkung des Widerspruchsrechts ist immer dann anzunehmen, wenn sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment erfüllt sind. Das Zeitmoment ist erfüllt, wenn der betroffene Arbeitnehmer in Kenntnis aller für den Betriebsübergang relevanten Umstände beim Betriebserwerber tatsächlich eine erhebliche Zeit weiterarbeitet. Problematisch ist, dass es keine konkrete zeitliche Grenze gibt, sondern die konkreten Umstände des Einzelfalls alleine zählen. Eine Prüfung dieser Umstände ist angezeigt, wenn das Zeitmoment durch eine Tätigkeit des vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmers von fünf bis sechs Monaten beim Erwerber vorliegt.365 Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Arbeitnehmer dem Veräußerer oder dem Erwerber durch tatsächliches Verhalten zu verstehen gibt, dass er dem Betriebsübergang nicht widersprechen werde.366 Beispiel: Der Arbeitnehmer nimmt beim Betriebserwerber die Arbeit auf. Er äußert keinen Vorbehalt oder Ähnliches. Wird der Betriebsübergang als solcher angesprochen und äußert der Arbeitnehmer, sich beim Erwerber wohlzufühlen, spricht vieles dafür, das Umstandsmoment als erfüllt anzusehen. Wichtig ist, je gewichtiger das Umstandsmoment, also das durch den Arbeitnehmer oder die Umstände gesetzte Vertrauen, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner (den Veräußerer bzw. Erwerber) unzumutbar machen, desto schneller kann der Anspruch des Arbeitnehmers verwirken.367 Das Umstandsmoment knüpft daher regelmäßig an ein tatsächliches Verhalten des vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmers an. Das Umstandsmoment ist daher dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer selbst über den Bestand des Arbeitsverhältnisses disponiert hat. Möglich ist dies durch Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages mit dem Erwerber.368 Die Vereinbarung eines unbedingten Aufhebungsvertrages ist in diesen Fällen dafür notwendig. Beispiel Der Arbeitnehmer schließt einen Aufhebungsvertrag mit dem Erwerber und anschließend einen befristeten Vertrag mit einem Dritten. Erst 15 Monate nach Betriebsübergang widerspricht er dem Betriebsübergang wegen unstreitig fehlender Belehrung nach § 613a Abs. 5 BGB. Hier ist das Recht zum Widerspruch verwirkt, da der Arbeitnehmer eine bewusste Entscheidung zur Beendigung des übergegangenen und zum Neuabschluss eines anderen Vertrages getroffen 369 hat. Allein die bedingungslose Weiterarbeit beim Erwerber und die Entgegennahme der Entlohnung von diesem sind allerdings nicht geeignet, die Verwirkung zu begründen. Die Verwirkung setzt im Ergebnis daher voraus, dass Veräußerer und/oder Erwerber darauf vertrauen durften, dass der zum Widerspruch berechtigte Arbeitnehmer sein Recht nicht mehr ausüben würde. 365 BAG v. 17.10.2013 – 8 AZR 974/12; BAG v. 27.11.2008 – 8 AZR 225/07. BAG v. 24.02.2011 – 8 AZR 935/08. 367 BAG v. 24.02.2011 – 8 AZR 699/09; BAG v. 24.07.2008 – 8 AZR 205/07, NZA 2008, 1294; LAG Hamm v. 08.10.2013 – 7 Sa 888/13. 368 BAG v. 23.07.2009 – 8 AZR 541/08, NZA 2010, 393. 369 BAG v. 02.04.2009 – 8 AZR 473/07. 366 116 Die Rechtsprechung sieht dabei im Rahmen einer Interessenabwägung das Recht des betroffenen Arbeitnehmers zum Widerspruch als höher gegenüber dem Vertrauensschutz des Erklärungsempfängers an. Die Interessen von Veräußerer und/oder Erwerber müssen derart überwiegen, dass die Erfüllung des Anspruchs (die Rückkehr zum Veräußerer) nicht mehr zugemutet werden kann.370 Auch die Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage gegen eine vom Erwerber ausgesprochene Kündigung reicht für sich genommen nicht aus, um die Verwirkung anzunehmen.371 Hingegen führt die Vereinbarung zwischen Erwerber und betroffenem Arbeitnehmer darüber, dass zwischen ihnen nie ein Vertrag bestanden hat, dies verbunden mit der Zahlung einer Abfindung, regelmäßig zur Verwirkung des Widerspruchsrechts.372 Etwas anderes kann gelten, wenn der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt im Termin zur Verhandlung über die Kündigung erklärt, dem Betriebsübergang werde nicht widersprochen und dann eine Zeitspanne von bis zu einem Jahr bis zum tatsächlich erhobenen Widerspruch vergeht. In diesem Fall ist Verwirkung bejaht worden.373 2. Rechtsmissbräuchliche Ausübung Zwar bedarf der Widerspruch weder einer Begründung noch eines sachlichen Grundes, wird er aber in rechtsmissbräuchlicher Weise ausgeübt, entfaltet er keine Wirkung. Allein die Verhinderung des endgültigen Übergangs des Vertragsverhältnisses auf den Betriebserwerber ist allerdings nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, sondern von der gesetzlichen Regelung gedeckt. Um daher den Widerspruch als rechtsmissbräuchlich erscheinen zu lassen, müssen zusätzliche Umstände vorliegen, etwa die Verfolgung unlauterer Zwecke oder eine Schädigungsabsicht.374 Schädigungsabsicht oder die Verfolgung unlauterer Zwecke sind jedoch zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang nur deshalb widerspricht, um mit dem Betriebserwerber über andere, regelmäßig bessere Konditionen zu verhandeln. Rechtsmissbräuchliches Verhalten orientiert sich am Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB375 und kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Betriebserwerber diesen als neuen Arbeitgeber endgültig anerkannt hat.376 Gleiches gilt, wenn der betroffene Arbeitnehmer eine vom Betriebserwerber ausgesprochene Kündigung nicht angreift oder das Arbeitsverhältnis durch gerichtlichen Vergleich beendet.377 Ein widersprüchliches Verhalten liegt daher vor, wenn das beim Veräußerer durch den Arbeitnehmer selbst erweckte Vertrauen darin, dass er auf den Erwerber übergeht, durch die genannten Umstände zerstört wird.378 370 BAG v. 24.02.2011 – 8 AZR 699/09; v. 27.11.2008 – 8 AZR 199/07. LAG Düsseldorf v. 27.05.2009 – 7 Sa 443/07. 372 BAG v. 17.10.2013 – 8 AZR 974/12. 373 BAG v. 15.02.2007 – 8 AZR 431/06, NZA 2007, 793; LAG Hamm v. 08.10.2013 – 7 Sa 888/13. 374 BAG v. 19.02.2009 – 8 AZR 176/08, NZA 2009, 1095. 375 BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 382/05, NZA 2006 1406. 376 Rieble, NZA 2008, 402. 377 BAG v. 24.02.2011 – 8 AZR 699/09. 378 BAG v. 12.02.2014 – 4 AZR 317/12. 371 117 3. Sogenannte „Ketten-Widersprüche“ Zum Teil kommt es vor, dass ein Betrieb mehrfach hintereinander übertragen wird. Jeder Übertragungsvorgang ist dann als Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB zu qualifizieren, mit der Folge, dass jeweils die betroffenen Arbeitnehmer gemäß § 613a Abs. 5 BGB zu informieren sind. Trotz fehlerhafter Informationen beim ersten Betriebsübergang erlischt das Widerspruchsrecht gegen diesen ersten Betriebsübergang dann, wenn der Betrieb später erneut im Wege des Betriebsübergangs übertragen wird und entweder die Arbeitnehmer ordnungsgemäß darüber informiert wurden oder die Widerspruchsfrist gegen diesen zweiten Betriebsübergang erloschen ist.379 Der Grund dafür ist, dass das Widerspruchsrecht nach dem Normtext nur gegenüber dem „bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Arbeitgeber“ erklärt werden kann. Kommt es nach einem ersten Betriebsübergang zu einem weiteren Betriebsübergang, verliert der Arbeitgeber des ersten Betriebsübergangs seine Stellung als „bisheriger Arbeitgeber“. Er wird zum „ehemaligen Arbeitgeber“. Zusammenfassender Überblick Untergang des Widerspruchsrechts Rechtsmissbräuchliches Verhalten Verwirkung Kettenwiderspruch Umstandsmoment und nur für letzten Betriebsübergang Widerspruch möglich Zeitmoment V. Beweisprobleme Die Frist beginnt mit dem Zugang der Information nach § 613a Abs. 5 BGB. Darlegungs- und beweispflichtig für die vollständige und zutreffende Information sind entweder der Veräußerer oder der Erwerber.380 Beide haben als Gesamtschuldner die notwendige Information nach § 613a Abs. 5 BGB gegenüber dem vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer zu erbringen. Für den Zugang des Widerspruchs und die Rechtzeitigkeit des Zugangs beim Erwerber oder Veräußerer ist der Arbeitnehmer voll darlegungs- und beweispflichtig. Für die Fristberechnung gelten die §§ 187, 188 BGB. Gemäß § 187 Abs. 1 BGB ist der Tag des Zugangs der Unterrichtung nicht mitzurechnen. Es gilt insoweit § 188 Abs. 2, 2. Alt BGB. 379 380 BAG v. 19.11.2015 – 8 AZR 773/14. LAG Sachsen v. 16.05.2014 – 3 Sa 9/14. 118 VI. Rechtsfolgen des Widerspruchs Das Gesetz regelt in § 613a Abs. 6 BGB die Rechtsfolgen eines vom Arbeitnehmer erklärten Widerspruchs nicht. Im Normtext ist lediglich festgelegt, dass der Arbeitnehmer schriftlich widersprechen kann, ferner, dass der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Abs. 5 zu erfolgen hat. 1. Fortbestand des alten Vertrages Erklärt der vom Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer ordnungs- und fristgerecht den Widerspruch, hat dies zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber weiter besteht. Im Sinne einer Rechtsfolgenverweigerung tritt die in § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB angeordnete Rechtsfolge des Betriebsüberganges nicht ein.381 Für die Rechtsfolgen des Widerspruchs entscheidend ist der Zeitpunkt des Zugangs des Widerspruchs entweder beim Veräußerer oder beim Erwerber. Im Ergebnis wirkt der Widerspruch des Arbeitnehmers rückwirkend.382 Auf den Zeitpunkt des Übergangs rückwirkend (also mit ex-tunc-Wirkung) wird fingiert, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer nie aufgelöst worden ist. Es wird vielmehr so getan, als hätte der Vertrag über den gesamten Zeitraum zwischen Veräußerer und Erwerber weiter bestanden. Als Rechtsfolge ist weiter anerkannt, dass das zwischenzeitlich zwischen dem vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer und dem Erwerber bestandene Rechtsverhältnis als faktisches Arbeitsverhältnis behandelt wird. Da aufgrund des Widerspruchs das Vertragsverhältnis beim Veräußerer verbleibt, schuldet dieser weiterhin die vertragliche Vergütung.383 Vertragliche Vergütung in diesem Sinne ist nicht nur der geschuldete Lohn, sondern auch alle sonstigen Nebenabreden des Vertrages, seien sie materieller oder immaterieller Art. Nach § 615 Satz 2 BGB hat sich der Arbeitnehmer jedoch das anrechnen zu lassen, was er zwischenzeitlich beim Erwerber erzielt hat. Daher muss der Veräußerer nur dann Entgelt an ihn nachzahlen, wenn sich eine Differenz zu Lasten des Arbeitnehmers ergibt.384 Hat der Erwerber nach dem Betriebsübergang und vor dem Widerspruch dem betroffenen Arbeitnehmer gekündigt, wird diese Kündigung dem Veräußerer zugerechnet, wenn dieser sie genehmigt.385 Es braucht nicht mehr mit neuer Frist gekündigt werden, die Frage einer geänderten Sozialauswahl kann sich allerdings stellen. Praxishinweis: Eine neue Kündigung ist immer nur nach erneuter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG möglich. Sie hat auch bei ansonsten unveränderten Tatsachen zu erfolgen. 2. Arbeitsverpflichtung nach Widerspruch Es stellt sich die Frage, was passiert, wenn der Arbeitnehmer Widerspruch erhoben hat. Kann er ohne Unterbrechung seine alte Tätigkeit beim Veräußerer weiterführen oder muss er bis zur Klärung der Wirksamkeit des Widerspruchs beim Erwerber tätig sein? 381 BAG v. 08.05.2014 – 2 AZR 1005/12, NZA 2015, 889. BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268. 383 LAG Köln v. 11.06.2004 – 12 Sa 374/04, AuA 2005, 113. 384 BAG v. 18.06.1965 – 5 AZR 351/64, DB 1965, 1405. 385 LAG Köln v. 13.10.2004 – 7 (9) Sa 1423/03. 382 119 Besteht über die Wirksamkeit des Widerspruchs Streit, zum Beispiel ob die Frist eingehalten ist, hat das BAG anerkannt, dass trotz des Widerspruchs des Arbeitnehmers dieser zunächst verpflichtet ist, beim Erwerber tätig zu werden.386 Dieses zutreffende Ergebnis lässt sich mit dem Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts begründen. Nur aufgrund eines wirksamen Widerspruchs soll sich ein Arbeitnehmer nicht verpflichten müssen, gegen seinen Willen beim Erwerber tätig zu sein. Das BAG macht aber dann eine Ausnahme von dieser Verpflichtung, wenn für den Arbeitnehmer die Arbeit beim Erwerber unzumutbar ist. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn in der Person des Erwerbers, in der Art der Arbeit oder aufgrund sonstiger Bedingungen entsprechende Gründe vorliegen. 3. Kündigungsmöglichkeit für den Veräußerer Nach ausgeübtem Widerspruch fällt das Arbeitsverhältnis auf den Veräußerer zurück. Dieser muss prüfen, ob er die Arbeitskraft des zurückgekehrten Arbeitnehmers noch benötigt. Folgende Konstellationen sind kündigungsrechtlich denkbar: Hat der Veräußerer seinen gesamten Betrieb auf den Erwerber übertragen und beschäftigt er überhaupt keine Arbeitnehmer mehr, benötigt er auch die Arbeitskraft des zurückkehrenden Arbeitnehmers nicht mehr. Dem dem Übergang widersprechenden Arbeitnehmer kann in diesen Fällen betriebsbedingt nach § 1 Abs. 2 KSchG gekündigt werden. Wird nur ein Teilbetrieb übertragen und widerspricht der Arbeitnehmer schließlich dem Betriebsübergang, kann die betriebsbedingte Kündigung nur dann ausgesprochen werden, wenn im Unternehmen des Betriebsveräußerers die betriebliche Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht mehr gebraucht wird. Beispiel: Der Veräußerer hat den Fuhrpark an eine Spedition übertragen. Ein Kraftfahrer widerspricht dem Betriebsübergang. Der Veräußerer verfügt über keinerlei Tätigkeiten für Kraftfahrer mehr. In diesen Fällen kann betriebsbedingt gekündigt werden. Jede Möglichkeit der Weiterbeschäfti387 gung ist zuvor aber auszuschöpfen. Wird ein Teilbetrieb übertragen und führt der widersprechende Arbeitnehmer die Tätigkeit aus, die auch andere im Restbetrieb des Veräußerers tätigen Arbeitnehmer durchführen (oder ist die Tätigkeit im Rahmen der Kündigungsfrist erlernbar), ist die Sozialauswahl zwischen den von Funktion und Qualifikation vergleichbaren Arbeitnehmern nach § 1 Abs. 3 KSchG durchzuführen.388 Der am wenigsten schutzwürdige Arbeitnehmer kann betriebsbedingt gekündigt werden. Dies muss im Ergebnis nicht der widersprechende Arbeitnehmer sein. Die Tatsache, dass der widersprechende Arbeitnehmer den Arbeitsplatz beim Betriebserwerber aufgegeben hat, bewertet die Rechtsprechung mit Bezugnahme auf den Wortlaut der Norm nicht zu seinen Lasten. Eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz aufgrund eines Betriebsübergangs entfallen ist, ist regelmäßig nicht möglich. Die tarifliche oder vertragliche Kündigungsfrist ist einzuhalten. 386 BAG v. 19.03.1998 – 8 AZR 139/97, NZA 1998, 750. BAG v. 15.08.2002 – 2 AZR 185/01, NZA 2003, 430; LAG Hamm v. 22.04.2010 – 15 Sa 288/10. 388 BAG v. 28.10.2004 – 8 AZR 391/03, NZA 2005, 285. 387 120 Lediglich in den Fällen, in denen aufgrund Tarif- oder Arbeitsvertrag eine ordentliche Unkündbarkeit besteht, wird die außerordentliche Kündigung mit einer Auslauffrist, die der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechen muss, zugelassen.389 Zusammenfassender Überblick Rechtsfolgen des Widerspruchs Arbeitsverhältnis bleibt beim Veräußerer (rückwirkend zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs) Abrechnung aller Entgeltleistungen durch Veräußerer für die Zeit zwischen Betriebsübergang und Widerspruch Anrechnungsmöglichkeit des erzielten Einkommens beim Erwerber Betriebsbedingte Kündigung Bei Übergang des gesamten Betriebes grds. möglich Bei Übergang eines Betriebsteils ggf. Sozialauswahl notwendig (Grund des Widerspruchs unerheblich) 389 BAG v. 26.03.2015 – 2 AZR 783/13. 121 Kapitel D: Rechtsfolgen – Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung 129 I. Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem übergehenden Arbeitsverhältnis (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB) 130 1. Betriebszugehörigkeit 131 a) Kündigungsschutzrecht 131 aa) Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG bb) Kündigungsfristen cc) Unkündbarkeitsregelungen dd) Sozialauswahl - § 1 Abs. 3 KSchG ee) Berechnung des Abfindungsanspruchs nach § 1a KSchG 131 132 132 133 133 b) Urlaub und Entgeltfortzahlung 133 c) Arbeitgeberleistungen, die an die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpfen 134 aa) Regelungen beim Veräußerer bb) Regelungen beim Erwerber 134 134 d) Sozialpläne 136 2. Befristungsrecht – Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 TzBfG 138 3. Übergang einseitiger (Gestaltungs-)Rechte auf den Erwerber 138 a) (Vertraglich erweitertes) Direktionsrecht 138 b) Kündigungs- und Anfechtungsrecht 139 c) Widerruf, Anrechnung 139 II. Rechte und Pflichten aus Arbeitsvertrag 139 1. Übergang arbeitsvertraglicher Regelungen 139 a) Arbeitsort 139 b) Arbeitszeit 140 c) Arbeitsentgelt (einschließlich Dienstwagen und Sachleistungen) 140 d) Entgeltfortzahlung 142 e) Urlaub 142 aa) Umfang des Urlaubsanspruchs bb) Urlaubsentgelt cc) Verfallregelungen dd) Urlaubsabgeltung 142 142 143 143 f) Arbeitszeitkonten 144 g) Bezugnahme auf Tarifverträge 145 aa) maßgebende Fragestellung bb) Veräußerer nicht tarifgebunden cc) Veräußerer tarifgebunden (1) Altverträge (2) Neuverträge 145 145 147 147 149 2. Übergang von Ansprüchen aus Gesamtzusage und betrieblicher Übung 151 123 a) Regelungen beim Veräußerer 151 b) Regelungen beim Erwerber 152 3. Übergang „nichtarbeitsrechtlicher“ Verträge 153 a) Kaufverträge 153 b) Arbeitgeberdarlehen 154 c) Werk- und Werkdienstwohnungen 154 d) Wettbewerbsverbote 154 aa) Vertragliche Wettbewerbsverbote bb) Nachvertragliche Wettbewerbsverbote (1) Bei Übergang des Arbeitsverhältnisses (2) Beendete / Nicht übergehende Arbeitsverhältnisse 154 155 155 156 4. Übernahme nichtarbeitsrechtlicher Verpflichtungen (insbesondere sozialversicherungs- und steuerrechtliche Ansprüche) 157 5. Ablösung vertraglicher Ansprüche durch kollektivrechtliche Regelungen 157 a) Ablösung durch Tarifvertrag 157 b) Ablösung durch Betriebsvereinbarung 158 III. Rechte und Pflichten aus Tarifvertrag 161 1. Unveränderte normative Weitergeltung 162 a) Verbandstarifverträge 162 aa) Kraft Verbandsmitgliedschaft bb) Kraft Allgemeinverbindlicherklärung 162 163 b) Firmen- oder Haustarifverträge 164 c) Sonderfall: Umwandlungen nach dem UmwG 165 aa) Verbandstarifverträge bb) Firmen- oder Haustarifverträge (1) Verschmelzung (2) Spaltung 165 165 166 166 2. Ablösung 167 a) Ablösung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB – Tarifvertrag des Erwerbers 167 aa) Kongruente Tarifgebundenheit (1) Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer (2) nicht tarifgebundene Arbeitnehmer (3) Zeitpunkt der kongruenten Tarifbindung (4) Ablösung durch Firmen- oder Haustarifvertrag (5) Allgemeinverbindlicher Tarifvertrag bb) Regelungsidentität cc) Ablösung von Tarifverträgen durch Betriebsvereinbarungen (sog. Über-Kreuz-Ablösung) 168 169 169 170 170 171 171 172 b) Ablösende Vereinbarungen nach § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB 173 aa) Tarifvertrag gilt nicht mehr 173 124 bb) Anderer Tarifvertrag wird vereinbart (1) bestehende arbeitsvertragliche sog. große Bezugnahmeklausel bzw. Tarifwechsel klausel (2) Änderungskündigung 173 174 174 3. Transformation – § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB 175 a) Begriffsbestimmung der Transformation 175 b) Sachlicher Anwendungsbereich der Transformation 177 c) Zeitlicher Anwendungsbereich der Transformation 178 aa) Tarifvertrag mit Wirkung für die Zukunft bb) Zukünftige und rückwirkende Tarifverträge cc) dynamische Verweisung auf anderen Tarifvertrag dd) Nachwirkende Tarifverträge 179 179 180 180 d) Umfang der Transformation 181 aa) Statische Fortgeltung (1) Tarifgebundener Arbeitnehmer (2) Nicht tarifgebundener Arbeitnehmer (3) Nicht tarifgebundener Veräußerer (4) Betriebliche Übung nach Betriebsübergang bb) Art der transformierten Tarifnormen (1) Arbeitszeitregelungen (2) Arbeitsentgelt (einschließlich Entgeltrahmentarifverträgen) (a) Entgelthöhe (b) Entgeltstruktur (Tarifentgeltgruppen) (c) Änderung der Entgeltstruktur (d) Neu eingestellte Arbeitnehmer (3) Mehr-, Spät-, Sonntags- und Feiertags-, Nachtarbeit (einschließlich Vergütungszuschläge) (4) Kurzarbeit (5) Bezahlte Freistellung (6) Arbeitsverhinderung, insbesondere Arbeitsunfähigkeit (7) Urlaub (8) Verdienstsicherung (9) Kündigungsregelungen (10) Ausschlussfristen (11) Übernahme von Auszubildenden (12) Altersteilzeit (13) Beschäftigungssicherung / Absenkung der Arbeitszeit (14) Betriebsverfassung 181 181 181 181 182 182 183 183 183 184 184 185 185 185 186 186 186 187 187 187 187 188 188 189 e) Verschlechterungssperre des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB 190 IV. Rechte und Pflichten aus Betriebsvereinbarungen 191 1. Einzelbetriebsvereinbarungen 192 a) Unveränderte normative Weitergeltung 192 125 aa) Anwendungsbereich der normativen Weitergeltung (1) nicht betriebsratsfähiger Betriebsteil (2) „Übernahme“ der Betriebsvereinbarung durch den Erwerber (3) Regelungsabreden bb) Wirkung der normativen Weitergeltung (1) Änderungen der Betriebsvereinbarung im Ursprungsbetrieb (2) Regelungsgegenstände der weiter geltenden Betriebsvereinbarungen (a) Sachleistungen – Produkte des Veräußerers (b) Arbeitsorganisatorische Regelungen (c) Sozialeinrichtungen beim Veräußerer (d) Verfahrensorganisatorische Regelungen (e) Sonderfall: Sozialplanansprüche (3) Schwellenwerte des BetrVG (4) Wirkung für neu eingestellte Arbeitnehmer (5) Nachwirkende Betriebsvereinbarungen (aa) Gegenstand der zwingenden Mitbestimmung (bb) Gegenstand der freiwilligen Mitbestimmung (cc) Gegenstand der teilweise erzwingbaren Mitbestimmung 193 195 195 195 196 196 197 197 198 199 199 200 203 204 204 204 205 205 b) Ablösung 207 aa) Ablösung von normativ weitergeltenden Betriebsvereinbarungen (1) Ablösung durch beim Erwerber geltende Betriebsvereinbarungen (2) Ablösung durch beim Erwerber geltende Gesamtbetriebsvereinbarungen/ Konzernbetriebsvereinbarungen (3) Ablösung durch beim Erwerber geltende Tarifverträge bb) Ablösung von transformierten Betriebsvereinbarungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB (1) Ablösung durch beim Erwerber geltende Betriebsvereinbarungen (2) Ablösung durch beim Erwerber geltende Gesamtbetriebsvereinbarungen/ Konzernbetriebsvereinbarungen (3) Ablösung durch beim Erwerber geltende Tarifverträge cc) Ablösung von transformierten Betriebsvereinbarungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB dd) Sonderfall: Betriebsvereinbarungen auf der Grundlage tariflicher Öffnungsklauseln (1) originäre Zuständigkeit nach § 87 Abs. 1 BetrVG (2) erweiterte Regelungskompetenz über BetrVG hinaus c) Transformation von Betriebsvereinbarungen – § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB 207 208 208 209 210 210 211 211 212 213 213 214 215 aa) Anwendungsbereich der Transformation bb) Geltung der Betriebsvereinbarung im Zeitpunkt des Betriebsübergangs (1) Transformation bestehender (ungekündigter) Betriebsvereinbarungen (2) Transformation gekündigter Betriebsvereinbarungen (a) Freiwillige Betriebsvereinbarung (b) Zwingende Betriebsvereinbarungen (Nachwirkung) (c) Teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung cc) Umfang der Transformation 215 215 215 216 216 216 217 217 126 dd) Einjährige Verschlechterungssperre 218 2. Gesamtbetriebsvereinbarungen 219 a) Unveränderte normative Weitergeltung 220 aa) Erwerber ohne eigenen Betrieb (1) Anwendungsbereich der normativen Weitergeltung (2) Änderung oder Kündigung nach Betriebsübergang bb) Erwerber mit eigenem Betrieb (1) Anwendungsbereich der normativen Weitergeltung (2) Änderung oder Kündigung nach Betriebsübergang cc) Umfang der normativen Weitergeltung 220 220 221 222 222 223 223 b) Ablösung von Gesamtbetriebsvereinbarungen 224 aa) Erwerber ohne eigene Betriebe - selbstständige Fortführung der übernommenen Betriebe bb) Erwerber mit eigenen Betrieben (1) selbstständige Fortführung der übernommenen Betriebe (2) Ablösung bei Eingliederung der übernommenen Betriebe in den Erwerberbetrieb gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB c) Transformation von Gesamtbetriebsvereinbarungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB 224 225 225 226 227 3. Konzernbetriebsvereinbarungen 227 a) Unveränderte normative Weitergeltung 227 b) Ablösung 229 c) Transformation 229 127 Kapitel D: Rechtsfolgen – Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung Welche Rechtsfolgen ein Betriebsübergang für die übergehenden Arbeitsverhältnisse hat, ist in erster Linie in § 613a Abs. 1 BGB geregelt. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB stellt dabei die Grundlage für den gesetzlich angeordneten Wechsel des Vertragspartners dar, ähnlich, wie es in § 566 BGB für den Fall der Veräußerung einer Mietsache geregelt ist. Der Erwerber des Betriebes wird also mit dem Betriebsübergang bzw. – genauer gesagt – mit dem Übergang der sog. Leitungsmacht neuer Arbeitgeber der Arbeitnehmer. Der Erwerber muss und kann also ab dem Zeitpunkt des Übergangs der Leitungsmacht sämtliche Pflichten und Rechte wahrnehmen, die ihm als Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern obliegen bzw. zustehen. Die Arbeitnehmer ihrerseits müssen sich für die Geltendmachung ihrer Ansprüche ab dem genannten Zeitpunkt grundsätzlich an den Erwerber halten. Als ihr früherer Arbeitgeber haftet der Veräußerer für bestimmte Ansprüche, die bereits vor Betriebsübergang entstanden, aber erst später fällig geworden sind, nach § 613a Abs. 2 BGB mit.390 Für den Inhalt der übergehenden Arbeitsverhältnisse ist wie folgt zu differenzieren: § 613 a BGB § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB § 613 a BGB Abs. 1 S. 2 – 4 BGB Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Einzelvertragliche Vereinbarungen Kollektivrechtliche Weitergeltung Transformation (Satz 2) Ablösung Gesetzlich (Satz 3) Vertraglich (Satz 4) Erläuterung des Schaubildes: Einzelvertragliche bzw. individualvertragliche Regelungen des Arbeitsverhältnisses gehen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB unverändert auf den Erwerber über. Sie bleiben also Inhalt der Arbeitsverhältnisse. Sie können nicht durch einseitige (Willens-) Erklärungen des Erwerbers, aber jederzeit durch eine Änderungsvereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien oder durch Änderungskündigung abgeändert werden. Für kollektivrechtliche Regelungen, also Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt werden, gelten § 613a Abs. 1 Sätze 2 - 4 BGB, d. h. es können je nach den tatsächlichen Umständen unterschiedliche Rechtsfolgen eintreten. Dabei ist in Bezug auf Tarifverträge zu beachten, dass die Sätze 2 - 4 nur bei einer früheren normativen Geltung der Tarifverträge, also bei beiderseitiger Tarifge390 siehe dazu Kapitel J „Haftung des Veräußerers“. 129 bundenheit des Veräußerers und des übergehenden Arbeitnehmers eingreifen. Gelten Tarifverträge nur kraft einer Bezugnahmeklausel, greift allein § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ein, da es sich dann um arbeitsvertragliche Vereinbarungen handelt. Die erste Möglichkeit besteht darin, dass Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen kollektivrechtlich, normativ weitergelten. Diese Möglichkeit ist gesetzlich nicht geregelt, aber inzwischen allgemein anerkannt. Als zweite Möglichkeit können die durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelten Arbeitsbedingungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformiert werden, d. h. sie verlieren ihren normativen Charakter und werden Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Für sie gilt ein einjähriges Verschlechterungsverbot, d. h. sie dürfen grundsätzlich nicht vor Ablauf eines Jahres zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden (sog. Verschlechterungssperre). Schließlich können Arbeitsbedingungen, die (normativ) durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt wurden, nach dem Betriebsübergang durch Regelungen beim Erwerber des Betriebes abgelöst werden. Dabei gibt es wiederum zwei Möglichkeiten, die gesetzliche Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB oder die vertragliche Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB. Hinter beiden Regelungen steht der zentrale Gedanke, dass der von § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bezweckte Schutz der Arbeitnehmer vor einem sofortigen Verlust ihrer kollektivrechtlich vereinbarten Arbeitsbedingungen dann entbehrlich ist, wenn ihre Arbeitsbedingungen durch eine andere kollektivrechtliche Norm geregelt werden. Dabei gilt Folgendes: o Kollektivrechtlich geregelte Arbeitsbedingungen können gesetzlich nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst werden. Satz 3 greift ein, wenn die Rechte und Pflichten beim Erwerber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages oder einer anderen Betriebsvereinbarung mit gleichem Regelungsinhalt geregelt werden. In diesem Fall ist eine Transformation nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Die beim Erwerber geltenden Regelungen lösen die beim Veräußerer geltenden Regelungen ab. Auch § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB setzt jedoch die beiderseitige Tarifgebundenheit voraus. o Kollektivrechtlich geregelte Arbeitsbedingungen, die gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert werden, können schon vor Ablauf der einjährigen Verschlechterungssperre des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB durch eine vertragliche Vereinbarung gem. § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB abgelöst werden, wenn der transformierte Tarifvertrag bzw. die transformierte Betriebsvereinbarung, z. B. wegen einer Kündigung, nicht mehr gilt oder wenn bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit von Erwerber und übergehendem Arbeitnehmer im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrages dessen Anwendung vereinbart wird. I. Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem übergehenden Arbeitsverhältnis (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB) § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet an, dass der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den übergehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses bleibt unverändert. Auch am Inhalt des Arbeitsverhältnisses ändert sich auf vertraglicher Ebene zunächst nichts. Dies hat im Einzelnen folgende Auswirkungen: 130 1. Betriebszugehörigkeit Der durch § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB angeordnete Übergang bzw. Fortbestand der Arbeitsverhältnisse hat zur Folge, dass der Betriebsübergang an der Dauer der Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer nichts ändert, diese also nicht unterbricht. Dies ist vor allem für folgende Bereiche relevant: a) Kündigungsschutzrecht aa) Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG Die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG von sechs Monaten wird durch den Betriebsübergang nicht neu in Gang gesetzt. Die beim Veräußerer erbrachten Beschäftigungszeiten sind also bei der Berechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG für eine vom Erwerber ausgesprochene Kündigung zu berücksichtigen.391 Endet ein Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs und schließt der Erwerber nach einer zeitlichen Unterbrechung mit dem Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsvertrag, ist die ständige Rechtsprechung des BAG zur Zusammenrechnung mehrerer Arbeitsverhältnisse mit demselben Arbeitgeber392 wegen des Schutzzwecks des § 613a BGB und der Betriebsübergangsrichtlinie auf die Fälle des Betriebsübergangs zu übertragen.393 Ob eine frühere Beschäftigung beim Veräußerer auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen ist, hängt damit davon ab, ob zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Wann ein solcher enger sachlicher Zusammenhang zu bejahen ist, hängt von der Dauer und dem Anlass der Unterbrechung und von der Art der Weiterbeschäftigung ab.394 Beispiel: 395 Arbeitnehmer A war seit 1993 beim Veräußerer V als Brenner beschäftigt. V wurde 1998 insolvent. Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis des A zum 12.03.1999. Am 15.03.1999 ging der Betrieb auf den Erwerber E über, der den A zum 15.03.1999 als Brenner einstellte. Am 23.07.1999 kündigte E das Arbeitsverhältnis ohne Begründung zum 06.08.1999. Hiergegen erhob A Kündigungsschutzklage. Das BAG gab der Klage statt. Es habe ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Arbeitsverhältnissen bestanden und die Beschäftigungszeiten seien daher zusammenzurechnen. A konnte sich auf das Eingreifen des KSchG berufen. Praxishinweis: Für die Beratungspraxis stellt sich die Frage, ab welchem Zeitraum von einer erheblichen Unterbrechung auszugehen ist bzw. ab welchem Unterbrechungszeitraum die sechsmonatige Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG neu zu laufen beginnt. Das BAG lehnt es ausdrücklich ab, starre zeitliche Grenzen aufzustellen. Es hat allerdings entschieden, dass schon bei einem Zeitraum von über drei Wochen von einer erheblichen Unterbrechung 391 BAG v. 23.05.2013 – 2 AZR 54/12, NZA 2013, 1197; BAG v. 27.06.2002 – 2 AZR 270/01, NZA 2003, 145. 392 BAG v. 23.09.1976 – 2 AZR 309/75, DB 1977, 213; BAG v. 20.08.1998 – 2 AZR 76/98, NZA 1999, 481; BAG v. 07.07.2011 – 2 AZR 12/10, NZA 2012, 148. 393 BAG v. 27.06.2002 – 2 AZR 270/01, NZA 2003, 145. 394 BAG v. 07.07.2011 – 2 AZR 12/10, NZA 2012, 148; BAG v. 20.08.1998 – 2 AZR 76/98, NZA 1999, 481. 395 BAG v. 27.06.2002 – 2 AZR 270/01, NZA 2003, 145. 131 auszugehen ist.396 In besonderen Fällen nimmt es einen sachlichen Zusammenhang jedoch auch bei längeren Zeiträumen an, z. B. bei der Unterbrechung für den Zeitraum der Schulferien bei Lehrern.397 Unter Berücksichtigung eines „Sicherheitszuschlags“ wird man daher wohl bei einem Unterbrechungszeitraum von mehr als einem Monat davon ausgehen können, dass die beiden Arbeitsverhältnisse nicht zusammengerechnet werden. Zu beachten ist allerdings, dass es für die Berechnung der zeitlichen Unterbrechung nicht auf den Zugang der Kündigung durch den Veräußerer, sondern auf das Ende des Arbeitsverhältnisses, also den Ablauf der Kündigungsfrist ankommt. Wird der Arbeitnehmer nach Ausscheiden beim Veräußerer vom Erwerber eingestellt, kommt es bezüglich des § 1 Abs. 1 KSchG für eine vom Erwerber ausgesprochene Kündigung allein darauf an, ob zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen ein erheblicher Unterbrechungszeitraum lag. Es macht in der rechtlichen Bewertung keinen Unterschied, ob der Arbeitnehmer auch gegen die vom Veräußerer ausgesprochene (betriebsbedingte) Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben hat. Allerdings kann in der Praxis die erhobene Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung des Veräußerers wegen § 613a Abs. 4 BGB398 Erfolg haben, sodass dann das zum Veräußerer bestehende Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber übergeht und damit die beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten ohne Weiteres anzurechnen sind. bb) Kündigungsfristen Auch bei den Kündigungsfristen zählen die beim früheren Arbeitgeber erbrachten Beschäftigungsjahre mit, und zwar unabhängig davon, ob die gesetzlichen oder tarifvertraglichen Kündigungsfristen eingreifen. cc) Unkündbarkeitsregelungen Unkündbarkeitsklauseln für ältere Arbeitnehmer, die i. d. R. die ordentliche Kündigung ausschließen, setzen eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit voraus. Hierfür ist die Dauer der Betriebszugehörigkeit beim Veräußerer grundsätzlich ebenfalls mit einzurechnen. Arbeitsvertragliche Unkündbarkeitsvereinbarungen gehen nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den neuen Betriebsinhaber über. Sind Unkündbarkeitsklauseln tarifvertraglich beim Veräußerer geregelt, richtet sich die weitere Anwendbarkeit nach dem Betriebsübergang nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. oben). Ungeklärt ist die Rechtslage, wenn eine (tarifliche) Unkündbarkeitsregelung beim Veräußerer nicht galt, wohl aber beim Erwerber. Bei einer strikt am Schutzzweck des § 613a BGB orientierten Auslegung wären die beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht mit einzurechnen, da der Arbeitnehmer ansonsten durch den Betriebsübergang besser stünde als bei seinem früheren Arbeitgeber. Bei diesem galt die Unkündbarkeitsregel nicht. 396 BAG v. 22.09.2005 – 6 AZR 607/04, NZA 2006, 429; BAG v. 18.12.1979 – 2 AZR 254/77, DB 1979, 1754. 397 BAG v. 20.08.1998 – 2 AZR 76/98, NZA 1999, 481. 398 Zur Abgrenzung zwischen einer Kündigung wegen einer Betriebs(teil)stilllegung und einer unzulässigen Kündigung wegen eines Betriebsübergangs siehe Kapitel E. 132 Der Arbeitnehmer soll jedoch auch hinsichtlich der Dauer der Betriebszugehörigkeit genauso gestellt werden, als ob er beim Veräußerer geblieben wäre. Wäre dieser Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes geworden, hätte sich der Arbeitnehmer ihm gegenüber auf die tarifliche Unkündbarkeitsklausel berufen können. Es spricht mehr dafür, die Dauer der Betriebszugehörigkeit beim früheren Arbeitgeber auch bei tariflichen Unkündbarkeitsklauseln mit einzurechnen. Beispiel: Das Unternehmen E, Mitglied eines Metallarbeitgeberverbandes, erwirbt einen Betrieb, dessen Inhaber V bislang nicht tarifgebunden war und der auf seine Arbeitsverhältnisse auch keine Tarifverträge angewandt hat. Der 58-jährige Arbeitnehmer A (IGM-Mitglied), dessen Arbeitsverhältnis übergegangen ist und der bei V die notwendige Betriebszugehörigkeit erworben hatte, kann sich im Ergebnis auf die tarifliche Unkündbarkeitsklausel des einschlägigen MTV berufen. dd) Sozialauswahl - § 1 Abs. 3 KSchG Bei der nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu berücksichtigenden Dauer der Betriebszugehörigkeit im Rahmen der Sozialauswahl sind die Beschäftigungszeiten beim Veräußerer des Arbeitnehmers ebenfalls mit einzurechnen.399 ee) Berechnung des Abfindungsanspruchs nach § 1a KSchG Die Dauer der beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeit ist auch bei der Berechnung des Abfindungsanspruchs nach § 1a KSchG zu beachten, da es gemäß § 1a Abs. 2 Satz 1 KSchG auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses ankommt. Ein anderes Ergebnis würde dem Schutzzweck des § 613a BGB, der dem Arbeitnehmer den erworbenen Besitzstand erhalten soll, widersprechen. b) Urlaub und Entgeltfortzahlung Auf die Wartezeit des § 4 BUrlG wird die beim Veräußerer erbrachte Beschäftigungszeit ebenfalls angerechnet. Gleiches gilt für die Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG. Bedeutung hat dies insbesondere für die in § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG geregelte Begrenzung der Entgeltfortzahlungsdauer bei derselben Krankheit des Arbeitnehmers. Diese greift auch zugunsten des Erwerbers. Der Schutzzweck des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB verbietet nur eine Schlechterstellung des Arbeitnehmers aufgrund des Betriebsübergangs. Er muss sich so behandeln lassen, als ob es keinen Betriebsübergang gegeben hätte. Beispiel: Arbeitnehmer A ist von Januar bis Februar 2010 für sechs Wochen wegen Rückenbeschwerden krankgeschrieben. Im März 2010 gehen der Betrieb und damit auch sein Arbeitsverhältnis auf den Erwerber E über. Im April 2010 wird A erneut wegen seiner Rückenbeschwerden krankgeschrieben. Er hat gegen E keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, da er innerhalb von sechs Monaten infolge derselben Krankheit wieder arbeitsunfähig wurde. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EFZG greift zu seinen Lasten ein. 399 Zur Sozialauswahl, wenn es zu betriebsbedingten Kündigungen vor oder nach einem Betriebsübergang kommt, siehe Teil E. 133 c) Arbeitgeberleistungen, die an die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpfen aa) Regelungen beim Veräußerer Bei Arbeitgeberleistungen, die entweder im Grund oder der Höhe nach an die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpfen, ist die beim Veräußerer zurückgelegte Beschäftigungszeit jedenfalls dann mit einzurechnen, wenn eine beim Veräußerer geltende Regelung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB auch beim Erwerber gilt.400 Beispiel: Der Veräußerer gewährte seinen Arbeitnehmern nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit eine sog. Treueprämie aufgrund einer Gesamtzusage. Arbeitnehmer A war seit 2000 beim Veräußerer V beschäftigt. Der Betrieb geht zum 01.01.2010 auf den Erwerber E über. A verlangt von E im Jahre 2010 zu Recht die Treueprämie. bb) Regelungen beim Erwerber Fraglich ist, ob die Dauer der Betriebszugehörigkeit beim Veräußerer auch dann zu berücksichtigen ist, wenn der Erwerber seinen Arbeitnehmern eine Leistung gewährt, die an die Dauer der Betriebszugehörigkeit in seinem Betrieb anknüpft. Ob der Erwerber eines Betriebes verpflichtet ist, die beim Veräußerer erbrachten Dienstzeiten zu berücksichtigen, ist ungeklärt. Der EuGH hat in einer Entscheidung401 festgestellt, dass der Erwerber bei der Berechnung von finanziellen Ansprüchen, die bei ihm an das Dienstalter der Arbeitnehmer geknüpft sind, alle sowohl in seinem Dienst als auch im Dienst des Veräußerers geleisteten Jahre insoweit zu berücksichtigen hat, als sich diese Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zwischen dem Personal und dem Veräußerer ergab. Damit hat sich der EuGH nicht zu der hier in Rede stehenden Fallgestaltung geäußert, da beim Veräußerer eine entsprechende Regelung nicht existierte. Das BAG hat im Bereich der betrieblichen Altersversorgung entschieden, dass die übernommenen Mitarbeiter nicht automatisch von entsprechenden Regelungen im Betrieb des Erwerbers profitieren; vielmehr dürfe der Erwerber entscheiden, ob der betreffende Mitarbeiter seine Betriebstreue bei ihm oder einem früheren Arbeitgeber erbracht habe.402 Anerkannt hat das BAG eine solche Entscheidung auch bei einer „Jubiläumsgabe“, die an Beschäftigungszeiten im eigenen Unternehmen gekoppelt ist403 Im Ergebnis wird man bei der Lösung differenzieren müssen: Beruht die Verpflichtung des Erwerbers auf einer tarifvertraglichen Bestimmung, die auf die Arbeitsverhältnisse der übernommenen Arbeitnehmer kraft Tarifbindung oder Bezugnahmeklausel anwendbar ist, werden sich die übernommenen Arbeitnehmer auf die beim Veräußerer erbrachten Beschäftigungsjahre berufen dürfen. Die Rechtslage ist insoweit vergleichbar mit der, in der ein Arbeitgeber (durch Eintritt in den tarifschließenden Arbeitgeberverband) erstmals einen Tarifvertrag anwenden muss. In diesem 400 EuGH v. 14.09.2000 – C-343/98, NZA 2000, 1279; EuGH v. 06.09.2011 – C-108/10,NZA 2011, 1077. 401 EuGH v. 14.09.2000 – C-343/98, NZA 2000, 1279; ebenso EuGH v. 06.09.2011 – C-108/10, NZA 2011, 1077. 402 BAG v. 30.08.1979 – 3 AZR 58/78, DB 1979, 2431; BAG v. 24.07.2001 – 3 AZR 660/00, NZA 2002, 520. 403 BAG v. 26.09.2007 – 10 AZR 657/06, NZA 2007, 1426. 134 Fall wird die beim Arbeitgeber erbrachte Beschäftigungsdauer eingerechnet. Die Situation der übernommenen Arbeitnehmer ist hiermit vergleichbar. Werden die in Rede stehenden Entgeltzusatzleistungen in einer (freiwilligen) Betriebsvereinbarung geregelt, könnte argumentiert werden, dass sie auch für die übergehenden Arbeitsverhältnisse gilt, wenn der persönliche Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung alle Arbeitnehmer des Betriebes einschränkungslos erfasst. Allerdings würden die übergehenden Arbeitnehmer dann besser gestellt, als sie ohne den Betriebsübergang gestanden hätten. Das übersteigt den Schutzzweck des § 613a BGB. Ausreichend ist es daher, wenn sie wie neu eingestellte Arbeitnehmer behandelt werden. Ihre Beschäftigungszeiten beim Veräußerer sind dann nicht mit einzurechnen. Insoweit ist eine unterschiedliche Lösung bei einer Versorgungszusage404 einerseits und anderen Sozial- bzw. Entgeltzusatzleistungen andererseits nicht angezeigt. Solange diese Rechtsfrage jedoch höchstrichterlich nicht geklärt ist, muss der Erwerber damit rechnen, dass auch die übergehenden Arbeitnehmer unter Anrechnung der Beschäftigungszeiten beim Veräußerer entsprechende Ansprüche erwerben. Beispiel: Arbeitnehmer A war seit 2000 beim Veräußerer V beschäftigt. Der Betrieb geht zum 01.01.2010 auf den Erwerber E über. Der E gewährt seinen Arbeitnehmern nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit eine sog. Treueprämie. A kann die Treueprämie von E nicht 2010 verlangen. Praxishinweis: Es kann sich wegen dieses Risikos empfehlen, vor dem Übergang der Leitungsmacht die freiwillige Betriebsvereinbarung beim Erwerber ersatzlos 405 zu kündigen, damit die übergehenden Arbeitnehmer nicht von ihr erfasst werden. Eine Kündigung der Betriebsvereinbarung mit dem Ziel, das dieser Betriebsvereinbarung zugrunde liegende Dotierungsvolumen und/oder die Verteilungsgrundsätze zu ändern, ist rechtlich nicht zu empfehlen. Eine solche Kündigung führt nach der Rechtsprechung des BAG406 wegen der zwingenden Mitbestimmung bei den Verteilungsgrundsätzen in vielen Konstellationen zur Nachwirkung der Betriebsvereinbarung. Dem Erwerber hilft eine Kündigung jedoch nur dann, wenn die neu hinzukommenden Arbeitnehmer im Nachwirkungszeitraum keine Ansprüche mehr erwerben könnten. Ohne abweichende Vereinbarung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG ist dies jedoch nicht der Fall. Ob sich entsprechende Maßnahmen auch aus personalpolitischen Gründen empfehlen, ist damit nicht gesagt und sollte getrennt von der rechtlichen Frage beantwortet werden. Beruht die Leistungszusage des Erwerbers hingegen auf einer individualvertraglichen Grundlage (also Gesamtzusage oder betriebliche Übung) und knüpft sie an die erbrachte Betriebstreue an, wird man es dem Erwerber überlassen dürfen, ob er bei Anwendung dieser Regelung auf die übergehenden Arbeitnehmer die beim Veräußerer erbrachte Beschäftigungszeit anrechnet oder nicht. Die übergehenden Arbeitnehmer könnten wie neu eingestellte Arbeitnehmer behandelt werden. Dies würde auch dem Schutzzweck des § 613a BGB nicht widersprechen, da die Arbeitnehmer bei einem anderen Ergebnis nach dem Betriebsübergang besser stünden als vor dem Betriebsübergang. 404 BAG v. 19.01.2010 – 3 ABR 19/08, DB 2010, 1131. BAG v. 26.10.1993 – 1 AZR 46/93, NZA 1994, 572; BAG v. 14.11.2001 – 10 AZR 152/01, NZA 2011, 598. 406 BAG v. 26.08.2008 – 1 AZR 354/07, NZA 2008; 1426. 405 135 Praxishinweis: Ebenso wie bei Betriebsvereinbarungen empfiehlt es sich, bis zur Klärung dieser Rechtsfrage die Gesamtzusage oder die betriebliche Übung durch eine ausdrückliche Erklärung des Erwerbers gegenüber den neu hinzukommenden Arbeitnehmern zu beseitigen. Der Arbeitgeber hat das Recht, neu eingestellte Arbeitnehmer von einer betrieblichen Übung durch eine ausdrückliche Erklärung auszunehmen.407 Gleiches müsste dann konsequenterweise auch für die Gesamtzusage gelten. Da ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung besteht, dürften sich die Arbeitnehmer dann auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen können. d) Sozialpläne Umstritten ist, ob in Sozialplänen, die aufgrund einer Betriebsänderung beim Erwerber nach dem Betriebsübergang abgeschlossen werden, die Beschäftigungszeiten beim Veräußerer ausgeschlossen werden dürfen. Dies wird in der Literatur bejaht. Grundlage für die Auszahlung der Abfindung sei, dass der Arbeitnehmer an der Schöpfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beteiligt gewesen sei. Darin soll auch kein Widerspruch zu § 613a BGB liegen, da diese Vorschrift den Erwerber nicht dazu verpflichte, Betriebszugehörigkeitszeiten beim Veräußerer bei der Berechnung von Abfindungen uneingeschränkt anzurechnen.408 Das BAG hat eine solche Fallkonstellation nicht ausdrücklich entschieden. In einem etwas anderen Zusammenhang hat es allerdings ausgeführt, dass für die Bemessung der Abfindung nur die Betriebszugehörigkeit beim Arbeitgeber und seinem Rechtsvorgänger, nicht aber die in einem Überleitungsvertrag anerkannte Betriebszugehörigkeit bei einem früheren Arbeitgeber berücksichtigt werden muss.409 Ob man dies dahin gehend verallgemeinern kann, dass Beschäftigungszeiten beim Veräußerer generell nicht bei der Berechnung von Sozialplanabfindungen einbezogen werden müssen, erscheint zweifelhaft. Dies widerspricht zum einen dem Schutzgedanken des § 613a BGB. Zum anderen ist es auch nicht ersichtlich, warum die Beschäftigungszeiten beim Veräußerer in anderem Zusammenhang, z. B. bei der Sozialauswahl, berücksichtigt werden müssen, bei Sozialplänen aber nicht. Praxishinweis: Wird im Rahmen von Sozialplanabfindungen die beim Veräußerer zurückgelegte Beschäftigungszeit nicht angerechnet, besteht für den Erwerber ein nicht unerhebliches Risiko von entsprechenden Nachzahlungen. Rechtssicherer ist es, die beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen. Hiergegen bestehen keine rechtlichen Bedenken, insbesondere kann eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 75 BetrVG) nicht gerügt werden. 407 BAG v. 10.08.1988 – 5 AZR 571/87, NZA 1989, 57. Gaul, S. 1221. 409 BAG v. 16.03.1994 – 10 AZR 606/93, NZA 1994, 1147. 408 136 Zusammenfassender Überblick Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit beim Veräußerer KSchG JA Kündigungsfristen Unkündbarkeitsregelung JA Im Arbeitsvertrag beim Erwerber JA Im Tarifvertrag beim Veräußerer JA Im Tarifvertrag beim Erwerber i. E. JA Sozialauswahl JA Abfindungsanspruch § 1a KSchG JA BUrlG JA JA Auch zur Begrenzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs zu Lasten des Arbeitnehmers Regelung beim Veräußerer JA Inhalt des Arbeitsverhältnisses oder Transformation einer kollektiven Regelung Regelung beim Erwerber aus TV JA Regelung beim Erwerber aus BV eher NEIN betriebliche Übung / Gesamtzusage beim Erwerber JA/NEIN Abschluss beim Erwerber nach Betriebsübergang i. E. JA EFZG Freiwillige Arbeitgeberleistungen Sozialpläne Einstellung beim Erwerber, wenn das Arbeitsverhältnis vor Betriebsübergang beendet war nur bei unerheblicher Unterbrechung (i. d. R. weniger als 1 Monat) Erwerber kann durch ausdrückliche Erklärung übernommene Arbeitnehmer ausnehmen 137 2. Befristungsrecht – Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 TzBfG In Zusammenhang mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit stellt sich die Frage, ob das sog. Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 TzBfG auch dann eingreift, wenn der betreffende Arbeitnehmer beim Rechtsvorgänger (Veräußerer) des einstellenden Arbeitgebers (Erwerbers) beschäftigt war.410 Das Problem wird relevant, wenn der Erwerber einen Arbeitnehmer ohne Sachgrund, also auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 TzBfG, befristet einstellen will und der Arbeitnehmer bereits einmal beim Veräußerer oder sogar bei einem von dessen Rechtsvorgängern gearbeitet hat. Sowohl für die Gesamtrechtsnachfolge als auch für die Einzelrechtsnachfolge nach § 613a BGB hat das BAG411 die Anwendung des Vorbeschäftigungsverbotes abgelehnt. Arbeitgeber sei nur der Vertragsarbeitgeber, also die natürliche oder juristische Person, die mit dem Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag geschlossen habe. Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses von einem Betriebsveräußerer zu einem Betriebserwerber wahre die Identität der Arbeitgeber. Scheide ein Arbeitnehmer jedoch aus einem Arbeitsverhältnis wirksam aus und werde sodann ein Betriebsübergang vollzogen, finde das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG keine Anwendung, wenn der Ausgeschiedene von dem Betriebserwerber neu eingestellt werde. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zunächst als dauerhaft angesehen wurde. Etwas anders kann dann gelten, wenn es Anhaltspunkte für eine Umgehung gibt, weil z. B. der bisherige Arbeitsplatz erhalten bleibt und ein neues Arbeitsverhältnis bereits in Aussicht gestellt wird.412 Praxishinweis: Die erleichterte Befristungsmöglichkeit des § 14 Abs. 2 TzBfG gilt nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer vor dem Betriebsübergang beendet war. Geht ein auf der Grundlage des § 14 TzBfG sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis auf den Erwerber über, besteht – außer der Verlängerungsmöglichkeit des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG – keine Möglichkeit mehr, mit dem übergegangenen Arbeitnehmer einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. 3. Übergang einseitiger (Gestaltungs-)Rechte auf den Erwerber a) (Vertraglich erweitertes) Direktionsrecht Mit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs bzw. dem Übergang der sog. Leitungsmacht geht das arbeitgeberseitige Direktionsrecht auf den Erwerber über. Er ist damit ab diesem Zeitpunkt allein gegenüber den Arbeitnehmern weisungsbefugt. Darüber hinaus kann sich der Erwerber bei der Ausübung des Direktionsrechts auch auf entsprechende vertragliche Erweiterungen berufen, also den Arbeitnehmern im Rahmen der bestehenden vertraglichen Vereinbarungen andere Tätigkeiten zuweisen oder Versetzungen vornehmen. Praxishinweis: Dabei ist ggf. das Beteiligungsrecht des Betriebsrates gemäß §§ 99, 95 Abs. 3 BetrVG zu beachten. Praktisch relevant wird dies vor allem dann, wenn der Erwerber den Betrieb oder Betriebsteil nach dem Erwerb umstrukturieren oder in seinen Betrieb eingliedern will. 410 ErfK, Müller-Glöge, § 14 TzBfG, Rn. 93. BAG v. 18.08.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145; BAG v. 10.11.2004 – 7 AZR 101/04, NZA 2005, 515. 412 BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, NZA 2013, 203; BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 572/11. 411 138 b) Kündigungs- und Anfechtungsrecht Ausschließlich dem Erwerber steht nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs das Recht zur Kündigung der Arbeitsverhältnisse zu. Auch etwaige Anfechtungsrechte gehen ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs auf den Erwerber über. c) Widerruf, Anrechnung Da das Arbeitsverhältnis inhaltlich unverändert auf den Erwerber übergeht, stehen ihm nach dem Betriebsübergang auch etwaige vertraglich eingeräumte Gestaltungsrechte zu. Dies sind vor allem – im Entgeltbereich – Widerrufs- und Anrechnungsrechte. Die Wahrnehmung dieser Rechte kann vor allem bei der Anpassung der Arbeitsbedingungen an die beim Erwerber geltenden Arbeitsbedingungen wichtig sein. Zusammenfassender Überblick Befristungen und Gestaltungsrechte Bei Neueinstellung beim Erwerber keine Identität des Arbeitgebers Vorbeschäftigungsverbot NEIN Direktionsrecht JA Kündigungs- und Anfechtungsrecht JA Widerruf, Anrechnung JA Voraussetzung: Arbeitsverhältnis mit Veräußerer vor Betriebsübergang beendet und kein Umgehungssachverhalt II. Rechte und Pflichten aus Arbeitsvertrag 1. Übergang arbeitsvertraglicher Regelungen Der vertraglich geregelte Inhalt des Arbeitsverhältnisses bleibt durch den Betriebsübergang unverändert. Dies bedeutet für die Kernbereiche des Arbeitsverhältnisses Folgendes: a) Arbeitsort Ein im Arbeitsvertrag festgelegter Arbeitsort gilt nach dem Betriebsübergang weiterhin. Er bindet den Erwerber, auch wenn sich dessen Betrieb an einem anderen Ort befindet. Allerdings ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der Arbeitsort tatsächlich auf einen bestimmten Ort beschränkt sein soll. Dies ist z. B. dann nicht der Fall, wenn die Tätigkeit typischerweise an verschiedenen Orten zu erbringen ist oder auch, wenn mit der Nennung der geographischen Lage des Betriebssitzes gerade nicht der geographische Ort festgeschrieben werden sollte.413 Häufig sind im Arbeitsvertrag auch Versetzungsklauseln enthalten, deren Reichweite allerdings zu prüfen ist. Sofern nach diesen Grundsätzen tatsächlich kein Einsatz am neuen Betriebsort zulässig ist, bleibt nur der Weg einer Änderungskündigung. 413 ErfK, Tillmanns, § 196 GewO, Rn. 25. 139 b) Arbeitszeit Die Dauer der (einzel-)vertraglich geregelten Arbeitszeit bleibt unverändert. Ob tarifliche Regelungen beim Erwerber arbeitsvertragliche Vereinbarungen über die Dauer der Arbeitszeit beim Veräußerer ablösen können, ist fraglich.414 Gleiches gilt grundsätzlich für Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die jedoch zum Direktionsrecht des Arbeitgebers gehört. Außerdem können ggf. beim Erwerber Betriebsvereinbarungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) eingreifen. c) Arbeitsentgelt (einschließlich Dienstwagen und Sachleistungen) Auch die arbeitsvertraglichen Entgeltregelungen bleiben unverändert. Dies bedeutet nicht nur, dass der Erwerber (vorbehaltlich einer Ablösung durch Tarifverträge) das Arbeitsentgelt i. e. S. in gleicher Höhe an die übergegangenen Arbeitnehmer zahlen muss, sondern auch, dass alle Leistungen des Arbeitgebers, die als Arbeitsentgelt i. w. S. zu definieren sind, weiter gewährt werden müssen. Das bedeutet im Einzelnen: Der Erwerber schuldet den übergehenden Arbeitnehmern alle in Geld zu zahlenden Entgeltbestandteile, also nicht nur das arbeitsvertraglich vereinbarte feste Arbeitsentgelt einschließlich etwaiger Zulagen oder Zuschläge, sondern auch variable Vergütungsbestandteile wie Prämien, Provisionen (§ 65 HGB), Tantiemen u. a. Allerdings wird in Bezug auf unternehmensspezifische Vergütungen, z. B. wenn eine Tantieme in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes vom Unternehmensgewinn vertraglich zugesagt wurde, auch vertreten, dass ggf. eine Anpassung in Betracht kommen soll (über eine ergänzende Vertragsauslegung oder einen Anpassungsanspruch des Erwerbers nach § 313 BGB).415 Wurde für eine Entgeltzusatzleistung, z. B. beim Weihnachtsgeld, eine Rückzahlungsverpflichtung für den Fall des Ausscheidens bis zu einem bestimmten Termin vereinbart, geht auch diese Verpflichtung und damit das Rückforderungsrecht auf den Erwerber über.416 Hat der Veräußerer dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen mit dem Recht zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt, bleibt auch diese Vereinbarung unverändert417, da die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens mit dem Recht zur privaten Nutzung ein Bestandteil des dem Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsentgelts ist.418 Der Erwerber muss den übergehenden Arbeitnehmern auch Sachleistungen weitergewähren, also z. B. Deputate, Job-Tickets, Nutzung von Sozialeinrichtungen, Personalrabatte etc. Dies wirft vor allem dann Probleme auf, wenn diese Sachleistungen aus Gütern oder Dienstleistungen bestehen, die nur der Veräußerer, nicht aber der Erwerber am Markt anbietet bzw. produziert.419 Beispiele: Eine Brauerei gewährt ihren Arbeitnehmern monatlich ein Bierdeputat. Sie gliedert den Betriebsteil Logistik und Transport auf ein Speditionsunternehmen aus. 414 siehe dazu unten Kapitel D. II. 5. a). Willemsen, Teil G, Rn. 177; BAG v. 18.04.2012, NZA 2012, 791. 416 Gaul, S. 434. 417 Gaul, S. 434. 418 BAG v. 23.06.1994 – 8 AZR 537/92, NZA 1994, 1128; BAG v. 23.06.2004 – 7 AZR 514/03, NZA 2004, 1287. 419 Fuhlrott, Fabritius, BB 2013, 1592. 415 140 Eine Bank gewährt ihren Mitarbeitern Sonderkonditionen für Girokonten. Sie überträgt die bisher von eigenen Mitarbeitern ausgeführten Reinigungsarbeiten einem Fremdunternehmen, das alle Mitarbeiter dieser Betriebsabteilung übernimmt. Ein Automobilunternehmen gewährt seinen Arbeitnehmern Vorzugskonditionen beim Kauf firmeneigener Kraftfahrzeuge (sog. Jahreswagen). Es gliedert die EDV-Abteilung aus, die nach 420 einigen Wechseln von einem Telekommunikationskonzern übernommen wird. In allen diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Arbeitnehmer weiterhin gegen den Erwerber einen Anspruch auf Gewährung dieser Sachleistungen haben oder ob sich der Erwerber ggf. auf Unmöglichkeit der Leistung berufen kann. Es ist ungeklärt, wie dieses Problem zu lösen ist. Das BAG421 hat sich einmal mit der Frage befassen müssen, ob Ansprüche der Arbeitnehmer aus sog. Aktienoptionsplänen (stock-options) auf den Erwerber eines Betriebes übergehen; es hat allerdings die ausführliche Behandlung dieser Frage offengelassen, da im konkreten Fall nicht die Arbeitgeber, sondern die Konzernmutter eine entsprechende Zusage erteilt hatte. In einer anderen Entscheidung vertritt das BAG422 den Standpunkt, dass der Anspruch der Arbeitnehmer auf Einräumung eines Personalrabatts regelmäßig unter dem Vorbehalt stehe, dass der Arbeitgeber die Waren selbst herstelle. Daher erlösche der Anspruch auf die Gewährung von Vorzugskonditionen für die vom Veräußerer hergestellten Produkte, wenn der Veräußerer die Produktion einstelle oder einen Betriebsteil veräußere, ohne dass der Erwerber die Produktion übernimmt. Für den Fall der Gewährung von Flugvergünstigungen hat das BAG dem entsprechend darauf abgestellt, ob zumindest im Konzernverbund noch Flüge stattfinden.423 Die Entscheidungen sind insoweit zu kritisieren, als sich der Untergang des Anspruchs auf die Vorzugskonditionen nicht aus der Zusage, sondern unmittelbar aus § 275 BGB (Unmöglichkeit) ergibt. Offen geblieben ist, ob und unter welchen Voraussetzungen der Erwerber den übergehenden Arbeitnehmern einen finanziellen Ausgleich für die entgangenen (geldwerten) Vorteile schuldet. Im Ergebnis ist letztlich von der Übernahme des Beschaffungsrisikos und damit einer Art Wertersatz für die ursprünglich geschuldete Sachleistung auszugehen (§§ 281, 275 BGB). Praxishinweis: Falls die Sachleistungen beim Veräußerer auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, kann der Erwerber diese kündigen. Beruht die Gewährung der Sachleistungen auf individualrechtlicher Grundlage, wäre an einen Widerruf zu denken, soweit nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsprechung des BAG ein wirksamer Widerrufsvorbehalt besteht. Denkbar ist auch eine ablösende Betriebsvereinbarung. Diese ist jedoch wegen der oben genannten Kritikpunkte risikobehaftet. Einfacher wird es, wenn die Sachleistungen bzw. die Gewährung von Vorzugskonditionen auf einer Betriebsvereinbarung beruhen. Diese kann – falls sie normativ weitergilt – von E (ersatzlos) gekündigt werden oder es kann mit dem nach dem Betriebsübergang für die übergehenden Arbeitnehmer zuständigen Betriebsrat über eine Neuregelung verhandelt werden. Möglich ist auch die Regelung in einem Sozialplan, falls 420 BAG v. 07.09.2004 – 9 AZR 631/03, NZA 2005, 941. BAG v. 12.02.2003 – 10 AZR 299/02, NZA 2003, 487. 422 BAG v. 07.09.2004 – 9 AZR 631/03, NZA 2005, 941. 423 BAG v. 13.12.2006 – 10 AZR 792/05, NZA 2007, 325. 421 141 der Betriebsübergang eine beteiligungspflichtige Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG ist.424 d) Entgeltfortzahlung Der Erwerber ist ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs zur Entgeltfortzahlung entweder nach den gesetzlichen oder nach tariflichen Bestimmungen, soweit letztere auf das übergehende Arbeitsverhältnis weiter anzuwenden sind, verpflichtet. e) Urlaub In Bezug auf die Urlaubsansprüche der übergegangenen Arbeitnehmer gilt, dass sich durch den Betriebsübergang nichts ändert. Vor allem können Arbeitnehmer wegen des Betriebsübergangs weder gegen den Veräußerer noch gegen den Erwerber wegen nicht genommenen Urlaubs vor dem Betriebsübergang einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG geltend machen, da das Arbeitsverhältnis nicht beendet wurde.425 Das gilt auch dann, wenn der Veräußerer das Arbeitsverhältnis durch eine (betriebsbedingte) Kündigung wirksam beendet hat und der Arbeitnehmer unmittelbar anschließend vom Erwerber des Betriebes zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt wird.426 Beispiel: 427 Arbeitnehmer A war beim Veräußerer V als Reinigungskraft beschäftigt. V kündigt A wegen Auftragsverlust zum 31.08.1996 betriebsbedingt. Ab dem 01.09.1996 wird A vom Erwerber E, der den Auftrag nunmehr erhalten hat, zu unveränderten Arbeitsbedingungen eingestellt und weiterbeschäftigt. Der von A gegen V geltend gemachte Urlaubsabgeltungsanspruch wurde vom BAG abgewiesen, da das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden sei, obwohl A gegen seine Kündigung nicht geklagt hatte (§ 7 KSchG). aa) Umfang des Urlaubsanspruchs Am Umfang des jeweiligen Urlaubsanspruchs ändert sich durch den Betriebsübergang nichts. Der Arbeitnehmer wird genauso gestellt, als ob kein Betriebsübergang stattgefunden hätte. Der Erwerber muss noch ausstehende Urlaubsansprüche erfüllen.428 Hat der Veräußerer noch Urlaub gewährt, der in die Zeit des oder nach dem Betriebsübergang fällt, ist der Erwerber hieran gebunden; ein Widerruf eines bereits bewilligten Urlaubs dürfte – entsprechend den allgemeinen Grundsätzen – allenfalls in Ausnahmefällen möglich sein. bb) Urlaubsentgelt Die Berechnung des Urlaubsentgeltanspruchs richtet sich nach den gesetzlichen, ggf. auch tariflichen Bestimmungen. Schwierigkeiten mit der Berechnung kann es geben, wenn beim Erwerber eine andere Berechnungsmethode gilt. Vertragliche Abreden mit dem Veräußerer, die günstiger i. S. v. § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG sind, gelten auch dem Erwerber gegenüber. Entsprechende Regelungen können sich dabei auch aus einer betrieblichen Übung ergeben. 424 siehe Kapitel I. BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 95/03, NZA 2004, 651. 426 BAG v. 02.12.1999 – 8 AZR 774/98, NZA 2000, 480. 427 BAG v. 02.12.1999 – 8 AZR 774/98, NZA 2000, 480. 428 zu Regressansprüchen gegen den Veräußerer siehe Kapitel J. 425 142 cc) Verfallregelungen Günstigere Regelungen können auch in Bezug auf die Übertragung des Urlaubs ins folgende Kalenderjahr bestehen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die Vertragsparteien vereinbaren (oder der Veräußerer es längere Zeit geduldet hat), dass eine Übertragung des Urlaubs auch über den Zeitraum des § 7 Abs. 3 BUrlG hinaus möglich sein soll.429 dd) Urlaubsabgeltung Nicht höchstrichterlich entschieden ist, ob eine vertraglich vereinbarte oder kraft betrieblicher Übung gewährte Urlaubsabgeltung im laufenden Arbeitsverhältnis auch für den Fall, dass der Urlaub (aus betrieblichen Gründen) nicht genommen werden konnte, günstiger ist. Es wird vertreten, dass die Möglichkeit einer grundlosen Umwandlung des Urlaubs- in einen Abgeltungsanspruch wegen eines mittelbaren Verstoßes gegen § 1 BUrlG nichtig sein soll.430 Dabei bleibt offen, ob sich auch der Arbeitgeber auf die Nichtigkeit einer solchen Regelung berufen kann. Die Rechtslage ist also unklar, sodass für den Erwerber insoweit ein (finanzielles) Risiko besteht. Werden Arbeitsverhältnisse mit übergegangenen Arbeitnehmern beendet, steht ihnen gegenüber dem Erwerber ein Urlaubsabgeltungsanspruch zu. Dies gilt nach neuer Rechtsprechung des EuGH auch bei einer Beendigung durch Tod (Abgeltungsanspruch der Erben).431 Für den Erwerber wesentlich ist hierbei die Rechtsprechungsänderung432 im Hinblick auf den Verfall von Urlaubsansprüchen bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit. Die Urlaubsansprüche verfallen nach richtlinienkonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 BurlG nicht mehr automatisch zum 31. März des jeweiligen Folgejahres, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Arbeitsunfähigkeit den Urlaub nicht in Anspruch nehmen konnte. Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 16.10.2012 die Vorschrift des § 7 Abs. 3 BUrlG anschließend so ausgelegt, dass der Verfall in diesen Fällen um ein Jahr verzögert eintritt, d. h. 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist.433 Die Befürchtung, dass es bei Langzeitkranken zu einer unendlichen Übertragung von Urlaubsansprüchen kommt, hat sich damit immerhin nicht bewahrheitet. Übergesetzliche Urlaubsansprüche (vertragliche oder tarifvertragliche Urlaubsansprüche) erlöschen nur noch dann, wenn die jeweilige Rechtsgrundlage deutliche Anhaltspunkte dafür erkennen lässt, dass die (Tarif-) Vertragsparteien zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Ansprüchen unterschieden oder ein eigenständiges Urlaubsregime vereinbart haben.434 Ob die Tarifverträge der M+E-Industrie einen gesonderten Verfall des tariflichen Mehrurlaubs erlauben, ist erst durch einige Landesarbeitsgerichte – bisher leider ablehnend – entschieden435. Auch der Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX verfällt wie der gesetzliche Mindesturlaub in diesen Fällen nicht mehr.436 Praxishinweis: Der Erwerber muss aufgrund dieser Rechtsprechungsänderung in Zukunft mit erheblichen finanziellen Risiken rechnen, wenn beim Veräußerer Arbeitnehmer, die be429 BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 95/03, NZA 2004, 651, 652. ErfK, Dörner, § 13 BUrlG, Rn. 14. 431 EuGH v. 12.06.2014 – C-118/13, NZA 2014, 651. 432 BAG v. 24.03.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538. 433 BAG v. 16.10.2012 – 9 AZR 63/11, NZA 2013, 326. 434 BAG v. 24.03.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538. 435 LAG Nürnberg v. 20.05.2014 – 6 Sa 58/14; LAG Rheinland-Pfalz v. 14.01.2013 – 5 Sa 377/12; LAG Hamm v. 29.03.2012 – 16 Sa 322/10. 436 BAG v. 23.03.2010 – 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810. 430 143 reits geraume Zeit arbeitsunfähig krank sind, nicht krankheitsbedingt gekündigt wurden. Kehren diese an ihren Arbeitsplatz nach dem Betriebsübergang zurück, sind ihnen die nicht verfallenen Urlaubstage zu gewähren; scheiden sie aus dem Arbeitsverhältnis aus, steht ihnen ein Urlaubsabgeltungsanspruch zur Verfügung. Bei Ausscheiden durch Tod steht dieser Anspruch den Erben zu. f) Arbeitszeitkonten Die Frage, wie sich ein Betriebs(teil)übergang auf Arbeitszeitkonten der übergehenden Arbeitnehmer auswirkt, die diese beim Veräußerer aufgebaut haben, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Praktisch relevant werden die damit zusammenhängenden Fragen vor allem dann, wenn der Veräußerer bisher die Bildung von umfangreichen Arbeitszeitkonten ermöglicht hat. Dann besteht die Gefahr, dass der Erwerber später für Arbeitsleistungen zahlen muss, die nicht er, sondern der Veräußerer erhalten hat. Umgekehrt gilt allerdings auch, dass der Erwerber ggf. die Nacharbeit von Minusstunden auf den beim Veräußerer bestehenden Arbeitszeitkonten nacharbeiten lassen kann. Praxishinweis: Der Erwerber muss beachten, dass er ab einem bestimmten Umfang von Arbeitszeitguthaben, die ein Wertguthaben darstellen, ggf. zur Insolvenzsicherung gemäß § 7e SGB IV verpflichtet ist, sodass zusätzliche Kosten entstehen können. Für einen Erwerber stellen sich dabei vor allem zwei Fragen: 1. Muss er den Arbeitnehmern weiterhin die Bildung bzw. den Aufbau von Arbeitszeitkonten gestatten und 2. muss er die Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang je nach den zugrunde liegenden Regelungen gegen Weiterzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freistellen? Beide Fragen dürften in den meisten Fallgestaltungen zu bejahen sein. Hat der Veräußerer mit seinen Arbeitnehmern vereinbart, dass Mehrarbeitsstunden in ein sog. Arbeitszeitkonto fließen und daraus später einen Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts entsteht, handelt es sich um eine vertragliche Vereinbarung, die nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber übergeht.437 Rechtlich dürfte es sich um eine Abrede zur Leistung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) handeln. Für die übergehenden Arbeitnehmer ändert sich also nichts. Gleiches gilt für die Frage, ob der Erwerber die übergehenden Arbeitnehmer nach dem Betriebs(teil)übergang gegen Weiterzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freistellen muss. Praxishinweis: Dies gilt auch für eine mögliche Forderung der übergehenden Arbeitnehmer nach Auszahlung des Arbeitszeitguthabens. Das können sie in der Regel weder vom Veräußerer noch vom Erwerber verlangen. Auch sie müssen sich an der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung festhalten lassen. Der Anspruch ist ein Freistellungsanspruch. Wenn die Bildung oder der Abbau von Arbeitszeitkonten tarifvertraglich oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt sind, ist der Erwerber grundsätzlich ebenfalls daraus verpflichtet. Diese Rechtsfolge ergibt sich allerdings aus § 613a Abs. 1 Sätze 2 - 4 BGB. 437 LAG Hamm v. 22.02.2013 – 10 Sa 619/12. 144 o Werden daher Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen nach Satz 2 transformiert oder gelten sie normativ weiter, gehen die entsprechenden Rechte und Pflichten in Bezug auf Arbeitszeitkonten auf den Erwerber über. o Wenn allerdings eine beim Erwerber geltende kollektivrechtliche Regelung (insbesondere eine Betriebsvereinbarung) die beim Veräußerer geltende kollektivrechtliche Regelung über Arbeitszeitkonten gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ablöst, aber z. B. keine Bildung von Arbeitszeitkonten vorsieht, kann es zu Auszahlungs- oder Freistellungsansprüchen der übergehenden Arbeitnehmer kommen. g) Bezugnahme auf Tarifverträge aa) maßgebende Fragestellung § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ist die zutreffende Rechtsgrundlage, wenn zwischen dem Veräußerer und dem Arbeitnehmer Tarifverträge oder Tarifwerke nicht kraft Tarifgebundenheit (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 4 TVG), sondern nur kraft einer arbeitsvertraglich vereinbarten Bezugnahmeklausel gelten. Der übergehende Arbeitnehmer ist also nicht tarifgebunden. In diesem Fall stellen die in Bezug genommenen Tarifverträge schon vor Betriebsübergang arbeitsvertragliche Regelungen dar, für die nicht § 613a Abs. 1 Sätze 2 – 4 BGB gelten, sondern nur § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Im Hinblick auf Bezugnahmeklauseln stehen zwei Fragen im Vordergrund: 1. Können in Bezug genommene Tarifverträge durch beim Erwerber geltende tarifliche Regelungen ersetzt bzw. abgelöst werden und wenn ja, in welchem Umfang?438 2. Wie gelten die in Bezug genommenen Tarifverträge, die nicht abgelöst werden, bei nicht organisierten Arbeitnehmern nach Betriebsübergang weiter: Statisch oder dynamisch? Die Beantwortung der Fragen ist sowohl von der Tarifgebundenheit des Veräußerers als auch von der Bewertung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel abhängig: bb) Veräußerer nicht tarifgebunden Wenn der Veräußerer nicht tarifgebunden ist, aber dennoch kraft einer vertraglichen Vereinbarung oder betrieblichen Übung Tarifverträge auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer anwendet, geht diese Verpflichtung nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über. Zu beachten ist, dass das BAG Bezugnahmeklauseln grundsätzlich – außerhalb von Betriebsübergängen – im Zweifel als (kleine) dynamische Bezugnahmeklauseln auslegt.439 Dies hat zur Folge, dass der Erwerber in diesem Fall dazu verpflichtet ist, auf die Arbeitsverhältnisse der übergehenden Arbeitnehmer die in Bezug genommenen Tarifverträge ebenso anzuwenden, wie es der Veräußerer getan hat. Wenn der Veräußerer also bisher die in Bezug genommenen Tarifverträge dynamisch angewendet hat, d. h. den Arbeitnehmern tarifliche Änderungen hat zugutekommen lassen, gilt dies auch für den Erwerber. Die Arbeitnehmer nehmen in einer solchen Fallkonstellation an tariflichen Änderungen, insbesondere Entgelterhöhungen, auch nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs teil. 438 439 dazu unter D, II. 5. BAG v. 26.09.2001 – 4 AZR 544/00, NZA 2002, 634. 145 Beispiel: Der Erwerber E, Inhaber eines Textilunternehmens, erwirbt einen Betrieb, in dem der nicht tarifgebundene Veräußerer V ausschließlich kraft vertraglicher Vereinbarung die jeweils geltenden Entgelttarifverträge der Metallindustrie auf die Arbeitsverträge der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer angewendet hat. E ist gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB weiterhin verpflichtet, die jeweiligen Entgelttarifverträge der Metallindustrie anzuwenden, also insbesondere den übergehenden Arbeitnehmern auch in Zukunft die tariflichen Entgelterhöhungen zu zahlen. Muss der Erwerber die bisher nur kraft vertraglicher Vereinbarung angewendeten Tarifverträge auf die Arbeitsverhältnisse der übergehenden Arbeitnehmer dynamisch anwenden, kann er dies sofort nach Betriebsübergang ändern, da die einjährige Verschlechterungssperre des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht gilt. Änderungen sind jedoch – wie bei allen anderen übergegangenen arbeitsvertraglichen Regelungen – nur mittels einer einverständlichen Vertragsänderung (zu der der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist!) oder mittels einer Änderungskündigung (für die ein Kündigungsgrund benötigt wird!) möglich. Beides wird faktisch häufig nicht durchsetzbar sein. Eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 S. 3 BGB durch den beim Erwerber geltenden Tarifvertrag ist bei individualvertraglicher Bezugnahme nicht möglich. Das gilt selbst dann, wenn die Voraussetzungen des § 613a Abs. 1 S. 3 BGB erfüllt sind. Teilweise wird vertreten, dass diese Grundsätze durch die neuere Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Alemo-Herron440 in Frage gestellt würden. In einem aus dem Vereinigten Königreich kommenden Fall hat der EuGH entschieden, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, vorzusehen, dass Klauseln, die dynamisch auf nach dem Zeitpunkt des Übergangs verhandelte und abgeschlossene Kollektivverträge verweisen, gegenüber dem Erwerber durchsetzbar sind, wenn dieser nicht die Möglichkeit hat, an den Verhandlungen über diese nach dem Übergang abgeschlossenen Kollektivverträge teilzunehmen. Wenn dies nicht möglich sei, sei seine Vertragsfreiheit in einem Ausmaß reduziert, dass dies den Wesensgehalt seines Grundrechts auf unternehmerische Freiheit beeinträchtigen könne. Dies könne nur durch eine statische Bezugnahme ausgeglichen werden.441 Das BAG möchte an seiner Rechtsprechung festhalten und hat deshalb die Frage dem EuGH (erneut) vorgelegt.442 Praxishinweis: Da auch einige Landesarbeitsgerichte443 an der dynamischen Weitergeltung festhalten, sollte der Erwerber eher hiervon ausgehen. Für den Erwerber kann dies vor allem dann, wenn der Veräußerer einen günstigeren Tarifvertrag als den bei ihm geltenden angewendet hat, erhebliche finanzielle Belastungen zur Folge haben. Dem Erwerber bleibt dann allenfalls die Möglichkeit, künftige Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen anzurechnen oder, wenn dies wirksam vertraglich vereinbart wurde, Zulagen zu widerrufen. Letztendlich muss er die Bezugnahmeklauseln und sonstigen rechtlichen Möglichkeiten für jeden Fall gesondert prüfen. 440 EuGH v. 18.07.2013 – C-426/11. Tiedemann, ArbRB 2016, 83. 442 BAG v. 17.06.2015 – 4 AZR 61/14 (A); EuGH-Aktenzeichen: C-680/15. 443 LAG Bremen v. 12.08.2015 – 3 Sa 16/15, LAG Hamm v. 11.06.2015 – 17 Sa 1584/14; Sächs. LAG v. 24.03.2015 – 1 Sa 541/14; LAG Berlin-Brandenburg v. 19.06.2015 – 9 Sa 411/15; Hess. LAG v. 10.12.2013 – 8 Sa 537/13. 441 146 cc) Veräußerer tarifgebunden Anders kann sich die Rechtslage darstellen, wenn der Veräußerer tarifgebunden ist und auf die Arbeitsverhältnisse aller bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer die für ihn fachlich und räumlich einschlägigen Tarifverträge angewandt hat, entweder kraft normativer Wirkung wegen beidseitiger Tarifbindung oder aufgrund einer Bezugnahmeklausel. Praxishinweis: Bei einer Tarifbindung auch des Erwerbers kommt eine normative Weitergeltung oder eine Ablösung in Betracht. Für die tarifgebundenen Arbeitnehmer gilt § 613a Abs. 1 Satz 2 - 4 BGB. Die normativ geltenden Tarifverträge können nach dem Betriebsübergang normativ weitergelten, sie können durch den Tarifvertrag des Erwerbers abgelöst werden oder sie werden in die Arbeitsverhältnisse transformiert.444 Für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer ist wegen der seit der Schuldrechtsreform vorzunehmenden AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen gemäß § 305 f. i. V. m. § 310 Abs. 3 BGB zwischen Alt- und Neuverträgen zu unterscheiden. Für Arbeitsverträge, die vor dem 01.01.2002 abgeschlossen wurden (Altverträge), gewährt das BAG Vertrauensschutz in die bislang geltende Rechtsprechung zu Bezugnahmeklauseln. (1) Altverträge Für Bezugnahmeklauseln, die vor dem 01.01.2002 vereinbart wurden, nimmt die Rechtsprechung weiterhin an, dass es sich bei der Bezugnahmeklausel bzw. der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung um eine sog. Gleichstellungsklausel handelt. Diese habe nach alter Rechtsprechung445 nur den Zweck, organisierte und nicht organisierte Arbeitnehmer gleich zu behandeln. Bei organisierten Arbeitnehmern werden die tariflich geregelten Arbeitsbedingungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nur in dem Zustand transformiert, in dem sie sich zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs befanden – d. h. statische Fortgeltung. Sie nehmen an tariflichen Änderungen nach dem Betriebsübergang nicht mehr teil. Praxishinweis: Änderungen von Altverträgen mit Wiederholung der „alten“ Bezugnahmeklausel nach dem 01.01.2002 können zum Verlust des Vertrauensschutzes in die Rechtsprechung führen.446 Auch nach alter Rechtsprechung führte die Bezugnahmeklausel zur dynamischen Weitergeltung der Tarifverträge in folgenden Fällen: Das BAG lehnte dann eine Auslegung als Gleichstellungsabrede ab, wenn der Veräußerer die Bezugnahmeklausel zu einem Zeitpunkt vereinbart hat, zu dem er noch nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes war, auf dessen Tarifverträge er Bezug genommen hat.447 444 vgl. unten Kapitel D. III. BAG v. 11.12.2013 – 4 AZR 473/12, NZA 2014, 900; BAG v. 21.08.2002 – 4 AZR 263/01, NZA 2003, 442; BAG v. 24.11.1999 – 4 AZR 666/98, NZA 2000, 435; BAG v. 04.08.1999 – 5 AZR 642/98, NZA 2000, 154. 446 BAG v. 24.02.2010 – 4 AZR 691/08, BB 2010, 631. 447 BAG v. 01.12.2004 – 4 AZR 50/04, NZA 2005, 478. 445 147 Beispiel: 448 Das einem Metallarbeitgeberverband angehörende Unternehmen U gründet eine neue Tochtergesellschaft V, die mit ihren Arbeitnehmern vertraglich die Geltung der für U geltenden Tarifverträge vereinbart. Später tritt V in den gleichen Arbeitgeberverband ein. Unklar ist für Altverträge jedoch, ob dann zumindest für die Arbeitnehmer, die nach Verbandseintritt eingestellt wurden, die Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede verstanden werden kann. Die Auslegung einer Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede für Altverträge setzt zudem voraus, dass der Veräußerer die für ihn räumlich und fachlich einschlägigen Tarifverträge angewendet hat. Daher scheidet eine entsprechende Auslegung jedenfalls dann aus, wenn der Veräußerer auf einen fachfremden Tarifvertrag Bezug genommen hat.449 Dagegen ist eine Auslegung als Gleichstellungsklausel dann möglich und im Regelfall auch geboten, wenn ein tarifgebundenes Unternehmen die fachlich und räumlich einschlägigen Tarifverträge über deren räumlichen Geltungsbereich hinaus in allen Betrieben des Unternehmens anwendet.450 Die nicht organisierten Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmer in den Betrieben außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des in Bezug genommenen Tarifvertrages können sich in diesem Fall auf tarifliche Änderungen nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs nicht berufen; die Tarifverträge gelten also nur statisch weiter. Beispiel: 451 V ist Mitglied eines Metallarbeitgeberverbandes in Baden-Württemberg und wendet die zwischen dem zuständigen Metallarbeitgeberverband und der IG Metall abgeschlossenen Tarifverträge auch auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer an, die in Betrieben außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieser Tarifverträge beschäftigt werden. Der in NordrheinWestfalen beschäftigte, nicht organisierte Arbeitnehmer A geht auf den Erwerber E über und verlangt nun eine nach dem Betriebsübergang vereinbarte Erhöhung des Tarifentgelts. Die Klage wurde abgewiesen, da die in Bezug genommenen Tarifverträge wegen des Charakters der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede nur in dem Zustand weitergelten, in dem sie sich im Zeitpunkt des Betriebsübergangs befanden. Auch wenn die in Bezug genommenen Tarifverträge gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB statisch weitergelten, kann dies theoretisch nach Betriebsübergang geändert werden. Die einjährige Verschlechterungssperre des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB greift hier ebenfalls nicht ein. Allerdings ist eine Änderung nur durch eine einvernehmliche Vertragsänderung oder durch eine (betriebsbedingte) Änderungskündigung möglich. Das ist häufig faktisch nicht durchsetzbar. Praxishinweis: Will der Erwerber die tariflichen Arbeitsbedingungen an die in seinem Unternehmen bestehenden Arbeitsbedingungen (nach unten) anpassen, bleibt ihm zunächst nur der Weg, etwaige vertraglich wirksam vereinbarte Widerrufsvorbehalte auszunutzen. Ansonsten kann er wegen der statischen Weitergeltung der in Bezug genommenen Tarifverträ- 448 BAG v. 01.12.2004 – 4 AZR 50/04, NZA 2005, 478. BAG v. 16.05.2012 – 4 AZR 321/10, NZA 2012, 923; BAG v. 25.10.2000 – 4 AZR 506/99, NZA 2002, 100. 450 BAG v. 21.08.2002 – 4 AZR 263/01, NZA 2003, 442. 451 BAG v. 21.08.2002 – 4 AZR 263/01, NZA 2003, 442. 449 148 ge nur den Zeitablauf abwarten, da die Arbeitnehmer ja an tariflichen Entgelterhöhungen nicht teilnehmen. (2) Neuverträge Für Bezugnahmeklauseln, die nach dem 01.01.2002 vereinbart wurden, prüft die Rechtsprechung nun die Formulierung der Bezugnahmeklausel im Rahmen von § 305 f. BGB. Die bis dahin übliche Formulierung „Die einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie in … in ihrer jeweiligen Fassung sind Bestandteil dieser Vereinbarung." wird nicht mehr als Gleichstellungsabrede im oben genannten Sinne verstanden. Sie führt zur dynamischen Weitergeltung der in Bezug genommenen Tarifverträge nach dem Betriebsübergang.452 Für die nicht oder nicht kongruent tarifgebundenen Arbeitnehmer gilt somit § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ohne weitere Besonderheiten. Für die Reichweite der Inbezugnahme kommt es auf die Auslegung der jeweiligen Bezugnahmeklausel an. Praxishinweis: Die Tarifgebundenheit des (aktuellen) Arbeitgebers muss zur auflösenden Bedingung der Bezugnahmeklausel gemacht werden. Entsprechend gestaltete Bezugnahmeklauseln verhindern eine statische Weitergeltung der bisherigen Tarifverträge nach dem Betriebsübergang beim nicht oder anderweitig tarifgebundenen Erwerber. Nachfolgend eine Mustervertragsklausel hierfür: „Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Betrieb räumlich und fachlich geltenden, mit der IG Metall vereinbarten Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung, sofern der Beschäftigte jeweils unter den persönlichen Geltungsbereich fällt. Dies gilt nur, soweit und solange der Arbeitgeber an diese Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 TVG gebunden ist. Satz 1 gilt nicht, wenn aufgrund beidseitiger Tarifbindung für den Beschäftigten andere Tarifverträge gelten und im Betrieb anzuwenden sind. Im Fall des Übergangs des Betriebes oder eines Betriebsteils auf einen anderweitig tariflich gebundenen Erwerber sind die für diesen normativ geltenden, den Betrieb räumlich und fachlich erfassenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung anzuwenden. Satz 2 gilt entsprechend.“ Die Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Gleichstellungsabrede ist nicht unumstritten: In der Literatur wurde sie bereits unter Bezug auf die sog. „Werhof-Entscheidung“453 des EuGH kritisiert.454 Der EuGH hat in dieser Entscheidung bestätigt, dass nur kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklausel geltende Tarifverträge gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber übergehen: Beispiel: Der Kläger war bei einem tarifgebunden M+E-Unternehmen beschäftigt. Er selbst war nicht Mitglied der IG Metall. Nach dem Arbeitsvertrag fanden die Tarifverträge der M+E-Industrie Anwendung. Am 01.10.1999 fand ein Betriebsübergang auf einen nichttarifgebundenen Erwerber statt. Der Kläger verlangte u. a. von diesem die vereinbarte Zahlung der Tarifentgelterhöhung 452 BAG v. 18.11.2009 – 4 AZR 514/09, NZA 2010, 170; BAG v. 18.04.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965; BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607. 453 EuGH v. 09.03.2006 – C 499/04, NZA 2006, 376. 454 Nicolai, DB 2006, 670. 149 um 2,6 % ab dem 01.06.2003. Der Erwerber berief sich auf eine (nur) statische Anwendung der Tarifverträge der M+E-Industrie nach dem Betriebsübergang. Das LAG Düsseldorf legte die Bezugnahmeklausel als sog. Gleichstellungsabrede aus und ging ebenfalls von einer statischen Verweisung aus. Es legte dem EuGH aber die Frage vor, ob § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB mit dem Europarecht vereinbar sei. Der Gerichtshof stellte fest, dass der Richtlinie nicht zu entnehmen sei, dass der Erwerber durch andere als die zum Zeitpunkt des Übergangs geltenden Kollektivverträge gebunden sein soll. Änderungen der Kollektivverträge nach dem Betriebsübergang seien nicht zu berücksichtigen. Der EuGH erkennt an, dass sich der Erwerber auf das Grundrecht der (negativen) Vereinigungsfreiheit berufen könne. Dies spricht gegen eine dynamische Weitergeltung von Tarifverträgen gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB. Das BAG sah sich bisher jedoch nicht veranlasst, von seiner Rechtsprechungsänderung zur Gleichstellungsabrede abzurücken.455 Es argumentiert, dass sich der EuGH bisher zwar nicht für, aber auch nicht gegen eine Auslegung im Sinne einer Dynamik ausgesprochen habe. Ein Verstoß gegen die negative Vereinigungsfreiheit komme im Übrigen nur bei kollektivrechtlicher, nicht bei individualvertraglicher Bindung in Betracht. Durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Alemo-Herron wurde diese Argumentation des BAG erneut in Frage gestellt.456 Die negative Vereinigungsfreiheit sei auch im Einklang mit der primärrechtlich geschützten Unternehmerfreiheit zu sehen. Eine Regelung, wonach ein Betriebserwerber einer durchsetzbaren dynamischen Bindung an Kollektivverträge ausgesetzt sei, ohne dass er eine Einflussmöglichkeit auf deren Verhandlung habe, sei mit Art. 3 RL 2001/23 nicht vereinbar. Von den Landesarbeitsgerichten wird diese Argumentation teils zustimmend aufgegriffen457, teils für nicht übertragbar erachtet458. Das BAG hat die Frage erneut dem EuGH vorgelegt. 459 Die Entscheidung des EuGH bleibt abzuwarten. Praxishinweis: Vor dem Hintergrund dieser unsicheren Rechtslage ist eine Berufung auf die frühere Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede nach wie vor riskant. Unklare Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen nach dem 01.01.2002 – z. B. solche, die keine Regelung zum Betriebsübergang vorsehen – beinhalten für den Erwerber weiterhin die Gefahr, dass die tariflichen Regelungen des Veräußerers dynamisch weitergelten. 455 BAG v. 23.09.2009 – 4 AZR 331/08, NZA 2010, 513. EuGH v. 18.07.2013 – C-426/11, NZA 2013, 835. 457 Sächsisches LAG v. 25.07.2014 – 3 Sa 128/14. 458 Hessisches LAG v. 25.03.2014 – 8 Sa 1150/13. 459 BAG v. 17.06.2015 – 4 AZR 61/14 (A); Aktenzeichen EuGH: C-680/15. 456 150 Zusammenfassender Überblick Wirkung Bezugnahmeklauseln § 613a BGB Veräußerer nicht tarifgebunden Bezugnahmeklausel wirkt wie beim Erwerber so auch beim Veräußerer i. d. R. dynamische Wirkung Veräußerer tarifgebunden Altverträge vor dem 01.01.2002: Neuverträge nach dem 01.01.2002 i. d. R. statische Wirkung als sog. Gleichstellungsabrede Abhängig von der Formulierung der Bezugnahmeklausel (§ 305 f. BGB) Voraussetzung: räumlich und fachlich einschlägiger Tarifvertrag Tarifgebundenheit nicht Bedingung der Verweisung = dynamische Wirkung 2. Übergang von Ansprüchen aus Gesamtzusage und betrieblicher Übung a) Regelungen beim Veräußerer Sowohl die Gesamtzusage als auch die betriebliche Übung stellen nach der Rechtsprechung des BAG individualvertragliche Regelungsinstrumente dar, sodass auf diesen Grundlagen erbrachte Leistungen des Arbeitgebers Vertragsbestandteil werden. Wenn daher im Betrieb des Veräußerers solche Regelungen bestanden, gehen sie nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über; sie bleiben Bestandteil der Arbeitsverhältnisse.460 Muss der Erwerber eines Betriebs oder Betriebsteils nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB Verpflichtungen aus einer Gesamtzusage oder einer betrieblichen Übung übernehmen, hat dies regelmäßig nicht zur Folge, dass auch die ursprünglich bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer den gleichen Anspruch wie die übernommenen Arbeitnehmer erwerben. Eine betriebliche Übung, auf die sich die im Zuge eines Betriebs(teil)übergangs übergegangenen Arbeitnehmer berufen können, gilt nur für diese Arbeitnehmer. Die ursprünglich beim Erwerber beschäftigten Arbeitnehmer können keinen Anspruch geltend machen; sie können sich auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen.461 Beispiel: Der Erwerber E führt bereits ein Reinigungsunternehmen. Er übernimmt von einem Betrieb des Veräußerers V die Reinigungsabteilung samt den dieser zuzuordnenden Arbeitnehmern. Die übergegangenen Arbeitnehmer haben aufgrund einer dreimaligen vorbehaltlosen Gewährung beim Veräußerer einen Anspruch auf die Zahlung von Urlaubsgeld erworben (betriebliche Übung). Die schon bisher bei E angestellten Arbeitnehmer können nicht die Zahlung von Urlaubsgeld verlangen. 460 461 BAG v. 03.11.2004 – 5 AZR 73/04 – zur betrieblichen Übung. BAG v. 14.11.2001 – 10 AZR 152/01, NZA 2002, 527. 151 Praxishinweis: Es dürfte sich in solchen Fällen empfehlen, den ursprünglichen Arbeitnehmern mitzuteilen, dass sie an eventuellen Ansprüchen der übergehenden (und eingegliederten) Arbeitnehmer nicht teilhaben werden. Damit wird das Risiko, dass dem Erwerber eine Willenserklärung unterstellt wird oder sich ein schutzwürdiges Vertrauen bilden könnte, vermieden. In besonderen Fallkonstellationen kann es auch zur Ablösung durch kollektivrechtliche Regelungen kommen.462 Verspricht der Veräußerer Leistungen nach dem Betriebsübergang im Wege einer Gesamtzusage (z. B. eine Sonderprämie nach Ablauf des Geschäftsjahres) und werden von dieser Zusage auch die übergegangenen Arbeitnehmer erfasst463, muss der Erwerber hierfür nicht einstehen. Die entsprechende Verpflichtung bestand nicht im Zeitpunkt des Betriebsübergangs. Insoweit besteht eine Parallele zu tariflichen Regelungen, die (rückwirkend) erst nach dem Betriebsübergang abgeschlossen werden; auch insoweit wird eine Einstandspflicht des Erwerbers abgelehnt.464 b) Regelungen beim Erwerber Umgekehrt stellt sich vor allem bei der Eingliederung eines übernommenen Betriebes oder Betriebsteils in den Betrieb des Erwerbers die Frage, ob die übergehenden Arbeitnehmer Ansprüche aus den im Erwerberbetrieb geltenden Gesamtzusagen oder betrieblichen Übungen erwerben. Wenn der Erwerber gegenüber den übergehenden Arbeitnehmern keine ausdrückliche Erklärung des Inhalts abgibt, dass die insoweit bei ihm geltenden Regelungen nicht auf ihre Arbeitsverhältnisse angewendet werden, nehmen die übergehenden Arbeitnehmer auch an diesen Regelungen teil. Der Erwerber hat jedoch – ebenso wie bei neu eintretenden Arbeitnehmern – die Möglichkeit, gegenüber den übergehenden Arbeitnehmern durch ausdrückliche Erklärung die Geltung einer Gesamtzusage oder einer betrieblichen Übung auszuschließen.465 Nicht ausreichend dürfte es sein, wenn der Erwerber lediglich die aufgrund einer Gesamtzusage oder betrieblichen Übung zugesagten Leistungen den übergehenden Arbeitnehmern nicht gewährt.466 Praxishinweis: Diese Erklärung des Erwerbers sollte in die nach § 613a Abs. 5 BGB zu erteilende Information aufgenommen werden. Dieser Hinweis kann auch Inhalt eines gemeinsamen Informationsschreibens durch den Veräußerer und den Erwerber sein. Zu beachten ist außerdem der Gleichbehandlungsgrundsatz. Allein die Anknüpfung an Stammbelegschaft und übernommene Belegschaft ist nach der Rechtsprechung jedenfalls kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung.467 Das Ziel einer Anpassung des Vergütungsniveaus ist ggf. konkret nachzuweisen. 462 vgl. unten Kapitel D. II. 5. BAG v. 22.01.2003 – 10 AZR 395/02, NZA 2003, 576. 464 BAG v. 13.09.1994 – 3 AZR 148/94, NZA 1995, 740. 465 BAG v. 10.08.1988 – 5 AZR 571/87, NZA 1988, 57; LAG Hamm v.v 27.05.2004 – 8 Sa 1943/03. 466 BAG v. 10.08.1988 – 5 AZR 571/87, NZA 1988, 57. 467 BAG v. 14.03.2007 – 5 AZR 420/06, NZA 2007, 862. 463 152 Zusammenfassender Überblick Betriebliche Übung und Gesamtzusage § 613a BGB Beim Veräußerer Übernommene Arbeitnehmer Bisherige Arbeitnehmer beim Erwerber Ansprüche gehen auf Erwerber über, Kein Anspruch, auch nicht aus Gleichbehandlungsgrundsatz ggf. Ablösung durch kollektive Regelung beim Erwerber Beim Erwerber Übernommene Arbeitnehmer Ansprüche können – wie für neu eintretende Arbeitnehmer – bei Vorliegen eines sachlichen Grundes durch ausdrückliche Erklärung ausgeschlossen werden Bisherige Arbeitnehmer beim Erwerber Ansprüche unverändert 3. Übergang „nichtarbeitsrechtlicher“ Verträge Als sog. „nichtarbeitsrechtliche“ Beziehungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien werden solche Verträge bezeichnet, die zwar in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, rechtlich aber dennoch unabhängig von ihm sind. Es handelt sich insbesondere um Kaufverträge (mit Personalrabatten), Darlehensverträge sowie Mietverträge über Werk- und Werkdienstwohnungen. Den Arbeitnehmern werden hier häufig Sonderkonditionen gewährt. Bereits darauf kann – oft auch kraft betrieblicher Übung – ein Anspruch entstehen, der dann nach den o. g. Grundsätzen auf den Erwerber übergeht. Eine davon zu trennende Frage ist, ob die Verträge selbst – mit unverändertem Inhalt – auf den Erwerber übergehen. a) Kaufverträge Kaufverträge, die der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern abgeschlossen hat (z. B. über Jahreswagen), gehen nicht auf den Erwerber über. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet nur an, dass der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. Bei rechtlich selbstständigen Kaufverträgen handelt es sich aber nicht um Bestandteile des Arbeitsverhältnisses, sodass ein Übergang nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ausscheidet. Der bloße Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis reicht nicht aus, um von einem Wechsel des Vertragspartners ausgehen zu können. Damit können insbesondere Gewährleistungsansprüche nach wie vor nur gegen den Veräußerer geltend gemacht werden. Allerdings kann der Erwerber aus einem anderen Rechtsgrund, z. B. §§ 25, 28 HGB haften. 153 b) Arbeitgeberdarlehen Arbeitgeberdarlehen gehen nach der Rechtsprechung des BAG nicht auf den Erwerber über, wenn ein vom Arbeitsverhältnis unabhängiger, eigenständiger Darlehensvertrag abgeschlossen wurde.468 Wird ein Darlehen durch eine Grundschuld abgesichert, geht diese ebenfalls nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über, da zu den übergehenden Rechten nur schuldrechtliche, nicht aber dingliche Ansprüche gehören.469 Wurde dem Arbeitnehmer jedoch ein Gehaltsvorschuss gewährt, der unzutreffend als „Darlehen“ bezeichnet wurde, geht der entsprechende Rückforderungsanspruch mitsamt einer Auf- oder Verrechnungsbefugnis auf den Erwerber über.470 Gleiches kann bei der Verknüpfung eines Darlehens mit dem Bestand des Arbeitsverhältnisses gelten.471 Beispiel: Arbeitnehmer A erhielt von seinem Arbeitgeber D einen sog. Baukostenvorschuss. Nach der Vereinbarung hat ein Ausscheiden aus dem Unternehmen die vollständige und sofortige Rückzahlung zur Folge. Auch werden solche „Baukostenvorschüsse“ nur bei Familienwohnungen bis zu einer bestimmten Entfernung vom Arbeitsort gewährt. Vor der vollständigen Rückzahlung erfolgte ein Teilbetriebsübergang auf die B. Der bisherige Arbeitgeber D vertritt die Auffassung, dass die Rechte und Pflichten aus dem Darlehensvertrag nicht auf die B übergegangen seien, sondern mit dem Ausscheiden des A zur Rückzahlung fällig wurden. Das Gericht widerspricht dieser Auffassung und urteilt, dass sich der Schutz des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB wegen der Ausgestaltung des Darlehens, insbesondere der Verknüpfung mit dem Bestand des Arbeitsverhältnisses, auch auf die Rechte und Pflichten aus dem Darlehensvertrag beziehen. c) Werk- und Werkdienstwohnungen Bei der Überlassung von Werkswohnungen ist zwischen Werkmiet- (§§ 576, 576a BGB) und Werkdienstwohnungen (§§ 576b BGB) zu unterscheiden. Bei der Werkdienstwohnung gehört das Wohnrecht zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses und geht daher mit dem Arbeitsverhältnis über. Anders sieht dies bei Werkmietwohnungen aus. Sofern ein rechtlich selbstständiger Mietvertrag besteht, d. h. keine Zusage im Arbeitsvertrag enthalten ist, wird dieser von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erfasst.472 d) Wettbewerbsverbote aa) Vertragliche Wettbewerbsverbote Das im bestehenden Arbeitsverhältnis für jeden Arbeitnehmer geltende Wettbewerbsverbot nach § 60 HGB wird durch den Betriebsübergang inhaltlich nicht berührt. Es kommt jedoch zu einem Wechsel des Berechtigten. Die Arbeitnehmer haben sich auch nach dem Betriebsübergang ausschließlich dem Erwerber gegenüber jedes Wettbewerbs zu enthalten. Durch den Betriebsübergang kann sich jedoch die Reichweite des Wettbewerbsverbots ändern. Dieser Fall tritt insbesondere dann ein, wenn das Unternehmen des Erwerbers einen 468 BAG v. 21.01.1999 – 8 AZR 373/97, n.v. BAG v. 21.01.1999 – 8 AZR 373/97, n.v. 470 Schiefer, Rn. 148b. 471 LAG Köln v. 18.05.2000 – 10 Sa 50/00, NZA-RR 2001, 174. 472 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 77. 469 154 anderen (Geschäfts-)Zweck als das Unternehmen des Veräußerers verfolgt. 473 Dies betrifft vor allem einen Betriebsteilübergang, da mit einem Betriebsteil i. d. R. kein eigener Geschäftszweck verfolgt wird. Die Folge kann sein, dass dem Arbeitnehmer nach Betriebsübergang andere Nebentätigkeiten verboten sind als vor dem Betriebsübergang. Beispiel: Arbeitnehmer A ist Programmierer bei einer Softwarefirma V, die von einem Mediengroßunternehmen E erworben wird. E nutzt den übernommenen Softwarebetrieb nur für interne Zwecke. A war es vor dem Betriebsübergang untersagt, auf privater Grundlage Programmierarbeiten durchzuführen. Nach dem Betriebsübergang ist er hierzu befugt. Der umgekehrte Beispielsfall ist strittig. Bei Anwendung des dargestellten Grundsatzes ist dem Arbeitnehmer aber wohl eine gewisse Übergangsfrist zur Beendigung seiner Tätigkeit zuzugestehen.474 bb) Nachvertragliche Wettbewerbsverbote (1) Bei Übergang des Arbeitsverhältnisses Ein bereits im Arbeitsvertrag bzw. während des laufenden Arbeitsverhältnisses vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot geht ebenso wie alle anderen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über.475 Praxishinweis: Der Veräußerer kann in diesem Fall aus der nachvertraglichen Wettbewerbsabrede keine Rechte mehr geltend machen. Alle Voraussetzungen des Wettbewerbsverbots richten sich dann nach dem neuen Arbeitgeber. Hat das Unternehmen des Erwerbers einen anderen Geschäftszweck als das Unternehmen des Veräußerers und hat der Erwerber daher kein berechtigtes Interesse an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots, wird dieses unverbindlich. Der Arbeitnehmer hat daher das Wahlrecht zwischen der Berufung auf die Unverbindlichkeit oder der Einhaltung des Wettbewerbsverbots. Im Schrifttum wird in solchen Fällen vertreten, das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung anzupassen. Wegen der vielfältigen Probleme bei den Einzelheiten wird jedoch eine einvernehmliche Vertragsanpassung empfohlen.476 Das hätte für den Erwerber den Vorteil, dass er mit dem übergehenden Arbeitnehmer kein neues nachvertragliches Wettbewerbsverbot abschließen muss, sondern einen entsprechenden Anpassungsanspruch geltend machen kann. Notwendig ist ein berechtigtes Interesse des Erwerbers.477 Praxishinweis: Es ist vor diesem Hintergrund zu empfehlen, mit den übergehenden Arbeitnehmern, mit denen der Veräußerer ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart hatte, zeitnah zum Betriebsübergang in Verhandlungen über eine ggf. notwendige Änderung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots einzutreten. 473 Willemsen, Teil G, Rn. 182. Willemsen, Teil G, Rn. 183. 475 BAG v. 27.11.1991 – 4 AZR 211/91, NZA 1992, 800. 476 Willemsen, Teil G, Rn. 184. 477 BAG v. 26.09.1963 – 5 AZR 61/63, DB 1963, 1682; ErfK, Oetker, § 74 HGB, Rn. 25. 474 155 Es sollte nicht abgewartet werden, ob die Arbeitsgerichte nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers ggf. die Vereinbarung anpassen oder nicht. In diesem Fall besteht das Risiko, dass das ursprünglich vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot leer läuft. Der Erwerber sollte klären, bei welchen Arbeitnehmern eine Änderung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots angezeigt ist. Besteht für den Erwerber kein Nutzen an einem Wettbewerbsverbot mehr, kann sich auch ein Verzicht nach § 75a HGB anbieten. In diesem Fall wird der Erwerber ggf. nach Ablauf eines Jahres von der Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung frei. (2) Beendete / Nicht übergehende Arbeitsverhältnisse Anders sieht die Rechtslage bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten (§§ 74 ff. HGB) aus, die der Veräußerer mit ausscheidenden Arbeitnehmern vereinbart hat. Sie gehen – anders als vertragliche Wettbewerbsverbote – jedenfalls nach dem Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht auf den Erwerber über, da es sich bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot erstens nicht um eine arbeitsvertragliche Verpflichtung handelt und zweitens das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Betriebsübergangs nicht mehr besteht. Eine Anwendung von § 613a BGB (unmittelbar oder analog) wird von der überwiegenden Literatur478 und von der Rechtsprechung479 verneint. Folgt man der herrschenden Meinung, bedeutet das Folgendes: Ist der Arbeitnehmer bereits einige Zeit vor dem Betriebsübergang ausgeschieden und enthält er sich einerseits des Wettbewerbs und zahlt der Veräußerer anderseits aufgrund des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots die Karenzentschädigung, ändert sich durch den Betriebsübergang nichts; auch wenn das Interesse des Veräußerers an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots dadurch entfällt. Geht das Arbeitsverhältnis aufgrund des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang nicht auf den Erwerber über und kündigt ihm daraufhin der Veräußerer betriebsbedingt, geht das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ebenfalls nicht auf den Erwerber über. Es gilt weiterhin ausschließlich im Verhältnis Veräußerer und Arbeitnehmer. Der Erwerber kann also vom Arbeitnehmer keine Wettbewerbsunterlassung fordern. Entfällt durch den Betriebsübergang das berechtigte geschäftliche Interesse des Veräußerers an dem vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbot, wird es gemäß § 74a Abs. 1 HGB unverbindlich. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, in dem die Rechte aus dem Wettbewerbsverbot geltend gemacht werden.480 Das hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer zu Beginn der Karenzzeit481 ein Wahlrecht hat, ob er die Rechte aus dem Wettbewerbsverbot geltend machen will oder nicht.482 Der Arbeitnehmer könnte zu einem Konkurrenzunternehmen wechseln, ohne dass der Veräußerer oder der Erwerber ihn daran hindern können. Praxishinweis: In der Praxis sollte die Problematik ggf. bereits im Vorfeld des Betriebsübergangs geklärt werden. In Betracht kommt entweder eine Überleitung der Wettbewerbsvereinbarung auf den Erwerber483 oder ein Verzicht des Arbeitnehmers auf die Ausübung seines Widerspruchsrechts 478 Willemsen, Teil G, Rn. 183. LAG Köln v. 08.07.2011 – 10 Sa 398/11; Hessisches LAG v. 03.05.1993 – 10 SaGa 345/93, NZA 1993, 1033. 480 BAG v. 28.01.1966 – 3 AZR 374/65, DB 1966, 585; ErfK-Oetker, § 74a HGB, Rn. 2. 481 BAG v. 22.05.1990 – 3 AZR 647/88, NZA 1991, 263. 482 BAG v. 22.05.1990 – 3 AZR 647/88, NZA 1991, 263; LAG Hamm v. 14.02.2012 – 14 Sa 1385/11. 483 Hessisches LAG v. 03.05.1993 – 10 SaGa 345/93, NZA 1994, 1033. 479 156 gemäß § 613a Abs. 6 BGB.484 Beides ist nur unter Mitwirkung des Arbeitnehmers möglich, sodass dieser eine starke Verhandlungsposition hat. Ob man auf den jeweiligen Arbeitnehmer zugeht, sollte daher im Einzelfall entschieden werden. Der Veräußerer sollte sich rechtzeitig vor dem Betriebsübergang (bzw. in jedem Fall vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses) Gedanken über einen möglichen Verzicht nach § 75a HGB machen. 4. Übernahme nichtarbeitsrechtlicher Verpflichtungen (insbesondere sozialversicherungs- und steuerrechtliche Ansprüche) § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB beschränkt die Übernahmeverpflichtung des Erwerbers auf (vertragliche) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Damit werden gesetzliche Ansprüche, die auf öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen beruhen, von § 613a BGB nicht erfasst, sodass der Erwerber aus diesem Rechtsgrund nicht für rückständige Verbindlichkeiten des Veräußerers haftet.485 Er haftet damit für die Ansprüche der Sozialversicherungsträger und des Finanzamts erst ab dem Zeitpunkt, in dem er in die Arbeitgeberstellung einrückt. Es kommt allerdings bei Erfüllung der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen eine Haftung auch für rückständige gesetzliche Verbindlichkeiten des Veräußerers nach den §§ 25, 28 HGB in Betracht.486 5. Ablösung vertraglicher Ansprüche durch kollektivrechtliche Regelungen a) Ablösung durch Tarifvertrag Für den Erwerber stellt sich die Frage, ob die einzelvertraglichen Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer, die nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf ihn übergehen, durch tarifvertragliche Regelungen abgelöst werden können. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB greift insoweit nicht ein, weil diese Vorschrift nur den Fall der Ablösung von beim Veräußerer geltenden tariflichen oder betrieblichen Regelungen und damit gerade nicht von einzel- bzw. individualvertraglichen Regelungen erfasst. Praktisch relevant wird diese Frage immer dann, wenn ein tarifgebundenes Unternehmen einen bisher nicht tarifgebundenen Betrieb oder Betriebsteil übernimmt und die tariflich geregelten Arbeitsbedingungen für die übergehenden Arbeitnehmer ungünstiger als die bzw. einige einzelvertraglich vereinbarten Regelungen sind Die Tarifverträge können dann angewendet werden, wenn dies zwischen dem Erwerber und den übergehenden Arbeitnehmern vereinbart wird. Dafür ist eine praktisch kaum realisierbare Änderungsvereinbarung mit den Arbeitnehmern notwendig. Die einjährige Verschlechterungssperre gilt für § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht. Eine Ablösung der individualrechtlichen Regelung durch Tarifverträge aufgrund einer beiderseitigen Tarifbindung gemäß § 4 Abs. 1 TVG oder einer Geltung von Tarifverträgen kraft betrieblicher Übung im Erwerberbetrieb scheitert i. d. R. am sog. Günstigkeitsprinzip. Zwar greift der Tarifvertrag unmittelbar dann ein, wenn beide Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden sind, also auch die übergehenden Arbeitnehmer Mitglieder in der tarifzuständigen Gewerkschaft sind. Im Verhältnis Tarifvertrag-Arbeitsvertrag gilt aber auch in dieser Fallkonstellation das Günstigkeitsprinzip. Die Verschlechterung der individualrechtlichen An484 zur Zulässigkeit eines solchen Verzichts siehe Kapitel C. ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 81. 486 vgl. Kapitel J. V. 485 157 sprüche der übergehenden Mitarbeiter ist deshalb durch ablösende Tarifverträge nicht möglich. Das Gleiche gilt auch, wenn die Geltung von Tarifverträgen kraft betrieblicher Übung im Erwerberbetrieb erreicht wird487. Zwar werden die übergegangenen Arbeitnehmer i. d. R. auch von einer im Erwerberbetrieb geltenden betrieblichen Übung erfasst, diese ist jedoch ungünstiger als ihre bisherige arbeitsvertragliche Regelung. Auch gelten die günstigeren Regelungen weiter. Beispiel: Das metallverarbeitende Unternehmen E, Mitglied eines tarifschließenden Metallarbeitgeberverbandes, übernimmt von dem Unternehmen V, das nicht Verbandsmitglied ist, einen Betriebsteil. Die dort beschäftigten Arbeitnehmer hatten einen jährlichen Urlaubsanspruch von 32 Tagen. Sie können diesen Anspruch auch gegenüber E geltend machen, obwohl der einschlägige Metallmanteltarifvertrag nur einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen vorsieht. Für den Erwerber ist dies nachteilig. Er kann die Weitergeltung günstigerer einzelvertraglicher Regelungen auch dann nicht verhindern, wenn er die für ihn (normativ) geltenden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis anwendet. Er ist darauf angewiesen, dass sich die Arbeitnehmer einzelvertraglich mit einer Anwendung der Tarifverträge unter vollständiger Ablösung aller (d. h. auch günstigerer) einzelvertraglicher Regelungen einverstanden erklären. Praxishinweis: Für den Erwerber kann eine arbeitsvertraglich vereinbarte Bezugnahme auf die für ihn geltenden Tarifverträge trotz des Fortbestands günstigerer Regelungen sinnvoll sein, weil er dann zumindest hinsichtlich der tariflich geregelten Arbeitsbedingungen eine Gleichbehandlung der Arbeitnehmer herbeiführt, die für die Personalabteilung und die Buchhaltung einfacher zu handhaben ist. Will der Erwerber aber verhindern, dass die bei ihm geltenden Tarifverträge auch auf die Arbeitsverhältnisse der übergehenden Arbeitnehmer Anwendung finden, kann er versuchen, diesen Arbeitnehmern gegenüber die Geltung dieser Tarifverträge ausdrücklich auszuschließen. Die übergehenden Arbeitnehmer haben es dann jedoch in der Hand, durch einen Beitritt in die für den Erwerber bzw. seinen Verband tarifzuständige Gewerkschaft die normative Wirkung der Tarifverträge herbeizuführen. Die Erstreckung der beim Erwerber geltenden Tarifverträge kann aber dadurch verhindert werden, dass die Arbeitnehmer auf einen eigenen – ggf. neu gegründeten – Unternehmensträger übergehen, der seinerseits nicht tarifgebunden ist. In einem solchen Fall besteht für den Erwerber allerdings die Gefahr, dass die dann tarifzuständige Gewerkschaft versuchen wird, einen Firmen- bzw. Anerkennungstarifvertrag mit ihm zu schließen. b) Ablösung durch Betriebsvereinbarung Auch im Verhältnis zwischen „echten“ individuellen Vertragsvereinbarungen und Betriebsvereinbarung gilt grundsätzlich das Günstigkeitsprinzip.488 Dabei ist es unerheblich, ob die vertragliche Abrede vor oder nach dem Abschluss der Betriebsvereinbarung getroffen wurde.489 487 BAG v. 19.01.1999 – 1 AZR 606/98, NZA 1999, 879, 881; BAG v. 17.04.2002 – 5 AZR 89/01, NZA 2002, 1096, 1097. 488 BAG GS v. 07.11.1989 – GS 3/85, NZA 1990, 816. 489 Fitting, § 77 BetrVG, Rn. 197. 158 Vom Günstigkeitsprinzip kann in zwei Ausnahmefällen abgewichen werden: 1. Die arbeitsvertraglichen Regelungen sind betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. 2. Die arbeitsvertragliche Regelung beruht auf einer betrieblichen Übung oder einer Gesamtzusage und die ablösende Betriebsvereinbarung ist kollektiv günstiger. Ist die arbeitsvertragliche Regelung, die nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber übergeht, unter den Vorbehalt der Änderung durch eine Betriebsvereinbarung gestellt, so ist eine Ablösung durch eine Betriebsvereinbarung im Erwerberbetrieb möglich. Das BAG hat eine solche Ablösung bei betriebsvereinbarungsoffenen Arbeitsverträgen anerkannt.490 Da Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG normativ auf alle Arbeitsverhältnisse einwirken, muss ihre Geltung nicht vertraglich vereinbart werden. Allerdings lebt der Anspruch dann wieder vollständig auf, wenn die Betriebsvereinbarung endet.491 Sind Arbeitsbedingungen durch Gesamtzusage oder betriebliche Übung geregelt, können sie ebenfalls durch eine Betriebsvereinbarung abgelöst werden. Dabei ist das vom BAG entwickelte sog. kollektive Günstigkeitsprinzip zu beachten, nach dem die Regelung insgesamt für die Belegschaft nicht ungünstiger als die bisherige Regelung sein darf.492 Damit werden insbesondere umstrukturierende Betriebsvereinbarungen zulässig. Praxishinweis: Soweit dies allerdings in Zusammenhang mit einem Betriebs(teil)übergang steht, ist zu beachten, ob die neue Betriebsvereinbarung nur die übergegangenen Arbeitnehmer oder alle, d. h. auch die schon beim Erwerber angestellten Arbeitnehmer erfassen soll. Wenn nur die Arbeitsbedingungen der übergegangenen Arbeitnehmer gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auf eine neue Grundlage gestellt werden sollen, wird es beim kollektiven Günstigkeitsvergleich nur auf diese Arbeitnehmer-Gruppe ankommen. Wenn die Betriebsvereinbarung hingegen – dies kann bei der Eingliederung des erworbenen Betriebes oder Betriebsteils in den vorhandenen Betrieb des Erwerbers der Fall sein – die gesamte Belegschaft, also die bereits beim Erwerber angestellten und die übergegangenen Arbeitnehmer erfassen soll, wird man beim Günstigkeitsvergleich auf die gesamte Belegschaft abstellen müssen. Die vorstehend dargestellten Grundsätze gelten jedenfalls dann, wenn es sich um Ansprüche der Arbeitnehmer auf Entgelt bzw. Entgeltzusatzleistungen handelt. Unklar ist die Rechtslage, wenn es um Betriebsvereinbarungen geht, die andere Arbeitsbedingungen als Entgelt(zusatz)leistungen regeln, also z. B. Lage und Verteilung der Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG oder Fragen der Ordnung des Betriebes gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Beispiel: In den Arbeitsverträgen der übergehenden Arbeitnehmer ist der Beginn der täglichen Arbeitszeit mit 8:00 Uhr und ihr Ende mit 16:30 geregelt. Der Erwerber will den bisher betriebsratslosen Be- 490 BAG GS v. 16.09.1986 – 1 GS 1/82, NZA 1987, 168; BAG v. 16.11.2011 – 10 AZR 60/11, NZA 2012, 349. 491 BAG v. 28.03.2000 – 1 AZR 366/99, NZA 2001, 49. 492 BAG GS v. 16.09.1986 – GS 1/82, NZA 1987, 168. 159 trieb/Betriebsteil in seinen Betrieb eingliedern. Dort gilt jedoch eine Betriebsvereinbarung, die den täglichen Arbeitsbeginn auf 7:30 Uhr und ihr Ende auf 16:00 festlegt. Eine Ablösung erfolgt in diesen Fällen, wenn der Arbeitgeber die fragliche Arbeitsbedingung auch im Wege seines Direktionsrechts hätte ändern können, wie es z. B. bei der Lage der Arbeitszeit häufig der Fall ist (§ 106 GewO). Es kommt daher darauf an, ob die vertragliche Regelung tatsächlich die Lage und Verteilung abschließend regelt oder ob sie so auszulegen ist, dass dem Arbeitgeber das Weisungsrecht hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit verbleiben soll. Nur wenn die vertragliche Vereinbarung die Lage der Arbeitszeit verbindlich festlegt, ist eine Änderung über eine Betriebsvereinbarung nicht möglich. Es bleibt dann nur der Weg der Änderungskündigung. Insoweit sind die Anforderungen zur Anpassung vertraglicher Nebenabreden nicht den gleichen strengen Maßstäben zu unterwerfen wie Änderungskündigungen zur Entgeltabsenkung.493 Im Übrigen passt bei anderen Arbeitsbedingungen kaum das Günstigkeitsprinzip. Es geht nicht um Entgeltansprüche der Arbeitnehmer, sondern um Regelungen, die die Organisation des Betriebes betreffen. Sie sind damit eigentlich „günstigkeitsneutral“. Aus diesem Grund ist von einem generell ablösenden Charakter auszugehen. Zusammenfassender Überblick Ablösung arbeitsvertraglicher Regelungen durch Tarifvertrag 493 Betriebsvereinbarung Grundsätzlich NEIN Ausnahme Grundsätzlich NEIN Günstigkeitsprinzip zwischen Arbeitsvertrag und Tarifvertrag Änderungsvereinbarung Günstigkeitsprinzip zwischen Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung Hinweis: keine einjährige Verschlechterungssperre Ausnahmen BV regelt Inhalt des Direktionsrechts des Arbeitgebers Betriebsvereinbarungsoffen Kollektiver Günstigkeitsvergleich (z.B. Ordnung des Betriebes) ErfK, Oetker, § 2 KSchG, Rn. 48. 160 III. Rechte und Pflichten aus Tarifvertrag Anders als für individualvertragliche Regelungen gilt für tariflich geregelte Arbeitsbedingungen nicht § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern § 613a Abs. 1 Sätze 2 - 4 BGB. Voraussetzung ist allerdings die beidseitige Tarifbindung vor dem Betriebsübergang. Wenn tarifliche Regelungen für das übergehende Arbeitsverhältnis normativ gelten, kommen nach dem Betriebsübergang folgende Varianten hinsichtlich der Weitergeltung dieser tariflich geregelten Arbeitsbedingungen in Betracht494: Tarifverträge und § 613a BGB Kollektivrechtliche Weitergeltung Transformation gesetzlich nicht geregelt § 613a Abs. 1 S. 2 Ablösung § 613a Abs. 1 S. 3 § 613a Abs. 1 S. 4 gesetzlich einzelvertraglich Erläuterung des Schaubildes: Erstens können die Tarifverträge unverändert kollektivrechtlich weitergelten, wenn es bei der normativen Bindung beider Arbeitsvertragsparteien bleibt. Die Arbeitnehmer nehmen weiterhin an tariflichen Änderungen, insbesondere Entgelterhöhungen, teil. Zweitens können die Tarifverträge gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis „transformiert“ werden, d. h. sie werden so, wie sie im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehen, zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Spätere Änderungen des Tarifvertrages berühren das Arbeitsverhältnis dann nicht, d. h. insbesondere kommen spätere Entgelterhöhungen den Arbeitnehmern nicht zugute. Drittens können die vor dem Betriebsübergang für das übergehende Arbeitsverhältnis geltenden Tarifverträge ganz oder zum Teil durch andere Tarifverträge bzw. Tarifwerke abgelöst werden, d. h. auf das Arbeitsverhältnis finden nach dem Betriebsübergang andere Tarifverträge bzw. Tarifwerke Anwendung. Dies kann auf zwei Wegen geschehen: o Entweder werden die vor dem Betriebsübergang auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren tariflichen Regelungen über die gesetzliche Anordnung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst. Voraussetzung ist die beiderseitige Tarifbindung. o Oder es kommt zu einem (Änderungs-)Vertrag zwischen den Arbeitsvertragsparteien, nach dem gemäß § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB die einzelvertragliche Anwendbarkeit anderer Tarifverträge bzw. Tarifwerke vereinbart wird. 494 Bepler, RdA 2009, 65. 161 Praxishinweis: In der Praxis empfiehlt sich die Prüfungsreihenfolge: 1. Kollektivrechtliche Weitergeltung der bisherigen Tarifverträge 2. Ablösung der Tarifverträge durch andere normativ geltende Tarifverträge / Betriebsvereinbarung 3. Wenn keine kollektivrechtliche Weitergeltung oder Ablösung, dann Transformation Im Folgenden werden die Rechtsfolgen für tarifvertragliche Regelungen in dieser Reihenfolge dargestellt, auch wenn die Reihenfolge der gesetzlichen Vorgaben in § 613a Abs. 1 Sätze 2 – 4 eine andere ist. Für einen Erwerber mit bestehender Belegschaft sind die kollektivrechtliche Weitergeltung und die Ablösung interessant, da er dadurch die bei ihm geltenden arbeitsvertraglichen Rahmen auch auf die übernommenen Arbeitnehmer anwenden kann. Er kann so schneller die Arbeitsbedingungen vereinheitlichen. 1. Unveränderte normative Weitergeltung § 613a Abs. 1 Sätze 2 - 4 BGB haben nach allgemeiner Meinung eine sog. Auffangfunktion, d. h. sie greifen nicht ein, wenn die im Betrieb des Veräußerers normativ geltenden Tarifverträge auch für den Erwerber normative Wirkung entfalten. Für die Arbeitnehmer ändert sich in diesem Fall nichts. Dabei ist zwischen folgenden Fallgestaltungen zu differenzieren: a) Verbandstarifverträge aa) Kraft Verbandsmitgliedschaft Verbandstarifverträge gelten kraft Verbandsmitgliedschaft unverändert normativ weiter, wenn der Betrieb weiterhin in den fachlichen und räumlichen Geltungsbereich der einschlägigen Tarifverträge fällt, Veräußerer und Erwerber im gleichen tarifschließenden Arbeitgeberverband organisiert sind und die übergehenden Arbeitnehmer Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft sind. Beispiel: Der metallverarbeitende Betrieb des in Stuttgart ansässigen Unternehmers V, der Mitglied beim örtlich zuständigen Arbeitgeberverband ist, wird an seinen Konkurrenten E veräußert, der ebenfalls Inhaber eines metallverarbeitenden Betriebes und Mitglied des gleichen Arbeitgeberverbandes ist. Die Tarifverträge gelten für die organisierten Arbeitnehmer in der tarifschließenden Gewerkschaft dynamisch normativ weiter. Praxishinweis: Auch für nicht organisierte Arbeitnehmer führt die gleiche Verbandsmitgliedschaft des Erwerbers in aller Regel zur dynamischen Fortgeltung der Tarifverträge. Hier beruht die dynamische Anwendbarkeit der Tarifverträge auf einer Bezugnahmeklausel in den Arbeitsverträgen. Die Problematik der Gleichstellungsabrede495 stellt sich nicht, da die Verbandsmitgliedschaft des Arbeitgebers nicht entfällt. 495 vgl. oben Kapitel D, II. 1. f). 162 Praxishinweis: Sind im übernommenen Betrieb Zeitarbeitnehmer beschäftigt, ist aufgrund der zu erwartenden gesetzlichen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten ab dem 1. Januar 2017 nicht auszuschließen, dass der Erwerber diese Höchstdauer ebenfalls beachten muss. Es empfiehlt sich zudem für den Erwerber dringend, vor dem Betriebsübergang mit dem Zeitarbeitsunternehmen einen eigenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zu schließen und die Zeitarbeitnehmer nochmals zu konkretisieren (Deklarationsgebot § 1 Abs. 1 Satz 5 und 6 AÜG-Entwurf). Bei entsprechender Tarifgebundenheit des Erwerbers sind die (Neu-)Regelungen des Tarifvertrages zur Leih-/Zeitarbeit zu berücksichtigen. Dies betrifft insbesondere die Übernahmeverpflichtung nach 24 Monaten. Sofern eine nahtlose Weiterbeschäftigung erfolgt, besteht für den Erwerber das Risiko einer Berücksichtigung auch der bisherigen Einsatzzeiten und damit einer Übernahmeverpflichtung zu einem Zeitpunkt, zu dem der Zeitarbeitnehmer noch keine 24 Monate beim Erwerber tätig ist. Für einen Neubeginn der Einsatzzeit bedarf es nach dem Tarifvertag (wie auch nach Gesetz, § 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG-Entwurf) sicherheitshalber einer mindestens dreimonatigen Unterbrechung. bb) Kraft Allgemeinverbindlicherklärung Die allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge gelten auch nach einem Betriebsübergang normativ weiter, wenn der Betrieb bzw. der Betriebsteil weiterhin in den fachlichen und räumlichen Geltungsbereich dieser Tarifverträge fällt. Umgekehrt ist also eine normative Weitergeltung eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages abzulehnen, wenn der Betrieb nach dem Betriebsübergang nicht mehr in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fällt.496 Dies bedeutet im Einzelnen: Ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag gilt insbesondere dann normativ weiter, wenn ein ganzer Betrieb auf einen neuen Inhaber übergeht und dieser den Betrieb im Wesentlichen unverändert fortführt, da sich dann der Betriebszweck nicht ändert. Wird hingegen der übernommene Betrieb in den Betrieb des Erwerbers eingegliedert, gilt der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag nur dann normativ weiter, wenn auch der Betrieb des Erwerbers in den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages fällt. Wird ein Betriebsteil übertragen, gelten für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge in folgenden Fällen normativ weiter: o Der übergegangene Betriebsteil wird in einen Betrieb eingegliedert, der ebenfalls unter den fachlichen und räumlichen Geltungsbereich der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge fällt. o Der übertragene Betriebsteil wird verselbstständigt, also als eigenständiger Betrieb weitergeführt und er fällt nach seinem (neuen) Betriebszweck immer noch unter den fachlichen und räumlichen Geltungsbereich der für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträge. Beispiel: Der Veräußerer V (Bauunternehmen) überträgt sein Kerngeschäft an den Erwerber E und behält noch einige Betriebsteile, z. B. die Logistik. E ist ebenso wie V an die für allgemein verbindlich erklärten Bautarifverträge gebunden. 496 BAG v. 05.10.1993 – 3 AZR 586/92, NZA 1994, 848. 163 Dabei ist zu beachten, dass auch bei einem für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag ggf. günstigere arbeitsvertragliche Regelungen vorgehen. Dies betrifft insbesondere auch die Fälle einer arbeitsvertraglichen Verweisung auf im Veräußererunternehmen geltende Tarifregelungen.497 Eine normative Weitergeltung des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages scheidet aus, wenn der übergehende Betrieb oder Betriebsteil nach dem Betriebsübergang dem fachlichen Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrages unterfällt.498 In diesem Fall werden die Regelungen des für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages entweder gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformiert oder bei sog. kongruenter Tarifgebundenheit von einem beim Erwerber geltenden Tarifvertrag gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst. Beispiel: V behält im obigen Beispiel sein Kerngeschäft und überträgt an E, der ein Transportunternehmen betreibt, den Betriebsteil Logistik. E gliedert den übernommenen Betriebsteil in seinen Betrieb ein. b) Firmen- oder Haustarifverträge Firmentarifverträge gehen bei einer Einzelrechtsnachfolge nicht automatisch auf den Erwerber über, da der Übergang der Arbeitgeberstellung in Bezug auf die Arbeitsverhältnisse nicht die Tarifgebundenheit an einen vom Veräußerer geschlossenen Firmentarifvertrag begründen kann. Dies ergibt sich bereits aus dem fachlichen und räumlichen Geltungsbereich. Die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers beruht nur auf seiner Stellung als Tarifvertragspartei oder Mitglied in einem Arbeitgeberverband, nicht aber auf der als Partei des Arbeitsvertrages.499 Eine normative Fortgeltung des Firmentarifvertrages kann daher nur auf zwei Wegen erreicht werden: Entweder vereinbart der Erwerber mit der tarifschließenden Gewerkschaft (ggf. unter Beteiligung des Veräußerers) den Eintritt bzw. die Übernahme des Firmentarifvertrages oder der Erwerber schließt mit der tarifzuständigen Gewerkschaft einen gleichlautenden Firmentarifvertrag. Im letzteren Fall wird – rein rechtlich gesehen – der frühere Firmentarifvertrag durch den neu abgeschlossenen Tarifvertrag gem. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst. Das Ergebnis ist jedoch in beiden Fallgestaltungen identisch. Praxishinweis: Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung des Erwerbers, in den mit dem Veräußerer abgeschlossenen Firmentarifvertrag einzutreten bzw. einen gleichlautenden Firmentarifvertrag abzuschließen. Die kollektive Weitergeltung eines Firmentarifvertrages, unerheblich, ob dies auf vertraglichem oder gesetzlichem Weg erreicht werden soll, soll jedoch dann nicht möglich sein, wenn 497 BAG v. 25.09.2002 – 4 AZR 294/01, NZA 2003, 807; LAG Düsseldorf v. 02.09.2010 – 5 Sa 720/10. BAG v. 01.04.1987 – 4 AZR 77/86, NZA 1987, 593; zur Ausgliederung eines Restaurationsbetriebes aus einem Einzelhandelsunternehmen. 499 BAG v. 26.08.2009 – 5 AZR 969/08, NZA 2010, 173; BAG v. 26.08.2009 – 4 AZR 280/08, NZA 2010, 238; BAG v. 10.06.2009 – 4 ABR 21/08, NZA 2010, 51. 498 164 der übertragene Betrieb bzw. Betriebsteil durch eine Änderung des Betriebszwecks aus dem Zuständigkeitsbereich der tarifschließenden Gewerkschaft hinausfällt.500 c) Sonderfall: Umwandlungen nach dem UmwG Exkurs – Umwandlungsrecht Arten der Umwandlungen § 2 UmwG: Das Umwandlungsgesetz kennt zwei Arten der Verschmelzung. Zum einen im Wege der Übertragung des Vermögens als Ganzes auf einen bestehenden Rechtsträger (§ 2 Nr. 1 UmwG) oder durch die Übertragung des Vermögens als Ganzes auf einen neu gegründeten Rechtsträger. In beiden Fällen erlischt der übertragende Rechtsträger nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. § 123 UmwG: Das Umwandlungsgesetz kennt drei Arten der Spaltung. Die Aufspaltung erfolgt durch Übertragung des Vermögens unter Auflösung des übertragenden Rechtsträgers. Dieser erlischt nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Bei der Abspaltung und der Ausgliederung nach § 123 Abs. 2 und 3 erfolgt die Übertragung des Vermögens durch Abspalten oder Ausgliedern eines oder mehrerer Teile auf den übernehmenden Rechtsträger. Der übertragende Rechtsträger bleibt erhalten. aa) Verbandstarifverträge Die normative Weitergeltung von Tarifverträgen ergibt sich nicht allein aus der Umwandlung von Unternehmen nach UmwG. Werden zwei Unternehmen verschmolzen und war der übertragende Rechtsträger Mitglied in einem tarifschließenden Arbeitgeberverband, geht diese Verbandsmitgliedschaft wegen § 38 BGB nicht auf den übernehmenden Rechtsträger über.501 Damit ist der übernehmende Rechtsträger nicht an die für den übertragenden Rechtsträger normativ geltenden Tarifverträge gebunden, sodass auch bei Betriebsübergängen eine normative Weitergeltung beim übernehmenden Rechtsträger nicht automatisch eintritt. Diese ist vielmehr nur dann gegeben, wenn auch der übernehmende Rechtsträger Mitglied im gleichen Arbeitgeberverband wie der übertragende Rechtsträger ist oder im Zeitpunkt der Verschmelzung wird. Das Gleiche gilt für Spaltungen in jeder Form. Auch hier wird der übernehmende Rechtsträger nicht automatisch Mitglied des gleichen Arbeitgeberverbandes wie der übertragende Rechtsträger, sodass auch hier eine automatische normative Weitergeltung der Tarifverträge ausscheidet.502 Dagegen gelten Tarifverträge normativ weiter bei einem sog. Formwechsel, da die Verbandszugehörigkeit und damit auch die normative Bindung an die vom Verband abgeschlossenen Tarifverträge erhalten bleiben.503 bb) Firmen- oder Haustarifverträge Etwas anderes gilt bei Firmen- oder Haustarifverträgen für die Fälle der Umwandlungen nach dem UmwG, bei denen Gesamtrechtsnachfolge eintritt: Die Rechtslage ist anders zu beurteilen als bei einer Einzelrechtsnachfolge. Wird ein Betrieb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen neuen Unternehmensträger verschmolzen, 500 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 113b. BAG v. 05.10.1993 – 3 AZR 586/92, NZA 1994, 848. 502 Willemsen, Teil E, Rn. 109. 503 Willemsen, Teil E, Rn. 114. 501 165 tritt der Rechtsnachfolger des früheren Unternehmensträgers in dessen sämtliche Verbindlichkeiten ein, sodass auch ein Firmentarifvertrag übergeht. Nach der Rechtsprechung des BAG stellt bei einer Verschmelzung ein Firmentarifvertrag eine Verbindlichkeit i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG dar.504 Beispiel 505 Im Februar 1995 schloss die IG Metall mit der B-KG einen Firmentarifvertrag ab. Im April 1995 wurde die B-KG mit der B-Verwaltungs-GmbH auf die B-GmbH verschmolzen. Verschmelzungsstichtag war der 01.01.1995. Der mit der B-KG abgeschlossene Firmentarifvertrag ging gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die B-GmbH über und hatte damit weiterhin normative Wirkung für die Arbeitsverhältnisse der übergegangenen Arbeitnehmer. § 613a Abs. 1 Sätze 2 - 4 BGB waren nicht anzuwenden. (1) Verschmelzung Die normative Weitergeltung des vom übertragenden Rechtsträger abgeschlossenen Firmentarifvertrages dürfte dann keine Schwierigkeiten bereiten, wenn der Betrieb auf einen neu gegründeten Rechtsträger oder auf einen Rechtsträger übergeht, der bisher keine Arbeitnehmer beschäftigt hat. Hier bleibt die kollektiv-rechtliche Bindung (für den tatsächlichbetrieblichen Geltungsbereich) bestehen. In der Literatur wird aber zu Recht darauf verwiesen, dass es erhebliche Probleme mit der normativen Weitergeltung von Firmentarifverträgen geben kann, wenn der übertragende Rechtsträger mit einem bereits bestehenden übernehmenden Rechtsträger verschmolzen wird, der seinerseits bereits Arbeitnehmer beschäftigt und vielleicht auch noch normativ an einen anderen (Firmen-)Tarifvertrag gebunden ist. Wenn dann auch noch zwei oder mehrere Betriebe zusammengeführt werden, ist es rechtlich schwierig zu beurteilen, welche Tarifverträge auf die Arbeitnehmer des übernehmenden Rechtsträgers anzuwenden sind. Die Rechtslage ist unklar. Eine Entscheidung des BAG steht noch aus. Praxishinweis: Ob von einer normativen Weitergeltung der Firmentarifverträge ausgegangen werden kann, ist in jedem Einzelfall neu zu prüfen. Wegen der erheblichen Schwierigkeiten sollte im Vorfeld der Umstrukturierung überlegt werden, ob ein Betrieb bzw. Betriebsteil nicht doch im Wege der Einzelrechtsnachfolge übertragen wird, da in diesem Fall eine normative Weitergeltung des Firmentarifvertrages ausscheidet.506 (2) Spaltung Ähnliche Probleme treten auf, wenn ein Unternehmen nach den Vorschriften des UmwG gespalten wird. Hier stellt sich ebenfalls die Frage, ob der übernehmende Rechtsträger an den vom übertragenden Rechtsträger abgeschlossenen Firmentarifvertrag gebunden ist. Die Rechtslage ist auch hier streitig. Richtigerweise wird man für den Fall, dass der übertragende Rechtsträger erhalten bleibt, also insbesondere bei einer Abspaltung oder Ausgliederung, davon ausgehen müssen, dass dessen Tarifbindung erhalten bleibt. 504 BAG v. 04.07.2007 – 4 AZR 491/06, NZA 2008, 307; BAG v. 24.06.1998 – 4 AZR 208/97, NZA 1998, 1346. 505 BAG v. 24.06.1998 – 4 AZR 208/97, NZA 1998, 1346. 506 Willemsen, Teil E, Rn. 96. 166 Hinsichtlich der übernehmenden Rechtsträger kommt es darauf an, ob ihnen die Rechtsstellung als Vertragspartei des Haustarifvertrages im Spaltungs- und Übernahmevertrag bzw. im Spaltungsplan zugewiesen wird. Fehlt es an einer Regelung, verbleibt der übertragende Rechtsträger in seiner Position als Vertragspartei, der übernehmende Rechtsträger tritt nicht, auch nicht zusätzlich in diese Position ein.507 Erlischt der übertragende Rechtsträger, insbesondere bei einer Aufspaltung, wird es ebenfalls auf die Regelung im Spaltungsplan ankommen.508 Praxishinweis: Auch in diesem Fall kann eine Einzelrechtsnachfolge die bessere Lösung sein, wenn man die normative Bindung des übernehmenden Rechtsträgers an den vom übertragenden Rechtsträger abgeschlossenen Firmentarifvertrag vermeiden will. 2. Ablösung a) Ablösung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB – Tarifvertrag des Erwerbers Die Ablösung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB bietet neben der normativen Weitergeltung tariflicher Regelungen für den Erwerber die Chance, den bei ihm geltenden Rahmen tarifvertraglicher Regelungen auch auf die übernommenen Arbeitnehmer anzuwenden. Eine normative Weitergeltung von Tarifverträgen scheidet aus, wenn beim Erwerber des Betriebes bzw. Betriebsteiles ein anderer Tarifvertrag „gilt“. In diesem Fall kommt die Ablösung der beim Veräußerer normativ geltenden Tarifregelungen durch die im Erwerberbetrieb geltenden tariflichen Regelungen in Betracht. Die Voraussetzungen dafür werden nachfolgend ausgeführt. Eine Transformation der bisherigen Tarifregelungen in das Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB scheidet in diesem Fall aus. Durch die Ablösung erübrigt sich sozusagen die Transformation. Erfolgt eine Ablösung, findet das Günstigkeitsprinzip nach der Rechtsprechung des BAG keine Anwendung.509 Daran dürfte bis auf Weiteres auch nach der „Scattolon-Entscheidung“ des EuGH510 festzuhalten sein. Der EuGH geht mit seiner Aussage, dass sich die Arbeitsbedingungen insgesamt nicht verschlechtern dürften, in Richtung eines Gesamtvergleichs. Dies wird vielfach kritisiert.511 Die weitere Rechtsprechung hierzu bleibt abzuwarten. Unerheblich ist es, ob der ablösende Tarifvertrag bereits zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs wirksam war. Er kann auch nach dem Betriebsübergang abgeschlossen werden.512 Im letzteren Fall wird der – bisher transformierte – Tarifvertrag in dem Zeitpunkt abgelöst, in dem der neue Tarifvertrag in Kraft tritt. Eine Ablösung tritt nach Satz 3 jedoch nur unter engen Voraussetzungen ein: 507 BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512. Willemsen, Teil E, Rn. 111. 509 BAG v. 16.05.1995 – 3 AZR 535/94, NZA 1995, 1166. 510 EuGH v. 06.09.2011 – C-108/10, NZA 2011, 1077. 511 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 125; Schaub/Koch, § 119 Rn. 10; Nießen/Geis, Der Konzern 2013, 465; Sagan, EuZA 2012, 247-256; Willemsen, RdA 2012, 291. 512 BAG v.22.04.2009 – 4 AZR 100/08, NZA 2011, 1077; BAG v. 20.04.1994 – 4 AZR 342/93, NZA 1994, 1140. 508 167 Ablösung setzt voraus: kongruente Tarifgebundenheit Regelungsidentität aa) Kongruente Tarifgebundenheit Die Ablösung eines beim Veräußerer geltenden Tarifvertrages durch einen beim Erwerber geltenden Tarifvertrag setzt nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BAG die sog. kongruente Tarifgebundenheit der beiden Arbeitsvertragsparteien vor und nach dem Betriebsübergang voraus.513 Wenn im Veräußererbetrieb die fachlich und räumlich einschlägigen Tarifverträge ausschließlich qua Bezugnahmeklausel galten, der Veräußerer also nicht tarifgebunden war, greift § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB selbst dann nicht ein, wenn der Erwerber tarifgebunden ist und im Erwerberbetrieb kongruente Tarifgebundenheit vorliegt.514 Auch eine entsprechende Anwendung scheidet aus.515 Praxishinweis: Sind einzelvertraglich vereinbarte Tarifverträge für den Arbeitnehmer günstiger, gilt das Günstigkeitsprinzip. Dies gilt sowohl gegenüber einer Ablösung durch einen normativ geltenden Tarifvertrag als auch dann, wenn beim Erwerber ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag angewendet werden muss, das in Bezug genommene Tarifwerk aber in der Gesamtschau für den Arbeitnehmer günstiger ist.516 Dies führt ggf. trotz der Ablösung zu unterschiedlichen Arbeitsbedingungen. Ebenso scheidet eine Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB dann aus, wenn der Erwerber nicht tarifgebunden ist. Wendet er die für seinen Betrieb einschlägigen Tarifverträge also ausschließlich kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln an, kann er sich nicht auf die ablösende Wirkung dieser Tarifverträge berufen. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BAG sogar dann, wenn die Arbeitsverträge der übergehenden Arbeitnehmer eine große Bezugnahme- bzw. Tarifwechselklausel enthalten, da diese Klausel regelmäßig die Tarifgebun- 513 BAG v. 29.08.2007 - 4 AZR 767/06, NZA 2008, 364; BAG v. 30.08.2000 – 4 AZR 581/99, NZA 2001, 510; BAG v. 21.02.2001 – 4 AZR 18/00, NZA 2001, 1318. 514 BAG v. 25.09.2002 – 4 AZR 294/01, NZA 2003, 807. 515 BAG v. 17.11.2010 – 4 AZR 405/09. 516 BAG v. 25.09.2002 – 4 AZR 294/01, NZA 2003, 807; LAG Düsseldorf v. 02.09.2010 – 5 Sa 720/10. 168 denheit des Arbeitgebers voraussetzt.517 Eine (große) Bezugnahmeklausel bleibt daher letztlich ohne die erwünschte Wirkung des Tarifwechsels, wenn der Erwerber nicht (normativ) tarifgebunden ist. (1) Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer Es reicht für eine Ablösung nach Satz 3 nicht aus, wenn der Erwerber tarifgebunden ist, sondern es muss auch der übergehende Arbeitnehmer Mitglied der Gewerkschaft sein, die den für den Betrieb des Erwerbers geltenden Tarifvertrag abgeschlossen hat. Eine Ablösung kommt also immer dann in Betracht, wenn sowohl dem früheren als auch dem neuen Arbeitgeber die gleiche Gewerkschaft „gegenübersteht“.518 Beispiel: Der Betriebsteil eines metallverarbeitenden Betriebes, dessen Inhaber kraft Verbandsmitgliedschaft an die M+E-Tarifverträge gebunden ist, wird an den Erwerber E veräußert. Dessen Betrieb gehört zum Metallhandwerk. E ist hinsichtlich dieser Tarifverträge tarifgebunden. Für die organisierten Arbeitnehmer bei der IG Metall liegt kongruente Tarifgebundenheit vor, mit der Folge, dass die M+E-Tarifverträge durch die Tarifverträge für das Metallhandwerk – vorbehaltlich der gleich noch näher zu behandelnden Regelungsidentität – abgelöst werden. Umgekehrt wird eine Ablösung i. d. R. ausscheiden, wenn für den Betrieb des Erwerbers eine andere Gewerkschaft tarifzuständig ist, da in diesem Fall eine kongruente Tarifgebundenheit regelmäßig nicht vorliegen wird. Beispiel: Ist der Veräußerer V an die Metalltarifverträge gebunden und überträgt er einen Betriebsteil auf den Erwerber E, für den die Chemie-Tarifverträge gelten, liegt keine kongruente Tarifgebundenheit vor, da die Arbeitnehmer bislang bei der IG Metall organisiert sind. Praxishinweis: In der Praxis kann es sich empfehlen, in einem dreiseitigen Vertrag zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber sowie der betroffenen Gewerkschaft einen Überleitungstarifvertrag zu den tarifvertraglichen Bestimmungen zu vereinbaren.519 (2) nicht tarifgebundene Arbeitnehmer Für nicht organisierte Arbeitnehmer greift § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB nicht ein. Allerdings können die (Verbands-)Tarifverträge, an die der Erwerber normativ (!) gebunden ist, auch dann für die übergehenden Arbeitnehmer gelten, wenn ihr Arbeitsvertrag eine wirksame sog. große dynamische Bezugnahme- oder Tarifwechselklausel enthält.520 Nicht rechtssicher zu beantworten ist derzeit noch, ob dies auch dann gilt, wenn die Arbeitsverträge der übergehenden Arbeitnehmer lediglich eine „kleine“ Bezugnahmeklausel (auf bestimmte, namentlich benannte Tarifverträge oder Tarifwerke) enthalten. 517 BAG v. 04.08.1999 – 5 AZR 642/98, NZA 2000, 154.; BAG v. 16.10.2002 – 4 AZR 467/01, NZA 2003, 390. 518 BAG v. 03.07.2013 – 4 AZR 138/12. 519 Müller-Bonanni/Mehrens, NZA 2012, 195. 520 BAG v. 16.10.2002 – 4 AZR 467/01, NZA 2003, 390, 392. 169 Für Altverträge vor dem 01.01.2002 hält das BAG eine Anwendung der beim Erwerber normativ geltenden Tarifverträge auf nicht organisierte Arbeitnehmer bei Vorliegen einer Tarifwechselklausel für zulässig (Gleichstellungsabrede).521 Wegen der verschärften Anforderungen an arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln für Neuverträge nach dem 01.01.2002 ist wegen der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB davon auszugehen, dass die Erwerbertarifverträge insbesondere bei sog. kleinen Bezugnahmeklauseln keine Anwendung finden können. Etwas anderes gilt dann, wenn die Klausel ausnahmsweise als Tarifwechselklausel ausgelegt werden kann. Praxishinweis: Für eine Angleichung der arbeitsrechtlichen Regelungen zwischen der bestehenden Belegschaft und den übernommenen Arbeitnehmern beim Erwerber ist nur eine einvernehmliche Änderung möglich. Da zumindest Arbeitnehmer mit Bezugnahmeklauseln in Altverträgen an der Tarifentwicklung des Veräußerertarifvertrages nicht mehr teilnehmen (statische Weitergeltung – sog. Gleichstellungsabrede) liegt es letztlich auch im Interesse dieser Arbeitnehmer, die Bezugnahmeklausel zu ändern. So können sie zukünftig an der Entwicklung des Erwerbertarifvertrages teilnehmen. (3) Zeitpunkt der kongruenten Tarifbindung Die kongruente Tarifgebundenheit muss nicht im Zeitpunkt des Betriebsübergangs vorliegen, sie kann auch nach dem Betriebsübergang eintreten. In diesem Fall tritt die ablösende Wirkung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB in dem Zeitpunkt ein, in dem die kongruente Tarifgebundenheit vorliegt. Eine zeitliche Grenze für die Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB gibt es nicht; insbesondere gilt nicht der in § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB vorgesehene Jahreszeitraum (einjährige Änderungssperre). 522 Praxishinweis: Dies kann damit auch dann der Fall sein, wenn die übergehenden Arbeitnehmer später in die für den Erwerber tarifzuständige Gewerkschaft wechseln, also z. B. im o. g. Beispiel von der IG Metall in die IGBCE. (4) Ablösung durch Firmen- oder Haustarifvertrag Ein Verbandstarifvertrag kann auch durch einen Firmentarifvertrag abgelöst werden.523 Beispiel: 524 Für ein zu einer Gruppe gehörendes Hotel galt ein mit der NGG abgeschlossener Firmentarifvertrag, nach dem den Arbeitnehmern Weihnachtsgeld zu zahlen war. Das Hotel ging auf den Erwerber E über, der kraft Verbandsmitgliedschaft an einen ebenfalls mit der NGG abgeschlossenen Tarifvertrag gebunden war. Nach diesem war den Arbeitnehmern ein geringeres Weihnachtsgeld zu zahlen. Der schon beim Veräußerer beschäftigte und auf den Erwerber übergegangene Arbeitnehmer verlangte das höhere Weihnachtsgeld, scheiterte aber mit diesem Verlangen. 521 BAG v. 16.10.2002 – 4 AZR 467/01, NZA 2003, 390. BAG v. 11.05.2005 – 4 AZR 315/04, NZA 2005, 1362; Schiefer, DB 2005, 2134. 523 BAG v. 16.10.2002 – 4 AZR 467/01, NZA 2003, 390. 524 BAG v. 16.10.2002 – 4 AZR 467/01, NZA 2003, 390. 522 170 (5) Allgemeinverbindlicher Tarifvertrag Eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB kommt immer dann in Betracht, wenn für den Betrieb des Erwerbers ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag gilt und der neu erworbene Betrieb bzw. Betriebsteil nach dem Betriebsübergang auch in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fällt. Beispiel: Das tarifgebundene metallverarbeitende Unternehmen V gliedert den Reinigungsbereich aus seinem Betrieb aus und überträgt ihn auf eine Reinigungsfirma E. Die übergehenden Arbeitnehmer unterfallen nun dem für allgemeinverbindlich erklärten Gebäudereiniger-Tarifvertrag. Das BAG hat entschieden, dass ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag beim Erwerber einen Haustarifvertrag des Veräußerers vollständig ablöst.525 In einer früheren Entscheidung hatte das LAG Düsseldorf526 eine vollständige Ablösung abgelehnt, sodass die beim Veräußerer (normativ) geltenden Tarifverträge über das Günstigkeitsprinzip weiterhin auf die Arbeitsverhältnisse der übergehenden Arbeitnehmer anzuwenden waren. Das widerspricht jedoch dem Regelungsgehalt des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB. bb) Regelungsidentität Zusätzlich zum Erfordernis der kongruenten Tarifgebundenheit fordert das BAG für eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB, dass die tariflichen Regelungsgegenstände identisch sein müssen. Tarifliche Ansprüche werden nach dieser Rechtsprechung durch einen Tarifvertrag, an den der Erwerber und die Arbeitnehmer gebunden sind, nur dann abgelöst, wenn dieser Tarifvertrag denselben Regelungsgegenstand betrifft oder dahin auszulegen ist, dass er die arbeitsvertraglich fortgeltenden Tarifregelungen auch ohne eigenständige Regelung dieses Gegenstandes ablösen soll.527 Dabei lässt es das BAG nicht ausreichen, wenn über den in Rede stehenden Gegenstand Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien erst noch aufgenommen werden sollen. Im Fall kongruenter Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien und einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Weihnachtsgeld findet keine Ablösung statt, wenn in dem beim Erwerber geltenden Tarifvertrag ein Weihnachtsgeld nicht vorgesehen ist, aber darüber noch zwischen den Tarifvertragsparteien verhandelt werden soll.528 Beispiel: Beim Veräußerer V galt kraft Verbandsmitgliedschaft ein Tarifvertrag, der bei betriebsbedingten Kündigungen einen Abfindungsanspruch vorsah. Der Erwerber E war an einen anderen Tarifvertrag gebunden, der zwar mit der gleichen Gewerkschaft abgeschlossen wurde, aber keine solche Abfindungsregelung enthielt. Der schon bei V beschäftigte Arbeitnehmer wurde von E 529 betriebsbedingt gekündigt und verlangte die Abfindung. Das BAG gab ihm Recht. 525 BAG v. 07.07.2010 – 4 AZR 1023/08 – DB 2010, 2287. LAG Düsseldorf v. 01.04.2005 – 18 Sa 1950/04, DB 2005, 1741. 527 BAG v. 20.04.1994 – 4 AZR 342/93, NZA 1994, 1140; BAG v. 22.01.2003 – 10 AZR 227/02, NZA 2003, 879. 528 BAG v. 22.01.2003 – 10 AZR 227/02, NZA 2003, 879. 529 BAG v. 20.04.1994 – 4 AZR 342/93, NZA 1994, 1140. 526 171 Es ist also zu fragen, „ob“ die bisher beim Veräußerer tarifvertraglich geregelte Frage auch eine entsprechende tarifrechtliche Regelung beim Erwerber erfahren hat (Regelungsbereich). Unerheblich ist dagegen, das „wie“ der Regelung. Insbesondere ist es unbeachtlich, ob die Regelung beim Erwerber günstiger als beim Veräußerer ist oder nicht.530 Insofern hat das BAG entschieden, dass § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB eine Spezialregelung enthält, der die Anwendung des Günstigkeitsprinzips vorgeht.531 Andernfalls wäre § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB sinnentleert. Soweit dies durch die Scattolon-Entscheidung des EuGH532 mit der Aussage, dass es beim Erwerber keine „insgesamt schlechteren Arbeitsbedingungen“ geben dürfe, eventuell in Frage gestellt wird, bleibt eine künftige Klarstellung abzuwarten. Bis dahin ist unseres Erachtens an der Rechtsprechung des BAG festzuhalten. Soweit sich die Regelungsbereiche nicht decken, kann die Regelung des alten Tarifvertrages nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB individualrechtlich weitergelten.533 cc) Ablösung von Tarifverträgen durch Betriebsvereinbarungen (sog. Über-KreuzAblösung) Das BAG lässt eine Ablösung von Tarifnormen durch eine Betriebsvereinbarung gemäß § 613a Abs. 1 S. 3 BGB (sog. Über-Kreuz-Ablösung) außerhalb des Bereichs der zwingenden Mitbestimmung nicht zu.534 Es begründet dies zum einen mit systematischen und teleologischen Gründen. Könnten ungünstigere Regelungen einer beim Erwerber geltenden Betriebsvereinbarung die Transformation tariflicher Regelungen in die Arbeitsverhältnisse nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB verhindern oder beseitigen, so würden die Betriebsparteien aus Anlass eines Betriebsübergangs in die Lage versetzt, tarifliche Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Außerhalb eines Betriebsübergangs verstieße dies gegen § 4 Abs. 3 TVG. Auch eine gemäß § 4 Abs. 5 TVG nur nachwirkende Tarifnorm kann zumindest außerhalb des Bereichs der zwingenden Mitbestimmung wegen § 77 Abs. 3 BetrVG nicht durch eine ungünstigere Betriebsvereinbarung abgelöst werden. Des Weiteren widerspreche dies dem Sinn und Zweck der europarechtlichen Vorgaben, die Rechtstellung der Arbeitnehmer vor Verschlechterungen aus Anlass eines Betriebsübergangs weitgehend zu schützen.535 Das BAG hat diese Rechtsprechung auch auf den Fall ausgedehnt, in dem die Betriebsvereinbarung nur teilweise der zwingenden Mitbestimmung unterlag.536 Praxishinweis: Die Möglichkeit der Ablösung von normativ geltenden Tarifverträgen beim Veräußerer ist durch diese restriktive Rechtsprechung praktisch kaum denkbar. 530 Schiefer, DB 2005, 2134. BAG v. 11.05.2005 – 4 AZR 315/04, NZA 2005, 1362. 532 EuGH v. 06.09.2011 – C-108/10, NZA 2011, 1077. 533 Schiefer, DB 2005, 2134. 534 BAG v. 21.04.2010 – 4 AZR 768/08, DB 2010, 1998; BAG v. 06.11.2007 – 1 AZR 862/06, NZA 2008, 542; BAG v. 13.11.2007 – 3 AZR 191/06, NZA 2008, 600; BAG v. 03.07.2013 – 4 AZR 961/11. 535 BAG v. 06.11.2007 - 1 AZR 862/06, NZA 2008, 542; BAG v. 13.11.2007 - 3 AZR 191/06, NZA 2008, 600. 536 BAG v. 13.11.2007 - 3 AZR 191/06, NZA 2008, 600. 531 172 b) Ablösende Vereinbarungen nach § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB Transformierte tarifvertragliche Regelungen können nach § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB auch durch eine einzelvertragliche Vereinbarung abgelöst werden. Für solche einzelvertraglichen Vereinbarungen findet die einjährige Verschlechterungssperre des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bei transformierten tarifvertraglichen Regelungen keine Anwendung, d. h. sie sind auch vor Ablauf dieses Zeitraums möglich.537 Eine solche Ablösung kommt also immer dann in Betracht, wenn der Tarifvertrag nicht normativ weitergilt beim Erwerber (mangels kongruenter Tarifbindung) oder der Veräußerertarifvertrag nicht durch eine kollektivrechtliche Regelung beim Erwerber abgelöst wird. Diese (einzelvertraglichen) Vereinbarungen sind jedoch an bestimmte Wirksamkeitsvoraussetzungen geknüpft. So sind verschlechternde einzelvertragliche Änderungen der transformierten Tarifnormen nur in zwei Fallgestaltungen vor Ablauf der Jahresfrist des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB möglich: aa) Tarifvertrag gilt nicht mehr Die transformierten tariflichen Arbeitsbedingungen können durch eine einzelvertragliche Vereinbarung abgelöst werden, wenn der Tarifvertrag keine zwingende Wirkung mehr entfaltet oder die zwingende Wirkung innerhalb der Jahresfrist verliert (Nachwirkung § 4 Abs. 4 TVG). Endet der Tarifvertrag ohne Nachwirkung, führt dies auch zum Wegfall der transformierten Regelungen beim Erwerber.538 Der Veräußerertarifvertrag muss also gekündigt worden sein oder durch Fristablauf enden, und das jeweils vor dem Betriebsübergang oder innerhalb der Jahresfrist.539 Es ist unerheblich, ob die ablösende Vereinbarung über die untertariflichen Arbeitsbedingungen bereits vor oder erst im Nachwirkungszeitraum des Tarifvertrages abgeschlossen wird, wenn der Regelungswille der Arbeitsvertragsparteien darauf gerichtet ist, diese bestimmte Tarifregelung in Anbetracht ihrer absehbar bevorstehenden Beendigung und des darauf folgenden Eintritts der Nachwirkung abzuändern.540 bb) Anderer Tarifvertrag wird vereinbart Transformierte tarifliche Arbeitsbedingungen können auch durch eine einzelvertragliche Vereinbarung abgelöst werden, die die Anwendbarkeit eines anderen Tarifvertrages festlegt. Dies ist möglich, wenn der Betrieb in den Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrages fällt und dessen (vollständige541) Anwendung bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit zwischen dem Erwerber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird. Eine solche Vereinbarung soll neben der Möglichkeit im OT-Unternehmen auch bei tarifgebundenen Unternehmen, aber sog. inkongruenter Tarifgebundenheit möglich sein, wenn also der Arbeitnehmer in einer Gewerkschaft ist, die nicht der Tarifpartner des Erwerbers bzw. seines Arbeitgeberverbandes war. Praxishinweis: Eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB ist grundsätzlich nur mittels einer einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrages möglich. Der Arbeitnehmer muss al- 537 Siehe auch unten Kapitel D III. 3. e). BAG v. 03.07.2013 – 3 AZR 961/11, NZA-RR 2014, 80; BAG v. 22.04.2009 - 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41. 539 Schiefer, Rn. 254. 540 BAG v. 01.07.2009 – 4 AZR 250/08, NZA 2010, 248. 541 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 122. 538 173 so einer solchen Vereinbarung zustimmen. Einen Anspruch auf die Vereinbarung einer Vertragsänderung hat der Arbeitgeber nicht. (1) Bestehende arbeitsvertragliche sog. große Bezugnahmeklausel bzw. Tarifwechselklausel Die Ablösungsmöglichkeit nach § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB spielt ferner in den Fällen eine Rolle, in denen schon vom Veräußerer arbeitsvertraglich eine große Bezugnahme- bzw. Tarifwechselklausel („die für den Arbeitgeber jeweils geltenden Tarifverträge“) vereinbart wurde. In diesem Fall stellt sich für einen anderweitig tarifgebundenen Erwerber die Frage, ob er die bei ihm normativ geltenden Tarifverträge aufgrund der Tarifwechselklausel auf die Arbeitsverhältnisse der übergehenden Arbeitnehmer anwenden kann. Damit könnten nicht nur die nicht organisierten, sondern sogar – bei sog. inkongruenter Tarifgebundenheit – die organisierten Arbeitnehmer von den beim Erwerber geltenden Tarifverträgen erfasst werden. Dies hätte zur Folge, dass sich die Arbeitsbedingungen der übergehenden Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang ganz oder zumindest teilweise nach den beim Erwerber geltenden Tarifverträgen richten würden. Die Rechtslage ist ungeklärt. Das BAG bejaht die Ablösung eines Firmentarifvertrages durch einen mit der gleichen Gewerkschaft geschlossenen Verbandstarifvertrag.542 Voraussetzung für einen entsprechenden Tarifwechsel aufgrund einer arbeitsvertraglich vereinbarten großen Bezugnahmeklausel ist aber auf jeden Fall die Tarifgebundenheit des Erwerbers.543 Wenn diese Grundvoraussetzung erfüllt ist, dürfte ein auf der Grundlage des Arbeitsvertrages und § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB erfolgender Tarifwechsel möglich und zulässig sein. Dieser würde dann auch die organisierten Arbeitnehmer erfassen, bei denen eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB wegen inkongruenter Tarifgebundenheit nicht in Betracht kommt. Praxishinweis: Für den Erwerber besteht selbst dann, wenn die Arbeitsverträge der übergehenden Arbeitnehmer eine Tarifwechselklausel enthalten, ein nicht unerhebliches Restrisiko, wenn er unter Berufung auf diese Klausel die bei ihm geltenden Tarifverträge auf die Arbeitsverhältnisse der übergehenden Arbeitnehmer anwenden will. (2) Änderungskündigung Ungeklärt ist, ob eine Änderungskündigung mit dem Ziel der Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen (jedenfalls nach Ablauf der Jahresfrist) möglich ist bzw. ob dieses Ziel einen Kündigungsgrund für eine Änderungskündigung darstellen kann. Es wird zumindest teilweise vertreten, dass eine Änderungskündigung dann sozial gerechtfertigt sein könne, wenn die Unterwerfung unter einen anderen Tarifvertrag bei Abwägung der Interessen der übernommenen Arbeitnehmer und des Erwerbers angemessen und billigenswert sei.544 Beispiel: Der Veräußerer V veräußert einen unter den Geltungsbereich der Metalltarifverträge fallenden Betriebsteil an den Erwerber E. Dessen Betrieb fällt unter den Geltungsbereich der Tarifverträge des Groß- und Außenhandels. E gliedert den Betriebsteil in seinen eigenen Betrieb ein und 542 BAG v. 16.10.2002 – 4 AZR 467/01, NZA 2003, 390; BAG v. 15.04.2008 – 9 AZR 159/07. BAG v. 16.10.2002 – 4 AZR 467/01, NZA 2003, 390. 544 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 122. 543 174 möchte die Arbeitsbedingungen der übernommenen Arbeitnehmer denen der bisher schon bei ihm tätigen Arbeitnehmer durch eine betriebsbedingte Änderungskündigung nach Ablauf der Jahresfrist des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB anpassen. Die Frage ist höchstrichterlich nicht entschieden. Das BAG hat im Zusammenhang mit der Einführung eines neuen Entgeltsystems (ERA-TV) ausgeführt, dass allein das Interesse des tarifgebundenen Arbeitgebers, die Arbeitsbedingungen vereinheitlichen zu wollen, kein Grund für eine Änderungskündigung sei.545 Allerdings bezog sich diese Entscheidung auf einen Arbeitnehmer, mit dem zunächst ausdrücklich ein außervertragliches Angestelltenverhältnis vereinbart wurde. Das BAG hat in anderem Zusammenhang eine Änderungskündigung abgelehnt, mittels derer unter Berufung auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz eine Besserstellung einzelner Arbeitnehmer beim Entgelt beseitigt werden sollte. Der Gleichbehandlungsgrundsatz diene nur zur Begründung, nicht aber zur Beseitigung von Rechten.546 Es wird jedoch vertreten, das Ergebnis sei auf den Fall des § 613a BGB nicht übertragbar. Der Arbeitgeber habe in diesem Falle die Ungleichheit beim Entgelt nicht selbst herbeigeführt.547 Für die Zulässigkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung spreche auch die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB, der das Interesse des Erwerbers an einheitlichen Arbeitsbedingungen in seinem Betrieb ausdrücklich anerkennt. Die Änderungskündigung sollte in diesem Fall allerdings nicht allein auf Entgeltkürzungen, sondern auf die Ablösung der transformierten durch die beim Erwerber geltenden Tarifverträge gerichtet sein. Praxishinweis: Bei einer Eingliederung eines übernommenen Betriebs oder Betriebsteils in den Erwerberbetrieb kann der Versuch einer Änderungskündigung lohnen. Dies kann auch mit besitzstandswahrenden Regelungen, insbesondere hinsichtlich des Arbeitsentgelts, verbunden werden. 3. Transformation – § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Scheidet eine normative Weitergeltung der bisherigen Tarifverträge oder die Ablösung durch andere kollektivrechtliche Regelungen aus, werden sie transformiert. Allerdings kennt der Arbeitgeber die anwendbare Fallgruppe zumindest dann nicht, wenn es für die vorrangige Weitergeltung bzw. Ablösung allein um die Gewerkschaftsmitgliedschaft des Arbeitnehmers geht. Darüber hat er in der Regel keine Kenntnis. a) Begriffsbestimmung der Transformation § 613a Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt, dass Rechte und Pflichten aus einem Tarifvertrag Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer werden und nicht innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden dürfen, wenn diese Inhalt eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung beim Veräußerer waren. Das BAG hat seine bisherige Rechtsprechung548 aufgegeben, die von einer „individualrechtlichen Fortgeltung“ der Arbeitsbedingungen ausging. Nach der nun gefestigten neueren 545 BAG v. 08.10.2009 – 2 AZR 235/08, NZA 2010, 465. BAG v. 26.06.2008 – 2 AZR 139/07, NZA 2008, 1182, BAG v. 16.05.2002 – 2 AZR 292/01, NZA 2003, 147. 547 ErfK-Oetker, § 2 KSchG, Rn. 65. 548 BAG v. 12.12.2007 – 4 AZR 998/06, NZA 2008, 649; BAG v. 13.11.2007 – 3 AZR 191/06, NZA 2008, 600; BAG v. 29.08.2001 – 4 AZR 332/00, NZA 2002, 513. 546 175 Rechtsprechung des BAG549 sind nach § 613 Abs. 1 S. 2 BGB aus einem Tarifvertrag transformierte Arbeitsbedingungen nicht mit unmittelbar arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen oder gemäß § 613a Abs. 1 S. 1 BGB übergehenden Arbeitsbedingungen gleichzustellen. Sie behalten ihren kollektivrechtlichen Charakter auch nach dem Betriebsübergang. Der nicht tarifgebundene Betriebserwerber ist an die transformierten Normen gebunden wie ein aus einem tarifschließenden Arbeitgeberverband ausgetretener Arbeitgeber nach § 3 Abs. 3 TVG an den zum Zeitpunkt des Austritts geltenden Verbandstarifvertrag, wobei der Ablauf der Jahresfrist nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB dem Ende des Nachbindungszeitraums des Tarifvertrages entspricht. Beispiel 550 Der Arbeitsvertrag des Klägers enthielt eine dynamische Verweisungsklausel auf die Tarifverträge der Sägeindustrie; der Kläger war zudem Mitglied der IG Metall. Vor dem Betriebsübergang wurde am 31.05.2005 ein Firmen-Sanierungsvertrag abgeschlossen, der eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit und zudem eine Kürzung der Vergütung beinhaltete. Der Firmen-Sanierungsvertrag sollte bis zum 31.12.2007 gelten; zuvor konnte er von beiden Seiten monatlich gekündigt werden. Die Nachwirkung wurde ausgeschlossen. Zum 30.06.2006 trat der Kläger aus der IG Metall aus. Zum 01.07.2006 wurde der Betrieb auf die Beklagte übertragen. Mit Schreiben vom 13.07.2006 kündigte die IG Metall den Firmen-Sanierungstarifvertrag zum 31.08.2006. Der Kläger erhob Klage, mit der er für den Zeitraum von Juli 2006 bis Januar 2007 die Vergütungsdifferenz zwischen dem Flächentarifvertrag der Sägeindustrie und dem FirmenSanierungstarifvertrag geltend machte. Die Klage blieb erfolglos. Das BAG entschied, dass aufgrund des kollektivrechtlichen Charakters der gemäß § 613a Abs. 1 S. 2 BGB transformierten Normen des Firmen-Sanierungstarifvertrages das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG grundsätzlich Anwendung finde, sodass eine günstigere arbeitsvertragliche Regelung den Normen des Firmen-Sanierungsvertrages vorgehe. Bei einer individualrechtlichen Fortgeltung wäre dies nicht möglich gewesen, denn die transformierten Regelungen wären dann zu anderen individualrechtlichen Regelungen gleichrangig gewesen. Eine günstigere arbeitsvertragliche Regelung läge in diesem Fall aber nicht vor, da die arbeitsvertragliche Gleichstellungsabrede nicht nur auf den günstigeren Flächen- sondern auch auf den Sanierungstarifvertrag Bezug nehme. Des Weiteren leitete das BAG aus dem kollektivrechtlichen Charakter für Änderungen der transformierten Normen innerhalb der Jahresfrist des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB die folgenden Konstellationen her: Wenn der Tarifvertrag vorher endet – z. B. durch Befristung oder Kündigung – verliert er seine zwingende Wirkung auch im übergegangenen Arbeitsverhältnis (so ausdrücklich § 613a Abs. 1 S. 4 1. Alt. BGB). Eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrags unter das Tarifniveau und zu Lasten des Arbeitnehmers ist ab diesem Zeitpunkt also möglich; galt der Tarifvertrag zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch norma- 549 BAG v. 03.07.2013 – 4 AZR 961/11, NZA-RR 2014, 80; BAG v. 12.09.2013 – 6 AZR 512/12, NZA-RR 2014, 154; BAG v. 23.09.2009 – 4 AZR 331/08, NZA 2010, 513; BAG v. 22.04.2009 – 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41; Anm. Hohenstatt, NZA 2010, 23. 550 BAG v. 22.04.2009 – 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41. 176 tiv, war er jedoch gekündigt, endet die zwingende Geltung gemäß § 613a Abs. 1 S. 2 BGB ebenfalls spätestens zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist. Endet der Tarifvertrag ohne Nachwirkung, tritt diese Rechtsfolge auch bezüglich der transformierten Regelungen ein.551 Wird der Tarifvertrag nach dem Betriebsübergang, aber vor Ablauf der Jahresfrist geändert, verliert er im übergegangenen Arbeitsverhältnis seine zwingende Wirkung.552 Wirken die Tarifnormen im Veräußererbetrieb nur noch nach, gelten sie in dieser abgeschwächten Form auch für die übergegangenen Arbeitsverhältnisse; abweichende Vereinbarungen sind dann sofort möglich, ohne dass das Günstigkeitsprinzip Anwendung findet. In anderen Fällen ist eine vorherige Ablösung ebenso ausgeschlossen wie z. B. ein Verzicht des Arbeitnehmers auf die transformierten Rechte.553 b) Sachlicher Anwendungsbereich der Transformation Die Transformation nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB setzt die beiderseitige Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien vor dem Betriebsübergang voraus.554 Es muss also zunächst der Veräußerer tarifgebunden gewesen sein. Dies ist der Fall, wenn der Veräußerer als Mitglied eines tarifschließenden Arbeitgeberverbandes kraft Verbandszugehörigkeit tarifgebunden war oder der Veräußerer zwar aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband ausgetreten, aber noch gemäß § 3 Abs. 3 TVG tarifgebunden ist555 oder der Veräußerer einen vom Erwerber nicht übernommenen Firmentarifvertrag abgeschlossen hat oder der Betrieb (bzw. Betriebsteil) in den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages fällt. Aufseiten der Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber übergehen, ist (frühere) Tarifgebundenheit gegeben, wenn der Arbeitnehmer Mitglied der (früher) tarifzuständigen Gewerkschaft ist oder der Betrieb (bzw. Betriebsteil) des Veräußerers in den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages fällt. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB findet keine Anwendung auf Arbeitsverhältnisse, in denen die einschlägigen Tarifverträge nur kraft einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel gelten. Diese Arbeitsbedingungen gehen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über. Dies wurde durch die Werhof-Entscheidung556 des EuGH bestätigt. Der EuGH führt aus, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Erwerber nicht durch andere Kollektivverträge als die zum Zeitpunkt des Übergangs geltenden binden wollte. Änderungen der Kollektivverträge 551 BAG v. 22.04.2009 – 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41. BAG v. 03.07.2013 – 4 AZR 961/11, NZA-RR 2014, 80. 553 BAG v. 12.02.2014 – 4 AZR 317/12, NZA 2014, 613. 554 BAG v. 16.05.2012 – 4 AZR 321/10, NZA 2012, 923; BAG v. 04.03.1994 – 2 AZR 507/92, NZA 1994, 260. 555 BAG v. 01.08.2001 – 4 AZR 82/00, NZA 2002, 41. 556 EuGH v. 09.03.2006 – C 499/04, NZA 2006, 376; Kapitel II. 1. f) cc) (2). 552 177 nach dem Betriebsübergang seien nicht zu berücksichtigen. Er erkennt damit an, dass sich der Erwerber auf das Grundrecht der (negativen) Vereinigungsfreiheit berufen könne. Die Vereinigungsfreiheit umfasst nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte auch das Recht, einer Gewerkschaft nicht beizutreten. Dies gehört zu den Grundrechten, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden. Dies könnte durch die Nachfolgeentscheidung des EuGH557 zur Rechtsansicht in der Rechtssache Alemo-Herron558 erneut in Frage gestellt sein, wenn der Betriebserwerber nicht tarifgebunden und damit ohne Einflussmöglichkeit auf die Tarifgestaltung ist.559 Erst nach dem Betriebsübergang eingestellte Arbeitnehmer können sich nicht auf die Geltung des (für die übernommenen Arbeitnehmer transformierten) Tarifvertrages berufen. 560 Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmer Mitglied der (früher) tarifzuständigen Gewerkschaft sind. Ebenfalls findet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu ihren Gunsten keine Anwendung.561 c) Zeitlicher Anwendungsbereich der Transformation Bei einem Betriebsübergang geht das Arbeitsverhältnis in dem Stand auf den Erwerber über, in dem es für den Veräußerer zu diesem Zeitpunkt bestanden hat. Soweit Rechte und Pflichten bereits in einem Tarifvertrag zu diesem Zeitpunkt fest vereinbart sind, sodass sie auch beim Veräußerer aufgrund bloßen Zeitablaufs wirksam werden, gehen auch sie mit diesem Inhalt auf den Erwerber über.562 Der Tarifvertrag selbst muss jedoch bereits vor dem Betriebsübergang in Kraft getreten sein. Bei einem späteren Inkrafttreten findet keine Transformation der Normen mehr statt.563 Beispiel: Im Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers K mit dem Unternehmen V wurden „die jeweils gültigen Tarifverträge“ in Bezug genommen. 2004 vereinbarte V mit der Gewerkschaft u. a. einen Tarifvertrag „Zusatzzahlung“, der am 01.01.2008 in Kraft trat und ab 2008 einen Anspruch auf eine jährliche Zusatzleistung vorsah. Mit Wirkung ab 01.01.2006 wurde der Betrieb, in dem K beschäftigt war, vom nicht tarifgebundenen Erwerber B übernommen. K akzeptierte den angebotenen neuen Arbeitsvertrag nicht und macht für 2008 den Anspruch auf die Zusatzzahlung nach dem Tarifvertrag geltend. Dieser sei gem. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis mit B übergegangen. Das BAG verneint den Anspruch. Vor dem Inkrafttreten des Tarifvertrages gehören dessen Regelungen nach Ansicht des BAG nicht zu den Rechten und Pflichten aus dem im Zeitpunkt eines Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB. Das Arbeitsverhältnis sei beim Betriebsübergang nicht in den zeitlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über die Zusatzzahlung gefallen. 557 Vorlage des BAG v. 17.06.2015 – 4 AZR 61/14 (A); EuGH- Aktenzeichen: C-680/15. EuGH v. 18.07.2013 – C-426/11, NZA 2013, 835. 559 vgl. oben Kapitel D II. 1. f) cc). 560 Schiefer, Rn. 217. 561 Picot/Schnitker, § 12, Rn. 45. 562 BAG v. 26.08.2009 – 5 AZR 969/08, NZA 2010, 173; BAG v. 19.09.2007 – 4 AZR 711/06, NZA 2008, 241. 563 BAG v. 16.05.2012 – 4 AZR 321/10, NZA 2012, 923. 558 178 aa) Tarifvertrag mit Wirkung für die Zukunft Transformiert werden tarifliche Regelungen, die erst nach dem Betriebsübergang wirksam werden, aber zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits tariflich bindend vereinbart waren.564 Das widerspricht nicht dem Grundsatz der negativen Koalitionsfreiheit.565 Beispiel: In dem für beide tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien geltenden Vergütungstarifvertrag wurde eine Erhöhung in drei Stufen, nämlich ab dem 01.04.2013 um 2,4 % sowie ab dem 01.01.2014 und ab dem 01.05.2014 um je ein weiteres Prozent vereinbart. Außerdem sah der Vergütungstarifvertrag eine im November 2004 zu zahlende Einmalzahlung von 50 € vor. Mit Wirkung zum 01.04.2014 ging der Betrieb an einen nicht tarifgebundenen Erwerber über. Der Arbeitnehmer verlangt die Zahlung der auch zeitlich nach dem Betriebsübergang liegenden Vergütungserhöhungen sowie der Einmalzahlung. Das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht und sprach ihm die im Zeitpunkt bereits vereinbarten und nur durch Zeitablauf ohne weitere Bedingungen wirksam werdenden Vergütungserhöhungen sowie die Einmalzahlung zu.566 Dasselbe gilt, wenn ein Firmen-Sanierungstarifvertrag für den Arbeitnehmer ungünstigere Arbeitsbedingungen vorsieht und dieser nach dem Betriebsübergang und der Transformierung der Tarifnormen gemäß § 613a Abs. 1 S. 2 BGB gegenüber dem Veräußerer ohne Nachwirkung gekündigt wird. Aufgrund des kollektivrechtlichen Charakters der transformierten Regelungen wirkt die Kündigung des Firmen-Sanierungstarifvertrages auch gegenüber dem Erwerber.567 Die Kündigungsmöglichkeit muss jedoch im transformierten Tarifvertrag bereits angelegt gewesen sein. bb) Zukünftige und rückwirkende Tarifverträge Demgegenüber werden Tarifverträge, die erst nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs abgeschlossen werden, grundsätzlich nicht transformiert. Dies gilt auch für Tarifverträge, die rückwirkend wirksam werden568, da die Rückwirkung nichts an der fehlenden Tarifbindung (des Erwerbers) im Zeitpunkt des Tarifabschlusses ändert. Die Tarifvertragsparteien können ihre Regelungsbefugnis nicht dadurch, dass sie die von ihnen geschaffenen Normen rückwirkend in Kraft setzen, auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber ausdehnen.569 Dies soll auch dann gelten, wenn der Veräußerer nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs einen (Firmen-)Tarifvertrag abgeschlossen hat.570 Beispiel: Arbeitnehmer A ist in einem Betrieb beschäftigt, der dem verbandsangehörigen Veräußerer V gehört. Der einschlägige Entgelttarifvertrag wurde zum 30.04.2010 gekündigt. Am 15.05.2010 wird der Betrieb an den nicht tarifgebundenen Erwerber E veräußert. Am 20.05.2010 einigen sich die Tarifparteien auf einen neuen Entgelttarifvertrag, der rückwirkend zum 01.05.2010 gelten soll. A hat keinen Anspruch auf die tariflich vereinbarten Entgelterhöhungen. 564 BAG v. 14.11.2007 – 4 AZR 828/06, NZA 2008, 420. BAG v. 19.09.2007 – 4 AZR 711/06, NZA 2008, 241. 566 BAG v. 19.09.2007 – 4 AZR 711/06, NZA 2008, 241. 567 BAG v. 22.04.2009 – 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41. 568 BAG v. 26.08.2009 – 5 AZR 969/08, NZA 2010, 173. 569 BAG v. 13.09.1994 – 3 AZR 148/94, NZA 1994, 740. 570 LAG Brandenburg v. 10.03.1992 – 3 Sa 272/92, DB 1992, 1145. 565 179 cc) Dynamische Verweisung auf anderen Tarifvertrag Enthält ein transformierter Tarifvertrag (z. B. ein Anerkennungstarifvertrag) eine dynamische Verweisung auf andere Tarifverträge, werden diese nur mit ihrem Inhalt zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs in die Arbeitsverhältnisse der übernommenen Arbeitnehmer einbezogen. An der Weiterentwicklung der Tarifverträge nehmen die Arbeitsverhältnisse nicht teil.571 Beispiel: Der Kläger ist IG Metall-Mitglied und seit 1967 als Maschinenschlosser beim Veräußerer tätig. Der Veräußerer schloss mit der IG Metall einen Haustarifvertrag, der eine dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der M+E-Industrie enthielt. Der Erwerber gehört keinem Arbeitgeberverband an. Der Erwerber zahlte nach dem Betriebsübergang in den Jahren 2003 bis 2005 viermal die ERA-Strukturkomponente an die Beschäftigten aus. Der Kläger begehrt vom Erwerber die Auszahlung der ERA-Strukturkomponente auch für das Jahr 2006, nachdem Tarifverhandlungen zwischen dem Veräußerer und der IG Metall über einen Haustarifvertrag scheiterten. Das BAG572 entschied, dass die in einem Firmentarifvertrag des Veräußerers enthaltene Verweisung auf Tarifverträge der M+E-Industrie den Erwerber nicht zur Einführung von ERA zwingen könne, wenn ein Betrieb vor Inkrafttreten der ERA-Tarifverträge auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber übergegangen sei. Auch sei ein Arbeitgeber zur Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet kraft betrieblicher Übung nur verpflichtet, wenn sein bisheriges Verhalten deutliche Anhaltspunkte dafür gebe, dass er auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tariferhöhungen übernehmen will. dd) Nachwirkende Tarifverträge Tarifverträge, die gem. § 4 Abs. 5 TVG nachwirken, sollen nach der Rechtsprechung des BAG ebenfalls gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformiert werden. Dies wurde vom EuGH in der Rechtssache „Österreichischer Gewerkschaftsbund“573 bestätigt. Allerdings gilt für nachwirkende Tarifnormen die einjährige Verschlechterungssperre des Satz 2 nicht. § 4 Abs. 5 TVG hat insoweit Vorrang.574 In diesem Zusammenhang ist ergänzend zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BAG Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG auch dann eintritt, wenn der Arbeitgeber vorher nur noch gemäß § 3 Abs. 3 TVG575 (Nachbindung) oder über eine Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 TVG576 tarifgebunden war und der Tarifvertrag endet. Etwas anderes gilt, wenn die Nachwirkung ausdrücklich ausgeschlossen wird. 571 BAG v. 26.08.2009 – 5 AZR 969/08, NZA 2010, 173; kritisch Hohenstatt, NZA 2010, 23. BAG v. 26.08.2009 – 5 AZR 969/08, NZA 2010, 173. 573 EuGH v. 11.09.2014 – C-328/13, NZA 2014, 1092. 574 BAG v. 01.08.2001 – 4 AZR 82/00, NZA 2002, 41; EuGH v. 11.09.2014 – C-328/13; a.A. Karthaus, AuR 2014, 437. 575 BAG v. 18.03.1992 – 4 AZR 339/91, NZA 1992, 700; BAG v. 17.05.2000 – 4 AZR 363/99, NZA 2001, 453. 576 BAG v. 25.10.2000 – 4 AZR 212/00, NZA 2001, 1146. 572 180 d) Umfang der Transformation aa) Statische Fortgeltung (1) Tarifgebundener Arbeitnehmer Bei der Transformation nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um eine sog. statische Verweisung, d. h. die Tarifverträge werden ausschließlich mit dem Inhalt in das Arbeitsverhältnis transformiert, den sie zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs hatten.577 Spätere Änderungen dieser Tarifverträge ändern also an den Rechten und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse nichts mehr. Insbesondere nehmen die Arbeitnehmer an tariflichen Entgelterhöhungen, die nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs vereinbart werden (im Gegensatz zu bereits vereinbarten Erhöhungsstufen), nicht teil. (2) Nicht tarifgebundener Arbeitnehmer Bei nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern wird der Inhalt der Tarifverträge nicht in die Arbeitsverträge transformiert. Der Tarifvertrag fand auch vor dem Betriebsübergang nicht normativ auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die tariflichen Bestimmungen sind i. d. R. Gegenstand einer einzelvertraglichen Bezugnahmeklausel, die gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB und nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB auf den Erwerber übergeht. Inwieweit eine Bezugnahmeklausel eine statische Wirkung oder eine dynamische Wirkung hat, hängt vom Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages bzw. von der Formulierung der Bezugnahmeklausel ab. Für Bezugnahmeklauseln, die vor dem 01.01.2002 vereinbart wurden, nimmt die Rechtsprechung weiterhin an, dass es sich bei der Bezugnahmeklausel bzw. der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung um eine sog. Gleichstellungsklausel handelt.578 Diese hat nach alter Rechtsprechung579 nur den Zweck, organisierte und nicht organisierte Arbeitnehmer gleich zu behandeln. Für Bezugnahmeklauseln, die nach dem 01.01.2002 vereinbart wurden, prüft die Rechtsprechung nun die Formulierung der Bezugnahmeklausel im Rahmen von §§ 305 ff. BGB. Die Tarifgebundenheit muss zur auflösenden Bedingung der Bezugnahmeklausel gemacht werden. Anderenfalls führen die Bezugnahmeklauseln zur dynamischen Weitergeltung der in Bezug genommenen Tarifverträge nach dem Betriebsübergang.580 (3) Nicht tarifgebundener Veräußerer Wenn der Veräußerer nicht tarifgebunden ist, greift § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht ein (keine statische Fortwirkung tariflicher Regelungen). Die Geltung bestimmter Tarifverträge war dann in der Regel durch die Bezugnahmeklauseln mit den Arbeitnehmern vereinbart. Diese Tarifverträge gelten nach der Rechtsprechung des BAG auch nach dem Betriebsübergang dynamisch weiter und zwar auch für sog. Altfälle vor dem 01.01.2002.581 Die übergegangenen Arbeitnehmer können sich also dem Erwerber gegenüber dann auch auf tarifliche Änderungen (insbesondere Entgelterhöhungen) nach dem Betriebsübergang berufen. 577 BAG v. 26.08.2009 – 5 AZR 969/08, NZA 2010, 173. BAG v. 17.11.2010 – 4 AZR 407/09. 579 BAG v. 21.08.2002 – 4 AZR 263/01, NZA 2003, 442; BAG v. 24.11.1999 – 4 AZR 666/98, NZA 2000, 435; BAG v. 04.08.1999 – 5 AZR 642/98, NZA 2000, 154. 580 BAG v. 17.11.2010 – 4 AZR 407/09; BAG v. 18.04.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965. 581 BAG v. 25.09.2002 – 4 AZR 294/01, NZA 2003, 807. 578 181 (4) Betriebliche Übung nach Betriebsübergang Die Zahlung von Tariferhöhungen nach dem Betriebsübergang durch den nichttarifgebundenen Erwerber begründet nicht automatisch einen Anspruch der Arbeitnehmer aus betrieblicher Übung.582 Dies ist nur der Fall, wenn es deutliche Anhaltspunkte im Verhalten des Erwerbers gibt, dass er auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tariferhöhungen übernehmen will. Ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber will sich grundsätzlich nicht für die Zukunft der Regelungsmacht der Verbände unterwerfen und seine Entscheidungsfreiheit für die künftige Entgeltentwicklung behalten. Deshalb können die Arbeitnehmer nicht automatisch von einer dauerhaften Bindung des Arbeitgebers an zukünftige Tarifänderungen ausgehen.583 bb) Art der transformierten Tarifnormen Nicht alle im Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Tarifnormen werden gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformiert. Es besteht Einigkeit darüber, dass vor allem sog. Inhalts- und Beendigungsnormen Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden.584 Dagegen werden schuldrechtliche Abreden zwischen den Tarifvertragsparteien wie das Kündigungsrecht des Tarifvertrages nicht transformiert.585 Streitig ist die Behandlung von Abschlussnormen (z. B. relevant für den Einstellungsanspruch von Auszubildenden). Das BAG hat diese Frage bisher offengelassen. Betriebsverfassungsrechtliche Normen, also z. B. tarifliche Erweiterungen der betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte, sollen nicht transformiert werden. Unklar ist die Rechtslage bei den sog. Betriebsnormen (z. B. 13%- bzw. 18%-Quote zur Verlängerung der einzelvertraglichen Arbeitszeit, Sozialkassen). Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung werden diese dann nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert, wenn sie zugleich den Inhalt der Arbeitsverhältnisse regeln und ihnen damit die Wirkung von Inhaltsnormen zukommt.586 Regelungen über sog. Gemeinsame Einrichtungen sollen nicht Inhalt der übergehenden Arbeitsverhältnisse werden, jedoch soll eine Haftung des Erwerbers nicht ausgeschlossen sein.587 Letzteres ist wegen der Sozialkassen des Baugewerbes vor allem von praktischer Bedeutung, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil des Baugewerbes übernommen wird. Allerdings ist ungeklärt, ob der Erwerber selbst dann zur Abführung von Beiträgen an diese Sozialkassen verpflichtet ist, wenn er nicht unter den Geltungsbereich der einschlägigen und für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge fällt. Dies ist abzulehnen, da eine entsprechende Beitragspflicht an die Zugehörigkeit zur Baubranche anknüpft. Praxishinweis: Insgesamt wird man eine Transformation zumindest immer dann annehmen müssen, wenn ein Tarifvertrag den Arbeitnehmern unmittelbar Rechte einräumt oder Pflich- 582 BAG v. 26.08.2009 – 5 AZR 969/08, NZA 2010, 173. BAG v. 26.08.2009 – 5 AZR 969/08, NZA 2010, 173. 584 BAG v. 15.12.1999 – 10 AZR 877/98. 585 BAG v. 24.08.2011 – 4 AZR 566/09; BAG v. 26.08.2009 – 4 AZR 280/08, NZA 2010, 238. 586 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 118; vgl. auch BAG . 24.08.2011 – 4 AZR 566/09. 587 Hanau/Vossen, Festschrift für Hilger/Stumpf 1983, 288. 583 182 ten auferlegt, wenn also eine individuelle tarifliche Rechtsposition einer der beiden Arbeitsvertragsparteien besteht. Was diese Grundsätze im Einzelfall bedeuten, soll im Folgenden für die wichtigsten Materien, die üblicherweise in Tarifverträgen geregelt werden, kurz dargestellt werden: (1) Arbeitszeitregelungen Arbeitszeitregelungen, die i. d. R. in Manteltarifverträgen enthalten sind, stellen Inhaltsnormen dar. Sie werden also gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert und bleiben damit unverändert. Wird ein (tarifgebundener) Betrieb aus dem Geltungsbereich der Metalltarifverträge übertragen, gilt dies auch für die Arbeitnehmer, deren wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden verlängert wurde. Es handelt sich um eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, diese geht schon gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über. Der nicht tarifgebundene Erwerber dürfte jedoch nicht an die 13%- bzw. 18%-Quote gebunden sein, da es sich bei diesen Tarifnormen um sog. Betriebsnormen handelt588, die keine individuellen Ansprüche der Arbeitnehmer begründen. (2) Arbeitsentgelt (einschließlich Entgeltrahmentarifverträgen) Transformiert werden auch die tariflichen Entgeltregelungen. Demnach bleibt der Entgeltanspruch der übergehenden Arbeitnehmer sowohl in der Höhe als auch in der Zusammensetzung bzw. Struktur unverändert. (a) Entgelthöhe Soweit tarifvertraglich nicht nur die Zahlung eines Tarifentgelts, sondern auch die von tariflichen Zulagen vorgesehen ist, bleibt dies ebenfalls nach dem Betriebsübergang unverändert. Dies gilt auch für den Berechnungsmodus solcher Zulagen. Kann oder muss der Arbeitgeber die Höhe der tariflichen Zulage ändern, wie es z. B. bei der in den M+E-Tarifverträgen geregelten tariflichen Leistungszulage der Fall ist, so geht auch dieses Recht bzw. diese Verpflichtung auf den Erwerber über. Beispiel: Ein Betrieb geht am 01.01.2015 vom tarifgebundenen Veräußerer V auf den nicht tarifgebundenen Erwerber E über. Arbeitnehmer A hat vor dem Betriebsübergang ein tarifliches (Grund-)Entgelt zuzüglich einer tariflichen Leistungszulage erhalten, die nach dem für V geltenden Tarifvertrag einmal jährlich zu überprüfen und neu festzusetzen ist. E kann und muss dieses Recht bzw. diese Pflicht wahrnehmen, hat also die Möglichkeit, die tarifliche Leistungszulage im Rahmen der tariflichen Bestimmungen zu mindern oder zu erhöhen. Haben die auf den Erwerber übergehenden Arbeitnehmer vor dem Betriebsübergang im Leistungslohn gearbeitet, wird dies ebenfalls transformiert. Wurde für den übergehenden Betrieb oder Betriebsteil Akkord- oder Prämienentlohnung vereinbart oder gelten dort Zielvereinbarungen oder Provisionsregelungen, ändert sich hieran durch den Betriebsübergang ebenfalls nichts. 588 BAG v. 17.06.1997 – 1 ABR 3/97, NZA 1998, 213. 183 (b) Entgeltstruktur (Tarifentgeltgruppen) Insbesondere dann, wenn ein Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang die Tätigkeit wechselt, stellt sich die Frage, ob der Erwerber in diesem Fall verpflichtet ist, den Arbeitnehmer in eine andere Tarifgruppe einzugruppieren und sein Entgelt entsprechend anzupassen. Das BAG hat dies bejaht. Es hat entschieden, dass die gesamte tarifliche Entgeltstruktur transformiert wird.589 Der Betriebsinhaber ist zur Fortführung der bestehenden Vergütungsordnung verpflichtet. Auch wenn der bisherige Geltungsgrund der Vergütungsordnung bei nicht bestehender Tarifbindung des Erwerbers entfällt, bleibt die tarifliche Vergütungsordnung die maßgebliche betriebliche Entgeltstruktur. Im Falle der Geltung der Entlohnungsgrundsätze aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme oder betrieblicher Übung bleibt der Geltungsgrund bestehen. Die einheitliche Vergütungsstruktur bleibt auch nach dem Betriebsübergang erhalten. Vor diesem Hintergrund ist auch bei entsprechenden Umgruppierungen bzw. Versetzungen das Beteiligungsrecht des § 99 BetrVG zu beachten. Der Betriebsrat kann nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG der personellen Maßnahme widersprechen, wenn diese einen Verstoß gegen den transformierten Tarifvertrag darstellt. Dieses Recht hat der Betriebsrat auch im Rahmen des ihm nach § 21a BetrVG zustehenden Übergangsmandats. Dies kann vor allem bei der Ausgliederung und Übertragung von Betriebsteilen dazu führen, dass der Betriebsrat eines für den Erwerber fremden Betriebes, nämlich des Veräußererbetriebes, bei solchen personellen Maßnahmen zu beteiligen ist. Praxishinweis: Bei einer mangelnden Beteiligung des Betriebsrates ist die sog. Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung zu beachten, d. h. die individualrechtlichen Maßnahmen sind unwirksam.590 (c) Änderung der Entgeltstruktur Für den Erwerber eines Betriebes oder Betriebsteils stellt sich die Frage, „ob“ und „wie“ er für die übergegangenen Arbeitsverhältnisse die transformierten tariflichen Entgeltstrukturen ändern kann. Im Bereich der Leistungsentlohnung wird dies häufig über eine Betriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 oder 11 BetrVG möglich sein. Wird ein übernommener Betrieb oder Betriebsteil in den Betrieb des Erwerbers eingegliedert, gilt diese Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG auch für die übergehenden Arbeitnehmer. Sie kann im Einzelfall die transformierten tariflichen Regelungen ablösen.591 Beruht jedoch das Leistungslohnsystem beim Erwerber auf einer tariflichen Rechtsgrundlage, kommt dieser nur im Falle des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ablösende Wirkung für die Arbeitsverhältnisse der übergehenden Arbeitnehmer zu. Voraussetzung ist die sog. kongruente Tarifgebundenheit (also die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers in den tarifschließenden Koalitionen). Fehlt es daran, hat der Erwerber nur die Möglichkeit, mit den Arbeitnehmern gem. § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB die Geltung des anderen Tarifwerks einzelvertraglich zu vereinbaren. Rechtlich möglich, wenn auch in der Praxis schwer durchsetzbar, dürfte auch eine Änderungskündigung sein. 589 BAG v. 08.12.2009 – 1 ABR 66/08, NZA 2010, 404. BAG v. 03.12.1991 – GS 1/90, DB 1991, 2593. 591 zur sog. Über-Kreuz-Ablösung siehe Kapitel D, III. 2. a) cc). 590 184 Praxishinweis: Wegen des hohen Prozessrisikos, das mit einer Änderungskündigung verbunden ist, sollte auf jeden Fall einer einzelvertraglichen Lösung der Vorzug gegeben werden. Wenn die Änderung des Vergütungssystems mit einer Einkommensminderung für die Arbeitnehmer verbunden ist, müsste dies ggf. mit einer abschmelzbaren Besitzstandswahrungsklausel verbunden sein. Betriebsvereinbarungen sind bei tarifgebundenen Erwerbern jedenfalls wegen § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG i. d. R. nicht möglich. (d) Neu eingestellte Arbeitnehmer Transformierte Tarifnormen gelten ausschließlich für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber gemäß § 613a BGB übergegangen sind. Damit fallen neu, d. h. nach dem Betriebsübergang, eingestellte Arbeitnehmer nicht unter die transformierten tariflichen Regelungen. Der Erwerber kann also mit neu eingestellten Arbeitnehmern andere Arbeitsbedingungen vereinbaren als mit den übergegangenen Arbeitnehmern. Insbesondere ist die Vereinbarung eines niedrigeren Arbeitsentgelts möglich und zulässig. Auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz können sich die neu eingestellten Arbeitnehmer nicht berufen, da die Entscheidung des Erwerbers, neu eingestellte Arbeitnehmer anders als übergegangene Arbeitnehmer zu entlohnen, eine unternehmerische Entscheidung ist, die den Sachgrund für die Ungleichbehandlung darstellt.592 Der Erwerber hat bei einer entsprechenden Neugestaltung der Entgeltstrukturen den Betriebsrat – eventuell sogar im Rahmen des Übergangsmandats! – nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beteiligen. Dies scheidet allerdings dann aus, wenn der Erwerber seinerseits tarifgebunden ist und andere tarifliche Regelungen als die transformierten auf die neu eingestellten Arbeitnehmer anwendet. Dann greift die Sperre des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ein. (3) Mehr-, Spät-, Sonntags- und Feiertags-, Nachtarbeit (einschließlich Vergütungszuschläge) Transformiert werden sämtliche tariflichen Regelungen zu Mehrarbeit, Spät-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie Nachtarbeit. Dies hat für den Erwerber zunächst zur Folge, dass er tariflich geregelte Beschränkungen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts in Bezug auf die Anordnung von Mehrarbeit sowie der anderen Arbeitszeiten gegen sich gelten lassen muss. Des Weiteren werden die tariflichen Entgeltregelungen, die sich auf Mehrarbeit und die anderen genannten Arbeitszeiten beziehen, in das Arbeitsverhältnis transformiert. Insbesondere sind daher die i. d. R. tariflich geregelten Zuschläge für diese Tätigkeiten weiter zu zahlen und nach den einschlägigen tariflichen Regelungen zu berechnen; wegen der statischen Wirkung der Transformation allerdings nur auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Tarifentgelte. (4) Kurzarbeit Unklar ist die Rechtslage bei tariflichen Kurzarbeitsklauseln. Soweit sie Voraussetzungen und Umfang der Kurzarbeit selbst regeln, wird man sie als Inhaltsnorm qualifizieren müssen, sodass die entsprechenden tariflichen Regelungen (z. B. Voraussetzungen für Anordnung von Kurzarbeit, Ankündigungsfrist) transformiert werden. 592 BAG v. 02.03.2004 – 1 AZR 271/03, NZA 2004, 852, wenn auch in anderem Zusammenhang; BAG v. 23.09.2003 – 1 ABR 35/02, NZA 2004, 800. 185 Schwierig sind tarifliche Regelungen zu beurteilen, die (auch) Vorgaben an die gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG abzuschließenden Betriebsvereinbarungen über Kurzarbeit enthalten. Sie dürften eher als betriebsverfassungsrechtliche Normen i. S. v. § 1 Abs. 1 TVG einzuordnen sein, die nach den einleitenden Ausführungen nicht transformiert werden. Soweit allerdings die einschlägige tarifliche Regelung den einzelnen Arbeitnehmern Rechtspositionen einräumt, dürften diese transformiert werden. Beispiel § 7 MTV Metall NRW regelt in Ziff. 2 Mindestinhalte für Betriebsvereinbarungen über Kurzarbeit. Ziff. 4 enthält in Bezug auf das Arbeitsentgelt eine Sonderregelung für Beschäftigte, deren Kündigungsfrist in den Zeitraum der Kurzarbeit fällt. Die tariflichen Vorgaben für die Betriebsvereinbarungen werden nicht transformiert, wohl aber die Regelung über die Entgelthöhe während der Kündigungsfrist in Ziff.4. Gilt im Betrieb des Erwerbers ein anderer Tarifvertrag, der ebenfalls Vorgaben für Betriebsvereinbarungen zu Kurzarbeit enthält, dürften diese Regelungen nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB (Ablösung) auch für die übergehenden Arbeitsverhältnisse wirken, da für die Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen gemäß § 3 Abs. 2 TVG die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers, hier also des Erwerbers ausreicht. Dadurch werden jedoch nicht automatisch auch die transformierten Inhaltsnormen abgelöst. (5) Bezahlte Freistellung Die meisten Tarifverträge enthalten Regelungen zur bezahlten Arbeitsfreistellung, die die Vorschrift des § 616 BGB abschließend konkretisieren. Da den Arbeitnehmern mit diesen Regelungen ein Anspruch auf bezahlte Arbeitsfreistellung eingeräumt wird, zählen auch diese Tarifnormen zu den Rechten und Pflichten, die nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert werden. (6) Arbeitsverhinderung, insbesondere Arbeitsunfähigkeit Tarifliche Regelungen zur Arbeitsverhinderung und vor allem zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall werden durchweg transformiert. Wenn ein Tarifvertrag entsprechend § 4 Abs. 4 EFZG eine vom Gesetz abweichende Bemessungsgrundlage für die Berechnung des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts enthält, ist dies als Inhaltsnorm zu qualifizieren, die ebenfalls zum Inhalt des übergehenden Arbeitsverhältnisses wird. (7) Urlaub Tarifliche Urlaubsregelungen werden ebenfalls vollumfänglich transformiert. Der Erwerber muss also nicht nur die tariflich geregelten Urlaubstage gewähren und das Urlaubsentgelt auf der tariflichen Bemessungsgrundlage berechnen, sondern auch ein etwaiges zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld zahlen. Sollte eine tarifliche Urlaubsregelung in zulässiger Weise gemäß § 13 BUrlG zuungunsten der Arbeitnehmer vom BUrlG abweichen, wird auch dies Inhalt der übergehenden Arbeitsverhältnisse. Transformiert wird nicht nur das, was für die Arbeitnehmer günstiger ist. Beispiel: Die Tarifvertragsparteien verlängern die Wartezeit für den Erwerb des vollen Urlaubsanspruchs von sechs auf neun Monate. 186 (8) Verdienstsicherung Tarifnormen zur Verdienstsicherung, insbesondere älterer Arbeitnehmer oder bei Versetzungen des Arbeitnehmers, begründen individuelle Rechtspositionen, die gem. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert werden. (9) Kündigungsregelungen Kündigungsregelungen, die i. d. R. unter den Begriff der Beendigungsnorm i. S. v. § 1 Abs. 1 TVG fallen, werden in das Arbeitsverhältnis transformiert. Damit werden Regelungen zu Kündigungsfristen, aber auch tarifliche Unkündbarkeitsklauseln zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Das gilt auch, wenn sie für den Arbeitnehmer in zulässiger Weise gemäß § 622 Abs. 4 BGB ungünstiger als § 622 Abs. 1 - 3 BGB sind. Dagegen gehören Regelungen zur Kündigung des gesamten Tarifvertrages, z. B. bei einem mit einem Insolvenzverwalter vor dem Betriebsübergang abgeschlossenen Sanierungstarifvertrag, nicht zu den Inhaltsnormen des Tarifvertrages, sondern zum schuldrechtlichen Teil, sodass nach der Transformation gemäß § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB weder die Gewerkschaft noch die einzelnen Arbeitnehmer durch Kündigung gegenüber dem Betriebserwerber die Möglichkeit haben, die transformierten Regelungen einseitig zu beenden.593 (10) Ausschlussfristen Transformiert werden tarifliche Ausschlussfristen, da es für die Transformation nicht darauf ankommt, ob die tariflichen Regelungen für den Arbeitnehmer günstig sind oder nicht. Die Angemessenheit transformierter tariflicher Regelungen kann nicht nach den §§ 305 ff. BGB von den Arbeitsgerichten kontrolliert werden, da diese Regelungen wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB kontrollfrei sind. Besonderheiten könnten sich jedoch ergeben, wenn der Unterrichtungspflicht nach § 615a Abs. 5 BGB nicht nachgekommen wurde. Besteht hier ein Zusammenhang mit der versäumten Geltendmachung des Anspruchs durch den Arbeitnehmer, kann die Berufung auf die tariflichen Ausschlussfristen nach der Rechtsprechung rechtsmissbräuchlich sein.594 Nach der neueren Rechtsprechung595 des BAG gelten die transformierten tarifvertraglichen Regelungen nicht individualrechtlich fort, sondern behalten ihren kollektiven Charakter. (11) Übernahme von Auszubildenden Zweifelhaft ist, ob tarifvertragliche Verpflichtungen zur Übernahme Auszubildender in ein (befristetes) Arbeitsverhältnis, wie sie in vielen Tarifverträgen, darunter auch denen der Metallund Elektroindustrie, enthalten sind, transformiert werden. Wie bereits angesprochen, sollen sog. Abschlussnormen, zu denen diese Übernahmeverpflichtungen zählen, nach umstrittener Auffassung in der Literatur nicht transformiert werden.596 Demgegenüber wird jedoch durch eine entsprechende Tarifnorm eine individuelle Rechtsposition der Auszubildenden begründet, sodass die gegenteilige Auffassung vertretbar ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Anspruch grundsätzlich für alle Auszubildenden des Ausbildungsjahres besteht. Klarheit wird nur eine höchstrichterliche Entscheidung bringen. 593 BAG v. 26.08.2009 – 4 AZR 280/08, NZA 2010, 238. BAG v. 22.08.2012 – 5 AZR 526/11, NZA 2013, 376. 595 BAG v. 22.04.2009 – 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41. 596 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 118. 594 187 Praxishinweis: Bis zur höchstrichterlichen Klärung besteht für den Erwerber eines Betriebes oder Betriebsteils ein nicht unerhebliches Risiko, mit etwaigen Forderungen konfrontiert zu werden. In der prozessualen Praxis wird der Anspruch auf Übernahme für 12 Monate nach bzw. wegen Zeitablaufs i. d. R. auf einen Schadenersatzanspruch umgestellt. (12) Altersteilzeit Altersteilzeitarbeitsverhältnisse gehen auf den Erwerber über und zwar auch dann, wenn sich die Altersteilzeitler bereits in der Freistellungsphase befinden. Dies wirft vor allem dann schwierige Fragen auf, wenn der Erwerber an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist und eventuell sogar eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB eintritt.597 Soweit Tarifverträge einen individuellen Anspruch der Arbeitnehmer auf den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages enthalten, wird wohl auch dieser zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Das LAG Rheinland-Pfalz stellt dabei für die Voraussetzungen des Anspruchs (z. B. das erforderliche Alter) auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs ab.598 Probleme ergeben sich vor allem dann, wenn Tarifverträge Vorgaben für entsprechende Betriebsvereinbarungen enthalten. (13) Beschäftigungssicherung / Absenkung der Arbeitszeit Für einen Erwerber, der nach dem Betriebsübergang Sanierungsmaßnahmen durchführen will, ist die Frage interessant, ob Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung, die dem Arbeitgeber, entweder auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung (z. B. Metall) oder mit Zustimmung der tarifzuständigen Gewerkschaft (z. B. Öffentlicher Dienst) eine vorübergehende Absenkung der Arbeitszeit gestatten, ebenfalls Inhalt der Arbeitsverhältnisse werden. Wenn Tarifverträge – wie in der M+E Industrie – tarifvertraglich eine entsprechende Ermächtigung der Betriebsparteien zur Absenkung der Arbeitszeit enthalten, spricht mehr gegen eine Transformation, weil es sich bei dieser Tarifnorm um eine betriebsverfassungsrechtliche Norm handelt, die von § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht erfasst ist. Wenn Tarifverträge eine Ermächtigung des Arbeitgebers enthalten, mit Zustimmung der tarifzuständigen Gewerkschaft eine Absenkung der Arbeitszeit (mit entsprechender Absenkung der Vergütung) anzuordnen, stellt sich die Frage, ob eine solche Tarifregelung überhaupt unter den Normenkatalog des § 1 Abs. 1 TVG subsumiert werden kann. Das BAG hat es jedenfalls abgelehnt, in einer solchen Regelung eine Betriebsnorm i. S. v. § 3 Abs. 2 TVG zu sehen599 und ist lediglich von einer schuldrechtlichen Ermächtigung des Arbeitgebers ausgegangen.600 Legt man dies zugrunde, wäre eine Transformation entsprechender tariflicher Regelungen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht möglich, da nur Normen eines Tarifvertrages erfasst werden, nicht aber schuldrechtliche Vereinbarungen bzw. Ermächtigungen. Unabhängig davon werden sich ohnehin Schwierigkeiten ergeben, wenn die für den Betrieb früher tarifzuständige Gewerkschaft nicht mehr tarifzuständig ist, etwa wegen eines Wechsels des Betriebszwecks. Die besseren Argumente sprechen gegen eine Transformation entsprechender Tarifverträge. Praxishinweis: Für den Erwerber besteht ein erhebliches Risiko, wenn er auf einer solchen Grundlage – ohne tarifgebunden zu sein – eine Absenkung der Arbeitszeit mit entsprechender Absenkung der Vergütung vornehmen will. Es könnten sich daher andere Sanierungs597 vgl. Kapitel G. LAG Rheinland-Pfalz v. 25.11.2008 – 3 Sa 422/08. 599 BAG v. 01.08.2001 – 4 AZR 388/99, DB 2001, 2609. 600 BAG v. 20.10.2010 – 4 AZR 105/09, NZA 2011, 468. 598 188 maßnahmen empfehlen. Es kann daher sinnvoll sein, bereits vor dem Betriebsübergang mit der Sanierung (durch den Veräußerer) zu beginnen. (14) Betriebsverfassung Betriebsverfassungsrechtliche Normen601 werden nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert, weil sie keinen Bezug zum individuellen Arbeitsverhältnis haben. Nicht transformiert werden tarifliche Regelungen, mit denen die Beteiligungsrechte des Betriebsrates erweitert werden. Nach dem Betriebsübergang stehen dem Betriebsrat (ggf. im Rahmen seines Übergangsmandats) daher nur noch die gesetzlich geregelten Beteiligungsrechte zu.602 Zusammenfassender Überblick Regelungsgegenstand Transformation Arbeitszeit JA Entgelt Entgelthöhe JA Entgeltstruktur wohl JA Mehrarbeit, Spät-, Sonntagsund Feiertagsarbeit, Nachtarbeit einschließlich Zuschläge Anmerkungen insbesondere bei Umgruppierung relevant JA Voraussetzungen, Umfang JA Vorgaben für BV wohl NEIN Betriebsverfassungsrechtliche Norm Arbeitsfreistellung JA Modifikation des § 616 BGB Arbeitsunfähigkeit JA auch bei – zulässiger – vom EFZG abweichender Berechnungsgrundlage Urlaub JA auch wenn tarifliche Regelung in zulässiger Weise ungünstiger als BUrlG Verdienstsicherung JA Kündigungsregelungen JA Ausschlussfristen JA Übernahmeverpflichtung Auszubildende wohl NEIN Kurzarbeit 601 602 als Abschlussnorm nicht transformierbar (str.) vgl. Kapitel I. Zur Frage der Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen auf der Grundlage tariflicher Öffnungsklauseln siehe unten Kapitel D, III 1. b) ee). 189 Arbeitsverhältnisse Altersteilzeit Möglichkeiten des TV Besch Anspruch auf Altersteilzeit JA wohl JA ggf. Einschränkung – nur bei zeitlicher Nähe der Altersteilzeit zum Betriebsübergang wohl NEIN tarifungebundener Erwerber kann TV Besch zur Sanierung nicht nutzen e) Verschlechterungssperre des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB enthält eine einjährige Verschlechterungssperre, nach der die transformierten tariflichen Regelungen nicht vor Ablauf eines Jahres zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden dürfen. Die Vorschrift enthält ein gesetzliches Verbot i. S. v. § 134 BGB, d. h. arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die die transformierten tariflichen Rechtspositionen des Arbeitnehmers verschlechtern, sind nichtig, auch wenn der Arbeitnehmer freiwillig in eine entsprechende Vertragsänderung eingewilligt hat. Praxishinweis: Selbst wenn die Arbeitnehmer einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung zugestimmt haben, können sie sich grundsätzlich auf deren Nichtigkeit berufen. Es bleibt die Möglichkeit, vor Ablauf der einjährigen Verschlechterungssperre die tariflich transformierten Arbeitsbedingungen zu ändern. Und zwar gemäß § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB dadurch, die Geltung eines anderen Tarifvertrages bzw. Tarifwerkes zu vereinbaren oder eine andere Regelung mit dem Arbeitnehmer zu treffen, wenn der Tarifvertrag vor Ablauf der Jahresfrist nicht mehr gilt.603 Allerdings muss der Betrieb des Erwerbers dann in den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen. 603 Bepler, RdA 2009, 65. 190 Zusammenfassender Überblick § 613a BGB - Verschlechterungssperre § 613 a BGB Abs. 1 S. 2 – 4 BGB § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Einzelvertragliche Vereinbarungen Kollektivrechtliche Weitergeltung Transformation (Satz 2) Ablösung Gesetzlich (Satz 3) Vertraglich (Satz 4) Anwendungsbereich Verschlechterungssperre § 613a Abs. 1 S. 2 a. E. Ausnahmen TV oder BV gilt nicht mehr Geltung eines anderen TV wird vereinbart IV. Rechte und Pflichten aus Betriebsvereinbarungen Gemäß § 613a Abs. 1 Sätze 2 - 4 BGB sind Betriebsvereinbarungen rechtlich genauso zu behandeln wie Tarifverträge. Es bestehen grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten wie bei Tarifverträgen: Betriebsvereinbarungen und § 613a BGB normative Weitergeltung Transformation gesetzlich nicht geregelt § 613a Abs. 1 S. 2 Ablösung § 613a Abs. 1 S. 3 § 613a Abs. 1 S. 4 191 Die Fallgestaltungen stellen sich bei Betriebsvereinbarungen aber aus mehreren Gründen anders als bei Tarifverträgen dar: Keine Bezugnahmeproblematik: Die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen gem. § 77 Abs. 4 BetrVG erstreckt sich auf alle Beschäftigten, die Arbeitnehmer i. S. v. § 5 BetrVG sind. Damit entfällt bei Betriebsvereinbarungen die schwierige Bezugnahmeproblematik. Weiterer Anwendungsbereich der normativen Weitergeltung: Betriebsvereinbarungen können nach der Rechtsprechung des BAG in weitaus größerem Umfang normativ weitergelten, als dies bei Tarifverträgen der Fall ist. Für den Erwerber eines Betriebes hat dies vor allem zur Folge, dass er wegen der Kündigungsmöglichkeit des § 77 Abs. 5 BetrVG Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen leichter beseitigen oder ändern kann als Ansprüche aus Tarifverträgen. Einfachere Durchsetzbarkeit von ablösenden Vereinbarungen: Betriebsvereinbarungen können in der Praxis meist auch deshalb leichter als (Verbands-)Tarifverträge durch eine andere Betriebsvereinbarung abgelöst werden, da der Erwerber mit dem Betriebsrat über eine Neuregelung verhandeln oder eine solche ggf. über eine Einigungsstelle herbeiführen kann. Praxishinweis: In der Praxis empfiehlt sich auch für die Betriebsvereinbarung folgende Prüfungsreihenfolge: 1. normative Weitergeltung 2. Ablösung der Betriebsvereinbarung durch andere Betriebsvereinbarung / Tarifvertrag 3. wenn keine kollektivrechtliche Weitergeltung oder Ablösung, dann Transformation Im Folgenden werden die Rechtsfolgen für Betriebsvereinbarungen in dieser Reihenfolge dargestellt, auch wenn die Reihenfolge der gesetzlichen Vorgaben in § 613a Abs. 1 Sätze 2 – 4 eine andere ist. Die Transformation wird selbst vom BAG als „Auffangtatbestand“ bezeichnet, der Lücken im Betriebsverfassungsrecht (und Tarifrecht) schließen soll.604 Für einen Erwerber mit bestehender Belegschaft sind die kollektivrechtliche Weitergeltung und die Ablösung interessant, da er dadurch die bei ihm geltenden arbeitsvertraglichen Rahmen auch auf die übernommenen Arbeitnehmer anwenden kann. Er kann so schneller die Arbeitsbedingungen vereinheitlichen. 1. Einzelbetriebsvereinbarungen a) Unveränderte normative Weitergeltung Das BAG geht in der Regel605 von einer normativen Weitergeltung aus. Während teilweise diese Weitergeltung direkt aus § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB im Wege einer sogenannten kollektiven Sukzession606 abgeleitet wird, ergibt sich für das BAG die normative Weitergeltung aus allgemeinem Betriebsverfassungsrecht.607 Der Wortlaut des § 613a Abs. 1 BGB steht dem nicht entgegen. Dieser regelt in Satz 1 das Fortbestehen von vertraglichen Vereinba- 604 BAG v. 27.07.1994 – 7 ABR 37/93, NZA 1995, 222; BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 605 Willemsen, Teil E, Rn. 2. 606 ErfK-Preis - § 613a BGB Rn. 113; Sagan RdA 2011, 163. 607 BAG v. 05.05.2015 – 1 ABR 763/13; NZA 2015, 1331; BAG v. 19.07.1957 – 1 AZR 420/54 unter Hinweis auf Nikisch und Hueck-Nipperdey. 192 rungen sowie in Satz 2 und 3 die Transformation der kollektiven Regelungen, soweit diese nicht normativ fortgelten.608 Nur bei einer so verstandenen normativen Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen ist der Fortbestand der betrieblichen Ordnung als Kollektivordnung gewährleistet. Der Erwerber rückt in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Veräußerers ein. Er kann die bestehenden betrieblichen Regelungen gemeinsam mit dem Betriebsrat an geänderte Gegebenheiten anpassen und ggf. auch vollständig beseitigen.609 aa) Anwendungsbereich der normativen Weitergeltung Betriebsvereinbarungen sollen nach der Rechtsprechung des BAG unverändert normativ weitergelten, wenn die Identität des Betriebes im Wesentlichen gewahrt bleibt.610. Das hat das BAG später dahin gehend erweitert, dass dies auch dann gilt, wenn lediglich ein Betriebsteil veräußert wird, der vom Erwerber als eigenständiger Betrieb weitergeführt wird. 611 Für die Frage, ob eine Wahrung der Betriebsidentität vorliegt, kann nicht auf die Rechtsprechung des EuGH und des BAG zu der im Rahmen des § 613a Abs. 1 BGB entscheidenden Frage abgestellt werden, ob eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortgeführt wird.612 Es ist vielmehr mit größerem Gewicht auf die sächlichen und immateriellen Mittel abzustellen, die das wesentliche Substrat eines Betriebes darstellen und zugleich den Betriebszweck verkörpern. Die Einheit der Organisation bzw. die einheitliche Leitung ist ein weiteres grundlegendes Kriterium, wobei es dabei entscheidend auf die Ausübung der Organisations- und Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten ankommt.613 Entscheidend ist, ob die Organisation der Arbeitsabläufe, der Betriebszweck und die Leitungsstruktur, welche die Betriebsidentität prägen, z. B. nach der erfolgten Zusammenfassung von Betrieben zu neuen Organisationseinheiten, unverändert geblieben sind.614 Es reicht deshalb für eine normative Weitergeltung nicht aus, dass der von dem Veräußerer auf den Erwerber übergegangene Betrieb oder Betriebsteil räumlich und organisatorisch abgegrenzt werden kann. Die räumliche und organisatorische Abgrenzbarkeit des bisherigen Geltungsbereiches innerhalb der neuen Organisationseinheit allein ist kein taugliches Abgrenzungskriterium. Dabei wird nicht genügend beachtet, dass eine normative Weitergeltung einer Betriebsvereinbarung nur gerechtfertigt ist, wenn die ursprüngliche organisatorische (Teil-)Einheit als betriebsverfassungsrechtlicher Bezugspunkt fortbesteht. Damit kommt es in drei Fällen zu einer normativen Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen: 1. Fall: Es geht ein gesamter Betrieb über, der vom Erwerber im Wesentlichen unverändert fortgeführt wird. 608 BAG v. 05.05.2015 – 1 ABR 763/13, NZA 2015, 1331. BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 610 BAG v. 27.07.1994 – 7 ABR 37/93, NZA 1995, 222; BAG v. 15.01.2002 – 1 AZR 58/01, NZA 2002, 1034; BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 611 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 612 Fitting, § 1 BetrVG, Rn 62. 613 Willemsen, Teil D, Rn. 69, 71. 614 BAG v. 07.06.2011 – 1 ABR 110/09, NZA 2012, 110. 609 193 Beispiel: Erwerber E übernimmt von Veräußerer V einen metallverarbeitenden Betrieb und führt diesen weiter. 2. Fall: Es wird ein Betriebsteil ausgegliedert und auf einen anderen Unternehmensträger übertragen (insbesondere Outsourcing!). Der neue Unternehmensträger, der Erwerber, führt diesen Betriebsteil nach dem Übergang als selbstständigen Betrieb weiter. Beispiel: Aus einem metallverarbeitenden Betrieb wird die Kantine ausgegliedert und auf einen selbstständigen Pächter übertragen, der die Kantine als eigenen Betrieb weiterführt. Die im metallverarbeitenden Betrieb vor dem Übergang abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen gelten in der Kantine normativ weiter. Praxishinweis: Gerade bei der selbstständigen Fortführung eines Betriebsteils werden die beim Veräußerer geltenden Betriebsvereinbarungen häufig noch von Bestand sein. Das gilt insbesondere, wenn der neue Arbeitgeber ursprünglich von einer bloßen Funktions- bzw. Auftragsnachfolge ausging und es sich erst später herausstellt, dass ein Betriebsübergang vorlag. In diesen Fällen muss der Übernehmer die Betriebsvereinbarung gegenüber dem dann zuständigen Betriebsrat (das ist i. d. R. wegen des in § 21a BetrVG geregelten Übergangsmandates der Betriebsrat des „alten“ Betriebes) gemäß § 77 Abs. 5 BetrVG kündigen, wenn er die normative Weitergeltung dieser Betriebsvereinbarung beenden will. Gegebenenfalls ist die Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG zu beachten. 3. Fall: Darüber hinaus gelten Betriebsvereinbarungen auch dann normativ weiter, wenn eine Betriebsaufspaltung in der Form vorliegt, dass zwei Unternehmensträger entstehen, der Betrieb aber – dann als gemeinsamer Betrieb zweier Unternehmen (Vermutungsregel des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG!) – im Wesentlichen unverändert weitergeführt wird. Dies gilt sowohl für Betriebsaufspaltungen nach dem UmwG als auch für Aufspaltungen, die im Wege der Einzelrechtsnachfolge durchgeführt werden. Beispiel: Die X-GmbH ist Träger eines Betriebes. Die Gesellschafter beschließen eine Aufspaltung in eine Betriebs- und eine Besitzgesellschaft. Einige Arbeitnehmer gehen nach § 613a Abs. 1 BGB auf die neu gegründete Betriebs-GmbH über. Es besteht jedoch wegen der einheitlichen Leitungsmacht nach wie vor nur ein Betrieb. Als Faustregel kann gelten, dass Betriebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang immer dann normativ weitergelten, wenn der Betrieb als solcher im Wesentlichen unverändert fortgeführt oder ein früherer Betriebsteil als selbstständiger Betrieb weitergeführt wird. Umgekehrt tritt nach derzeitiger Rechtslage eine Transformation nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB dann ein, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil in den Betrieb des Erwerbers eingegliedert oder mit anderen Betrieben oder Betriebsteilen zusammengeführt wird. 194 (1) Nicht betriebsratsfähiger Betriebsteil Ist der neu entstandene Betrieb nicht betriebsratsfähig, weil er nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigt, geht das BAG davon aus, dass der vorübergehende oder endgültige Wegfall des Betriebsrates die bestehenden Betriebsvereinbarungen in ihrer normativen Wirkung unberührt lässt. Da es kein handlungsfähiges Betriebsverfassungsorgan mehr gibt, sodass eine inhaltliche Änderung der Betriebsvereinbarung nicht mehr infrage kommt, kann der Arbeitgeber ihre Wirkung dadurch beenden, dass er einheitlich gegenüber allen betroffenen Arbeitnehmern des Betriebs die Kündigung der Betriebsvereinbarung erklärt.615 Da es sich letztlich um eine kollektive Regelung handelt, die ansonsten bei der Anwendung von individualrechtlichen Kündigungsfristen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihre Wirkung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern verlieren würde, was dem kollektivrechtlichen Charakter letztlich nicht mehr entsprechen würde, ist das Kündigungsrecht mit einer 3-Monats-Frist direkt aus § 77 Abs. 5 BetrVG abzuleiten.616 Eine Nachwirkung scheidet aus, da die Nachwirkung des § 77 Abs. 6 BetrVG eine zwingende Mitbestimmung des Betriebsrates voraussetzt, ein solcher aber nicht mehr existiert.617 Praxishinweis: Der Erwerber muss darauf achten, dass die Kündigungserklärung allen Arbeitnehmern zugeht, d. h. er sollte die Kündigung schriftlich erklären. Ein Aushang am Schwarzen Brett ist wegen der damit verbundenen (und bekannten) Zugangsprobleme nicht zu empfehlen. Die normative Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen ist nicht davon abhängig, ob der übernommene Betrieb bzw. Betriebsteil auf Dauer vom Erwerber als eigenständiger Betrieb weitergeführt wird. Betriebsvereinbarungen gelten also auch dann normativ weiter, wenn der Erwerber den Betrieb oder Betriebsteil erst einmal als eigenständigen Betrieb weiterführt und ihn erst später in seinen Betrieb eingliedert. Praxishinweis: Es kann sich daher vor allem dann, wenn der Veräußerer die maßgebenden Betriebsvereinbarungen nicht ersatzlos gekündigt hat, empfehlen, einen übernommenen Betrieb oder Betriebsteil erst einmal als selbstständigen Betrieb weiterzuführen, damit der Erwerber die Kündigungsmöglichkeit des § 77 Abs. 5 BetrVG ausnutzen kann. (2) „Übernahme“ der Betriebsvereinbarung durch den Erwerber Eine normative „Weitergeltung“ von Betriebsvereinbarungen kommt schließlich auch in den oben dargestellten (Eingliederungs-)Fällen in Betracht, wenn sich der Erwerber gegenüber dem Betriebsrat verpflichtet, die bisherigen Betriebsvereinbarungen trotz des Betriebsübergangs weiterhin unverändert anzuwenden. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine „echte“ normative Weitergeltung, sondern die normative Wirkung resultiert aus § 77 Abs. 4 BetrVG, da es sich dann um eine neue, eigenständige Betriebsvereinbarung zwischen Erwerber und Betriebsrat handelt. (3) Regelungsabreden Sog. Regelungsabreden kennzeichnen sich dadurch, dass der Betriebsrat einer vom Arbeitgeber getroffenen Regelung (insbesondere im Bereich der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG) zustimmt, ohne dass eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird. 615 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670, Hertzfeld, DB 2006, 2177. GK Kreutz, § 77 BetrVG, Rn.410, Salomon, NZA 2007, 367. 617 GK-Kreutz, § 77 BetrVG, Rn. 410. 616 195 Der Inhalt einer Regelungsabrede geht nicht nach § 613a Abs. 1 Sätze 2 - 4 BGB auf den Erwerber über.618 Ihm kommt keine normative Wirkung im Verhältnis zu den Arbeitnehmern zu. Die Regelungsabrede stellt lediglich eine schuldrechtliche Absprache zwischen den Betriebsparteien dar. Allerdings kommt es bei einer durchgeführten Regelungsabrede in der Regel zu einem individualrechtlichen Umsetzungsakt mit den Arbeitnehmern des Veräußerers. Diese individualrechtliche Abrede geht gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über.619 Das gilt insbesondere für Ansprüche der Arbeitnehmer auf Entgeltzusatzleistungen. Für den Erwerber hat dies die – unerfreuliche – Konsequenz, dass er die Leistungen nur einstellen kann, wenn ihm dies (arbeits-)vertraglich möglich ist. Fehlt es daran, kann er sich – ebenso wie der Veräußerer – nur über eine Änderungskündigung von dieser Verpflichtung lösen, was jedoch angesichts der strengen Anforderungen des BAG620 faktisch kaum möglich ist. Der Erwerber steht sich also bei einer Regelungsabrede i. d. R. schlechter als bei einer Betriebsvereinbarung, da letztere besser künd- bzw. abänderbar ist. Übt der Arbeitgeber lediglich – mit Zustimmung des Betriebsrates – das ihm zustehende Weisungsrecht aus, z. B. bei der Anordnung von Mehrarbeit oder bei der Urlaubsgewährung, handelt es sich um die Ausübung des dem Arbeitgeber zustehenden Weisungsrechts im Einzelfall. Einen rechtsbegründenden Charakter hat die Weisung des Arbeitgebers nicht. Die in einer solchen Regelungsabrede enthaltenen Arbeitsbedingungen gehen nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über. bb) Wirkung der normativen Weitergeltung Normativ weitergeltende Betriebsvereinbarungen gelten zunächst in vollem Umfang weiter, d. h. die aus ihnen folgenden Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer bleiben durch den Betriebsübergang unberührt. Damit bestehen jegliche Ansprüche der Arbeitnehmer aus Betriebsvereinbarungen (z. B. auf Entgeltzusatzleistungen) weiter. (1) Änderungen der Betriebsvereinbarung im Ursprungsbetrieb Betriebsvereinbarungen gelten nur in dem Zustand weiter, in dem sie sich im Zeitpunkt des Betriebsübergangs befanden. Spätere Änderungen der Betriebsvereinbarung im Veräußererbetrieb erfassen die Arbeitsverhältnisse der übergehenden Arbeitnehmer nicht, da weder der Veräußerer noch der früher für die übergegangenen Arbeitnehmer zuständige Betriebsrat das Recht haben, zugunsten oder zulasten Dritter eine Regelung zu treffen. Das aber wäre der Fall, wenn eine geänderte Betriebsvereinbarung sich auch auf den Erwerber und die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse übergegangen sind, erstrecken würde. Beispiel: Im Betrieb des Veräußerers V besteht eine Betriebsvereinbarung „Weihnachtsgeld“, nach der den Beschäftigten jedes Jahr ein zusätzliches Weihnachtsgeld von 200 € gezahlt wird. Im Jahre 2014 wird ein Betriebsteil ausgegliedert, an den Erwerber E übertragen und von diesem als selbstständiger Betrieb weitergeführt. Im Jahre 2015 gehen die Geschäfte bei V so gut, dass er sich in einer neuen Betriebsvereinbarung zur Zahlung von 400 € Weihnachtsgeld an die Beschäftigten verpflichtet. 618 Fitting, § 77 BetrVG, Rn. 168. ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 118. 620 BAG v. 16.05.2002 – 2 AZR 292/01, NZA 2003, 147. 619 196 Die übergehenden Arbeitnehmer nehmen an späteren Änderungen der normativ weitergeltenden Betriebsvereinbarung im Ursprungsbetrieb nicht teil. Im o. g. Beispiel steht ihnen auch kein Anspruch auf das höhere Weihnachtsgeld zu. Umgekehrt behalten sie ihren Anspruch in der alten Höhe auch dann, wenn die Leistungen im Ursprungsbetrieb durch eine abändernde Betriebsvereinbarung abgesenkt oder sogar vollständig beseitigt werden. Beispiel - Abwandlung: Beim V wird die Betriebsvereinbarung „Weihnachtsgeld“ wegen der schlechten Geschäftslage im Jahr 2015, also nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs, ersatzlos gekündigt. Dies hat keine Auswirkungen auf die nunmehr bei E beschäftigten Arbeitnehmer. Solange E die Betriebsvereinbarung nicht kündigt, haben die Arbeitnehmer Anspruch auf die 200 € Weihnachtsgeld. (2) Regelungsgegenstände der weitergeltenden Betriebsvereinbarungen Nach dem BAG ist davon auszugehen, dass bei einer normativen Weitergeltung alle für den Veräußererbetrieb bestehenden Betriebsvereinbarungen auf den Erwerber übergehen und dort jedenfalls so lange fortgelten, bis sie ihr Ende finden.621 Der Erwerber kann die bestehenden betrieblichen Regelungen gemeinsam mit dem Betriebsrat an geänderte Gegebenheiten anpassen und ggf. auch vollständig beseitigen.622 Dies schließt nicht aus, dass eine normativ weitergeltende Betriebsvereinbarung unmittelbar nach dem Betriebsübergang (teilweise) gegenstandslos wird.623 (a) Sachleistungen – Produkte des Veräußerers Bei Betriebsvereinbarungen, die die Gewährung von Sachleistungen regeln, tritt dabei ein ähnliches Problem wie im individualvertraglichen Bereich auf, wenn der Veräußerer den Arbeitnehmern kostenlos oder verbilligt Sachleistungen zugesagt hatte, die er selbst am Markt anbietet. Wenn der Erwerber diese Produkte oder Dienstleistungen nicht anbietet bzw. herstellt, stellt sich die Frage, ob die übergehenden Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang – und sei es nur für die Zeit der Kündigungsfrist – noch einen Anspruch auf diese Leistungen haben. Beispiel: Ein Energieunternehmen hat sich in einer Betriebsvereinbarung verpflichtet, seinen Arbeitnehmern verbilligtes Heizgas aus eigener Produktion zur Verfügung zu stellen. Das Unternehmen beschließt nun, die Gebäudereinigung künftig nicht mehr durch eigene Arbeitnehmer, sondern durch ein Gebäudereinigungsunternehmen durchführen zu lassen. Das Gebäudereinigungsunternehmen übernimmt alle Reinigungskräfte des Energieunternehmens und führt den früheren Betriebsteil als eigenen Betrieb fort, weigert sich aber, den übernommenen Arbeitnehmern verbilligtes Heizgas liefern zu lassen. Die Rechtslage ist hier ebenso höchstrichterlich ungeklärt. In den Fällen einer internen Umstrukturierung, die – ohne Wechsel des Unternehmensträgers624 – zur Bildung neuer Betriebe führt, wird vertreten, eine solche Betriebsvereinbarung 621 BAG v. 27.07.1994 – 7 ABR 37/93, NZA 1995, 222; BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 53/01, NZA 2003, 670. 622 BAG v. 05.05.2015 – 1 ABR 763/13, NZA 2015, 1331. 623 GK-Kreutz, § 77 BetrVG, Rn. 400. 624 Also kein Fall des § 613a BGB. 197 könne nur dann weitergelten, wenn ihre Anwendung im aufnehmenden bzw. neuen Betrieb weiterhin möglich und sinnvoll sei. 625 In Bezug auf individualvertraglich zugesagte Sachleistungen hat das BAG entschieden, dass diese regelmäßig unter dem Vorbehalt stünden, dass der Arbeitgeber die Sachleistungen selbst herstelle. Der Anspruch erlösche, wenn der Arbeitgeber die Produktion einstelle oder einen Betriebsteil veräußere. 626 Überträgt man dies auf Betriebsvereinbarungen, könnte man in Bezug auf Sachleistungen, deren Gewährung dem Erwerber nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, davon ausgehen, dass entsprechende Betriebsvereinbarungen wegen einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (ggf. auch wegen Unmöglichkeit der Leistung) zwar einerseits normativ fortgelten, aber andererseits nach einer logischen Sekunde des Betriebsüberganges gegenstandslos werden. Dies hätte zur Folge, dass der Erwerber auch ohne Kündigung nicht mehr an die Betriebsvereinbarung gebunden wäre. Es ist jedoch fraglich, ob sich ein solches Ergebnis mit dem Schutzzweck des § 613a BGB vereinbaren lässt, weil die Gewährung der fraglichen Sachleistungen Bestandteil des den Arbeitnehmern geschuldeten Arbeitsentgelts ist. Deshalb besteht ggf. ein Anspruch auf Wertersatz. Geht man von der Unmöglichkeit nach § 275 BGB für die Sachleistung aus, ist folgerichtig ein Schadensersatzanspruch des Erwerbers gemäß § 281 BGB zu prüfen. Maßgeblich hierbei dürfte sein, was der Erwerber gemäß § 276 Abs. 1 BGB zu vertreten hat. Insoweit wird regelmäßig § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB, der strengere Haftungsmaßstab bei der Übernahme eines Beschaffungsrisikos, eingreifen. Allerdings kommt es auf die Auslegung der vom Arbeitgeber erteilten Zusage an. Praxishinweis: Der Erwerber sollte daher in solchen Fällen auf jeden Fall die fragliche Betriebsvereinbarung kündigen. (b) Arbeitsorganisatorische Regelungen Problematisch ist auch die Frage der normativen Weitergeltung bei Betriebsvereinbarungen über arbeitsorganisatorische Fragen, da diese eventuell im Betrieb des Erwerbers nicht passen bzw. gegenstandslos werden. Beispiel: Im Betrieb V besteht eine Betriebsvereinbarung, die u. a. Torkontrollen regelt. Ein Betriebsteil wird ausgegliedert und auf den Erwerber übertragen, der den früheren Betriebsteil an einem anderen Ort als selbstständigen Betrieb weiterführt. Tore gibt es dort nicht. Betriebsvereinbarungen, die ihrem Regelungsgehalt nach nicht (mehr) zum Betrieb des Erwerbers passen, gelten nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs nicht normativ weiter. Auch dies ist aber nicht Rechtsfolge des Betriebsübergangs. Schon im allgemeinen Betriebsverfassungsrecht werden Betriebsvereinbarungen als beendet angesehen, wenn sie durch eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gegenstandslos werden.627 Dies lässt sich auf die Problematik der (normativen) Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang übertragen. Auch diese sind ab dem Betriebsübergang bzw. spätestens ab dem Zeitpunkt, an dem die Regelungen gegenstandslos werden (wenn also der 625 Fitting, § 77 BetrVG, Rn. 163; Bachner, NZA 1997, 79. BAG v. 07.09.2004 – 9 AZR 631/03, NZA 2005. 941. 627 Fitting, § 77 BetrVG, Rn. 160; Bachner, NZA 1997, 79, GK-Kreutz, § 77 BetrVG, Rn. 400 ff. 626 198 Erwerber in dem Beispiel die Tore zwei Monate nach dem Betriebsübergang abreißen würde), als beendet anzusehen. (c) Sozialeinrichtungen beim Veräußerer Probleme können auch im Betrieb des Veräußerers geltende (Gesamt-)Betriebsvereinbarungen über Sozialeinrichtungen i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bereiten. Bei einer betriebsbezogenen Sozialeinrichtung und einem Übergang des ganzen Betriebes bestehen wenig Schwierigkeiten, da sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber die Möglichkeit haben, die Sozialeinrichtung nach allgemeinen Grundsätzen zu schließen, wenn der Erwerber diese nicht fortführen will. Anders sieht dies wiederum aus, wenn der Erwerber nur einen Betriebsteil erwirbt, den er als selbstständigen Betrieb weiterführt oder wenn die Sozialeinrichtung über eine Gesamtbetriebsvereinbarung unternehmensbezogen geregelt wird und nur ein oder mehrere Betriebe des Unternehmens auf einen Erwerber übertragen werden. Für diesen Fall wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass die Sozialeinrichtung nur beim Veräußerer fortbesteht und die übergehenden Arbeitnehmer ihre Ansprüche (z. B. auf Nutzung der Sozialeinrichtung) verlieren.628 Dies ist jedoch im Hinblick auf den Schutzzweck des § 613a BGB zweifelhaft, da auch die Rechte der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Sozialeinrichtung zum Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses werden und sie daher durch den Betriebsübergang ihre Ansprüche verlieren würden. Damit aber besteht für den Erwerber die Gefahr, dass er nach dem Betriebsübergang mit Ansprüchen der Arbeitnehmer konfrontiert wird, die sich ggf. – ähnlich wie bei Sachleistungen – auf Wertersatz richten können.629 Praxishinweis: Eine Lösungsmöglichkeit besteht darin, dass der Veräußerer bereits vor dem Betriebsübergang die fragliche Betriebsvereinbarung kündigt und versucht, eine neue Betriebsvereinbarung abzuschließen, deren persönlicher Geltungsbereich ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs auf die im Unternehmen des Veräußerers verbleibenden Arbeitnehmer beschränkt wird. Stattdessen oder zusätzlich wäre daran zu denken, dass den übergehenden Arbeitnehmern weiterhin das Nutzungsrecht an den Sozialeinrichtungen, eventuell auch nur für einen Übergangszeitraum zugestanden wird. (d) Verfahrensorganisatorische Regelungen Unklar ist, ob sog. verfahrensorganisatorische Abreden, die von den Betriebsparteien häufig in Form einer Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden, normativ weitergelten. Solche Abreden regeln nicht den Inhalt der Arbeitsverhältnisse oder die Organisation des Betriebes bzw. der Betriebsabläufe, sondern sie betreffen Verfahrensfragen (z. B. Anhörung vor jeder Abmahnung, Ankündigung von Mehrarbeit oder Verfahren bei Einstellungen oder Versetzungen) oder die Stellung und Geschäftsführung des Betriebsrates (z. B. Vereinbarungen über Freistellungen nach § 38 BetrVG, über Schulungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG oder Kostentragungsregeln nach § 40 BetrVG). 628 629 Gaul, S. 973. Meyer, DB 2000, 1175. 199 Nach den oben dargelegten grundsätzlichen Erwägungen des BAG muss auch hier von einer normativen Weitergeltung ausgegangen werden. Das ist im Ergebnis bei der unveränderten Fortführung eines ganzen Betriebes auch praktikabel, da der Betriebsrat unverändert beim Erwerber im Amt bleibt. Aber auch in dem Fall, in dem der Erwerber nur einen Betriebsteil übernimmt, gelten bei Wahrung der Betriebs(teil)identität die Betriebsvereinbarungen mit normativer Wirkung weiter, die vor dem Betriebsübergang in dem ursprünglichen Betrieb galten. In so einem Fall nimmt der Betriebsrat des Veräußererbetriebes das Übergangsmandat nach § 21a BetrVG wahr und dann ist es auch folgerichtig, die normative Fortgeltung der von ihm selbst abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen – und seien es auch nur solche verfahrensorganisatorische Regelungen – zu bejahen.630 Da der übernommene Betriebsteil keinen eigenen Betriebsrat mehr hat, laufen die Regelungen der §§ 38, 40 BetrVG dann allerdings leer und haben keinen Anwendungsbereich mehr. Praxishinweis: Für verfahrensorganisatorische Abreden außerhalb von §§ 38, 40 BetrVG, wie z. B. die Anhörung vor jeder Abmahnung, empfiehlt es sich jedoch für den Erwerber, bei Bestehen eines Übergangsmandats beim Betriebsteilübergang diese zu berücksichtigen. (e) Sonderfall: Sozialplanansprüche Insbesondere dann, wenn es nach dem Entschluss des Veräußerers, den Betrieb oder einen Betriebsteil stillzulegen, zu einem unerwarteten Betriebsübergang kommt, kann die Frage auftreten, ob der Erwerber eines Betriebes aufgrund der normativen Weitergeltung des Sozialplanes in die Stellung des Veräußerers einrückt und ggf. zu der Zahlung von Abfindungen verpflichtet ist. Dabei wird im Folgenden ausschließlich die Rechtslage erörtert, wenn im Betrieb des Veräußerers bereits vor dem Betriebsübergang ein Sozialplan vereinbart wurde. Beispiele: V hatte im Januar 2014 beschlossen, seinen Betrieb wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten stillzulegen. Im April 2014 schließt er mit dem Betriebsrat einen Sozialplan ab, der für die gekündigten Arbeitnehmer Abfindungen vorsieht. Im Mai 2014 findet sich unerwartet ein Erwerber für den Betrieb, der auch alle Arbeitnehmer übernehmen will. Der Kaufvertrag wird im Juni 2014 abgeschlossen. Unternehmer V verliert einen Auftrag und ist deshalb zu einem erheblichen Personalabbau gezwungen. Er vereinbart mit dem Betriebsrat einen Sozialplan. Der Auftrag und ein Teil des materiellen Betriebsvermögens sind im Wege des Betriebsteilübergangs auf den Erwerber E übergegangen, der auch einen Teil der Arbeitnehmer übernimmt. Praxishinweis: Neben der Möglichkeit des Abschlusses freiwilliger vorsorglicher Sozialpläne631 hat der Betriebsrat auch die Möglichkeit, einen vorsorglichen Sozialplan zu erzwingen, wenn das Vorliegen eines Betriebsübergangs fraglich ist.632 Sozialpläne werden rechtlich nicht anders als andere Betriebsvereinbarungen behandelt, d. h. nach der Rechtsprechung des BAG gehen auch Sozialpläne auf den Erwerber eines Betriebes oder Betriebsteils über, wenn der Betrieb oder Betriebsteil durch den Betriebsübergang seine bisherige Identität nicht verliert. Dies hat zur Folge, dass der Erwerber gegenüber den zum Zeitpunkt des Betriebs- 630 BAG v. 18.09.2012 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670, 675. BAG v. 17.04.2012 – 1 AZR 119/11, NZA 2012, 2040. 632 BAG v. 01.04.1998 – 10 ABR 17/97, NZA 1998, 768. 631 200 übergangs zur Belegschaft gehörenden Arbeitnehmern unmittelbar zum Schuldner aus dem Sozialplan wird. Grundsätzlich hat aber sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber als dessen betriebsverfassungsrechtlicher Nachfolger die Möglichkeit, unter Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage, eine Anpassung des Sozialplans an die veränderten Verhältnisse zu verlangen.633 Wenn eine derartige Anpassung aber nicht infrage kommt, kann die Haftung des Erwerbers für Sozialplanansprüche unter zwei Voraussetzungen eintreten: 1. das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers, der die Ansprüche geltend macht, muss auf den Erwerber übergegangen sein und 2. die im Sozialplan festgelegten Anspruchsvoraussetzungen müssen erfüllt sein. In Bezug auf die erstgenannte Voraussetzung scheidet damit eine Haftung des Erwerbers auf jeden Fall dann aus, wenn ein Arbeitnehmer vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs aus dem Betrieb ausgeschieden ist, die Kündigungsfrist also vor diesem Zeitpunkt abgelaufen ist. In diesem Fall geht das Arbeitsverhältnis nicht auf den Erwerber über. Es bleibt bei der alleinigen Haftung des Veräußerers für die vereinbarten Sozialplanleistungen. Selbst wenn es bei dem Veräußerer einen Sozialplan (und einen Interessenausgleich) gibt, nach dem eine betriebsbedingte Entlassung aller Arbeitnehmer unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum Jahresende vereinbart worden ist, schließt dies weder einen Betriebsübergang zum 01.01. des Folgejahres noch das Übergehen eines zum 31.12. bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmers aus. Wirksam betriebsbedingt gekündigte Arbeitnehmer können nach dem BAG auch dann einen Weiterbeschäftigungsanspruch gegenüber einem Erwerber geltend machen, wenn sich diese Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach dem Betriebsübergang und nach Ablauf der Kündigungsfrist ergibt.634 Dieser Anspruch muss vom Arbeitnehmer innerhalb einer Frist von einem Monat seit Kenntniserlangung von den, den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen geltend gemacht werden. Kommt es dann zu einer Neueinstellung beim Erwerber, gilt auch ein normativ fortgeltender Sozialplan für diesen Arbeitnehmer. Die Arbeitsverhältnisse, die zwar bereits vom Veräußerer betriebsbedingt gekündigt wurden, bei denen aber die Kündigungsfrist im Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch nicht abgelaufen ist, gehen auf jeden Fall auf den Erwerber über.635 Der Veräußerer haftet dann nur noch gemäß § 613a Abs. 2 BGB gesamtschuldnerisch mit, da die Sozialplanansprüche vor dem Betriebsübergang, nämlich mit Ausspruch der Kündigung,636 entstanden sind. Ob der Erwerber die Erfüllung der Abfindungsansprüche der übergehenden, aber gekündigten Arbeitnehmer verweigern kann, wenn er diesen eine Weiterbeschäftigung anbietet, hängt von der Ausgestaltung des Sozialplans ab. Ist im Sozialplan nicht vorgesehen, dass ein Abfindungsanspruch ausscheidet, wenn der Arbeitnehmer eine zumutbare Weiterbeschäftigung abgelehnt hat, bleibt der Abfindungsanspruch der gekündigten Arbeitnehmer bestehen. Sie haben keine Verpflich- 633 BAG v. 28.08.1996 – 10 AZR 886/95, NZA 1997, 109. BAG v. 25.09.2008 – 8 AZR 607/07, NZA-RR 2009, 469. 635 BAG v. 28.08.1996 – 10 AZR 886/95, NZA 1997, 109. 636 BAG v. 13.12.1994 – 3 AZR 357/94, NZA 1996, 139. 634 201 tung, ein etwaiges Weiterbeschäftigungsangebot des Erwerbers anzunehmen637 oder den nach der Rechtsprechung des BAG bestehenden Wiedereinstellungsanspruch638 geltend zu machen. Dies führt zu dem Ergebnis, dass Arbeitnehmer, denen vom Veräußerer wirksam gekündigt wurde und die das Weiterbeschäftigungsangebot des Erwerbers angenommen haben, einen Abfindungsanspruch erhalten, obwohl sie ihren Arbeitsplatz behalten. Praxishinweis: Ändern kann der Erwerber dies nur, indem er sich gegenüber dem Betriebsrat auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft und eine Neuverhandlung über den Sozialplan erzwingt. Eventuelle Klageverfahren von Arbeitnehmern über die Zahlung von Sozialplanabfindungen sind in diesem Fall von den Arbeitsgerichten nach § 148 ZPO bis zum Abschluss eines neuen Sozialplans auszusetzen.639 Dies ist erst recht zu empfehlen, wenn bereits ein Interessenausgleich mit Namensliste vereinbart worden ist, da die Arbeitnehmer, die auf der Namensliste stehen, auch bei einer Eigenkündigung einen Anspruch auf die Sozialplanabfindung haben können.640 Anders ist die Rechtslage zum Teil zu bewerten, wenn der Sozialplan gemäß § 112 Abs. 5 Nr. 2 BetrVG vorsieht, dass Arbeitnehmer, die eine zumutbare Weiterbeschäftigung ablehnen, keine Abfindung erhalten. In diesem Fall kommt es für das Entstehen des Abfindungsanspruchs darauf an, ob den Arbeitnehmern die vom Erwerber angebotene Weiterbeschäftigung zumutbar ist. 641 Die sozialrechtlichen Regelungen über die Unzumutbarkeit in § 121 SGB III finden auf die Ausgestaltung von Sozialplänen weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung.642 Der Arbeitsplatz ist zumutbar, wenn er gleichwertig in rechtlicher, finanzieller und beruflicher Hinsicht ist.643 Praxishinweis: Allerdings kann es sich auch insoweit für den Erwerber empfehlen, unter Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Änderung des abgeschlossenen Sozialplans zu erzwingen, da die Einigungsstelle auch festlegen kann, welche anderen Arbeitsplätze zumutbar sind.644 637 BAG v. 28.09.1996 – 10 AZR 886/95, NZA 1997, 109. BAG v. 27.02.1997 – 2 AZR 160/96, NZA 1997, 757; BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 295/95, NZA 1998, 251. 639 BAG v. 28.08.1996 – 10 AZR 886/95, NZA 1997, 109. 640 BAG v. 19.07.1995 – 10 AZR 885/94, NZA 1996, 271. 641 Fitting, §§ 112, 112a BetrVG, Rn. 267. 642 BAG v. 06.11.2007 – 1 AZR 960/06, NZA 2008, 232. 643 Fitting, §§ 112, 112a BetrVG, Rn. 268. 644 BAG v. 06.11.2007 – 1 AZR 960/06, NZA 2008, 232; BAG v. 28.09.1988 – 1 ABR 23/87, NZA 1989, 186. 638 202 Zusammenfassender Überblick Regelungsgegenstand Weitergeltung Arbeitszeit JA Entgeltzusatzleistungen JA Sachleistungen / Produkte des Veräußerers JA Sozialeinrichtungen Anmerkungen ggf. Wertersatzanspruch Übergang des ganzen Betriebs oder des ganzen Unternehmens JA Nur Übergang von Betriebsteilen oder einzelnen Betrieben des Unternehmens NEIN, wenn für Erwerber unmöglich Verfahrensorganisatorische Abreden zwischen den Betriebsparteien Übergang des ganzen Betriebs JA Übergang eines Betriebsteils JA u. U. gegenstandslos, selbst wenn ein Übergangsmandat des Betriebsrates gemäß § 21a BetrVG besteht Sozialplanansprüche Arbeitnehmer scheidet vor Betriebsübergang aus Grds. NEIN Ausnahme bei einem Vertragsfortsetzungsanspruch Arbeitnehmer scheidet nach Betriebsübergang aus Grds. JA Ausnahme bei Anspruchsausschluss für zumutbare Weiterbeschäftigung betriebs- oder unternehmensbezogen ggf. Wertersatz (3) Schwellenwerte des BetrVG Eine weitere Frage ist, ob Betriebsvereinbarungen mit Regelungsgegenständen, die erst ab einer bestimmten Arbeitnehmerzahl im Betrieb bzw. Unternehmen der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrates unterfallen (insbesondere §§ 95 Abs. 2, 99 BetrVG) beim Übergang eines Betriebsteils weitergelten, in dem dieser Schwellenwert nicht mehr erreicht wird. Beispiel: Im Betrieb des Veräußerers V werden mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt. Auf Verlangen des Betriebsrates hatte V eine Betriebsvereinbarung über Auswahlrichtlinien gemäß § 95 Abs. 1 und 2 BetrVG abgeschlossen. Der Erwerber E übernimmt einen Betriebsteil mit 100 Arbeitnehmern und führt diesen als eigenständigen Betrieb weiter. 203 Auch die normative Weitergeltung derartiger Betriebsvereinbarungen ist zu bejahen. Hat der übergegangene Betrieb aber nicht mehr über 500 Arbeitnehmer, handelt es sich nach dem Übergang um eine freiwillige Betriebsvereinbarung. Die Kündigung ist ohne Nachwirkung möglich.645 Im Übrigen sind gesetzliche Schwellenwerte keine nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB im Wege der Transformation übergangsfähigen Rechte, sondern allenfalls Tatbestandsvoraussetzungen für derartige Rechte.646 Praxishinweis: Eine Fortgeltung betriebsorganisatorischer Absprachen bzw. betrieblicher Verfahrensregelungen kann auch dadurch erreicht werden, dass sich der Erwerber vertraglich zur Übernahme der entsprechenden Vereinbarungen verpflichtet. Will er dies nicht, bleibt dem Veräußerer ausreichend Zeit, die nicht gewollten Betriebsvereinbarungen (z. B. solche über zusätzliche Freistellungen gemäß § 38 Abs. 1 Satz 5 BGB) zu kündigen, um deren Übergang auf den Erwerber zu verhindern. (4) Wirkung für neu eingestellte Arbeitnehmer Streitig ist, ob die normative Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang auch dazu führt, dass Arbeitnehmer, die vom Erwerber nach diesem Zeitpunkt neu eingestellt werden, von dieser Betriebsvereinbarung erfasst werden. Die Teile der Literatur, die die normative Weitergeltung aus § 613a Abs.1 Satz 2 BGB im Wege einer kollektiven Sukzession647 ableiten, kommen schon nach dem Wortlaut des Satzes 2 zu dem Ergebnis, dass die normative Weitergeltung nur für die übernommenen Arbeitnehmer gilt und nicht für die nach dem Betriebsübergang neu eingestellten Arbeitnehmer. Nach der Rechtsprechung des BAG zu der normativen Weitergeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen bei einem Betriebsübergang ist hingegen davon auszugehen, dass von normativ weitergeltenden Betriebsvereinbarungen auch neu eingestellte Arbeitnehmer erfasst werden.648 Dies folgt unmittelbar aus § 77 Abs. 4 BetrVG. (5) Nachwirkende Betriebsvereinbarungen Eine bis jetzt nicht geklärte Folgefrage der Rechtsprechung des BAG zur normativen Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen ist, ob auch nachwirkende Betriebsvereinbarungen normativ fortwirken. Dies wird man – ebenso wie bei Tarifverträgen – annehmen müssen, da sich der Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung nicht ändert, wenn sie gekündigt wurde. Solange die Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung besteht, gilt diese für alle Arbeitsverhältnisse in ihrem Geltungsbereich, also auch für diejenigen, die erst im Nachwirkungszeitraum begründet werden.649 (aa) Gegenstand der zwingenden Mitbestimmung Der Erwerber ist an Betriebsvereinbarungen über Gegenstände der zwingenden Mitbestimmung (vor allem die Fälle des § 87 BetrVG) auch nach dem Betriebsübergang gebunden. 645 Fitting, § 95 BetrVG Rn. 6. BAG v. 15.02.2007 – 8 ARZ 397/06, NZA 2007, 739. 647 ErfK-Preis - § 613a BGB, Rn. 113; Sagan RdA 2011, 163. 648 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 649 Fitting, § 77 BetrVG, Rn. 182; GK-Kreutz, 10. Auflage 2014, § 77 BetrVG, Rn. 450. 646 204 Will der Erwerber eine Neuregelung erreichen, muss er mit dem dann zuständigen Betriebsrat eine neue Betriebsvereinbarung abschließen. Hat der Erwerber einen Betriebsteil übernommen und führt er diesen als selbstständigen Betrieb weiter, ist zu beachten, dass der Betriebsrat des Veräußererbetriebes für die übergehenden Arbeitnehmer das Übergangsmandat gemäß § 21a BetrVG wahrnimmt, sodass der Erwerber bis zur Neuwahl eines Betriebsrates in seinem neuen Betrieb mit dem Betriebsrat des Veräußererbetriebes verhandeln muss.650 Praxishinweis: Es sollte daher abgewogen werden, ob die Neuverhandlung mit dem Betriebsrat im Übergangsmandat (Veräußerer-Betriebsrat) oder mit einem neu zu wählenden Betriebsrat im Erwerberbetrieb Erfolg versprechender ist. Im letzten Fall liegt es daher im Interesse des Erwerbers, möglichst schnell in dem neu entstehenden Betrieb einen eigenen Betriebsrat wählen zu lassen. (bb) Gegenstand der freiwilligen Mitbestimmung Bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen, die nach ihrer Kündigung nicht nach § 77 Abs. 6 BetrVG nachwirken, ist der Erwerber allenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist an die Betriebsvereinbarung gebunden. Das gilt auch und gerade für Betriebsvereinbarungen über Entgeltzusatzleistungen, wenn diese vom Veräußerer vor dem Betriebsübergang ersatzlos gekündigt wurden. Da Betriebsvereinbarungen in diesem Fall nach der Rechtsprechung des BAG nicht nachwirken, muss der Erwerber die aus dieser Betriebsvereinbarung resultierenden Ansprüche der Arbeitnehmer nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist erfüllen. Beispiel: Im Betrieb des Veräußerers V galt eine Betriebsvereinbarung, nach der jedem Mitarbeiter monatlich eine feste Fahrtkostenpauschale gezahlt wird. V kündigt die Betriebsvereinbarung am 30.03.2014 ersatzlos zum 30.06.2014. Am 01.05.2014 geht ein Betriebsteil auf den Erwerber E über, der diesen als eigenständigen Betrieb fortführt. Die auf E übergegangenen Arbeitnehmer können von E noch bis zum 30.06.2014 die Pauschale verlangen, danach entfällt ihr Anspruch, da die Betriebsvereinbarung nicht nachwirkt. (cc) Gegenstand der teilweise erzwingbaren Mitbestimmung Probleme wirft die normative Weitergeltung nachwirkender Betriebsvereinbarungen bei sog. teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen (i. d. R. über freiwillige Entgeltzusatzleistungen des Arbeitgebers) auf. Werden diese gekündigt, tritt nach der Rechtsprechung des BAG Nachwirkung ein, wenn der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung mit dem Ziel einer Absenkung und Neuverteilung des Dotationsvolumens gekündigt hat.651 650 651 vgl. dazu Kapitel I „Betriebsverfassungsrecht“. BAG v. 26.10.1993 – 1 AZR 46/93, NZA 1994, 572. 205 Beispiel - Abwandlung: Der Veräußerer V hat die Betriebsvereinbarung am 30.03.2014 mit dem Ziel gekündigt, künftig das Dotationsvolumen zu senken und die Fahrtkostenerstattung für die Mitarbeiter anders zu berechnen. Im Betrieb des V wirkt die Betriebsvereinbarung nach, sodass seine Mitarbeiter bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung weiterhin Anspruch auf die bisher geregelte Fahrtkostenpauschale haben. Die Rechtslage ist ungeklärt. Gegen eine Nachwirkung der gekündigten teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung gegenüber dem Erwerber spricht, dass ihm der Umstand nicht zugerechnet werden kann, dass der Veräußerer die Betriebsvereinbarung nicht ersatzlos, sondern mit dem Ziel einer – veränderten – Neuregelung gekündigt hat. Wenn der Erwerber eine Neuregelung des in der gekündigten Betriebsvereinbarung geregelten Gegenstandes nicht beabsichtigt, dann muss er so behandelt werden, als ob er selbst die Betriebsvereinbarung ersatzlos gekündigt hätte. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung das Problem anders bewerten und dem Arbeitnehmer weiterhin Ansprüche aus der „alten“, nachwirkenden Betriebsvereinbarung zusprechen wird. Der Erwerber hat auch nicht die Möglichkeit, die nachwirkende Betriebsvereinbarung noch einmal zu kündigen, da die Betriebsvereinbarung bereits gekündigt wurde und nur noch nachwirkt. Geht man von einer Nachwirkung auch gegenüber dem Erwerber, der nach dem BAG in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Veräußerers rückt,652 aus, ist dieser gezwungen, mit dem zuständigen Betriebsrat über eine Neuregelung zu verhandeln. Nur eine neue Betriebsvereinbarung kann die nachwirkende Betriebsvereinbarung ablösen. Ob es rechtlich auch möglich wäre, in einer neuen Betriebsvereinbarung die aus der nachwirkenden Betriebsvereinbarung folgenden Ansprüche der Arbeitnehmer vollständig zu beseitigen, ist fraglich. Zudem ist ein solches Ziel in der Praxis schwer umsetzbar. Praxishinweis: Angesichts dieser ungeklärten Rechtslage, die zu erheblichen finanziellen Forderungen der übergehenden Arbeitnehmer führen kann, ist zu empfehlen, eine normativ weitergeltende teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung über Entgeltzusatzleistungen erst vom Erwerber und nicht bereits vom Veräußerer ersatzlos kündigen zu lassen. In diesem Fall ist eine Nachwirkung ausgeschlossen. Die übergehenden Arbeitnehmer können dann nur noch innerhalb der Kündigungsfrist (anteilige) Ansprüche erwerben. Das kann zwar kurzfristig teurer werden, da die Kündigungsfrist bei einer Kündigung durch den Erwerber erst nach dem Betriebsübergang in Gang gesetzt werden kann. Es wird aber das Risiko vermieden, dass dem Erwerber ggf. die Nachwirkung der teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung entgegengehalten wird. Kündigt der Veräußerer mit dem Ziel der Änderung, dann drohen dem Erwerber langfristige finanzielle Belastungen bis zur Einigung mit dem Betriebsrat. 652 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 206 Zusammenfassender Überblick Gekündigte Betriebsvereinbarung und § 613a BGB Erzwingbare Betriebsvereinbarung Teilbestimmte Betriebsvereinbarung Bindung des Erwerbers wegen Nachwirkung § 77 Abs. 6 BetrVG Problem: ggf. Bindung des Erwerbers Neuverhandlung mit dem zuständigen Betriebsrat (ggf. auch § 21 BetrVG) notwendig (Insbesondere wenn Veräußerer „Änderungs“Kündigung ausspricht) Hinweis: Betriebsvereinbarung erst von Erwerber ersatzlos kündigen lassen Freiwillige Betriebsvereinbarung Keine Bindung des Erwerbers mangels Nachwirkung ggf. noch Bindung während Ablauf der Kündigungsfrist b) Ablösung Unter Ablösung ist bei normativ weitergeltenden Betriebsvereinbarungen etwas anderes zu verstehen, als bei transformierten Betriebsvereinbarungen. Während sich bei der Transformation die Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB richtet (dazu unter bb)), findet diese Vorschrift auf die Ablösung von normativ weitergeltenden Betriebsvereinbarungen keine Anwendung.653 aa) Ablösung von normativ weitergeltenden Betriebsvereinbarungen Hinsichtlich der Ablösung von normativ weitergeltenden Betriebsvereinbarungen wird zunächst auf die Ausführungen unter D IV.1 a) bb) verwiesen. Danach können Betriebsvereinbarungen durch Kündigung ihre Wirkung verlieren, wobei zwischen den Rechtsfolgen für freiwillige Betriebsvereinbarungen, für Betriebsvereinbarungen über Gegenstände erzwingbarer Mitbestimmung und für teilmitbestimmte Betriebsvereinbarungen unterschieden werden muss. Weiter können Betriebsvereinbarungen durch Zeitablauf, durch Zweckerreichung oder durch einen Aufhebungsvertrag zwischen den Betriebsvertragsparteien ihre Wirkung verlieren. Darüber hinaus können Betriebsvereinbarungen auch durch eine Veränderung der tatsächlichen Umstände unanwendbar werden. Dies ist der Fall, wenn ihre Regelungen durch Änderungen der tatsächlichen Gegebenheiten gegenstandslos werden.654 Diese Wirkungen sind aber keine Rechtsfolgen des Betriebsübergangs, sondern ergeben sich aus dem allgemeinen Betriebsverfassungsrecht.655. Darüber hinaus können normativ fortgeltende Betriebsvereinbarungen nach allgemeinem BetrVG auch unabhängig von einem Betriebsübergang dann ihre Wirkung verlieren, wenn eine Vereinbarung durch eine spätere ranggleiche kollektivrechtliche Regelung unter Wahrung bestimmter Vertrauensschutzregeln abgelöst wird. Insoweit gilt das sogenannte Ablösungs653 Willemsen, Teil E, Rn. 44, BAG v. 05.05.2015 – 1 AZR 763/13, NZA 2015, 1331. Fitting, § 77 BetrVG, Rn. 160. 655 GK-Kreutz, § 77 BetrVG, Rn. 400. 654 207 prinzip (Zeitkollisionsregel).656 Diese so verstandene Ablösung kann aber auch im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang durch eine Betriebsvereinbarung, eine Gesamtbetriebsvereinbarung/Konzernbetriebsvereinbarung oder aber auch durch beim Erwerber geltende Tarifverträge erfolgen. (1) Ablösung durch beim Erwerber geltende Betriebsvereinbarungen Eine Ablösung durch eine beim Erwerber bestehende Betriebsvereinbarung scheidet in der Regel aus, da der übernommene Betrieb oder Betriebsteil (weiterhin) als eigenständiger Betrieb im Sinne einer Betriebs(teil)identität fortbesteht.657 Nur mit dem für diesen Betrieb zuständigen Betriebsrat kann eine ablösende Betriebsvereinbarung geschlossen werden. Beispiel: Im Betrieb des Veräußerers V gilt eine Betriebsvereinbarung über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes in Höhe eines Monatsgehalts. Der Betrieb geht auf den Erwerber E über, der bereits Inhaber eines anderen Betriebes ist. Dort existiert eine Betriebsvereinbarung über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes in Höhe eines ½ Monatsgehalts. E führt den übernommenen Betrieb unverändert eigenständig fort. Er zahlt den übernommenen Arbeitnehmern unter Berufung auf die bei ihm geltende Betriebsvereinbarung nur ein ½ Monatsgehalt als Weihnachtsgeld. Die Arbeitnehmer können jedoch weiterhin ein ganzes Monatsgehalt Weihnachtsgeld verlangen, da der Betriebsrat des ursprünglichen Erwerberbetriebes für die Arbeitnehmer eines übernomme658 nen Betriebes keine Betriebsvereinbarung abschließen kann. Praxishinweis: Will der Erwerber erreichen, dass auch im übernommenen Betrieb die bei ihm geltende Betriebsvereinbarung gilt, muss er entweder den übernommenen Betrieb in seinen ursprünglichen Betrieb eingliedern oder im übernommenen Betrieb die Betriebsvereinbarung kündigen und mit dem Betriebsrat über eine Neuregelung verhandeln. Dabei muss er ggf. die Nachwirkung der bisherigen Betriebsvereinbarung beachten. Eine andere Lösung besteht darin, für beide Betriebe eine (neue) Gesamtbetriebsvereinbarung abzuschließen.659 (2) Ablösung durch beim Erwerber geltende Gesamtbetriebsvereinbarungen/ Konzernbetriebsvereinbarungen Eine Ablösung kommt bei einem die Betriebsidentität wahrenden Übergang eines Betriebs/ Betriebsteils auch in Betracht, wenn beim Erwerber bereits eine Gesamtbetriebsvereinbarung besteht.660 Es ist allerdings streitig, ob sich Gesamtbetriebsvereinbarungen auch auf Betriebe erstrecken, die das Unternehmen nach § 613a BGB erwirbt661 und ob dies für alle Gesamtbetriebsvereinbarungen662 oder nur für solche gilt, für die der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig ist.663 Zumindest bei Gesamtbetriebsvereinbarungen aufgrund originärer Zuständigkeit ist von einer ablösenden Wirkung auszugehen. Bei einer Gesamtbetriebsvereinbarung im Auftrag (§ 50 Abs. 2 BetrVG) sollte eine „Genehmigung“ des für den übergegangenen Betrieb zuständigen Betriebsrates erwogen werden. 656 Willemsen, Teil E, Rn. 44, GK-Kreutz, § 77 BetrVG, Rn. 381. BAG v. 01.08.2001 – 4 AZR 82/00, NZA 2002, 41. 658 BAG v. 01.08.2001 – 4 AZR 82/00, NZA 2002, 41. 659 BAG v. 01.08.2001 – 4 AZR 82/00, NZA 2002, 41. 660 Willemsen, Teil E, Rn. 50; Fitting, § 50 BetrVG, Rn. 76. 661 Ablehnend Sowka/Weiss, DB 1991, 1518. 662 Fitting, § 50 BetrVG, Rn. 76. 663 LAG München v. 08.11.1988 – 2 Sa 691/88, DB 1989, 1879. 657 208 Ähnlich dürfte die Rechtslage bei Konzernbetriebsvereinbarungen zu beurteilen sein; auch hier ist fraglich, ob sie normativ weitergeltende Betriebsvereinbarungen ablösen können. Eine normative Weitergeltung kann dann angenommen werden, wenn es sich um eine originäre Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates nach § 58 Abs. 1 BetrVG handelt.664 Weitere Voraussetzung einer Ablösung ist aber ein identischer Regelungsgegenstand, der aufgrund der unterschiedlichen originären Zuständigkeiten des Betriebsrates, des Gesamtbetriebsrates bzw. des Konzernbetriebsrates nur in Ausnahmefällen gegeben ist.665 (3) Ablösung durch beim Erwerber geltende Tarifverträge Die Ablösung von Betriebsvereinbarungen ist bei der Fortführung unter Wahrung der Betriebsidentität der übernommenen Betriebe bzw. Betriebsteile insbesondere in folgenden Fallkonstellationen denkbar: Ein Betrieb oder Betriebsteil geht von einem nicht tarifgebundenen Veräußerer auf ei- nen tarifgebundenen Erwerber über und eine beim Veräußerer geltende Betriebsvereinbarung hat den gleichen Regelungsgegenstand wie der nunmehr beim Erwerber geltende Tarifvertrag. Beispiel: Im Betrieb des nicht tarifgebundenen Veräußerers V besteht eine Betriebsvereinbarung über die Zahlung von Urlaubsgeld. Ein Betriebsteil wird vom Erwerber E übernommen, der Mitglied eines tarifschließenden Arbeitgeberverbandes ist und für den ein (Mantel-)Tarifvertrag gilt, der auch die Zahlung von Urlaubsgeld regelt. Das beim Veräußerer geltende Tarifwerk ist wesentlich weniger umfangreich als das beim Erwerber geltende, der Veräußerer hat die „Lücken“ durch Betriebsvereinbarungen geschlossen. Der Erwerber ist zwar nicht tarifgebunden, er wendet aber entweder die für ihn einschlägigen Tarifverträge an oder – in Bezug auf einzelne Arbeitsbedingungen – in der Branche, der der Betrieb des Erwerbers angehört, sind tarifliche Regelungen „üblich“ i. S. v. § 77 Abs. 3 BetrVG. Im ersten und zweiten Fall ist die Betriebsvereinbarung bereits wegen des Eingreifens von § 77 Abs. 3 BetrVG oder von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG unwirksam, also abgelöst. Beide Normen schließen eine betriebliche Regelung aus, soweit eine tarifliche Regelung besteht oder diese Materie üblicherweise tariflich geregelt wird. Die übergehenden Arbeitnehmer können daher ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs aus einer solchen Betriebsvereinbarung keine Ansprüche mehr herleiten. Eine andere Frage ist, ob sich die Arbeitnehmer auf die für den Erwerberbetrieb geltenden Tarifverträge berufen können, wenn auf ihre Arbeitsverhältnisse nicht automatisch der im Betrieb des Erwerbers geltende Tarifvertrag angewandt wird. Eine normative Wirkung dieser Tarifverträge setzt beiderseitige Tarifgebundenheit voraus. Diese ist nur dann gegeben, wenn die Arbeitnehmer Mitglied der für den Erwerberbetrieb tarifzuständigen Gewerkschaft sind oder wenn der für den Erwerberbetrieb einschlägige Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde. 664 665 Willemsen, Teil E, Rn. 54. GK-Kreutz, § 50 BetrVG, Rn. 81. 209 Eine schuldrechtliche Geltung der im Erwerberbetrieb geltenden Tarifverträge kommt nur dann in Betracht, wenn der Arbeitsvertrag der übergehenden Arbeitnehmer eine große dynamische Bezugnahmeklausel (Tarifwechselklausel) enthält. Ist der im Erwerberbetrieb geltende Tarifvertrag jedoch weder kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit noch kraft einer Tarifwechselklausel auf die Arbeitsverhältnisse der übergehenden Arbeitnehmer anwendbar, könnte ein Anspruch der übergehenden Arbeitnehmer auf Anwendung der im Erwerberbetrieb einschlägigen Tarifverträge aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgen. Dessen Voraussetzungen dürften jedenfalls dann erfüllt sein, wenn der Erwerber die Tarifverträge generell auf alle Arbeitsverhältnisse der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer anwendet. Vor allem bei der Eingliederung des übernommenen Betriebs oder Betriebsteils in den Betrieb des Erwerbers ist i. d. R. kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung ersichtlich. Führt der Erwerber den übernommenen Betrieb oder Betriebsteil aber als eigenständigen Betrieb weiter, können sachliche Gründe für die Differenzierung vorliegen, obwohl das BAG dazu neigt, den Gleichbehandlungsgrundsatz unternehmensbezogen anzuwenden.666 bb) Ablösung von transformierten Betriebsvereinbarungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB findet nur Anwendung, wenn eine Eingliederung des übertragenden Betriebs oder Betriebsteils unter Aufgabe der Betriebs(teil)identität in einen bereits bestehenden Betrieb des Erwerbers erfolgt.667 Aufgrund des Wortlautes des Gesetzes ist es nicht völlig eindeutig, ob die ablösende Betriebsvereinbarung zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits Geltung beanspruchen oder wenigstens im engen zeitlichen Zusammenhang mit diesem Vorgang abgeschlossen werden muss. Aufgrund der Rechtsprechung des BAG zur teleologischen Reduzierung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB wird man aber davon ausgehen können, dass die Ablösung nicht unmittelbar zum Zeitpunkt des Betriebs(teil)übergangs, sondern auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann.668 (1) Ablösung durch beim Erwerber geltende Betriebsvereinbarungen Da Betriebsvereinbarungen nach § 77 Abs. 4 BetrVG auf die Arbeitsverhältnisse aller im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer (i. S. d. § 5 BetrVG) normativ einwirken, ohne dass es weiterer Voraussetzungen bedarf, kann ein Erwerber die Ablösung betrieblicher Regelungen in den Eingliederungsfällen durch eine bei ihm bereits geltende oder nach Betriebsübergang 669 geschlossene Betriebsvereinbarung erreichen. Dabei ist es unerheblich, ob die neue Betriebsvereinbarung für die Arbeitnehmer ungünstigere Regelungen enthält; insoweit gilt nicht das Günstigkeits-, sondern das Ablösungsprinzip.670 666 BAG v. 17.11.1998 – 1 AZR 147/98, NZA 1999, 606. Willemsen, Teil E, Rn. 45. 668 BAG v. 13.03.2012 – 1 AZR 659/10, NZA 2012, 990; BAG v. 14.08.2001 – 1 AZR 619/00, NZA 2002, 276, Willemsen, Teil E, Rn. 48. 669 BAG v. 28.06.2005 – 1 AZR 213/04, NZA 2005, 1431; BAG v. 14.08.2001 – 1 AZR 619/00, NZA 2002, 276. 670 BAG v. 28.06.2005 – 1 AZR 213/04, NZA 2005, 1431; BAG v. 14.08.2001 – 1 AZR 619/00, NZA 2002, 276. 667 210 Allerdings ist eine vor dem Betriebsübergang für einen anderen Betrieb geschlossene Betriebsvereinbarung nur dann eine andere Regelung i. S. d. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB, wenn sie der Sache nach denselben Gegenstand regelt. Dies setzt jedoch eine nicht in jeder Hinsicht bestehende Deckungsgleichheit der geregelten Materie voraus. Es genügt, wenn beim Erwerber eine Betriebsvereinbarung besteht, mit der dieselbe Sachgruppe kollektivvertraglich geregelt ist.671 Keine ablösende Wirkung haben demgegenüber Gesamtzusagen oder betriebliche Übungen im Erwerberbetrieb.672 (2) Ablösung durch beim Erwerber geltende Gesamtbetriebsvereinbarungen/ Konzernbetriebsvereinbarungen Die Rechten und Pflichten aus einer Betriebsvereinbarung des Veräußerers können auch durch eine beim Erwerber geltende und auf denselben Regelungsgegenstand bezogene Gesamtbetriebsvereinbarung oder Konzernbetriebsvereinbarung abgelöst werden. Insoweit gelten die Ausführungen unter D IV 1 b). (3) Ablösung durch beim Erwerber geltende Tarifverträge Auch bei transformierten Rechten und Pflichten aus Betriebsvereinbarungen aufgrund der Eingliederung des übernommenen Betriebes bzw. Betriebsteils in den Erwerberbetrieb kann es zu der Situation kommen, dass im Unternehmen des Erwerbers eine tarifliche Regelung besteht, deren Regelungsgegenstand mit der transformierten Betriebsvereinbarung identisch ist. Anders als bei der normativen Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen ist es jedoch bei transformierten Betriebsvereinbarungen fraglich, ob in diesem Fall die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG ebenfalls greift, da die Betriebsvereinbarung als solche nicht mehr existiert. Entscheidend ist, dass die Rechte und Pflichten aus Betriebsvereinbarungen auch bei der Transformation nicht Bestandteil des individualrechtlichen Arbeitsvertrages, sondern nur Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden. Um einen Wertungswiderspruch zu normativ weitergeltenden Betriebsvereinbarungen zu verhindern, sollten kollisionsrechtlich daher aus Betriebsvereinbarungen transformierte Rechte und Pflichten wie Kollektivnormen behandelt werden. Eine Verdrängung dieser „Kollektivnormen“ durch beim Erwerber geltende Tarifverträge sollte deshalb möglich sein.673 Da die Frage höchstrichterlich nicht entschieden ist, muss ein Erwerber aber in den Eingliederungsfällen damit rechnen, dass er sich nicht auf § 77 Abs. 3 BetrVG berufen kann und die Arbeitnehmer weiter Ansprüche aus der transformierten Betriebsvereinbarung geltend machen. Praxishinweis: Aufgrund dieser Rechtsunsicherheit ist zu erwägen, den übernommenen Betrieb bzw. Betriebsteil zunächst als eigenständigen Betrieb weiterzuführen. Dann gilt die Betriebsvereinbarung normativ weiter und der Erwerber kann sich auf die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG berufen. Wird der übernommene Betrieb oder Betriebsteil unmittelbar nach dem Betriebsübergang in den Betrieb des Erwerbers eingegliedert, kann die Ablösung transformierter Betriebsverein671 Willemsen, Teil E, Rn. 47. Willemsen, Teil E, Rn. 47. 673 Willemsen, Teil E, Rn. 48, 55. 672 211 barungen durch tarifliche Regelungen durch den nach § 613a Abs. 1 Satz 4, 2. Alt. BGB zulässigen Abschluss einzelvertraglicher Vereinbarungen erreicht werden. Eine Betriebsvereinbarung, die die beim Erwerber geltenden tariflichen Regelungen für anwendbar erklärt, dürfte dagegen unwirksam sein.674 cc) Ablösung von transformierten Betriebsvereinbarungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB § 613a Abs. 1 Satz 4, 1. Alt. BGB ermöglicht die Ablösung von Rechten und Pflichten auch aus Betriebsvereinbarungen vor Ablauf der Jahresfrist, wenn die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist damit auf die Fälle beschränkt, in denen der Veräußerer eine Betriebsvereinbarung gekündigt hat und diese gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nachwirkt. Unerheblich ist dabei, ob die Nachwirkung vor oder nach dem Betriebsübergang eintritt. Die Rechtsprechung des BAG zu Tarifverträgen ist insoweit auf Betriebsvereinbarungen zu übertragen.675 Mit der Transformation sind die Rechte und Pflichten vertragsdispositiv und können auch zum Nachteil der Arbeitnehmer durch Vertrag oder Änderungskündigung geändert werden. Da die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates, ggf. auch im Übergangsmandat nach § 21a BetrVG, gewahrt werden müssen, dürfte in der Regel eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB vorrangig zu prüfen sein. § 613a Abs. 1 Satz 4, 2. Alt. BGB gewinnt Bedeutung, wenn Rechte aus einer beim Veräußerer bestehende Betriebsvereinbarung nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert worden sind und durch einen beim Erwerber geltenden Tarifvertrag abgelöst werden sollen, die übergehenden Arbeitnehmer mangels normativer Tarifgebundenheit aber nicht unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen. § 613a Abs. 1 Satz 4, 2. Alt. BGB ermöglicht es dann, einzelvertraglich (Parteien sind also der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer) die Geltung des für den Erwerber einschlägigen Tarifvertrages zu vereinbaren und so die aus der ursprünglichen Betriebsvereinbarung transformierten Rechte abzulösen.676 674 Picot/Schnitker, Teil I, Rn. 303. BAG v. 22.04.2009 – 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41. 676 BAG v. 22.04.2009 – 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41 675 212 Zusammenfassender Überblick Ablösung einer Veräußerer-Betriebsvereinbarung durch ErwerberBetriebsVereinbarung Eigenständige Fortführung: Normativ weitergeltende BV durch TV Einzelbetriebsvereinbarung nur bei Eingliederung in Erwerberbetrieb BV wird unwirksam wegen Regelungssperre § 77 Abs. 3 BetrVG Gesamtbetriebsvereinbarung: zumindest bei originärer Zuständigkeit § 50 Abs. 1 BetrVG Ansprüche aus Erwerber-TV durch beidseitige Tarifbindung, große Bezugnahmeklausel oder Gleichbehandlungsgrundsatz möglich Eingliederung: Transformierte BV durch TV Problem: Anwendbarkeit Regelungssperre § 77 Abs. 3 BetrVG fraglich § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB BV gilt nicht mehr Freiwillige BV: entfällt bei ersatzloser Kündigung Erzwingbare BV: kann einzelvertraglich nicht abgelöst werden Vereinbarung Erwerber-TV Bei transformierter BV und fehlender beidseitiger Tarifgebundenheit möglich dd) Sonderfall: Betriebsvereinbarungen auf der Grundlage tariflicher Öffnungsklauseln Einen Sonderfall bilden Betriebsvereinbarungen, die auf der Grundlage tariflicher Öffnungsklauseln abgeschlossen wurden. Das können sowohl tarifliche Klauseln sein, die den Betriebsparteien Abweichungen von tariflichen Regelungen, die nach dem BetrVG beteiligungspflichtig sind, gestatten als auch tarifliche Regelungen, die dem Betriebsrat Beteiligungsrechte zugestehen, die diesem nach dem BetrVG nicht zustehen. Beispiel: Regelungen zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit, die den Betriebsparteien – über die gesetzliche Zuständigkeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG hinaus – auch eine Regelungskompetenz für die Dauer der Arbeitszeit einräumen. Tariföffnungsklauseln für betriebliche Bündnisse für Arbeit. Bei der Frage, ob solche Betriebsvereinbarungen auch nach dem Betriebsübergang weitergelten bzw. transformiert werden, ist zu differenzieren. (1) Originäre Zuständigkeit nach § 87 Abs. 1 BetrVG Der Wegfall der tariflichen Rechtsgrundlage für die fragliche Betriebsvereinbarung ist dann unerheblich, wenn diese einen Regelungsgegenstand betrifft, der bereits nach dem BetrVG eigentlich der Regelungskompetenz der Betriebsparteien unterfällt und die Tarifparteien nur die Regelungssperre des § 87 Abs. 1 BetrVG beseitigen wollen. Beispiel: Der maßgebende Manteltarifvertrag regelt eine bestimmte Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit, lässt aber abweichende Betriebsvereinbarungen zu. 213 In diesem Fall besteht die Betriebsvereinbarung weiter, d. h. entweder – bei Weiterführung des übernommenen Betriebes oder Betriebsteiles als eigenständiger Betrieb – normativ oder sie wird – bei Eingliederung des übernommenen Betriebes oder Betriebsteils in den Betrieb des Erwerbers – gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert. Eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB kommt ebenfalls in Betracht. (2) Erweiterte Regelungskompetenz über BetrVG hinaus Schwierigkeiten treten dann auf, wenn den Betriebsparteien durch Tarifvertrag eine Regelungskompetenz eingeräumt wird, die ihnen nach dem BetrVG nicht zusteht. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Betriebsvereinbarungen noch Gültigkeit haben können, wenn der zugrunde liegende Tarifvertrag nicht mehr normativ für den Erwerber eines Betriebes oder Betriebsteiles gilt. Es entfällt für diese Betriebsvereinbarungen die Rechtsgrundlage. Solche tariflichen Regelungen sind als betriebsverfassungsrechtliche Normen zu qualifizieren, die nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert werden. Im Ergebnis führt das aber dazu, dass entsprechende Betriebsvereinbarungen als unwirksam zu qualifizieren sind. Für wesentliche Arbeitsbedingungen entfällt die Rechtsgrundlage, da solche Betriebsvereinbarungen häufig Fragen der Dauer der Arbeitszeit oder – vom Tarif abweichende – Entgeltregelungen enthalten. Beispiel: Im Betrieb des tarifgebundenen Veräußerers V besteht eine Betriebsvereinbarung, nach der das tariflich geregelte Weihnachtsgeld um 50 % abgesenkt wird. Dies ist nach dem für V geltenden Tarifvertrag auch zulässig. Der Betrieb geht am 01.09.2014 auf den Erwerber E über. Die Rechtslage ist ungeklärt. Es sind verschiedene Lösungen denkbar: Die fragliche Betriebsvereinbarung wird durch das Entfallen der tariflichen Rechtsgrundlage unwirksam. Es wird nur die tarifliche Regelung transformiert. Im Beispielsfall müsste der Erwerber das Weihnachtsgeld in der tariflichen Höhe zahlen. Das Ergebnis steht jedoch im Widerspruch zum Schutzzweck des § 613a BGB. Es führt zu einer Besserstellung der Arbeitnehmer wegen des Betriebsübergangs, da diese einen höheren tariflichen Anspruch erhalten würden, der ihnen ohne den Betriebsübergang nicht zustehen würde. Trotz des Entfallens der maßgebenden tariflichen Rechtsgrundlage gilt die Betriebsvereinbarung doch über eine Transformation nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB weiter. Der Erwerber muss dann nur die in der Betriebsvereinbarung geregelten 50 % der tariflichen Weihnachtsvergütung zahlen. Praxishinweis: Soweit es möglich ist, sollte der Erwerber versuchen, mit dem zuständigen Betriebsrat möglichst schnell eine Neuregelung herbeizuführen. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn die Regelungssperren des § 87 Abs. 1 Eingangssatz oder des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht eingreifen. Einzelvertragliche Vereinbarungen, die zu einer Kürzung der tariflichen Ansprüche führen, sind wegen der einjährigen Verschlechterungssperre des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nur möglich, wenn gemäß § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB die Geltung des für den Erwerber fachlich einschlägigen Tarifvertrages vereinbart wird. Nicht weitergelten werden jedenfalls Betriebsvereinbarungen, die auf der Grundlage tariflicher Regelungen die Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 BetrVG erweitern, ohne unmittelbaren Einfluss auf das Arbeitsverhältnis. Da die tarifliche Rechtsgrundlage 214 für solche Betriebsvereinbarungen entfällt, werden sie nach dem Betriebsübergang gegenstandslos. c) Transformation von Betriebsvereinbarungen – § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB aa) Anwendungsbereich der Transformation Nur dann, wenn eine normative Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen nach den o. g. Grundsätzen nicht eingreift und keine Ablösung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB erfolgt, kommt eine Transformation nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht.677 Sie beschränkt sich nach der Rechtsprechung des BAG auf die Fälle, in denen der Erwerber den übernommenen Betrieb oder Betriebsteil in seinen Betrieb eingliedert oder mehrere Betriebe oder Betriebsteile zusammenfasst. Wie bei Tarifverträgen führt die Transformation von Betriebsvereinbarungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB dazu, dass die in ihnen geregelten Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien ihre normative Wirkung (§ 77 Abs. 4 BetrVG) verlieren und zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden. Für den Erwerber hat dies zur Folge, dass er nicht vollständig in die betriebsverfassungsrechtliche Position des Veräußerers einrückt. Er kann die (früheren) Betriebsvereinbarungen nicht kündigen. Will er Rechtspositionen der übergehenden Arbeitnehmer, die auf einer transformierten Betriebsvereinbarung beruhen, beseitigen, bleibt ihm entweder der Abschluss eines Änderungsvertrages nach Ablauf der Veränderungssperre, die Änderungskündigung oder der Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung, die dann unter den Voraussetzungen des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ablösende Wirkung entfaltet. Das BAG hat aber entschieden, dass transformierte Regelungen aus einer Betriebsvereinbarung nicht in weiterem Umfang geschützt sind, als sie kollektivrechtlich weitergelten würden. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ist insoweit teleologisch zu reduzieren, dass auch nach der Transformation von Rechten und Pflichten in das Arbeitsverhältnis gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB innerhalb der Jahresfrist eine Neuregelung durch eine ablösende Betriebsvereinbarung möglich ist.678 Das LAG Köln679 hat in einer Entscheidung zur betrieblichen Altersversorgung mit der gleichen Argumentation eine „Lossagung“ des Arbeitgebers für rechtmäßig gehalten. Praxishinweis: Betriebsvereinbarungen sollten möglichst noch vor dem Betriebsübergang und der damit verbundenen Transformation durch den Veräußerer gekündigt werden. bb) Geltung der Betriebsvereinbarung im Zeitpunkt des Betriebsübergangs (1) Transformation bestehender (ungekündigter) Betriebsvereinbarungen Ebenso wie tarifliche Regelungen werden Betriebsvereinbarungen nur in dem Zustand in das Arbeitsverhältnis transformiert, in dem sie sich zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs befan- 677 BAG v. 05.05.2015 – 1 ABR 763/13, NZA 2015, 1331. BAG v. 13.03.2012 – 1 AZR 659/10, NZA 2012, 990; BAG v. 14.08.2001 – 1 AZR 619/00, NZA 2002, 276. 679 LAG Köln v. 08.04.2003 – 1 Sa 1219/02, NZA-RR 2003, 657. 678 215 den. Sie gelten nur statisch weiter.680 Dies bedeutet vor allem, dass die übergehenden Arbeitnehmer an späteren Änderungen der Betriebsvereinbarung im verbleibenden Veräußererbetrieb – unerheblich, ob dies für sie nachteilig oder vorteilhaft ist – nicht teilhaben. (2) Transformation gekündigter Betriebsvereinbarungen Bei vom Veräußerer (ersatzlos) gekündigten Betriebsvereinbarungen stellt sich vor allem die Frage, wie lange der Erwerber an eine gekündigte Betriebsvereinbarung gebunden ist und ob die einjährige Verschlechterungssperre des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB gilt. Wenn der Zeitpunkt des Betriebsübergangs bzw. des Übergangs der Leitungsmacht noch innerhalb der Kündigungsfrist liegt, werden die entsprechenden Vorschriften der Betriebsvereinbarung transformiert. (a) Freiwillige Betriebsvereinbarung Eine freiwillige Betriebsvereinbarung endet mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Ein anderes Ergebnis würde dazu führen, dass die übergehenden Arbeitnehmer besser stünden als sie ohne den Betriebsübergang stehen würden. Beim Veräußerer findet eine ersatzlos gekündigte freiwillige Betriebsvereinbarung mit Ablauf der Kündigungsfrist ihr Ende. Mit Ablauf der Kündigungsfrist verlieren die übergehenden Arbeitnehmer daher ihre Ansprüche aus einer transformierten Betriebsvereinbarung auch gegenüber dem Erwerber.681 Beispiel: Im Betrieb des Veräußerers V galt eine Betriebsvereinbarung über eine monatlich zu zahlende Familienzulage, die von V am 20.01.2015 zum 30.04.2015 ersatzlos gekündigt wurde. Am 01.02.2015 wird ein ausgegliederter Betriebsteil auf den Erwerber E übertragen, der diesen Betriebsteil in seinen eigenen Betrieb eingliedert. Bei E besteht keine entsprechende Betriebsvereinbarung. Die übergehenden Arbeitnehmer können noch (gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB) für die Monate Februar bis April 2015 die Familienzulage verlangen. (b) Zwingende Betriebsvereinbarungen (Nachwirkung) Ebenso wie bei Tarifverträgen stellt sich auch bei transformierten Betriebsvereinbarungen die Frage, wie sich die Rechtslage bei nachwirkenden Betriebsvereinbarungen darstellt. Im Schrifttum wird sowohl für die Tarifverträge als auch für die Betriebsvereinbarung auf die zwingende Wirkung abgestellt. Zwar können auch nachwirkende Kollektivvereinbarungen transformiert werden, für sie gelte aber die einjährige Verschlechterungssperre des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht.682 Dem ist für nachwirkende Betriebsvereinbarungen über Gegenstände der zwingenden Mitbestimmung (insbesondere § 87 Abs. 1 BetrVG) zu folgen. Diese wirken nur noch - ähnlich wie nachwirkende Tarifverträge683 - gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nach. Die einjährige Verschlechterungssperre findet keine Anwendung. Die transformierten Regelungen können auch durch eine (neue) beim Erwerber geltende Betriebsvereinbarung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst werden. Auch eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB ist möglich.684 680 BAG v. 05.05.2015 – 1 AZR 763/13, NZA 2015, 1331. Willemsen, Teil E, Rn. 41; Schiefer, Rn. 285. 682 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 121. 683 BAG v. 01.08.2001 – 4 AZR 82/00, NZA 2002, 41. 684 D IV 1. b) cc). 681 216 (c) Teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung Für den besonders wichtigen Fall der teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen über freiwillige Entgeltzusatzleistungen des Arbeitgebers tritt jedoch bei der Transformation nahezu das gleiche Problem wie bei den normativ weitergeltenden (nachwirkenden) Betriebsvereinbarungen auf. Es ist fraglich, ob eine vom Veräußerer erklärte Kündigung mit dem Ziel einer Änderung des Dotationsvolumens, mit der Folge einer Nachwirkung, dazu führt, dass auch der Erwerber an diese (gekündigte) Betriebsvereinbarung im Rahmen des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB gebunden ist. Die Rechtslage ist ungeklärt. Gegen eine Nachwirkung der gekündigten teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung gegenüber dem Erwerber spricht, dass ihm der Umstand nicht zugerechnet werden kann, dass der Veräußerer die Betriebsvereinbarung nicht ersatzlos, sondern mit dem Ziel einer – veränderten – Neuregelung gekündigt hat. Wenn der Erwerber eine Neuregelung des in der gekündigten Betriebsvereinbarung geregelten Gegenstandes nicht beabsichtigt, dann muss er so behandelt werden, als ob er selbst die Betriebsvereinbarung ersatzlos gekündigt hätte. Der Erwerber wäre nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist an die transformierte Betriebsvereinbarung gebunden. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung das Problem anders bewerten und dem Arbeitnehmer weiterhin Ansprüche aus der „alten“, nachwirkenden Betriebsvereinbarung zusprechen wird. Anders als bei der kollektivrechtlichen Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen hat der Erwerber bei transformierten Betriebsvereinbarungen nicht die Möglichkeit, diese zu kündigen. Es besteht die Gefahr, dass eine transformierte nachwirkende Betriebsvereinbarung nur über eine Änderungskündigung oder über eine beim Erwerber geltende und ggf. neu abzuschließende Betriebsvereinbarung (mit dem dann zuständigen Betriebsrat) beseitigt werden kann. Praxishinweis: Es ist zu empfehlen, eine solche Betriebsvereinbarung erst vom Erwerber ersatzlos kündigen zu lassen. In diesem Fall ist eine Nachwirkung ausgeschlossen. cc) Umfang der Transformation Der Umfang der Transformation, d. h. welche betrieblichen Regelungen in Betriebsvereinbarungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt der übergehenden Arbeitsverhältnisse werden, ist im Bereich der Betriebsvereinbarungen ungeklärt. Im Schrifttum wird überwiegend parallel zum Tarifrecht angenommen, übergangsfähig seien in erster Linie Inhaltsnormen, außerdem ausnahmsweise auch Abschluss- und Beendigungsnormen.685 Betriebsnormen, die die Organisation des Betriebes beträfen, würden allenfalls dann transformiert, wenn sie auch Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer normieren würden.686 Zu beachten ist dabei, dass nur die Rechte und Pflichten, die durch eine Betriebsvereinbarung geregelt sind, transformiert werden, nicht die ganze Betriebsvereinbarung. Eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Rechte und Pflichten ist daher unproblematisch möglich. In aller Regel sind daher solche Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen weiter zu gewähren, die dem Arbeitnehmer als solchem – also als einzelnem Mitglied der Belegschaft – eingeräumt werden (etwa Gratifikation, Fahrtkostenersatz und Auslöse.)687 685 Meyer, DB 2000, 1174. Willemsen, Teil E, Rn. 37. 687 Bachner, NZA 1997, 79, 82. 686 217 In Bezug auf Sachleistungen oder die Nutzung von Sozialeinrichtungen stellt sich wie bei der normativen Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen für den Erwerber die Problematik, ob er diese Sachleistung überhaupt gewähren kann. Auch hier ist davon auszugehen, dass im Falle der Unmöglichkeit ggf. Wertersatz zu leisten ist. Hingegen dürften sich zu transformierende Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer aus Betriebsvereinbarungen, die die Organisation und die Zusammenarbeit der Belegschaft als Ganzes betreffen sowie die Ordnung des Betriebes und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb nur in seltenen Fällen ergeben. Je nach der Ausgestaltung von bei dem Veräußerer abgeschlossenen Sozialplänen können auch Rechte auf Abfindungen in das Arbeitsverhältnis transformiert werden.688 Im Vergleich zur normativen Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen ist die Rechtslage für den Erwerber bei der Transformation von Rechten und Pflichten aus Betriebsvereinbarungen ungünstiger, weil er nicht in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Veräußerers einrückt und dementsprechend auch nicht das Recht hat, sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen und damit eine Anpassung des Sozialplans erzwingen zu können. Zusammenfassender Überblick Regelungsgegenstand Transformation Anmerkungen Entgeltzusatzleistungen JA Sachleistungen NEIN, wenn für Erwerber unmöglich ggf. Wertersatzanspruch Verfahrensorganisatorische Abreden zwischen den Betriebsparteien JA/NEIN Erwerber sollte Vorgaben soweit möglich einhalten, wenn sie Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweisen Sozialplanansprüche grds. JA Ausnahme bei Anspruchsausschluss für zumutbare Weiterbeschäftigung dd) Einjährige Verschlechterungssperre Ebenso wie bei Tarifverträgen können transformierte Rechte und Pflichten aus Betriebsvereinbarungen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht vor Ablauf eines Jahres zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Damit sind nicht nur Änderungen durch einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers, sondern auch freiwillig abgeschlossene einzelvertragliche Vereinbarungen, die die Rechtsposition des Arbeitnehmers verschlechtern, unzulässig, weil sie gegen ein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB verstoßen. Für den besonders wichtigen Bereich der Entgeltzusatzleistungen bedeutet das, dass die Arbeitnehmer auf die transformierten Ansprüche nicht vor Ablauf eines Jahres wirksam verzichten können. Sollen Entgeltzusatzleistungen nicht vollständig beseitigt, sondern geändert bzw. reduziert werden, wird die Möglichkeit der einzelvertraglichen Abänderung ohnehin kaum eine Rolle spielen, weil in diesem Fall ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 688 D IV 1. a) bb)) (2) (e). 218 10 BetrVG jedenfalls dann besteht, wenn mehrere Arbeitnehmer betroffen sind und damit eine kollektive Maßnahme vorliegt. Wegen der ablösenden Wirkung von Betriebsvereinbarungen im Erwerberbetrieb nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB werden daher einzelvertragliche Vereinbarungen, mit denen Rechte und Pflichten aus transformierten Betriebsvereinbarungen zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden, i. d. R. kaum eine Rolle spielen. Höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob die Veränderungssperre bedeutet, dass der Ausspruch von Änderungskündigungen mit unterschiedlichen Kündigungsfristen erst nach Ablauf eines Jahres möglich ist689 oder ob Änderungskündigungen schon vor Ablauf des Jahres mit Wirkung ab dem Jahresende möglich sind. Der Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB lässt beide Auslegungen zu. Letztlich stammen die transformierten Rechte, die hier im Wege der Änderungskündigung geändert werden sollen, aus beim Erwerber gegenüber allen Mitarbeitern wirkenden Betriebsvereinbarungen. Betriebsvereinbarungen werden immer einheitlich gegenüber allen Arbeitnehmern zu dem gleichen Zeitpunkt beendet. Diesem kollektiven Verständnis der Wirkung von Beendigungstatbeständen bei Betriebsvereinbarungen würde es entsprechen, wenn Änderungskündigungen einheitlich mit Wirkung zum Ablauf der Veränderungssperre möglich wären. Zusammenfassender Überblick § 613a BGB - Verschlechterungssperre § 613a BGB Abs. 1 S. 2 – 4 BGB § 613a Abs. 1 S. 1 BGB Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Einzelvertragliche Vereinbarungen Kollektivrechtliche Weitergeltung Transformation (Satz 2) Anwendungsbereich Verschlechterungssperre § 613a Abs. 1 S. 2 a. E. Ablösung Gesetzlich (Satz 3) Vertraglich (Satz 4) Einzelvertragliche Regelung i. d. R. wegen Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht möglich 2. Gesamtbetriebsvereinbarungen Auch Gesamtbetriebsvereinbarungen können wie Einzelbetriebsvereinbarungen normativ weitergelten, transformiert oder abgelöst werden. Insoweit gelten grundsätzlich die gleichen Rechtsgrundsätze wie bei Einzelbetriebsvereinbarungen. Allerdings ergeben sich bei Ge- 689 Schiefer, Rn. 282 a. 219 samtbetriebsvereinbarungen einige besondere Fragestellungen, die zum Teil eine abweichende rechtliche Bewertung erfordern. a) Unveränderte normative Weitergeltung aa) Erwerber ohne eigenen Betrieb (1) Anwendungsbereich der normativen Weitergeltung Ob und wie Gesamtbetriebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang normativ weitergelten, ist durch zwei Grundsatzentscheidungen des BAG weitgehend geklärt.690 Ebenso wie bei Einzelbetriebsvereinbarungen kommt es für die Frage, ob Gesamtbetriebsvereinbarungen normativ fortwirken, zentral darauf an, ob die übernommenen Betriebe oder Betriebsteile als selbstständige Betriebe fortgeführt werden. Entscheidend ist eine sog. „Identitätswahrung“. Diese ist auch zu bejahen bei der Verselbstständigung eines übernommenen Betriebsteiles und dessen Weiterführung als eigenständiger Betrieb. Auch in diesem Fall gelten die Gesamtbetriebsvereinbarungen normativ weiter. Es ist weder eine Unternehmensidentität erforderlich noch ein Unternehmensbezug.691. Die zentralen Aussagen des BAG können dabei wie folgt zusammengefasst werden: Gesamtbetriebsvereinbarungen, die auf der Grundlage des § 50 Abs. 2 BetrVG (Beauftragung durch die Betriebsräte) abgeschlossen wurden, sind in Wirklichkeit eine vom Gesamtbetriebsrat abgeschlossene Einzelbetriebsvereinbarung. Es wird insoweit auf die Ausführungen unter D. IV 1. verwiesen. Für Gesamtbetriebsvereinbarungen aufgrund originärer Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 BetrVG gilt: o Werden alle Betriebe eines Unternehmens übernommen, gelten die Gesamtbetriebsvereinbarungen als solche normativ weiter. o Werden nicht alle, aber eine gesamtbetriebsratsfähige Anzahl von Betrieben eines Unternehmens unter Wahrung ihrer Betriebsidentität übernommen, gelten die Gesamtbetriebsvereinbarungen als solche normativ weiter. o Wird nur ein einzelner Betrieb oder eine nicht gesamtbetriebsratsfähige692 Anzahl von Betrieben übernommen, gelten die bisherigen Gesamtbetriebsvereinbarungen normativ als Einzelbetriebsvereinbarungen weiter. o Wird nur ein Betriebsteil übernommen und dieser als eigenständiger Betrieb fortgeführt, gelten die bisherigen Gesamtbetriebsvereinbarungen ebenfalls normativ als Einzelbetriebsvereinbarung weiter. Die normative Weitergeltung ist selbst dann gegeben, wenn nach der Ausgliederung eines Betriebsteils und dem Betriebsübergang wegen Unterschreitens der Arbeitnehmerzahl nach § 1 BetrVG der selbstständig fortgeführte Betriebsteil nicht mehr betriebsratsfähig ist.693 690 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 607; BAG v. 05.05.2015 – AZR 763/13, NZA 2015, 1331. 691 BAG v. 05.05.2015 - 1 AZR 763/13, NZA 2015, NZA 2015, 1331 unter Auseinandersetzung mit den kritischen Stimmen in der Literatur. 692 Das ist dann der Fall, wenn mehrere nicht betriebsratsfähige Betriebe oder nicht betriebsratsfähige selbstständig weitergeführte Betriebsteile übertragen wurden. 693 vgl. dazu D IV 1. a) aa) (1). 220 (2) Änderung oder Kündigung nach Betriebsübergang Die Frage, ob Gesamtbetriebsvereinbarungen als Gesamt- oder als Einzelbetriebsvereinbarung fortwirken, ist entscheidend für die Frage, wem gegenüber eine Kündigung der fraglichen (früheren) Gesamtbetriebsvereinbarung auszusprechen ist und mit wem ggf. über eine Neuregelung zu verhandeln ist. Soweit Gesamtbetriebsvereinbarungen betroffen sind, die auf der Grundlage des § 50 Abs. 2 BetrVG abgeschlossen wurden, ist ungeklärt, ob die Kündigung gegenüber dem Gesamtbetriebsrat oder gegenüber dem bzw. den Einzelbetriebsräten zu erklären ist. Zumindest dann, wenn eine gesamtbetriebsratsfähige Anzahl von Betrieben übergeht und bei dem Erwerber ein neuer Gesamtbetriebsrat gegründet wird, ist die Kündigung von dem Erwerber gegenüber diesem Gesamtbetriebsrat auszusprechen und nicht gegenüber einem einzelnen Betriebsrat.694 Inwieweit dies auch gilt, wenn das übernehmende Unternehmen im Erwerbszeitpunkt bereits einen eigenen Gesamtbetriebsrat gebildet hat, hat das BAG ausdrücklich offengelassen.695 Praxishinweis: Daher sollte eine Gesamtbetriebsvereinbarung, die der Gesamtbetriebsrat aufgrund einer Ermächtigung nach § 50 Abs. 2 BetrVG abgeschlossen hat, sicherheitshalber sowohl gegenüber dem Gesamtbetriebsrat als auch gegenüber den Einzelbetriebsräten der Betriebe, für die die Betriebsvereinbarung gilt, gekündigt werden. Soweit Gesamtbetriebsvereinbarungen betroffen sind, die auf einer originären Zuständigkeit (§ 50 Abs. 1 BetrVG) beruhen, ist zu differenzieren: o Übernimmt ein Unternehmensträger, der bislang keinen Betrieb besaß, alle Betriebe eines anderen Unternehmens, gelten die Gesamtbetriebsvereinbarungen normativ weiter. Will der Erwerber die Gesamtbetriebsvereinbarung ändern, muss er diese gegenüber dem weiter bestehenden696 Gesamtbetriebsrat kündigen bzw. über eine Neuregelung mit ihm verhandeln. o Führte der Erwerber vor dem Betriebsübergang keinen eigenen Betrieb und übernimmt er mehrere gesamtbetriebsratsfähige Betriebe bzw. führt ausgegliederte Betriebsteile als eigene (gesamtbetriebsratsfähige) Betriebe fort, besteht in dem Erwerberunternehmen eine gesamtbetriebsratslose Zeit.697 Der Erwerber kann in diesem Fall die Betriebsvereinbarung erst wieder abändern, wenn sich in seinem Unternehmen ein neuer Gesamtbetriebsrat konstituiert hat. Bis dahin kommt eine inhaltliche Abänderung der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht in Betracht.698 Der Erwerber hat aber die Möglichkeit, die normativ weitergeltende Gesamtbetriebsvereinbarung durch gleichzeitige Kündigung gegenüber allen Einzelbetriebsräten (auch im Übergangsmandat nach § 21a BetrVG) vollständig zu kündigen.699 In den nicht betriebsratsfähigen Betrieben muss die Kündigung der (Gesamt-)Betriebsvereinbarung gegenüber allen betroffenen Arbeitnehmern erfolgen. 700 Wollen die Einzelbetriebsräte der übernommenen Betriebe ihrerseits kündigen, kön- 694 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 696 BAG v. 05.06.2002 – 7 ABR 17/01, NZA 2003, 336. 697 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 698 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 699 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 700 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 695 221 nen sie dies selbst gemeinsam nicht, sondern nur der von ihnen zu bildende Gesamtbetriebsrat.701 Beispiel: Der Veräußerer V ist Inhaber eines Unternehmens mit zehn Betrieben, die jeweils mehr als fünf Arbeitnehmer haben. Hiervon veräußert er drei Betriebe an den Erwerber E; außerdem gliedert er aus vier weiteren Betrieben jeweils Betriebsteile aus, zwei davon mit weniger als fünf Arbeitnehmern, die ebenfalls an E übertragen werden und die dieser als selbstständige Betriebe fortführt. o Führte der Erwerber vor dem Betriebsübergang keinen eigenen Betrieb und führt er einen einzelnen Betrieb oder den übernommenen Betriebsteil als eigenständigen Betrieb fort, gilt Folgendes: Die bisherige Gesamtbetriebsvereinbarung wirkt als Einzelbetriebsvereinbarung normativ fort. Der Erwerber kann diese gegenüber dem dann zuständigen Betriebsrat (ggf. im Rahmen dessen Übergangsmandats) kündigen und mit ihm ggf. über eine Neuregelung verhandeln.702 Zusammenfassender Überblick Gesamtbetriebsvereinbarung und § 613a BGB - Identitätswahrender Übergang beim Erwerber ohne Betrieb im Auftrag Originäre Zuständigkeit § 50 Abs. 2 BetrVG § 50 Abs. 1 BetrVG stellt in Wirklichkeit eine Einzelbetriebsvereinbarung dar Übergang aller oder mehrerer Betriebe oder Betriebsteile Übergang nur eines Betriebes Übergang nur eines Betriebsteils Weitergeltung beim Erwerber als Einzelbetriebsvereinbarung Weitergeltung beim Erwerber als Gesamtbetriebsvereinbarung Weitergeltung beim Erwerber als Einzelbetriebsvereinbarung Weitergeltung beim Erwerber als Einzelbetriebsvereinbarung Kündigung grds. ggü. Einzelbetriebsräten Kündigung grds. ggü. Einzelbetriebsräten Kündigung ggü. Einzelbetriebsrat Kündigung grds. ggü. Betriebsrat (§ 21a BetrVG) Hinweis: Kündigung ggü. Gesamtbetriebsrat zusätzlich zu empfehlen Hinweis: In nicht betriebsratsfähigen Betriebsstellen ggü. jedem Arbeitnehmer Hinweis: in nicht betriebsratsfähigen Betriebsstellen ggü. jedem Arbeitnehmer bb) Erwerber mit eigenem Betrieb (1) Anwendungsbereich der normativen Weitergeltung Ausdrücklich offengeblieben ist es in der Entscheidung des BAG703, ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn das erwerbende Unternehmen zu dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs einen eigenen Betrieb oder sogar mehrere Betriebe und einen Gesamtbetriebsrat besitzt und der Erwerber den übernommenen Betrieb oder Betriebsteil in seinen eigenen Betrieb eingliedert und damit die Identität dieser Betriebe „zerstört“. 701 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 703 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 702 222 Nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB muss in diesen Fällen ebenso wie bei Einzelbetriebsvereinbarungen von einer Transformation der Gesamtbetriebsvereinbarungen ausgegangen werden, es sei denn, es besteht eine Betriebsvereinbarung mit identischem Regelungsgegenstand mit ablösender Wirkung. (2) Änderung oder Kündigung nach Betriebsübergang Auch hinsichtlich der Änderungsmöglichkeit und der Kündigung ist die Rechtslage unklar, wenn der Erwerber bereits vor dem Betriebsübergang Inhaber eigener Betriebe war. Bei der rechtlichen Bewertung sollte zwischen betriebsratslosen und Betrieben mit Betriebsrat unterschieden werden. Betriebsratslose Betriebe des Erwerbers: Führt der Erwerber die übernommenen Betriebe oder Betriebsteile als eigenständige Betriebe oder nur einen Betrieb bzw. einen ausgegliederten Betriebsteil eigenständig fort, ist davon auszugehen, dass die früheren Gesamtbetriebsvereinbarungen bei der Übernahme mehrerer Betriebe bzw. Betriebsteile (nur) in diesen Betrieben normativ weitergelten; bei der Übernahme oder Fortführung mehrerer Betriebe als Gesamtbetriebsvereinbarung oder bei der Übernahme eines Betriebes bzw. Betriebsteils als Einzelbetriebsvereinbarung. Ein rechtserheblicher Unterschied zu den vom BAG entschiedenen Fällen besteht nicht. Der Erwerber kann daher die normativ weitergeltende (Gesamt-)Betriebsvereinbarung ersatzlos gegenüber den übergegangenen Arbeitnehmern kündigen, da es kein handlungsfähiges Betriebsverfassungsorgan mehr gibt, das für eine inhaltliche Änderung der Gesamtbetriebsvereinbarung infrage käme.704 Eine Neuregelung wird er allerdings nur erreichen können, wenn für alle Betriebe seines Unternehmens (also sowohl die bisherigen als auch die übernommenen Betriebe bzw. Betriebsteile) gemäß § 47 BetrVG ein neuer Gesamtbetriebsrat errichtet wurde. Betriebe mit Betriebsrat des Erwerbers: Führt der Erwerber die übernommenen Betriebe oder Betriebsteile nicht mit seinen Betrieben zusammen, ist auch in dieser Fallkonstellation von einer normativen Weitergeltung früherer Gesamtbetriebsvereinbarungen grundsätzlich auszugehen. Die in den anderen Betrieben des Erwerbers geltenden Betriebsvereinbarungen haben mangels betriebsverfassungsrechtlicher Zuständigkeit der dort bestehenden Betriebsräte keine ablösende Wirkung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB.705 Der Erwerber kann die weitergeltende (Gesamt-)Betriebsvereinbarung nach den obigen Grundsätzen kündigen, muss aber über eine Neuregelung mit dem – ggf. neu zu konstituierenden – Gesamtbetriebsrat verhandeln. cc) Umfang der normativen Weitergeltung In welchem Umfang Gesamtbetriebsvereinbarungen normativ weitergelten, richtet sich nach den gleichen Grundsätzen wie für die normative Weitergeltung von Einzelbetriebsvereinbarungen. Einzelbetriebsvereinbarungen sollen nach der Rechtsprechung des BAG grundsätzlich unverändert normativ weitergelten, wenn die Identität des Betriebes im Wesentlichen gewahrt bleibt.706 Dies hat das BAG später dahin gehend erweitert, dass dies auch dann gilt, wenn 704 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. BAG v. 01.08.2001 – 4 AZR 82/00, NZA 2002, 41. 706 BAG v. 27.07.1994 – 7 ABR 37/93, NZA 1995, 222; BAG v. 15.01.2002 – 1 AZR 58/01, NZA 2002, 1034; BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 705 223 lediglich Betriebsteile veräußert werden, die vom Erwerber als eigenständiger Betrieb weitergeführt werden.707 Es bedarf keiner weiteren, rechtsgeschäftlichen Handlung des Erwerbers, um diese Rechtsfolge herbeizuführen. Sie tritt vielmehr automatisch ein. Eine weitere Ausnahme von der normativen Weitergeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen kommt aber dann in Betracht, wenn nicht alle Betriebe eines Unternehmens übertragen werden. Das BAG708 hat in seiner Entscheidung angedeutet, dass im Einzelfall eine Fortgeltung daran scheitern könne, dass die betreffende Regelung nach ihrem Inhalt die Zugehörigkeit zum bisherigen Unternehmen zwingend voraussetze und nach dem Betriebsübergang gegenstandslos werde. Von dieser Einschränkung sind vorwiegend betriebsorganisatorische Fragen betroffen, die für alle Betriebe eines Unternehmens einheitlich gelten. Beispiel: Im Unternehmen des Veräußerers V existiert eine Gesamtbetriebsvereinbarung zum betriebsübergreifenden Intranet. Auf den Erwerber E werden nur einzelne Betriebe (oder Betriebsteile) übertragen. Darüber hinaus gelten auch Betriebsvereinbarungen über organisatorische Fragen zur Zusammenarbeit mit dem Gesamtbetriebsrat, z. B. gemäß § 47 Abs. 4 BetrVG, jedenfalls dann nicht normativ weiter, wenn nicht alle Betriebe eines Unternehmens übertragen wurden. Selbst wenn aber alle Betriebe eines Unternehmens übertragen werden, ist es – wie bei Einzelbetriebsvereinbarungen – fraglich, ob diese normativ weitergelten bzw. ob der Erwerber insoweit in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Veräußerers einrückt. Insoweit dürfte die Rechtslage mit der bei Firmentarifverträgen identisch sein, bei denen das BAG ebenfalls annimmt, dass der Erwerber nicht automatisch in die Stellung des Veräußerers als Vertragspartei einrückt.709 Praxishinweis: Will der Erwerber diese Betriebsvereinbarungen beibehalten, empfiehlt es sich daher, eine Übernahmevereinbarung oder eine neue, gleich lautende Betriebsvereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat abzuschließen. Hingegen gelten die für die übergehenden Arbeitnehmer besonders wichtigen Gesamtbetriebsvereinbarungen zu unternehmenseinheitlichen Entgeltzusatzleistungen durchweg weiter, da diese nicht zwingend die Zugehörigkeit zum Unternehmen voraussetzen. b) Ablösung von Gesamtbetriebsvereinbarungen aa) Erwerber ohne eigene Betriebe – selbstständige Fortführung der übernommenen Betriebe Für die Ablösung ist zwischen den Fallkonstellationen zu unterscheiden, dass nur ein Betrieb oder Betriebsteil übertragen und vom Erwerber als eigenständiger Betrieb fortgeführt wird oder mehrere – gesamtbetriebsratsfähige – Betriebe oder Betriebsteile übertragen und als eigenständige Betriebe fortgeführt werden. 707 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 709 BAG v. 20.06.2001 – 4 AZR 295/00, NZA 2002, 517; BAG v. 29.08.2001 – 4 AZR 332/00, NZA 2002, 513. 708 224 Nur im erstgenannten Fall kann der Erwerber die (früheren) Gesamtbetriebsvereinbarungen durch Neuverhandlungen mit dem zuständigen Betriebsrat (auch § 21 BetrVG) abändern, da diese nach dem Betriebsübergang als Einzelbetriebsvereinbarungen weitergelten. In den anderen Fällen ist grundsätzlich eine Ablösung nur durch eine neue Gesamtbetriebsvereinbarung mit dem – ggf. neu zu bildenden – Gesamtbetriebsrat möglich, da die übergehende Gesamtbetriebsvereinbarung bei mehreren übernommenen Betrieben ihren Status als Gesamtbetriebsvereinbarung nicht verliert. Allerdings sind auch Fallkonstellationen denkbar, in denen der Erwerber die Möglichkeit hat, die Gesamtbetriebsvereinbarung durch (mehrere) Einzelbetriebsvereinbarungen abzulösen. Insbesondere kann durch Umorganisation der übernommenen Betriebe oder Betriebsteile die vom BAG geforderte zwingende sachliche Notwendigkeit für eine unternehmenseinheitliche Regelung710 entfallen, sodass dann auch keine originäre Zuständigkeit des (ggf. neu zu bildenden) Gesamtbetriebsrats gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG mehr besteht. Die Betriebsräte der einzelnen übernommenen Betriebe werden (wieder) zuständig. Beispiel: Der Veräußerer V hatte in seinem Unternehmen mit zehn Betrieben eine Gesamtbetriebsvereinbarung über eine freiwillige Weihnachtsgratifikation abgeschlossen, für die – weil V diese Leistung nur allen Arbeitnehmern unternehmenseinheitlich gewähren wollte – die originäre Zu711 ständigkeit des Gesamtbetriebsrates nach § 50 Abs. 1 BetrVG bestand. Der Erwerber E übernimmt drei Betriebe dieses Unternehmens und führt sie unverändert fort. Damit wirkt die Gesamtbetriebsvereinbarung kollektivrechtlich weiter. E möchte jedoch bei den Entgeltstrukturen stärker zwischen den einzelnen Betrieben differenzieren und ein Weihnachtsgeld zahlen, dass zum Teil von der Ertragslage des jeweiligen Betriebes abhängig ist. Damit entfällt die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates, da eine unternehmenseinheitliche Regelung nicht mehr zwingend notwendig ist, sodass die Betriebsräte der einzelnen (übergegangenen) Betriebe für die Regelung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zuständig sind. Praxishinweis: Trotz der dargestellten Möglichkeit der Ablösung sollte der Erwerber die Gesamtbetriebsvereinbarung abhängig von der Fallkonstellation gegenüber dem Gesamtbetriebsrat, den einzelnen Betriebsräten oder den einzelnen Arbeitnehmern gegenüber kündigen. bb) Erwerber mit eigenen Betrieben (1) Selbstständige Fortführung der übernommenen Betriebe Die im Unternehmen des Erwerbers geltenden Gesamtbetriebsvereinbarungen können gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ablösende Wirkung auch gegenüber den normativ weitergeltenden (Gesamt-)Betriebsvereinbarungen haben, wenn man davon ausgeht, dass eine bestehende Gesamtbetriebsvereinbarung auch neu hinzukommende Betriebe erfasst. Das ist jedenfalls bei Gesamtbetriebsvereinbarungen mit originärer Zuständigkeit anzunehmen (§ 50 Abs. 1 BetrVG).712 Weitere Voraussetzung ist dafür, dass die Regelungsgegenstände identisch sind. 710 BAG v. 11.12.2001 – 1 AZR 193/01, NZA 2002, 688; BAG v. 23.10.2002 – 7 ABR 55/01, NZA 2003, 1360. 711 BAG v. 11.02.1992 – 1 ABR 51/91, NZA 1992, 702. 712 LAG München v. 08.11.1988 – 2 Sa 691/88, DB 1989, 1879. 225 (2) Ablösung bei Eingliederung der übernommenen Betriebe in den Erwerberbetrieb gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB Eine Ablösung der Gesamtbetriebsvereinbarungen nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB bei der Eingliederung in den Erwerberbetrieb kommt sowohl durch Einzel- als auch durch Gesamtbetriebsvereinbarungen in Betracht. Es ist zwischen folgenden Fallkonstellationen zu unterscheiden: Der Erwerber war vor dem Betriebsübergang bereits Inhaber eines Betriebes, in dem ein Betriebsrat existiert. Er gliedert den übernommenen Betrieb bzw. Betriebsteil in diesen Betrieb ein. Eine übergehende Gesamtbetriebsvereinbarung kann in diesem Fall durch eine im Betrieb des Erwerbers bestehende (Einzel-)Betriebsvereinbarung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst werden, wenn die Regelungsgegenstände identisch sind. Der Erwerber war vor dem Betriebsübergang Inhaber mehrerer Betriebe mit Betriebsräten und Gesamtbetriebsrat. Er übernimmt einen oder mehrere Betriebe und Betriebsteile und gliedert diese in (verschiedene) Betriebe seines Unternehmens ein. Die übergehende Gesamtbetriebsvereinbarung kann bei Vorliegen identischer Regelungsbereiche entweder durch die in den einzelnen Betrieben bestehenden Betriebsvereinbarungen oder durch eine schon bisher im Unternehmen des Erwerbers geltende Gesamtbetriebsvereinbarung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst werden. Beispiel: Im Unternehmen des Erwerbers E besteht bereits eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die Zahlung von Urlaubsgeld in Höhe eines halben Monatsgehalts. Er übernimmt einen Betrieb, in dem bisher eine Gesamtbetriebsvereinbarung galt, nach der ein Urlaubsgeld in Höhe eines Monatsgehalts zu zahlen war und gliedert diesen Betrieb sofort nach dem Betriebsübergang in einen seiner Betriebe ein. Für die übergehenden Arbeitnehmer gilt in diesem Fall die bereits bei E bestehende Gesamtbetriebsvereinbarung, sodass sie nur noch einen Anspruch auf ein halbes Monatsgehalt Urlaubsgeld haben. Dabei spielt in Bezug auf bereits bestehende Gesamtbetriebsvereinbarungen der oben erwähnte Streit, ob sich diese auch auf neu hinzukommende Betriebe erstrecken, keine Rolle, da die übernommenen Betriebe ja eingegliedert werden und daher ohne Weiteres unter den Geltungsbereich bestehender Gesamtbetriebsvereinbarungen fallen. 226 Zusammenfassender Überblick Ablösung der übernommenen Gesamtbetriebsvereinbarung Erwerber ohne eigenen Betrieb Übernahme nur eines Betriebes Übernahme aller oder mehrerer Betriebe Weitergeltung beim Erwerber als Einzelbetriebsvereinbarung Weitergeltung beim Erwerber als Gesamtbetriebsvereinbarung Ablösung durch neue Betriebsvereinbarung mit zuständigem Betriebsrat (auch § 21 BetrVG) Ablösung durch neue Gesamtbetriebsvereinbarung mit neu zu bildendem Gesamtbetriebsrat Erwerber mit eigenem Betrieb selbstständige Fortführung der übernommenen Betriebe Ablösung durch Gesamtbetriebsvereinbarung im Erwerberbetrieb Zumindest bei originärer Zuständigkeit (§ 50 Abs. 1 BetrVG) Eingliederung in Erwerberbetrieb Nur ein Betriebsrat im Erwerberbetrieb Betriebsräte und Gesamtbetriebsrat im Erwerberbetrieb Ablösung durch Einzelbetriebsvereinbarung Ablösung durch Einzelbetriebsoder durch Gesamtbetriebsvereinbarung c) Transformation von Gesamtbetriebsvereinbarungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Gliedert der Erwerber die übernommenen Betriebe oder Betriebsteile in seinen eigenen Betrieb ein, ist von einer Transformation der Regelung der Gesamtbetriebsvereinbarung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB auszugehen. Sie werden zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Auch hier stellen sich die gleichen Fragen wie bereits im Rahmen der Transformation von Einzelbetriebsvereinbarungen. 3. Konzernbetriebsvereinbarungen Das Schicksal von Konzernbetriebsvereinbarungen bei einem Betriebsübergang war bisher noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen. a) Unveränderte normative Weitergeltung Eine normative Weitergeltung von Konzernbetriebsvereinbarungen wird dann angenommen, wenn auch der neue Unternehmensträger dem gleichen Konzern wie der vorherige Unternehmensträger angehört.713 Beispiel: Das zum X-Konzern gehörende Tochterunternehmen V veräußert einen seiner Betriebe an das ebenfalls zum X-Konzern gehörende Tochterunternehmen E. Umstritten ist, ob Konzernbetriebsvereinbarungen auch dann normativ fortwirken, wenn das veräußerte Unternehmen bzw. der veräußerte Betrieb aus dem Konzernverbund ausscheidet. 713 Willemsen, Teil E, Rn. 70. 227 Fraglich ist, ob die vom BAG714 aufgestellten Grundsätze zu Gesamtbetriebsvereinbarungen auf Konzernbetriebsvereinbarungen übertragbar sind. Dies ist mit folgenden Argumenten zu bejahen: Das BAG hat maßgeblich darauf abgestellt, dass das Regelungsobjekt der Gesamtbetriebsvereinbarung bei einer Wahrung der Betriebsidentität nicht entfällt. Sie gelte nach einem identitätswahrenden Betriebsübergang kollektivrechtlich weiter. Einer Unternehmensidentität bedürfe es nicht. Der Auffangtatbestand des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB sei nicht erforderlich. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Rechtslage bei Konzernbetriebsvereinbarungen anders gewertet werden sollte. Auch Konzernbetriebsvereinbarungen gelten – wie Gesamtbetriebsvereinbarungen – im jeweils einzelnen Betrieb und ihr Regelungsobjekt entfällt ebenso wenig – wie bei Gesamtbetriebsvereinbarungen – bei einer identitätswahrenden Betriebsübertragung. Wird ein Betrieb oder Betriebsteil auf einen Erwerber übertragen und führt dieser den (ggf. neu entstandenen) Betrieb als eigenständige Einheit weiter, kann auch eine normative Weitergeltung von Konzernbetriebsvereinbarungen angenommen werden. Kompliziert wird die Rechtslage allerdings dadurch, dass Konzernbetriebsvereinbarungen i. d. R. sozusagen auf der „dritten Regelungsstufe“ stehen, sodass insbesondere zweifelhaft ist, wie sie weitergelten. Deshalb sollte zwischen verschiedenen Fallgestaltungen differenziert werden. Wird ein Konzernunternehmen (mit mehreren Betrieben) vollständig auf einen Unternehmensträger außerhalb des Konzernverbundes übertragen und werden die Betriebe unverändert weitergeführt, gelten Konzernbetriebsvereinbarungen als Gesamtbetriebsvereinbarung weiter, wenn der neue Unternehmensträger seinerseits nicht zu einem Konzernverbund gehört. Gehört jedoch das erwerbende Unternehmen seinerseits zu einem anderen Konzern, in dem ein Konzernbetriebsrat besteht, spricht mehr für eine Weitergeltung als Konzernbetriebsvereinbarung.715 Dies hat zur Folge, dass über eine Neuregelung mit dem Konzernbetriebsrat zu verhandeln ist, soweit die Voraussetzungen für dessen Zuständigkeit nach § 58 Abs. 1 BetrVG gegeben sind. Besteht hingegen kein Konzernbetriebsrat, spricht mehr für eine Weitergeltung als Gesamtbetriebsvereinbarung, da ein Konzernbetriebsrat – anders als ein Gesamtbetriebsrat – nicht zwingend zu errichten ist. Übernimmt der Erwerber mehrere Betriebe oder Betriebsteile von einem oder mehreren konzernangehörigen Unternehmen und führt diese als selbstständige Betriebe weiter, kommt eine Weitergeltung der Konzernbetriebsvereinbarung als Gesamtbetriebsvereinbarung in Betracht, wenn die übernommenen Betriebe gesamtbetriebsratsfähig sind.716 Andernfalls ist eine Weitergeltung als Einzelbetriebsvereinbarung denkbar. Wird ein einzelner Betrieb oder Betriebsteil aus einem konzernangehörigen Unternehmen herausgelöst und von einem – nicht konzernangehörigen – Erwerber als eigenständiger Betrieb weitergeführt, gilt die Konzernbetriebsvereinbarung als Einzelbetriebsvereinbarung weiter. Sie ist ggf. gegenüber dem für den übergegangenen Betrieb bzw. Betriebsteil zuständigen Betriebsrat zu kündigen. Mit diesem ist auch ggf. über eine Neuregelung zu verhandeln. 714 BAG v. 18.09.2002 – 1 ABR 54/91, NZA 2002, 670. Willemsen, Teil E, Rn. 70. 716 Willemsen, Teil E, Rn. 70. 715 228 Der Umfang der normativen Weitergeltung richtet sich nach den gleichen Grundsätzen wie bei Gesamtbetriebsvereinbarungen. b) Ablösung Konzernbetriebsvereinbarungen können – je nach der Organisation des bzw. der Betriebe des Erwerbers – sowohl durch Konzern- als auch durch Gesamt- oder Einzelbetriebsvereinbarung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst werden. c) Transformation Konzernbetriebsvereinbarungen werden nach dem derzeitigen Rechtsstand dann transformiert, wenn der Erwerber ein konzernangehöriges Unternehmen, Betriebe bzw. Betriebsteile eines konzernangehörigen Unternehmens erwirbt, diese in seinen bereits bestehenden Betrieb eingliedert und keine ablösenden Betriebsvereinbarungen im Erwerberbetrieb existieren. Der Umfang der Transformation richtet sich nach den gleichen Grundsätzen wie bei Gesamtbetriebsvereinbarungen. 229 Kapitel E: Kündigungsverbot 233 I. Inhalt und praktische Relevanz des § 613a Abs. 4 BGB 233 1. Für den Veräußerer 233 2. Für den Erwerber 233 II. Das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB 233 1. Rechtsnatur 233 2. Persönlicher Anwendungsbereich 234 3. Sachlicher Anwendungsbereich 234 a) Arbeitgeberseitige Kündigungen b) Aufhebungsverträge und Eigenkündigungen aa) freie Entscheidung bb) auf Veranlassung des Arbeitgebers c) Wechsel in die Transfergesellschaft d) Befristete Arbeitsverhältnisse und auflösende Bedingung 234 235 235 235 236 237 III. Zulässigkeit von Kündigungen aus anderen Gründen – § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB 240 1. Inhalt der Regelung 240 2. Zulässigkeit betriebsbedingter Beendigungskündigungen in Zusammenhang mit einem (geplanten) Betriebsübergang 240 a) Abgrenzung zwischen Betriebsstilllegung und Betriebsübergang aa) Geplante Betriebsstilllegung bb) Geplanter Betriebsübergang scheitert cc) Betriebsübergang noch nicht absehbar dd) Beweislastfragen b) Umstrukturierungsmaßnahmen und Betriebsübergang aa) Druckkündigungen bb) Maßnahmen des Veräußerers vor Betriebsübergang cc) Maßnahmen des Erwerbers nach Betriebsübergang dd) Kündigungen des Veräußerers aufgrund eines Erwerberkonzepts c) Auslagerung und/oder Stilllegung eines Betriebsteils aa) Mitarbeiter in zentraler Position bb) Sozialauswahl 240 240 241 241 242 242 243 243 243 244 245 245 245 3. Betriebsbedingte Kündigungen nach Widerspruch 245 a) Ausgangspunkt aa) Möglicher Entfall der Zuständigkeit des Betriebsrats b) Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KSchG c) Frei werdende Arbeitsplätze aa) Widerspruchsrecht des Betriebsrats bei Neueinstellungen bb) Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei Massenwidersprüchen d) Sozialauswahl e) Betriebsratsanhörung 245 246 247 247 248 248 249 251 231 4. Versetzungen vor dem Betriebsübergang 251 5. Wiedereinstellungsanspruch bei unerwartetem/ungeplantem Betriebsübergang 252 a) Wiedereinstellungsanspruch vor Ablauf der Kündigungsfrist b) Wiedereinstellungsanspruch nach Ablauf der Kündigungsfrist c) Entgegenstehende berechtigte Interessen des Erwerbers 252 253 253 6. Zulässigkeit betriebsbedingter Änderungskündigungen nach Betriebsübergang 254 7. Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf die kündigungsschutzrechtliche Stellung der Arbeitnehmer 254 a) Betriebsübergang kraft Einzelrechtsnachfolge aa) Amtsträger bb) einzelvertragliche und kollektivrechtliche Vereinbarungen cc) Schwellenwert, § 23 KSchG b) Betriebsübergang kraft Gesamtrechtsnachfolge 255 255 255 255 255 IV. Prozessuale Fragen beim Betriebsübergang 257 1. Passivlegitimation und Rechtskraftwirkung 257 a) Kündigung vor Betriebsübergang und Klage vor Betriebsübergang b) Kündigung vor Betriebsübergang und Klage nach Betriebsübergang 257 259 2. Stellung eines Auflösungsantrags nach § 9 Abs. 1 KSchG 259 3. Prozessuale Fragen beim Wiedereinstellungsanspruch 260 4. Beschlussverfahren 260 232 Kapitel E: Kündigungsverbot I. Inhalt und praktische Relevanz des § 613a Abs. 4 BGB Der Schutz der von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer wird durch die Regelung des § 613a Abs. 4 BGB vervollständigt.717 Danach sind Kündigungen wegen eines Betriebsübergangs unzulässig. Zulässig bleiben jedoch Kündigungen aus anderen Gründen, da die Arbeitnehmer nicht mehr geschützt werden sollen, als wenn sie beim Veräußerer geblieben wären. 1. Für den Veräußerer Bei (betriebsbedingten) Kündigungen durch den Veräußerer steht die Frage nach der Abgrenzung zwischen einer Betriebs(teil)stilllegung einerseits und einem Betriebs(teil)übergang andererseits im Vordergrund. Für den Veräußerer kann ferner von Interesse sein, ob er einen Betrieb oder Betriebsteil umstrukturieren kann, um seine Verkaufschancen zu erhöhen. Bei Veräußerung nur eines Betriebsteils können ferner Arbeitsplätze in anderen (zentralisierten) Abteilungen entfallen. Schließlich kann er sich, wenn einer oder mehrere Arbeitnehmer dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen, vor die Notwendigkeit betriebsbedingter Kündigungen gestellt sehen. 2. Für den Erwerber Für den Erwerber eines Betriebes geht es in erster Linie darum, ob er nach einem Betriebsübergang die Möglichkeit hat, wegen notwendiger Umstrukturierungs- oder Anpassungsmaßnahmen betriebsbedingte Kündigungen, sowohl in Form von Beendigungs- als auch von Änderungskündigungen auszusprechen. II. Das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB 1. Rechtsnatur § 613a Abs. 4 BGB stellt einen eigenständigen Unwirksamkeitsgrund i. S. v. § 13 Abs. 3 KSchG, § 134 BGB für eine Kündigung dar.718 Dies hat vor allem Folgen für den persönlichen Anwendungsbereich dieses Kündigungsverbots. Der Arbeitnehmer hat die Unwirksamkeit der Kündigung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung geltend zu machen. Die vom Veräußerer ausgesprochene Kündigung gilt dann gemäß § 7 KSchG als wirksam, da sich diese gesetzliche Fiktion nunmehr ebenfalls auf alle Unwirksamkeitsgründe für eine Kündigung erstreckt. Erfährt der Arbeitnehmer allerdings erst später, dass ein Betriebs(teil)übergang vorliegt, hat er die Möglichkeit, gemäß § 5 KSchG einen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zu stellen. Insbesondere dann, wenn die Arbeitnehmer nicht über einen (geplanten) Betriebsübergang informiert wurden, kann ein solcher Antrag hohe Erfolgsaussichten haben. Damit kann sich der Veräußerer nach Ablauf der Dreiwochenfrist nicht sicher darauf verlassen, dass ihm Kündigungsschutzklagen erspart bleiben. Das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB gilt sowohl für Kündigungen des Veräußerers als auch des Erwerbers. 717 718 BAG v. 18.07.1996 – 8 AZR 127/94, NZA 1997, 148. BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 530/83, NZA 1985, 593. 233 2. Persönlicher Anwendungsbereich Aus der Rechtsnatur des § 613a Abs. 4 BGB als „eigenständiges Kündigungsverbot“ i. S. v. § 13 Abs. 3 KSchG folgt, dass es auf die Anwendbarkeit des KSchG nicht ankommt. Dies hat vor allem Konsequenzen für den persönlichen Anwendungsbereich dieses Kündigungsverbots. Es greift nicht nur bei Arbeitnehmern ein, für die das KSchG gilt, sondern auch bei: Arbeitnehmern, die weniger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind und damit die Wartezeit des § 1 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht erfüllen, Arbeitnehmern in Kleinbetrieben gemäß § 23 KSchG, leitenden Angestellten, d. h. auch solchen, die unter § 14 KSchG fallen. Das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB ist jedoch auf Arbeitnehmer beschränkt. Es gilt somit z. B. nicht für: Freie Mitarbeiter, Subunternehmer etc. Heimarbeiter Organmitglieder Bei Praktikanten ist entscheidend, in welchem Zusammenhang und zu welchem Zweck sie im Unternehmen beschäftigt werden.719 Für GmbH-Geschäftsführer hat das BAG entschieden, dass deren Anstellungsverhältnis grundsätzlich nicht gemäß § 613a Abs. 1 BGB auf einen Erwerber übergeht720, sodass dementsprechend auch das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB mangels Arbeitnehmereigenschaft nicht eingreifen kann. Der EuGH hat entschieden, dass der Geschäftsführer einer GmbH, der seine Tätigkeit gegen Entgelt nach Weisung und Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und selbst keine Anteile an dieser Gesellschaft besitzt, als Arbeitnehmer i. S. d. § 17 KSchG gilt.721 Es besteht daher die Gefahr, dass diese Rechtsprechung auf den Betriebsübergang übertragen werden kann. Das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB kann jedoch bei Organmitgliedern, insbesondere GmbH-Geschäftsführern relevant werden, wenn neben dem Anstellungsverhältnis noch ein ruhendes Arbeitsverhältnis vorliegt, was nach der derzeitigen Rechtsprechung des BAG allerdings nur noch in Ausnahmefällen anzunehmen ist.722 Sollte dies jedoch der Fall sein, gilt dasselbe wie für andere ruhende Arbeitsverhältnisse. Für dieses müsste dann auch folgerichtig das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB eingreifen. Praxishinweis: Ebenso wie bei leitenden Angestellten wird der Arbeitgeber im Falle einer Kündigungsschutzklage jedoch noch die Möglichkeit des Auflösungsantrags nach §§ 14 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 9 KSchG haben. 3. Sachlicher Anwendungsbereich a) Arbeitgeberseitige Kündigungen § 613a Abs. 4 BGB erfasst alle Kündigungen, die vom Arbeitgeber wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen werden. 719 vgl. hierzu Kapitel A II.7. BAG v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552. 721 EuGH v. 09.7.2015 – C-229/14, NZA 2015, 861. 722 BAG v. 25.4.2002 – 2 AZR 352/01, NZA 2003, 272. 720 234 Dieses Kündigungsverbot umfasst also: ordentliche und außerordentliche Beendigungskündigungen (ggf. mit sozialer Auslauffrist) ordentliche und außerordentliche Änderungskündigungen u. U. Kündigungen vor und nach dem Betriebsübergang, wobei ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Kündigung und Betriebsübergang nicht zwingend erforderlich ist723 Kündigungen des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren „wegen“ eines Betriebsübergangs724 Für eine Kündigung benötigt man bei der Anwendbarkeit des KSchG einen Kündigungsgrund (§§ 1, 2 KSchG). Allein wegen eines Betriebsübergangs kann damit weder eine Beendigungs- noch eine Änderungskündigung ausgesprochen werden. Unzulässig ist es, wenn der Veräußerer das Arbeitsverhältnis kündigt und der Erwerber den Arbeitnehmer nach Betriebsübergang zu gleichen Arbeitsbedingungen wieder einstellt.725 b) Aufhebungsverträge und Eigenkündigungen Das Verbot des § 613a Abs. 4 BGB kann auch für andere Formen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, insbesondere bei Aufhebungsverträgen und Eigenkündigungen der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einem (geplanten) Betriebsübergang eingreifen. aa) freie Entscheidung Aufhebungsverträge und Eigenkündigungen der Arbeitnehmer, die auf ein endgültiges Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb zielen, sind wirksam, auch wenn dies in Zusammenhang mit einem Betriebsübergang geschieht.726 § 613a BGB gewährt keinen Schutz des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich ohne sachlichen Grund aufzuheben. bb) auf Veranlassung des Arbeitgebers Rechtliche Schwierigkeiten gibt es dann, wenn Arbeitnehmer zum Abschluss von Aufhebungsverträgen oder Eigenkündigungen veranlasst werden, damit sie nach dem Betriebsübergang vom Erwerber zu neuen Arbeitsbedingungen wieder eingestellt werden können. Praktisch relevant wird dies vor allem bei Unternehmenssanierungen und einem damit verbundenen Personalabbau. Wenn den Arbeitnehmern in einem solchen Fall eine feste Wiedereinstellung durch den Erwerber des Betriebs oder Betriebsteils zugesagt wird, werden sowohl Aufhebungsverträge als auch Eigenkündigungen als Umgehung des § 613a BGB und damit als nichtig gewertet. Dann entfällt aber auch ein vertraglich zugesicherter Abfindungsanspruch.727 Das BAG geht in diesen Fällen davon aus, dass lediglich die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses beseitigt werden soll, obwohl der Arbeitsplatz erhalten bleibt. Dies kann durch ein neu abgeschlossenes Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber erfolgen. 723 BAG v. 19.05.1988 – 2 AZR 596/87, NZA 1989, 461. BAG v. 20.09.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387. 725 EuGH v. 10.02.1988 – C 324/86. 726 BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 654/95, NZA 1999, 262; BAG v. 27.09.2012 – 8 AZR 826/11, NZA 2013, 961. 727 BAG v. 28.04.1987 – 3 AZR 75/86, NZA 1988, 198; BAG v. 11.07.1995 – 3 AZR 154/95, NZA 1996, 207. 724 235 Ausreichend ist aber auch, dass dem Arbeitnehmer klar war, dass er vom Erwerber eingestellt wird und ihm ein Arbeitsverhältnis verbindlich in Aussicht gestellt wurde.728 Diese vom BAG aufgestellten Grundsätze gelten für Eigenkündigung und Aufhebungsvereinbarungen. Dabei ist es unerheblich, ob die Parteien die Rechtsfolgen des § 613a BGB kannten. Beispiel Ein in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlicher Betrieb soll an den Erwerber E veräußert werden. Die Belegschaft willigt ein, mit Veräußerer V Aufhebungs- und mit E neue Arbeitsverträge zu schlechteren Arbeitsbedingungen abzuschließen. Diese Verträge sind unwirksam, sodass E an die bisherigen Arbeitsbedingungen nach Maßgabe des § 613a Abs. 1 BGB gebunden bleibt. Außerdem muss er ggf. die Arbeitnehmer, mit denen er keine neuen Arbeitsverträge abgeschlossen hat, übernehmen. Die Aufhebungsvereinbarungen sind nichtig. Sollte V die Belegschaft zu Eigenkündigungen statt Aufhebungsvereinbarungen veranlasst haben, wären diese ebenfalls nichtig. c) Wechsel in die Transfergesellschaft Anders wird die Rechtslage beurteilt, wenn die Arbeitnehmer aufgrund eines dreiseitigen Vertrags zu einer Beschäftigungsgesellschaft wechseln und ihr Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer durch Aufhebungsvertrag beenden und sie auch keine sichere Aussicht auf eine neue Stelle beim Erwerber haben. Das BAG lässt dies für Aufhebungsverträge zu, mit denen eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verbunden ist, wenn für die Verschlechterung ein sachlicher Grund besteht.729 Das kann beim Abschluss eines dreiseitigen Vertrages unter Einschaltung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft zur Vermeidung einer Insolvenz der Fall sein. Eine Umgehung des § 613a Abs. 4 BGB wird angenommen, wenn die Transfergesellschaft nur zum Schein vorgeschoben wird oder offensichtlich eine Umgehung der Sozialauswahl bezweckt wird.730 Ebenso liegt Verstoß gegen § 613a Abs. 4 BGB vor, wenn der Erwerber mit dem Arbeitnehmer bereits eine neue Vereinbarung abgeschlossen bzw. diese verbindlich in Aussicht gestellt hat.731 Für die Wirksamkeit der Vertragskonstruktion genügt es auch nicht, dass der Arbeitnehmer nach einer rechtlichen Verweildauer in der Transfergesellschaft von einem Tag ein Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber eingeht. Das Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft wurde dadurch nie betrieben. 732 Praxishinweis: Probleme können vor allem dann auftreten, wenn diese Vertragsgestaltungen den Zweck haben, die Beschäftigtenzahl (ohne Sozialauswahl) zu reduzieren. Geht es hingegen „nur“ um eine Änderung der Arbeitsbedingungen, kann es sicherer sein, wenn der Erwerber versucht, sich mit den übergehenden Arbeitnehmern, ggf. auch mit dem Betriebsrat, unmittelbar über eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu einigen, wobei er allerdings ggf. die Verschlechterungssperre des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB beachten muss. Außerdem darf kein unzulässiger Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt werden, damit diese den neuen Vertrag nicht gemäß § 123 BGB wegen widerrechtlicher Drohung anfechten können. 728 BAG v. 18.08.2011 – 8 AZR 312/10, NZA 2012, 152; BAG v. 25.10.2012 – 8AZR 572/11, NZA 2013, 961. 729 BAG v. 18.08.2005 – 8 AZR 523/04 , NZA 2006, 145; BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 324/97, NZA 1999, 422. 730 BAG v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, NZA 2007, 866. 731 BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 572/11, BB 2012, 2815. 732 BAG v. 18.08.2011 – 8 AZR 312/10, NZA 2012, 252. 236 Beispiel: Zur Rettung des insolventen Veräußerers V sollten die dort beschäftigten Arbeitnehmer in eine Transfergesellschaft wechseln. Erwerber E wollte dabei lediglich 352 von den bei V beschäftigten 452 Arbeitnehmern übernehmen. Die 352 Mitarbeiter sollten durch Losentscheid ermittelt werden. Hierzu unterzeichnete Arbeitnehmer A mehrere dreiseitige Verträge mit unterschiedlichen Austrittsdaten und den korrespondierenden Eintrittsdaten zum Wechsel in die Transfergesellschaft. Noch vor der Annahme des dreiseitigen Vertrags unterzeichnete A am 09.05.2015 Angebote auf ein befristetes und unbefristetes Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber E. V und die Transfergesellschaft nahmen am 30.05.2015 das Angebot des A an, mit Ablauf des 31.05.2015 bei V auszuscheiden und am 01.06.2015 in die Transfergesellschaft einzutreten. Nach dem A am 01.06.2015 gezogen wurde, nahm der E das Angebot des A auf einen unbefristeten Vertrag an. Als Eintrittsdatum war der 02.06.2015 vorgesehen. In diesem Fall ist die Aufhebungsvereinbarung unwirksam, weil es am endgültigen Ausscheiden des A fehlt. Praxishinweis: Bei einem Wechsel von der Transfergesellschaft zum Erwerber wird seitens des BAG darauf geachtet, ob zwischen den beiden rechtlich getrennten Arbeitsverhältnissen mit dem Veräußerer und dem Erwerber ein hinreichend enger innerer Zusammenhang besteht. Dabei kommt es nicht nur auf die Dauer der Unterbrechung, sondern auch auf die Gründe der Unterbrechung und die Art der Weiterbeschäftigung an. Daher ist entscheidend, von welcher Partei und aus welchem Anlass das Arbeitsverhältnis beendet wurde und ob die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers seiner früheren Stelle entspricht. Der Erwerber sollte daher bereits vor einer Übernahme prüfen, ob im Falle des Abschlusses des Arbeitsvertrages mit dem Arbeitnehmer aus der Transfergesellschaft die Indizien entkräftet werden können. Andernfalls riskiert er die Unwirksamkeit des Vertrages, sodass er an alle früheren Arbeitsbedingungen gebunden ist. d) Befristete Arbeitsverhältnisse und auflösende Bedingung Schließlich kann das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB für befristete Arbeitsverhältnisse relevant werden. So stellt es keinen Sachgrund für eine Befristung dar, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag befristet, weil er einen Betriebsübergang plant oder ins Auge gefasst hat.733 Gleiches gilt für auflösende Bedingungen, wenn sie darauf abzielen, den Schutz des § 613a Abs. 4 BGB zu umgehen. Wird ein Arbeitsvertrag auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 TzBfG sachgrundlos befristet, ist dies hingegen auch dann wirksam, wenn das Ende der Befristung zeitlich (eng) mit dem Betriebsübergang zusammenfällt. Anders liegt der Fall, wenn dem Veräußerer eine Umgehung des § 613a Abs. 4 BGB nachgewiesen wird. Praxishinweis: Für eine solche Umgehung bzw. Umgehungsabsicht wäre jedoch bei einer evtl. Entfristungsklage der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig. Er muss zumindest Indizien vortragen, die hierfür sprechen. Verlängert der Erwerber ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht, kann dies allenfalls dann einen Verstoß gegen § 613a BGB darstellen, wenn die Nichtverlängerung mit dem Betriebsübergang begründet wird. Im Übrigen laufen befristete Arbeitsverhältnisse beim Erwerber unverändert weiter. 733 BAG v. 02.12.1998 – 7 AZR 579/97, NZA 1999, 926. 237 Praxishinweis: Der Erwerber sollte sich erkundigen, ob es sich um Sachgrundbefristungen oder sachgrundlose Zeitbefristungen nach § 14 Abs. 2 TzBfG handelt. Bei Sachgrundbefristungen sollte er sich die Unterlagen des Veräußerers über den Sachgrund aushändigen oder sich Informationen über den Sachgrund geben lassen, damit er sich gegen eventuelle Entfristungsklagen nach Betriebsübergang wehren kann. Bei sachgrundlosen Befristungen stehen dem Erwerber die gleichen Rechte wie dem Veräußerer zu, sodass er insbesondere die Verlängerungsmöglichkeiten des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ausnutzen kann. Insoweit gilt nichts anderes, als wenn der Arbeitnehmer beim Veräußerer geblieben wäre. Praxishinweis: Der Erwerber sollte jedoch darauf achten, dass es sich dann tatsächlich um reine „Verlängerungen“ handelt, also insbesondere keine neuen Vertragsbedingungen vereinbart werden. In diesem Fall soll es sich nicht mehr um eine Verlängerung, sondern um den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages handeln, der wegen des Vorbeschäftigungsverbots dann nur noch als Sachgrundbefristung zulässig ist.734 Dies kann vor allem dann schwierig sein, wenn der Erwerber den Betrieb oder Betriebsteil nach dem Betriebsübergang umstrukturiert oder in seinen eigenen Betrieb eingliedert. Außerdem muss diese Verlängerung – wie bei allen anderen sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen – vor dem Auslaufen der vereinbarten Befristung schriftlich (§ 14 Abs. 4 TzBfG) vereinbart werden. In Bezug auf sachgrundlose Befristungen ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass das sog. Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht eingreift, wenn der Arbeitnehmer schon einmal beim Veräußerer bzw. dessen Rechtsvorgänger beschäftigt und dieses Arbeitsverhältnis vor dem Betriebsübergang (endgültig) beendet war.735 Das BAG knüpft dabei an den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Vertragsarbeitgeber an und nicht an eine Beschäftigung mit dem Betriebsinhaber. Von demselben Arbeitgeber ist nur dann auszugehen, wenn der Vertragspartner des Arbeitnehmers dieselbe natürliche oder juristische Person ist.736 Der Arbeitnehmer soll durch den Betriebsübergang nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden. Beispiel: Arbeitnehmer A hatte vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2015 ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis mit der A GmbH abgeschlossen. Zum 01.01.2016 geht der Betrieb der A GmbH auf die B AG über. Die B AG könnte mit A nunmehr noch ein Arbeitsverhältnis ohne sachlichen Grund für die Dauer von zwei Jahren eingehen. Praxishinweis: Bei der sachgrundlosen Befristung ist zu beachten, dass die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie zum Teil keine sachgrundlose Befristung erlauben (z. B. § 2 Ziff. 6.1. MTV für die Metall- und Elektroindustrie in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern) bzw. strengere Voraussetzungen daran stellen und z. B. kürzere Zeiträume vorsehen (z. B. § 7 Ziff.2 (I) MTV für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie). Allerdings dürfte eine sachgrundlose Befristung, die beim Veräußerer begründet wurde, nach einem Betriebsübergang dann nicht mehr (sachgrundlos) beim Erwerber verlängert werden 734 BAG v. 26.07.2000 – 7 AZR 51/99, NZA 2001, 546. BAG v. 10.11.2004 – 7 AZR 101/04, NZA 2005, 515; siehe dazu Kapitel Teil D. 736 BAG v. 19.03.2014 – 7 AZR 527/12, NZA 2014, 840; BAG v. 04.12.2013 – 7 AZR 290/12, NZA 2014, 426. 735 238 können, sofern mit dem Erwerber bereits ein Vorbeschäftigungsverhältnis bestanden hat. Allerdings hat das BAG entschieden, dass eine „Zuvor-Beschäftigung“ des Arbeitnehmers nicht vorliegt, wenn das Ende des früheren Arbeitsverhältnisses länger als drei Jahre zurückliegt.737Allerdings besteht in diesen Fällen die Unsicherheit, wie die Frist zu berechnen ist. Hierbei sollte zur Sicherheit die Frist nach den Verjährungsbestimmungen des § 199 BGB berechnet werden. Beispiel: Arbeitnehmer A war bei E vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2015 sachgrundlos befristet beschäftigt. E könnte mit A daher, wenn man für die Berechnung der dreijährigen Unterbrechung die Verjährungsvorschriften des BGB zugrunde legt, erst wieder am 01.01.2019 ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis eingehen. Gegen die Auslegung des BAG sind eine Verfassungsbeschwerde und eine Vorlageentscheidung des ArbG Braunschweig beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig. Praxishinweis: Solange die Entscheidung des BVerfG aussteht, sollte der Arbeitgeber vorsichtig bei sachgrundlosen Befristungen sein, sofern Arbeitnehmer zuvor bei ihm beschäftigt waren. Er hat das Risiko, dass die erneute sachgrundlose Befristung unwirksam ist und ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet wurde. Beispiel: Arbeitnehmer A ist beim Veräußerer V seit 01.02.2015 sachgrundlos für ein Jahr beschäftigt. Am 01.01.2016 übernimmt der Erwerber E den kompletten Betrieb des V. Nach Auslaufen der Befristung am 31.01.2016 dürfte das Arbeitsverhältnis dann nicht mehr mit A sachgrundlos verlängert werden, sofern A bereits einmal bei E vor dem Betriebsübergang beschäftigt war. Eine Ausnahme ergibt sich nach der Rechtsprechung des BAG lediglich dann, wenn seit der letzten Beschäftigung mindestens drei Jahre vergangen sind, wobei, wie oben geschildert, auf die dreijährige Verjährungsvorschrift des BGB zurückgegriffen werden sollte. Entscheidend für das Vorbeschäftigungsverbot beim Erwerber ist die rechtliche Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses, also das vertraglich vorgesehene Ende der Befristung und nicht, ab wann der Arbeitnehmer, z. B. wegen einer Freistellung, keine Arbeitsleistung mehr erbracht hat. Beispiel: Arbeitnehmer A hat mit dem Veräußerer V einen befristeten Vertrag vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2015 abgeschlossen. Am 01.01.2016 übernimmt der Erwerber E den Betrieb. Er kann mit A einen weiteren sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG abschließen, da zwischen ihm und A vorher kein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Abwandlung: Wurde A von V Ende November 2015 für die restliche Dauer des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt und übernimmt E den Betrieb zum 15.12.2015, kann er einen neuen Arbeitsvertrag mit A nicht auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 TzBfG befristen, da dann das sog. Vorbeschäftigungsverbot eingreift. 737 BAG v. 21.09.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255. 239 Praxishinweis: In einem derartigen Fall empfiehlt es sich, dass der Veräußerer die zwei Jahre der sachgrundlosen Befristung ausschöpft und entsprechende Verlängerungen mit den Arbeitnehmern abschließt, bevor es zum Betriebsübergang kommt. Der Erwerber kann dann, unabhängig ob eine Vorbeschäftigung bei ihm bestand, die Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Befristung beschäftigen. III. Zulässigkeit von Kündigungen aus anderen Gründen – § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB 1. Inhalt der Regelung Da ein Betriebsübergang nicht zu einer Besserstellung der übergehenden Arbeitnehmer führen soll, regelt das Gesetz ausdrücklich, dass verhaltens- und personenbedingte Kündigungen nach wie vor möglich sind. Gleiches gilt für betriebsbedingte Kündigungen, sofern diese ihren Grund nicht im Betriebsübergang haben. Wenn sich der Veräußerer oder der Erwerber auf einen Kündigungsgrund berufen können, sind Kündigungen unter Umständen nach Maßgabe des KSchG möglich und rechtswirksam. Dies gilt für alle Kündigungsgründe. Beispiel: Nachdem Arbeitnehmer A auf der Betriebsversammlung von der bevorstehenden Übernahme mehrerer Betriebe des Veräußerers V durch den Erwerber E erfährt, beschimpft er den Vorstand des V in übelster, ehrverletzender Art und Weise und droht körperliche Gewalt für den Fall an, dass sein Betrieb übergeht. A ist schon in der Vergangenheit durch Beleidigungen gegenüber Mitarbeitern aufgefallen und abgemahnt worden. Eine verhaltensbedingte Kündigung des A bleibt trotz des Betriebsübergangs möglich und zulässig. 2. Zulässigkeit betriebsbedingter Beendigungskündigungen in Zusammenhang mit einem (geplanten) Betriebsübergang In der Praxis wirft indes die Abgrenzung einer zulässigen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen und einer unzulässigen Kündigung wegen eines Betriebsübergangs die meisten Probleme auf. a) Abgrenzung zwischen Betriebsstilllegung und Betriebsübergang Will der Veräußerer, z. B. wegen eines Auftragsverlustes, seinen Betrieb ganz oder teilweise stilllegen oder Personal reduzieren und werden – u. U. erst nach einem gewissen Zeitraum – von einem anderen Unternehmensträger der Auftrag oder Betriebsmittel übernommen, stellt sich die Frage, wie eine (Teil-)Betriebsstilllegung von einem Betriebsübergang abzugrenzen ist.738 aa) Geplante Betriebsstilllegung Nach einer vom BAG in ständiger Rechtsprechung verwandten Formel soll eine Kündigung gemäß § 613a Abs. 4 BGB unwirksam sein, wenn der Betriebsübergang zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den tragenden Grund bzw. die ganz überwiegende Ursache und nicht den äußeren Anlass für die Kündigung bildet.739 Die Kündigung müsse „aus sich heraus“ gerechtfertigt sein. 738 739 Ausführlich hierzu Kapitel A. BAG v. 20.09.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387. 240 Diese Formel ist missverständlich, da sie den Eindruck erwecken kann, es komme für die Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung maßgeblich darauf an, ob (subjektives) Motiv für die arbeitgeberseitige Kündigung der (geplante) Betriebsübergang ist. Das aber ist unzutreffend, weil es unerheblich ist, ob der Arbeitgeber den Betriebsübergang kannte.740 Dies wird vor allem bei einer Auftragsnachfolge, also beim Fehlen vertraglicher Beziehungen zwischen dem Veräußerer und Erwerber, der Fall sein. Entscheidend ist somit, ob im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung objektiv ein Betriebs(teil)übergang vorlag oder ob er ernsthaft geplant war bzw. „greifbare Formen“ angenommen hat.741 Wenn dies der Fall ist, ist eine betriebsbedingte Kündigung vom Betriebs(teil)übergang betroffener Arbeitnehmer wegen Betriebs(teil)stilllegung nicht gerechtfertigt, da dann kein Kündigungsgrund i. S. v. § 1 KSchG vorliegt. Beispiel: Der Veräußerer V will aus wirtschaftlichen Gründen einen Betriebsteil abstoßen. Er verhandelt mit mehreren Interessenten über eine Übernahme, die sich jedoch zeitlich hinauszögert. Da der Betriebsteil für ihn nicht mehr tragbar ist, entschließt er sich schließlich, den dort beschäftigten Arbeitnehmern zu kündigen. Einige Zeit danach gelingt es ihm aber doch, den Betriebsteil an einen der Interessenten zu veräußern. Die von ihm ausgesprochenen Kündigungen dürften von den Arbeitsgerichten für unwirksam erklärt werden, da in solchen Konstellationen wohl davon auszugehen ist, dass der Betriebs(teil)übergang bereits greifbare Formen angenommen hat. Für die Beurteilung, ob eine beabsichtigte Betriebsstilllegung vorliegt, ist auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt muss der Arbeitgeber endgültig entschlossen sein, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer aufzulösen. An dem endgültigen Entschluss fehlt es, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebs führt. 742 Eine Stilllegungsabsicht liegt nicht vor, wenn der Veräußerer einen Betriebs(teil)übergang ins Ausland plant.743 bb) Geplanter Betriebsübergang scheitert Die Kündigungen bleiben auch dann unwirksam, wenn ein Arbeitgeber wegen einer geplanten Betriebsveräußerung kündigt, sich die Übernahmepläne später zerschlagen und der Betrieb stillgelegt werden muss. Praxishinweis: Falls die Übernahme scheitert, muss der Arbeitgeber bei der anschließenden Betriebsstilllegung neue Kündigungen aussprechen, um die Arbeitsverhältnisse wirksam zu beenden. cc) Betriebsübergang noch nicht absehbar Anders ist die Rechtslage hingegen zu beurteilen, wenn der Betriebsübergang zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen noch nicht abzusehen war. In diesem Fall sind die vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigungen wirksam, wenn der (betriebsbedingte) Kündigungsgrund zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen vorlag. 740 BAG v. 16.05.2002 – 8 AZR 319/01, NZA 2003, 93. BAG v. 09.05.1988 – 2 AZR 596/87, NZA 1989, 461; BAG v. 27.02.1997 – 2 AZR 160/96, NZA 1997, 757. 742 BAG v. 29.09.2005 – 8 AZR 647/04, NZA 2006, 720. 743 BAG v. 26.05.2011 – 8 AZR 37/10, NZA 2011, 1143, vgl. auch Kapitel A.VIII.3. 741 241 Den gekündigten Arbeitnehmern kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen gegen den Erwerber ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen.744 Beispiele: Der Veräußerer V verliert zum 01.10.2015 seinen mit einem Krankenhaus bestehenden Reinigungsauftrag und muss daher den Betrieb stilllegen und den Arbeitnehmern am 01.10. betriebsbedingt zum 31.10.2015 kündigen. Am 12.10.2015 übernimmt der Erwerber E, der den Reinigungsauftrag erhalten hat, 90 % der bei V beschäftigten Arbeitnehmer. Die am 01.10. ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen bleiben zwar wirksam, jedoch können die nicht übernommenen Arbeitnehmer u. U. einen Wiedereinstellungsanspruch gegen E geltend machen. Der Veräußerer V will aus wirtschaftlichen Gründen einen Betriebsteil zum 31.12.2015 schließen und kündigt, nachdem er sämtliche Abwicklungsschritte für eine Schließung eingeleitet hat, den dort beschäftigten Mitarbeitern im Oktober 2015 zu diesem Termin. Im Dezember 2015 findet sich überraschend ein Interessent, der den Betriebsteil zum 01.01.2016 übernimmt. Auch in diesem Fall kann ein Wiedereinstellungsanspruch geltend gemacht werden. Praxishinweis: Als Faustregel lässt sich festhalten, dass jedenfalls dann, wenn sich ein Arbeitgeber im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs gegenüber dem Arbeitnehmer bereits in Vertragsverhandlungen über die Übernahme eines Betriebs oder Betriebsteils befindet, i. d. R. betriebsbedingte Kündigungen wegen einer geplanten Betriebs(teil)stilllegung unwirksam sind. dd) Beweislastfragen Dem Arbeitnehmer ist es nicht mehr möglich, nach Ablauf der in § 4 KSchG enthaltenen Dreiwochenfrist eine allgemeine, auf § 613a Abs. 4 BGB gestützte Feststellungsklage zu erheben. Andernfalls bleibt ihm nur die Möglichkeit, die vom Veräußerer ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung – über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – gerichtlich anzugreifen. Die Frage der Darlegungs- und Beweislast richtet sich nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG, d. h. der Arbeitgeber muss die Tatsachen vortragen, die für den betriebsbedingten Kündigungsgrund, die Betriebs(teil)stilllegung sprechen. Dafür muss der Arbeitgeber vor allem vortragen und ggf. belegen, dass er zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung(en) einen ernsthaften und endgültigen Stilllegungsbeschluss gefasst hatte. Dabei soll der Vorbehalt, diesen Entschluss nicht zu verwirklichen, wenn sich die Umstände ändern, nicht (immer) schädlich sein.745 Es reicht nicht aus, wenn der Arbeitgeber die Schließung lediglich plant oder in Erwägung zieht.746 Der Arbeitnehmer muss dies – ggf. substantiiert – bestreiten, wobei er auch hier Indizien vortragen kann, die gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers sprechen. b) Umstrukturierungsmaßnahmen und Betriebsübergang Eine anders gelagerte Frage stellt sich in Bezug auf die Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen, wenn Veräußerer oder Erwerber in Zusammenhang mit dem (geplanten) Betriebsübergang Umstrukturierungs- oder andere Maßnahmen ergreifen, die zu betriebsbedingten 744 BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 295/95, NZA 1998, 251; BAG v. 29.09.2005 – 8 AZR 647/04, NZA 2006, 720. 745 BAG v. 27.02.1987 – 7 AZR 652/85, NZA 1987, 700. 746 BAG v. 12.04.2002 – 2 AZR 256/01, NZA 2002, 1205 zum Fall des Auftragsverlustes. 242 Kündigungen führen. Solche Kündigungen sind nur dann zulässig, wenn ihnen ein betriebsbedingter Kündigungsgrund zugrunde liegt, der kündigende Arbeitgeber also darlegen und beweisen kann, dass Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen sind. Es gelten die gleichen Grundsätze wie für andere betriebsbedingte Kündigungen. aa) Druckkündigungen Nicht zulässig sind sog. Druckkündigungen, die ausgesprochen werden, weil der Erwerber eines Betriebes oder Betriebsteils nicht alle oder nur bestimmte Arbeitnehmer beschäftigen will.747 bb) Maßnahmen des Veräußerers vor Betriebsübergang Der Veräußerer ist jedoch berechtigt, im Vorfeld eines Betriebsübergangs Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, um die Verkaufschancen zu erhöhen bzw. wenn er langfristig seine unternehmerische Tätigkeit optimieren will.748 Ebenso ist kein Verstoß gegen § 613a Abs. 4 BGB gegeben, wenn der Veräußerer die Maßnahme selbst ohne Betriebsübergang aus notwendigen betrieblichen Gründen durchführen muss. Der Schutzzweck des § 613a BGB soll verhindern, dass bei der Übernahme der Belegschaft eine Auslese getroffen wird und Veräußerer und Erwerber den Betriebsübergang dazu benutzen, sich der besonders schutzbedürftigen älteren, schwerbehinderten, unkündbaren oder sonst sozial schwächeren Arbeitnehmer zu entledigen. Die Arbeitnehmer sind aber nicht vor Risiken geschützt, die sich unabhängig von einem Betriebsübergang ereignen können. Deshalb darf der Betriebsübergang nicht zur Lähmung der notwendigen betrieblichen Maßnahmen führen.749 Dies soll auch dann gelten, wenn die Kündigung mit dem Ziel ausgesprochen wird, dass sich der Veräußerer selbst eine Beschäftigungsmöglichkeit beim Erwerber sichert.750 Dabei sind die Vorgaben des § 1 KSchG, d. h. zum betriebsbedingten Kündigungsgrund und zur Sozialauswahl, zu beachten. Wenn es sich um eine Betriebsänderung handelt, ist der Betriebsrat nach den gesetzlichen Vorschriften zu beteiligen, d. h. es ist ein Interessenausgleichs- und Sozialplanverfahren durchzuführen. cc) Maßnahmen des Erwerbers nach Betriebsübergang Auch der Erwerber eines Betriebes ist nicht gehindert, nach einem Betriebsübergang betriebsbedingte Kündigungen nach Maßgabe der allgemein geltenden kündigungsschutzrechtlichen Grundsätze auszusprechen, wenn bei ihm Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen, z. B. weil er durch das Zusammenführen von Betrieben oder Betriebsteilen Synergieeffekte erzielen kann oder weil er den übernommenen Betrieb umstrukturiert. Spricht er betriebsbedingte Kündigungen aus, muss er jedoch beachten, dass bei den übernommenen Arbeitnehmern die beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten angerechnet werden. Dies wird z. B. für (tarifliche) Unkündbarkeitsklauseln und die Sozialauswahl relevant, außerdem ggf. bei Sozialplanansprüchen, wenn der Personalabbau eine Betriebsänderung i. S. v. § 111 BetrVG darstellt. 747 BAG v. 26.05.1983 – 2 AZR 477/81, NJW 1984, 627, BAG v. 20.03.2003 – 8 AZR 97/02, NZA 2003, 1027. 748 BAG v. 18.07.1996 – 8 AZR 127/94, NZA 1997, 148, BAG v. 20.09.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387. 749 BAG v. 20.09.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387. 750 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 09.01.2013 – 2 Sa 166/12, NZA-RR 2013, 238. 243 Praxishinweis: Ein neu gegründetes Unternehmen, das einen Betrieb oder Betriebsteil übernimmt, kann sich auf die in § 112a Abs. 2 BetrVG enthaltene Befreiung von der Sozialplanpflicht berufen, es sei denn, es handelt sich um eine Neugründung im Rahmen einer Unternehmensumstrukturierung.751 dd) Kündigungen des Veräußerers aufgrund eines Erwerberkonzepts Denkbar ist es auch, dass noch der Veräußerer betriebsbedingte Kündigungen ausspricht, die jedoch auf einem (Sanierungs-)Konzept des Erwerbers beruhen. Früher ging das BAG davon aus, dass solche betriebsbedingten Kündigungen dann zulässig sind, wenn der Veräußerer das Sanierungskonzept auch selbst hätte verwirklichen können.752 Beispiel: Der in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckende Betrieb des Veräußerers V soll an den Erwerber E veräußert werden, der jedoch nach entsprechenden Gutachten feststellt, dass zur Sanierung des Betriebes 20 % der bei V beschäftigten Mitarbeiter betriebsbedingt gekündigt werden müssen. V kündigt daraufhin auf der Grundlage des von E vorgelegten Sanierungskonzepts den Beschäftigten aus (gegebenen) betriebsbedingten Gründen und unter Beachtung der Sozialauswahl. Danach übernimmt E den Betrieb. Für den Fall der Insolvenz ist das BAG abgerückt und fordert, dass es eines Konzepts bzw. eines verbindlichen Sanierungsplans bedarf, wobei es – wie bereits dargestellt – nicht ausreichend ist, dass der Erwerber eine Verkleinerung der Belegschaft fordert. Der Veräußerer ist oft nicht in der Lage, die Rationalisierungsmaßnahmen, z. B. mangels finanzieller Mittel, durchzuführen. Er darf demnach die Kündigungen nach Maßgabe des Sanierungsplans des Erwerbers vornehmen, ohne dass der Schutzgedanke des § 613a BGB tangiert wird.753 Diese Auffassung erscheint auch folgerichtig, da im Fall einer Betriebsstilllegung für den Fall, dass die Übernahme scheitert, ebenfalls betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden müssten. Beispiel: Betriebsleiter L ist bei der A GmbH beschäftigt. Am 01.09.2015 wurde über das Vermögen der A GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 16.01.2016 kündigte der Insolvenzverwalter das Anstellungsverhältnis mit L mit Ablauf des 30.04.2016. Mit Wirkung zum 17.01.2016 veräußerte der Insolvenzverwalter die A GmbH an die B GmbH. Zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat der A GmbH wurde vor Betriebsübergang ein Interessenausgleich abgeschlossen, in dem das Sanierungskonzept ausgearbeitet wurde. Dieses sah vor, dass die beiden ursprünglichen Geschäftsführer der A GmbH die Betriebsleiterfunktion in der B GmbH mit übernehmen. Die Kündigung des L ist im vorliegenden Fall wirksam. Unklar ist derzeit, ob auch Kündigungen, die auf einem Sanierungskonzept beruhen, das der Veräußerer selbst nicht durchführen könnte, rechtswirksam sind. Ob das BAG dies auch für einen Erwerb außerhalb der Insolvenz anerkennen wird, ist derzeit nicht prognostizierbar. Die Fälle werden allerdings praktisch ohnehin selten sein, da i. d. R. Sanierungskonzepte auch vom Veräußerer umgesetzt werden können. 751 BAG v. 13.06.1989 – 1 ABR 14/88, NZA 1989, 974. BAG v. 26.05.1983 – 2 AZR 477/81, DB 1983, 2690. 753 BAG v. 20.03.2003 – 8 AZR 97/02, NZA 2003, 1027. 752 244 Praxishinweis: Bei der betriebsbedingten Kündigung ist Vorsicht geboten, wenn eine solche Gestaltung letztlich dazu führt, dass der Erwerber selbst in seinen bereits bestehenden Betrieben keine Kündigungen aussprechen muss. In solchen Fällen kann leicht der Eindruck entstehen, dass nur den Arbeitnehmern des Veräußerers gekündigt werden soll. Wenn dies der Fall ist, könnte der Gedanke an eine (unzulässige) Umgehung des § 613a BGB nahe liegen. c) Auslagerung und/oder Stilllegung eines Betriebsteils Zusätzliche kündigungsschutzrechtliche Fragen stellen sich, wenn kein gesamter Betrieb betroffen ist, sondern wenn nur ein Betriebsteil ausgelagert bzw. stillgelegt werden soll. aa) Mitarbeiter in zentraler Position In diesem Fall können beim Veräußerer infolge dieser Auslagerung Arbeitsplätze in anderen Betriebsabteilungen entfallen, so z. B. in zentralisierten Abteilungen. Soweit die Arbeitnehmer in solchen Betriebsabteilungen oder Betriebsteilen nicht dem übergehenden Betriebsteil zugeordnet werden können, bleiben ihre Arbeitsverhältnisse zum Veräußerer bestehen. Ihnen kann zwar betriebsbedingt gekündigt werden, jedoch muss der Arbeitgeber erstens prüfen, ob für sie Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb bzw. Unternehmen bestehen und zweitens eine Sozialauswahl durchführen, also vor allem die Vergleichbarkeit mit anderen Arbeitnehmern prüfen. bb) Sozialauswahl Plant der Arbeitgeber, einen Betriebsteil stillzulegen und einen anderen zu übertragen, muss er vorher eine auf den gesamten Betrieb bezogene Sozialauswahl durchführen. Daher soll bei der betriebsbedingten Kündigung eines Arbeitnehmers, der dem stillzulegenden Betriebsteil angehört, auch ein vergleichbarer Arbeitnehmer zu berücksichtigen sein, der zum Zeitpunkt der Kündigung dem noch zu übertragenden Betriebsteil angehört.754 Beispiel: Der Veräußerer V beschäftigt in zwei voneinander getrennten Betriebsabteilungen je einen Lagerleiter. 2015 überträgt er eine Betriebsabteilung auf den Erwerber E. Die andere Betriebsabteilung legt er still. Dabei kündigt er dem in der stillgelegten Betriebsabteilung beschäftigten Lagerleiter aus betriebsbedingten Gründen, obwohl dieser sozial schutzbedürftiger als der im übertragenen Betriebsteil beschäftigte Lagerleiter ist. Das BAG hat eine vergleichbare Kündigung aus den o. g. Gründen als unwirksam angesehen. 3. Betriebsbedingte Kündigungen nach Widerspruch a) Ausgangspunkt Für den Veräußerer eines Betriebes stellt sich die Frage, ob er Arbeitnehmer, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprochen haben, ordentlich betriebsbedingt kündigen kann. Dies ist grundsätzlich möglich, jedoch sind einige Einschränkungen zu beachten, die sich zum Teil aus dem allgemeinen Kündigungsrecht, zum Teil aber auch aus einigen speziell zur Kündigung widersprechender Arbeitnehmer ergangenen Entscheidungen des BAG ergeben. 754 BAG v. 28.10.2004 – 8 AZR 391/03, NZA 2005, 285. 245 Praxishinweis: Es muss beachtet werden, dass die Kündigungsfristen einzuhalten sind, auch wenn der widersprechende Arbeitnehmer nicht beschäftigt werden kann. aa) Möglicher Entfall der Zuständigkeit des Betriebsrats Der Betriebsrat ist vor der Kündigung anzuhören (§ 102 BetrVG). Wenn allerdings ein gesamter Betrieb auf einen Erwerber übertragen wurde, muss der bisherige Arbeitgeber vor einer betriebsbedingten Kündigung nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG den – mit dem Betrieb übergegangenen – Betriebsrat nicht anhören, weil dieser nicht mehr für den Arbeitnehmer zuständig ist.755 Auch ein anderer (Gesamt-)Betriebsrat wird nicht zuständig. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor keinem anderen Betrieb zugeordnet hat756, was auch stillschweigend oder konkludent erfolgen kann. Unklar ist allerdings nach einer Entscheidung des BAG757, ob der Arbeitgeber in solchen Fällen eine Zuordnungsentscheidung treffen muss. Das hätte zur Folge, dass dann zumindest in den Fällen, in denen der Arbeitgeber noch Inhaber eines oder mehrerer anderer Betriebe ist, einer der dortigen Betriebsräte vor der Kündigung des widersprechenden Arbeitnehmers anzuhören wäre. Offen ist, wie die Ausführungen des BAG zu verstehen sein sollen, da sich seine Ausführungen vom Wortlaut her allein auf den Übergang eines Teilbetriebs beziehen, im konkret zu entscheidenden Sachverhalt aber wohl ein ganzer Betrieb auf den Veräußerer übertragen wurde. Es ist daher zweifelhaft, ob der Arbeitgeber beim Übergang eines gesamten Betriebs widersprechende Arbeitnehmer einem anderen Betrieb zuordnen muss oder nicht. Dies ist abzulehnen, da dafür keine Rechtsgrundlage ersichtlich ist. Wenn sich der Arbeitnehmer für einen Widerspruch entscheidet, obwohl der gesamte Betrieb auf einen Erwerber übergeht, dann ist es auch folgerichtig, dass er sich dann – außerhalb der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nach § 1 Abs. 2 KSchG – nicht darauf berufen kann, er wolle jetzt einem anderen Betrieb des Arbeitgebers angehören. Praxishinweis: Aus Sicherheitsgründen ist zu empfehlen, widersprechende Arbeitnehmer unmittelbar nach dem Widerspruch einem anderen Betrieb zuzuordnen und vor Ausspruch der Kündigung den dort gebildeten Betriebsrat vorsorglich anzuhören. Dabei sollte bei der Zuordnungsentscheidung darauf geachtet werden, dass sie billigem Ermessen entsprechen muss. Wird also ein widersprechender Arbeitnehmer bewusst einem Betrieb zugeordnet, in dem z. B. wegen fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten eine betriebsbedingte Kündigung leichter als in anderen Betrieben wäre, könnte dies auf entsprechende anwaltliche Einwände der Gegenseite treffen. Die (erhebliche) Gefahr bei einem solchen Vorgehen liegt allerdings darin, dass der Arbeitgeber in dem Augenblick, in dem er den bzw. einen anderen Betriebsrat anhört, eine Zuordnungsentscheidung getroffen hat und dann u. U. eine Sozialauswahl durchgeführt werden muss. Es muss daher in jedem Einzelfall abgewogen werden, welche Lösung die günstigere ist. Die Kündigung eines widersprechenden Arbeitnehmers wird auch nicht dadurch unwirksam, dass sich dieser Arbeitnehmer auf eine (angeblich) fehlende, unvollständige oder unzutref- 755 vgl. Kapitel I. BAG v. 21.03.1996 – 2 AZR 559/95, NZA 1996, 974. 757 BAG v. 24.05.2005 – 8 AZR 398/04, DB 2005, 2472. 756 246 fende Information beruft. Das BAG hat klar entschieden, dass dies nicht zur Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des widersprechenden Arbeitnehmers führt.758 b) Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KSchG Die Kündigung eines widersprechenden Arbeitnehmers ist gem. § 1 KSchG unwirksam, wenn er auf einem anderen freien Arbeitsplatz, ggf. auch in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann.759 Insoweit gelten zunächst keine anderen Grundsätze als bei anderen Kündigungen auch. c) Frei werdende Arbeitsplätze Zusätzlich ist jedoch eine weitere Erschwerung zu beachten: Nach der Rechtsprechung des BAG muss der Arbeitgeber bei einem Betriebs(teil)übergang grundsätzlich ab dem Zeitpunkt, in dem er die Arbeitnehmer von dem bevorstehenden Betriebsübergang unterrichtet und die Arbeitnehmer Kenntnis vom Betriebsübergang haben, mit einem Widerspruch der übergehenden Arbeitnehmer rechnen, sodass er einen frei werdenden Arbeitsplatz nicht besetzen und sich dann gegenüber dem widersprechenden Arbeitnehmer darauf berufen kann.760 Beispiel: 761 Arbeitnehmer A war bei einem Buch- und Zeitungsverlag als Auslieferungsfahrer beschäftigt. Der Veräußerer V entschloss sich 2014, den gesamten Ladebereich und den Fuhrpark mit zwei Fahrern zum 01.03.2015 auf ein Logistikunternehmen zu übertragen. Er unterrichtete A am 19.01.2015 und am 21.01.2015 über den bevorstehenden Betriebsteilübergang und den damit verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Mit Schreiben vom 16.2.2015 widersprach A dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Gegen die daraufhin von V ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung wehrte er sich (mit Erfolg) damit, er hätte auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden können, den V am 19.01.2015 mit einem anderen (externen) Bewerber besetzt hatte. In welchen Zeiträumen genau der Arbeitgeber dabei mit einem Widerspruch rechnen muss, hat das BAG offengelassen.762 Jedenfalls fällt darunter aber die Zeit zwischen der Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB und dem Ablauf der Frist nach § 613a Abs. 6 BGB, sodass der Arbeitgeber jedenfalls in diesem einmonatigen Zeitraum vergleichbare Arbeitsplätze, die im Betrieb oder in einem anderen Betrieb seines Unternehmens (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 KSchG) frei sind und die von den übergehenden Arbeitnehmer besetzt werden könnten, nicht mit neu eingestellten Arbeitnehmern besetzen sollte. Damit begegnet er der Gefahr, dass ihm eine Stellenneubesetzung entgegengehalten wird, wenn er den widersprechenden Arbeitnehmer betriebsbedingt kündigen will. Freie Stellen, die nicht von den übergegangen Arbeitnehmern – auch nach Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen nicht – besetzt werden können, müssen im Einmonatszeitraum nicht freigehalten werden. Praxishinweis: Für den Veräußerer resultiert aus dieser Rechtsprechung bei Betriebsteilübertragungen ein erhebliches Risiko, zumal er ggf. nach § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG zur Wei758 BAG v. 24.05.2005 – 8 AZR 398/04, DB 2005, 2472. Im Kündigungsschutzverfahren trägt dafür jedoch zunächst einmal der Arbeitnehmer die Darlegungslast, BAG v. 15.08.2002 – 2 AZR 195/01, NZA 2003, 430. 760 BAG v. 15.08.2002 – 2 AZR 195/01, NZA 2003, 430; a.A. Lunk/Möller NZA 2004, 9. 761 BAG v. 15.08.2002 – 2 AZR 195/01, NZA 2003, 430. 762 BAG v. 15.08.2002 – 2 AZR 195/01, NZA 2003, 430. 759 247 terbeschäftigung des Arbeitnehmers nach ihm zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen verpflichtet ist. Um dieses Risiko zu verringern, empfiehlt es sich, in solchen Konstellationen frei werdende Arbeitsplätze nach Möglichkeit nicht sofort wieder zu besetzen, sondern zumindest den Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist (§ 613a Abs. 6 BGB) abzuwarten, die vom Zeitpunkt der Information nach § 613a Abs. 5 BGB abhängig ist. Dies dürfte auch für Neubesetzungen kurz vor einer geplanten Betriebsteilübertragung gelten. Nimmt der Arbeitgeber dennoch eine Neubesetzung vor, bleibt ihm jedoch nur der Weg der Kündigung des neu eingestellten Arbeitnehmers, die dann i. d. R. noch innerhalb der ersten sechs Monate vor der Geltung des KSchG ohne Kündigungsgrund erfolgen kann. Für Kündigungsschutzverfahren ist darauf hinzuweisen, dass der Arbeitnehmer nach den vom BAG entwickelten Regeln eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aufzeigen muss.763 aa) Widerspruchsrecht des Betriebsrats bei Neueinstellungen Des Weiteren stellt sich für den Veräußerer die Frage, ob dem Betriebsrat bei einer Neueinstellung während des Laufs der Widerspruchsfrist ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG zusteht, da dem übergehenden Arbeitnehmer bei Widerspruch die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses droht. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass dem Arbeitnehmer zunächst kein Nachteil droht. 764 Allerdings überzeugt die Auffassung nicht, weil es auf die durch Tatsachen begründete Besorgnis ankommt, dass dem Widersprechenden durch die Neueinstellung eine Kündigung (mangels Weiterbeschäftigungsmöglichkeit) droht, was kaum bestritten werden kann. Deshalb ist entgegen den Stimmen in der Literatur ein Zustimmungsverweigerungsrecht innerhalb der Monatsfrist jedenfalls dann zu bejahen, wenn ein übergehender Arbeitnehmer im Laufe des Einstellungsverfahrens des neuen Beschäftigten widerspricht. Wurde hingegen das Widerspruchsrecht noch nicht ausgeübt, dürfte das Bestehen eines Zustimmungsverweigerungsrechts davon abhängig sein, ob man in der möglichen Ausübung des Widerspruchsrechts durch die übergehenden Arbeitnehmer bereits eine „durch Tatsachen begründete Besorgnis“ sehen will. Dafür sollen nach allgemeiner Rechtslage bloße Vermutungen noch nicht ausreichen.765 Damit reicht die bloße Widerspruchsmöglichkeit noch nicht aus. Der Betriebsrat muss dann ggf. vortragen, welche Tatsachen ihm vorliegen, die auf einen Widerspruch durch den bzw. die von einem Betriebsteilübergang betroffenen Arbeitnehmer schließen lassen. Dies könnte z. B. auch ein Gespräch mit dem oder den betroffenen Arbeitnehmern sein, in denen diese einen Widerspruch ernsthaft ankündigen. Praxishinweis: Der Veräußerer sollte daher auf jeden Fall in den mit dem neu einzustellenden Arbeitnehmer abzuschließenden Arbeitsvertrag die Klausel aufnehmen, dass dieser nur vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung geschlossen wird. bb) Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei Massenwidersprüchen Besondere Probleme gibt es mit dieser Rechtsprechung darüber hinaus dann, wenn nicht einer, sondern gleich mehrere Arbeitnehmer dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse widersprechen und nur ein geeigneter freier Arbeitsplatz im Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens vorhanden ist. 763 BAG v. 15.08.2002 – 2 AZR 195/01, NZA 2003, 430. a. A. Lunk/Möller NZA 2004, 9. 765 Huke in H/W/G/N/R/H, § 99 BetrVG, Rn. 171. 764 248 Beispiel: 766 Arbeitnehmer A war bei einem Buch- und Zeitungsverlag als Auslieferungsfahrer beschäftigt. Der Veräußerer V entschloss sich 2014, den gesamten Ladebereich und den Fuhrpark mit zwei Fahrern zum 01.03.2015 auf ein Logistikunternehmen zu übertragen. Er unterrichtete A am 19.01.2015 und am 21.01.2015 über den bevorstehenden Betriebsteilübergang und den damit verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Mit Schreiben vom 16.2.2015 widersprach A dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Gegen die daraufhin von V ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung wehrte er sich (mit Erfolg) damit, er hätte auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden können, den V am 19.01.2015 mit einem anderen (externen) Bewerber besetzt hatte. Wandelt man das o. g. Beispiel dahin gehend ab, dass beide Fahrer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprochen hätten, stellt sich die Frage, wem der Arbeitgeber den freien Arbeitsplatz hätte anbieten müssen. Dies wird man wohl in Anlehnung an die Grundsätze zur Sozialauswahl lösen müssen, sodass der Arbeitgeber dem sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmer den freien Arbeitsplatz hätte anbieten müssen und dem anderen hätte kündigen dürfen. Es ist aber eine freie unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers, das Anforderungsprofil für einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen.767 Kann sich der widersprechende Arbeitnehmer auf besonderen Kündigungsschutz berufen, z. B. weil er Betriebsrats-Mitglied ist, ist der Arbeitgeber u. U. sogar dazu verpflichtet, einen Arbeitsplatz freizukündigen.768 Ähnlich strenge Voraussetzungen stellt das BAG auf, wenn ein (tariflich) ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat.769 In diesem Fall sollen an die Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen, verschärfte Anforderungen gestellt werden. Der Arbeitgeber soll alle zumutbaren Mittel, die eine Weiterbeschäftigung ermöglichen, ausschöpfen müssen. Legt der widersprechende unkündbare Arbeitnehmer dar, wie er sich eine Weiterbeschäftigung vorstellt, soll es nicht genügen, wenn der Arbeitgeber das Vorhandensein entsprechender freier Arbeitsplätze bestreitet und ggf. nachweist. Er soll vielmehr ggf. unter Vorlage der Stellenpläne substantiiert darlegen, weshalb ein geeigneter Arbeitsplatz nicht freigemacht bzw. durch eine entsprechende Umorganisation geschaffen werden kann oder nicht zumutbar gewesen sein soll. Auch das zu erwartende Freiwerden eines geeigneten Arbeitsplatzes aufgrund üblicher Fluktuation soll zu berücksichtigen sein. Praxishinweis: Es dürfte sich ohne Weiteres ergeben, dass die betriebsbedingte Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers, der dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat, allenfalls dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn nicht nur ein Betrieb, sondern zugleich ein ganzes Unternehmen stillgelegt wird (§ 15 KSchG). d) Sozialauswahl Eine andere Ebene ist betroffen, wenn zwar der Arbeitsplatz des widersprechenden Arbeitnehmers entfällt (und eine Weiterbeschäftigung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 KSchG nicht möglich 766 BAG v. 15.08.2002 – 2 AZR 195/01, NZA 2003, 430. BAG v. 07.07.2005 - 2 AZR 399/04, DB 2006, 341. 768 BAG v. 17.09.1998 – 2 AZR 419/97, NZA 1999, 870 (tarifliche Unkündbarkeit); LAG Düsseldorf v. 25.11.1997 – 8 Sa 1358/97, BB 1998, 1317 (Betriebsratsmitglied); ausführlich hierzu Teil I. 769 BAG v. 17.09.1998 – 2 AZR 419/92, NZA 1999, 258. 767 249 ist), er oder sie jedoch mit anderen Arbeitnehmern vergleichbar ist und deshalb eine Sozialauswahl durchzuführen ist. Dies ist dann relevant, wenn ein Betriebsteil übertragen wird, da die Sozialauswahl betriebs- und nicht unternehmensbezogen durchzuführen ist. Beispiel: Der im ausgegliederten und übertragenen Betriebsteil „Vertrieb“ beschäftigte EDV-Fachmann widerspricht dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses und wendet sich gegen die daraufhin ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung mit dem Einwand, er sei vergleichbar mit dem in der Personalabteilung beschäftigten EDV-Fachmann und schutzwürdiger als dieser. Umgekehrt scheidet also eine Sozialauswahl aus, wenn ein ganzer Betrieb übertragen wird. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, die widersprechenden Arbeitnehmer mit Arbeitnehmern eines anderen Betriebes zu vergleichen, besteht nicht. Die Rechtslage ist allerdings durch die Entscheidung des BAG770 wesentlich unsicherer geworden. Danach ist nunmehr unklar, ob der Arbeitgeber den widersprechenden Arbeitnehmer auch beim Übergang eines ganzen Betriebs einem anderen Betrieb zuordnen muss. Wäre dies der Fall, hätte dies zur Folge, dass in dem Betrieb, dem der widersprechende Arbeitnehmer zugeordnet wird, eine Sozialauswahl durchzuführen wäre. Die Ausführungen des BAG sind jedoch unklar und widersprüchlich. Es fehlt eine Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Zuordnungsentscheidung zu treffen. Praxishinweis: Folgt man aus Sicherheitsgründen der gegenteiligen Auffassung, treten vor allem dann, wenn mehrere Arbeitnehmer dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse widersprechen, erhebliche Folgeprobleme auf. Im „zugeordneten Betrieb“ könnte keine auch nur halbwegs rechtssichere Sozialauswahl durchgeführt werden. Das Problem stellt sich nicht, wenn die widersprechenden Arbeitnehmer mit den Arbeitnehmern im zugeordneten Betrieb – z. B. wegen eines ganz anderen vertraglichen Tätigkeitsbereichs – nicht vergleichbar sind, da eine Sozialauswahl dann aus anderen Gründen ausscheidet. Art und Weise des Vorgehens sollten daher jeweils vom Einzelfall abhängig gemacht werden. Ist nach diesen Grundsätzen eine Sozialauswahl durchzuführen, folgt sie den hierfür entwickelten üblichen Regeln, d. h. es ist insbesondere vor der Durchführung der eigentlichen Sozialauswahl zu prüfen, ob der oder die widersprechenden gekündigten Arbeitnehmer mit anderen Arbeitnehmern des verbleibenden (Rest-)Betriebs vergleichbar sind. Da ein Betriebsteilübergang i. d. R. zur Folge hat, dass die widersprechenden Arbeitnehmer nicht mehr mit den Tätigkeiten betraut werden können, die sie im übergegangenen Betriebsteil verrichtet haben, wird durchweg die Frage relevant, ob sie – ggf. nach einer kurzen Einarbeitungszeit – andere Tätigkeiten verrichten können und ob ihnen diese Tätigkeiten aufgrund des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts und/oder ihres Arbeitsvertrages zugewiesen werden können. Das BAG spricht insofern von tatsächlicher und rechtlicher Einsetzbarkeit des widersprechenden Arbeitnehmers.771 Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Sozialauswahl entfällt nicht deshalb, weil die Arbeitnehmer ihr Widerspruchsrecht ausgeübt haben. Aufgrund des abschließenden Katalogs des § 1 Abs. 3 KSchG ist ein ausgeübter Widerspruch im Rahmen der Sozialauswahl unbeacht770 771 BAG v. 24.05.2005 – 8 AZR 398/04, DB 2005, 2472. BAG v. 24.05.2005 – 8 AZR 398/04, DB 2005, 2472. 250 lich. Die Sozialauswahl ist auf die Kriterien Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung beschränkt. Dies hat das BAG auch bestätigt. Das BAG verkennt zwar nicht, dass es dadurch zu einem „Verdrängungswettbewerb“ zwischen den Arbeitnehmern des übergegangenen Betriebsteils und den restlichen, vom Übergang nicht betroffenen Arbeitnehmern kommt. Dies hat der Gesetzgeber durch die Neuregelung aber offensichtlich in Kauf genommen.772 Zudem sind die Gründe und Motive für den Widerspruch belanglos.773 e) Betriebsratsanhörung Wie bereits angesprochen, muss der Betriebsrat des Ursprungsbetriebes bei einem Teilbetriebsübergang vor der geplanten (betriebsbedingten) Kündigung eines widersprechenden Arbeitnehmers gem. § 102 Abs. 1 BetrVG angehört werden. Praxishinweis: Auch im Fall der Aufstellung einer Namensliste muss der Betriebsrat noch nach § 102 BetrVG zu den einzelnen Kündigungen angehört werden. Hinsichtlich des Umfangs der Mitteilungspflichten gegenüber dem Betriebsrat gilt nichts anderes als für andere betriebsbedingte Kündigungen. 4. Versetzungen vor dem Betriebsübergang Versetzt der Veräußerer in unmittelbarer Nähe vor dem Betriebsübergang einzelne Arbeitnehmer, sind diese Versetzungen auch an § 613a BGB zu messen. Ob der Arbeitnehmer vom Betriebsübergang betroffen ist, hängt davon ab, welchem Betrieb bzw. Betriebsteil er zuzuordnen ist. Dabei ist auf den Willen der Arbeitsvertragsparteien abzustellen. Liegt eine derartige Vereinbarung nicht vor, entscheidet der Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts. Unzulässig wäre es, den Mitarbeiter im Rahmen eines Interessenausgleichs einem anderen Betriebsteil zuzuordnen, ohne dass eine vorherige wirksame Versetzung stattgefunden hat. Daher ist es dem Veräußerer nicht möglich, mittels eines Interessenausgleichs bzw. einer Vereinbarung mit dem Erwerber den Mitarbeiter organisatorisch in einen anderen Bereich einzugliedern.774 Beispiel: Die A GmbH betreibt einen Callcenter, in dem Telefontätigkeiten und Backofficearbeiten erledigt werden. Im Zuge einer Umstrukturierung wurde der Mitarbeiter N mit seinem Team in den ersten Stock des Gebäudes versetzt. Von dort verrichtete er nunmehr ausschließlich Backofficetätigkeiten. Die A GmbH beschließt einige Zeit später die GmbH aufzuspalten und den Geschäftsbereich Telefontätigkeiten an die B GmbH und die Backofficearbeit an die C GmbH zu verpachten. Würde im Interessenausgleich mit dem Betriebsrat vereinbart, dass N dem Bereich Telefontätigkeit zuzuordnen ist, wäre dies wegen eines Verstoßes gegen § 613a BGB unwirksam, weil zuvor keine wirksame Zuordnung zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffen wurde und der Interessenausgleich für eine rechtliche Bindung nicht ausreicht. Abwandlung: N wird vorliegend dem Bereich der Backofficearbeiten zugeordnet, widerspricht dem geplanten Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die C GmbH, teilt aber mit, dass er, nachdem er vor 772 BAG v. 31.05.2007 – 2 AZR 276/06, NZA 2008, 33. BAG v. 29.03.2007 – 8 AZR 538/06, NZA 2008, 48. 774 BAG v. 21.02.2013 – 8 AZR 877/11, NZA 2013, 617; BAG v. 21.06.2012 – 8 AZR 181/11, NZA 2013, 344. 773 251 der Umstrukturierung Telefontätigkeiten mit ausführte, für die Tätigkeit in der B GmbH zur Verfügung steht. Nach dem BAG resultiert daraus aber kein Anspruch des Arbeitnehmers, einem 775 anderen Betrieb zugeordnet zu werden. Praxishinweis: Vor dem Betriebs(teil)übergang sollte der Veräußerer überprüfen, ob die Mitarbeiter dem Bereich, in dem sie tätig sind, auch wirksam zugeordnet sind und die Zuordnung beim Betriebs(teil)übergang beibehalten wird. 5. Wiedereinstellungsanspruch bei unerwartetem/ungeplantem Betriebsübergang a) Wiedereinstellungsanspruch vor Ablauf der Kündigungsfrist Ausschließlich bei unerwarteten oder ungeplanten Betriebsübergängen tritt die zusätzliche Frage auf, ob Arbeitnehmer, denen der Veräußerer z. B. wegen Auftragswegfalls (wirksam) betriebsbedingt gekündigt hat, nach dem Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. dem Zugang der Kündigungen einen Wiedereinstellungsanspruch gegen den Erwerber geltend machen können.776 Dies wird vom BAG jedenfalls dann angenommen, wenn der Betriebsübergang noch während des Laufs der Kündigungsfrist stattfindet.777 Dies gilt auch für den Fall, dass der Betriebsübergang bereits beschlossen aber noch nicht vollzogen ist.778 Ein Wiedereinstellungsanspruch nach Maßgabe der o. g. Voraussetzungen besteht auch dann, wenn ein Arbeitnehmer mit dem Veräußerer einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen hat.779 Der Wiedereinstellungsanspruch muss unverzüglich nach Kenntniserlangung über die den Betriebsübergang begründenden Tatsachen geltend gemacht werden.780 Das BAG hat in Anlehnung an die Frist zur Ausübung des Widerspruchs entschieden, auch das Wiedereinstellungs- und Fortsetzungsverlangen binnen eines Zeitraums von einem Monat geltend zu machen, da der Zweck des Bestandsschutzes Phasen vermeidbarer Ungewissheit über das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigt. Für die Einhaltung der Frist genügt die Bewerbung eines gekündigten Arbeitnehmers beim Erwerber.781 Beispiel: Der Veräußerer V beschließt, seinen Betrieb wegen erheblicher wirtschaftlicher Schwierigkeiten zum 31.12.2015 stillzulegen und kündigt seinen Arbeitnehmern im Oktober 2015 zum Jahresende. Im Dezember 2015 findet sich überraschend ein Investor, der den Betrieb zum 15.12.2015 übernimmt. Die gekündigten Arbeitnehmer können einen Wiedereinstellungsanspruch geltend machen. Dem gleichgestellt ist der Fall, dass sich während des Laufs der Kündigungsfrist die der Kündigung zugrunde liegende Vorstellung des Arbeitgebers über die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nachträglich als unzutreffend herausstellt, weil er z. B. den Betriebsübergang nicht oder anders als ursprünglich geplant vollzieht. 775 BAG v. 21.02.2013 – 8 AZR 877/11, NZA 2013, 617. Bonanni/Niklas, DB 2010, 1826. 777 BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 295/95, NZA 1998, 251. 778 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 357. 779 BAG v. 28.06.2000 – 7 AZR 904/98, NZA 2000, 1097. 780 BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 265/97, NZA 1999, 311. 781 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 357. 776 252 Beispiel: 782 Der Veräußerer V in B beschließt seine Produktion auf den Erwerber E in M zu übertragen. Mit Schreiben vom 06.10.2004 widersprach Arbeitnehmer A dem Betriebsübergang, aufgrund der persönlichen Verhältnisse und des weiten Wegs von B nach M. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis am 25.10.2004 zum 31.03.2005 gekündigt. Die erhobene Kündigungsschutzklage hatte keinen Erfolg. Anfang März 2005 beschloss E die Produktion in B zu belassen. A machte vorliegend erfolgreich einen Wiedereinstellungsanspruch bzw. Fortsetzungsanspruch gegen E geltend. b) Wiedereinstellungsanspruch nach Ablauf der Kündigungsfrist Der für das Betriebsübergangsrecht zuständige 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dies in zwei Fällen angenommen, in denen die Kündigungsfrist der Arbeitnehmer zeitgleich mit dem Auslaufen des (Reinigungs-)Auftrags endete und der Erwerber (= neuer Auftragnehmer) unmittelbar anschließend durch die Einstellung einer wesentlichen Anzahl von Arbeitnehmern des Veräußerers einen Betriebsübergang herbeiführte.783 In den aktuellen Entscheidungen lässt das BAG den Wiedereinstellungsanspruch mit Ablauf der Kündigungsfrist enden.784 Eine Ausnahme macht das BAG für den Fall, dass der Betriebsübergang zwar erst kurz nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt, es aber möglich war den Arbeitnehmer schon während des Laufs der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Damit war die Prognoseentscheidung bei Ausspruch der Kündigung, dass der Arbeitsplatz wegfällt, falsch.785 Beim Erwerb eines Betriebes oder Betriebsteils aus der Insolvenz ist ein Wiedereinstellungsanspruch ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Betriebsübergang nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt.786 c) Entgegenstehende berechtigte Interessen des Erwerbers Dem Wiedereinstellungsanspruch können berechtigte Interessen des Erwerbers entgegenstehen. Bei Wiedereinstellungsansprüchen nimmt das BAG dies allgemein an, wenn der Arbeitgeber einen unvorhergesehen frei werdenden Arbeitsplatz schon wieder mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt hat, weil er auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vertraut hat.787 Der Arbeitgeber darf den Wegfall der in Betracht kommenden Beschäftigungsmöglichkeit aber weder treuwidrig herbeigeführt noch treuwidrig vereitelt haben. Das BAG nimmt dies an, wenn der Veräußerer oder der Erwerber weiß, dass sich gekündigte Arbeitnehmer auf eine Stelle bewerben.788 Hingegen kann eine Weiterbeschäftigung unzumutbar sein, wenn sich nach endgültiger Stilllegungsabsicht und einer erfolgten betriebsbedingten Kündigung ein Erwerber findet, der den Betrieb nach seinem unternehmerischen Konzept mit geringerer Personalstärke weiter- 782 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 357. BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 295/95, NZA 1998, 251; BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 156/95, NZA 1999, 486. 784 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 357; BAG v. 21.08.2008 – 8 AZR 208/07, NZA 2009, 29. 785 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 357; BAG v. 21.08.2008 – 8 AZR 208/07, NZA 2009, 29; BAG v. 25.09.2008 – 8 AZR 607/07, NZA-RR 2009, 469. 786 BAG v. 13.05.2004 – 8 AZR 198/03, DB 2004, 2107. 787 BAG v. 04.05.2006 – 8 AZR 299/05, DB 2006, 2129. 788 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 357. 783 253 führt.789 Hierbei kann der Wiedereinstellungsanspruch auf lediglich einen Teil der bisherigen Belegschaft nach sozialen Gesichtspunkten begrenzt sein. 6. Zulässigkeit betriebsbedingter Änderungskündigungen nach Betriebsübergang Der Erwerber eines Betriebes hat nach einem Betriebsübergang die Möglichkeit, die Arbeitsbedingungen der übernommenen Arbeitnehmer den bei ihm geltenden Arbeitsbedingungen anzupassen. Soweit eine Ablösung kollektivrechtlich geregelter Arbeitsbedingungen nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB nicht in Betracht kommt und die übergehenden Arbeitnehmer den Abschluss von Änderungsvereinbarungen verweigern, kommt nur eine Änderungskündigung in Betracht. Notwendig hierfür ist ein Kündigungsgrund (§§ 1, 2 KSchG). Der Betriebsübergang selbst stellt keinen (betriebsbedingten) Kündigungsgrund dar. Der Erwerber muss sich also auf andere Gründe berufen können. Die Erfolgsaussichten von Änderungskündigungen hängen vor allem davon ab, welche Arbeitsbedingungen der Erwerber ändern will. Schwierig und kaum durchsetzbar sind Änderungskündigungen, mit denen der Erwerber Änderungen beim Arbeitsentgelt oder der Dauer der Arbeitszeit durchsetzen will. Das BAG stellt im Entgeltbereich strenge Anforderungen an das Vorliegen eines (betriebsbedingten) Kündigungsgrundes und lässt auch eine Gleichbehandlung mit anderen Arbeitnehmern nicht als Kündigungsgrund ausreichen.790 Realistischerweise wird daher eine Änderungskündigung allenfalls dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn der Erwerber lediglich die Entgeltstrukturen ändern will, ohne die Höhe des im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsentgelts zu vermindern. Einfacher durchsetzbar können Änderungskündigungen im organisatorischen Bereich sein; allerdings wird hier schon häufig das Direktionsrecht des Arbeitgebers oder eine entsprechende Betriebsvereinbarung (z. B. zu Lage und Verteilung der Arbeitszeit) zur Änderung der Arbeitsbedingungen ausreichen. Praxishinweis: Vor Ausspruch einer Änderungskündigung sollte man daher immer prüfen, ob dem Erwerber ggf. die mit dem Veräußerer getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen eine Anpassung von Arbeitsbedingungen gestatten. 7. Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf die kündigungsschutzrechtliche Stellung der Arbeitnehmer Ausschließlich für den Erwerber eines Betriebes oder Betriebsteils ist relevant, ob und wenn ja, in welchem Umfang sich die übergehenden Arbeitnehmer auch noch nach dem Betriebsübergang auf ihre erworbene kündigungsschutzrechtliche Stellung berufen können. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die beim Veräußerer zurückgelegte Beschäftigungsdauer in vollem Umfang angerechnet wird.791 Dies hat vor allem Bedeutung für das Eingreifen des KSchG und die Sozialauswahl bzw. Sozialplanansprüche. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob sich die übergehenden Arbeitnehmer auch nach dem Betriebsübergang auf für sie günstige besondere kündigungsschutzrechtliche Bestimmungen oder Vereinbarungen berufen können. Dabei ist danach zu differenzieren, ob der Betrieb oder Betriebsteil im Wege der Einzel- oder der Gesamtrechtsnachfolge übergeht. 789 BAG v. 04.12.1997 – 2 AZR 160/96, NZA 1997, 757. BAG v. 16.05.2002 – 2 AZR 292/01, NZA 2003, 147. 791 Siehe Kapitel D. 790 254 a) Betriebsübergang kraft Einzelrechtsnachfolge Ein etwaiger Sonderkündigungsschutz der übergehenden Arbeitnehmer bleibt grundsätzlich auch nach Betriebsübergang erhalten. Insbesondere für schwerbehinderte Menschen, Schwangere und Elternzeitler ändert sich durch den Betriebsübergang nichts. aa) Amtsträger Anders ist die Rechtslage bei Amtsträgern zu werten, die unter den Sonderkündigungsschutz des § 15 KSchG fallen, also vor allem Betriebsratsmitglieder sowie Mitglieder der Jugendund Auszubildendenvertretung. Sie behalten ihren Sonderkündigungsschutz nur dann, wenn sie nach dem Betriebsübergang weiterhin ihr Amt behalten. Dies ist dann der Fall, wenn ein ganzer Betrieb übertragen wird und dieser im Wesentlichen unverändert weitergeführt wird, da das Amt des Betriebsrates dann unberührt bleibt. Denkbar ist auch, dass ein Betrieb in einen betriebsratslosen Betrieb eingegliedert wird, sodass dem Betriebsrat des Ursprungsbetriebes gemäß § 21a BetrVG das Übergangsmandat zusteht. Verliert ein auf den Erwerber übergehendes Betriebsratsmitglied durch den Betriebs(teil)übergang sein Mandat, kann es sich auf den nachwirkenden besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG berufen. Dies wird vor allem beim Übergang eines Betriebsteils der Fall sein, da in diesem Fall der Betriebsrat im Ursprungsbetrieb zwar bestehen bleibt, das übergehende Betriebsratsmitglied jedoch sein Amt verliert, weil es nicht mehr Arbeitnehmer des Ursprungsbetriebes ist. bb) Einzelvertragliche und kollektivrechtliche Vereinbarungen Kündigungsschutzrechtliche Vereinbarungen in Einzelarbeitsverträgen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen gehen nach den allgemeinen Regeln auf den Erwerber eines Betriebes über und werden, falls sie durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt sind, u. U. nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst. Damit können auch Verschlechterungen für die übergehenden Arbeitnehmer verbunden sein. cc) Schwellenwert, § 23 KSchG Die kündigungsschutzrechtliche Stellung der Arbeitnehmer kann weiterhin dadurch verschlechtert werden, dass ein ausgegliederter Betriebsteil nach dem Betriebsübergang als selbstständiger (Klein-)Betrieb weiter geführt wird, in dem die Zahlengrenzen des § 23 Abs. 1 KSchG nicht erreicht werden. Praxishinweis: Dies sollte in die nach § 613a Abs. 5 BGB zu erstellende Information der Arbeitnehmer aufgenommen werden. b) Betriebsübergang kraft Gesamtrechtsnachfolge Die oben dargestellten Grundsätze gelten auch für die Fälle, in denen ein Betrieb oder Betriebsteil mittels einer Gesamtrechtsnachfolge auf den Erwerber übergeht. Es können sich jedoch Besonderheiten aus dem Umwandlungsgesetz ergeben. Wenn dem Betriebsübergang eine Spaltung (§§ 123 ff. UmwG) oder eine Vermögensübertragung (§§ 174 ff. UmwG) zugrunde liegt, greift § 323 Abs. 1 UmwG ein, nach dem sich die kündigungsschutzrechtliche 255 Stellung eines übergehenden Arbeitnehmers aufgrund der Spaltung für die Dauer von zwei Jahren nicht verschlechtert. Es ist umstritten, wie diese Vorschrift zu verstehen ist.792 Während zum einen die Auffassung vertreten wird, § 323 Abs. 1 UmwG regele allein den Fall, dass ein Betrieb nach einer Spaltung aus dem Geltungsbereich des KSchG herausfällt, also weniger als fünf/zehn Arbeitnehmer i. S. v. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt werden, wird die Vorschrift zum anderen umfassend verstanden. Von ihr sollen danach alle gesetzlichen, tarifvertraglichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen, die für die kündigungsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind und auf deren Voraussetzungen sich die Spaltung auswirkt, erfasst werden. Dies hätte z. B. zur Folge, dass ein Betriebsratsmitglied, das sein Amt durch die Spaltung verliert, dennoch für zwei Jahre den Sonderkündigungsschutz des § 15 KSchG genießen würde. Außerdem würden tarifliche und betriebliche Bestimmungen zum Kündigungsrecht für die Dauer von zwei Jahren ohne die Möglichkeit einer – gesetzlichen (§ 613a Abs. 1 Satz 3 BGB) oder vertraglichen (§ 613a Abs. 1 Satz 4 BGB) – Ablösung uneingeschränkt weitergelten. Deshalb ist die letztgenannte Auslegung unzutreffend, weil sie zu einem unlösbaren Widerspruch dazu führt, da § 613a Abs. 1 BGB gemäß § 324 UmwG auch auf Betriebsübergänge anzuwenden ist, die auf einer Gesamtrechtsnachfolge beruhen. Dazu passt es nicht, wenn § 613a Abs. 1 BGB in einem Bereich faktisch verdrängt würde. Darüber hinaus entsteht auch ein Widerspruch dadurch, dass allein die Spaltung und die Vermögensübertragung von § 323 UmwG erfasst werden, die Verschmelzung aber nicht. Wenn man aber ein besonderes Schutzbedürfnis der übergehenden Arbeitnehmer bei einer Gesamtrechtsnachfolge nach dem UmwG sieht, ist es kaum nachvollziehbar, warum dies nur bei der Spaltung und nicht bei der Verschmelzung gelten soll. Die Vorschrift kann sich daher nur allein auf die Besonderheiten beziehen, die sich gerade bei einer Spaltung (und Vermögensübertragung) zu Lasten der Arbeitnehmer ergeben. Das aber ist nur das Herausfallen aus dem Geltungsbereich des KSchG, während der Verlust des Sonderkündigungsschutzes nach § 15 KSchG für Betriebsratsmitglieder und ihnen Gleichgestellte sowie die Ablösbarkeit tariflicher und betrieblicher Regelungen auch bei der Verschmelzung auftreten können. Praxishinweis: Solange diese Rechtsfrage höchstrichterlich nicht geklärt ist, besteht indes gerade bei einer Spaltung für den übernehmenden Rechtsträger ein nicht unerhebliches Risiko, wenn er bis zu zwei Jahren danach – insbesondere im Rahmen eines Personalabbaus – betriebsbedingte Kündigungen aussprechen will, da nicht klar ist, auf welche Schutzvorschriften sich die übergehenden Arbeitnehmer berufen können. Daher sollte bereits im Vorfeld entsprechender Vorhaben – meist wird es sich um unternehmens- oder konzerninterne Umstrukturierungen handeln – überlegt werden, ob eine Spaltung nach dem UmwG tatsächlich die richtige Option ist. Das BAG hat im Übrigen entschieden, dass Unkündbarkeitsklauseln in Betriebsvereinbarungen von § 113 InsO verdrängt werden und dass auch § 323 UmwG dem Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters nicht entgegenstehen soll.793 792 793 Willemsen, Teil H, Rn. 154; Henssler/Willemsen/Kalb, § 323 UmwG, Rn. 1 ff, 5. BAG v. 22.09.2005 – 6 AZR 526/04, NZA 2006, 658. 256 IV. Prozessuale Fragen beim Betriebsübergang 1. Passivlegitimation und Rechtskraftwirkung Im Rahmen eines Betriebsübergangs kann es bei der Passivlegitimation des Veräußerers und bei der Rechtskraftwirkung eines im Prozess zwischen Veräußerer und Arbeitnehmer ergangenen Urteils Probleme geben, wenn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Veräußerer ausgesprochen wurde und danach ein Betriebsübergang erfolgt ist. Spricht der Erwerber eine Kündigung des (übergegangenen) Arbeitsverhältnisses nach Betriebsübergang aus, ergeben sich keine Besonderheiten. Praxishinweis: Macht allerdings der Arbeitnehmer im Prozess gegen den Veräußerer selbst geltend, das Arbeitsverhältnis sei schon vor Ausspruch der Kündigung auf den Erwerber übergegangen, so ist eine Klage gegen den Veräußerer unschlüssig und daher abzuweisen.794 Im Folgenden soll es daher nur um Fallgestaltungen gehen, bei denen der Veräußerer eine Kündigung vor Betriebsübergang ausgesprochen hat. Zwei Fälle sind hierbei zu unterscheiden: Kündigung vor Betriebsübergang und Klage vor Betriebsübergang Kündigung vor Betriebsübergang und Klage nach Betriebsübergang a) Kündigung vor Betriebsübergang und Klage vor Betriebsübergang Beispiel: Der Veräußerer V kündigt dem Arbeitnehmer A am 01.09.2015 zum 31.12.2015. Am 15.09.2015 erhebt der A Klage vor dem Arbeitsgericht. Am 01.12.2015 findet ein Betriebsübergang auf den Erwerber E statt. Die Klage ist gegen den Veräußerer zu richten und zwar unabhängig davon, ob der in der Kündigung vorgesehene Beendigungszeitpunkt vor oder nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs liegt.795 Der Veräußerer ist und bleibt passiv legitimiert. Das im Prozess zwischen Veräußerer und Arbeitnehmer ergehende Urteil wirkt in analoger Anwendung der §§ 265, 325 ZPO auch für und gegen den Erwerber.796 Nach einer Entscheidung des BAG797 gilt die Rechtskraftwirkung auch für einen Vergleich. Da eine Gutglaubensvorschrift fehlt, kommt es für die Rechtskraftwirkung schließlich nicht darauf an, ob der Erwerber Kenntnis von dem Prozess zwischen dem Veräußerer und dem Arbeitnehmer hatte. Der Erwerber kann ein Interesse am Ausgang des Prozesses zwischen Veräußerer und Arbeitnehmer haben. Für den Erwerber stellt sich daher die Frage, ob und wie er sich an diesem Prozess beteiligen kann. Da für den hier interessierenden Fall nicht nur § 325 ZPO, 794 BAG v. 18.04.2002 – 8 AZR 346/01, NZA 2002, 1207. BAG v. 18.03.1999 – 8 AZR 306/98, NZA 1999, 706; ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 170/171; Henssler/Willemsen/Kalb, § 613a BGB, Rn. 371; a.A. LAG Hamm v. 02.12.1999 – 4 Sa 1153/99, ZIP 2000, 325: Klage gegen den Erwerber, wenn Kündigungsfrist erst nach Betriebsübergang abläuft. 796 BAG v. 24.05.2005 – 8 AZR 246/04, DB 2005, 2082; BAG v. 18.03.1999 – 8 AZR 306/98, NZA 1999, 706. 797 BAG v. 24.08.2006 – 8 AZR 574/05, NZA 2007, 328. 795 257 sondern auch § 265 Abs. 2 ZPO analog anzuwenden ist798, kann der Erwerber mit Zustimmung des Arbeitnehmers anstelle des Veräußerers den Prozess übernehmen. Stimmt dagegen der Arbeitnehmer einer Übernahme nicht zu, kann der Rechtsnachfolger (Erwerber) nur im Wege der Nebenintervention gem. § 66 ff. ZPO am Prozess teilnehmen.799 Unzulässig dürfte eine Streitverkündung durch Veräußerer oder Arbeitnehmer gegenüber dem Erwerber sein, da die Voraussetzungen des § 72 ZPO nicht erfüllt sind. Praxishinweis: Während der Prozessvertreter des Veräußerers den Prozess ohne Rücksicht auf den Betriebsübergang weiterführen kann, besteht für den Prozessvertreter des Erwerbers nur die Möglichkeit der Nebenintervention, wenn der Arbeitnehmer seine Zustimmung zur Prozessübernahme durch den Erwerber verweigert. Ob sich der Erwerber am Prozess zwischen dem Arbeitnehmer und dem Veräußerer beteiligen sollte, ist vor allem davon abhängig, ob die Prozessführung (durch den Veräußerer) beeinflusst werden soll. In der Praxis verbreitet ist es, dass der Arbeitnehmer neben der Kündigungsschutzklage gegen den Veräußerer noch eine Feststellungsklage gegen den Erwerber erhebt. Nach der Rechtsprechung des BAG ist dies auch zulässig. 800 Es bestehen zwar wegen der Rechtskraftwirkung am Feststellungsinteresse erhebliche Zweifel, jedoch wird man mit diesem Einwand wenig Erfolg haben. Der Arbeitnehmer kann jedoch den Veräußerer nicht hilfsweise für den Fall verklagen, dass der Feststellungsantrag gegen den eventuellen Erwerber scheitert, weil eine bedingte subjektive Klagehäufung unzulässig ist.801 Eine Feststellungsklage gegen den Veräußerer nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist ist aufgrund der Neufassung des § 4 S. 1 KSchG nicht mehr statthaft. Denn das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB ist nunmehr als „anderer Grund“ im Rahmen der Frist des § 4 S. 1 KSchG geltend zu machen. Bei Fristversäumung kann der Arbeitnehmer also allenfalls einen Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 5 KSchG stellen. Werden sowohl Veräußerer als auch Erwerber in der oben beschriebenen Weise verklagt, entsteht zwischen ihnen nur eine einfache Streitgenossenschaft.802 Demnach hindern Rechtsbehelfe nur eines Arbeitgebers den Eintritt der Rechtskraft gegen den anderen Arbeitgeber nicht.803 Will man bei getrennter Klageerhebung gegen Veräußerer und Erwerber – wegen der Gefahr divergierender Entscheidungen – erreichen, dass über beide Klagen dasselbe Gericht entscheidet, sollte ein Antrag auf Prozessverbindung gemäß § 147 ZPO in Betracht gezogen werden. Praxishinweis: Dies hat auch den Vorteil, dass man im Vergleichsfalle beide Verfahren zusammen erledigen kann. Sind die beiden Verfahren bei verschiedenen Gerichten oder Kammern anhängig, kann man dennoch versuchen, sie im Vergleichsfall zusammen zu erledigen. Wehrt sich der Veräußerer gegen eine Kündigungsschutzklage damit, dass er einen Betriebsübergang auf einen anderen Arbeitgeber behauptet, so ist ein Feststellungsinteresse für einen vom Arbeitnehmer gestellten allgemeinen Feststellungsantrag auf Fortbestand des Ar798 BAG v. 04.03.1993 – 2 AZR 507/92, NZA 1994, 260. Zöller, § 265 ZPO, Rn. 8a. 800 BAG v. 04.03.1993 – 2 AZR 507/92, NZA 1994, 260. 801 BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 729/96, NZA 1998, 534. 802 BAG v. 24.06.2004 – 2 AZR 215/03, AP Nr. 278 zu § 613a BGB. 803 BAG v. 04.03.1993 – 2 AZR 507/92, NZA 1994, 260. 799 258 beitsverhältnisses zum Veräußerer zu bejahen. Der den Betriebsübergang behauptende Arbeitgeber soll in einem solchen Fall den Erwerber im Wege der Drittwiderklage in den Prozess einbeziehen können.804 b) Kündigung vor Betriebsübergang und Klage nach Betriebsübergang Beispiel: Der Veräußerer V kündigt dem Arbeitnehmer A am 01.09.2014 zum 31.12.2014. Am 15.09.2015 findet ein Betriebsübergang auf den Erwerber E statt. Am 21.09.2015 erhebt A Klage vor dem Arbeitsgericht. Gegen wen die Klage zu richten ist, ist fraglich. Nach der Rechtsprechung des BAG ist auch in diesen Fällen die Klage gegen den Veräußerer zu richten, weil zwischen ihm und dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ein Arbeitsverhältnis bestand und Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage die Frage ist, ob dieses Arbeitsverhältnis durch die streitbefangene Kündigung beendet worden ist.805 Dies ist jedoch problematisch, weil die Rechtskraftwirkung gem. § 325 ZPO hier nicht eintritt, da der Erwerber in diesem Falle nicht, wie von § 325 ZPO gefordert, nach, sondern bereits vor Rechtshängigkeit „Rechtsnachfolger“ des Veräußerers wird.806 Deshalb ist nach anderer Ansicht die Klage hier gleich gegen den Erwerber zu richten.807 Es kann sich also hier empfehlen, einer Klage des Arbeitnehmers gegen den Veräußerer mit dem Einwand der fehlenden Passivlegitimation zu begegnen. Folgt man der Auffassung, wonach auch hier trotz fehlender Rechtskraftwirkung die Klage gegen den Veräußerer zu richten ist, stellt sich die Frage, wie sich der Erwerber am Prozess zwischen Veräußerer und Arbeitnehmer beteiligen kann. Letztlich besteht auch hier die Möglichkeit der Nebenintervention gem. § 66 ZPO. Unschlüssig ist die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers, falls er gegen den Erwerber klagt und behauptet, dass ein Betriebsübergang stattgefunden hat, dem er aber widersprochen hat.808 2. Stellung eines Auflösungsantrags nach § 9 Abs. 1 KSchG Nach der Rechtsprechung des BAG kann ein Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang vor dem (beabsichtigten) Auflösungszeitpunkt des § 9 Abs. 2 KSchG einen bislang noch nicht gestellten Auflösungsantrag nur in einem Prozess gegen den ihm bekannten Erwerber stellen.809 Die Passivlegitimation des Arbeitgebers für den Auflösungsantrag folgt nicht automatisch dem bereits erhobenen Kündigungsschutzantrag. Der Auflösungsantrag ist ein selbstständiger Antrag und ein eigenständiges prozessuales Institut des Kündigungsrechts, sodass auch bei analoger Anwendung der §§ 265, 325 ZPO keine Prozessführungsbefugnis gegeben ist.810 804 LAG Köln v. 26.03.1998 – 5 Sa 1420/97, NZA-RR 1998, 398. BAG v. 26.05.1983 – 2 AZR 477/81, DB 1983, 2690; BAG v. 27.09.1984 – 2 AZR 309/83, NZA 1985, 493; ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 170/171; Henssler/Willemsen/Kalb, § 613a BGB, Rn. 371. 806 BAG v. 18.02.1999 – 8 AZR 485/97, NZA 1999, 648. 807 Müller-Glöge, NZA 1999, 449. 808 LAG Nürnberg v. 05.10.2011 – 2 Sa 765/10, ArbRB 2012, 44. 809 BAG v. 20.03.1997 – 8 AZR 769/95, NZA 1997, 937. 810 BAG v. 20.03.1997 – 8 AZR 769/95, NZA 1997, 937. 805 259 Praxishinweis: Diese Rechtsprechung zwingt den Arbeitnehmer faktisch dazu, nur zwecks Stellung des Auflösungsantrags den Erwerber zu verklagen. In der Praxis wird es daher – wie ohnehin üblich – eher zu (außer-)gerichtlichen Vergleichen kommen. Hinsichtlich eines Auflösungsantrags des Arbeitgebers gilt nach dem BAG, dass der Veräußerer befugt bleibt, aus eigenem Recht einen Auflösungsantrag zu stellen, wenn der Auflösungszeitpunkt zeitlich vor dem Betriebsübergang liegt. Der Veräußerer verfolgt in diesem Fall nicht die Rechte des Erwerbers, sondern die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, welches bis zum Betriebsübergang bei ihm fortbestand. Offen bleibt, ob der Veräußerer den Antrag nach § 9 KSchG auch dann stellen kann, wenn der (behauptete) Betriebsübergang vor Ablauf der Kündigungsfrist stattgefunden haben soll. 3. Prozessuale Fragen beim Wiedereinstellungsanspruch Die Geltendmachung eines Wiedereinstellungsanspruchs ist nur gegenüber dem Erwerber denkbar. Der Anspruch muss im Wege einer Klage auf Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO) geltend gemacht werden. Da eine bedingt subjektive Klagehäufung unzulässig ist811, kann der Arbeitnehmer auch nicht gegenüber dem Erwerber hilfsweise den Wiedereinstellungsanspruch für den Fall geltend machen, dass er mit seiner Kündigungsschutzklage gegenüber dem Veräußerer scheitert. Es besteht daher nur die Möglichkeit der unbedingten Klageerhebung gegenüber Veräußerer und Erwerber, mit der Folge, dass der Arbeitnehmer auf alle Fälle einen von beiden Prozessen verliert. 4. Beschlussverfahren Ist zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs ein Beschlussverfahren zwischen dem Veräußerer und dem Betriebsrat anhängig, wird der Prozess zwischen dem Erwerber und dem Betriebsrat fortgesetzt. Anders als im Urteilsverfahren finden die §§ 265, 325 ZPO auch keine entsprechende Anwendung. Der Erwerber nimmt automatisch die Rechtsstellung des Veräußerers ein.812 Beispiel: Ein Seniorenwohnheim wurde vom Veräußerer bis zum 31.12.2014 betrieben. Ab dem 01.01.2015 wurde das Heim an den Erwerber E verpachtet. Der Betriebsrat B betrieb gegen V im August 2014 zwei Beschlussverfahren. Im Mai 2015 einigt man sich in den beiden Beschlussverfahren. Nachdem sich sowohl V als auch E weigerten die Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.000 € zu begleichen, verklagte B V und E gesamtschuldnerisch. Vorliegend haftet nach dem BAG ausschließlich E für die entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.000 €. Entscheidend ist demnach, wer zum Zeitpunkt der Entscheidung Inhaber des Betriebs ist. Dabei ergibt sich die Kostentragungspflicht aus § 40 BetrVG nicht unmittelbar aus § 613a BGB, da dieser nur die individualrechtlichen Folgen regelt. Der Erwerber tritt unmittelbar in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Veräußerers ein und haftet als Betriebserwerber ausschließlich (alleine) für nicht erfüllte Freistellungsansprüche. Lediglich bei einem 811 812 BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 729/96, NZA 1998, 534. BAG v. 20.08.2014 – 7 ABR 60/12, NZA 2015, 1530. 260 Betriebsübergang aus der Insolvenz haftet der Erwerber nicht für Insolvenzforderungen, sondern nur für Masseverbindlichkeiten. Dies gilt dann auch für Betriebsratskosten, die nach § 40 BetrVG entstanden sind.813 § 613a Abs. 2 BGB ist vorliegend auf den Beispielsfall weder direkt noch analog anwendbar. Die Haftung des Erwerbers ist außerdem unabhängig davon, ob der Betriebsübergang erst im Rechtsbeschwerdeverfahren eintritt.814 813 814 BAG v. 9.12.2009 – 7 ABR 90/07. BAG v. 20.08.2014 – 7 ABR 60/12, NZA 2015, 1530. 261 Kapitel F: Insolvenz 265 I. Insolvenzverfahren im Überblick 265 II. Grundsätzliche Geltung des § 613a BGB in der Insolvenz 266 III. Anwendungsbereich und Umfang der Haftungsbeschränkung des Erwerbers 268 1. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Eingreifen der Haftungsbeschränkung 268 a) Zeitpunkt des Betriebsübergangs nach der Rechtsprechung 269 b) Personelle Verflechtung von Veräußerer und Erwerber 269 c) Darlegungs- und Beweislast 270 2. Umfang der Haftungsbeschränkung 271 a) Monatlich laufendes Arbeitsentgelt 271 b) Einmalzahlungen/Sonderzahlung 272 aa) Sonderzahlungen mit reinem Entgeltcharakter bb) Sonderzahlungen mit Mischcharakter cc) Sonderleistungen/Gratifikationen im Übrigen 272 272 272 c) Urlaubsansprüche 272 d) Arbeitszeitkonten 273 aa) Haftung des Erwerbers – Insolvenz des Veräußerers bb) Haftung des Veräußerers – Insolvenz des Erwerbers 273 274 e) Altersteilzeit 275 f) Sozialplanansprüche 276 g) Abfindungsansprüche 277 h) Kündigung und behördliche Zustimmung 277 i) Betriebliche Altersversorgung 277 aa) Haftungsbeschränkung bb) Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern (1) Verzicht (2) Abfindung (3) Eingriff / Modifizierung 277 278 278 279 279 j) Betriebsratskosten 279 IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten aus Erwerbersicht 282 1. Kündigungen und Insolvenz 282 2. Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch gekündigter Arbeitnehmer 282 3. Umsetzung des Erwerberkonzepts vor Betriebsübergang 282 263 Kapitel F: Insolvenz I. Insolvenzverfahren im Überblick Da das Insolvenzverfahren auch der Sanierung und nicht nur der Gläubigerbefriedigung durch die Abwicklung des insolventen Betriebes dienen soll (§ 1 InsO), ist ein Betriebsübergang im Zusammenhang mit der Insolvenz in der Praxis häufiger anzutreffen. Für die rechtlichen Besonderheiten bei einem Betriebsübergang in der Insolvenz sind die einzelnen Schritte im Insolvenzverfahren entscheidend. Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens § 13 InsO Prüfverfahren durch Insolvenzgericht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Masse zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichend) § 26 InsO Anordnung von Sicherungsmaßnahmen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens §§ 21, 22 InsO z. B. vorläufiger Insolvenzverwalter Durch Eröffnungsbeschluss Eröffnung des Insolvenzverfahrens Abweisung des Antrags mangels Masse § 26 InsO § 27 InsO Insolvenzverfahren §§ 28 f. InsO 265 II. Grundsätzliche Geltung des § 613a BGB in der Insolvenz § 613a BGB findet nach der ständigen Rechtsprechung des BAG auch in der Insolvenz Anwendung.815 Das heißt in der Praxis insbesondere: Eintritt in die bestehenden Arbeitsverhältnisse auch bei einem Erwerb vom Insolvenzverwalter816, Bindung an die im Betrieb bestehenden Kollektivverträge ebenso nach den Vorgaben des § 613a Abs. 1 S. 2 – 4 BGB,817 Geltung der Unterrichtungspflicht nach Abs. 5 und des Widerspruchsrechts nach Abs. 6,818 Bindung auch des Insolvenzverwalters an die Vorschriften des KSchG (bei verkürzter Kündigungsfrist § 113 InsO) sowie an das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB.819 Für Betriebsübergänge in der Insolvenz gelten jedoch rechtliche Besonderheiten, die dann beachtet werden müssen, wenn ein Unternehmen einen Betrieb oder Betriebsteil von einem insolvent gewordenen Unternehmen erwirbt. Diese rechtlichen Besonderheiten ergeben sich vor allem aus der Haftungsbeschränkung für den Erwerber. Er haftet nicht für Ansprüche der Arbeitnehmer, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden (§ 41 Abs. 1 InsO), da insoweit die Verteilungsgrundsätze des Insolvenzverfahrens Vorrang haben.820 Tragender Grund für diese Haftungsbeschränkung ist, dass eine Haftung des Erwerbers für rückständige Ansprüche der Arbeitnehmer, die vor der Insolvenzeröffnung begründet wurden, zu einer Benachteiligung der anderen Insolvenzgläubiger führen würde. Der Erwerber würde nämlich in diesem Fall den Kaufpreis um die Höhe der zu erwartenden Verbindlichkeiten mindern, was zu Lasten der Insolvenzmasse ginge. Die anderen Gläubiger des Insolvenzschuldners würden dann in noch größerem Umfang mit ihren Forderungen ausfallen, währenddessen die Arbeitnehmer volle Befriedigung ihrer Forderungen erlangen würden. Praxishinweis: Entscheidender Zeitpunkt für die Haftungsbeschränkung ist nicht der Betriebsübergang, sondern die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Erwerber kann sich nur auf die Haftungsbeschränkung berufen, wenn der Betriebs(teil)übergang nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist. Es ist daher zu empfehlen, keine Indizien zu setzen, die auf die Übernahme der Leitungsmacht schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schließen lassen. Beispiel: Über das Vermögen der Firma V wird am 01.09.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Erwerber übernimmt diese Firma zum 01.11.2015. Er kann sich damit auf die Haftungsbeschränkung berufen, dies allerdings nur für Ansprüche der übergehenden Arbeitnehmer, die vor dem 01.09.2015 begründet wurden. 815 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 917/06; BAG v. 17.01.1980 – 3 AZR 160/79, DB 1980, 308; bestätigt für das Insolvenzverfahren von BAG v. 20.06.2002 – 8 AZR 459/01, NZA 2003, 318. 816 BAG v. 22.10.2009 – 8 AZR 766/08. 817 BAG v. 15.01.2002 – 1 AZR 58/01. 818 Henssler/Willemsen/Kalb, § 613a BGB, Rn. 364. 819 BAG v. 16.09.1982 – 2 AZR 271/80. 820 BAG v. 20.06.2002 – 8 AZR 459/01, NZA 2003, 318. 266 Die Haftungsbeschränkung des Erwerbers greift grundsätzlich nicht bei sog. Masseverbindlichkeiten ein.821 Zu den Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO gehören auch die Entgeltansprüche der Arbeitnehmer für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Diese sind zwar vorrangig aus der Insolvenzmasse zu befriedigen. Dennoch kann für den Erwerber insoweit ein nicht unbeträchtliches Haftungsrisiko bestehen, wenn der Insolvenzverwalter nicht in der Lage ist, diese Masseverbindlichkeiten in vollem Umfang zu erfüllen. Beispiel: 822 Über das Vermögen der Firma V wurde am 14.09.1981 das Konkursverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigt Arbeitnehmer A am 25.09.1981 fristgemäß zum 17.10.1981. Der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage wurde stattgegeben. Der Erwerber E erwirbt den Betrieb zum 01.04.1982. Er wird nun von A auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 18.10.1981 bis zum 31.03.1982 verklagt. Das BAG hat der Klage stattgegeben, weil sich die von ihm angenommene Haftungsbeschränkung des Erwerbers im Konkurs nicht auf Masseschulden beziehe. An dieser Rechtsprechung hat sich durch die Einführung der Insolvenzordnung nichts geändert. Die Haftungsbeschränkung auf Ansprüche, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden, bedeutet im Umkehrschluss, dass in Bezug auf künftige Ansprüche der Arbeitnehmer für den Erwerber die gleichen Rechtsgrundsätze gelten wie bei Betriebs(teil)übergängen außerhalb der Insolvenz. Weder hinsichtlich der individualvertraglich noch der kollektivrechtlich geregelten Arbeitsbedingungen gelten also Besonderheiten.823 Damit bestehen für den Erwerber auch dann, wenn er einen Betrieb oder Betriebsteil aus der Insolvenz erwirbt, die gleichen Schwierigkeiten bei der Übernahme und Anpassung von Arbeitsbedingungen wie bei einem Betriebs(teil)übergang außerhalb der Insolvenz. Zusammenfassender Überblick Haftungsbeschränkung für den Erwerber Erwerber Ansprüche der Arbeitnehmer Ansprüche der Arbeitnehmer Eröffnung des Insolvenzverfahrens Betriebs(teil)übergang 821 BAG v. 04.12.1986 – 2 AZR 246/86, NZA 1987, 460; BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 95/03, NZA 2003, 651; BAG v. 09.12.2009 – 7 ABR 90/07, NZA 2010, 461. 822 BAG v. 04.12.1986 – 2 AZR 246/86, NZA 1987, 460. 823 Lembke, BB 2007, 1333. 267 III. Anwendungsbereich und Umfang der Haftungsbeschränkung des Erwerbers 1. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Eingreifen der Haftungsbeschränkung Der Erwerber kann sich auf die Haftungsbeschränkung nur berufen, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf ihn übergegangen ist. Das Insolvenzverfahren wird durch den Eröffnungsbeschluss gemäß § 27 InsO eröffnet. Der Erwerb eines Betriebs/Betriebsteiles vor oder ohne Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann für den Erwerber erhebliche finanzielle Risiken mit sich bringen. Praxishinweis: Erfolgt der Betriebsübergang vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, bedeutet das im Umkehrschluss, dass eine Haftungsbeschränkung ausscheidet. Eine Haftungsbeschränkung greift auch dann nicht, wenn ein vorläufiger – schwacher oder starker – Insolvenzverwalter den Betrieb oder Betriebsteil veräußert.824 Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ist eine der Sicherungsmaßnahmen, die das Insolvenzgericht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens anordnen kann (§§ 21, 22 InsO). Exkurs – Insolvenzrecht: Wird dem Schuldner gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt und gleichzeitig ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO), geht gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf diesen über (sog. starker Insolvenzverwalter). Der Insolvenzverwalter tritt dann in die Rechtsstellung des Schuldners ein. Das Insolvenzgericht kann aber auch gemäß § 22 Abs. 2 S. 1 InsO die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters einzeln bestimmen (sog. schwacher Insolvenzverwalter). Eine Haftungsbeschränkung kommt ebenfalls nicht in Betracht, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird.825 Unschädlich für die Haftungsbeschränkung des Erwerbers ist aber, wenn erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Verfahren mangels Masse eingestellt wird.826 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass eine Haftung des Erwerbers nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in Höhe der Quote dann in Betracht kommt, wenn ein Insolvenzplan abgeschlossen wurde. Dies soll sich aus § 254 InsO ergeben.827 Praxishinweis: Es wird empfohlen, einen Betrieb oder Betriebsteil während des laufenden Insolvenzverfahrens zu erwerben, da in diesem Fall die Haftung für Ansprüche der Arbeitnehmer, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden, vollständig entfällt. Wenn also ein Erwerb geplant ist, sollte er nach Eröffnung, aber vor Abschluss des Insolvenzverfahrens vollzogen werden. Offengelassen hat das BAG die Frage, ob die Haftungsbeschränkung des Erwerbers ausnahmsweise in den Fällen greift, in denen der Verkauf vor Verfahrenseröffnung eine Stilllegung des Betriebes im Hinblick auf auflaufende wirtschaftliche Verluste abwenden oder ei- 824 BAG v. 20.06.2002 – 8 AZR 459/01, NZA 2003, 318; Lembke, BB 2007, 1333. BAG v. 20.11.1984 – 3 AZR 584/83, NZA 1985, 393. 826 BAG v. 11.02.1992 – 3 AZR 117/91, NZA 1993, 20. 827 Annuß/Lembke, Rn. 29. 825 268 nen außerordentlichen wirtschaftlichen Vorteil realisieren soll, der nach Verfahrenseröffnung nicht mehr erzielt werden könnte und das Insolvenzgericht der Veräußerung zustimmt.828 a) Zeitpunkt des Betriebsübergangs nach der Rechtsprechung Entscheidend für die Frage nach dem Zeitpunkt des Betriebs(teil)übergangs ist auch beim Erwerb aus der Insolvenz nicht, wann der Kaufvertrag abgeschlossen oder das Eigentum bzw. die Nutzungsrechte an den Betriebsmitteln auf den Erwerber übergegangen ist, sondern allein, zu welchem Zeitpunkt der Erwerber aufgrund rechtsgeschäftlicher Übereinkunft in die Lage versetzt worden ist, die Leitungsmacht im Betrieb mit dem Ziel der Betriebsfortführung auszuüben. 829 Das BAG hatte in seinen Urteilen zur Konkursordnung und zum Insolvenzverfahren verschiedene Begriffe des Zeitpunkts gewählt. Aufgrund dieser Unterschiede war insbesondere fraglich, ob schon allein die Möglichkeit, die Leitungsmacht aufgrund der abgeschlossenen Verträge auszuüben, für einen Betriebs(teil)übergang spricht. Für das Insolvenzverfahren hat das BAG klargestellt, dass maßgeblich für das Vorliegen eines Betriebsübergangs der Zeitpunkt sei, in dem der Erwerber die Geschäftstätigkeit tatsächlich weiterführe oder wieder aufnähme. Die bloße Möglichkeit zu einer unveränderten Fortsetzung der Betriebstätigkeit genüge für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht.830 Praxishinweis: Es empfiehlt sich, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Betrieb oder Betriebsteil weder nach außen (zu den Kunden und Lieferanten) noch nach innen (zu den Arbeitnehmern) als Inhaber des Betriebes aufzutreten. Die Vertragsgestaltung kann von den Haftungsbeschränkungen abhängig gemacht werden. Das BAG hat es nicht für rechtsmissbräuchlich gehalten, wenn sich die Vertragsgestaltung hinsichtlich der Übernahme der Leitungsmacht bzw. der Fortführung des Betriebes an der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung orientiert. Die Vertragspartner könnten sich auf das Privileg der beschränkten Haftung im Konkurs berufen, ohne dass dies gegen Sinn und Zweck des § 613a BGB verstoße.831 Diese Aussage wird auf die Insolvenz übertragbar sein. Unabhängig davon dürfte es für den Erwerber riskant sein, einen echten Betriebsführungsvertrag bis zur Übernahme der Leitungsmacht durch den Erwerber nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzuschließen.832 Danach soll der Erwerber den Betrieb im Namen und für Rechnung des Veräußerers bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterführen.833 b) Personelle Verflechtung von Veräußerer und Erwerber Probleme kann es vor allem dann geben, wenn der Erwerber und der Veräußerer personell miteinander verflochten sind, z. B. wenn die Gesellschafter und ggf. Geschäftsführer einer insolvent gewordenen GmbH im Wege einer sog. „sanierenden Übertragung“ eine neue GmbH bzw. Gesellschaft gründen und Teile des alten Betriebes fortführen. Für diese Kons- 828 BAG v. 12.11.1991 – 3 AZR 559/90, NZA 1992, 929; Kammel, NZI 2000, 102; Lohkemper ZIP 1999, 1251. 829 Allgemein dazu Kapitel A. 830 BAG v. 21.02.2008 – 8 AZR 77/07, NZA 2008, 825; BAG v. 20.06.2002 – 8 AZR 459/01, NZA 2003, 318. 831 BAG v. 26.03.1996 – 3 AZR 965/94, NZA 1997, 94. 832 Annuß/Lembke, Rn. 59. 833 Lembke, BB 2007, 1333. 269 tellationen kann es nach der Rechtsprechung des BAG auch ausreichen, wenn ein Betrieb auf eine Vor-GmbH übertragen wird.834 Angesichts der in diesen Fällen häufigen Personenidentität oder zumindest der (engen) personellen Verflechtung der handelnden Personen zueinander kann der Nachweis, dass die neue Gesellschaft den Betrieb oder Betriebsteil tatsächlich erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weitergeführt hat, schwierig werden. Praxishinweis: In solchen Fällen ist daher zusätzlich darauf zu achten, dass die handelnden Personen nachweisbar und deutlich für die neue Gesellschaft erst nach dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung handeln. Dies muss entsprechend mit dem Insolvenzverwalter abgeklärt werden. c) Darlegungs- und Beweislast Zur Beweislast hinsichtlich der Haftungsbeschränkung des Erwerbers in der Insolvenz hat das BAG835 eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast angenommen: 1. Stufe: Der Erwerber muss zunächst den nach seiner Auffassung maßgeblichen und von der Haftung entlastenden Erwerbstatbestand nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Inhalt und Zeitpunkt darlegen und ggf. beweisen. 2. Stufe: Der Arbeitnehmer, der sich auf die unbeschränkte Haftung des Erwerbers beruft, muss dann Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, dass der Erwerber bereits vor diesem Zeitpunkt die betriebliche Leitungsmacht ausgeübt bzw. den Betrieb fortgeführt hat. Der Hinweis auf im Wesentlichen abgeschlossene Vertragsverhandlungen genügt dafür nicht.836 Praxishinweis: Die Frage der Haftungsbeschränkung des Erwerbers ist nicht nur bezüglich der von den Arbeitnehmern selbst geltend gemachten Ansprüche von Bedeutung, sondern auch für eventuelle Regressansprüche der Bundesagentur für Arbeit (BA). Hat diese den Arbeitnehmern Insolvenzgeld gezahlt, gehen die Ansprüche auf Arbeitsentgelt gemäß § 187 SGB III auf die BA über.837 Wenn der Zeitpunkt des Betriebsübergangs und damit der des Übergangs der Arbeitsverhältnisse in einem Zeitraum liegt, in dem Insolvenzgeld gezahlt wurde (drei Monate vor Insolvenzeröffnung, § 183 Abs. 1 S. 1 a. E. SGB III), muss der Erwerber mit erheblichen Forderungen rechnen. 834 BAG v. 20.06.2002 – 8 AZR 459/01, NZA 2003, 318. BAG v. 26.03.1996 – 3 AZR 965/94, NZA 1997, 94. 836 BAG v. 26.03.1996 – 3 AZR 965/94, NZA 1997, 94. 837 BAG v. 20.06.2002 – 8 AZR 459/01, NZA 2003, 318. 835 270 Zusammenfassender Überblick Maßgebliche Zeitpunkte Erwerber Ansprüche der Arbeitnehmer Ansprüche der Arbeitnehmer Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Eröffnungsbeschluss nach § 27 InsO Betriebsübergang erfolgt mit der tatsächlichen Weiterführung des Betriebes Achtung! Vorläufiger Insolvenzverwalter – schwach oder stark – nach §§ 21, 22 InsO nicht ausreichend Empfehlung: Klare Vertragsgestaltung Handlungen (nach außen) erst nach Insolvenzeröffnung 2. Umfang der Haftungsbeschränkung a) Monatlich laufendes Arbeitsentgelt Aus der oben dargestellten Haftungsbeschränkung folgt, dass Haftung für rückständige Ansprüche auf monatlich laufendes Arbeitsentgelt, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden, ausgeschlossen ist. Dementsprechend können auch dann, wenn von der Bundesagentur für Arbeit (BA) Insolvenzgeld gezahlt wurde, keine Regressansprüche der BA gem. § 187 SGB III geltend gemacht werden. Entstehen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Annahmeverzugsansprüche, hat der Erwerber dafür nach der Rechtsprechung des BAG in vollem Umfang einzustehen.838 Wird Arbeitnehmern nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Arbeitsentgelt gezahlt und erhalten sie stattdessen Arbeitslosengeld, ist der Annahmeverzugsanspruch als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren, der gemäß § 115 Abs. 1 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen ist.839 Diese wiederum kann den Erwerber im Umfang der erbrachten Leistungen in Anspruch nehmen. Praxishinweis: Ein Haftungsrisiko für den Erwerber besteht also für Entgeltforderungen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden. 838 839 BAG v. 04.12.1986 – 2 AZR 246/86, NZA 1987, 460. BAG v. 22.10.2009 – 8 AZR 766/08, ZIP 2010, 849; Lindemann, ZInsO 2010, 792. 271 b) Einmalzahlungen/Sonderzahlung Anders ist die Rechtslage u. U. bei Entgeltbestandteilen zu beurteilen, die nicht Teil des monatlich laufenden Arbeitsentgelts sind, z. B. Einmalzahlungen. In Bezug auf Sonder- bzw. Einmalzahlungen kommt es daher in erster Linie darauf an, welcher Zweck mit ihnen verfolgt wird. Dies ist nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen.840 Unerheblich ist es, ob der Anspruch des Arbeitnehmers auf arbeitsvertraglicher oder kollektivrechtlicher Grundlage beruht. Anhand der konkreten Ausgestaltung ist festzustellen, ob die Ansprüche im jeweiligen Bezugszeitraum verdient und erst später am vereinbarten Fälligkeitstermin ausbezahlt werden: aa) Sonderzahlungen mit reinem Entgeltcharakter Bei Sonderzahlungen mit echtem Entgeltcharakter schuldet der Erwerber die Sonderzahlung nur zeitanteilig für die nach der Insolvenzeröffnung liegende Zeit des Bezugszeitraums.841 Solche Einmalzahlungen verfolgen keinen weiteren Zweck als die Entlohnung tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung. Der Anspruch entsteht zwar ratierlich, ist aber erst später auszuzahlen. bb) Sonderzahlungen mit Mischcharakter Bei Sonderzahlungen, die neben dem Gratifikationsziel auch Entgeltcharakter aufweisen, geht die Rechtsprechung davon aus, dass diese bereits durch die vorangegangene Arbeitsleistung erdient wurden.842 Auch ein solcher Anspruch entsteht ratierlich und wird später ausgezahlt. Der Erwerber schuldet die Sonderzahlung nur zeitanteilig für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung. cc) Sonderleistungen/Gratifikationen im Übrigen Für stichtagsabhängige einmalige Sonderleistungen hingegen muss der Erwerber vollständig einstehen, wenn der Auszahlungsstichtag erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt.843 Bei solchen Zahlungen wird der Anspruch erst an dem bezeichneten Stichtag begründet. Das BAG hat insoweit darauf abgestellt, wann die Arbeitnehmer ihren Anspruch gegen den Veräußerer geltend machen konnten.844 Die tariflich geregelte Sonderzahlung soll nicht die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung entlohnen.845 Das BAG hat vor der Schuldrechtsreform hierzu entschieden, dass der Erwerber bei der Insolvenzeröffnung vor dem Stichtag für die dann als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 InsO einzustufende Sonderzahlung unabhängig vom Zeitpunkt des Betriebsübergangs voll haftet.846 c) Urlaubsansprüche Noch ausstehende Urlaubsansprüche übergehender Arbeitnehmer stellen nach der Rechtsprechung des BAG keine Insolvenzforderungen dar, die die Arbeitnehmer als Insolvenzgläubiger geltend machen müssen. 840 ErfK-Preis, § 611 BGB, Rn. 528. Lembke, BB 2007, 1333. 842 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12; BAG v. 18.05.2016 – 10 AZR 233/15. 843 BAG v. 11.10.1995 – 10 AZR 984/94, NZA 1996, 432. 844 BAG v. 11.10.1995 – 10 AZR 984/94, NZA 1996, 432. 845 BAG v. 11.10.1995 – 10 AZR 984/94, NZA 1996, 432. 846 LAG Nürnberg v. 03.02.2010 – 4 Sa 367/09. 841 272 Bestehen bei Betriebsübergang noch Urlaubsansprüche, sind diese Masseverbindlichkeiten.847 Diese gehen in vollem Umfang auf den Erwerber über. Sie können nicht in die Zeit vor und nach dem Betriebsübergang aufgeteilt werden.848 Beispiel: Der Erwerber übernimmt am 01.09.2015 den Betrieb einer Firma, über deren Vermögen am 22.08.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Arbeitnehmer A, dessen Arbeitsverhältnis gemäß § 613a BGB auf den Erwerber übergegangen ist, verlangt nun von ihm Gewährung des vollen Jahresurlaubs 2015. A hatte unstreitig im Jahre 2015 noch keinen Urlaub genommen. Der Erwerber muss dem Verlangen stattgeben, da der Urlaubsanspruch des A in vollem Umfang auf ihn übergegangen ist. Praxishinweis: Hinsichtlich der Urlaubsregelungen wird der Erwerber eines insolventen Betriebs bzw. Betriebsteils letztlich genauso behandelt wie ein Erwerber, der einen Betrieb außerhalb der Insolvenz erworben hat. Wegen der veränderten Rechtsprechung des BAG849 zum Verfall von Urlaubsansprüchen bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit können auf den Erwerber weitergehende finanzielle Belastungen zukommen. Ansprüche auf Urlaubsabgeltung sind Masseverbindlichkeiten850, sodass der Erwerber für diese vollumfänglich haftet. Eine Aufteilung in einen vor und einen nach Verfahrenseröffnung entstehenden Teilurlaubsanspruch sei mit dem Urlaubsrecht nicht vereinbar. d) Arbeitszeitkonten aa) Haftung des Erwerbers – Insolvenz des Veräußerers Für den Erwerber eines insolventen Betriebs stellt sich die Frage, ob er für Freistellungsansprüche aus beim Veräußerer aufgebauten Arbeitszeitkonten haftet. Das Hessische LAG851 hat entschieden, dass ein Anspruch auf Freistellung aus Arbeitszeitkonten nach der Insolvenzeröffnung zu einer Insolvenzforderung nach §§ 38, 45 InsO wird. Der Freistellungsanspruch könne nach § 45 InsO nur noch mit seinem Wert geltend gemacht werden. Der Freistellungsanspruch sei vor der Insolvenzeröffnung begründet worden. Eine Erfüllung bedeute gegenüber anderen Gläubigern eine nicht zu rechtfertigende Bevorzugung. Der Freizeitanspruch sei auch nicht vergleichbar mit dem Urlaubsanspruch. Der Urlaubsanspruch könne keinem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden, Freizeitansprüche aus geleisteten Überstunden hingegen schon. Exkurs – Insolvenzrecht: Insolvenzforderungen sind nach § 38 InsO alle Forderungen, die der Gläubiger zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner hat. Insolvenzforderungen können auch Ansprüche auf Handlungen sein. Sind die Forderungen des Gläubigers nicht auf eine Geldforderung gerichtet – wie der Freistellungsanspruch –, so erfolgt eine Umrechnung der Forderung nach § 45 InsO in einen Geldwert. 847 Düwell/Pulz, NZA 2008, 786. BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 347/03, NZA 2004, 654; BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 95/03, NZA 2004, 651. 849 BAG v. 24.03.2009 – 9 AZR 983/07; BAG v. 07.08.2012 – 9 AZR 353/10; BAG v. 11.06.2013 – 9 AZR 855/11. 850 BAG v. 25.03.2003 – 9 AZR 174/02, NZA 2004, 43; Sächsisches LAG v. 26.02.2013 – 1 Sa 360/12. 851 Hessisches LAG v. 10.09.2008 – 8 Sa 1595/07, NZA 2009, 615. 848 273 Das Urteil des Hessischen LAG erging zwar gegen den Veräußerer aufgrund § 613a Abs. 2 BGB. Die Entscheidung hat jedoch im Ergebnis zur Folge, dass der Erwerber aufgrund der vom BAG angenommenen Haftungsbeschränkung nicht für entsprechende Forderungen der Arbeitnehmer einstehen muss. Das stimmt auch mit der Rechtsprechung des BAG zu Ansprüchen übergehender Altersteilzeitler für deren während der Arbeitsphase im Hinblick auf die Freistellungsphase vor der Insolvenzeröffnung erworbenen Entgeltansprüche (aus Zahlung des Altersteilzeitentgelts und der Aufstockungsbeträge) überein. Auch dafür haftet der Erwerber nicht.852 Skizze zum LAG-Fall Anspruch Arbeitnehmer gg. Veräußerer Aufbau Arbeitszeitkonto Anspruchsübergang Betriebsübergang Veräußerer Erwerber I Arbeitgeber: Veräußerer 01.10.2004 Umwandlung Abgeltung Insolvenzeröffnung Betriebsübergang Erwerber I Erwerber II Arbeitgeber: Erwerber I 10.03.2005 Arbeitgeber: Erwerber II 01.10.2005 Praxishinweis: In der Praxis werden Arbeitszeitkonten in der Regel mit dem Stichtag der Eröffnung vom Insolvenzverwalter eingefroren, um Insolvenzforderungen von Masseverbindlichkeiten zu trennen. Gegebenenfalls werden für die Zeit nach diesem Stichtag neue Konten erstellt. bb) Haftung des Veräußerers – Insolvenz des Erwerbers Die Entscheidung ist aber für Veräußerer von Brisanz, wenn der Erwerber nach dem Betriebsübergang insolvent wird. Nach der Entscheidung des Hessischen LAG853 haftet der Veräußerer gemäß § 613a Abs. 2 BGB nach § 45 InsO, soweit der Freizeitanspruch bei ihm begründet wurde und dieser mit der Insolvenzeröffnung innerhalb eines Jahres nach der Betriebsveräußerung fällig wird. Wird also über den Betrieb des Erwerbers innerhalb eines Jahres nach dem Betriebsübergang das Insolvenzverfahren eröffnet, besteht die Gefahr der Haftung für den Veräußerer. Auch ein zeitanteiliger Ausgleich im Innenverhältnis zum insolventen Erwerber erfolgt nicht für diese Freizeitansprüche, da sie vor dem Betriebsübergang begründet wurden. 852 853 BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408. Hessisches LAG v. 10.09.2008 – 8 Sa 1595/07, NZA 2009, 615. 274 Exkurs Insolvenzrecht: Nach § 45 InsO werden Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind, mit dem Wert angenommen, der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann. In diesem Punkt wird die Entscheidung mit dogmatischen Argumenten kritisiert.854 Die Wirkung der Umrechnung einer Insolvenzforderung gemäß § 45 InsO gelte nur im Verhältnis Gläubiger und Schuldner, nicht gegenüber mithaftenden Dritten. Gegenüber dem Veräußerer sei der Anspruch trotz Insolvenzeröffnung immer noch ein Freistellungsanspruch gegen Entgelt. Diesen könne er aber gemäß § 275 BGB nicht mehr erfüllen. Zudem sei die Haftung nach § 613a Abs. 2 BGB auch zeitlich nicht mit dem Abgeltungsanspruch zu begründen. Der Veräußerer hafte danach nur für Ansprüche, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind. Der Abgeltungsanspruch entstünde nach der Rechtsprechung des LAG aber erst mit der Insolvenzeröffnung, also nach dem Betriebsübergang e) Altersteilzeit Altersteilzeitarbeitsverhältnisse gehen auch dann, wenn der ursprüngliche Arbeitgeber insolvent wurde, vollständig auf den Erwerber über. Dies gilt auch für solche Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, bei denen sich der Arbeitnehmer bereits in der Freistellungsphase befindet.855 Hat der Betriebserwerber den Betrieb(steil) aus der Insolvenz erworben, haftet er nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nur für das Entgelt, welches "spiegelbildlich" für die Vorleistung geschuldet ist, welche der Arbeitnehmer nach der Insolvenzeröffnung noch in der Arbeitsphase erbracht hat. 856 Insoweit handelt es sich um Masseverbindlichkeiten. Das gilt besonders für Ansprüche auf Zahlung des Arbeitsentgelts und der Aufstockungsbeträge in der Freistellungsphase. So haftet der Erwerber nicht, wenn sich der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits in der Freistellungsphase befindet. Befindet sich der Arbeitnehmer hingegen im Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch in der Arbeitsphase, haftet der Erwerber in der Freistellungsphase sowohl für das Arbeitsentgelt als auch die Aufstockungsbeträge nur eingeschränkt: o zum einen in dem zeitlichen Umfang, in dem bei ihm nach dem Betriebsübergang die Arbeitsphase noch gedauert hat,857 o zum anderen „spiegelbildlich“ für die Monate der Freistellungsphase, für die der Altersteilzeitler nach der Insolvenzeröffnung beim Veräußerer die Arbeitsleistung erbracht hatte. 854 Henssen, jurisPR-ArbR 25/2009, Anm. 2. Siehe dazu Kapitel G. 856 BAG v. 31.01.2008 – 8 AZR 27/07, NZA 2008, 705; BAG v. 31.01.2008 – 8 AZR 54/07, NZA 2009, 432; BAG v. 30.10.2008 – 8 AZR 54/07, NZA 2009, 432. 857 BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408. 855 275 1. ATZ-Jahr 2. ATZ-Jahr Arbeitsphase Freistellungsphase Entstandene Ansprüche nach Insolvenzeröffnung Arbeitsphase beim Erwerber Arbeitsentgelt und Aufstockungsbeträge Insolvenzeröffnung Haftung: Spiegelbildliche Entstandene FreistellungsAnsprüche phase nach beim Erwerber Insolvenzeröffnung Arbeitsentgelt und Aufstockungsbeträge Betriebsübergang Beispiel: Altersteilzeitler A befindet sich ab dem 01.01.2014 in zweijähriger verblockter Altersteilzeit. Am 01.01.2015 wechselt er in die Freistellungsphase. Der Veräußerer wird insolvent und der Erwerber übernimmt den Betrieb am 01.11.2014 nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.10.2014. Der Erwerber muss dem A für insgesamt 5 Monate, für November 2014 und Dezember 2014 sowie für Oktober, November und Dezember 2015, das vereinbarte Altersteilzeitentgelt samt den Aufstockungsbeträgen zahlen. Ggf. haftet er zusätzlich für Oktober 2014. f) Sozialplanansprüche Die grundsätzliche Haftung des Erwerbers für Sozialplanansprüche der Arbeitnehmer außerhalb der Insolvenz858 besteht in den Fällen eines insolventen Veräußerers nicht. Der Erwerber haftet für Ansprüche aus einem Sozialplan, der vor der Insolvenzeröffnung vom Veräußerer abgeschlossen wurde, wegen der insolvenzrechtlichen Haftungsbeschränkung nicht.859 Wurde vom Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Sozialplan abgeschlossen, scheidet ebenfalls eine Haftung des Erwerbers für darin begründete Abfindungsansprüche der Arbeitnehmer aus, wenn diese auf ihn übergegangen sind.860 Dies hat das BAG zur Rechtslage nach der Konkursordnung mit folgenden Argumenten entschieden: Obwohl es sich bei Sozialplanverbindlichkeiten gemäß § 123 Abs. 2 InsO um Masseverbindlichkeiten handelt, für die der Erwerber grundsätzlich haftet, sei hier eine Ausnahme von diesem Grundsatz zu machen, da der tragende Grund für die Haftungsbeschränkung bei Betriebsübergängen in der Insolvenz auch für Sozialplanansprüche zuträfe. 858 Siehe dazu Kapitel D „Rechtsfolgen – Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung“. Lembke, BB 2007, 1333; BAG v. 15.01.2002 – 1 AZR 58/01 NZA 2002, 1034 (zur Konkursordnung). 860 BAG v. 15.01.2002 – 1 AZR 58/01, NZA 2002, 1034. 859 276 Würde der Erwerber für Ansprüche aus einem Sozialplan haften, den der Insolvenzverwalter abgeschlossen habe, ginge dies zu Lasten der Insolvenzmasse, da der Erwerber in diesem Fall den Kaufpreis entsprechend schmälern würde und die anderen Gläubiger des Insolvenzschuldners gegenüber den Arbeitnehmern benachteiligt würden. Aufgrund dieser Argumente gilt die Entscheidung des BAG auch nach der Einführung der Insolvenzordnung weiterhin.861 Ein Restrisiko bis zur höchstrichterlichen Klärung bleibt für den Erwerber jedoch bestehen. g) Abfindungsansprüche Wird zwischen dem Arbeitnehmer und dem Veräußerer ein Aufhebungsvertrag inklusive eines Abfindungsanspruchs vor der Insolvenzeröffnung vereinbart, so haftet nach Ansicht des Hessischen LAG862 der Erwerber dafür nicht, selbst dann nicht, wenn die Abfindungsforderung erst nach der Insolvenzeröffnung entsteht. h) Kündigung und behördliche Zustimmung Das BAG863 hat entschieden, dass sich der Erwerber auf eine vom Insolvenzverwalter beim Integrationsamt beantragte und ihm erteilte Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers nicht berufen kann. Praxishinweis: Aus den Entscheidungsgründen lässt sich der Schluss ableiten864, dass der Insolvenzverwalter dem Integrationsamt den Hinweis auf den beabsichtigten Betriebsübergang geben sollte, sodass der Erwerber am Zustimmungsverfahren nach §§ 1, 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X beteiligt werden kann und ihm letztlich nach erfolgtem Betriebsübergang der Zustimmungsbescheid zugestellt wird. i) Betriebliche Altersversorgung aa) Haftungsbeschränkung Die Frage nach der Haftung für Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung spielt wegen der hohen finanziellen Belastungen eine besonders erhebliche Rolle.865 Die vom BAG aufgestellten Grundsätze zur Haftungsbeschränkung für Betriebsübergänge in der Insolvenz gelten auch im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Die Haftungsbeschränkung gilt unabhängig davon, ob die Versorgungszusagen aus individualrechtlichen Zusagen oder aus kollektivrechtlichen Regelungen stammen.866 Der Erwerber tritt gemäß § 613a Abs. 1 BGB – wie in allen anderen Betriebsübergangsfällen außerhalb der Insolvenz – in die unverfallbaren und verfallbaren Versorgungsanwartschaften der übergehenden Arbeitnehmer ein.867 Er haftet jedoch nicht für die bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Versorgungsanwartschaften.868 861 Henssler/Willemsen/Kalb, § 613a BGB, Rn. 365. Hessisches LAG v. 21.05.2013 – 8 Sa 1235/12. 863 BAG v. 15.11.2012 – 8 AZR 827/11. 864 Zimmermann/Gerstung, jurisPR-ArbR 46/2014 Anm. 4. 865 Gantenberg/Hinrichs/Janko, ZinsO 2009, 1000. 866 BAG v. 15.01.2002 – 1 AZR 58/01, NZA 2002, 1034, Lembke, BB 2007, 1333. 867 Siehe dazu Kapitel H. 868 BAG v. 22.12.2009 – 3 AZR 814/07; BAG v. 19.05.2005 – 3 AZR 649/03, DB 2005, 2362; BAG v. 29.10.1985 – 3 AZR 485/83, DB 1986, 1779. 862 277 Für diese muss vielmehr 869 (§ 7 Abs. 2 BetrAVG). der Pensionssicherungsverein (PSV) haften Der PSV haftet jedoch nur für die Versorgungsanwartschaften, die aus den Durchführungswegen Direktzusage, Unterstützungskasse oder einem Pensionsfonds stammen.870 Zudem beschränkt sich die Einstandspflicht des PSV gleichlaufend mit der Haftungsbeschränkung des Erwerbers auf bereits bestehende Versorgungsansprüche nach Eintritt des Versorgungsfalls sowie auf die nach § 1b BetrAVG unverfallbaren Versorgungsanwartschaften. Spätere Änderungen der Versorgungsordnung, z. B. Änderung der festen Altersgrenzen, sind gegenüber dem PSV unerheblich.871 Die Einstandspflicht des PSV greift auch dann, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird (§ 7 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 BetrAVG). Praxishinweis: Es ist daher eine Fehlvorstellung, dass die Übernahme eines Betriebs aus der Insolvenz zu einer vollständigen Enthaftung des Erwerbers in Bezug auf die vom Veräußerer zugesagte Altersversorgung führt. Die Haftungsbeschränkung gilt ausschließlich für die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits erdienten Versorgungsanwartschaften, nicht erst ab Betriebsübergang! Zudem haftet der Erwerber für die künftig zu erdienenden Versorgungsbestandteile. Insoweit können erhebliche finanzielle Belastungen für den Erwerber entstehen. Anders als bei Betriebsübergängen außerhalb der Insolvenz, kann der Erwerber im Übrigen auch nicht aus anderen Haftungsgründen, speziell den §§ 25, 28 HGB, für bereits begründete Versorgungsanwartschaften und Betriebsrenten haften, da diese Vorschriften nach der Rechtsprechung des BGH in der Insolvenz keine Anwendung finden.872 Die Haftungsbeschränkung des Erwerbers bleibt auch dann bestehen, wenn das Insolvenzverfahren später mangels Masse nach § 207 InsO eingestellt wird.873 Hingegen greift die Haftungsbeschränkung des Erwerbers – anders als bei der Einstandspflicht des PSV – nicht ein, wenn bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird.874 bb) Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern (1) Verzicht Vereinbarungen mit den übergehenden Arbeitnehmern zum Verzicht auf bereits unverfallbare Anwartschaften sind schon wegen § 17 BetrAVG unwirksam.875 Auch der Verzicht auf die künftige Altersversorgung ist grundsätzlich wegen der Umgehung von § 613a BGB unwirksam. Er kann aber zulässig sein bei Vorliegen eines sachlichen Grundes.876 869 BAG 11.02.1992 – 3 AZR 117/91, NZA 1993, 20; BAG v. 16.02.1993 – 3 AZR 347/92, NZA 1993, 643. 870 Wisskirchen/Bissels, BB 2009, 2142. 871 BAG v. 17.09.2008 – 3 AZR 865/06, NZA 2009, 440; BAG v. 28.10.2008 – 3 AZR 903/07, NZA-RR 2009, 327. 872 BGH v. 11.04.1988 – II ZR 313/87, DB 1988, 1437. 873 BAG v. 11.02.1992 – 3 AZR 117/91, NZA 1993, 20. 874 BAG v. 20.11.1984 – 3 AZR 584/83, NZA 1985, 393. 875 BAG v. 12.05.1992 – 3 AZR 247/91, NZA 1992, 1080. 876 BAG v. 29.10.1985 – 3 AZR 485/83, DB 1986, 1779. 278 Der Betriebsübergang als solcher stellt keinen sachlichen Grund für einen Verzicht oder auch nur eine Änderung dar.877 Der dauerhafte Erhalt von Arbeitsplätzen durch den Verzicht kann als sachlicher Grund angesehen werden.878 (2) Abfindung Zwar kann der Insolvenzverwalter die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdienten Betriebsrenten-Anwartschaften nach § 3 Abs. 4 BetrAVG (auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers) abfinden. Eine Abfindung scheidet jedoch aus, wenn es zu einem Betriebsübergang kommt.879 (3) Eingriff / Modifizierung Bei einem Eingriff in die bestehende Versorgungszusage für künftige Zuwächse bedarf es eines „triftigen“ Grundes.880 Triftige wirtschaftliche Gründe liegen vor, wenn bei Weitergeltung der bisherigen Versorgungsregelung der Bestand des Unternehmens des Erwerbers gefährdet ist. Der Erwerber kann sich auch auf eine Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen oder eine eventuelle Unmöglichkeit, einem bisher bestehenden Versorgungssystem beizutreten (z. B. wenn bislang eine Unterstützungskasse bestand881) berufen. Denkbar scheint, den Arbeitnehmern ohne Anrechnung der beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten die Aufnahme in das beim Erwerber bestehende Versorgungswerk anzubieten bzw. sie über eine Betriebsvereinbarung in das beim Erwerber bestehende Versorgungswerk aufzunehmen. Insoweit dürften auch bei Betriebs(teil)übergängen in der Insolvenz keine anderen Regeln als bei Betriebs(teil)übergängen außerhalb der Insolvenz882 gelten. Praxishinweis: Es ist daher davon abzuraten, einen entschädigungslosen Verzicht auf eine Versorgungszusage zu vereinbaren oder eine Abfindungsvereinbarung abzuschließen. Im letzteren Fall ist der Erwerber dem Risiko der doppelten Inanspruchnahme ausgesetzt; zum einen aus der Abfindungsvereinbarung und zum anderen aus der Versorgungszusage. Den übergehenden Arbeitnehmern kann aber ggf. eine andere – gleichwertige – Versorgungsform angeboten werden.883 j) Betriebsratskosten Nach der Rechtsprechung des BAG sollen grundsätzlich außerhalb der Insolvenz auch Ansprüche des Betriebsrates bzw. seiner Mitglieder nach § 40 Abs. 1 BetrVG gemäß § 613a BGB auf den Erwerber übergehen. Ebenso wie bei Ansprüchen der Arbeitnehmer scheidet jedoch eine Haftung des Erwerbers für Kostentragungs- bzw. Freistellungsansprüche des Betriebsrates nach § 40 Abs. 1 BetrVG aus, wenn diese vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden.884 877 BAG v. 29.10.1985 – 3 AZR 485/83, DB 1986, 1779. BAG v. 29.10.1985 – 3 AZR 485/83, DB 1986, 1779. 879 BAG v. 22.12.2009 – 3 AZR 814/07, NZA 2010, 568. 880 BAG v. 09.12.2008 – 3 AZR 348/07, NZA 2009, 1341. 881 Siehe dazu Kapitel H. 882 Dazu Kapitel D. 883 Meyer, NZA 2002, 246. 884 BAG v. 20.08.2014 – 7 ABR 60/12; BAG v. 13.07.1994 – 7 ABR 50/93, NZA 1994, 1144. 878 279 Diese Forderungen stellen dann einfache Insolvenzforderungen dar, die vom Betriebsrat dem Insolvenzverwalter gegenüber geltend zu machen sind.885 Beispiel: 886 Der Betriebsrat der in Insolvenz gegangenen Firma V hatte im September 1991 einen Rechtsanwalt mit der Einleitung eines gegen den Veräußerer gerichteten Beschlussverfahrens beauftragt. Das Insolvenzverfahren wurde im Oktober 1991 eröffnet. Danach übernahm der Erwerber den Betrieb. Der Betriebsrat nahm den Antrag im Januar 1992 zurück. Der von ihm beauftragte Rechtsanwalt verlangte nun vom Erwerber sein Honorar. Die Klage wurde abgewiesen, da sich der Erwerber auf die Haftungsbeschränkung in der Insolvenz berufen kann. Bei laufenden Verhandlungen oder Auseinandersetzungen mit dem Betriebsrat über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus stellt sich für den Erwerber ebenfalls die Haftungsfrage. Das BAG887 vertritt die Auffassung, dass die Rechtsanwaltskosten Insolvenzforderungen sind, wenn der Betriebsrat diesen für die Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen als Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG hinzugezogen hat, auch wenn diese Tätigkeit nach der Insolvenzeröffnung noch andauert. Die Begründung von Masseverbindlichkeiten im insolvenzrechtlichen Sinn erfordere, dass es sich um ein vom Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung eingegangenes Schuldverhältnis handelt. Die Beratertätigkeit des Rechtsanwalts sei teilbar und im konkreten Fall vor der Insolvenzeröffnung erbracht worden. Nimmt der Insolvenzverwalter allerdings ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren (z. B. Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG) auf, sind die Kosten nach der früheren BAG-Rechtsprechung888 nach § 40 Abs. 1 BetrVG Masseverbindlichkeiten, für die der Erwerber haften kann. Mit der Aufnahme des Verfahrens begründe der Insolvenzverwalter durch sein Handeln nach Insolvenzeröffnung eine Masseverbindlichkeit. In der aktuellen Entscheidung lässt das BAG ausdrücklich die Frage offen, ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist. Praxishinweis: Aufgrund dieser Rechtsprechungsentwicklung empfiehlt es sich für den Erwerber, die Freistellungs- und Kostenansprüche des Betriebsrates, die vor der Insolvenzeröffnung begründet wurden, zurückzuweisen. 885 BAG v. 09.12.2009 – 7 ABR 90/07, NZA 2010, 461. BAG v. 13.07.1994 – 7 ABR 50/93, NZA 1994, 1144. 887 BAG v. 09.12.2009 – 7 ABR 90/07, NZA 2010, 461. 888 BAG v. 17.08.2005 – 7 ABR 56/04, NZA 2006, 109. 886 280 Zusammenfassender Überblick Haftung des Erwerbers für vor Insolvenzeröffnung begründete Ansprüche der Arbeitnehmer Laufendes Arbeitsentgelt NEIN Echter Entgeltcharakter Einmalzahlungen Sonderleistungen (z. B. Weihnachtsgeld) Urlaubsansprüche Arbeitszeitkonten Altersteilzeit Ansprüche in der Freistellungsphase Anmerkungen Betriebsübergang in Freistellungsphase NEIN Abhängig vom Fälligkeitsdatum soweit zeitanteilig vor Insolvenzeröffnung erdient NEIN, wenn fällig vor Insolvenzeröffnung JA, wenn fällig nach Insolvenz JA können nicht zeitanteilig aufgeteilt werden NEIN Achtung! Aber ggf. Haftung des Veräußerers bei Insolvenz des Erwerbs innerhalb der Jahresfrist NEIN JA für Dauer der Arbeitsphase nach Insolvenzeröffnung und beim Erwerber NEIN gilt sowohl für Sozialplan des Erwerbers als auch des Insolvenzverwalters Betriebliche Altersversorgung NEIN aber für Versorgungsansprüche ab Insolvenzeröffnung Betriebsratskosten NEIN Ausnahme wenn Insolvenzverwalter kostenauslösendes Verfahren aufnimmt Sozialplanansprüche Betriebsübergang in Arbeitsphase 281 IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten aus Erwerbersicht 1. Kündigungen und Insolvenz Arbeitsverhältnisse gehen dann nicht auf den Erwerber über, wenn diese vor dem Betriebsübergang beendet sind. Für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Ablauf der Kündigungsfrist maßgeblich und nicht der Ausspruch der Kündigung. Der Insolvenzverwalter ist nach § 113 InsO befugt, Arbeitsverhältnisse ohne Einhaltung anderer vereinbarter Kündigungsfristen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende zu kündigen. Ggf. kürzere gesetzliche oder tarifliche Kündigungsfristen kann der Insolvenzverwalter ebenfalls nutzen. Nach der Rechtsprechung des BAG werden Unkündbarkeitsklauseln in Betriebsvereinbarungen889 oder in Tarifverträgen890 von § 113 InsO verdrängt. Praxishinweis: § 113 InsO normiert keinen besonderen Kündigungsgrund, sondern nur eine einheitliche (verkürzte) Kündigungsfrist. Der Insolvenzverwalter muss bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes § 1 KSchG beachten. 2. Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch gekündigter Arbeitnehmer Hat ein Insolvenzverwalter bereits vor dem Betriebsübergang betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen und sind diese nicht gemäß § 613a Abs. 4 BGB unwirksam, stellt sich die Frage nach einem Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch gegen den Erwerber. Außerhalb der Insolvenz beantwortet die Rechtsprechung diese Frage differenziert (vgl. Kapitel E. III. 5). In der Insolvenz verneint die Rechtsprechung einen solchen Anspruch grundsätzlich.891 Zusammenfassender Überblick Wiedereinstellungsanspruch Anmerkungen Vor Ablauf der Kündigungsfrist JA Anspruch muss noch während der Kündigungsfrist oder unverzüglich nach Kenntnis vom Betriebsübergang innerhalb eines Monats geltend gemacht werden Nach Ablauf der Kündigungsfrist NEIN Betriebsübergang 3. Umsetzung des Erwerberkonzepts vor Betriebsübergang § 128 Abs. 1 InsO ermöglicht es dem Betriebserwerber vor dem Betriebsübergang in Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter, eine Betriebsänderung durchführen. Die §§ 125 bis 127 InsO sind anwendbar. Die Betriebsänderung kann vom Erwerber geplant werden. Dem Insolvenzverwalter ist es möglich, bereits vor der Veräußerung die notwendigen Kündigungen auszusprechen und de889 BAG v. 22.09.2005 – 6 AZR 526/04, NZA 2006, 658. BAG v. 19.01.2000 – 4 AZR 70/99, NZA 2000, 658. 891 BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 324/97; BAG v. 13.05.2004 – 8 AZR 198/03 890 282 ren Wirksamkeit gerichtlich feststellen zu lassen.892 Der Erwerber kann den Betrieb an seine Bedürfnisse anpassen (lassen), bevor es zur eigentlichen Betriebsübernahme kommt. Der Sanierungsplan muss jedoch im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen haben. Allein die Forderung des Erwerbers, die Personalstärke zu verringern, genügt nicht.893 Praxishinweis: Es empfiehlt sich, das Erwerberkonzept möglichst konkret und detailliert auszuarbeiten. Exkurs – Insolvenzrecht894 § 125 InsO: Kommt ein Interessenausgleich zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat zustande, in dem die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich benannt werden, so wird § 1 KSchG dahin gehend modifiziert, dass die soziale Rechtfertigung der Kündigung vermutet wird. Die gerichtliche Überprüfung der Sozialauswahl ist auf drei Kriterien (Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten) und auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt. § 126 InsO: Kommt kein Interessenausgleich zustande, kann der Insolvenzverwalter beim Arbeitsgericht die Feststellung beantragen, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse, die in einer vorgelegten Namensliste enthalten sind, durch dringende betriebliche Gründe bedingt und sozial gerechtfertigt ist. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung erfolgt zwar nach den Grundsätzen des § 1 KSchG. Die gerichtliche Prüfung der Sozialauswahl ist aber auf die drei Kriterien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten beschränkt. § 127 InsO: Erhebt ein gekündigter Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage und hat der Insolvenzverwalter das Beschlussverfahren nach § 126 InsO durchgeführt, so ist die Feststellung aus dem Beschlussverfahren für das Kündigungsschutzverfahren bindend. Der Insolvenzverwalter kann aber auch erst nach Erhebung der Kündigungsschutzklage ein Beschlussverfahren nach § 126 InsO einleiten und das Verfahren auf die streitigen Fälle beschränken. Das bedeutet für den Kündigungsschutzprozess, dass dieser bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Beschlussverfahren auszusetzen ist. § 128 Abs. 2 InsO: Die Vermutung nach § 125 InsO und die Feststellung nach § 126 InsO erstreckt sich auch darauf, dass die Kündigung nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt (§ 613a Abs. 4 BGB). 892 Wisskirchen/Bissels, BB 2009, 2142. BAG v. 20.03.2003 – 8 AZR 97/02, NZA 2003, 1027. 894 Leister, ZInsO 2009, 1944. 893 283 Kapitel G: Altersteilzeit 287 I. Übergang der Altersteilzeitarbeitsverhältnisse 287 1. Übergang gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB 287 2. Anspruch auf Altersteilzeit nach Betriebsübergang 288 a) Anspruchsgrundlagen 288 3. Widerspruch von Altersteilzeitlern 289 a) Arbeitnehmer in der Freistellungsphase 289 b) Arbeitnehmer in der Arbeitsphase 289 c) Anspruchsbegrenzung 290 II. Inhalt der übergehenden Altersteilzeitarbeitsverhältnisse / Umfang der Einstandspflicht des Erwerbers 290 1. Grundsätzlicher Umfang der Einstandspflicht 290 2. Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf (bestehende) Altersteilzeitarbeitsverhältnisse 291 a) (Normative) Weitergeltung der Rechtsgrundlagen für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse 291 b) Transformation von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen 291 (1) Allgemeine Entgeltentwicklung bei Tarifbindung des Veräußerers (2) Allgemeine Entgeltentwicklung bei fehlender Tarifbindung des Veräußerers 292 293 c) Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB bei anderen (kollektivrechtlichen) Regelungen zur Altersteilzeit? 293 (1) Arbeitnehmer (noch) nicht in Altersteilzeit (2) Arbeitnehmer bereits mit Altersteilzeitvertrag 294 294 d) Rechtslage in Bezug auf individualrechtliche Vereinbarungen 295 e) Keine Altersteilzeitregelung beim Erwerber – Auswirkungen anderer Entgeltstrukturen 295 f) Auswirkungen weiterer Änderungen beim Arbeitsentgelt 296 III. Mithaftung des Veräußerers gemäß § 613a Abs. 2 BGB 298 1. Grundsätzliche Einstandspflicht des Veräußerers 298 a) Altersteilzeitentgelt 298 b) Aufstockungsbetrag und zusätzlicher Rentenversicherungsbeitrag 299 c) Bedeutung der Jahresgrenze 300 2. Außen- und Innenhaftung des Veräußerers für Ansprüche in der Freistellungsphase 301 a) Ausgangsüberlegung – Parallelen zu Urlaubsansprüchen 301 b) Übertragbarkeit auf Freistellungsphase – Außenhaftung gegenüber Altersteilzeitler 301 c) Übertragbarkeit – Innenhaftung gegenüber dem Erwerber 302 IV. Besonderheiten beim Erwerb eines Betriebes aus der Insolvenz 304 285 1. Haftungsbeschränkung aufgrund der Insolvenz 304 2. Verhältnis zum Träger der Insolvenzsicherung (§ 8a AltTZG) 306 286 Kapitel G: Altersteilzeit I. Übergang der Altersteilzeitarbeitsverhältnisse Wie der vom Gesetzgeber im Altersteilzeitgesetz (AltTZG) benutzte Begriff “Altersteilzeitarbeit” zeigt, handelt es sich auch bei den Rechtsverhältnissen in Altersteilzeit um Arbeitsverhältnisse. Für sie gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen, soweit sich aus dem Recht der Altersteilzeit nichts anderes ergibt.895 Die Frage nach Ansprüchen des Erwerbers auf die Erstattung der Aufstockungsbeträge und des zusätzlichen Rentenversicherungsbeitrags ist nur für Altersteilzeitfälle, die vor dem 1. Januar 2010 begonnen haben, relevant. Diese Fälle haben sich jedoch nach dem Ablauf von sechs Jahren mit Beginn des Jahres 2016 erledigt. 1. Übergang gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB Altersteilzeitarbeitsverhältnisse gehen wie alle anderen Arbeitsverhältnisse gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber eines Betriebes über und zwar auch dann, wenn sie sich bereits in der Freistellungsphase befinden.896 Für Altersteilzeitverhältnisse gilt also nichts anderes als für andere, ggf. ruhende Arbeitsverhältnisse.897 Gleichwohl werfen Altersteilzeitverhältnisse besondere Fragen auf, die im Folgenden dargestellt werden. Praxishinweis: Es besteht keine Möglichkeit, im Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber zu regeln, dass Altersteilzeitarbeitsverhältnisse (auch nicht solche in der Freistellungsphase) nicht auf den Erwerber übergehen, da § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zwingendes Recht ist. Die Altersteilzeitverhältnisse können nur dann beim Veräußerer verbleiben, wenn die Altersteilzeitler das ihnen nach § 613a Abs. 6 BGB zustehende Widerspruchsrecht ausüben oder zwischen ihnen und dem Veräußerer vertraglich geregelt wird, dass ihre Arbeitsverhältnisse bei letzterem verbleiben. Wirtschaftliche Diskrepanzen ergeben sich für den Erwerber vor allem deshalb, weil der Veräußerer in der Arbeitsphase zwar die volle Arbeitsleistung des Altersteilzeitlers erhalten, dafür aber monatlich nur die Hälfte des damit erzielten Verdiensts gezahlt hat. Es besteht für den Erwerber das Risiko, dass er wegen des Übergangs der Altersteilzeitarbeitsverhältnisse für eine Arbeitsleistung zahlen muss, die er nicht erhalten hat und die er auch nicht erhalten wird. Allerdings ist zu beachten, dass der frühere Arbeitgeber über § 613a Abs. 2 BGB zumindest zum Teil für die nach dem Betriebsübergang noch entstehenden Ansprüche der Altersteilzeitarbeitnehmer gesamtschuldnerisch mithaftet. Praxishinweis: Zu beachten ist für den Erwerber, dass er beim Übergang von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen zur Insolvenzsicherung nach § 8a AltTZG verpflichtet ist. 895 BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408. BAG v. 31.01.2008 – 8 AZR 27/07, NZA 2008, 705 (zur Freistellungsphase); BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408 (zur Arbeitsphase). 897 Allgemein dazu Kapitel D. 896 287 2. Anspruch auf Altersteilzeit nach Betriebsübergang Für den Erwerber stellt sich vor allem dann, wenn Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder auch kollektivbezogene individualvertragliche Instrumente (z. B. Gesamtzusage) dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Altersteilzeit einräumen (§ 2 Abs. 2 AltTZG), die Frage, ob die übergehenden Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang den hierdurch eingeräumten Anspruch auf den Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung behalten. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz geht offensichtlich davon aus, dass der Anspruch auf Altersteilzeit aufgrund tariflicher Regelungen beim Veräußerer nur dann gegenüber dem Erwerber geltend gemacht werden kann, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt bzw. eine rechtserhebliche Anwartschaft besitzt.898 Zu bereits vor einem Betriebsübergang tariflich vereinbarten Entgelterhöhungen mit späterer Fälligkeit hat das BAG899 jedoch entschieden, dass der übergegangene Arbeitnehmer darauf gegen den Erwerber einen Anspruch hat. Zu den bestehenden Rechten und Pflichten nach § 613a BGB gehörten nicht nur die aktuell realisierten Rechte und Pflichten, sondern alle, auf die sich eine der Vertragsparteien bei unveränderter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses berufen könne. Ob diese Rechtsprechung auf die Altersteilzeit zu übertragen ist, bleibt abzuwarten. a) Anspruchsgrundlagen Dies ist nach den allgemeinen Regeln zu § 613a BGB zu beurteilen. Gelten also Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen auch nach dem Betriebsübergang normativ weiter, behalten die übergehenden Arbeitnehmer grundsätzlich einen etwaigen Anspruch auf Altersteilzeit. Werden Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformiert und nicht durch eine beim Erwerber geltende kollektivrechtliche Regelung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst, gilt wohl, dass die Arbeitnehmer einen Anspruch auf den Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung behalten, da es sich bei den entsprechenden kollektivrechtlichen Regelungen um sog. Inhaltsnormen handeln dürfte, die den Arbeitnehmern individuelle Rechte einräumen. Beruht der Anspruch auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung auf einer individualrechtlichen Grundlage, also z. B. einer Gesamtzusage, geht der entsprechende Anspruch der Arbeitnehmer gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über. Die Arbeitnehmer des Veräußererbetriebes können gegebenenfalls einen Anspruch auf Altersteilzeit aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz haben, wenn der Veräußerer mit mehreren Arbeitnehmern oder bestimmten Arbeitnehmergruppen Altersteilzeitverträge abgeschlossen hat und ein sachlicher Differenzierungsgrund für den konkreten Arbeitnehmer nicht vorliegt. Dieser Anspruch kann auf den Erwerber übergehen. Eine solche Verpflichtung beschränkt sich jedoch auf die übergehenden Arbeitnehmer. 898 899 LAG Rheinland-Pfalz v. 25.11.2008 – 3 Sa 422/08. BAG v. 19.09.2007 – 4 AZR 711/06, NZA 2008, 241; LAG Rheinland-Pfalz v. 13.01.2015 – 8 Sa 280/14. 288 Der Anspruch der übergehenden Arbeitnehmer richtet sich dabei nicht nur auf den Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung selbst, sondern auch darauf, diese Vereinbarung zu den Bedingungen abschließen zu können, die mit dem Veräußerer vereinbart wurden. Dies ist nur anders, wenn eine beim Erwerber geltende kollektivrechtliche Regelung ablösende Wirkung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 oder 4 BGB hat. Praxishinweis: Für alle Anspruchsgrundlagen gilt: Aufgrund der Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz900 könnte eine zeitliche Nähe zwischen Betriebsübergang und Erreichen des erforderlichen Lebensalters gefordert werden. 3. Widerspruch von Altersteilzeitlern Auch Altersteilzeitarbeitnehmer haben nach § 613a Abs. 6 BGB das Recht, dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen. Der Widerspruch hat zur Folge, dass der Veräußerer weiterhin Arbeitgeber des widersprechenden Altersteilzeitarbeitnehmers bleibt. Dies kann zu verschiedenen Problemen führen, wenn der Veräußerer für den Altersteilzeitarbeitnehmer keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr hat und daher eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen will. a) Arbeitnehmer in der Freistellungsphase Befindet sich der widersprechende Altersteilzeitler bereits in der Freistellungsphase, ist eine betriebsbedingte Kündigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses durch den Veräußerer ausgeschlossen.901 Der Veräußerer ist also bis zur Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses sowohl zur Zahlung des Altersteilzeitentgelts als auch der Aufstockungsbeträge verpflichtet. b) Arbeitnehmer in der Arbeitsphase Befindet sich dagegen der widersprechende Altersteilzeitler noch in der Arbeitsphase, darf der Veräußerer wohl jedenfalls dann eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen, wenn das Arbeitsverhältnis noch in der Arbeitsphase beendet werden soll.902 Praxishinweis: Das gilt jedenfalls dann, wenn die ordentliche Kündbarkeit des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Altersteilzeitvertrag vereinbart ist. Fehlt es daran, wird wahrscheinlich schon § 15 Abs. 3 TzBfG einer betriebsbedingten Kündigung entgegenstehen. Der Veräußerer wird – wie in anderen Widerspruchsfällen – ggf. prüfen müssen, ob der Altersteilzeitler gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 b) KSchG weiterbeschäftigt werden kann und er wird u. U. eine Sozialauswahl durchführen müssen. Ist eine betriebsbedingte Kündigung zulässig, tritt ein sog. Störfall ein, sodass das Altersteilzeitarbeitsverhältnis mittels der hierzu entwickelten Grundsätze abzuwickeln ist. 900 LAG Rheinland-Pfalz v. 25.11.2008 – 3 Sa 422/08. BAG v. 05.12.2002 – 2 AZR 571/01, NZA 2003, 789. 902 BAG v. 16.06.2005 – 6 AZR 476/04, DB 2005, 2303; BAG v. 23.02.2005 – 10 AZR 602/03, NZA 2005, 694 (Kündigungsbefugnis des Insolvenzverwalters). 901 289 c) Anspruchsbegrenzung Wird der tarifliche Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages transformiert, muss sich der Erwerber jedenfalls dann auch auf die in diesen Tarifverträgen enthaltenen Begrenzungen entsprechender Ansprüche der Arbeitnehmer berufen können, wenn er einen gesamten Betrieb übernommen hat. Ist also z. B. wie in den Metalltarifverträgen eine sog. Überforderungsgrenze enthalten, kann sich der Erwerber darauf berufen. Der entsprechende Anspruch der Arbeitnehmer steht insoweit unter einer aufschiebenden Bedingung, die ebenfalls nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert wird. Gleiches gilt für entsprechende Betriebsvereinbarungen oder individualrechtliche Regelungsinstrumente, soweit diese – wie in § 2 Abs. 2 AltTZG vorgesehen – die tarifvertragliche Altersteilzeitregelung in Bezug nehmen. Zusammenfassender Überblick Übergang § 613a Abs. 1 S. 1 BGB Widerspruch/ Kündigung Ansprüche auf ATZ Altersteilzeitarbeitsverhältnis ist Arbeitsverhältnis und wird ebenso vom Betriebsübergang erfasst Arbeitsphase Betriebsbedingte Kündigung grundsätzlich möglich Freistellungsphase Betriebsbedingte Kündigung ausgeschlossen Aufgrund von Transformation oder Ablösung gehen Ansprüche i. d. R. auf Erwerber über, jedoch auch mit normierten Anspruchsbegrenzungen (Überforderungsschutz) II. Inhalt der übergehenden Altersteilzeitarbeitsverhältnisse / Umfang der Einstandspflicht des Erwerbers 1. Grundsätzlicher Umfang der Einstandspflicht Geht ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf den Erwerber über, muss es grundsätzlich zu den Bedingungen fortgeführt werden, die der Altersteilzeitarbeitnehmer mit dem Veräußerer vereinbart hat. Der Erwerber tritt also in alle Verpflichtungen ein, die sich aus dem Altersteilzeitvertrag ergeben, d. h. er ist sowohl zur Zahlung des Altersteilzeitentgelts als auch der vereinbarten Aufstockungsbeträge verpflichtet.903 Sollten weitergehende Leistungen des Arbeitgebers vereinbart sein, muss der Erwerber auch diese erfüllen, wie z. B. die Weitergewährung von Sachleistungen oder Zusagen, eine betriebliche Altersversorgung weiterzuführen.904 Da die zu den Rechtsfolgen des § 613a BGB entwickelten Rechtsgrundsätze auch auf Altersteilzeitarbeitsverhältnisse Anwendung finden, können sich die Inhalte der Altersteilzeitarbeitsverhältnisse nach einem Betriebsübergang ebenfalls ändern. Dies wird im Folgenden anhand der einzelnen denkbaren Fallgestaltungen dargestellt. 903 904 BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408. BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408. 290 2. Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf (bestehende) Altersteilzeitarbeitsverhältnisse a) (Normative) Weitergeltung der Rechtsgrundlagen für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse Wenn die den übergehenden Altersteilzeitverhältnissen zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen – i. d. R. in Form eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung – normativ weitergelten, bleibt hinsichtlich der Ausgestaltung der Altersteilzeitarbeitsverhältnisse „alles beim Alten“, d. h. sie werden unverändert weitergeführt. Beispiel: Der Erwerber ist Mitglied des gleichen tarifschließenden Arbeitgeberverbandes wie der Veräußerer. Die Rechtsgrundlage für das Altersteilzeitverhältnis bleibt der einschlägige Tarifvertrag. Probleme kann es jedoch dann geben, wenn der Veräußerer die Altersteilzeitvereinbarungen gemäß § 2 Abs. 2 AltTZG auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung mit Bezugnahme auf einen Altersteilzeittarifvertrag abgeschlossen hat und der übergehende Betrieb bzw. Betriebsteil nach dem Betriebsübergang nicht mehr unter den Geltungsbereich des in der Betriebsvereinbarung Bezug genommenen Altersteilzeittarifvertrages fällt. Beispiel: Ein nicht verbandsangehöriger Arbeitgeber aus der Metallbranche vereinbart mit seinem Betriebsrat die Geltung des für ihn räumlich geltenden Metall-Altersteilzeittarifvertrages. Er gliedert später seine Vertriebsabteilung aus, in der sich bereits einige Mitarbeiter in Altersteilzeit befinden. Praxishinweis: Eine solche Bezugnahme ist gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 AltTZG immer dann erforderlich, wenn eine Altersteilzeit von mehr als drei Jahren vereinbart werden soll. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob sich das Herausfallen aus dem Geltungsbereich eines in Bezug genommenen Tarifvertrages in irgendeiner Form auf die Altersteilzeitarbeitsverhältnisse auswirkt. Zumindest für bestehende Verträge muss ein Bestands- und Inhaltsschutz gewährleistet sein. Auch die Bundesagentur für Arbeit905 geht davon aus, dass die Altersteilzeitverhältnisse in diesem Fall unverändert weitergeführt werden können. Dies soll auch für die Altersteilzeitverhältnisse gelten, die rechtswirksam mit Wirkung für die Zukunft mit dem bisherigen Arbeitgeber vereinbart wurden, die Altersteilzeitarbeit aber erst beim neuen Arbeitgeber einsetzt. b) Transformation von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen Kommt es gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zu einer Transformation von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen auf die Ebene des Arbeitsverhältnisses, ändert sich in Bezug auf bereits abgeschlossene Altersteilzeitverträge i. d. R. nichts. Diese gehen mit den vereinbarten Arbeitsbedingungen auf den Erwerber über. Er bleibt damit insbesondere zur Zahlung des vereinbarten bzw. tariflichen Altersteilzeitentgelts sowie der – tariflich ebenfalls meist festgelegten – Aufstockungsbeträge verpflichtet. 905 Durchführungsanweisung der BA, Ziffer 2.3 Abs. 2, Stand 01.06.2015. 291 Dass der dem Altersteilzeitvertrag zugrunde liegende Tarifvertrag nicht mehr normativ gilt, hat auf die Wirksamkeit dieses Vertrages keine Auswirkungen. Dies ergibt sich schon daraus, dass auch Altersteilzeitverträge mit nicht organisierten Arbeitnehmern, die sich an den tariflichen Vorgaben ausrichten, ohne Zweifel wirksam sind, obwohl auch in diesem Fall der Tarifvertrag nur schuldrechtlich und nicht normativ wirkt. Praxishinweis: Eine Transformation kollektivrechtlicher Altersteilzeitregelungen auf die arbeitsvertragliche Ebene wird dabei in Betracht kommen, wenn entweder im Betrieb des Erwerbers keine Altersteilzeitregelungen bestehen oder wenn er an andere (kollektivrechtliche) Altersteilzeitregelungen gebunden ist, die keine ablösende Wirkung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB haben. Beispiel: Der Veräußerer ist Mitglied in einem tarifschließenden Metallarbeitgeberverband, der Erwerber ist Mitglied eines tarifschließenden Gaststättenverbandes, der Altersteilzeitler ist Mitglied der IG Metall. Beide Verbände haben Altersteilzeittarifverträge abgeschlossen. Da es jedoch nach dem Betriebsübergang an einer sog. kongruenten Tarifgebundenheit zwischen Erwerber und dem übergehenden Arbeitnehmer fehlt, werden die Metalltarifverträge gemäß § 613a Abs. 1 906 Satz 2 BGB transformiert und nicht von den Gaststättentarifverträgen abgelöst. (1) Allgemeine Entgeltentwicklung bei Tarifbindung des Veräußerers Probleme ergeben sich vor allem dann, wenn der Altersteilzeitarbeitnehmer aufgrund der tariflichen Vorgaben an der allgemeinen tariflichen Entgeltentwicklung teilnimmt. Hier stellt sich für den Erwerber die Frage, ob er Altersteilzeitlern tarifliche Entgelterhöhungen gewähren muss, die erst nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs vereinbart werden. Da die entsprechende tarifliche Bestimmung mit dem Abschluss des Altersteilzeitvertrages zum Bestandteil dieses Vertrages wird, scheint sich dies in der Tat aus § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zu ergeben. Zweifel an der dynamischen Entwicklung des Entgelts ergeben sich daraus, dass für alle anderen übergehenden Arbeitnehmer die beim Veräußerer geltenden Tarifverträge nur statisch transformiert werden, sodass sie an Tariferhöhungen, die nach Betriebsübergang vereinbart werden, i. d. R. nicht partizipieren.907 Im Ergebnis wird man dann, wenn für die aufgrund eines Betriebsübergangs übergehenden Arbeitnehmer ein beim Veräußerer geltender Entgelttarifvertrag nur noch statisch gilt, auch für die Altersteilzeitler annehmen müssen, dass sie an Tariferhöhungen nach Betriebsübergang nicht teilnehmen. Eine entsprechende (höchst-)richterliche Entscheidung zu dieser Frage steht noch aus. Dafür sprechen folgende Argumente: Wäre der Erwerber nur bei den Altersteilzeitarbeitnehmern verpflichtet, das Altersteilzeitentgelt entsprechend zu erhöhen, käme es also zu einer unterschiedlichen Behandlung von Altersteilzeitlern und anderen Arbeitnehmern. Dies ist jedoch mit dem Sinn und Zweck dieser speziellen Tarifklausel nicht vereinbar. Diese soll – ähnlich wie Bezugnahmeklauseln – bezwecken, dass Altersteilzeitler in Bezug auf tarifliche Entgeltentwicklungen genauso behandelt werden wie die anderen im Betrieb tätigen Arbeitnehmer, also eine Gleichstellung herbeiführen. Damit würde sich im Übrigen auch eine tarifliche Entgeltminderung auf das Altersteilzeitentgelt auswirken. 906 907 Siehe dazu Kapitel D. Siehe dazu Kapitel D. 292 Die Klausel deckt eine unterschiedliche Behandlung von Altersteilzeitlern und anderen Arbeitnehmern (nach einem Betriebsübergang) nicht ab, sodass eine Privilegierung der Altersteilzeitarbeitnehmer weder gewollt noch zu rechtfertigen ist. Ein anderes Ergebnis würde auch in Widerspruch insbesondere zur negativen Koalitionsfreiheit des Erwerbers stehen. Mit dieser Begründung wird ja auch im Rahmen der Transformation von Tarifverträgen eine dynamische Weitergeltung dieser Tarifverträge abgelehnt. Rechtstechnisch wird man dieses Ergebnis mittels einer Auslegung der entsprechenden (Tarif-)Klausel, die durch den Abschluss des Altersteilzeitvertrages Vertragsbestandteil wird, erreichen können; die Rechtslage ist insoweit – darauf wurde bereits hingewiesen – mit Bezugnahmeklauseln vergleichbar. Auch dort wird angenommen, dass nicht organisierte Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Tariferhöhungen haben, die nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs vereinbart werden. (2) Allgemeine Entgeltentwicklung bei fehlender Tarifbindung des Veräußerers Die vorgenannte Einschränkung bei der Transformation von Altersteilzeittarifverträgen dürfte allerdings nach der derzeitigen Rechtsprechung des BAG nur dann gelten, wenn der Veräußerer – i. d. R. über eine Verbandsmitgliedschaft – gem. § 4 Abs. 1 TVG an den transformierten Tarifvertrag gebunden war. War der Veräußerer nicht tarifgebunden, führt die nur schuldrechtlich wirkende Bezugnahme auf Tarifverträge nicht zur Anwendung des § 613a Abs. 1 Sätze 2 bis 4, sondern es ist allein § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB einschlägig. Damit schuldet ein Erwerber, der einen Betrieb von einem nicht tarifgebundenen Veräußerer übernimmt, allen übergehenden Arbeitnehmern (einschließlich Altersteilzeitlern) die nach Betriebsübergang neu vereinbarten Tariferhöhungen, soweit dies in der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel vereinbart ist.908 c) Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB bei anderen (kollektivrechtlichen) Regelungen zur Altersteilzeit? Ist der Erwerber an andere (kollektivrechtliche) Altersteilzeitregelungen als der Veräußerer gebunden, stellt sich die Frage, ob die Regelungen des Erwerbers abgelöst werden nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB. Insoweit ist fraglich, ob für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse die gleichen Regelungen wie für andere übergehende Arbeitsverhältnisse gelten. Das könnte vor allem zur Folge haben, dass sich die Altersteilzeitarbeitsverhältnisse der auf den Erwerber übergehenden Altersteilzeitarbeitnehmer nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs nach den beim Erwerber geltenden Regelungen richten, wenn eine beim Erwerber geltende kollektivrechtliche Regelung ablösende Wirkung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB hat. Denkbar sind auch hier die verschiedenen Ablösungskonstellationen, d. h. Tarifvertrag durch Tarifvertrag, Tarifvertrag durch Betriebsvereinbarung,909 Betriebsvereinbarung durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung durch Betriebsvereinbarung. 908 909 Siehe zu dem gesamten Komplex Kapitel D. Wegen des geringen Anwendungsbereichs der Über-Kreuz-Ablösung praktisch kaum denkbar. 293 Beispiel: Der an die Metalltarifverträge gebundene Veräußerer verkauft einen Betriebsteil an den Erwerber, der an die Textiltarifverträge gebunden ist. Da hinsichtlich der übergehenden Arbeitnehmer kongruente Tarifgebundenheit wegen der Zuständigkeit der IG Metall für beide Branchen gegeben ist, lösen die Altersteilzeittarifverträge der Textilindustrie die Altersteilzeittarifverträge der Metallindustrie ab. Das ist unter zwei Aspekten wichtig: Altersteilzeitregelung beim Erwerber günstiger: Sollte die beim Veräußerer geltende kollektivrechtliche Altersteilzeitregelung für die Arbeitnehmer bzw. Altersteilzeitler ungünstiger sein als die beim Erwerber geltende Altersteilzeitregelung, stellt sich die Frage, ob die übergehenden Altersteilzeitarbeitnehmer nach dem Betriebsübergang nunmehr verlangen können, dass ihre (bereits bestehenden) Altersteilzeitarbeitsverhältnisse nach den beim Erwerber geltenden Regelungen durchgeführt werden. Altersteilzeit beim Erwerber ungünstiger: Genau umgekehrt stellt sich hingegen die Lage dar, wenn die beim Erwerber geltende kollektivrechtliche Altersteilzeitregelung für die Altersteilzeitarbeitnehmer ungünstiger ist als die beim Veräußerer geltende. Dann stellt sich für den Erwerber die Frage, ob die auf ihn übergegangenen Altersteilzeitarbeitsverhältnisse nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs nunmehr allein nach den für ihn geltenden kollektivrechtlichen Regelungen durchgeführt werden können bzw. dürfen. Beide gerade gestellten Fragen können nur einheitlich beantwortet werden. Wenn man von einer ablösenden Wirkung und damit ggf. einer inhaltlichen Änderung der übergehenden Altersteilzeitarbeitsverhältnisse ausgeht, dann muss dies für beide Varianten gelten, d. h. unabhängig davon, ob die beim Erwerber geltende kollektivrechtliche Altersteilzeitregelung für die übergehenden Altersteilzeitarbeitnehmer ungünstiger ist oder nicht. Vor diesem Hintergrund ist folgende Lösung zu bevorzugen: (1) Arbeitnehmer (noch) nicht in Altersteilzeit Wird ein Altersteilzeittarifvertrag oder eine Altersteilzeitbetriebsvereinbarung von einem für den Erwerber geltenden Altersteilzeittarifvertrag oder einer Altersteilzeitbetriebsvereinbarung gem. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst, so hat dies zunächst zur Folge, dass die Arbeitnehmer, die sich (noch) nicht in Altersteilzeit befinden, nunmehr nur noch nach Maßgabe des beim Erwerber geltenden Tarifvertrages bzw. der Betriebsvereinbarung ggf. einen Anspruch auf Altersteilzeit haben. Der Altersteilzeitvertrag richtet sich dann allein nach den beim Erwerber geltenden tariflichen oder betrieblichen Bestimmungen. (2) Arbeitnehmer bereits mit Altersteilzeitvertrag Eine ganz andere Frage ist, ob die Verträge der Altersteilzeitarbeitnehmer, die bereits mit dem Veräußerer einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen haben, nunmehr dahin gehend geändert werden (müssen), dass sie den beim Erwerber geltenden tariflichen oder betrieblichen Altersteilzeitregelungen entsprechen. Dies ist ungeklärt. Es spricht jedoch mehr für eine Ablösung. Gegen eine ablösende Wirkung kann argumentiert werden, dass der bereits abgeschlossene Altersteilzeitvertrag nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber übergeht. 294 Allerdings wird sein Inhalt im Wesentlichen vom einschlägigen Altersteilzeittarifvertrag bzw. der einschlägigen Altersteilzeitbetriebsvereinbarung vorgegeben. Damit aber wirkt ein Altersteilzeittarifvertrag i. S. v. § 4 TVG bzw. eine Altersteilzeitbetriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG normativ auf die (freiwillig) abgeschlossenen Altersteilzeitverträge ein. Es besteht also insoweit kein Unterschied zu anderen Arbeitsverhältnissen. Geht man von der Ablöse-Prämisse nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB aus, muss man jedoch folgerichtig auch dann – ebenso wie bei anderen „normalen“ Arbeitsverhältnissen – davon ausgehen, dass nunmehr der neue Altersteilzeittarifvertrag bzw. die neue Altersteilzeitbetriebsvereinbarung normativ auf die übergegangenen Altersteilzeitarbeitsverhältnisse einwirkt. Dies hat dann zur Folge, dass sich nach dem Betriebsübergang die übergehenden Altersteilzeitarbeitsverhältnisse allein nach den beim Erwerber geltenden tariflichen oder betrieblichen Bestimmungen über die Altersteilzeit richten; unabhängig davon, ob diese für den Altersteilzeitarbeitnehmer günstiger sind oder nicht. Es gilt das Ablösungsprinzip. Der Erwerber wendet die kollektivrechtlichen Altersteilzeitregelungen an, die für ihn maßgebend sind. d) Rechtslage in Bezug auf individualrechtliche Vereinbarungen Wurden im Betrieb des Veräußerers die abgeschlossenen Altersteilzeitverträge auf eine individualrechtliche Grundlage gestützt, tritt in Bezug auf § 613a BGB nur dann kein rechtliches Problem auf, wenn die Individualvereinbarungen günstiger als die für den Erwerber maßgebenden Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen sind. Die Altersteilzeitverträge gehen hier schon wegen des Günstigkeitsprinzips mit dem Inhalt, den der Veräußerer vereinbart hat, auf den Erwerber über. Beim Erwerber geltende kollektivrechtliche Altersteilzeitvereinbarungen haben i. d. R. weder auf den Bestand noch auf den Inhalt solcher Altersteilzeitarbeitsverhältnisse Einfluss. Probleme können dann auftreten, wenn die beim Erwerber geltenden kollektivrechtlichen Regelungen günstiger als die mit dem Veräußerer abgeschlossenen Individualvereinbarungen sind. Wirken diese Kollektivvereinbarungen über § 4 Abs. 1 TVG oder § 77 Abs. 4 BetrVG normativ auf die Arbeitsverhältnisse der übergehenden Arbeitnehmer ein, stellen sich die gleichen Fragen wie gerade erörtert. Anders als bei der Ablösung durch Kollektivvereinbarungen ist hier aber das Verhältnis zwischen Individualvereinbarung und Kollektivregelung betroffen. Hier gilt im Ergebnis grundsätzlich das Günstigkeitsprinzip. e) Keine Altersteilzeitregelung beim Erwerber – Auswirkungen anderer Entgeltstrukturen Ein ganz anderes Problem stellt sich, wenn der Erwerber zwar tarifgebunden ist, aber keine Altersteilzeittarifverträge in seiner Branche bestehen. Wenn dann insbesondere hinsichtlich der Entgelttarifverträge eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB eintritt, stellt sich die Frage, ob sich das Altersteilzeitentgelt der Altersteilzeitarbeitnehmer nunmehr nach den veränderten tariflichen Entgeltbestimmungen richtet. Wenn ja, hätte dies auch Auswirkungen auf die Berechnung der Aufstockungsbeträge, da deren Berechnungsgrundlage nunmehr das veränderte Tarifentgelt wäre. Praxishinweis: Bei Altfällen bleibt in diesem Fall nur die prozentuale Höhe der (transformierten tariflichen) Aufstockungsbeträge unabhängig vom Entgelt unverändert; diese sind aber ggf. auf der Grundlage des veränderten Altersteilzeitentgelts neu zu berechnen. Der Bruttoaufstockungsprozentsatz wird nicht neu ermittelt. 295 Im Ergebnis tritt auch hier die Ablösung ein, da kein Grund ersichtlich ist, warum Altersteilzeitarbeitnehmer anders als die anderen übergehenden Arbeitnehmer behandelt werden sollten. Wenn diese anderen tariflichen Entgeltstrukturen unterfallen, muss dies also auch für Altersteilzeitarbeitnehmer gelten und zwar unabhängig davon, ob das beim Erwerber geltende Tarifentgelt niedriger oder höher als beim Veräußerer ist. Das Problem ist im Ansatz vergleichbar mit der bereits erörterten Frage, was gilt, wenn ein Entgelttarifvertrag statisch transformiert wird und die anderen übergehenden Arbeitnehmer daher nicht mehr an Tariferhöhungen nach Betriebsübergang partizipieren. Praxishinweis: Eine Änderung der geschuldeten Arbeitszeit für „normale“ Arbeitnehmer darf nicht auf Altersteilzeitmitarbeiter in der Arbeitsphase angewandt werden.910 In der Altersteilzeit gilt der Hälftigkeitsgrundsatz, d. h. die bisherige Arbeitszeit – also vor Beginn der Altersteilzeit – muss halbiert werden, § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG. Eine dauerhafte Änderung der Arbeitszeit von Altersteilzeitlern in der Arbeitsphase ist unzulässig und kann zum Wegfall sämtlicher steuerlicher, sozialversicherungsrechtlicher und erstattungsrechtlicher Vorteile führen. f) Auswirkungen weiterer Änderungen beim Arbeitsentgelt Neben den bereits behandelten Veränderungen können sich Auswirkungen auf das Arbeitsentgelt der übergehenden Arbeitnehmer auch aus anderen Gründen ergeben. So können z. B. Betriebsvereinbarungen über freiwillige Entgeltzusatzleistungen ersatzlos gekündigt oder (zu Lasten der Arbeitnehmer) geändert werden oder der Erwerber nimmt einzelvertraglich vereinbarte (Widerrufs-)Rechte bezüglich einzelner Entgeltbestandteile wahr. In allen diesen Fällen verringert sich das Arbeitsentgelt der übergehenden Arbeitnehmer entsprechend. Damit stellt sich für Altersteilzeitarbeitnehmer die Frage, ob auch ihr Altersteilzeitentgelt entsprechend vermindert wird. Wenn ja, hat dies auch Auswirkungen auf die Berechnung der Aufstockungsbeträge, da diese auf einer anderen Grundlage (neu) berechnet werden müssen. Folgt man dem Grundsatz, dass auch für Altersteilzeitarbeitnehmer grundsätzlich die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen gelten, wirken sich entsprechende Änderungen im Bereich des Arbeitsentgelts in der Tat unmittelbar auf das Altersteilzeitentgelt aus. Allerdings könnten entsprechende Änderungen dann unzulässig sein, wenn diese durch den Altersteilzeitvertrag vertraglich ausgeschlossen sind. Eine solche Vereinbarung wird jedoch nicht schon darin zu sehen sein, dass im Altersteilzeitvertrag die Berechnungsgrundlage für die Aufstockungsbeträge ggf. ausdrücklich enthalten ist; dies wird vielmehr i. d. R. nur den Willen der Vertragsparteien widerspiegeln, Altersteilzeitarbeitnehmer beim Entgelt ebenso zu behandeln wie die anderen Arbeitnehmer des Betriebes. Eine Zusicherung des Inhalts, bestimmte Entgeltbestandteile für die Dauer des Altersteilzeitverhältnisses verbindlich zuzusagen, wird daher nur bei Vorliegen darüber hinausgehender Umstände angenommen werden können. Damit werden auch einzelvertraglich vereinbarte, aber unter Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalt stehende Entgeltbestandteile i. d. R. während der Altersteilzeit entfallen können. Selbstverständlich muss der Erwerber dabei die allgemeinen rechtlichen Grenzen, insbesondere beim Widerruf von Entgeltbestandteilen, beachten. Auch Besonderheiten des Altersteilzeitrechts stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Allein der Hinweis auf den Altersteilzeitvertrag reicht dafür nicht aus. 910 BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 369/05, NZA 2006, 926. 296 Bedenken könnten sich allenfalls daraus ergeben, dass die Aufstockungsbeträge auch das Ziel verfolgen, den Lebensstandard des Altersteilzeitarbeitnehmers zu sichern.911 Dies allein rechtfertigt jedoch eine Besserstellung des Altersteilzeitarbeitnehmers gegenüber anderen Arbeitnehmern des Betriebes nicht.912 Vielmehr stellt die Änderung bzw. Verringerung des Arbeits- und damit auch des Altersteilzeitentgelts ein allgemeines Risiko für alle Arbeitnehmer dar, die damit auch entsprechend mit einer Verringerung ihres Lebensstandards rechnen müssen. Der Altersteilzeitarbeitnehmer wird insoweit bereits durch die Zahlung der Aufstockungsbeträge an sich ausreichend geschützt. Das AltTZG selbst definiert mit dem Mindestaufstockungsbetrag in § 3 Abs. 1 Nr. 1a AltTZG die notwendige Untergrenze zur Sicherung des Lebensstandards. Ein weitergehender Schutz des Inhalts, dass das Altersteilzeitentgelt und damit auch die Aufstockungsbeträge während der Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses unverändert bleiben, kann hingegen nicht aus dem Altersteilzeitrecht abgeleitet werden. Praxishinweis: Zu beachten ist allerdings für Altersteilzeit im Blockmodell, dass der Widerruf bzw. das Entfallen einer Entgeltzusatzleistung während der Arbeitsphase bei entsprechender vertraglicher Regelung zur Folge hat, dass diese Entgeltbestandteile dennoch für dieselbe zeitliche Dauer spiegelbildlich in der Freistellungsphase zu zahlen sind.913 Zusammenfassender Überblick Auswirkung § 613a BGB auf Altersteilzeitentgelt u. a. Normative Weitergeltung Transformation z. B. BV/TV ArbV z.B. M+E-TV M+E-TV Materielle Grundlagen des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses bleiben unverändert „Altersteilzeitentgelt nimmt an allgemeiner Entgeltentwicklung teil“ (P) Statische oder dynamische Auslegung für Altersteilzeitler i. E. wohl keine Besserstellung ggü. anderen Arbeitnehmern Ablösung durch andere Kollektivregelung (P) Ablöseprinzip vs. Günstigkeitsprinzip i. E. setzt sich wohl Ablöseprinzip durch Individualvereinbarung (P) Günstigkeitsprinzip im Verhältnis zu günstigerer Kollektivvereinbarung beim Erwerber i. E. setzt sich wohl Günstigkeitsprinzip durch Einschränkung der Transformation = Statische Auslegung 911 BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408. BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 369/05, NZA 2006, 926 zur anteiligen Entgeltreduzierung bei allgemeiner Erhöhung der Pflichtstundenzahl für Lehrer. 913 BAG v. 24.06.2003 – 9 AZR 353/02, DB 2004, 258. 912 297 III. Mithaftung des Veräußerers gemäß § 613a Abs. 2 BGB 1. Grundsätzliche Einstandspflicht des Veräußerers Ob und in welchem Umfang der Veräußerer haftet, wenn ein Altersteilzeitverhältnis auf den Erwerber übergegangen ist, richtet sich nach § 613a Abs. 2 BGB und damit zunächst danach, welche Ansprüche des Altersteilzeitarbeitnehmers noch vor dem Betriebsübergang im Sinne dieser Vorschrift „entstanden“ sind. Ausgehend von den allgemeinen Regeln zu § 613a Abs. 2 BGB914 sind während der Arbeitsphase zwei Fallgruppen zu unterscheiden: Wechselt der Arbeitnehmer binnen eines Jahres nach Betriebsübergang von der Arbeits- in die Freistellungsphase, so besteht eine Mithaftung des Veräußerers. Eine Mithaftung kommt dann nicht in Betracht, wenn es um Ansprüche von Altersteilzeitarbeitnehmern geht, deren Arbeitsverhältnis noch während der Arbeitsphase auf den Erwerber übergeht und die Arbeitsphase noch über das Jahr hinaus andauert. Für die Ansprüche auf die Zahlung des Altersteilzeitentgelts und der Aufstockungsbeträge, die erst nach dem Betriebsübergang i. S. d. § 613a Abs. 2 BGB „entstehen“, haftet der Veräußerer nicht mit. Insoweit besteht kein Unterschied zu „normalen“ laufenden monatlichen Entgeltansprüchen übergehender Arbeitnehmer. Relevant wird die Mithaftung des Veräußerers daher nur dann, wenn sich ein Altersteilzeitarbeitnehmer im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits in der Freistellungsphase befindet. Die Mithaftungsfrage reduziert sich also darauf, ob der Veräußerer nach Maßgabe des § 613a Abs. 2 BGB für Ansprüche der Altersteilzeitarbeitnehmer nach Beginn der Freistellungsphase haftet. Praxishinweis: Die gleichen Fragen, die im Blockmodell relevant sind, können sich je nach Ausgestaltung auch im gleitenden Modell des TV FlexÜ 2015 stellen, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen dieses Modells komplett von der Arbeit freigestellt wird. a) Altersteilzeitentgelt Die Ansprüche der Arbeitnehmer auf das laufende Arbeitsentgelt entstehen jeweils in dem Monat, in dem gearbeitet wurde. Bei der Altersteilzeit im Blockmodell besteht jedoch die Besonderheit, dass der Altersteilzeitarbeitnehmer während der Arbeitsphase mit seiner vollen Arbeitsleistung im Hinblick auf die anschließende Freistellungsphase in Vorleistung tritt. Allgemein wird deshalb davon ausgegangen, dass der Altersteilzeitarbeitnehmer bereits während der Arbeitsphase einen Anspruch auf das volle Arbeitsentgelt erwirbt, dieser jedoch nur zur Hälfte durchsetzbar ist. Die andere Hälfte wird erst in der Freistellungsphase fällig. 915 Das BAG hat sich mit dieser Frage in Zusammenhang mit der insolvenzrechtlichen Haftungsbeschränkung des Erwerbers befasst und ist dabei davon ausgegangen, dass sich die Abgrenzung von Insolvenz- und Masseforderungen danach richtet, wann die Arbeitsleistung, die den Ansprüchen zugrunde liegt, erbracht wurde.916 Dies ist auf die hier in Rede stehende Problematik übertragbar. Daraus folgt für § 613a Abs. 2 BGB, dass zumindest die Ansprüche auf das Altersteilzeitentgelt in der Freistellungsphase bereits während der Arbeitsphase entstanden sind. 914 Siehe dazu Kapitel J „Haftung des Veräußerers“. Ascheid/Preis/Schmidt, § 8 AltTZG, Rn. 4; Rombach RdA 1999, 194; im Ergebnis ebenso BAG v. 24.06.2003 – 9 AZR 353/02, DB 2004, 258. 916 BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408. 915 298 Beispiel: Arbeitnehmer A hat mit dem Veräußerer V einen Altersteilzeitvertrag im Blockmodell für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2015 geschlossen. Am 01.01.2015 geht der Betrieb des V auf den Erwerber E über. Es ist davon auszugehen, dass die Ansprüche des A ab dem Beginn der Freistellungsphase am 01.01.2015 bereits vor diesem Zeitpunkt entstanden sind. b) Aufstockungsbetrag und zusätzlicher Rentenversicherungsbeitrag Fraglich ist jedoch, ob dies auch für die Aufstockungsbeträge und den zusätzlichen Rentenversicherungsbeitrag gilt. Insoweit dürfte auch die Entscheidung des BAG917, in der es um die insolvenzrechtliche Haftungsbeschränkung für Ansprüche übergehender Altersteilzeitarbeitnehmer ging, von Bedeutung sein. Danach sollen auch die Aufstockungsbeträge Entgelt i. S. d. §§ 611, 612 BGB sein. Dass sich der Aufstockungsbetrag der Höhe nach rechnerisch nicht allein an der Arbeitsleistung, sondern darüber hinaus auch an dem Ziel orientiere, den Lebensstandard des Arbeitnehmers zu sichern, ändere nichts am Charakter der Aufstockungsbeträge als Arbeitsentgelt. Damit scheint das BAG davon auszugehen, dass nicht nur der Anspruch auf das Altersteilzeitentgelt, sondern auch auf die Aufstockungsbeträge, die in der Freistellungsphase zu zahlen sind, bereits in der Arbeitsphase entstehen. Dabei werden die Ansprüche des Altersteilzeitarbeitnehmers in der Freistellungsphase jeweils in dem Monat fällig, der dem Monat in der Arbeitsphase entspricht, d. h. das im ersten Monat der Arbeitsphase erarbeitete Altersteilzeitentgelt sowie die Aufstockungsbeträge werden im ersten Monat der Freistellungsphase fällig. Beispiel: Arbeitnehmer A hat mit dem Veräußerer V einen Altersteilzeitvertrag im Blockmodell für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2015 geschlossen. Bereits am 01.10.2014 geht der Betrieb des V auf den Erwerber über. V haftet hier für die Ansprüche aus der restlichen Arbeitsphase von Oktober bis Dezember 2014 nicht, da diese Ansprüche erst nach dem Betriebsübergang entstehen. Er haftet aber für die Ansprüche in der Freistellungsphase von Januar 2015 bis September 2015, da Arbeitsentgelt und Aufstockungsbeträge für diesen Zeitraum von Januar bis September 2014 erarbeitet wurden und damit bereits vor dem Betriebsübergang entstanden sind. 917 BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408. 299 Beispiel-Skizze – Haftung Veräußerer 1. ATZ-Jahr 2. ATZ-Jahr Arbeitsphase Freistellungsphase Keine Haftung: Ansprüche entstehen nach Betriebsübergang Haftung: Ansprüche sind bereits vor Betriebsübergang in der (spiegelbildlichen) Arbeitsphase erarbeitet und damit vor dem Betriebsübergang entstanden Arbeitsentgelt und Aufstockungsbeträge Januar – September 2014 01.01.2014 Arbeitsentgelt und Aufstockungsbeträge Januar – September 2015 Betriebsübergang 01.01.2015 31.12.2015 01.10.2014 c) Bedeutung der Jahresgrenze Die in § 613a Abs. 2 BGB genannte Jahresgrenze bildet zugleich auch die Haftungsgrenze.918 Beispiel (Abwandlung Ausgangsfall): Der Altersteilzeitvertrag zwischen A und V ist für die Dauer von drei Jahren, also vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2016 abgeschlossen worden. Der Betriebsübergang erfolgt am 01.01.2015. A wechselt am 01.07.2015 in die Freistellungsphase. Eine Haftung des V besteht für die Zeit von Juli bis Dezember 2015 für die Ansprüche, die im Jahre 2009 erdient wurden. Ab Januar 2016 werden die Ansprüche des A erst über ein Jahr nach dem Betriebsübergang fällig, sodass insoweit eine Haftung des V ausgeschlossen ist. Praxishinweis: Als Faustregel kann man festhalten, dass der Veräußerer innerhalb der Jahresfrist des § 613a Abs. 2 BGB spiegelbildlich in dem Umfang für Ansprüche in der Freistellungsphase haftet, für die er in der Arbeitsphase die Leistung erhalten hat. 918 BAG v. 22.06.1978 - 3 AZR 832/76. 300 Zusammenfassender Überblick Arbeitsentgelt Aufstockungsbeträge Arbeitsphase Wechsel von Arbeitsphase in Freistellungsphase binnen 1 Jahres nach Betriebsübergang Freistellungsphase Keine Haftung: Ansprüche entstehen durch Erbringung der Arbeitsleistung erst nach Betriebsübergang Keine Haftung für Ansprüche in der Arbeitsphase, Haftung nur, wenn Ansprüche in der Freistellungsphase vor dem Betriebsübergang spiegelbildlich erdient wurden (Haftungsgrenze 1 Kalenderjahr!) aber Haftung für Ansprüche in der Freistellungsphase, die vor dem Betriebsübergang spiegelbildlich erdient wurden Haftung für Aufstockungsbeträge folgt Haftung für Arbeitsentgelt 2. Außen- und Innenhaftung des Veräußerers für Ansprüche in der Freistellungsphase a) Ausgangsüberlegung – Parallelen zu Urlaubsansprüchen Bei Urlaubsansprüchen übergehender Arbeitnehmer wird angenommen, dass der Veräußerer diese nach dem Betriebsübergang nicht mehr erfüllen könne bzw. müsse (Außenhaftung). Dieser Anspruch sei in erster Linie auf die Freistellung von der Arbeitspflicht gerichtet. Der Veräußerer werde gegenüber den übergegangenen Arbeitnehmern gemäß § 275 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit frei von seiner Leistungspflicht.919 Gegenüber dem Erwerber haftet der Veräußerer jedoch anteilig nach § 421 BGB wegen Gesamtschuldnerschaft gemäß § 613a Abs. 2 BGB für das Urlaubsentgelt (Innenhaftung). Der Umstand, dass der Schuldner von einer Verpflichtung frei werde, die er nicht mehr erfüllen kann, werde durch die Sonderregelung des § 613a BGB ausgeräumt. Dies sei mit der Regelung als Gesamtschuld zu vereinbaren. § 421 BGB setze nur voraus, dass beide Schuldner zu der gleichen Leistung rechtlich verpflichtet seien, nicht aber, dass jeder die geschuldete Leistung auch tatsächlich erbringen könne.920 b) Übertragbarkeit auf Freistellungsphase – Außenhaftung gegenüber Altersteilzeitler Dies könnte für Altersteilzeitarbeitnehmer, die sich beim oder nach Betriebsübergang in der Freistellungsphase befinden, genauso zu werten sein, da auch sie gegen ihren Arbeitgeber einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistungsverpflichtung erwerben.921 Die Rechtsfrage ist derzeit völlig ungeklärt. Gegen die Außenhaftung des Veräußerers sprechen folgende Argumente: Die Sach- und Interessenlage dürfte bei Urlaubsansprüchen und Freistellungsansprüchen aus dem Wertguthaben der Altersteilzeit im Wesentlichen identisch sein. 919 BGH v. 04.07.1985 – IX ZR 172/84, DB 1985, 2505; bestätigt von BGH v. 25.03.1999 – III ZR 27/98, NZA 1999, 817. 920 BGH v. 04.07.1985 – IX ZR 172/84, DB 1985, 2505; Thüringer OLG v. 02.05.2012 – 7 U 971/11. 921 BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408. 301 Wenn man Ansprüche aus Arbeitszeitkonten ebenfalls wie Urlaubsansprüche behandelt, ist eine Gleichbehandlung von Altersteilzeit und Urlaub naheliegend. Auch bei der Altersteilzeit wird letztlich ein Arbeitszeitkonto aufgebaut. Eine Außenhaftung des Veräußerers gegenüber dem Altersteilzeitarbeitnehmer würde dazu führen, dass der Anspruch auf Freistellung vom Anspruch auf Zahlung des Altersteilzeitentgelts und der Aufstockungsbeträge getrennt würde. Dies dürfte kaum möglich sein. Dem folgend kann sich der Veräußerer gegenüber dem Altersteilzeitler auf § 275 Abs. 1 BGB berufen. Er haftet ihm gegenüber dann nicht mehr auf Zahlung des Altersteilzeitentgelts und der Aufstockungsbeträge. c) Übertragbarkeit – Innenhaftung gegenüber dem Erwerber Dies würde allerdings eine Haftung des Veräußerers nicht vollständig ausschließen. Vielmehr soll nach der Rechtsprechung des BGH922 zum Urlaubsrecht ein Gesamtschuldnerausgleich zwischen Erwerber und Veräußerer erfolgen; § 421 BGB stünde dem nicht entgegen, da § 613a Abs. 2 BGB eine diese Vorschrift verdrängende Sonderregelung darstelle. Danach muss der Veräußerer dem Erwerber anteiligen Ausgleich für das Urlaubsentgelt zahlen, welches für die vor dem Betriebsübergang entstandenen Urlaubsansprüche vom Erwerber an den übergegangenen Arbeitnehmer gezahlt wurde. Überträgt man dies auf Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, hat der Veräußerer dem Erwerber die Entgeltzahlungen zuzüglich Aufstockungsbeträge entsprechend seiner Haftung nach § 613a Abs. 2 BGB zu erstatten. Das gilt jedoch nur für die Monate der Freistellungsphase, für die das Altersteilzeitentgelt und die Aufstockungsbeträge in den vor dem Betriebsübergang liegenden Monaten der Arbeitsphase erdient wurde. Die Haftungsgrenze für den Veräußerer liegt jedoch auch hier bei der in § 613a Abs. 2 BGB genannten Jahresgrenze. Beispiel (wie schon oben): Arbeitnehmer A befindet sich seit dem 01.01.2014 in dreijähriger verblockter Altersteilzeit. Der Betrieb geht am 01.01.2015 auf den Erwerber E über. A wechselt am 01.07.2015 in die Freistellungsphase. E kann vom Veräußerer V Zahlung des für Juli bis Dezember 2015 gezahlten Altersteilzeitentgelts und der Aufstockungsbeträge verlangen. Ab Januar 2016 ist die Haftung des V nach § 613a Abs. 2 BGB ausgeschlossen. 922 BGH v. 04.07.1985 – IX ZR 172/84, DB 1985, 2505; bestätigt von BGH v. 25.03.1999 – III ZR 27/98, NZA 1999, 817. 302 Beispiel-Skizze – Haftung Veräußerer 1. ATZ-Jahr 2. ATZ-Jahr 3. ATZ-Jahr 1 Jahr Haftungsgrenze Arbeitsphase Freistellungsphase Keine Haftung: Ansprüche entstehen nach Betriebsübergang Haftung: Ansprüche sind bereits vor Betriebsübergang erarbeitet und damit davor entstanden Arbeitsentgelt und Aufstockungsbeträge 12 Monate (Jan. – Dez. 2014) Betriebsübergang 01.01.2014 Keine Haftung: Ansprüche sind zwar bereits vor Betriebsübergang erarbeitet, aber Haftungshöchstgrenze von einem Jahr überschritten Arbeitsentgelt und Aufstockungsbeträge 12 Monate (Juli 2015 – Juni 2016) 01.07.2015 31.12.2015 01.07.2016 31.12.2016 01.01.2015 Zusammenfassender Überblick Ansprüche aus der Freistellungsphase gegenüber dem Veräußerer Altersteilzeitmitarbeiter (Außenverhältnis) Erwerber (Innenverhältnis) wohl wg. § 275 Abs. 1 BGB kein Anspruch – Unmöglichkeit der geschuldeten Freistellung beseitigt auch darauf basierenden Zahlungsanspruch Ansprüche aus Gesamtschuldnerregress gemäß §§ 421, 426 i. V. m. § 613a Abs. 2 BGB jedoch gekürzt um: Haftungsumfang nach § 613a Abs. 2 BGB: nur für Ansprüche, die vor dem Betriebsübergang erdient wurden und nicht mehr als ein Jahr danach fällig werden Erstattungsleistungen nach § 4 AltTZG für Altfälle auch wenn mangels Wiederbesetzung keine Erstattung erfolgt 303 IV. Besonderheiten beim Erwerb eines Betriebes aus der Insolvenz 1. Haftungsbeschränkung aufgrund der Insolvenz Der Erwerber eines Betriebs oder Betriebsteiles kann sich dann, wenn der Zeitpunkt des Betriebsübergangs nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt, auf eine Haftungsbeschränkung berufen.923 Er haftet nach der Rechtsprechung des BAG924 allgemein nicht für solche Forderungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Die Frage, ob durch die Besonderheit der Vorleistung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses für Entgeltansprüche in der Freistellungsphase etwas anderes gilt, ist vom BAG geklärt.925 Hat der Betriebserwerber den Betrieb(-steil) aus der Insolvenz erworben, haftet er nach § 613a Abs. 1 S 1 BGB nur für das Entgelt, welches "spiegelbildlich" für die Vorleistung geschuldet ist, welche der Arbeitnehmer während der nach der Insolvenzeröffnung noch andauernden Arbeitsphase erbracht hat. Insoweit handelt es sich um Masseforderungen. Beispiel: 926 Arbeitnehmer A hat mit dem Veräußerer V einen sechsjährigen Altersteilzeitvertrag im sog. Blockmodell für die Zeit vom 01.08.2009 bis 31.07.2015 geschlossen. Die Arbeitsphase endete am 31.07.2012. Die Freistellungsphase begann ab dem 01.08.2012. Am 27.10.2011 wurde über das Vermögen des V das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 01.06.2013 erwarb der Erwerber E Teile des Betriebes, denen A zuzuordnen war. A verlangt von E die Zahlung des Altersteilzeitentgelts und der vereinbarten Aufstockungsbeträge für die gesamte Dauer der verbleibenden Altersteilzeit, insbesondere für die Freistellungsphase. Das BAG hat - der Vorinstanz folgend – der Klage nur zum Teil stattgegeben. In Anknüpfung an seine ständige Rechtsprechung zur Haftungsbeschränkung des Erwerbers beim Erwerb eines Betriebs oder Betriebsteils aus der Insolvenz stellt es dabei darauf ab, dass der Erwerber für Insolvenzforderungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, nicht haftet. Die Haftung tritt vielmehr nur für Masseforderungen ein. Die damit auftretende (Grundsatz-)Frage, wie Ansprüche aus Altersteilzeitarbeitsverhältnissen zu bewerten sind, beantwortet das BAG bereits in der Vorentscheidung927 so, dass sich die Abgrenzung danach richtet, wann die Arbeitsleistung, die den Ansprüchen zugrunde liegt, erbracht wurde. Der Altersteilzeitarbeitnehmer erarbeite sich bereits während der Arbeitsphase Entgelte, die nicht im Monat der Arbeitsphase ausgezahlt, sondern für die spätere Freistellungsphase angespart würden. Der Arbeitnehmer erarbeite sich daher im Umfang seiner Vorleistungen zum einen Ansprüche auf die spätere Zahlung der Bezüge und zum anderen einen entsprechenden Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht. Daher sei das während der Freistellungsphase ausgezahlte Entgelt Gegenleistung für die bereits während der Arbeitsphase geleistete, über die verringerte Arbeitszeit hinausgehende Arbeit. 923 vgl. Kapitel F. BAG v. 20.08.2014 – 7 ABR 60/12, ZTR 2015, 53. 925 BAG v. 30.10.2008 – 8 AZR 54/07, NZA 2009, 432; BAG v. 31.01.2008 – 8 AZR 27/07, NZA 2008, 705; BAG v. 23.02.2005 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408; BAG 19.10.2004 – 10 AZR 602/03, NZA 2005, 694; ebenso Hessisches LAG v. 29.04.2015 – 12 Sa 973/13. 926 BAG v. 31.01.2008 – 8 AZR 27/07, NZA 2008, 705. 927 BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408. 924 304 Der Anspruch hierauf sei im insolvenzrechtlichen Sinne „für“ diese Zeit geschuldet. Die so vorzunehmende Aufteilung nach der Erbringung der Arbeitsleistung vor oder nach der Insolvenzeröffnung betreffe sowohl das entsprechend der Verringerung der Gesamtarbeitsleistung halbierte Arbeitsentgelt als auch die Aufstockungsbeträge, die ebenfalls als Arbeitsentgelt einzuordnen seien. Entsprechendes gelte für andere vereinbarte Zahlungen bzw. Leistungen des Arbeitgebers. Daraus folgt für das BAG, dass der Erwerber nur für die Ansprüche des Altersteilzeitarbeitnehmers (auf Zahlung des Altersteilzeitentgelts plus der Aufstockungsbeträge) in der Freistellungsphase haftet, die dem Zeitraum der nach der Insolvenzeröffnung liegenden Arbeitsphase entspricht. Dabei entsteht der entsprechende Zahlungsanspruch des Altersteilzeitarbeitnehmers jedoch nicht unmittelbar nach Ende der Arbeitsphase bzw. mit Beginn der Freistellungsphase. Das BAG leitet vielmehr aus § 366 BGB sowie aus dem Umstand, dass die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung jeweils „spiegelbildlich“ für die entsprechenden Monate der Altersteilzeit gezahlt wird, ab, dass die in der Arbeitsphase erworbenen Ansprüche des Altersteilzeitarbeitnehmers in der Freistellungsphase zeitlich genauso abgebaut werden wie sie aufgebaut wurden. Im o. g. Beispielsfall: Die Ansprüche für den ersten Monat der Freistellungsphase im August 2012 sind danach im ersten Monat der Arbeitsphase im August 2009 entstanden. Daher wurde im Beispielsfall dem Zahlungsverlangen von A nur für den Zeitraum vom 27.10.2014 bis 31.07.2015 stattgegeben, weil A nach der Insolvenzeröffnung in der Zeit vom 27.10.2011 bis 31.07.2012 noch gearbeitet hatte. Insoweit handelt es sich um Masseforderungen. Dem stattgegebenen Zeitraum der Freistellungsphase entspricht der Zeitraum vom 27.10.2011 bis 31.07.2012. Beispiel-Skizze 1. ATZ-Jahr 2. ATZ-Jahr 3. ATZ-Jahr Arbeitsphase 4. ATZ-Jahr 5. ATZ-Jahr Freistellungsphase Haftung: Entstandene Ansprüche nach Insolvenzeröffnung Entstandene Ansprüche nach Insolvenzeröffnung Arbeitsentgelt und Aufstockungsbeträge 01.08.2009 6. ATZ-Jahr Arbeitsentgelt und Aufstockungsbeträge Insolvenzeröffnung Betriebsübergang 27.10.2011 01.06.2013 31.07.2015 305 2. Verhältnis zum Träger der Insolvenzsicherung (§ 8a AltTZG) Soweit der Erwerber für Ansprüche von Altersteilzeitarbeitnehmern haftet, ist allerdings das Verhältnis zur Insolvenzsicherung unklar. Nach § 8a AltTZG ist der Arbeitgeber grundsätzlich zur Insolvenzsicherung von Altersteilzeitwertguthaben sowie der zukünftigen Aufstockungsbeträge verpflichtet, soweit das Dreifache des Regelarbeitsentgelts nach § 6 Abs. 1 AltTZG einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag überstiegen wird. Eine Einstandspflicht des Insolvenzsicherungsträgers wird man wohl annehmen müssen jedenfalls für die Monate der Freistellungsphase, für die der Erwerber nicht haftet; außerdem wohl auch für die Monate, in denen der Altersteilzeitarbeitnehmer während der Arbeitsphase mit seinen Forderungen ausgefallen ist. Ob dies allerdings auch dann gilt, wenn der Erwerber nach den oben dargelegten Grundsätzen für Ansprüche des Altersteilzeitarbeitnehmers, die vor dem Betriebsübergang, aber nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, haftet, ist fraglich. Praxishinweis: Dies sollte mit dem Insolvenzverwalter und dem Träger der Insolvenzsicherung geklärt werden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Träger der Insolvenzsicherung zu einem erheblichen Teil oder gar vollständig von seiner Einstandspflicht frei wird, obwohl der Veräußerer die Insolvenzsicherung gerade zum Zwecke der Absicherung der Altersteilzeitarbeitnehmer für den Fall der Insolvenz abgeschlossen (und bezahlt!) hat. Zusammenfassender Überblick Betriebsübergang nach Insolvenzeröffnung Altersteilzeitler bereits in der Freistellungsphase Altersteilzeitler noch in der Arbeitsphase 928 Übergang Haftung Übergang der Altersteilzeitarbeitsverhältnisse Keine Haftung - weder für Arbeitsentgelt noch für Aufstockungsbeträge (Insolvenzforderungen) bei Teilbetriebsübergang muss Altersteilzeit dem übergehenden Betriebsteil zuordenbar sein; maßgeblich nach dem zuletzt innegehabten Arbeitsplatz Übergang der Altersteilzeitarbeitsverhältnisse Entgelt für Freistellungsphase wird mit Insolvenzeröffnung gemäß § 41 InsO fällig928 Keine Haftung für Ansprüche in der Freistellungsphase, die vor der Insolvenzeröffnung erarbeitet wurden (Insolvenzforderungen) Haftung für Ansprüche in der Freistellungsphase, die spiegelbildlich nach Insolvenzeröffnung erarbeitet wurden (Masseforderungen) BAG v. 30.10.2008 – 8 AZR 54/07, NZA 2009, 432. 306 Kapitel H: Betriebliche Altersversorgung 311 I. Grundsätzliches 311 II. Erfasster Personenkreis 311 1. Bei Einzelrechtsnachfolge 312 a) Gemäß § 613a BGB 312 aa) Übergehende, aktive Arbeitnehmer mit verfallbarer oder unverfallbarer Anwartschaft bb) Ausgeschiedene Arbeitnehmer mit verfallbarer oder unverfallbarer Anwartschaft und Betriebsrentner cc) Technische Betriebsrentner dd) Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, aber denen eine Versorgungszusage erteilt wurde und die unter § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG fallen b) Gemäß §§ 25, 28 HGB (Firmenfortführung) 312 312 312 313 313 2. Bei Gesamtrechtsnachfolge 314 3. Mithaftung des Veräußerers 315 a) Gemäß § 613a Abs. 2 BGB 315 aa) Rentenleistungen bb) Kapitalleistungen cc) Besonderheiten bei Umwandlungen 315 316 316 b) Möglichkeit einer Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber 317 c) Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Betriebsübergang 317 III. Informationspflichten der beteiligten Arbeitgeber 317 1. Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB 317 2. Auskunft über die Höhe der Anwartschaft nach § 4a BetrAVG 318 IV. Umfang der Haftung des Erwerbers für Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung gemäß § 613a BGB 318 1. Versorgungsordnung beim Veräußerer, nicht beim Erwerber 320 a) Übernahme der Versorgungsordnung(en) des Veräußerers / Verschaffungspflicht des Erwerbers 320 aa) Übergang gemäß § 613a Abs. 1 BGB bb) Besonderheiten der einzelnen Durchführungswege (1) Direktzusage (2) Unterstützungskasse (3) Direktversicherung (4) Pensionskasse (5) Pensionsfonds (6) Gemeinsame Einrichtung gemäß § 4 Abs. 2 TVG 320 320 321 321 323 324 325 325 b) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB 326 c) Änderungsmöglichkeiten für den Erwerber 326 307 aa) Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit – Drei-Stufen-Theorie des BAG bb) Änderungsmöglichkeit je nach Rechtsgrundlage der Zusage (1) Individualrechtliche Rechtsgrundlage (2) Individualrechtliche Rechtsgrundlage mit kollektivem Bezug (3) Betriebsvereinbarung (4) Tarifvertrag 327 331 331 332 334 335 2. Versorgungsregelungen sowohl bei dem Veräußerer als auch bei dem Erwerber a) Veräußerer: Betriebsvereinbarung / Erwerber: Betriebsvereinbarung 336 336 aa) Zwei-Stämme-Lösung bb) Alternativer Lösungsansatz des BAG cc) Bewertung dd) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB 337 338 339 342 b) Veräußerer: Individualrechtliche Grundlage / Erwerber: Betriebsvereinbarung 342 aa) Einzelzusage bb) Individualvertragliche Vereinbarung mit kollektivem Bezug cc) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB 342 343 344 c) Veräußerer: Betriebsvereinbarung / Erwerber: individualrechtliche Regelung 345 aa) Transformation in das Arbeitsverhältnis bb) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB 345 346 d) Veräußerer: Individualrechtliche Grundlage / Erwerber: Individualrechtliche Grundlage 347 aa) Übergang der individualrechtlichen Regelung bb) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB 347 347 e) Veräußerer: Tarifvertrag (normative Wirkung) / Erwerber: Betriebsvereinbarung 347 aa) Keine „Über-Kreuz-Ablösung“ bb) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB 347 348 f) Veräußerer: Tarifvertrag (normative Wirkung) / Erwerber: Individualvertragliche Regelung (mit oder ohne kollektiven Bezug) 349 aa) Transformation in das Arbeitsverhältnis bb) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB 349 349 g) Veräußerer: Betriebsvereinbarung / Erwerber: Tarifvertrag 349 aa) Arbeitnehmer ist Gewerkschaftsmitglied bb) Arbeitnehmer ist kein Gewerkschaftsmitglied cc) Arbeitnehmer wird Gewerkschaftsmitglied dd) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB 349 350 350 351 h) Veräußerer: Individualrechtliche Regelung / Erwerber: Tarifvertrag 351 aa) Fortbestand der einzelvertraglichen Regelung, gegebenenfalls Überlagerung bb) Inhalt des Informationsschreibens gemäß § 613a Abs. 5 BGB 351 351 i) Tarifvertrag bei Veräußerer und Erwerber 352 aa) Arbeitnehmer ist Gewerkschaftsmitglied – Ablösung oder Transformation bb) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB 352 352 3. Versorgungsregelung nicht bei Veräußerer, nur bei Erwerber 354 308 a) Keine Kollision möglich 354 aa) Ausschluss der übergehenden Arbeitnehmer vom betrieblichen Versorgungssystem bb) Einbeziehung der übergehenden Arbeitnehmer ins betriebliche Versorgungssystem 354 355 b) Inhalt des Informationsschreibens gemäß § 613a Abs. 5 BGB 355 V. Sonderfall: Entgeltumwandlung 356 1. Grundsätzliche Erwägungen 356 2. Problematik: Unternehmens- oder branchenspezifische Versorgungseinrichtung 357 3. Problematik: Wechsel der tariflichen Rahmenbedingungen 357 a) Tarifvertrag des Veräußerers weicht von § 1a BetrAVG ab 357 b) Tarifvertrag des Erwerbers weicht von § 1a BetrAVG ab 358 4. Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB 358 309 Kapitel H: Betriebliche Altersversorgung I. Grundsätzliches Die juristische und betriebs- sowie finanzwirtschaftliche Bewertung von betrieblichen Versorgungsverpflichtungen ist bei jeder Form von Betriebsübergang/Betriebsumwandlung von erheblicher Relevanz. Die verbandliche Beratung umfasst ausschließlich die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen. Nur diese sind Bestandteil dieser Ausarbeitung. Praxishinweis: Zu anderen als arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen sollte externer Sachverstand hinzugezogen werden. Das sind z. B. Steuerberater, Aktuare, Versicherungsmathematiker, Beratungsfirmen etc. Der Erwerber tritt als Folge des Betriebsübergangs in alle Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen mit denjenigen Arbeitnehmern ein, die nach den im Folgenden dargestellten Grundsätzen auf ihn übergehen. Da die Versorgungszusage – gleich ob auf kollektiver oder individueller Grundlage erteilt – Teil des Arbeitsverhältnisses ist, tritt der Erwerber damit auch in die Pflichten aus den Versorgungszusagen ein, die den übergehenden Arbeitnehmern erteilt wurden. Der Erwerber übernimmt dabei grundsätzlich sowohl den Teil der Versorgungsanwartschaften, den die übergehenden Arbeitnehmer in der Vergangenheit erdient haben (sog. past service) als auch die Verpflichtung aus der Zusage, dass die übergehenden Arbeitnehmer in der Zukunft weitere Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgungsleistungen erwerben können (sog. future service). Der Inhalt der Versorgungszusage bleibt durch den Betriebsübergang selbst unberührt und kann nur unter engen Voraussetzungen abgeändert werden. Der Veräußerer wird im Gegenzug gegenüber den Berechtigten von seiner Verpflichtung aus der Versorgungszusage frei, wenn nicht Nachhaftungstatbestände gem. § 613a Abs. 2 BGB oder aus dem UmwG greifen. II. Erfasster Personenkreis Existiert oder existierte in dem erworbenen Unternehmen eine betriebliche Versorgungsregelung, lassen sich die berechtigten Personen in mehrere Gruppen unterteilen, deren Versorgungsschicksal jeweils separat beurteilt werden muss. Von besonderer Relevanz sind: (1) Übergehende, aktive Arbeitnehmer mit verfallbarer oder unverfallbarer Anwartschaft, (2) ausgeschiedene Arbeitnehmer mit einer verfallbaren oder unverfallbaren Versorgungsanwartschaft und Betriebsrentner, (3) technische Betriebsrentner, also Beschäftigte, die zwar eine gesetzliche Rente, wegen Weiterbeschäftigung im Unternehmen aber noch keine betriebliche Versorgungsleistung beziehen, (4) Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, aber denen eine Versorgungszusage erteilt wurde und die unter § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG fallen. Dies können nach § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG auch arbeitnehmerähnliche Personen, Heimarbeiter, aber auch Organmitglieder oder ein GmbH-Geschäftsführer sein.929 929 ErfK-Steinmeyer, § 17 BetrAVG, Rn. 4 ff. 311 Als Rechtsgrundlage für eine Einstandspflicht des Erwerbers kommt dabei nicht nur § 613a BGB in Betracht, sondern für den Fall der Gesamtrechtsnachfolge (insbesondere bei Umwandlungen) die §§ 20, 131, 174, 324 UmwG sowie für den Fall der Einzelrechtsnachfolge die §§ 25, 28 HGB. In der nachfolgenden Darstellung wird detailliert ausschließlich auf § 613a BGB eingegangen. Der Veräußerer bleibt hingegen Schuldner aller Versorgungsansprüche derjenigen Personen, deren Arbeitsverhältnisse nicht auf den Erwerber übergehen. 1. Bei Einzelrechtsnachfolge a) Gemäß § 613a BGB aa) Übergehende, aktive Arbeitnehmer mit verfallbarer oder unverfallbarer Anwartschaft Eine Einstandspflicht für Versorgungszusagen trifft den Erwerber nur in Bezug auf die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse gemäß § 613a BGB auf ihn übergehen. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die mitübergehenden Anwartschaften zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs unverfallbar waren oder nicht. bb) Ausgeschiedene Arbeitnehmer mit verfallbarer oder unverfallbarer Anwartschaft und Betriebsrentner Wurde das Arbeitsverhältnis bereits vor dem Betriebsübergang beendet, gehen auch keine Rechte und Pflichten aus diesem Arbeitsverhältnis auf den Erwerber über. Das bedeutet, dass sowohl Betriebsrentner als auch Arbeitnehmer, die vor dem Betriebsübergang mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus dem Betrieb ausgeschieden sind, keine Ansprüche gegen den Erwerber geltend machen können.930 Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die vor dem Betriebsübergang mit einer verfallbaren Anwartschaft ausgeschieden sind. Diese haben zudem keinen Anspruch gegen den Veräußerer, sofern keine vertragliche Unverfallbarkeit vereinbart wurde. cc) Technische Betriebsrentner Nicht endgültig entschieden ist die Frage der Haftung für Versorgungsverbindlichkeiten gegenüber den sogenannten „technischen Betriebsrentnern“. Dies sind Personen, die eine betriebliche Versorgungsleistung beziehen könnten, dies wegen Weiterbeschäftigung im Unternehmen jedoch nicht tun.931 Nach Ansicht des BAG gehen auch die Verpflichtungen gegenüber technischen Betriebsrentnern nicht auf den Erwerber über, wenn der technische Rentner zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis steht. Denn trotz Beschäftigungsverhältnis liege hier ein Ruhestandsverhältnis vor, das nicht auf den Erwerber übergehe. Ein neben dem Bezug der gesetzlichen Vollrente weiterlaufendes geringfügiges Beschäftigungsverhältnis und dessen Übergang auf den Erwerber führt nicht zum Übergang des bereits zuvor beendeten betriebsrentenrechtlich maßgeblichen Vollarbeitsverhältnisses.932 Beispiel: Die E-GmbH übernimmt zum 01.01.2015 den (einzigen) Betrieb der A-GmbH. Zu den Beschäftigten der A-GmbH gehört im Zeitpunkt des Betriebsübergangs der Altersvollrentner P. 930 BAG v. 11.11.1986 – 3 AZR 194/85, NZA 1987, 559. Höfer, BetrAVG, Kapitel 9, Rn. 53. 932 BAG v. 18.03.2003 – 3 AZR 313/02, BB 2004, 269. 931 312 Dieser bezieht seit dem 01.06.2014 eine gesetzliche Altersvollrente und hat im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses die Einarbeitung seines Nachfolgers übernommen. Da bei P als technischem Rentner eine Auszahlung der Betriebsrente nicht erfolgt, führt die Zuerkennung der gesetzlichen Rente gem. § 6 BetrAVG zu einem vorgezogenen Versorgungsfall. Betriebsrentenrechtlich besteht damit zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs kein Anwartschaftsverhältnis mehr, sondern ein Versorgungsverhältnis, das – nach den o. g. Grundsätzen – nicht auf den Erwerber übergeht. Unklar ist die Behandlung von Sachverhalten, in denen der technische Betriebsrentner in einem mehr als geringfügigen Beschäftigungsverhältnis steht. So wird z. B. bei einem Vollzeitarbeitsverhältnis unter Hinweis auf die Grundwertung des § 613a BGB teilweise vertreten, dass der Erwerber für die bereits erdienten Versorgungsverbindlichkeiten einzustehen hat.933 Dies lässt sich vor allem argumentieren, wenn das für das Betriebsrentenrecht maßgebliche Vollzeitarbeitsverhältnis noch nicht vor dem Betriebsübergang beendet wurde und daher noch kein Ruhestandsverhältnis vorliegt. Praxishinweis: Hinsichtlich der Behandlung von technischen Rentnern, die in einem mehr als geringfügigen Beschäftigungsverhältnis stehen, bestehen demnach Rechtsunsicherheiten. Für eine rechtssichere Handhabung müssten sie wie „normale“ übergehende Arbeitnehmer behandelt werden (mit den entsprechenden finanziellen Folgen). dd) Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, aber denen eine Versorgungszusage erteilt wurde und die unter § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG fallen Der Erwerber muss des Weiteren nicht gemäß § 613a BGB für Versorgungszusagen einstehen, die gegenüber Personen im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG erteilt worden sind (z. B. arbeitnehmerähnliche Personen, Organmitglieder). Diese Vertragsverhältnisse gehen nicht gemäß § 613a BGB auf den Erwerber über, sodass dementsprechend auch nicht die Versorgungszusagen übergehen können. Die Versorgungsanwartschaften dieser Personen können nur unter den engen Voraussetzungen des § 4 BetrAVG auf den Erwerber übertragen werden. Beispiel: Die E-GmbH übernimmt den (einzigen) Betrieb der V-GmbH und will den (Fremd-)Geschäftsführer der V-GmbH, dem eine Versorgungszusage erteilt wurde, behalten. Sein Anstellungsverhältnis geht ebenso wenig wie die Versorgungszusage auf die E-GmbH über, sie muss also mit ihm einen neuen Vertrag schließen. Die Versorgungszusage kann mit Zustimmung des Geschäftsführers sowie der V-GmbH gemäß § 4 BetrAVG übernommen werden. b) Gemäß §§ 25, 28 HGB (Firmenfortführung) Eine Haftung des Erwerbers besteht – neben den übernommenen Arbeitsverhältnissen – auch für die laufenden Betriebsrenten und unverfallbare Versorgungsanwartschaften der bereits vor dem Betriebsübergang Ausgeschiedenen, wenn i. Ü. die Voraussetzungen der §§ 25, 28 HGB erfüllt sind. Nach §§ 25, 28 HGB tritt der Erwerber in die Verbindlichkeiten des Veräußerers, zu denen auch die Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung gehören, ein. 933 Höfer, BetrAVG, Kapitel 9, Rn. 53. 313 Praxishinweis: § 25 HGB ist dispositiv. Es empfiehlt sich, vor Betriebsübergang zu prüfen, ob eine abweichende Regelung vereinbart wurde. Eine solche kann nach § 25 Abs. 2 HGB auch im Handelsregister eingetragen sein. Zusammenfassender Überblick Übergang der bAV-Verpflichtungen nach § 613a BGB auf den Erwerber Unverfallbare Anwartschaft JA Verfallbare Anwartschaft JA Keine Unterbrechung der Betriebszugehörigkeit für die Unverfallbarkeit Geringfügige Beschäftigung NEIN Weiterarbeit über gesetzliche Altersgrenze/ Leistungszeitpunkt der bAV hinaus Vollzeitbeschäftigung Lit: wohl JA Aktive Arbeitnehmer Technische Betriebsrentner mit/ohne unverfallbaAusgeschiedene Arbeitnehmer (zur Zeit des re/r Anwartschaft Betriebsübergangs) Betriebsrentner Versorgungsberechtigte nach § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG NEIN NEIN NEIN z. B. Heimarbeiter, Organmitglieder Zusätzliche Haftung für bAV-Verpflichtungen nach §§ 25, 28 HGB des Erwerbers Ausgeschiedene Arbeitnehmer Unverfallbare Anwartschaft mit/ohne Bezug der Betriebsrente JA 2. Bei Gesamtrechtsnachfolge Eine Haftung auch für die Ruhegeldverbindlichkeiten ausgeschiedener Arbeitnehmer und Betriebsrentner kommt in Betracht, wenn der Erwerber den Betrieb oder Betriebsteil im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übernommen hat. Denn in diesem Fall haftet er für alle bestehenden Verbindlichkeiten seines Rechtsvorgängers. Dies wird vor allem bei Umwandlungen nach dem UmwG der Fall sein, in jedem Fall aber bei der Verschmelzung und dem Formwechsel. Bei einer Spaltung kommt es in erster Linie auf den Spaltungsplan an - und damit die Zuordnung der bestehenden laufenden Betriebsrenten und unverfallbaren Versorgungsanwartschaften. Es ist grundsätzlich möglich und zulässig, (unverfallbare) Versorgungsverbindlichkeiten gegenüber bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern im Spaltungsplan dem übernehmenden Rechtsträger zuzuordnen. 314 Dies ist weder von einer Zustimmung des Versorgungsberechtigten noch des PSV abhängig. Auch steht dem Versorgungsberechtigten kein Widerspruchsrecht gegen den Spaltungsplan zu. § 133 UmwG ordnet eine auf zehn Jahre begrenzte gesamtschuldnerische Haftung der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger an. Die gesamtschuldnerische Haftung bezieht sich auf diejenigen Versorgungsverpflichtungen, die innerhalb der Frist fällig werden. Im Fall der Insolvenz werden alle bis zum Stichtag der Insolvenzeröffnung erdienten Anwartschaften und laufenden Ansprüche fällig, jedenfalls soweit diese auf den PSV übergegangen sind. Die Haftung des mithaftenden Rechtsträgers geht in diesem Fall über die im normalen Fälligkeitszeitraum zu erbringenden Zahlungen hinaus.934 Zusammenfassender Überblick Gesamtrechtsnachfolge bei Verschmelzung, Formwechsel Veräußerer Erwerber Enthaftung Aktive Arbeitnehmer Ausgeschiedene mit unverfallbarer Anwartschaft Betriebsrentner Organmitglieder Gesamtrechtsnachfolge bei Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung) durch Spaltungsplan möglich: Veräußerer Übernahme von Betriebsrenten Übernahme von ehemaligen Arbeitnehmern, die mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschieden sind Aktive Arbeitnehmer durch Spaltungsplan möglich: Erwerber Übernahme von Betriebsrenten möglich Übernahme von ehemaligen Arbeitnehmern, die mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschieden sind 3. Mithaftung des Veräußerers a) Gemäß § 613a Abs. 2 BGB Für die auf den Erwerber gemäß § 613a BGB übergegangenen Versorgungsverpflichtungen gilt ebenso wie für alle anderen Ansprüche der übergehenden Arbeitnehmer, dass der Übergang zugleich auch zu einer grundsätzlichen Enthaftung des Veräußerers führt. Denn dieser ist ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs nicht mehr Vertragspartner der übergehenden Arbeitnehmer aa) Rentenleistungen Die für die Dauer eines Jahres bestehende Nachhaftung des Veräußerers gemäß § 613a Abs. 2 BGB ist in der Praxis von untergeordneter Bedeutung: Sie greift nur in solchen Ver934 Willemsen, Teil J, Rn. 616. 315 sorgungsfällen ein, die binnen eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs eintreten. D. h., der Veräußerer haftet für die Betriebsrentenansprüche derjenigen übergegangenen Arbeitnehmer, die bis zu einem Jahr nach dem Betriebsübergang935 Rentenleistungen beanspruchen können (z. B. wegen Erreichens der Altersgrenze oder wegen Invalidität).936 Sachlich haftet der Veräußerer lediglich für diejenigen monatlichen Rentenleistungen, die bis zum Ablauf des ersten Jahres fällig werden. Damit wird die Haftung des Veräußerers auf maximal zwölf Monatsrenten beschränkt. Beispiel: Veräußerer V veräußert seinen Betrieb zum 01.01.2015 an den Erwerber E. Der Arbeitnehmer A ist seit 1995 bei V beschäftigt. Ihm wurde eine Versorgungszusage erteilt. Das Arbeitsverhältnis des A geht auf E über. A erreicht am 01.07.2015 die Regelaltersgrenze und geht in Altersrente. A hat gegen E einen Anspruch auf Zahlung der zugesagten Betriebsrente. Von V kann er gemäß § 613a Abs. 2 S. 1 BGB die Rentenleistungen für Juli bis Dezember 2015 beanspruchen. Ferner haftet V nach § 613a Abs. 2 S. 2 BGB „nur“ für den Anteil, den der A während seiner Betriebszugehörigkeit bei V erworben hat. Veräußerer und Erwerber haften in diesem Fall im Außenverhältnis als Gesamtschuldner, d. h., der Arbeitnehmer kann nach seiner Wahl einen von ihnen auf Zahlung des nach § 613a Abs. 2 BGB sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch der Höhe nach begrenzten Betrages937 in Anspruch nehmen. In jedem Einzelfall gesondert zu betrachten ist die Frage, wer im Innenverhältnis (zwischen Veräußerer und Erwerber) die wirtschaftlichen Lasten zu tragen hat. Dies richtet sich gemäß § 426 Abs. 1 BGB in erster Linie nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber. Wenn die Vertragsparteien eine ausdrückliche Regelung nicht getroffen haben, wird man im Wege der Auslegung dazu kommen können, dass der Erwerber jedenfalls dann, wenn die Versorgungsverbindlichkeiten in den Kaufpreis eingeflossen sind, im Innenverhältnis voll haftet. Ist eine solche Auslegung nicht möglich, tritt nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Haftung von Veräußerer und Erwerber zu gleichen Teilen ein. bb) Kapitalleistungen Statt einer monatlichen Rentenleistung kann im Versorgungsfall auch eine Kapitalleistung geschuldet sein. Im Vergleich zu monatlichen Rentenleistungen wirkt sich die gesamtschuldnerische Mithaftung bei fällig werdenden Kapitalleistungen deutlich gravierender aus, da hier für das nahezu gesamte Volumen gehaftet wird. cc) Besonderheiten bei Umwandlungen Auch die gesamtschuldnerische Haftung bei Umwandlungen nach dem UmwG ist aufgrund des erheblich längeren Zeitraums von zehn Jahren deutlich höher. Praxishinweis: Bei der Haftungsproblematik innerhalb des ersten Jahres nach Betriebsübergang geht es nicht nur um Arbeitnehmer, die im Jahr nach dem Betriebsübergang in Altersrente gehen können, sondern auch um solche, die ggf. eine Invalidenrente beanspruchen können. Gleiches gilt für die Hinterbliebenenrente, wenn ein übergegangener Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang stirbt. 935 Zum zeitlichen Haftungsumfang siehe Kapitel J. Willemsen, Teil J, Rn. 490. 937 BAG v. 22.06.1978 – 3 AZR 832/76. 936 316 b) Möglichkeit einer Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber Eine Abrede zwischen Veräußerer und Erwerber, nach der der Erwerber auch für die Versorgungsleistungen der Ausgeschiedenen und Betriebsrentner haftet, ist in der Regel wegen des Übertragungsverbots nach § 4 Abs. 1 BetrAVG nichtig. Abfindungen steht in der Regel das Abfindungsverbot nach § 3 BetrAVG entgegen (Ausnahme Kleinstanwartschaften). Wollen Erwerber und Veräußerer die Haftung nach past und future service aufteilen, kommt der Abschluss eines Aufhebungsvertrages vor dem Betriebsübergang mit anschließendem Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages wegen Umgehung des § 613a BGB nicht in Betracht (sog. Lemgoer Modell).938 In Betracht kommt hier nur ein vertraglicher Schuldbeitritt des Veräußerers. Da es sich um eine Erweiterung zugunsten des Arbeitnehmers handelt, ist dies zulässig. Im Außenverhältnis haften Veräußerer und Erwerber dann gesamtschuldnerisch, im Innenverhältnis können Freistellungsregelungen vereinbart werden. c) Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Betriebsübergang Wird vor dem Betriebsübergang das Insolvenzverfahren eröffnet, haftet der Erwerber nicht für vor Insolvenzeröffnung entstandene Ansprüche. Der Erwerber haftet nur für ab dem Übertragungsstichtag erdienbare Anwartschaften (future service). III. Informationspflichten der beteiligten Arbeitgeber Jeder Betriebsübergang löst beim Arbeitnehmer ein erhebliches Informationsbedürfnis aus. Nach § 613a Abs. 5 BGB haben Veräußerer und Erwerber die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer über Zeitpunkt, Grund und über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs sowie über in Aussicht genommene Maßnahmen zu unterrichten. 1. Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB Grundsätzlich gelten auch für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung die Erwägungen, die für andere Arbeitsbedingungen bereits angestellt wurden.939 Wird die betriebliche Altersversorgung inhaltlich unverändert auf den Erwerber übertragen, besteht keine Informationspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB. Denn die Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung sind keine Folge des Übergangs, da sie bis zum Zeitpunkt des Übergangs ohne Rücksicht auf diesen entstehen. Ebenso wenig sind sie hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommene Maßnahmen, da sie unabhängig vom Handeln des Veräußerers oder des Erwerbers bestehen.940 Praxishinweis: Aufgrund der Bedeutung der betrieblichen Altersversorgung für die Arbeitnehmer empfiehlt sich auch bei unverändertem Fortbestehen der Zusage beim Erwerber ein Hinweis darauf. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die betriebliche Altersversorgung geändert wird. Dezidierte Ausführungen sind insbesondere dann erforderlich, wenn der Betriebsübergang Auswirkungen auf den Inhalt der Versorgungszusage hat, z. B. bei einer notwendigen Umstellung des 938 BAG v. 20.07.1982 - 3 AZR 261/80. Siehe Kapitel B. 940 BAG v. 22.07.2007 – 3 AZR 834/05. 939 317 Durchführungsweges, des Versorgungsträgers oder Ablösung durch eine bestehende oder konkret geplante Erwerberregelung941. Im Folgenden werden Inhalte und mögliche Formulierungen für das nach § 613a Abs. 5 BGB zu erstellende Informationsschreiben jeweils nach der rechtlichen Erörterung der denkbaren Fallgestaltung dargestellt und vorgeschlagen. Diese Formulierungen sind an die Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls anzupassen. 2. Auskunft über die Höhe der Anwartschaft nach § 4a BetrAVG Die Höhe der beim Veräußerer erdienten Versorgungsanwartschaft ist nicht Gegenstand des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB. Der Arbeitnehmer hat allerdings einen Auskunftsanspruch nach § 4a BetrAVG, den er geltend machen kann. Die Voraussetzungen hierfür werden zumeist erfüllt sein, da ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers an der Feststellung der Höhe seiner unverfallbaren Anwartschaft bei einem Arbeitgeberwechsel kaum zu verneinen sein wird. Eine Hinweispflicht des Arbeitgebers auf das Bestehen des Auskunftsanspruchs gibt es allerdings nicht.942 Inhaltlich muss die Auskunft nach § 4a BetrAVG so ausgestaltet sein, dass der Arbeitnehmer die Wahrung seiner Versorgungsanwartschaften anlässlich des Betriebsübergangs überprüfen kann. Nach § 4a Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG ist dem Arbeitnehmer mitzuteilen, „in welcher Höhe aus der bisher erworbenen unverfallbaren Anwartschaft bei Erreichen der in der Versorgungsordnung vorgesehenen Altersgrenze ein Anspruch auf Altersversorgung besteht“. Die Auskunftsverpflichtung erfasst folglich nur die Altersleistung, nicht aber die vorzeitige Altersleistung und auch nicht die Invaliditäts- oder Hinterbliebenenleistung.943 Der Anspruch richtet sich grundsätzlich gegen den Arbeitgeber, d. h. vor dem Betriebsübergang gegen den Veräußerer, nach dem Betriebsübergang nur noch gegen den Erwerber. Nur wenn es nicht oder nur unter besonderen Erschwernissen möglich ist, beim Erwerber eine zuverlässige Auskunft zu erhalten, der Veräußerer diese Auskunft ohne größeren Aufwand erteilen kann und der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse an der Auskunft hat, lässt das BAG auch nach Betriebsübergang einen Anspruch gegen den Veräußerer zu.944 Zusammenfassender Überblick Informationsschreiben Auswirkungen des Betriebsübergangs auf rechtlichen Bestand der § 613a Abs. 5 SGB Versorgungszusage Auskunft § 4a BetrAVG Auswirkung des Betriebsübergangs auf Höhe der Altersleistung aus unverfallbarer Anwartschaft IV. Umfang der Haftung des Erwerbers für Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung gemäß § 613a BGB Bei übergehenden Arbeitsverhältnissen ist eine Einstandspflicht des Erwerbers nach § 613a BGB unabdingbar. Vereinbarungen zwischen dem Veräußerer, dem Erwerber und den Arbeitnehmern, nach denen der Veräußerer alleiniger Schuldner der Versorgungsansprüche 941 Willemsen, Teil J, Rn. 532. Höfer, BetrAVG, Band I, § 4a Rn. 20. 943 Kemper, BetrAVG, § 4a, Rn. 37 ff. 944 BAG v. 22.05.2007 – 3 AZR 834/05. 942 318 der übergehenden Arbeitnehmer bleibt, sind nach der Rechtsprechung des BAG wegen eines Verstoßes gegen § 613a BGB und § 4 BetrAVG unwirksam.945 Ebenso unwirksam ist die einseitige oder einvernehmliche Abfindung von Versorgungsanwartschaften im unmittelbaren Zusammenhang eines Betriebsübergangs. Zu dieser Frage hat das BAG entschieden, dass ein vereinbarter Ausschluss von Versorgungsanwartschaften anlässlich eines Betriebsinhaberwechsels gegen den Schutzzweck des § 613a BGB verstoße und damit unwirksam sei. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber sein Abfindungsverlangen durch einen sachlichen Grund, z. B. die Gefährdung von Arbeitsplätzen, rechtfertigen kann.946 Als Umgehung des § 613a BGB ausgeschlossen ist auch das unter dem Stichwort „Lemgoer Modell“ bekannt gewordene Verfahren, nach dem die übergehenden Arbeitnehmer Eigenkündigungen aussprechen, um dann mit dem Erwerber neue Arbeitsverträge unter Ausschluss von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung abzuschließen.947 Der Erwerber hat damit zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs keine zulässige Möglichkeit, seine rechtliche Einstandspflicht für Versorgungszusagen, die der Veräußerer erteilt hat, mit Außenwirkung gegenüber den übergehenden Arbeitnehmern zu vermeiden. Praxishinweis: Zulässig und in der Praxis verbreitet sind sog. Freistellungsvereinbarungen zwischen Veräußerer und Erwerber. Der Veräußerer verpflichtet sich im Innenverhältnis gegenüber dem Erwerber (§ 329 BGB), wirtschaftlich für die künftigen Betriebsrentenansprüche der übergehenden Arbeitnehmer allein aufzukommen.948 An der Schuldnerstellung des Erwerbers ändert das allerdings nichts. Insbesondere wird er gegenüber dem PSV beitragspflichtig und muss bei Insolvenz des Veräußerers auf Erfüllung der Versorgungszusage ggf. persönlich haften. Der Erwerber übernimmt die Zusage mit dem Inhalt, mit dem der Veräußerer sie begründet hat. Der Umfang der Einstandspflicht des Erwerbers sowie die ihm zur Verfügung stehenden Änderungsmöglichkeiten richten sich daher im Wesentlichen nach den Faktoren Zusageinhalt / Leistungsplan, Rechtsbegründungsakt, Durchführungsweg mit denen die betriebliche Versorgungsregelung beim Veräußerer erteilt worden ist. Darüber hinaus hängt das Schicksal der Versorgungsverbindlichkeit nach dem Betriebsübergang entscheidend davon ab, ob der Erwerber zu diesem Zeitpunkt bereits über ein eigenes Versorgungssystem verfügt oder beabsichtigt, ein solches einzuführen. Praxishinweis: In der Praxis wird der übernommene Betrieb allerdings häufig nicht nur eine einzelne, sondern eine Mehrzahl an Versorgungsordnungen aufweisen. Diese sind unter den genannten Kriterien Zusageinhalt, Rechtsbegründungsakt und Durchführungsweg jeweils gesondert zu beurteilen. Besondere Sorgfalt ist überdies dann geboten, wenn der Veräußerer die betriebliche Versorgungsregelung in der Vergangenheit einschränkend angepasst hat, da hier für den Erwerber erhebliche Bewertungs- und Haftungsrisiken entstehen können. 945 BAG v. 14.07.1981 – 3 AZR 517/80, DB 1982, 1067. BAG v. 29.10.1985 – 3 AZR 485/83, DB 1986, 1779; BAG v. 12.05.1992 – 3 AZR 247/91, NZA 1992, 1080. 947 BAG v. 20.07.1982 – 3 AZR 261/80 948 Willemsen, Teil J, Rn. 547. 946 319 1. Versorgungsordnung beim Veräußerer, nicht beim Erwerber a) Übernahme der Versorgungsordnung(en) des Veräußerers / Verschaffungspflicht des Erwerbers aa) Übergang gemäß § 613a Abs. 1 BGB Besteht nur beim Veräußerer, nicht aber beim Erwerber eine betriebliche Altersversorgung, so gilt diese Versorgungsordnung grundsätzlich weiter. Soweit die Versorgungszusage des Veräußerers auf einer individualrechtlichen Grundlage beruht (Arbeitsvertrag, Gesamtzusage, vertragliche Einheitsregelung, betriebliche Übung oder arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz), geht sie nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über. Beruht die Versorgungszusage des Veräußerers auf einer kollektivrechtlichen Grundlage (Betriebsvereinbarung, z. T. auch Tarifvertrag), gilt diese nach den allgemeinen Grundsätzen entweder normativ oder nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB als Inhalt des Arbeitsverhältnisses (Transformation) weiter. Unerheblich ist zunächst, ob die Altersversorgung vom Veräußerer selbst (interner Durchführungsweg) oder über einen Dritten (externer Durchführungsweg) durchgeführt wird. Im letzteren Falle schuldet der Erwerber u. U. die Verschaffung eines Versorgungsanspruchs. Dies gilt auch, wenn die Altersversorgung – wie z. B. im Baugewerbe – über eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien durchgeführt wird.949 Der Erwerber muss nicht nur für die bereits unverfallbar gewordenen Versorgungsanwartschaften der auf ihn übergehenden Arbeitnehmer einstehen, sondern auch für die verfallbaren Versorgungsanwartschaften. Die Unverfallbarkeitsfristen des § 1b BetrAVG bleiben gemäß § 1b Abs. 1 Satz 3 BetrAVG vom Betriebsübergang unberührt. Darüber hinaus ist der Erwerber – vorbehaltlich etwaiger Änderungsmöglichkeiten – auch für die Zukunft verpflichtet, die Versorgungszusagen entsprechend den beim Veräußerer geltenden Bedingungen weiterzuführen bzw. den übergehenden Arbeitnehmern eine gleichwertige Versorgung zu verschaffen. Praxishinweis: Der Betriebsübergang führt also nicht dazu, dass die übergehenden Arbeitnehmer nunmehr lediglich noch eine unverfallbare Anwartschaft haben, die nach § 2 BetrAVG zu berechnen wäre. Die übernommene Anwartschaft bleibt vielmehr mit allen Entwicklungschancen und -risiken erhalten. bb) Besonderheiten der einzelnen Durchführungswege Der Erwerber übernimmt die Zusage mit dem Inhalt, mit der der Veräußerer sie begründet hat. Das gilt auch für den vom Veräußerer eingerichteten Durchführungsweg. Praxishinweis: Es ist zwischen dem Durchführungsweg an sich und dem rechtlichen Verhältnis zwischen Veräußerer und externem Anbieter zu unterscheiden. Der Durchführungsweg ist das rechtliche Mittel, dessen sich der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Versorgungszusage bedient und damit Bestandteil des arbeitsrechtlichen Versorgungsverhältnisses. Diese Verpflichtung geht gemäß § 613a BGB auf den Erwerber über. Das rechtliche Verhältnis zwischen Veräußerer und externem Anbieter ist nicht Bestandteil des Arbeits-/Versorgungsverhältnisses und geht daher nicht automatisch auf den Erwerber über. 949 BAG v. 05.10.1993 – 3 AZR 586/92, NZA 1994, 848. 320 Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung Direktzusage Unterstützungskasse Direktversicherung Pensionskasse Pensionsfonds ArbG sagt ArbN direkt Anspruch auf Versorgung zu ArbN hat zwar keinen rechtlichen Anspruch gegen UK, BAG billigt ihm aber faktisch einen solchen zu ArbN erhält direkten Anspruch gegen die Versicherung ArbN erhält direkten Anspruch ggü. Pensionskasse ArbN erhält direkten Anspruch ggü. Pensionsfonds Insolvenzsicherung über PSV Insolvenzsicherung über PSV kein PSV kein PSV Insolvenzsicherung über PSV (1) Direktzusage Die Direktzusage ist dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitgeber dem Berechtigten unmittelbar die Zahlung einer Betriebsrente zusagt. Der Erwerber tritt in diesem Fall in die vom Veräußerer begründeten Rechte und Pflichten aus der Versorgungszusage ein und muss – vorbehaltlich etwaiger Änderungsmöglichkeiten – die Direktzusage als solche weiterführen. Praxishinweis: Hat der Veräußerer seine Versorgungsverbindlichkeiten über ein sog. Contractual Trust Arrangement (CTA) finanziert, so bleibt dieses im Falle des Betriebsübergangs unberührt. Ein CTA ist ein Treuhandmodell, bei dem die Finanzmittel für die Pensionszusagen auf einen Treuhänder übertragen werden. Es ermöglicht, die Pensionsverpflichtungen in der Handelsbilanz mit den Forderungen gegen den Treuhänder saldieren zu können. Ein CTA ist weder ein eigener Durchführungsweg, noch ist es Bestandteil der Versorgungszusage. Ein Übergang auf den Erwerber nach § 613a BGB findet daher nicht statt. Auch wenn zur Ausfinanzierung der Zusage mit einem Versicherungsunternehmen eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen wurde, bleibt diese vom Betriebsübergang nach § 613a BGB unberührt. Je nach gewünschter Vorgehensweise sind daher gesonderte Vereinbarungen zwischen Erwerber, Veräußerer und ggf. dem Treuhänder bzw. Versicherungsunternehmen zu treffen. (2) Unterstützungskasse Wird die betriebliche Altersversorgung über eine Unterstützungskasse des Veräußerers durchgeführt, gilt auch hier, dass das (Vertrags-)Verhältnis zwischen Veräußerer und Unterstützungskasse vom Betriebsübergang unberührt bleibt. Die Unterstützungskasse bzw. die entsprechende Trägerschaft geht also nicht kraft Gesetzes auf den Erwerber über.950 Sie kann, muss aber nicht, auf den Erwerber übertragen werden. Wird die Unterstützungskasse 950 BAG v. 08.11.1988 – 3 AZR 85/87, NZA 1989, 679. 321 nicht übertragen, trifft den Erwerber eine eigene Haftung auf die Erfüllung der Versorgungsverpflichtung. Der Veräußerer und die Unterstützungskasse werden – vorbehaltlich der Nachhaftung des § 613a Abs. 2 BGB – enthaftet. Beispiel: Der Erwerber E hat am 01.01.2013 einen Betriebsteil vom Veräußerer V erworben, der seinen Arbeitnehmern eine Versorgungszusage über eine Unterstützungskasse erteilt hatte. Die Unterstützungskasse wird von E nicht übernommen. Der auf E übergegangene Arbeitnehmer A geht zum 01.01.2016 in Rente. Er kann direkt von E die Zahlung der zugesagten Betriebsrente verlangen. Es ist jedoch dem Erwerber freigestellt, in welcher Form er die übernommenen Versorgungsansprüche befriedigen will. Es bestehen folgende Möglichkeiten: Der Erwerber kann die Unterstützungskasse des Veräußerers vollständig übernehmen oder zumindest Co-Trägerunternehmen werden. Die interne Umbuchung des Kassenvermögens dürfte dabei der satzungsmäßigen Zweckbindung des Kassenvermögens nicht entgegenstehen.951 Praxishinweis: In welcher Form die „Übertragung“ einer Unterstützungskasse durchgeführt wird, hängt von deren Rechtsform ab. Handelt es sich um eine GmbH oder AG, werden die Geschäftsanteile bzw. Aktien auf den Erwerber übertragen und der satzungsmäßig berechtigte Personenkreis auf die übergehenden Arbeitnehmer erweitert. Die beim Erwerber bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse werden hiervon nicht erfasst. Handelt es sich um einen eingetragenen Verein, kann die „Übertragung“ nur erfolgen, indem der Erwerber durch Satzungsänderung als Dotierungspflichtiger ausgewiesen wird. Die Unterstützungskasse bzw. der Veräußerer bleibt aber i. d. R. auch nach dem Betriebsübergang für laufende Betriebsrenten und unverfallbare Anwartschaften verpflichtet. Damit kann es bei der Übertragung einer unternehmenseigenen Unterstützungskasse zu einer Trägermehrheit kommen, die in der Praxis selten erwünscht ist. Häufiger hingegen ist der Beitritt zu einer Gruppen-Unterstützungskasse. Der Erwerber kann einer anderen Gruppen-Unterstützungskasse beitreten oder seinerseits eine Unterstützungskasse gründen. Nach Schnitker/Sittard952 widerspricht auch eine Übertragung des Kassenvermögens von der Unterstützungskasse des Veräußerers auf eine andere Unterstützungskasse nicht dessen satzungsmäßiger Zweckbindung. Der Erwerber kann den Durchführungsweg ändern. Ergibt sich aus der Zusage allerdings ein Anspruch auf Durchführung über eine „Unterstützungskasse“, kann ggf. die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich sein. In der Literatur wird ein Zustimmungserfordernis verneint, wenn die Zusage als Direktzusage fortgeführt wird. Denn dies sei unmittelbare Folge des Betriebsübergangs.953 In allen anderen Fällen ist die Zustimmung des übergehenden Arbeitnehmers erforderlich. Entstehen dem Arbeit951 Schlewing, Arbeitsrecht der bAV Teil 17A, Rn. 369. in: Schlewing, Arbeitsrecht der bAV, Teil 17A, Rn. 369. 953 Schlewing, Arbeitsrecht der bAV, Teil 17A, Rn. 370; BAG v. 12.06.2007 – 3 AZR 186/06. 952 322 nehmer bei einem Wechsel keine materiellen Nachteile, ist er aus der Treuepflicht (§ 242 BGB) grundsätzlich zur Zustimmung verpflichtet.954 Das ist der Fall, wenn er die Betriebsrente in der zugesagten Form und Höhe erhält. Trifft der Erwerber keine aktive Entscheidung hinsichtlich des Durchführungsweges, kann er dennoch aus der Zusage direkt in Anspruch genommen werden.955 Praxishinweis: Ist Rechtsbegründungsakt der Zusage eine kollektivrechtlich fortgeltende Betriebsvereinbarung, ist eine einzelvertragliche Zustimmung des Arbeitnehmers gegebenenfalls nicht ausreichend. Es empfiehlt sich dann eine Änderung unter Beteiligung des Betriebsrates. (3) Direktversicherung Wenn der Veräußerer die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung durchführt, schließt er zugunsten der Arbeitnehmer eine Lebensversicherung ab. Vertragspartner im versicherungsrechtlichen Verhältnis sind allein der Versicherer und der Arbeitgeber. Dem Arbeitnehmer wird lediglich „als versicherter Person“ ein Bezugsrecht eingeräumt. Im Falle des Betriebsübergangs tritt der Erwerber in die vom Veräußerer erteilte Versorgungszusage ein. Das versicherungsrechtliche Verhältnis zwischen dem Veräußerer und der Versicherung bleibt jedoch von dem Betriebsübergang unberührt. Eine Vertragsübernahme kraft Gesetzes erfolgt nicht.956 Der Veräußerer bleibt also trotz des Betriebsübergangs Versicherungsnehmer mit allen dazugehörenden Rechten und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag. Es bestehen folgende Möglichkeiten: Ein Wechsel dieser Rechtsposition ist nur in Form einer dreiseitigen Vereinbarung zwischen dem Erwerber, der Versicherung und dem Veräußerer möglich. Einen Anspruch hierauf hat der Erwerber nicht. Praxishinweis: Es sollte bereits im Vorfeld des Betriebsübergangs sichergestellt werden, dass Veräußerer und Versicherung den Schuldnerwechsel vom Veräußerer zum Erwerber ermöglichen. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, dass der Veräußerer auch noch nach dem Betriebsübergang Rechte aus dem Versicherungsvertrag (z. B. Kündigung oder Beleihung von Versicherungsverträgen) ausübt.957 Wenn die Versicherung ihre Zustimmung verweigert, muss im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber geregelt werden, dass der Veräußerer künftig seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag nicht oder nur mit Zustimmung des Erwerbers ausübt. Im Gegenzug sollte geregelt werden, dass der Erwerber im Wege der Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB) die Zahlung der Versicherungsbeiträge übernimmt. Der Erwerber kann sich auch dann, wenn der Versicherungsvertrag beim Veräußerer verbleibt, den entsprechenden Versorgungsverpflichtungen nicht entziehen. Führt er die Versicherung nicht weiter, muss er dem Arbeitnehmer Ansprüche aus einer neuen Direkt- bzw. Lebensversicherung verschaffen.958 954 Schlewing, Arbeitsrecht der bAV, Teil 17A, Rn. 371. Willemsen, Teil J, Rn. 502. 956 BAG v. 05.05.1977 – 3 ABR 34/76. 957 Willemsen, Teil J, Rn. 506. 958 BAG v. 08.11.1988 – 3 AZR 85/87, NZA 1989, 679. 955 323 Auf die Leistungen aus dieser neuen Versicherung können die Leistungen aus der Versicherung des Veräußerers angerechnet werden bzw. die Leistungen aus der neuen Versicherung gleich entsprechend niedriger festgesetzt werden.959 Notwendig ist immer, dass die Versicherung des Veräußerers von diesem beitragsfrei gestellt wird. Ferner muss im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber geregelt werden, dass der Veräußerer künftig seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag nicht oder nur mit Zustimmung des Erwerbers ausübt. Im Rahmen des sog. Übertragungsabkommens der Versicherungen vom 19.06.2015960 kann auch der Rückkaufswert von der Versicherung des Veräußerers auf die neue Versicherung des Erwerbers übertragen werden. Aufgrund der Änderung des Leistungsplans bedarf es dazu aber der Zustimmung des Arbeitnehmers. Für einen Wechsel des Durchführungsweges bedarf es der Zustimmung des Arbeitnehmers. Entstehen dem Arbeitnehmer bei einem Wechsel keine materiellen Nachteile, ist er aus der Treuepflicht (§ 242 BGB) grundsätzlich zur Zustimmung verpflichtet.961 Praxishinweis: Ist Rechtsbegründungsakt der Zusage eine kollektivrechtlich fortgeltende Betriebsvereinbarung, ist eine einzelvertragliche Zustimmung des Arbeitnehmers gegebenenfalls nicht ausreichend. Es empfiehlt sich dann eine Änderung unter Beteiligung des Betriebsrates. Wird keine dieser Möglichkeiten genutzt, haftet der Erwerber direkt auf die Zahlung der entsprechenden Summe.962 Praxishinweis: Es sollte bereits im Vorfeld des Betriebsübergangs das Vorgehen geklärt werden. Ferner sollte sichergestellt werden, dass die beteiligten Parteien die ggf. erforderlichen Zustimmungen und Erklärungen erteilen. Insbesondere sollten die im Innenverhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber notwendigen Regelungen getroffen werden. (4) Pensionskasse Zu unterscheiden ist zwischen sog. „Wettbewerbs-Pensionskassen“ und unternehmenseigenen Pensionskassen. Wettbewerbs-Pensionskassen sind Versicherungseinrichtungen, die satzungsgemäß die Aufnahme jedes Arbeitnehmers vorsehen, gleichgültig bei welchem Arbeitgeber dieser beschäftigt ist. Hier bestehen keine rechtlichen Besonderheiten gegenüber der Übernahme einer Direktversicherung. Sowohl das Mitgliedschafts- als auch das Versicherungsverhältnis können unter den dort genannten Voraussetzungen regelmäßig aufrechterhalten bleiben. Bei unternehmenseigenen Pensionskassen ist eine Fortführung des Versicherungsverhältnisses unwahrscheinlich. Die Satzungen von Unternehmens-Pensionskassen sehen in aller Regel vor, dass die Mitgliedschaft nur Arbeitnehmern eines bestimmten Unternehmens, Konzerns oder einer Unternehmensgruppe offensteht. Scheidet der Arbeitnehmer durch einen Betriebsübergang aus diesem Personenkreis aus, so ist dem Erwerber die Fortführung der zugesagten Pensionskassenzusage rechtlich unmöglich. 959 Willemsen, Teil J, Rn. 506. http://www.gdv.de/wp-content/uploads/2015/12/GDVUebertragungsabkommen_Text_Anlagen_DV_PK_PF_Januar2016.pdf 961 Willemsen, Teil J, Rn. 508. 962 BAG v. 08.11.1988 – 3 AZR 85/87, NZA 1989, 679. 960 324 In der Praxis können die Satzungen der Pensionskasse Regeln enthalten, nach denen die Versorgungsleistungen für den bereits erdienten Anwartschaftsteil (past service) weiterhin von ihr erbracht werden. Das mit der Versorgungskasse bestehende Versicherungsverhältnis wird dann für die Zukunft beitragsfrei gestellt. Denkbar ist auch eine Bestandübertragung auf eine eigene Pensionskasse des Erwerbers mit Zustimmung der BaFin gemäß §§ 14, 44 VAG. Die Zustimmung der BaFin ersetzt die Zustimmung des Arbeitnehmers. Für die Zukunft (den future service) stehen dem Erwerber folgende Möglichkeiten offen: Er kann versuchen, die Versorgung über eine eigene Pensionskasse oder eine öffentlich zugängliche Pensionskasse abzudecken, die den Leistungsplan übernimmt. Bei einer Anpassung des Leistungsplans ist die Rechtsprechung des BAG zur Abänderung von Versorgungszusagen zu beachten.963 Ebenfalls in Betracht kommt der Abschluss einer gleichwertigen Direktversicherung, wozu jedoch die Zustimmung des Berechtigten einzuholen ist. Der Arbeitnehmer ist zur Erteilung der Zustimmung jedoch in der Regel nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet. Praxishinweis: Die Beurteilung der Gleichwertigkeit kann problematisch sein. Es empfiehlt sich daher, sie durch einen Versicherungsmathematiker vornehmen zu lassen. Alternativ kann die Pensionskasse des Veräußerers ihren Versicherungsbestand auch im Einvernehmen mit der BaFin auf ein Lebensversicherungsunternehmen übertragen (§§ 14, 44 VAG). Die Zustimmung der BaFin ersetzt die Zustimmung des Arbeitnehmers. Versorgungsverpflichtung wird durch Direktzusage des Erwerbers weitergeführt. Praxishinweis: Die Auswahl eines gleichwertigen Versicherungsproduktes ist nicht risikofrei, da die Tarifwerke und Satzungen von Direktversicherern, Pensionskassen und Unterstützungskassen häufig keine vollständige Abbildung des Leistungsplanes der übernommenen Pensionskassenzusage ermöglichen. Auch kann die unterschiedliche Besteuerung des Durchführungsweges zu einer Schlechterstellung für den Arbeitnehmer führen. Kommt es hierdurch zu einer Verringerung der für die übergegangenen Arbeitnehmer in der Zukunft erdienbaren Versorgungsleistungen, ist für die Zulässigkeit der Zusageänderung die Rechtsprechung des BAG zur Abänderung von Versorgungszusagen zu beachten.964 (5) Pensionsfonds Das rechtliche Schicksal einer Zusage aus einem Pensionsfonds ist im Betriebsübergang identisch mit dem der Pensionskasse. (6) Gemeinsame Einrichtung gemäß § 4 Abs. 2 TVG Die Verschaffungspflicht des Erwerbers besteht auch dann, wenn die Altersversorgung beim Veräußerer über eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien erfolgt ist. 963 964 siehe dazu Ziff. IV.1.c)aa) sowie Willemsen, Kapitel J, Rn. 512. siehe dazu Ziff. IV.1.c) aa) 325 Beispiel: Der tarifgebundene Veräußerer V unterfällt dem fachlichen Geltungsbereich der Bautarifverträge und ist daher verpflichtet, Beiträge an die Zusatzversorgungskasse im Baugewerbe abzuführen. Der einem Metallarbeitgeberverband angehörende Erwerber E erwirbt von V einen Betriebsteil. Da er nicht unter den fachlichen Geltungsbereich der Bautarifverträge fällt, muss er zwar keine Beiträge an die Zusatzversorgungskasse abführen, aber er muss den übergehenden Arbeitnehmern, deren Versorgungsanspruch nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert wur965 de, eine gleichwertige Leistung verschaffen. b) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB Die Information der Arbeitnehmer sollte in dem Fall, dass der Erwerber die Versorgungszusage des Veräußerers übernimmt, folgende Punkte enthalten: Übergang der Versorgungszusage auf den Erwerber Mitteilung, dass der Erwerber die vom Veräußerer übernommene Versorgungszusage nach Maßgabe der bisherigen Versorgungsordnung unverändert weiterführen wird Praxishinweis: Diesbezüglich ist ein Hinweis rechtlich zwar nicht zwingend, aber wegen der Bedeutung der betrieblichen Altersversorgung für die Arbeitnehmer zu empfehlen. Vorbehalt späterer (rechtlich zulässiger) Änderungen ggf., dass der Betriebsübergang keine Auswirkungen auf Wartezeiten sowie Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung haben wird Formulierungsvorschlag: „Die Ihnen von der Firma V erteilte Versorgungszusage wird von der Firma E mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten übernommen. Für Sie ergeben sich hieraus keine Änderungen. Der Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses wird keine Auswirkungen auf den Lauf der Unverfallbarkeitsfristen, die bisher vorgesehenen Wartezeiten sowie Art und Höhe der Ihnen zugesagten Betriebsrente haben. Die Firma E wird die von der Firma V erteilte Versorgungszusage nach Maßgabe der bisherigen Versorgungsordnung unverändert weiterführen. Spätere Änderungen, soweit rechtlich zulässig, bleiben vorbehalten.“ Wenn der Erwerber nicht in der Lage ist, die beim Veräußerer geltende Versorgungsregelung weiterzuführen, schuldet er dem Arbeitnehmer die Verschaffung einer gleichwertigen Versorgungszusage. Das Informationsschreiben muss dann deutlich umfangreicher ausgestaltet werden. Insbesondere sind dezidierte Ausführungen dann erforderlich, wenn der Betriebsübergang Auswirkungen auf den Inhalt der Versorgungszusage hat, z. B. bei einer notwendigen Umstellung des Durchführungsweges, des Versorgungsträgers oder Ablösung durch eine bestehende oder konkret geplante Erwerberregelung. Auch die Frage, ob eine kollektivrechtliche Versorgungsordnung kollektivrechtlich oder als Inhalt des Arbeitsvertrages weitergilt, ist zu behandeln.966 c) Änderungsmöglichkeiten für den Erwerber Für den Erwerber ist regelmäßig von Interesse, ob er auf Dauer zur Aufrechterhaltung und Finanzierung nicht nur der bereits erdienten, sondern auch der künftigen Versorgungsansprüche verpflichtet ist. 965 966 BAG v. 05.10.1993 – 3 AZR 586/92, NZA 1994, 848. BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268. 326 Für Änderungen der Zusage gelten für den Erwerber die gleichen Grenzen, die für den Veräußerer gegolten hätten. Er hat damit nicht die Möglichkeit, die übernommenen Versorgungszusagen ohne Weiteres zu ändern. Will der Erwerber die erdienten und künftigen Anwartschaften der übergehenden Arbeitnehmer mindern, richten sich die rechtlichen Änderungsmöglichkeiten grundsätzlich nach dem Rechtsbegründungsakt der Zusage. Zusätzlich sind möglicherweise die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit sowie ggf. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu beachten. aa) Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit – Drei-Stufen-Theorie des BAG Jede Änderung, Anpassung oder Beseitigung von Versorgungszusagen ist grundsätzlich an den Grundsätzen von Verhältnismäßigkeit und Vertrauensschutz zu messen.967 Das gilt unabhängig von der Rechtsgrundlage, auf der die Zusage beruht. Bei Eingriffen durch abändernde Betriebsvereinbarung in die Höhe der Anwartschaft ist Prüfungsmaßstab die sog. Drei-Stufen-Theorie des BAG.968 Diese konkretisiert die allgemeinen Grundsätze von Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit. Das BAG unterteilt dabei den Besitzstand der Arbeitnehmer in drei Stufen mit unterschiedlicher Schutzwürdigkeit. Beispiel: Der Veräußerer V hat seinen Arbeitnehmern zugesagt, dass sie bei Eintritt des Versorgungsfalles eine Betriebsrente in Höhe von 1 % des Endgehalts pro Dienstjahr ab Rentenalter 67 erhalten. Arbeitnehmer A tritt 1992 im Alter von 27 Jahren in das Unternehmen ein. Die maximal mögliche Rente von Arbeitnehmer A beträgt also 40 % seines Endgehalts. Der Betrieb geht im Jahr 2012 auf Erwerber E über. A verdient zu diesem Zeitpunkt 2.000 € brutto. 2032 wird A voraussichtlich 4.000 € brutto verdienen. Die maximal mögliche Altersrente für A beträgt also 1.600 € (4.000 € x 0,4). 2. Stufe 3. Stufe 1. Stufe Eintritt ins Unternehmen 1992 Betriebsübergang 2012 Renteneintritt 2032 Die Differenzierung des BAG ist im Folgenden an diesem Beispiel dargestellt: 1. Besitzstandsstufe: Erdienter Teilbetrag, für den der Arbeitnehmer bereits seine Gegenleistung erbracht hat. 967 968 BAG v. 13.09.2014 – 3 AZR 998/12. BAG v. 17.04.1985 – 3 AZR 72/83, NZA 1986, 57. 327 Der erdiente Teilbetrag errechnet sich gem. § 2 Abs. 1, Abs. 5 BetrAVG zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs. Er ist das Produkt von der bei Erreichen der Altersgrenze erreichbaren Vollrente und dem Verhältnis von erbrachter Dienstzeit zu maximal erreichbarer Dienstzeit (erreichte Dienstzeit bis BÜ ÷ maximal mögliche Dienstzeit bis Altersgrenze x Vollrente). Dabei wird zur Berechnung der Vollrente das ruhegehaltsfähige Gehalt zum Zeitpunkt der Änderung zugrunde gelegt. 2. Stufe 3. Stufe 1. Stufe Eintritt ins Unternehmen 1992 Betriebsübergang 2012 Renteneintritt 2032 Beispiel: Der Betrieb geht im Jahr 2012 auf Erwerber E über. A ist seit 1992 bei V beschäftigt. Er verdient zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs 2.000 € brutto. A hat eine (unverfallbare) Versorgungsanwartschaft in Höhe von 400 € [(0,5 x (2.000 € x 0,4))] monatlich erworben, da er im Jahr 2012 lediglich die Hälfte der maximal erbringbaren Dienstzeit erfüllt hat. Dieser erdiente Teilbetrag ist die 1. Besitzstandsstufe. Ein besonderer Besitzstand gilt nach § 2 Abs. 5a BetrAVG bei Entgeltumwandlung oder für beitragsorientierte Leistungszusagen in den Durchführungswegen Direktzusage, Unterstützungskasse oder Pensionsfonds, die ab dem 01.01.2001 erteilt wurden bzw. werden. Ebenso nach § 2 Abs. 5b BetrAVG für Beitragszusagen mit Mindestleistung bei Zusagen über versicherungsförmige Durchführungswege.969 Ein Eingriff in die 1. Besitzstandsstufe erfordert zwingende Gründe. Das ist bei einer Störung der Geschäftsgrundlage der Fall (§ 313 BGB). Zwingende Gründe können zum Beispiel eine erhebliche Äquivalenzstörung im Falle einer absoluten oder planwidrigen Überversorgung sein.970 Eine wirtschaftliche Notlage ist nach Rechtsprechung des BAG hingegen nicht mehr ausreichend.971 Beispiel: Bei Vorliegen eines zwingenden Grundes könnte der erdiente Besitzstand des A in Höhe von 400 € unterschritten werden. 969 Höfer, BetrAVG, Kapitel 5, Rn. 353 ff. Kemper, BetrAVG, § 1, Rn. 306; BAG v. 19.02.2008 – 3 AZR 290/06, DB 2008, 1387. 971 BAG v. 17.06.2003 – 3 AZR 396/02, DB 2004, 324. 970 328 2. Besitzstandsstufe: Die 2. Besitzstandsstufe gibt es nur bei Leistungszusagen972 mit dynamischen Leistungsplänen, insb. also endgehaltsbezogenen Zusagen. Der Besitzstand umfasst den Teil der zugesagten Dynamik aus dienstzeitunabhängigen Variablen, der auf die bis zum Änderungszeitpunkt abgeleistete Dienstzeit entfällt (sog. zeitanteilig erdiente dienstzeitunabhängige Dynamik). Der geschützte Besitzstand der 2. Stufe errechnet sich zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs als Produkt von der bei Erreichen der Altersgrenze erreichbaren Vollrente und dem Verhältnis von erbrachter Dienstzeit zu maximal erreichbarer Dienstzeit (erreichte Dienstzeit bis BÜ ÷ maximal mögliche Dienstzeit bis Altersgrenze x Vollrente). Dabei wird zur Berechnung der Vollrente das prognostizierte ruhegehaltsfähige Endgehalt zugrunde gelegt. 2. Stufe 3. Stufe 1. Stufe Eintritt ins Unternehmen 1992 Betriebsübergang 2012 Renteneintritt 2032 Beispiel: Der Betrieb geht im Jahr 2012 auf Erwerber E über. Arbeitnehmer A, der seit 1992 bei V beschäftigt ist, hat im Zeitpunkt des Betriebsübergangs eine (unverfallbare) Versorgungsanwartschaft in Höhe von 400 € [(0,5 x (2.000 € x 0,4))] monatlich erworben. Da sein prognostiziertes Endgehalt im Jahre 2032 ebenfalls feststeht, unterliegt auch dieser Teil der Gehaltsentwicklung einem Vertrauensschutz. Der maximal erreichbare Besitzstand auf der 2. Besitzstandsstufe beträgt also für Arbeitnehmer A 800 € [(0,5 x (4.000 € x 0,4))]. Ein Eingriff auf dieser 2. Besitzstandsstufe könnte demnach maximal bis zur Grenze von 400 € (1. Besitzstandstufe) erfolgen. Ein Eingriff in die 2. Besitzstandsstufe erfordert triftige Gründe. Nach dem BAG können triftige Gründe insb. dann vorliegen, wenn ein unveränderter Fortbestand des Versorgungswerkes langfristig zu einer Substanzgefährdung des Versorgungsschuldners führen würde. Das ist nach der Literatur anzunehmen, wenn die Kosten nicht mehr aus den Unternehmenserträgen und Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens finanziert werden können.973 Eine wirtschaftliche Notlage muss jedoch nicht gegeben sein. Allerdings muss der Eingriff in die erdiente Dynamik dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Zur Prüfung kann sich an den zu § 16 BetrAVG entwickelten Regeln zur Anpassungsverweigerung wegen schlechter wirtschaftlicher Lage des Arbeitgebers orientiert werden. 972 973 Höfer, BetrAVG, Kapitel 5 Rn. 314 und 332 ff. Kemper, BetrAVG, § 1, Rn. 314, BAG v. 05.06.1984 – 3 AZR 33/84, NZA 1985, 22. 329 Auch nichtwirtschaftliche Gründe können triftige Gründe sein. Hier etwa eine Umverteilung zwischen den Leistungsarten, wenn also eine Altersleistung zugunsten der Einführung oder Erhöhung einer Invaliditätsabsicherung reduziert wird.974 Beispiel: Bei Vorliegen eines triftigen Grundes kann der Besitzstand des A auf bis zu 400 € reduziert werden. Darüber hinaus ist ohne zwingende Gründe ein weiterer Eingriff (in die 1. Stufe) nicht möglich. 3. Besitzstandsstufe: Die 3. Stufe schützt die zugesagten Steigerungsbeträge, die durch zukünftige Betriebstreue erst noch erworben werden. 2. Stufe 3. Stufe 1. Stufe Eintritt ins Unternehmen 1992 Betriebsübergang 2012 Renteneintritt 2032 Beispiel: Der Betrieb geht im Jahr 2012 auf Erwerber E über. Arbeitnehmer A, der seit 1992 bei V beschäftigt ist, hat im Zeitpunkt des Betriebsübergangs eine (unverfallbare) Versorgungsanwartschaft in Höhe von 400 € [(0,5 x (2.000 € x 0,4))] monatlich erworben. Im Jahr 2017 wird er befördert und erhält deshalb ab diesem Zeitpunkt monatlich 6.000 €, sein ab 2017 prognostiziertes Endgehalt beträgt 10.000 €. Trifft diese Prognose zu, hat A im Jahr 2032 einen Anspruch auf 4.000 € (10.000 x 0,4). Ein Eingriff in die 3. Besitzstandsstufe erfordert sachlich-proportionale Gründe. Hierunter sind nachvollziehbare, anerkennenswerte und damit willkürfreie Gründe zu verstehen.975 Es muss erkennbar sein, welche Umstände und Erwägungen zur Änderung der Versorgungszusage Anlass gegeben haben.976 Solche Gründe liegen etwa in einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung, „auf die ein vernünftiger Unternehmer reagieren dürfe“.977 Auch die Vereinheitlichung von Versorgungssystemen kann Eingriffe auf der 3. Stufe rechtfertigen. Darüber hinaus darf der Eingriff nicht unverhältnismäßig sein. Bei Eingriffen aus wirtschaftlichen Gründen ist das z. B. gewährleistet, wenn der Eingriff auf der 3. Stufe nur so weit erfolgt, wie es aus Sicht eines vernünftigen Unternehmers zur Kosteneinsparung in der konkreten wirtschaftlichen Situation geboten ist.978 974 Kemper, BetrAVG, § 1, Rn. 320 (m.w.N.). BAG v. 09.12.2014 – 3 AZR 323/13. 976 Kemper, BetrAVG, § 1, Rn. 317. 977 BAG v. 09.12.2014 – 3 AZR 323/13. 978 BAG v. 09.12.2014 – 3 AZR 323/13. 975 330 Bei Vorliegen sachlich-proportionaler Gründe sind Eingriffe auf der 3. Besitzstandsstufe maximal bis zum Besitzstand der 2. Besitzstandsstufe zulässig. Enthält die Zusage keine dienstzeitunabhängige Dynamik und damit keine 2. Stufe, können Eingriffe maximal bis zum Besitzstand der 1. Stufe (im Beispiel: 400 €) erfolgen. Beispiel: Bei Vorliegen nur eines sachlich-proportionalen Grundes kann der Besitzstand des A auf maximal 800 € [(0,5 x (4.000 € x 0,4))] reduziert werden. Die karrierebedingte Änderung des prognostizierten Endgehalts stellt zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs im Jahre 2012 eine lediglich erdienbare Dynamik dar, für die zu diesem Zeitpunkt noch keine Betriebstreue erbracht worden 979 ist . Praxishinweis: Der Betriebs(teil)übergang bzw. der Wunsch des Erwerbers nach einer Reduzierung der finanziellen Belastungen ist für sich genommen kein anerkannter Grund, eine bestehende und übernommene Versorgungsordnung zu Lasten der Arbeitnehmer zu ändern. Dies gilt auch für die Besitzstände der 3. Stufe. Zusammenfassender Überblick Eingriff in Rechtfertigung Beispiel für Rechtfertigung 1. Besitzstandsstufe erdiente Teilbeträge zwingende Gründe Planwidrige Überversorgung bei Gesamtversorgungssystemen, seltene Fälle von Wegfall der Geschäftsgrundlage; wirtschaftliche Notlage nicht ausreichend 2. Besitzstandsstufe zugesagte Dynamik des erdienten Teilbetrags triftige Gründe Langfristige Gefährdung der Unternehmenssubstanz durch die Versorgungslast 3. Besitzstandsstufe zukünftige Steigerungsbeträge sachlichproportionale Gründe Wirtschaftlich ungünstige Entwicklung, Vereinheitlichung heterogener Versorgungssysteme bb) Änderungsmöglichkeit je nach Rechtsgrundlage der Zusage Ob und in welchem Umfang der Erwerber die Möglichkeit zur Änderung betrieblicher Versorgungsordnungen hat, richtet sich nach der Rechtsgrundlage, auf der die Versorgungszusage des Veräußerers beruht. (1) Individualrechtliche Rechtsgrundlage Rein individualrechtliche Versorgungszusagen ohne kollektiven Bezug (sog. Einzelzusagen) gelten beim Erwerber gem. § 613a Abs. 1 S. 1 BGB fort. Sie können nur ausnahmsweise einseitig geändert oder gar beseitigt werden. In der Regel ist eine Änderung nur durch Änderungsvereinbarung denkbar. Eine Änderungskündigung ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes vorliegen. Diese werden in der Praxis jedoch nicht gegeben sein, weshalb eine Änderungskündigung faktisch nicht möglich ist. Eine Änderungsvereinbarung setzt immer eine einvernehmliche Einigung zwischen Arbeitnehmer und Erwerber voraus. Der Erwerber ist also auf das Einverständnis der betroffenen 979 siehe auch Höfer, BetrAVG, Kapitel 5, Rn. 316. 331 Arbeitnehmer angewiesen. Hierauf hat er jedoch gerade bei für die Arbeitnehmer nachteiligen Änderungen keinen Anspruch. Ist der Arbeitnehmer zur Änderung nicht bereit, so ist dieser Weg versperrt980. Selbst wenn sich die Arbeitnehmer auf Änderungen einlassen, sind solche einzelvertraglichen Vereinbarungen, in denen sie ganz oder zum Teil auf ihre künftigen Betriebsrentenansprüche verzichten, nicht ohne Weiteres zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist eine solche Vereinbarung ohne sachlichen Grund wegen Umgehung des § 613a BGB unzulässig, wenn die Änderung im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betriebsübergang steht. Der Betriebsübergang als solcher stellt keinen sachlichen Grund dar.981 Praxishinweis: Zusätzlich ist bei einer ggf. einvernehmlichen Vereinbarung mit ehemaligen Arbeitnehmern das Abfindungsverbot des § 3 BetrAVG zu beachten. (2) Individualrechtliche Rechtsgrundlage mit kollektivem Bezug Größere Gestaltungsmöglichkeiten hat der Erwerber, wenn die Versorgungsregelung zwar auf individualrechtlicher Grundlage beruht, jedoch einen kollektiven Bezug aufweist. Hierunter fallen die Gesamtzusage, die vertragliche Einheitsregelung982, Zusagen aus betrieblicher Übung und aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz.983 Diese gelten beim Erwerber gem. § 613a Abs. 1 S. 1 BGB fort und können nur mit den Mitteln verändert werden, die auch dem alten Arbeitgeber zur Verfügung standen. Diese Zusagen können – wie auch die rein individualvertragliche Regelung – durch eine Änderungsvereinbarung oder Änderungskündigung geändert bzw. beseitigt werden. In der Praxis dürfte es allerdings kaum möglich sein, ausnahmslos jeden betroffenen Versorgungsberechtigten zur Zustimmung zur beabsichtigten Änderung zu bewegen. Für eine wirksame Änderungskündigung werden in der Praxis die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht vorliegen. Es besteht aber zudem die Möglichkeit einer ggf. verschlechternden Änderung oder Ablösung durch eine Betriebsvereinbarung. Deren Wirkung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen zur sog. ablösenden Betriebsvereinbarung. Es müsste damit entweder die individualvertragliche Regelung mit kollektivem Bezug betriebsvereinbarungsoffen oder die ablösende Betriebsvereinbarung kollektiv günstiger sein. Ferner müssen die Grundsätze von Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit984 beachtet werden. Die beim Veräußerer geltende Versorgungsregelung ist „betriebsvereinbarungsoffen“, wenn die Zusage den ausdrücklichen Vorbehalt einer späteren Abänderung durch eine Betriebsvereinbarung enthält.985 Ohne ausdrücklichen Vorbehalt kann nur bei konkreten Anhaltspunkten von einem (konkludenten) Vorbehalt ausgegangen werden. Diese können sich entweder aus der Zusage selbst oder aus sonstigen Umständen ergeben986. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer nach den Umständen bei Zusageerteilung davon ausgehen musste, dass seine Versorgungszusage unter dem Vorbehalt einer zukünftigen kollektiven Ablösung steht.987 Das BAG hat einen stillschweigenden Änderungsvorbehalt z. B. in einem Fall bejaht, 980 Willemsen, Kapitel J, Rn. 666. BAG v. 12.05.1992 – 3 AZR 247/91, NZA 1992, 1080, 1081; BAG v. 29.10.1985 – 3 AZR 485/83, DB 1986, 1779. 982 BAG GS v. 16.09.1986 – GS 1/82, NZA 1987, 168. 983 Höfer, BetrAVG, Kapitel 5, Rn. 34. 984 siehe dazu Ziff. IV.1.c) aa). 985 BAG GS v. 16.09.1986 – GS 1/82, NZA 1987, 168. 986 Kemper, BetrAVG, § 1, Rn. 353. 987 ErfK-Kania, § 77 BetrVG, Rn. 79. 981 332 in dem die Gesamtzusage des Veräußerers den Hinweis enthielt, dass sie mit dem Betriebsrat abgestimmt ist.988 Das BAG hat inzwischen mehrfach entschieden, dass der Arbeitgeber bei Gesamtzusagen eine Leistung erkennbar nach einem einheitlichen System erbringen wolle, das auf unbestimmte Zeit hin angelegt sei.989 Weil es daher erkennbar künftigen Änderungsbedarf habe, sei eine erleichterte Änderung durch kollektive Rechtsbegründungsakte möglich: Die Änderungsmöglichkeit einer Gesamtzusage sei ähnlich wie die einer Betriebsvereinbarung.990 In einem Einzelfall hat das BAG eine Vereinbarung als betriebsvereinbarungsoffen anerkannt, deren Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) enthalten war und die einen kollektiven Bezug aufwies.991 Ob diese Entscheidung des BAG auf andere Sachverhalte, wie etwa die betriebliche Altersvorsorge, übertragbar ist, ist offen und bleibt abzuwarten. Die Rechtsprechung zur Änderung von Gesamtzusagen durch Betriebsvereinbarung hat sich damit zuletzt etwas gelockert. Bisher nicht explizit entschieden ist, ob dies auch bei vertraglichen Einheitsregelungen gelten soll. Unklar ist ferner, ob der Arbeitgeber eine Gesamtzusage einseitig durch eine andere Gesamtzusage ändern kann. Dies dürfte insbesondere dann von Interesse sein, wenn ein Betriebsrat nicht besteht. Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten sollte in diesen Fällen wie bisher vorgegangen werden. Ist die individualvertragliche Zusage mit kollektivem Bezug betriebsvereinbarungsoffen, kann sie durch eine Betriebsvereinbarung des Erwerbers sogar zum Nachteil der Arbeitnehmer abgelöst werden. Dabei müssen allerdings die Grenzen der BAG-Rechtsprechung zur Besitzstandswahrung für bereits erdiente Versorgungsanwartschaften (Drei-Stufen-Theorie)992 beachtet werden. Ist die Zusage nicht betriebsvereinbarungsoffen, kann eine Ablösung durch Betriebsvereinbarung nur erfolgen, wenn sie nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG dem sog. „kollektiven Günstigkeitsprinzip“ entspricht. Dafür darf die Neuregelung insgesamt bei kollektiver Betrachtung der Gesamtbelegschaft nicht ungünstiger sein bzw. der Dotierungsrahmen nicht verändert werden. 993 Das ist der Fall, wenn sich der wirtschaftliche Wert bzw. der Barwert des arbeitgeberseitigen Gesamtaufwands nicht verschlechtert. Eine solche Betriebsvereinbarung kann dann auch Regelungen treffen, die zu Lasten einzelner Arbeitnehmer gehen, sofern die durch die Drei-Stufen-Theorie konkretisierten Grundsätze von Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit994 beachtet werden. Ist der Erwerber Inhaber eines Betriebes, in dem er bereits vor dem Betriebsübergang Arbeitnehmer beschäftigt hat, haben diese Arbeitnehmer gegen ihn keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage nach den für die übergegangenen Arbeitnehmer geltenden Richtlinien. Ein Anspruch folgt auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da die aus § 613a BGB folgende rechtliche Bindung des Erwerbers an Rechtshandlungen des Veräußerers einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer darstellt.995 988 BAG v. 17.02.2015 – 1 AZR 599/13. BAG v. 13.01.2015 – 3 AZR 897/12; BAG v. 10.03.2015 – 3 AZR 56/14, BAG v. 23.02.2016 – 3 AZR 960/13. 990 BAG v. 23.02.2016 – 3 AZR 960/13. 991 BAG v. 05.03.2013 – 1 AZR 417/12. 992 siehe dazu Ziff. IV.1.c) aa) und BAG v. 17.03.1987 – 3 AZR 64/84, NZA 1987, 855. 993 BAG GS v. 16.09.1986 – GS 1/82, NZA 1987, 168. 994 siehe dazu Ziff. IV.1.c) aa). 995 BAG v. 31.08.2005 – 5 AZR 517/04, NZA 2006, 265 für das Arbeitsentgelt. 989 333 Gegenüber Arbeitnehmern, die nach dem Betriebsübergang eingestellt werden, kann - und sollte - der Erwerber die Geltung der auf einer individualrechtlichen Grundlage (insbesondere einer Gesamtzusage) beruhenden Versorgungsordnung durch ausdrückliche Erklärung ausschließen. (3) Betriebsvereinbarung Ähnliche Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich dem Erwerber, wenn die betriebliche Altersversorgung des Veräußerers auf einer Betriebsvereinbarung beruht und diese nach dem Betriebsübergang normativ weitergilt. Dies ist der Fall, wenn der Betrieb(-steil) als Ganzes unter Wahrung der Betriebsidentität auf den Erwerber übergeht. Der Erwerber tritt bei fortbestehender Betriebsidentität in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des bisherigen Inhabers ein und wird Vertragspartner der Betriebsvereinbarung996. In diesem Fall kann der Erwerber auch Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung nach § 77 Abs. 5 BetrVG kündigen. Eine solche Kündigung hat jedoch nicht zur Folge, dass dann die Versorgungsansprüche der übergehenden bzw. von der Betriebsvereinbarung erfassten Arbeitnehmer vollständig entfallen. Vielmehr wendet das BAG auch in diesem Fall die Drei-Stufen-Theorie an997. Kündigt der Erwerber also die Betriebsvereinbarung sogar ohne sachlich-proportionalen Grund, ändert sich am Inhalt der bereits bestehenden und noch zu erdienenden Anwartschaften der übergehenden Arbeitnehmer nichts. Der einzige Vorteil für den Erwerber liegt dann darin, dass nach dem Betriebsübergang eintretende Arbeitnehmer von der Betriebsvereinbarung jedenfalls nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr erfasst werden. Eine Änderung der auf einer Betriebsvereinbarung beruhenden Versorgungszusagen ist nur mittels Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung möglich. Hier gilt das kollektive Günstigkeitsprinzip nicht, da es nicht um die Ablösung individualvertraglicher Regelungen geht. Den Rechten der Betriebsparteien werden jedoch letztlich die bekannten Grenzen gesetzt, d. h., es gilt auch insoweit die Drei-Stufen-Theorie des BAG998. Wirkt eine Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung nicht normativ weiter, wird sie gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Erwerber und dem Arbeitnehmer. Zu einer solchen Transformation kommt es vor allem dann, wenn der übernommene Betrieb(-steil) seine bisherige Identität verliert. Durch die Transformation verliert die Betriebsvereinbarung nach dem BAG bzgl. Kollisionen mit späteren kollektivrechtlichen Regelungen allerdings nicht ihren kollektivrechtlichen Charakter999. Diese Einordnung hat erhebliche Auswirkungen auf die weiteren Gestaltungsmöglichkeiten. Die Ansprüche aus einer solchen transformierten Betriebsvereinbarung können – auch vor Ablauf der Veränderungssperre des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB – durch eine ablösende Betriebsvereinbarung abgeändert werden. Denn die individualrechtlich als Inhalt des Arbeitsverhältnisses fortgeltenden kollektivrechtlichen Regelungen sind nicht weiter geschützt als sie es bei einem Fortbestand beim Veräußerer gewesen wären1000. 996 Höfer, BetrAVG, Kapitel 9, Rn. 77. BAG v. 18.04.1989 – 3 AZR 688/87, NZA 1990, 67; BAG v. 11.05.1999 – 3 AZR 21/98, NZA 2000, 322. 998 siehe dazu Ziff. IV.1.c) aa). 999 BAG v. 22.04.2009 – 4 AZR 100/08. 1000 BAG v. 13.03.2012 – 1 AZR 659/10. 997 334 Daher gilt im Verhältnis zu der neuen Betriebsvereinbarung auch nicht das Günstigkeits-, sondern das Ablösungsprinzip1001. Da die Regelungen individualrechtlich weitergelten, kann der Erwerber die Betriebsvereinbarung allerdings nicht nach § 77 Abs. 5 BetrVG kündigen1002. Bei transformierten Betriebsvereinbarungen werden weder die Arbeitnehmer, die beim Erwerber bereits vor dem Betriebsübergang beschäftigt waren, noch die Arbeitnehmer, die nach dem Betriebsübergang neu eingestellt werden, von dieser Betriebsvereinbarung erfasst. Auch Ansprüche aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz kommen für diese Personengruppe nicht in Betracht. (4) Tarifvertrag Beruhen die Betriebsrentenansprüche bzw. Versorgungsanwartschaften der Arbeitnehmer auf einer tariflichen Rechtsgrundlage, werden diese – bei fehlender Bindung des Erwerbers an diesen Tarifvertrag – grundsätzlich in das Arbeitsverhältnis transformiert. In der M+EIndustrie ist das die Regel, da flächentarifvertragliche Regelungen fehlen, die Zusagen auf betriebliche Altersversorgung begründen könnten. Insoweit kommt für Betriebe der Metall- und Elektroindustrie grundsätzlich weder eine normative Weitergeltung der Tarifverträge noch eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB in Betracht. Der Regelungsinhalt der Tarifnorm geht vielmehr in aller Regel statisch in das Arbeitsverhältnis über. Spätere Änderungen durch die Tarifvertragsparteien haben auf den Erwerber keinen Einfluss1003. Die Verpflichtung zur Fortführung der Zusage erlischt gleichwohl nicht. Eine einvernehmliche Änderung ist möglich. Sie ist aber erst nach Ablauf eines Jahres gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zulässig. Praxishinweis: Unter dem Stichwort „Über-Kreuz-Ablösung“ wurde längere Zeit diskutiert, ob eine Transformation der tariflichen Regelung durch eine beim Erwerber bestehende oder noch abzuschließende Betriebsvereinbarung verhindert bzw. beseitigt werden könne. Das BAG hat in einer grundsätzlichen Entscheidung eine „Über-Kreuz-Ablösung“ abgelehnt, wenn der Regelungsgegenstand nicht dem zwingenden Mitbestimmungsrecht unterliegt, was bei einer Versorgungsordnung gerade der Fall ist1004. Auch eine gemäß § 4 Abs. 5 TVG nur nachwirkende Tarifnorm kann – außerhalb des Bereichs zwingender Mitbestimmung – nicht durch eine ungünstigere Betriebsvereinbarung abgelöst werden, da hierdurch das Günstigkeitsprinzip verletzt würde1005. 1001 Höfer, BetrAVG, Kapitel 9, Rn. 81; die Auswirkungen des EuGH – Urteils v. 06.09.2011 (Az. C-108/10, Scattolon) auf diese Frage sind unklar. 1002 siehe Kapitel D. 1003 BAG v. 29.08.2001 – 4 AZR 332/00, NZA 2002, 513. 1004 BAG v. 13.11.2007 – 3 AZR 191/06, NZA 2008, 600. 1005 BAG v. 06.11.2007 – 1 AZR 826/06, NZA 2008, 542. 335 Zusammenfassender Überblick Änderungsmöglichkeit des Erwerbers (Versorgungsordnung beim Veräußerer, nicht beim Erwerber) Individualrechtliche Grundlage Einzelvertraglich Kollektiver Bezug (Gesamtzusage u. a.) Betriebsvereinbarung Normative Weitergeltung Transformation Tarifvertrag in M+E-Industrie i. d. R. Transformation Änderungs- kündigung kaum möglich Nicht BVoffen BV-offen Änderungs- vereinbarung (P) § 613a i. V. m. § 134 BGB Änderungs- Änderungs- vereinbarung (P) § 613a i. V. m. § 134 BGB vereinbarung (P) § 613a i. V. m. § 134 BGB Durch BV Durch BV nur aufgrund kollektiven Günstigkeitsvergleichs unter Beachtung Drei-StufenTheorie Kündigung oder Änderung unter Beachtung der Drei-StufenTheorie Kündigung der BV nicht möglich Änderungs- kündigung (P) Veränderungssperre Durch BV unter Beachtung DreiStufen-Theorie Durch BV nicht möglich („Über-KreuzAblösung“) Änderungsverein- barung (P) Veränderungssperre 2. Versorgungsregelungen sowohl bei dem Veräußerer als auch bei dem Erwerber In den Fällen der Eingliederung1006 können aufgrund des Betriebsübergangs bei dem Erwerber mehrere unterschiedliche Versorgungssysteme aufeinandertreffen. Deren Verhältnis zueinander und deren Geltung für die einzelnen Arbeitsverhältnisse hängen primär von der jeweiligen Rechtsgrundlage der Zusage ab. a) Veräußerer: Betriebsvereinbarung / Erwerber: Betriebsvereinbarung Wird der übernommene Betrieb(-steil) in einen bestehenden Betrieb des Erwerbers unter Verlust seiner Identität eingegliedert, kommt es grundsätzlich nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB zur Transformation. Die Regelungen der Betriebsvereinbarung werden damit Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Erwerber und dem Arbeitnehmer. Besteht bei dem Erwerber eine Betriebsvereinbarung oder wird eine solche nachträglich vereinbart, kann diese die nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB transformierte Regelung ablösen (§ 613a Abs. 1 S. 3 BGB). Das Günstigkeitsprinzip soll dabei nach dem BAG nicht greifen1007, die ablösende Betriebsvereinbarung kann also auch nachteilige Regelungen treffen.1008 Die nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB transformierte Betriebsvereinbarung ist insofern immer als betriebsvereinbarungsoffen anzusehen.1009 Voraussetzung für eine Ablösung ist stets ein gleicher Regelungsgegenstand der Betriebsvereinbarung des Erwerbers sowie der transformierten Regelung des Veräußerers. Wann ein solcher vorliegt, kann problematisch sein. Nach Hohenstatt1010 muss sich die kollektivrechtliche Regelung auf „dieselbe Sachgruppe“ beziehen. 1006 Kommt es nicht zu einer Eingliederung, gelten die Ausführungen unter IV.1. entsprechend. BAG v. 14.8.2001 – 1 AZR 619/00. 1008 Aufgrund des EuGH – Urteils vom 06.09.2011 (Az. C-108/10, Scattolon) ist fraglich und bislang offen, ob das BAG diese Rechtsprechung aufrechterhalten kann. 1009 Kemper, BetrAVG, § 1 Rn. 347 m. w. N. 1010 Willemsen, Teil E, Rn. 47. 1007 336 Jedenfalls bei identischem Durchführungsweg und Finanzierungsart soll die Gleichartigkeit von Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung bejaht werden können.1011 Nach Schnitker1012 soll wegen der Einstandspflicht aus § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG auch ein unterschiedlicher Durchführungsweg der Ablösung nach § 613a Abs. 1 S. 3 BetrAVG nicht entgegenstehen. Ferner bejaht er eine Ablösung, wenn „in der Betriebsvereinbarung des Erwerbers ausdrücklich geregelt ist, dass (…) [diese] eine abschließende Regelung der Altersversorgung unter Ausschluss jeder anderen Altersversorgung durch den Erwerber“ sein soll. Das könne unter bestimmten Umständen auch bei einer ganz/teilweise arbeitnehmerfinanzierten Altersversorgung der Fall sein.1013 Praxishinweis: Aufgrund dieser Rechtsunsicherheiten kann sich anstelle einer Ablösung eine generelle Harmonisierung durch eine explizit hierauf bezogene Betriebsvereinbarung (etwa: stichtagsbezogene Umstellung auf eines der geltenden Versorgungssysteme oder generelle Neuregelung für alle Arbeitnehmer) unter Wahrung der Besitzstände empfehlen. Für die Unverfallbarkeit dem Grunde nach (§ 1b Abs. 1 S. 1 BetrAVG) werden für die ablösende Zusage des Erwerbers die bei dem Veräußerer erbrachten Dienstzeiten auch dann angerechnet, wenn der Erwerber diese nicht leistungserhöhend berücksichtigt.1014 Ferner sind bei einer Ablösung die unter der Geltung der bisherigen Betriebsvereinbarung erdienten Besitzstände zu wahren, soweit sie vor dem Betriebsübergang erdient wurden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anwartschaften zur Zeit des Betriebsübergangs die Voraussetzungen für die gesetzliche Unverfallbarkeit erfüllten oder nicht.1015 Zur Ermittlung des schutzbedürftigen Besitzstands haben sich folgende Lösungsansätze gebildet: aa) Zwei-Stämme-Lösung In der Praxis verbreitet ist die sog. Zwei-Stämme-Lösung. Dabei wird bezogen auf den Zeitpunkt der Ablösung1016 unterschieden zwischen den Anwartschaften, die bis zu diesem Zeitpunkt nach der Betriebsvereinbarung des Veräußerers erworben wurden (erster Rentenstamm) sowie den Anwartschaften, die ab diesem Zeitpunkt nach der ablösenden Betriebsvereinbarung des Erwerbers erworben werden (zweiter Rentenstamm). Die Summe der beiden Rentenstämme bildet den Gesamtanspruch des übergehenden Arbeitnehmers. Der erste Stamm wird dabei basierend auf der Regelung beim Veräußerer nach § 2 BetrAVG errechnet. Allerdings soll bei dynamischen Versorgungsregelungen mit einer 2. Besitzstandsstufe1017 auch die auf den erdienten Teilbetrag entfallende Dynamik geschützt sein. So würde etwa die bis zum Ablösungszeitpunkt erdiente Anwartschaft einer endgehaltsbezogenen Zusage infolge der Lohnentwicklung beim Erwerber weiter anwachsen1018. 1011 Willemsen, Teil J, Rn. 466. Willemsen, Teil J, Rn. 463. 1013 Willemsen, Teil J, Rn. 465. 1014 Schlewing, Arbeitsrecht der bAV, Teil 17A, Rn. 335. 1015 Blomeyer, Anhang zu § 1, Rn. 322. 1016 In der vorliegenden Konstellation entspricht der Zeitpunkt der Ablösung dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs. 1017 siehe dazu Ziff. IV.1.c) aa). 1012 337 Der zweite Stamm beruht allein auf der ablösenden Regelung des Erwerbers. Es werden also nur die Dienstzeiten ab dem Betriebsübergang nach der (ggf. schlechteren) Regelung des Erwerbers berücksichtigt. bb) Alternativer Lösungsansatz des BAG Das BAG hat alternativ eine eigene Vergleichsmethode entwickelt. Die Zwei-StämmeLösung ist also für den Erwerber nicht zwingend. Nach dem BAG werden bei Eintritt des Versorgungsfalls – retrospektiv – die Versorgungsleistungen nach der Veräußerer- und der Erwerberregelung verglichen, der Versorgungsberechtigte hat Anspruch auf die jeweils höhere Leistung. Ist der Anspruch aus der ablösenden Regelung des Erwerbers höher als der auf Basis der alten Regelung bis zum Ablösungsstichtag erdiente Teilbetrag, so ist allein die ablösende Betriebsvereinbarung maßgeblich. Führt die Regelung des Erwerbers zu materiell geringeren Ansprüchen, werden die bereits zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs/der Ablösung erdienten Anwartschaften gewahrt. Die Versorgungsregelung des Erwerbers bleibt in diesem Fall unberücksichtigt1019. Die Besitzstandswahrung führt nach dem BAG also nur insoweit zu einem erhöhten Versorgungsanspruch, wie die Ansprüche aus der Betriebsvereinbarung des Erwerbers im Versorgungsfall hinter dem zurückbleiben, was bis zum Ablösungsstichtag nach der bis dahin geltenden Betriebsvereinbarung erdient wurde. Es ist nicht notwendig, die aus den jeweiligen Regelungen erdienten Versorgungsbesitzstände miteinander zu addieren1020. Das BAG stellt den Arbeitnehmer damit so, als ob die ablösende Versorgungsregelung beim Veräußerer eingeführt worden wäre. Der Erwerber wird durch den Lösungsansatz des BAG begünstigt, insofern als er bei höherer eigener Versorgungsleistung lediglich die Finanzierungslasten für die im Erwerberbetrieb erdiente Versorgungsverbindlichkeit trägt, er hingegen bei niedrigerer eigener Versorgungsleistung kaum bis gar keine Finanzierungslasten trägt, sofern die beim Veräußerer erdiente Versorgungsverbindlichkeit bereits im Rahmen der Kaufpreisfindung angemessen berücksichtigt wurde. Eine andere Frage ist, ob Vordienstzeiten beim Veräußerer für die erstmalige Begründung von Anwartschaften bei dem Erwerber berücksichtigt werden müssen. Das BAG hat dies dem Erwerber in der Entscheidung vom 24.07.2001 freigestellt. Sollen die Vordienstzeiten nicht angerechnet werden, empfiehlt es sich, in die Betriebsvereinbarung des Erwerbers eine entsprechende klarstellende Regelung aufzunehmen. Lediglich im Rahmen der gesetzlichen Unverfallbarkeit einer Anwartschaft nach § 1b BetrAVG sind Vordienstzeiten zu berücksichtigen1021. Praxishinweis: Diese Rechtsprechung hat zur Folge, dass bei kollidierenden Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Altersversorgung vor dem Betriebsübergang nicht nur die beim Veräußerer erworbenen Anwartschaften ermittelt werden müssen, sondern zusätzlich eine Vergleichsrechnung anzustellen ist. 1018 Willemsen, Teil J, Rn. 473. BAG v. 24.07.2001 – 3 AZR 660/00, NZA 2002, 520. 1020 BAG v. 24.07.2001 – 3 AZR 660/00, NZA 2002, 520; abweichend LAG Düsseldorf v. 25.02.2014 – 6 Sa 1431/13. 1021 BAG v. 24.07.2001 – 3 AZR 660/00, NZA 2002, 520. 1019 338 Zur Bestimmung der Vorgehensweise empfiehlt sich für den Erwerber, folgende vier Zahlen zu ermitteln: (1) Wie hoch ist die (unverfallbare) Versorgungsanwartschaft, die der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Betriebsübergangs hatte? (2) Wie hoch wäre die Versorgungsanwartschaft bzw. die Betriebsrente, wenn der Betriebsübergang nicht stattfinden würde? (3) Wie hoch wäre die (unverfallbare) Versorgungsanwartschaft bzw. die Betriebsrente, die der übergehende Arbeitnehmer bis zum Zeitpunkt des Versorgungsfalles gegen den Erwerber erdienen kann, ohne dass die beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten mit eingerechnet werden? (4) Wie hoch wäre die (unverfallbare) Versorgungsanwartschaft bzw. die Betriebsrente, die der übergehende Arbeitnehmer bis zum Zeitpunkt des Versorgungsfalles gegen den Erwerber erdienen kann, wenn die beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten mit eingerechnet werden? Auch für die übergehenden Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben haben, sollte errechnet werden, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn sie – mit oder ohne Anrechnung der beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten – in das Versorgungswerk des Erwerbers mit aufgenommen werden. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, was geschieht, wenn sie beim Erwerber vorzeitig ausscheiden würden. cc) Bewertung Die Entscheidung des BAG vom 24.07.2001 ist für den Erwerber insgesamt günstig. Insbesondere verringert sie die Belastungen des Erwerbers, die aus der per Betriebsvereinbarung geregelten Zusage des Veräußerers resultieren. Demgegenüber können die übergehenden Arbeitnehmer Nachteile erfahren. Umstritten ist, ob im Rahmen des § 613a Abs. 1 S. 3 BGB die Drei-Stufen-Theorie des BAG zur Anwendung kommt. Das BAG hat bislang die Wahrung der Besitzstände nach § 2 BetrAVG und damit der 1. Besitzstandsstufe gefordert. Diese beinhaltet nicht die nach dem Stichtag fortentwickelte Dynamik dienstzeitunabhängiger Variablen. Der Grund für Eingriffe auf der 3. Besitzstandsstufe sind in der Regel das Interesse des Erwerbers an einer Vereinheitlichung. Die Frage stellt sich daher i. d. R. nur bei dynamischen Versorgungszusagen, mithin für die Besitzstände der 2. Stufe. Ein erheblicher Teil der Literatur geht von der Anwendbarkeit der Drei-Stufen-Theorie aus1022. Der Sinn und Zweck des § 613a BGB erfordert ein solches jedoch nicht1023. Dass auch nach der Lösung des BAG einige Fallgestaltungen weiterhin unklar sind, zeigen folgende (Berechnungs-)Beispiele: Beispiel – Grundfall: Beim Veräußerer V besteht eine Betriebsvereinbarung, nach der die Arbeitnehmer für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit eine monatliche Rente von 5 Euro erhalten. Beim Erwerber E gilt die Regelung, dass Arbeitnehmer für jedes Jahr der Beschäftigungsdauer eine monatliche Rente von 10 Euro pro Beschäftigungsjahr erhalten. Arbeitnehmer A ist seit 1980 bei V beschäftigt. 1022 1023 vgl. Nachweise in: Willemsen, Teil J, Rn. 475, Fn. 638. Willemsen, Teil J, Rn. 475. 339 Der Betrieb geht 1990 auf E über, der die übergehenden Arbeitnehmer in sein Versorgungswerk aufnimmt, aber die bei V zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht anrechnet. A geht 2005 in Rente. Wie hoch ist sein Betriebsrentenanspruch gegen E? A hat bei V eine Anwartschaft in Höhe von 50 Euro (10x5) erworben, bei E beträgt die Anwartschaft bzw. Betriebsrente 150 Euro (15x10). Die beiden Anwartschaften werden nach dem BAG nicht addiert. A hätte allenfalls gegen E einen höheren Anspruch, wenn seine Anwartschaft zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs als dem Zeitpunkt der Ablösung höher als seine Rente wäre. Das ist hier nicht der Fall. A hätte auch dann gegen E keinen höheren Anspruch, wenn man hypothetisch fragt, wie hoch die Betriebsrente gewesen wäre, wenn A bei V geblieben wäre, da die Rente des A dann nur 125 Euro (25x5) betragen hätte. Im Ergebnis wird A damit so gestellt, als wäre er 1990 von E neu eingestellt worden. Berechnungsgrundlage Rechenweg im Beispiel Unverfallbare Versorgungsanwartschaft beim Veräußerer bis zum Betriebsübergang 1980 – 1990 = 10 Jahre Versorgungsanwartschaft beim Veräußerer bis zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls ohne Betriebsübergang 1980 – 2005 = 25 Jahre Versorgungsanwartschaft beim Erwerber ohne Anrechnung der Beschäftigungszeiten beim Veräußerer 1990 – 2005 = 15 Jahre Versorgungsanwartschaft beim Erwerber mit Anrechnung der Beschäftigungszeiten beim Veräußerer 1980 – 2005 = 25 Jahre x5€ x5€ x 10 € x 10 € Ergebnis 50 € 125 € 150 € 250 € Beispiel - Abwandlung 1: Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Betriebsübergang erst 1995 stattgefunden hätte? In diesem Fall hätte A im Zeitpunkt des Betriebsübergangs eine Anwartschaft in Höhe von 75 Euro erworben, gegen E hätte er einen Anspruch von 100 Euro. Hätte der Betriebsübergang nicht stattgefunden, hätte A gegen V einen Betriebsrentenanspruch in Höhe von 125 Euro. Ob der E auf Zahlung von 125 Euro haftet, ist vom BAG offen gelassen worden. Berechnungsgrundlage Rechenweg im Beispiel Unverfallbare Versorgungsanwartschaft beim Veräußerer bis zum Betriebsübergang 1980 – 1995 = 15 Jahre Versorgungsanwartschaft beim Veräußerer bis zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls ohne Betriebsübergang 1980 – 2005 = 25 Jahre Versorgungsanwartschaft beim Erwerber ohne Anrechnung der Beschäftigungszeiten beim Veräußerer 1995 – 2005 = 10 Jahre Versorgungsanwartschaft beim Erwerber mit Anrechnung der Beschäftigungszeiten beim Veräußerer 1980 – 2005 = 25 Jahre x5€ x5€ x 10 € x 10 € Ergebnis 75 € 125 € 100 € 250 € 340 Beispiel - Abwandlung 2: Was wäre, wenn bei V eine monatliche Betriebsrente von 10 Euro pro Beschäftigungsjahr zugesagt worden ist, bei E eine monatliche Betriebsrente von 5 Euro pro Beschäftigungsjahr und der Betriebsübergang 1990 stattgefunden hätte? Dann hätte A bei V eine Anwartschaft in Höhe von 100 Euro (10x10) und bei E einen Anspruch in Höhe von 75 Euro (15x5) erworben. E muss mindestens 100 Euro zahlen, da die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehende Anwartschaft höher als die bei E erdiente Betriebsrente ist. Vom BAG offengelassen wurde, ob E ggf. sogar 250 Euro (25x10) leisten muss, da A ohne den Betriebsübergang gegen V einen Rentenanspruch in dieser Höhe erworben hätte. Bei Anrechnung der bei V zurückgelegten Beschäftigungszeiten würde E evtl. günstiger stehen: Dann hätte A gegen E einen Betriebsrentenanspruch in Höhe von 125 Euro. Berechnungsgrundlage Rechenweg im Beispiel Unverfallbare Versorgungsanwartschaft beim Veräußerer bis zum Betriebsübergang 1980 – 1990 = 10 Jahre Versorgungsanwartschaft beim Veräußerer bis zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls ohne Betriebsübergang 1980 – 2005 = 25 Jahre Versorgungsanwartschaft beim Erwerber ohne Anrechnung der Beschäftigungszeiten beim Veräußerer 1990 – 2005 = 15 Jahre Versorgungsanwartschaft beim Erwerber mit Anrechnung der Beschäftigungszeiten beim Veräußerer 1980 – 2005 = 25 Jahre x 10 € x 10 € x5€ x5€ Ergebnis 100 € 250 € 75 € 125 € Beispiel - Abwandlung 3: Wenn die bei V geltende Versorgungsordnung gemäß der Abwandlung 2 für den Arbeitnehmer günstiger als die Regelung bei E wäre, hätte A gegen E einen Anspruch auf 230 Euro. Berechnungsgrundlage Rechenweg im Beispiel Unverfallbare Versorgungsanwartschaft beim Veräußerer bis zum Betriebsübergang 1980 – 2003 = 23 Jahre Versorgungsanwartschaft beim Veräußerer bis zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls ohne Betriebsübergang 1980 – 2005 = 25 Jahre Versorgungsanwartschaft beim Erwerber ohne Anrechnung der Beschäftigungszeiten beim Veräußerer 2003 – 2005 = 2 Jahre Versorgungsanwartschaft beim Erwerber mit Anrechnung der Beschäftigungszeiten beim Veräußerer 1980 – 2005 = 25 Jahre x 10 € x 10 € x5€ x5€ Ergebnis 230 € 250 € 10 € 125 € 341 Praxishinweis: Nach Ermittlung der o. g. Zahlen kann der Erwerber klären, welche Vorgehensweise die für ihn (kosten-)günstigste darstellt. Sollte die beim Veräußerer geltende Versorgungsordnung auch unter Berücksichtigung des damit verbundenen Verwaltungsaufwands für ihn günstiger als die von ihm selbst angebotene sein, bietet es sich an, die beim Veräußerer geltende Versorgungsordnung für die übernommenen Arbeitnehmer weiterzuführen. Dafür muss vor dem Betriebsübergang der Geltungsbereich der beim Erwerber einschlägigen Betriebsvereinbarung auf die bereits bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer beschränkt werden, damit es nicht gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB zu einer automatischen Ablösung der beim Veräußerer geltenden Betriebsvereinbarung kommt. Nach Rechtsprechung des BAG können sich die übergehenden Arbeitnehmer dabei nicht auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots (§ 75 BetrVG) berufen, da der Betriebsübergang selbst einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung darstellt1024. dd) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB Die Ablösung der Versorgungsregelung des Veräußerers durch die beim Erwerber geltende dürfte im Hinblick auf die Information der übergehenden Arbeitnehmer der schwierigste Fall sein. Denn der Erwerber sollte die Arbeitnehmer nicht nur über die Übernahme der Versorgungszusage informieren. Er sollte vielmehr auch über die konkreten Auswirkungen der Ablösung der beim Veräußerer geltenden Versorgungsregelung informieren. Die Arbeitnehmer sollten jedenfalls informiert werden über: den Umstand, dass bei Veräußerer und Erwerber jeweils eigene Versorgungswerke bestehen, die Aufnahme in das beim Erwerber geltende Versorgungswerk – alternativ: die Weiterführung der beim Veräußerer geltenden Versorgungsregelung ohne Aufnahme in das beim Erwerber geltende Versorgungswerk, im Falle der Aufnahme in das beim Erwerber geltende Versorgungswerk: die Garantie mindestens des Betrages, der der Höhe der beim Veräußerer bestehenden Versorgungsanwartschaft zum Ablösungszeitpunkt entspricht, die ggf. leistungserhöhende Anrechung der beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten bei einer Aufnahme in das Regelungswerk des Erwerbers. b) Veräußerer: Individualrechtliche Grundlage / Erwerber: Betriebsvereinbarung Die unter a) dargestellten Grundsätze des BAG1025 gelten nur, wenn sowohl beim Veräußerer als auch beim Erwerber eine Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung besteht. Etwas anderes gilt, wenn die betriebliche Altersversorgung beim Veräußerer entweder auf einer individualvertraglichen Vereinbarung ohne kollektivem Bezug (Einzelzusage) oder einer individualvertraglichen Vereinbarung mit kollektivem Bezug (insb. vertragliche Einheitsregelung oder Gesamtzusage) beruht. aa) Einzelzusage Bei einer Einzelzusage greift die allgemeine Rechtsfolge des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach ist die Einzelzusage als solche vom Erwerber fortzuführen. Eine Änderung dieser Zusage kann nur nach allgemeinen Grundsätzen erfolgen. 1024 1025 BAG v. 19.01.2012 – 3 ABR 19/08. BAG v. 24.07.2001 – 3 AZR 660/00, NZA 2002, 520. 342 In Betracht kommt eine Änderung durch Änderungsvereinbarung oder bei Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Eine Änderungskündigung wird in der Regel nicht möglich sein.1026 Die Änderungssperre des § 613a Abs. 1 S. 2 BetrAVG greift nicht. Wenn der übergehende Arbeitnehmer dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung des Erwerbers unterfällt, ist nicht sichergestellt, dass über das Günstigkeitsprinzip eine Ablösung erfolgt. Nicht auszuschließen ist, dass es statt einer Ablösung zu einem Nebeneinander der Zusagen kommt.1027 Die Konsequenz wäre, dass der Arbeitnehmer ggf. kumulativ aus beiden Zusagen die volle Leistung beanspruchen könnte. Praxishinweis: Um eine Doppelung der Ansprüche zu vermeiden, sollten die übergehenden Arbeitnehmer vom Geltungsbereich der beim Erwerber geltenden Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung ausdrücklich ausgenommen werden. Alternativ bietet sich an, aus der Erwerberregelung grundsätzlich Beschäftigte mit einer individuellen Versorgungszusage auszuschließen. Bei einer Herausnahme ist jedoch generell zu beachten, dass Arbeitnehmer, denen bereits einzelvertraglich eine betriebliche Altersversorgung zugesagt wurde, grundsätzlich nur dann vollständig von einem auf einer Betriebsvereinbarung beruhenden kollektiven Versorgungssystem des Arbeitgebers ausgenommen werden dürfen, wenn die Betriebsparteien davon ausgehen können, dass diese Arbeitnehmer im Versorgungsfall typischerweise eine zumindest annähernd gleichwertige Versorgung erhalten.1028 Wegen zweitinstanzlicher Rechtsprechung1029 ist eine klare Regelung und Formulierung dringend anzuraten. bb) Individualvertragliche Vereinbarung mit kollektivem Bezug Beruht die beim Veräußerer geltende Versorgungsordnung auf einer individualrechtlichen Grundlage mit kollektivem Bezug (vertragliche Einheitsregelung, Gesamtzusage, betriebliche Übung, Gleichbehandlungsgrundsatz), ist eine Ablösung durch eine Betriebsvereinbarung des Erwerbers auch zum Nachteil der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen möglich:1030 Die ablösende Betriebsvereinbarung muss sich im konkreten Einzelfall auf die abzulösende Regelung beziehen (können) – was bei einer bereits bestehenden Betriebsvereinbarung oft nicht der Fall ist. Die beim Veräußerer geltende individualvertragliche Regelung muss „betriebsvereinbarungsoffen“ oder die Erwerberregelung kollektiv günstiger sein. Wie auch bei zwei kollidierenden Betriebsvereinbarungen sind die unter Ziff. IV.1.) c) aa) dargestellten Grundsätze zur Besitzstandswahrung zu beachten. Für den Erwerber besteht die Gefahr, dass man einerseits von der Fortgeltung der Versorgungsregelung des Veräußerers nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeht und andererseits die übergehenden Arbeitnehmer von der beim Erwerber geltenden Betriebsvereinbarung erfasst werden. Das kann zu einer Kumulation von Versorgungsansprüchen und damit auch zu einer erhöhten Belastung des Erwerbers führen. 1026 siehe dazu Ziff. IV.1.c) aa). Willemsen, Teil J, Rn. 444 ff. 1028 BAG v. 19.07.2016 – 3 AZR 314/15. 1029 LAG Düsseldorf v. 25.02.2014 – 6 Sa 1431/13. 1030 vgl. BAG v. 16.09.1985 – GS 1/82, NZA 1987, 168; BAG v. 07.11.1989 – GS 3/85, NZA 1990, 816; BAG v. 23.10.2001 – 3 AZR 74/01, NZA 2003, 986. 1027 343 Um dieses Risiko zu vermeiden, hat der Erwerber verschiedene Möglichkeiten, z. B.: Der Erwerber kann die Versorgungsregelung des Veräußerers weiterführen und die übergehenden Arbeitnehmer vom Geltungsbereich seiner Betriebsvereinbarung ausdrücklich ausnehmen. Alternativ kann er Beschäftigte mit einer individuellen Versorgungszusage von seiner Regelung ausschließen1031. Neu eingestellte Beschäftigte können dann dennoch in den Genuss der betrieblichen Altersversorgung des Erwerbers kommen. Der Erwerber kann den übernommenen Betrieb oder Betriebsteil als eigenständigen Betrieb weiterführen und von einer Eingliederung absehen. Der Erwerber kann versuchen, mit den Arbeitnehmern eine einzelvertragliche Vereinbarung zu schließen, mit der er ihnen den im Zeitpunkt des Betriebsübergangs erworbenen Besitzstand garantiert und anbietet – ggf. unter Anrechnung der beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten – in das bei ihm geltende Versorgungswerk mit einzutreten. Einen Anspruch darauf, dass die Arbeitnehmer eine solche Vereinbarung abschließen, hat der Erwerber allerdings nicht. Falls sich die Arbeitnehmer weigern, könnte er daher nur versuchen, über eine (betriebsbedingte) Änderungskündigung vorzugehen. Eine solche wird in der Regel jedoch nicht möglich sein1032. Ist die Individualvereinbarung nicht betriebsvereinbarungsoffen, kann der Erwerber versuchen, mit dem dann zuständigen Betriebsrat eine ablösende Betriebsvereinbarung abzuschließen. Dabei ist das kollektive Günstigkeitsprinzip zu beachten sowie die Besitzstände der übergehenden Arbeitnehmer zu wahren. Ist die Individualvereinbarung betriebsvereinbarungsoffen, kann der Veräußerer vor Betriebsübergang die betriebsvereinbarungsoffene Versorgungsordnung unverändert in eine Betriebsvereinbarung übernehmen. Diese kann dann nach dem Betriebsübergang gemäß den allgemeinen Grundsätzen von der beim Erwerber geltenden Betriebsvereinbarung abgelöst werden. Ein solches Vorgehen kann allerdings vor allem dann ggf. rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Versorgung beim Erwerber ungünstiger ist. Denn das Instrument „Betriebsvereinbarung“ würde genutzt, um künftige Ansprüche der übergehenden Arbeitnehmer leichter ändern zu können. Es bestünde also das Risiko, dass weder die vom Veräußerer abgeschlossene Betriebsvereinbarung noch die ablösende Wirkung der beim Erwerber geltenden Betriebsvereinbarung anerkannt würden. cc) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB Der Inhalt des Informationsschreibens ist vor allem davon abhängig, welche der oben dargestellten Möglichkeiten der Erwerber wählt. Daher kann eine generelle Formulierung nicht vorgeschlagen werden. Die Arbeitnehmer sollten jedoch über folgende Punkte informiert werden: Umstand, dass beim Veräußerer und Erwerber eigene, jedoch verschiedene Versorgungsregelungen bestehen. Ob der Erwerber die beim Veräußerer bestehende Versorgungsordnung unverändert weiterführt oder ob und wie er – in Abstimmung mit dem nach dem Betriebsübergang bestehenden Betriebsrat – die übernommenen Arbeitnehmer in das bei ihm bestehende Versorgungswerk integriert. 1031 1032 Beachte aber BAG v. 19.07.2016 – 3 AZR 314/15. siehe Ziff. IV.1.c) bb) (1). 344 Bei letzterem kann den übergehenden Arbeitnehmern bereits jetzt der Besitzstand, jedenfalls in Form der erdienten Bestandteile der Versorgungsanwartschaften, garantiert werden. Ferner sollte schon jetzt darauf hingewiesen werden, dass sich ggf. Änderungen bei den noch nicht erdienten Teilen der Versorgungsanwartschaft ergeben können. Sollte die beim Erwerber geltende Versorgungsregelung insgesamt günstiger für die Arbeitnehmer sein, sollte darauf hingewiesen werden. Formulierungsvorschlag: „Die Ihnen von der Firma V erteilte Versorgungszusage wird mit allen Rechten und Pflichten von der Firma E übernommen und nach Maßgabe der Ihnen bekannten Versorgungsordnung weitergeführt werden. Spätere Änderungen bleiben vorbehalten. Sie werden nicht in das bei der Firma E bestehende Versorgungswerk aufgenommen.“ Alternativ: „Die Ihnen von der Firma V erteilte Versorgungszusage muss nach der derzeit geltenden Rechtslage von der Firma E zunächst übernommen und nach Maßgabe der Ihnen bekannten Versorgungsordnung weitergeführt werden. Bei der Firma E besteht jedoch ein eigenes Versorgungswerk, in das wir Sie gern aufnehmen würden. Dies setzt jedoch ihre Zustimmung voraus. Wie Sie den beigefügten Unterlagen entnehmen können, bleiben Ihnen die bei der Firma V erdienten Bestandteile Ihrer Versorgungsanwartschaft der Höhe nach erhalten. Die weitere Entwicklung Ihrer späteren Betriebsrentenansprüche würde sich dann jedoch nach den für die Firma E bereits geltenden Versorgungsrichtlinien richten.“ c) Veräußerer: Betriebsvereinbarung / Erwerber: individualrechtliche Regelung aa) Transformation in das Arbeitsverhältnis Es ist auch denkbar, dass die betriebliche Altersversorgung beim Veräußerer durch eine Betriebsvereinbarung geregelt wurde, während sie beim Erwerber auf individualrechtlicher Grundlage (mit oder ohne kollektiven Bezug) beruht. Sofern die Betriebsvereinbarung nicht normativ fortgilt, wird sie beim Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformiert. Der Erwerber ist zunächst zur Weiterführung verpflichtet. Die bei ihm individualrechtlich geregelte betriebliche Altersversorgung hat keine ablösende Wirkung1033. Der Erwerber kann die transformierte Versorgungsregelung weiterführen. Um zu vermeiden, dass die übergehenden Arbeitnehmer sowohl aus der Versorgungsregelung des Veräußerers wie auch aus der des Erwerbers Ansprüche erwerben, sollte er die übergehenden Arbeitnehmer von seiner Versorgungsregelung (z. B. Versorgungsordnung, Pensionsplan) ausschließen. Nach Rechtsprechung des BAG können sich die übergehenden Arbeitnehmer dabei zur Zeit des Betriebsübergangs nicht auf eine Verletzung des § 75 BetrVG oder des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes berufen, da der Betriebsübergang selbst einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung darstellt. 1034 Praxishinweis: Wie der Ausschluss aus der Versorgungsregelung bei individuellen Zusagen (mit oder ohne kollektiven Bezug) erfolgt und wie die Arbeitnehmer davon Kenntnis erlangen, hängt insb. auch von dem jeweiligen Rechtsbegründungsakt der Zusage ab. 1033 1034 BAG v. 18.03.1997 – 3 AZR 729/95, NZA 1998, 97. BAG v. 19.01.2010 – 3 ABR 19/08, DB 2010, 1131. 345 Zu einer Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung stehen dem Erwerber darüber hinaus verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: Der Erwerber kann versuchen, mit den übergehenden Arbeitnehmern einzelvertragliche Vereinbarungen über die Abänderung der Versorgungsregeln zu treffen. Bei transformierten Betriebsvereinbarungen ist dabei die einjährige Veränderungssperre des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB zu beachten. Auch besteht kein Anspruch des Erwerbers gegen den Arbeitnehmer auf Abschluss einer solchen Vereinbarung. Der Erwerber kann mit dem bei ihm bestehenden Betriebsrat eine neue Betriebsvereinbarung abschließen, in der er beide Versorgungswerke zusammenführt. Dabei sind die vom BAG aufgestellten Grundsätze einer abändernden bzw. ablösenden Betriebsvereinbarung zu beachten (insb. die sog. Drei-Stufen-Theorie).1035 Die nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB transformierte Betriebsvereinbarung ist insofern immer als betriebsvereinbarungsoffen anzusehen.1036 Die Veränderungssperre des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB gilt in diesem Fall nicht. bb) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB Der Inhalt des Informationsschreibens ist von der Vorgehensweise des Erwerbers abhängig. Die übergehenden Arbeitnehmer sollten informiert werden über: den Umstand, dass jeweils beim Veräußerer und Erwerber eine Versorgungsregelung besteht, die Übernahme der Versorgungsregelung des Veräußerers durch den Erwerber sowie deren unveränderte Weiterführung oder Harmonisierung mit der beim Erwerber bereits geltenden Versorgungsregelung. Spätere Änderungen sollten vorbehalten werden. Formulierungsvorschlag: „Die Ihnen von der Firma V erteilte Versorgungszusage wird mit allen Rechten und Pflichten von der Firma E als Inhalt Ihres Arbeitsverhältnisses übernommen und nach Maßgabe der Ihnen bekannten Versorgungsregelung weitergeführt. Spätere Änderungen bleiben vorbehalten. Sie werden nicht in das bei der Firma E bestehende Versorgungswerk aufgenommen.“ Alternativ: „Die Ihnen von der Firma V erteilte Versorgungszusage wird nach der derzeit geltenden Rechtslage von der Firma E zunächst übernommen und nach Maßgabe der Ihnen bekannten Versorgungsregelung weitergeführt. Bei der Firma E besteht jedoch ein eigenes Versorgungswerk, in das wir Sie gern aufnehmen würden. Entsprechende Verhandlungen mit dem BR sind geplant/wurden bereits eingeleitet. Wir können Ihnen bereits jetzt zusagen, dass Ihnen die bei der Firma V erdienten Bestandteile Ihrer Versorgungsanwartschaft der Höhe nach erhalten bleiben. Die weitere Entwicklung Ihrer späteren Betriebsrentenansprüche würde sich ausschließlich nach den für die Mitarbeiter der Firma E geltenden Versorgungsrichtlinien richten.“ 1035 1036 siehe Ziff. IV.1.c) aa). Kemper, BetrAVG, § 1 Rn, 354 m. w. N. 346 d) Veräußerer: Individualrechtliche Grundlage / Erwerber: Individualrechtliche Grundlage1037 aa) Übergang der individualrechtlichen Regelung Beruht die betriebliche Altersversorgung sowohl beim Veräußerer als auch beim Erwerber auf einer individualrechtlichen Grundlage, erfolgt keine automatische Ablösung der Versorgungsregelung. Die vom Veräußerer erteilte Versorgungszusage geht nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über. Sie muss unverändert von ihm weitergeführt werden. Es kann jedoch dazu kommen, dass die übergehenden Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang nicht nur ihre von dem Veräußerer begründeten Versorgungsansprüche behalten, sondern zusätzlich Versorgungsansprüche nach der beim Erwerber geltenden Versorgungsordnung erwerben. Daher sollte der Erwerber auch bei kollidierenden individualrechtlichen Regelungen schon vor dem Betriebsübergang dafür Sorge tragen, dass ein kumulativer Erwerb von Versorgungsanwartschaften ausgeschlossen ist: Der Erwerber kann dazu das vom Veräußerer übernommene Versorgungswerk unverändert weiterführen und zugleich die übernommenen Arbeitnehmer ausdrücklich aus dem Geltungsbereich seines eigenen Versorgungswerkes ausschließen. Nach Rechtsprechung des BAG können sich die übergehenden Arbeitnehmer dabei wohl nicht auf eine Verletzung des § 75 BetrVG oder des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes berufen, da der Betriebsübergang selbst einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung darstellt1038. Der Erwerber kann versuchen, mit den übergehenden Arbeitnehmern individualvertragliche Vereinbarungen über den Wechsel in das beim Erwerber bestehende Versorgungswerk zu treffen. Die bis zum Betriebsübergang erworbenen Ansprüche bzw. Versorgungsanwartschaften sind dabei zu wahren. Die einjährige Veränderungssperre des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB gilt hier (mangels Transformation) nicht. Sofern die Regelung des Erwerbers betriebsvereinbarungsoffen ist, kann der Erwerber diese mit dem bei ihm bestehenden Betriebsrat in eine Betriebsvereinbarung überführen. Für Veränderungen sind dabei die vom BAG aufgestellten Grundsätze zu ablösenden Betriebsvereinbarungen zu beachten1039. bb) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB Wegen der nahezu identischen Problematik kann hinsichtlich des Inhalts des Informationsschreibens auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden.1040 e) Veräußerer: Tarifvertrag (normative Wirkung) / Erwerber: Betriebsvereinbarung aa) Keine „Über-Kreuz-Ablösung“ Ist die Altersversorgung beim Veräußerer gegenüber einem Gewerkschaftsmitglied durch Tarifvertrag, beim Erwerber aber mittels einer Betriebsvereinbarung geregelt, löst nach der Rechtsprechung des BAG die Betriebsvereinbarung den Tarifvertrag nicht ab (keine sog. 1037 Die folgenden Ausführungen gelten auch, wenn Bezugnahmeklauseln auf tarifvertragliche Regelungen bestehen und die Arbeitnehmer nicht Gewerkschaftsmitglied sind. Siehe dazu Kapitel D. 1038 BAG v. 19.01.2010 – 3 ABR 19/08, DB 2010, 1131. 1039 siehe Ziff. IV. 1. c) aa). 1040 siehe Ziff. IV. 1. c) aa). 347 „Über-Kreuz-Ablösung“) 1041. Die auf tarifvertraglicher Grundlage erteilte Versorgungszusage gilt als Bestandteil des individuellen Arbeitsverhältnisses statisch weiter (§ 613 Abs. 1 S. 2 BGB, sog. „Transformation“). Sollen die übergehenden Arbeitnehmer nicht von der Versorgungsregelung des Erwerbers erfasst werden (z. B. weil die Weiterführung transformierter Regelung für ihn günstiger ist), sollte er sie vor dem Betriebsübergang vom Geltungsbereich seiner Betriebsvereinbarung ausschließen. Nach Rechtsprechung des BAG können sich die übergehenden Arbeitnehmer dabei nicht auf eine Verletzung des § 75 BetrVG oder des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes berufen, da der Betriebsübergang selbst einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung darstellt.1042 bb) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB In dem Schreiben nach § 613a Abs. 5 BGB sollten die übergehenden Arbeitnehmer informiert werden: über das Schicksal der tariflichen Regelungen zur Altersversorgung, die i. d. R. transformiert werden, ob die hierauf beruhende Versorgungszusage des Veräußerers vom Erwerber übernommen und (nach Maßgabe der im Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden tariflichen Regelungen) vom Erwerber weitergeführt wird oder ob die Zusage des Veräußerers unter Wahrung des bisher erworbenen Besitzstands durch eine beim Erwerber geltende Betriebsvereinbarung abgelöst wird, ob die beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten bei einer Aufnahme in das Regelungswerk des Erwerbers leistungserhöhend angerechnet werden. Praxishinweis: Auch wenn die transformierte tarifliche Regelung selbst nur statisch weitergilt, ist zu beachten, dass der Erwerber auch in diesen Fällen nicht von der Anpassungsüberprüfungspflicht (§ 16 BetrAVG) befreit ist. Formulierungsvorschläge: „Die Ihnen von der Firma V erteilte Versorgungszusage, die auf dem für Sie bisher geltenden Tarifvertrag ... beruht, wird von der Firma E übernommen und nach Maßgabe der im Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden tariflichen Regelungen als Bestandteil Ihres Arbeitsverhältnisses weitergeführt. Spätere Änderungen bleiben vorbehalten. In das bei der Firma E bestehende Versorgungswerk werden Sie nicht aufgenommen.“ 1041 1042 BAG v. 30.07.2008 – 3 AZR 191/06, NZA 2008, 600. BAG v. 19.01.2010 – 3 ABR 19/08, DB 2010, 1131. 348 Alternativ: „Die Ihnen von der Firma V erteilte Versorgungszusage, die auf dem für Sie bisher geltenden Tarifvertrag ... beruht, wird von der Firma E nicht übernommen. Stattdessen werden Sie ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs in das bei der Firma E geltende Versorgungswerk aufgenommen, das derzeit durch die Betriebsvereinbarung ... geregelt ist. Ihre bei der Firma V zurückgelegten Beschäftigungszeiten werden Ihnen angerechnet / nicht angerechnet. Soweit Sie bereits nach den bisher bei der Firma V geltenden Regelungen eine Versorgungsanwartschaft erhalten haben, wird Ihnen diese der Höhe nach erhalten bleiben. Die weitere Entwicklung Ihrer künftigen Versorgungsansprüche richtet sich jedoch ausschließlich nach den bei der Firma E geltenden Versorgungsrichtlinien.“ f) Veräußerer: Tarifvertrag (normative Wirkung) / Erwerber: Individualvertragliche Regelung (mit oder ohne kollektiven Bezug) aa) Transformation in das Arbeitsverhältnis Ist der übergehende Arbeitnehmer Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft, wird die tarifvertragliche Regelung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert. Die auf tarifvertraglicher Grundlage erteilte Versorgungszusage gilt als Bestandteil des individuellen Arbeitsverhältnisses statisch weiter. Der Erwerber hat die transformierte Zusage weiterzuführen bzw. muss den Arbeitnehmern einen gleichwertigen Versorgungsanspruch verschaffen. Die übergehenden Arbeitnehmer haben i. d. R. keinen Anspruch darauf, in das auf individualrechtlicher Grundlage bestehende Versorgungswerk des Erwerbers aufgenommen zu werden. Der Erwerber sollte dies aber gegenüber den übergehenden Arbeitnehmern klarstellen. bb) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB Das Informationsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB sollte folgende Informationen erhalten: das Schicksal der tariflichen Regelungen zur Altersversorgung, die i. d. R. transformiert werden, die Behandlung der übernommenen Zusage durch den Erwerber, ggf. die Klarstellung, dass keine Aufnahme in das Versorgungswerk des Erwerbers erfolgt. Formulierungsvorschlag: „Die Ihnen von der Firma V erteilte Versorgungszusage, die auf dem für Sie bisher geltenden Tarifvertrag ... beruht, wird von der Firma E als Inhalt Ihres Arbeitsverhältnisses übernommen und nach Maßgabe der im Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden tariflichen Regelungen weitergeführt. Spätere Änderungen bleiben vorbehalten. In das bei der Firma E bestehende Versorgungswerk werden Sie nicht aufgenommen.“ g) Veräußerer: Betriebsvereinbarung / Erwerber: Tarifvertrag aa) Arbeitnehmer ist Gewerkschaftsmitglied Ist der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Betriebsübergangs Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft, kommen die für den Erwerber geltenden Tarifverträge normativ zur Anwendung. Dies gilt nicht nur für die Versorgungsregelungen, sondern auch für alle anderen Tarifverträge, sodass dann auch in anderen Bereichen (Entgelt!) eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 349 Satz 3 BGB eintritt. Das kann für die übergehenden Arbeitnehmer ein deutlicher Anreiz zum Beitritt in die für den Erwerber tarifzuständige Gewerkschaft sein1043. bb) Arbeitnehmer ist kein Gewerkschaftsmitglied Für die übergehenden Arbeitnehmer, die nicht Mitglied in der für den Erwerberbetrieb zuständigen Gewerkschaft sind oder werden, gelten die tariflichen Altersversorgungsregeln des Erwerbers nicht automatisch. Der Erwerber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die bei ihm geltenden Tarifverträge mittels einer Bezugnahmeklausel für die übergehenden Arbeitnehmer schuldrechtlich zur Anwendung zu bringen. Dies sollte allerdings gegenüber den übergehenden Arbeitnehmern ausdrücklich ausgeschlossen werden. Ein Anspruch der übergehenden Arbeitnehmer auf eine schuldrechtliche Anwendung der im Erwerberbetrieb geltenden Tarifverträge besteht nicht. Er kann auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hergeleitet werden, da im Betriebsübergang ein sachlicher Grund für die entsprechende Ungleichbehandlung liegt.1044 Zudem können die übergehenden Arbeitnehmer die Geltung der für sie einschlägigen Tarifverträge durch den Beitritt bzw. Wechsel zur tarifzuständigen Gewerkschaft selbst herbeiführen. Nicht in Betracht kommt die individualvertragliche Inbezugnahme lediglich eines Versorgungstarifvertrages des Erwerbers. Denn die Veränderungssperre entfällt gem. § 613a Abs. 1 S. 4 BGB nur, wenn das Tarifvertragswerk des Erwerbers gänzlich in Bezug genommen wird. cc) Arbeitnehmer wird Gewerkschaftsmitglied Falls die übergehenden Arbeitnehmer durch Beitritt in die zuständige Gewerkschaft unter den Geltungsbereich der tariflichen Versorgungsregelungen des Erwerbers fallen, greifen diese normativ. Es stellt sich dann die Frage, ob die beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten zwingend vom Erwerber angerechnet werden müssen. Eine solche Verpflichtung des Erwerbers ist ebenso wenig gegeben wie bei Versorgungssystemen, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen. Denn dies würde eine von § 613a BGB nicht geforderte Besserstellung der übergehenden Arbeitnehmer bedeuten. Vor allem könnten dann Ansprüche aus der ursprünglich beim Veräußerer geltenden Versorgungsregelung u. U. mit den Ansprüchen aus der beim Erwerber geltenden Versorgungsregelung kumulieren1045. Praxishinweis: Um eine leistungserhöhende Anrechnung von Beschäftigungszeiten beim Veräußerer und ggf. eine Kumulation von Zusagen zu vermeiden, sollte vor dem Betriebsübergang dringend ausgelotet werden, ob dahin gehende Ergänzungen/Anpassungen der tarifvertraglichen Regelung des Erwerbers notwendig und möglich sind (beispielsweise durch Ergänzungstarifvertrag). Wegen zweitinstanzlicher Rechtsprechung1046 empfehlen sich hier möglichst klare Formulierungen und Abgrenzungen. Sollten solche Anpassungen nicht möglich sein, ist dies bei der Kaufpreisfindung zu berücksichtigen. 1043 Nach LAG Düsseldorf v. 25.02.2014 (6 Sa 1431/13) wird der zu wahrende Besitzstand entgegen der BAG-Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich geschuldet. 1044 BAG v. 19.01.2010 – 3 ABR 19/08, DB 2010, 1131. 1045 LAG Düsseldorf, v. 25.02.2014 – 6 Sa 1431/13. 1046 LAG Düsseldorf v. 25.02.2014 – 6 Sa 1431/13, entgegen BAG v. 24.07.2001 – 3 AZR 660/00. 350 dd) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB Das Schreiben nach § 613a Abs. 5 BGB sollte informieren über: die Geltung der einschlägigen tariflichen Versorgungsregelungen im Betrieb des Erwerbers, die dadurch verursachte Unwirksamkeit der bisherigen betrieblichen Regelung, jedoch mit Bestandsschutz für die erworbenen Versorgungsanwartschaften, die Möglichkeit, in den Geltungsbereich der tariflichen Regelung aufgenommen zu werden, jedoch unter Anrechnung der bereits beim Veräußerer erworbenen Ansprüche oder mit Nichteinbeziehung der beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten. Formulierungsvorschlag: „Die bei der Firma V bisher geltende Versorgungsordnung kann aus rechtlichen Gründen von der Firma E weder übernommen noch weitergeführt werden, da für die Firma E insoweit der Tarifvertrag ... gilt, der gegenüber der bisherigen betrieblichen Regelung Vorrang genießt. Ihre bisher erworbenen Versorgungsanwartschaften bleiben davon jedoch unberührt. Soweit Sie Mitglied der für die Firma E zuständigen Gewerkschaft ... sind oder werden, fallen Sie ebenfalls unter den Geltungsbereich dieser tariflichen Regelung und können/werden danach Versorgungsansprüche erwerben. Auf diese werden Ihre bei der Firma V erworbenen Versorgungsansprüche, soweit rechtlich zulässig, angerechnet.“ h) Veräußerer: Individualrechtliche Regelung / Erwerber: Tarifvertrag aa) Fortbestand der einzelvertraglichen Regelung, gegebenenfalls Überlagerung Ist beim Veräußerer die betriebliche Altersversorgung auf individualrechtlicher Grundlage geregelt, bewirkt der beim Erwerber geltende Tarifvertrag nicht deren Unwirksamkeit. Die Zusage geht vielmehr nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über. Sie wird lediglich bei normativer Geltung der tariflichen Regelung des Erwerbers (d. h. der Arbeitnehmer ist Mitglied der Gewerkschaft) überlagert, wenn sie für die übergehenden Arbeitnehmer ungünstiger als die tarifliche Regelung ist. Ist sie hingegen für die übergehenden Arbeitnehmer günstiger i. S. v. § 4 Abs. 3 TVG, bleibt sie bestehen. Die Überlagerung einer einzelvertraglichen Regelung wirkt sich nur für die Zukunft aus. Die bereits erworbenen Versorgungsanwartschaften der übergehenden Arbeitnehmer bleiben erhalten. Die übergehenden Arbeitnehmer können nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wären sie von Anfang an beim Erwerber beschäftigt gewesen. Die beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten sind dementsprechend vom Erwerber auch nicht anzurechnen. Insoweit ist die Rechtslage ebenso zu bewerten, wie bei der Verdrängung einer beim Veräußerer geltenden Betriebsvereinbarung durch einen beim Erwerber geltenden Tarifvertrag. bb) Inhalt des Informationsschreibens gemäß § 613a Abs. 5 BGB Der Inhalt des Informationsschreibens hängt davon ab, ob die individualrechtliche Versorgungsregelung des Veräußerers günstiger ist als der Tarifvertrag des Erwerbers. Die Arbeitnehmer sollten über Folgendes informiert werden: dass beim Erwerber eine tarifliche Regelung zur betrieblichen Altersversorgung besteht, ob diese tarifliche Regelung die bisher beim Veräußerer geltende Regelung ablöst und 351 welche Folgen eine Ablösung für ihre Versorgungsansprüche hat. Formulierungsvorschlag: „Für die Firma E gilt der Tarifvertrag ... Sollte dieser Tarifvertrag auf Ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden, werden sich Ihre Versorgungsansprüche ab dem Zeitpunkt des Betriebs(teil)übergangs ausschließlich danach richten, wobei Ihre bei der Firma V zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht angerechnet werden. Ihre während Ihrer Beschäftigungszeit bei der Firma V bereits erdienten Versorgungsanwartschaften bleiben Ihnen jedoch in der bis zum Betriebsübergang entstandenen Höhe erhalten. Die ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs bei der Firma E erworbenen Anwartschaften werden hierauf angerechnet.“ Alternativ: „Die Ihnen von der Firma V erteilte Versorgungszusage wird von der Firma E übernommen und nach Maßgabe der bisherigen Versorgungsordnung als Inhalt Ihres Arbeitsverhältnisses weitergeführt. Der für die Firma E einschlägige Tarifvertrag ... findet auf Ihr Arbeitsverhältnis derzeit keine Anwendung, da die übergehende und weitergeführte Regelung zurzeit günstiger ist als die tarifliche Regelung.“ Alternativ: „... es sei denn, Sie sind oder werden Mitglied der für die Firma E zuständigen Gewerkschaft.“ i) Tarifvertrag bei Veräußerer und Erwerber aa) Arbeitnehmer ist Gewerkschaftsmitglied – Ablösung oder Transformation Der – seltene – Fall, dass sowohl beim Veräußerer als auch beim Erwerber tarifliche Regelungen zur Altersversorgung gelten und diese bei dem Arbeitnehmer normativ greifen1047, muss nach den allgemeinen Konkurrenzregeln gelöst werden. Soweit eine Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB nicht erfolgt, werden die beim Veräußerer geltenden tariflichen Regelungen transformiert und müssen weiterhin auf die übergehenden Arbeitsverhältnisse angewendet werden. Im Fall einer Ablösung gelten die gleichen besitzstandswahrenden Grundsätze, die das BAG zu kollidierenden Betriebsvereinbarungen aufgestellt hat. bb) Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB Die Arbeitnehmer sollten über Folgendes informiert werden: ob der bisherige Tarifvertrag transformiert wird bzw. statisch weitergilt oder ob er durch den für den Betrieb des Erwerbers geltenden Tarifvertrag abgelöst wird, welche Folgen eine Ablösung für die Versorgungsansprüche hat. 1047 Wenn der Arbeitnehmer nicht Gewerkschaftsmitglied ist, der Tarifvertrag des Veräußerers jedoch kraft Bezugnahmeklausel gilt, s. Kapitel D.II.1.f. 352 Formulierungsvorschlag: „Die Ihnen von der Firma V auf der Grundlage des Tarifvertrages ... erteilte Versorgungszusage wird von der Firma E übernommen und auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Betriebs(teil)übergangs geltenden tariflichen Regelungen als Inhalt Ihres Arbeitsverhältnisses weitergeführt. Die für die Firma E geltenden Bestimmungen des Tarifvertrages ... sind auf Ihr Arbeitsverhältnis derzeit nicht anwendbar. Falls Sie Mitglied der für die Firma E zuständigen Gewerkschaft werden, richten sich Ihre Versorgungsansprüche ab diesem Zeitpunkt ausschließlich nach dem für die Firma E geltenden Tarifvertrag. Ihre bei der Firma V zurückgelegten Beschäftigungszeiten werden dann angerechnet / nicht angerechnet. Ihre auf Grundlage der Versorgungsregelung der Firma V bis dahin erdienten Versorgungsanwartschaften bleiben Ihnen jedoch erhalten. Die nach dem Tarifvertrag der Firma E erworbenen Anwartschaften werden hierauf angerechnet.“ Alternativ: „Die Ihnen von der Firma V auf der Grundlage des Tarifvertrages ... erteilte Versorgungszusage wird ab dem Zeitpunkt des Betriebs(teil)übergangs durch die für die Firma E geltenden Bestimmungen des Tarifvertrages ... abgelöst. Die noch zu erdienende Versorgungsanwartschaft richtet sich ausschließlich nach den für die Firma E geltenden tariflichen Bestimmungen. Ihre bei der Firma V zurückgelegte Beschäftigungszeit wird angerechnet / nicht angerechnet. Ihre bis zum Zeitpunkt des Betriebs(teil)übergangs erdiente Versorgungsanwartschaft bleibt erhalten. Die nach dem Tarifvertrag der Firma E erworbenen Anwartschaften werden hierauf angerechnet.“ Zusammenfassender Überblick Beim Veräußerer Individualvertragliche Grundlage Betriebsvereinbarung Individual-vertragliche Grundlage Betriebsvereinbarung Tarifvertrag Unveränderte Weitergeltung Transformation Transformation Ablösung, aber Bestandsschutz Transformation, keine Über-KreuzAblösung BV wird wegen Tarifvorrang unwirksam, Erfassung von TV durch Tarifbindung oder Bezugnahmeklausel unter Besitzstandswahrung Ablösung unter Besitzstandswahrung oder Transformation Einzelvertraglich: keine Kollision, sondern unveränderte Weitergeltung (P) Geltungsbereich der BV ggf. anpassen Kollektiver Bezug: wenn BV-offen Ablösung unter Besitzstandswahrung Beim Erwerber Tarifvertrag Unveränderte Weitergeltung, ggf. Überlagerung durch TV (Günstigkeitsprinzip) 353 3. Versorgungsregelung nicht bei Veräußerer, nur bei Erwerber a) Keine Kollision möglich Besteht im Eingliederungsfall lediglich beim Erwerber ein betriebliches Versorgungssystem, sind auch keine nach § 613a BGB übergehenden Versorgungsverbindlichkeiten zu übernehmen. Der Erwerber hat die Wahl, ob er die übergehenden Arbeitnehmer überhaupt in die Altersversorgung aufnehmen will und - wenn ja - ob er die beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten bei der Berechnung der Versorgungsanwartschaften werterhöhend berücksichtigt. aa) Ausschluss der übergehenden Arbeitnehmer vom betrieblichen Versorgungssystem Der Erwerber kann die übergehenden Arbeitnehmer in ein bereits bei ihm bestehendes Versorgungswerk aufnehmen. Er muss dies jedoch nicht tun.1048 Zu einer automatischen Aufnahme in das Versorgungswerk kann es kommen, wenn das Versorgungswerk nicht für Neuzugänge bzw. für aufgrund eines Betriebsübergangs übergehende Arbeitnehmer geschlossen ist. Dies ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln. Will der Erwerber, dass keine Aufnahme in sein Versorgungswerk erfolgt, sollte er dies explizit regeln. Bei Zusagen auf individualvertraglicher Basis bedarf es einer ausdrücklichen Erklärung des Erwerbers gegenüber den übergehenden Arbeitnehmern. Beruht die Zusage des Erwerbers auf einer kollektivrechtlichen Regelung (insb. Betriebsvereinbarung), ist eine Einschränkung des Geltungsbereichs vor Betriebsübergang notwendig.1049 In Betracht kommt zudem eine generelle Schließung des Versorgungswerkes, etwa durch Kündigung der Betriebsvereinbarung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz steht einer solchen Vorgehensweise in der durch § 613a BGB bewirkten Übergangssituation1050 dann nicht entgegen, wenn die übergehenden Arbeitnehmer weiterhin zum erworbenen Betrieb gehören. Bei einem Wechsel der betroffenen Arbeitnehmer in einen Betrieb des Erwerbers, in dem eine Altersversorgung besteht, müssen sonstige sachliche Gründe für eine Differenzierung bestehen.1051 Auch besteht langfristig ggf. die Notwendigkeit, bei einer Harmonisierung von Vergütungs- und Versorgungsregelungen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.1052 Praxishinweis: Um mögliche Haftungstatbestände auszuschließen, sollte der Erwerber seine kollektivrechtlichen Versorgungsregelungen vor dem Betriebsübergang anpassen und/oder den übergehenden Arbeitnehmern ausdrücklich mitteilen, dass für sie keine betriebliche Altersversorgung besteht. Zur Information bietet sich das an die übergehenden Arbeitnehmer zu richtende Informationsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB an. Wie der Ausschluss aus der Versorgungsregelung bei individuellen Zusagen (mit oder ohne kollektiven Bezug) erfolgt und wie die Arbeitnehmer davon Kenntnis erlangen, hängt insb. auch von dem jeweiligen Rechtsbegründungsakt der Zusage ab. Diese Möglichkeiten des Erwerbers bestehen grundsätzlich auch dann, wenn die betriebliche Altersversorgung in einer Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung geregelt ist. 1048 Höfer, BetrAVG, Kapitel 9, Rn. 91; BAG v. 25.08.1976 – 5 AZR 788/75, DB 1977, 358. dazu insgesamt: Höfer, BetrAVG, Kap. 9, Rn. 89 ff. 1050 Kemper, BetrAVG, § 1b Rn. 90. 1051 Höfer, BetrAVG, Kapitel 9, Rn. 90. 1052 Kemper, BetrAVG, § 1b Rn. 90. 1049 354 Insoweit ist allerdings schon umstritten, ob eine Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung automatisch auf neu hinzukommende Betriebe erstreckt wird. Geht man von einer solchen Erstreckung aus, muss der Erwerber vor dem Betriebsübergang dafür sorgen, dass sich der Geltungsbereich einer Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung nicht auf den neu hinzukommenden Betrieb erstreckt. Allerdings dürfte insoweit jedoch der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten sein, da dieser zumindest im individualrechtlichen Bereich unternehmensweite Geltung hat.1053 Zur Differenzierung zwischen einzelnen Betrieben bedarf es damit sachlicher Gründe, für die der Erwerber darlegungs- und ggf. beweisbelastet ist. Praxishinweis: Es empfiehlt sich daher, auch bei einer Regelung über eine Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung, diese entsprechend der gewünschten Vorgehensweise anzupassen. bb) Einbeziehung der übergehenden Arbeitnehmer ins betriebliche Versorgungssystem Will der Erwerber die übergehenden Arbeitnehmer in seine Versorgungszusage einbeziehen, kann er die Höhe von Versorgungsanwartschaften allein auf der Grundlage der bei ihm zurückgelegten Beschäftigungszeiten berechnen. Das gilt zumindest dann, wenn die betriebliche Altersversorgung beim Erwerber individualvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung geregelt ist. Beim Veräußerer zurückgelegte Beschäftigungszeiten muss er nicht anrechnen1054. Er ist darin frei, Vorbeschäftigungszeiten als wertbildende Faktoren außer Ansatz zu lassen. Denn die übergehenden Arbeitnehmer tragen erst ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs zur Wertschöpfung des Unternehmens bei1055. § 613a BGB steht dem nicht entgegen. Denn diese Vorschrift schützt den Inhalt des Arbeitsverhältnisses nur so weit, wie er im Zeitpunkt des Betriebsübergangs besteht. Alles andere wäre ein Vorteil, der ohne den Betriebsübergang nicht bestünde. Zudem begründet die Betriebszugehörigkeit allein für sich keine Rechte1056. Bei einer tarifvertraglichen Regelung des Erwerbers entstehen Ansprüche der übergehenden Arbeitnehmer, wenn die beim Erwerber geltenden Tarifverträge auf ihre Arbeitsverhältnisse anzuwenden sind. Dies ist insb. der Fall bei normativer Geltung gemäß § 4 Abs. 1 TVG oder bei einer Bezugnahmeklausel. Im Übrigen können die Arbeitnehmer tarifvertragliche Ansprüche nur dadurch herbeiführen, dass sie in die für den Erwerber zuständige Gewerkschaft eintreten. Dann kommt es nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB zu einer Ablösung hinsichtlich aller beim Erwerber geltenden Tarifverträge mit gleichem Regelungsgegenstand1057. b) Inhalt des Informationsschreibens gemäß § 613a Abs. 5 BGB Der Inhalt des Informationsschreibens ist davon abhängig, ob der Erwerber (1) die übergehenden Arbeitnehmer in das bei ihm bestehende Versorgungswerk aufnimmt und (2) ob er die beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten anrechnet. 1053 BAG v. 17.11.1998 – 1 AZR 147/98, NZA 1999, 606. BAG v. 30.08.1979 – 3 AZR 58/78, DB 1979, 2431; BAG v. 19.12.2000 – 3 AZR 451/99, NZA 2002, 615. 1055 BAG v. 19.12.2000 – 3 AZR 451/99, NZA 2002, 615. 1056 BAG v. 30.08.1979 – 3 AZR 58/78, DB 1979, 2431. 1057 dazu eingehend Kapitel D. III. 2. a). 1054 355 Die übergehenden Arbeitnehmer sollten also über folgende Umstände informiert werden: Ob sie in das beim Erwerber geltende Versorgungswerk aufgenommen werden und ob ihre beim Veräußerer zurückgelegte Beschäftigungszeit angerechnet wird. Formulierungsvorschlag: „Sie werden ab dem Zeitpunkt des Betriebs(teil)übergangs in das bei der Firma E bestehende Versorgungswerk aufgenommen und können nach den hierfür bestehenden Richtlinien einen Betriebsrentenanspruch erwerben. Ihre bei der Firma V zurückgelegten Beschäftigungszeiten werden angerechnet / (nicht) angerechnet, sodass Sie in Bezug auf die betriebliche Altersversorgung von der Firma E wie ein neu eingestellter AN behandelt werden. Damit gilt für den Erwerb und die Höhe der späteren Betriebsrente der Zeitpunkt des Betriebsübergangs als Ihr Eintrittszeitpunkt.“ Alternativ bei Schließung: „Das bei der Firma E bestehende Versorgungswerk ……. wurde für Neueintritte und Arbeitnehmer, die gem. § 613a BGB auf die Firma E übergehen, geschlossen. Sie erwerben daher keine Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung auf Basis dieses Versorgungswerks.“ Zusammenfassender Überblick Reaktionsmöglichkeit des Erwerbers (Versorgungsordnung nicht beim Veräußerer, aber beim Erwerber) Kollision nicht möglich Ausschluss der übernommenen Arbeitnehmer (A) Gilt dann auch zwingend für neu eingestellte Arbeitnehmer nach Betriebsübergang Individualvertragliche Grundlage Betriebsvereinbarung Ausdrücklicher Ausschluss neu eintretender Arbeitnehmer vor Betriebsübergang (im Betrieb und im Informationsschreiben) einvernehmliche Einschränkung des Geltungsbereichs oder Kündigung der Betriebsvereinbarung Tarifvertrag i. d. R. nicht möglich wegen Tarifbindung Einbeziehung der übernommenen Arbeitnehmer Höhe der Versorgungsanwartschaft = Beschäftigungszeiten können erst ab Betriebsübergang berücksichtigt werden V. Sonderfall: Entgeltumwandlung 1. Grundsätzliche Erwägungen Einen Sonderfall stellt die durch Entgeltumwandlung finanzierte betriebliche Altersversorgung dar. Diese kennzeichnet sich dadurch, dass selbst bei tariflichen oder betrieblichen Regelungen eine einzelvertragliche Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien über die Umwandlung von Entgeltbestandteilen abgeschlossen werden muss. Diese Entgeltumwandlungsvereinbarung geht nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über. Der Erwerber ist hieran ebenso gebunden wie früher der Veräußerer. 356 Damit bleibt sowohl die Höhe und/oder Art des umzuwandelnden Entgeltbestandteils wie auch der gewählte Durchführungsweg maßgebend. Allerdings kann für die Arbeitnehmer u. U. ein außerordentliches Kündigungsrecht hinsichtlich der Umwandlungsvereinbarung bestehen, wenn z. B. der umgewandelte Entgeltbestandteil entfällt oder sich Änderungen beim Entgelt des Arbeitnehmers ergeben. Beispiel: Arbeitnehmer A hatte mit dem Veräußerer V vereinbart, dass 50 % der tariflichen Sonderzahlung umgewandelt werden und der Betrag in eine Pensionskasse eingezahlt wird. Nach dem Betriebsübergang finden auf das Arbeitsverhältnis des A die beim Erwerber E einschlägigen Tarifverträge Anwendung, die keine oder nur eine wesentlich geringere Sonderzahlung vorsehen. 2. Problematik: Unternehmens- oder branchenspezifische Versorgungseinrichtung Schwierigkeiten können sich für den Erwerber bei einem Durchführungsweg ergeben, der nur dem Veräußerer offensteht. Dies kann etwa bei der Pensionskasse einer bestimmten Branche der Fall sein, die nur branchenangehörige Unternehmen aufnimmt. Dem Erwerber wird dann die Durchführung der Entgeltumwandlungsvereinbarung unmöglich. Jedoch ist er – wie bei der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung – verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine gleichwertige Altersversorgung zu verschaffen. Problematisch ist insbesondere, dass die beim früheren Versorgungsträger bereits bestehenden Anwartschaften nicht automatisch übertragen werden, der Arbeitnehmer ggf. wieder „bei Null“ anfangen muss. Ein Übertragungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 4 Abs. 4 BetrAVG besteht nicht. Denn das Arbeitsverhältnis wird durch den Betriebsübergang nicht beendet. Es müsste jedoch eine freiwillige Vereinbarung zwischen dem alten und dem neuen Versorgungsdienstleister, dem Erwerber und dem Arbeitnehmer über die Übertragung des sog. Barwerts möglich sein. 3. Problematik: Wechsel der tariflichen Rahmenbedingungen Fraglich ist auch, wie sich – insbesondere hinsichtlich der Umwandlung tarifvertraglicher Entgeltbestandteile – eine Änderung der tariflichen Rahmenbedingungen auswirkt. Unerheblich dürfte es i. d. R. sein, wenn die kollektivrechtliche Vereinbarung entfällt, die Grundlage für die einzelvertragliche Entgeltumwandlungsvereinbarung ist. Denn die Entgeltumwandlungsvereinbarung enthält üblicherweise alle notwendigen Bestandteile, ist also auch ohne die maßgebende kollektivrechtliche Regelung „lebensfähig“. Probleme kann es allerdings dann geben, wenn tarifliche Regelungen insbesondere von den gesetzlichen Vorgaben in § 1a BetrAVG abweichen, also z. B. nur die Umwandlung bestimmter Entgeltbestandteile (z. B. vermögenswirksamer oder altersvorsorgewirksamer Leistungen) zulassen. Hier muss bei der rechtlichen Lösung differenziert werden. a) Tarifvertrag des Veräußerers weicht von § 1a BetrAVG ab Wenn beim Veräußerer ein Tarifvertrag mit eigenständigen Regelungen zur Entgeltumwandlung galt, stellt sich die Frage, ob Erwerber und Arbeitnehmer auch nach dem Betriebsübergang noch an die entsprechenden tariflichen Vorgaben gebunden sind. 357 Bei tariflichen Regelungen über das Ob und die Ausgestaltung von Entgeltumwandlungsvereinbarungen handelt es sich um Inhaltsnormen, da mit ihnen Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien geregelt werden. Diese werden gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert, gelten also auch nach dem Betriebsübergang weiter. Etwas anderes gilt, wenn die Tarifvertragsparteien zugunsten der Arbeitnehmer etwas anderes oder die Geltung eines anderen Kollektivvertrages gemäß § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB vereinbaren. Beispiel: Der beim Veräußerer V geltende Tarifvertrag sieht vor, dass die Arbeitnehmer nur bestimmte Entgeltbestandteile, z. B. die vermögenswirksamen Leistungen, umwandeln können. Erwerber E ist an diese Tarifverträge nicht gebunden. Kann Arbeitnehmer A nach dem Betriebsübergang von E die Umwandlung anderer Entgeltbestandteile (z. B. eine tarifliche Sonderzahlung) verlangen bzw. kann E den übergehenden Arbeitnehmern den Abschluss entsprechender Entgeltumwandlungsvereinbarungen anbieten? Die übergehenden Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf den Abschluss von Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die von den transformierten tariflichen Regelungen abweichen. Es dürfte aber rechtlich zulässig sein, wenn der Erwerber mit den übergehenden Arbeitnehmern entsprechende Vereinbarungen trifft, da diese i. d. R. günstiger sein werden. b) Tarifvertrag des Erwerbers weicht von § 1a BetrAVG ab Die umgekehrte Problematik kann sich stellen, wenn die beim Erwerber geltenden Tarifverträge die Möglichkeiten der Entgeltumwandlung entweder in Höhe und/oder Art der umwandelbaren Entgeltbestandteile oder bei den Durchführungswegen beschränken. Die bereits bestehenden Entgeltumwandlungsvereinbarungen sind aber weiterhin wirksam, auch wenn die maßgebliche tarifliche Rechtsgrundlage entfällt. 4. Inhalt des Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB In der Regel wird eine bereits abgeschlossene Entgeltumwandlungsvereinbarung ohne rechtliche Probleme weitergeführt werden können oder müssen. Für Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die nach dem Betriebs(teil)übergang abgeschlossen werden, sind ggf. veränderte Rechtsgrundlagen in Form anderer tariflicher Regelungen zu beachten. Die Arbeitnehmer sollten daher über Folgendes informiert werden: dass bestehende Entgeltumwandlungsvereinbarungen vom Betriebs(teil)übergang nicht berührt werden, dass ggf. andere Rechtsgrundlagen für Entgeltumwandlungsvereinbarungen bestehen. Formulierungsvorschlag: „Sollten Sie mit der Firma V eine Entgeltumwandlungsvereinbarung getroffen haben, wird diese ab dem Zeitpunkt des Betriebs(teil)übergangs von der Firma E übernommen und nach Maßgabe der bisherigen Bedingungen unverändert weitergeführt. Sollten Sie mit der Firma V keine Entgeltumwandlungsvereinbarung getroffen haben, steht es Ihnen frei, ob Sie nach dem Betriebs(teil)übergang eine solche Vereinbarung mit der Firma E treffen wollen. Für die Firma E ist insoweit der Tarifvertrag ... maßgebend, der die näheren Bedingungen für Entgeltumwandlungsvereinbarungen festlegt.“ Evtl. ergänzend (bei Transformation): „Soweit dieser Tarifvertrag auf Ihr Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet, ist es Ihnen freigestellt, auch Entgeltumwandlungsvereinbarungen auf der für Sie bisher geltenden tariflichen Rechtsgrundlage abzuschließen.“ 358 Kapitel I: Betriebsverfassungsrecht 363 I. Auswirkungen eines Betriebs(teil)übergangs auf das Amt des Betriebsrates 363 1. Einzelbetriebsrat 363 a) Schicksal des Betriebsratsmandats 363 b) Übergangsmandat 364 aa) Abgrenzung zum Restmandat bb) Inhalt des Übergangsmandats cc) Reichweite des Übergangsmandats dd) Kosten der Betriebsratstätigkeit ee) Verlagerung ins Ausland 364 364 365 365 365 c) Übergang eines gesamten Betriebes 366 aa) unveränderte Fortführung des übernommenen Betriebes 366 bb) Eingliederung des übernommenen Betriebes in den Betrieb des Erwerbers 367 (1) Betriebsrat im Betrieb des Erwerbers 367 (2) Kein Betriebsrat im Betrieb des Erwerbers 368 cc) Zusammenführung des übernommenen Betriebes mit anderen Betrieben des Erwerbers 369 d) Übergang eines Betriebsteils 370 aa) Betriebsratsmandat im Veräußererbetrieb (1) Betriebsabspaltung (2) Betriebsaufspaltung bb) Betriebsratsmandat im Erwerberbetrieb (1) Weiterführung als selbstständiger Betrieb (2) Eingliederung in den Betrieb des Erwerbers (3) Zusammenführung mehrerer Betriebsteile (4) Sonderfall: Betriebsaufspaltung führt zum gemeinsamen Betrieb 370 370 371 371 371 372 373 374 e) Übergang von Kleinbetrieben/Betrieben gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 375 f) Sonderfall: Regelungen gemäß § 3 BetrVG 375 aa) Regelung nach § 3 BetrVG im Erwerberbetrieb bb) Regelung nach § 3 BetrVG im Veräußererbetrieb (1) Veräußerung eines gesamten Unternehmens mit mehreren Betrieben (2) Übergang einzelner Betriebe oder Betriebsteile 376 376 376 377 2. Gesamtbetriebsrat (GBR) 378 a) Betriebsübergang eines oder mehrerer Betriebe 378 aa) Gesamtbetriebsrat beim Veräußerer bb) Situation beim Erwerber 378 378 b) Entstehung eines Gemeinschaftsbetriebs 380 c) Sonderfall: Betriebsaufspaltung 380 3. Konzernbetriebsrat 381 a) beim Veräußerer 381 b) beim Erwerber 382 359 II. Beteiligungsrechte in Zusammenhang mit einem Betriebs(teil)übergang 382 1. Interessenausgleichs- und Sozialplanpflicht – §§ 111 ff. BetrVG 382 a) Grundsatz 382 b) Sonderprobleme 383 aa) Betriebsübergang gleich Betriebsänderung? bb) Spaltung eines Betriebs nach § 111 Nr. 3 BetrVG (1) Besitz- und Produktionsgesellschaft (2) Bagatellausgründungen (3) Spaltung führt zum Gemeinschaftsbetrieb cc) Personalabbau dd) Sozialplan bei unerkanntem oder überraschendem Betriebsübergang 383 383 383 384 385 385 385 c) Auszugleichende Nachteile 386 d) Betriebsänderung nach Betriebs(teil)übergang 386 e) Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen Betriebsübergang 387 aa) Übertragung eines gesamten Betriebs – Übergangs- oder Restmandat? (1) Widerspruch einzelner Arbeitnehmer (2) Kollektiver Widerspruch bb) Übertragung von Betriebsteilen (1) Sozialauswahl (2) Interessenausgleich und Sozialplan 387 387 387 388 388 388 2. Anhörung nach § 102 BetrVG 390 a) Übergang eines gesamten Betriebes 390 b) Übergang eines Betriebsteils 391 3. Datenschutz 391 a) Information des Erwerbers (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) 391 b) Position des Datenschutzbeauftragten 391 4. Information des Wirtschaftsausschusses 392 III. Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder nach Betriebs(teil)übergang 393 1. Problemstellung / Ausgangslage 393 a) Übergang eines gesamten Betriebes 393 b) Übergang eines Betriebsteils 393 2. Zusammensetzung des Betriebsrat beim Übergangsmandat 394 3. Widerspruch eines Betriebsratsmitglieds gemäß § 613a Abs. 6 BGB 395 a) Betriebsteilübergang - Beibehaltung der Mitgliedschaft im Betriebsrat 395 aa) Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach § 15 Abs. 5 KSchG (andere Betriebsabteilung) bb) Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach § 1 KSchG (anderer Betrieb im Unternehmen) 397 397 b) Übergang eines gesamten Betriebes - Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat aa) Zustimmungserfordernis § 103 Abs. 1 BetrVG 398 398 360 bb) Anhörungserfordernis § 102 Abs. 1 BetrVG cc) Sonderkündigungsschutz § 15 Abs. 1 und Abs. 4 KSchG 398 398 361 Kapitel I: Betriebsverfassungsrecht I. Auswirkungen eines Betriebs(teil)übergangs auf das Amt des Betriebsrates 1. Einzelbetriebsrat § 613a BGB hat vorrangig die individualrechtlichen Folgen eines Betriebsübergangs zum Inhalt. Zu den kollektivrechtlichen Folgen enthält § 613a BGB nur insoweit eine Regelung, wie es um die Geltung kollektivrechtlicher Normen im Arbeitsverhältnis nach dem Betriebsübergang geht. Zu den kollektivrechtlichen Auswirkungen auf den Betriebsrat, das Betriebsratsmandat, den Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat enthält § 613a BGB keine Aussagen. Allein § 21a BetrVG sieht ein Übergangsmandat vor bei einer Betriebsspaltung oder einer Betriebszusammenfassung. a) Schicksal des Betriebsratsmandats Geht ein Betrieb oder Betriebsteil über, stellt sich die Frage, ob der für diesen Betrieb gewählte Betriebsrat auch beim Erwerber weiterhin im Amt bleibt oder nicht. Dabei sind drei verschiedene Alternativen denkbar. Welche dieser Alternativen eingreift, hängt von der jeweiligen Fallkonstellation ab. § 613a BGB - Betriebsratsmandat Vollmandat Übergangsmandat Betriebsrat des übergehenden Betriebes weiterhin im Amt Betriebsrat des übergehenden Betriebes im Rahmen des sog. Übergangsmandats (§ 21a BetrVG) weiterhin für die übergehenden Arbeitnehmer zuständig Mandats-/Amtsverlust Anderer Betriebsrat zuständig - zum einen der Betriebsrat im Betrieb des Erwerbers oder – - bei der Zusammenfassung von Betrieben der Betriebsrat des größten Betriebes (Übergangsmandat) Praxishinweis: Nach der Einführung des § 21a BetrVG ist ein betriebsratsloser Zustand bei einem Betriebs- bzw. Betriebsteilübergang nur noch in Ausnahmefällen denkbar. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn der übergehende Betrieb oder Betriebsteil nach dem Betriebsübergang nicht mehr dem Geltungsbereich des BetrVG unterfällt, z. B. mangels Betriebsratsfähigkeit (§ 1 BetrVG) oder als Einrichtung einer Religionsgemeinschaft (§ 118 Abs. 2 BetrVG) oder als Verwaltungseinrichtung (LPersVGe, BPersVG). 363 b) Übergangsmandat aa) Abgrenzung zum Restmandat Das Betriebsverfassungsrecht sieht zwei besondere Betriebsratsmandate vor, um bei betrieblichen Strukturmaßnahmen einen betriebsratslosen Zustand für die betroffenen Arbeitnehmer zu vermeiden. Zum einen das sog. Übergangsmandat in § 21a BetrVG und das sog. Restmandat in § 21b BetrVG. In Einzelfällen kann es bei Umstrukturierungen zur Kollision von Übergangs- und Restmandat kommen. Es ist bislang nicht geklärt, wie solche Kollisionen aufzulösen sind. Beispiel: 1058 Ein Unternehmen unterhält ca. 30 km voneinander entfernt liegende Betriebe (Betrieb A und Betrieb B). In beiden Betrieben ist ein Betriebsrat gewählt (Betriebsrat A und Betriebsrat B). Durch eine gestaltende Unternehmensentscheidung wird Betrieb B vollständig aufgelöst und komplett in Betrieb A eingegliedert. In Betrieb B ist ein Arbeitnehmer beschäftigt, dem mitten in der Auflösungs- und Eingliederungsphase gekündigt werden soll. In dieser Konstellation stellt sich die Frage, welcher Betriebsrat für die Anhörung nach § 102 BetrVG zuständig ist. Betriebsrat A könnte sich auf ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG berufen, Betriebsrat B auf ein Restmandat nach § 21b BetrVG. Übergangsmandat Restmandat betroffener Betrieb/ Betriebsteil Ursprungsbetrieb/-betriebsteil Ursprungsbetrieb zuständiger Arbeitgeber Erwerber Veräußerer vollumfänglich nur Mitbestimmungsrechte im Zusammenhang mit Betriebsschließung (insbesondere § 111 f. BetrVG) inhaltliche Reichweite zeitliche Begrenzung Sonderaufgabe: Einleitung Betriebsratswahlen 6 Monate keine ab Übergang der Leitungsmacht bis Betriebsschließung endgültig abgewickelt bb) Inhalt des Übergangsmandats Sollte im Fall eines Betriebsübergangs ein Übergangsmandat eingreifen, ist zu beachten, dass dieses nach h. M. ein Vollmandat darstellt, d. h. dem Betriebsrat, dem ein Übergangsmandat zusteht, stehen alle gesetzlich geregelten Beteiligungsrechte sowie die sich aus dem Betriebsratsamt selbst ergebenden Rechte, wie z. B. Zutrittsrechte, zu.1059 Auch an der personellen Zusammensetzung des Betriebsrats ändert sich während der begrenzten Zeit des Übergangsmandats nichts.1060 1058 Lelley, DB 2008, 1433 zu betriebsübergreifender Umstrukturierung innerhalb eines Unterneh mens. 1059 Worzalla in H/W/G/N/R/H, § 21a BetrVG, Rn. 30; LAG München v. 11.03.2009, - 5 TaBV 6/08, n. v. 1060 Schulze, ArbRAktuell 2013, 413. 364 Daneben ist er nach § 21a BetrVG verpflichtet, unverzüglich, d. h. schnellstmöglich neue Betriebsratswahlen einzuleiten. Sein Mandat endet mit der Wahl eines neuen Betriebsrates, spätestens mit Ablauf von sechs Monaten. Praxishinweis: Das Übergangsmandat kann für den Erwerber vor allem zu Problemen führen, weil der Betriebsrat, dem das Übergangsmandat zusteht, weiterhin beim Veräußerer im Amt ist, insbesondere beim Erwerb von Betriebsteilen. Er muss dann ggf. den Betriebsrat des Veräußerers, also eines fremden Betriebes, beteiligen. Damit besteht - trotz der Geheimhaltungspflicht gemäß § 79 BetrVG1061 - die Gefahr, dass Betriebsinterna des Erwerbers zur Kenntnis eines fremden Betriebsrats gelangen. cc) Reichweite des Übergangsmandats Ob bzw. in welchem Umfang dem Betriebsrat im Rahmen des Übergangsmandats Beteiligungsrechte zustehen, richtet sich dabei nach den Verhältnissen des übergegangenen Betriebes bzw. Betriebsteils. Dies ist vor allem relevant für Beteiligungsrechte, die erst ab einer bestimmten Arbeitnehmerzahl eingreifen. Wird z. B. ein Betriebsteil ausgegliedert und von einem Unternehmensträger übernommen, der insgesamt weniger als zwanzig Arbeitnehmer beschäftigt, kommen Beteiligungsrechte nach § 99 BetrVG nach dem Betriebsübergang nicht mehr in Betracht.1062 Diese Frage ist allerdings höchstrichterlich noch nicht entschieden. Steht einem Betriebsrat sowohl im Ursprungsbetrieb als auch im ausgegliederten bzw. abgespaltenen Betriebsteil ein (Übergangs-)Mandat zu, kann er die ihm zustehenden Beteiligungsrechte nicht betriebs- bzw. unternehmensübergreifend geltend machen, d. h. er kann z. B. keine Betriebsvereinbarungen abschließen, die für beide Betriebe gelten.1063 Das Übergangsmandat endet vor Ablauf der sechs Monate, sobald ein neuer Betriebsrat gewählt und das Ergebnis bekannt gegeben ist.1064 dd) Kosten der Betriebsratstätigkeit Wer die Kosten der Betriebsratstätigkeit im Rahmen des Übergangsmandats trägt, ist nicht geregelt. Erstinstanzlich wurde entschieden, dass der alte und der neue Arbeitgeber dem Betriebsrat gegenüber als Gesamtschuldner haften.1065 Das Übergangsmandat sei mit der Konstellation eines gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen vergleichbar1066. Nach anderer Ansicht soll die Kostenlast der Inhaber des Veräußererbetriebs tragen.1067 ee) Verlagerung ins Ausland Die kollektivrechtlichen Fragen eines grenzüberschreitenden Betriebsübergangs sind von der Rechtsprechung nicht geklärt. Das BAG hat lediglich zu den Rechtsfolgen des § 613a BGB entschieden, dass auch ein grenzüberschreitender Betriebsübergang dem Wirkungsbereich des § 613a BGB unterliegt.1068 1061 Worzalla in H/W/G/N/R/H, § 21a BetrVG, Rn. 36. Rieble, NZA 2002, 233. 1063 Rieble, NZA 2002, 233. 1064 Schulze, ArbRAktuell 2013, 413. 1065 ArbG Leipzig v. 05.05.2006 – 10 BV 57/05, NZA-RR 2007, 24. 1066 Schulze, ArbRAktuell, 2013, 413. 1067 Maschmann, NZA-Beilage 1/2009, 32; ErfK-Koch, § 21a BetrVG, Rn. 9. 1068 BAG v. 26.05.2011 – 8 AZR 37/10 ; BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 608/11. 1062 365 Wegen des geltenden Territorialitätsprinzips ist davon auszugehen, dass das Mandat des Betriebsrates bei einer Betriebsverlagerung ins Ausland endet.1069 c) Übergang eines gesamten Betriebes Bei der Frage nach dem Schicksal des Betriebsrats und seinem Mandat im Zusammenhang mit einem Betriebsrat ist grundsätzlich zwischen dem Übergang eines gesamten Betriebs und dem Übergang eines Betriebsteils zu unterscheiden. § 21a BetrVG setzt zwar § 613a BGB auf individualrechtlicher Ebene voraus, regelt aber die betriebsverfassungsrechtlichen Fragen umstrukturierender Maßnahmen auf Betriebs- und Unternehmensebene. Beim Übergang des gesamten Betriebes muss hinsichtlich des Fortbestandes des Betriebsrates zwischen drei Fallkonstellationen unterschieden werden:1070 unveränderte Fortführung Eingliederung des übernommenen Betriebes in den Erwerberbetrieb Zusammenführung mehrerer Betriebe Geht ein gesamter Betrieb auf den Erwerber über und führt dieser den Betrieb unverändert fort, so bleibt der Betriebsrat des übergehenden Betriebs weiterhin im Amt (Vollmandat).1071 Besondere Bedeutung hat die Unterscheidung zwischen der Eingliederung und der Zusammenführung, da sich aufgrund von § 21a BetrVG dafür unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben. Bei der Eingliederung ist der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes zuständig, der Betriebsrat des aufgenommenen Betriebes verliert sein Amt. Bei der Zusammenführung übernimmt der Betriebsrat des größten Betriebes ein Übergangsmandat. aa) Unveränderte Fortführung des übernommenen Betriebes Wird ein ganzer Betrieb übernommen und vom Erwerber im Wesentlichen, d. h. unter Wahrung der Betriebsidentität unverändert fortgeführt, bleibt der Betriebsrat nach allgemeiner Meinung im Amt1072 und behält in vollem Umfang die ihm nach dem BetrVG zustehenden Beteiligungsrechte.1073 Praxishinweis: Damit sind auch keine Neuwahlen anzusetzen, da der Betriebsübergang selbst keinen Grund hierfür darstellt, der unter § 13 Abs. 2 BetrVG fällt. Das BAG1074 hat ausdrücklich entschieden, dass der Erwerber in die Kostentragungspflicht des Veräußerers nach § 40 Abs. 1 BetrVG eintritt. Eine gesamtschuldnerische Haftung scheide zudem aus. Das bedeutet auch, dass den Erwerber eines Betriebes im Wege der Einzelrechtsnachfolge etwaige Verpflichtungen des Veräußerers gegenüber dem Betriebsrat jedenfalls dann treffen, wenn diese Verpflichtung in einem früheren Beschlussverfahren rechtskräftig festgestellt 1069 Raif, Ginal, GWR 2013, 217. Moderegger, ArbRB 2011, 281. 1071 BAG v. 05.02.1991 – 1 ABR 32/90. 1072 Hessisches LAG v. 14.03.2011 – 16 Sa 1677/10; BAG v. 05.02.1991 – 1 ABR 32/90, NZA 1991, 639. 1073 LAG Bremen v. 18.12.2013 – 2 TaBV 39/12. 1074 BAG v. 20.08.2014 – 7 ABR 60/12. 1070 366 wurde, da § 325 ZPO für den Fall auch der Einzelrechtsnachfolge eine Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsnachfolger anordnet.1075 Jedoch kann eine Entscheidung der gleichen Streitfrage dann wieder zulässig sein, wenn sich der Sachverhalt wesentlich geändert hat; der Betriebsübergang selbst ist jedoch keine solche wesentliche Änderung.1076 Beispiel: 1077 Der Erwerber erwirbt einen Betrieb mit 75 Arbeitnehmern, in dem der Betriebsrat gegen den früheren Arbeitgeber eine rechtskräftige Entscheidung darüber erwirkt hatte, dass ihm Auskunft über bestimmte wirtschaftliche Daten zu erteilen ist. Auf der Grundlage dieser Entscheidung begehrt der Betriebsrat nach dem Betriebsübergang nunmehr vom Erwerber die entsprechenden Informationen. Das BAG hat entschieden, dass ein Erwerber aus einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts verpflichtet sein kann. Diese Grundsätze dürften allerdings nicht in dem Falle gelten, in dem sich Veräußerer und Betriebsrat im Vergleichswege geeinigt haben, da sich § 325 ZPO allein auf rechtskräftige Entscheidungen bezieht. Die Rechtslage ist jedoch höchstrichterlich noch nicht geklärt. Höchstrichterlich ungeklärt ist ebenfalls, ob auch Titel, die der Betriebsrat im Rahmen eines Verfahrens nach § 23 Abs. 3 BetrVG gegen den Veräußerer erwirkt hat, gegenüber dem Erwerber gelten. Dagegen spricht, dass es sich hier i. d. R. um eine höchstpersönliche Verpflichtung des Arbeitgebers handelt, die nicht übertragbar sein dürfte. Unklar ist zudem, ob der Erwerber als Rechtsnachfolger des Veräußerers auch in solche Verpflichtungen eintreten muss, die sich aus (vertraglichen) Vereinbarungen mit dem Betriebsrat, z. B. über Kostentragung, Verfahrensregelungen etc. ergeben. Ein gesetzlicher Übergang solcher Verpflichtungen scheidet aus, da sich insbesondere § 613a Abs. 1 BGB nur auf Regelungen bezieht, die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer regeln, also sog. „Betriebsvereinbarungen“. Vereinbarungen, die den Arbeitgeber/Veräußerer gegenüber dem Betriebsrat selbst verpflichten, sind davon nicht erfasst. bb) Eingliederung des übernommenen Betriebes in den Betrieb des Erwerbers (1) Betriebsrat im Betrieb des Erwerbers Wird ein übernommener Betrieb in den Betrieb des Erwerbers eingegliedert, in dem ein Betriebsrat besteht, ist grundsätzlich der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes auch für die übergehenden Arbeitnehmer zuständig. Der Betriebsrat des aufgenommenen Betriebes verliert sein Amt.1078 Da § 21a BetrVG allerdings bei einer Zusammenführung ein Übergangsmandat für den Betrieb des größten Betriebes normiert, ist die Abgrenzung zwischen Eingliederung und Zusammenführung hier von entscheidender Bedeutung. Damit stellt sich die Frage, wann eine Eingliederung vorliegt. Dies ist vom BAG noch nicht entschieden. Einige Landesarbeitsgerichte1079 stellen wie auch die Literatur1080 für eine Eingliederung darauf ab, ob der aufneh1075 BAG v. 18.03.2008 – 1 ABR 3/07 für neuen Betriebsrat nach Verschmelzung und Zuordnungstarifvertrag gemäß § 3 BetrVG, NZA 2008, 1259; BAG v. 05.02.1991 – 1 ABR 32/90, NZA 1991, 639. 1076 BAG v. 05.02.1991 – 1 ABR 32/90, NZA 1991, 639. 1077 BAG v. 05.02.1991 1 ABR 32/09, NZA 1991, 639. 1078 BAG v. 21.01.2003 - 1 ABR 9/02, NZA 2003, 1097. 1079 Hessisches LAG v. 23.10.2008 – 9 TaBV 155/08, n.v.; LAG Düsseldorf v. 22.10.2008 – 7 TaBV 85/08, n.v. 367 mende Betrieb seine Identität behält, d. h. nach der Aufnahme unter gleichbleibender Leitung und mit im Wesentlichen gleichem Zweck fortgeführt wird. Der aufnehmende Betrieb wird lediglich größer. Beispiel: Ein Wachdienst mit 20 Beschäftigten wird von einem großen Wachdienstunternehmen mit mehr als 200 Arbeitnehmern aufgekauft und in den vorhandenen Betrieb eingegliedert. Der Betriebsrat des Erwerbers bleibt im Amt. Es handelt sich nicht um ein Übergangs-, sondern um ein Regelmandat. Damit wird der Betriebsrat des Erwerbers ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs zuständig für die übergehenden Arbeitnehmer. Der beim Veräußerer bestehende Betriebsrat verliert sein Amt. Es sind auch keine Neuwahlen einzuleiten, da die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG hier nicht erfüllt sind. Allerdings ist umstritten, ob der Betriebsrat des aufgenommenen bzw. eingegliederten Betriebes noch ein Restmandat nach § 21b BetrVG gegenüber dem Veräußerer hat. Das kann vor allem dann der Fall sein, wenn so viele Arbeitnehmer dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen, dass die dann vom Veräußerer ggf. auszusprechenden betriebsbedingten Kündigungen die Zahlengrenzen des § 112a BetrVG überschreiten und eine beteiligungspflichtige Betriebsänderung vorliegt, (siehe dazu II. 1. e) aa) und II 2. a)). (2) Kein Betriebsrat im Betrieb des Erwerbers Der Fall der Eingliederung eines gesamten Betriebes in einen betriebsratslosen Betrieb ist vom Wortlaut des § 21a BetrVG zwar nicht ausdrücklich erfasst, es ist jedoch von einem Übergangsmandat nach § 21a BetrVG für den Betriebsrat im eingegliederten Betrieb auszugehen. § 21a BetrVG soll die Kontinuität der Betriebsratsarbeit sichern.1081 Für ein Übergangsmandat spricht auch, dass der vergleichbare Fall der Eingliederung nur eines Betriebsteils in einen betriebsratslosen Betrieb vom Wortlaut des § 21a Abs. 1 BetrVG erfasst wird und es keinen Unterschied machen kann, ob ein Betriebsteil oder ein ganzer Betrieb in den Betrieb des Erwerbers eingegliedert wird. Unklar ist die Rechtslage allerdings bei der Frage, welche Arbeitnehmer vom Übergangsmandat erfasst werden. Nach einer Ansicht soll dem Betriebsrat des eingegliederten Betriebes ein Übergangsmandat nicht nur für die Arbeitnehmer des übernommenen Betriebes, sondern sogar des aufnehmenden Betriebes zustehen.1082 Nach anderer Auffassung steht dem Betriebsrat des übernommenen Betriebes zwar ein Übergangsmandat zu, dieses beschränkt sich aber auf die übergehenden Arbeitnehmer.1083 Letzteres würde dem Sinn und Zweck des § 21a BetrVG als auch den Vorgaben der Betriebsübergangsrichtlinie am ehesten entsprechen, da ein Betriebsübergang einerseits nicht dazu führen soll, dass die übergehenden Arbeitnehmer den bisher vorhandenen betriebsverfassungsrechtlichen Schutz verlieren, es aber andererseits kaum vertretbar ist, die Arbeitnehmer des aufnehmenden Betriebes, die bisher – vielleicht sogar bewusst und gewollt – auf einen Betriebsrat verzichtet haben, nunmehr zwangsweise unter die Zuständigkeit eines fremden und von ihnen nicht gewählten Betriebsrates zu stellen. Dem Betriebsrat des übernommenen Betriebes fehlt die demokratische Legitimation für Interessenwahrnehmung zugunsten der Arbeitnehmer des betriebsratslosen aufnehmenden Betriebes. Das Übergangsmandat ist auf die übergegangenen Arbeitnehmer zu begrenzen. 1080 Richardi/Thüsing, § 21a BetrVG, Rn. 5; Rieble, NZA 2002, 233. ErfK-Eisemann/Koch, § 21a BetrVG, Rn. 3. 1082 Fitting, § 21a BetrVG, Rn. 23. 1083 Worzalla in H/W/G/N/R/H, § 21a BetrVG, Rn. 9. 1081 368 Praxishinweis: Angesichts dieser ungeklärten Rechtslage muss der Erwerber, in dessen Betrieb es bislang keinen Betriebsrat gab, nicht nur damit rechnen, dass die Übernahme eines (kleineren) Betriebes nunmehr dazu führt, dass bei ihm ein Betriebsrat gewählt wird, sondern er hat vor allem das Problem, dass er den Betriebsrat des übernommenen Betriebes u. U. auch bei den Angelegenheiten beteiligen muss, die die schon bisher bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer betreffen. Dies gilt vor allem für die Beteiligung in personellen Angelegenheiten und hierbei für die Anhörungspflicht des § 102 Abs. 1 BetrVG vor dem Ausspruch etwaiger Kündigungen. Das Unwirksamkeitsrisiko kann der Erwerber hier nur vermeiden, wenn er nach dem Betriebsübergang den Betriebsrat des übergehenden Betriebs gemäß den gesetzlichen Vorschriften auch dann beteiligt, wenn es um Angelegenheiten der schon bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer geht. Will der Erwerber dieses Risiko vollständig vermeiden, bleibt ihm letztlich nur, den übernommenen Betrieb nicht einzugliedern, sondern als eigenständigen Betrieb weiterzuführen. Dann bleibt sein bisheriger Betrieb betriebsratslos. cc) Zusammenführung des übernommenen Betriebes mit anderen Betrieben des Erwerbers Anders ist die Rechtslage zu bewerten, wenn der Erwerber eines Betriebes diesen mit einem oder vielleicht sogar mehreren Betrieben zusammenführt. Eine solche Zusammenführung soll – im Gegensatz zur Eingliederung – vorliegen, wenn zwei oder mehrere Betriebe zu einem neuen einheitlichen Betrieb unter einheitlicher Leitung zusammengefasst werden.1084 Im Unterschied zur Eingliederung verlieren hier alle betroffenen Betriebe ihre Identität.1085 Das LAG Düsseldorf hingegen vertritt die Auffassung, dass auch eine Zusammenfassung ohne Identitätsverlust vorliegen könne. Unerheblich sei, ob sich an den einzelnen Standorten die betrieblichen Strukturen änderten.1086 Dem kann nicht gefolgt werden. Da bei einer Zusammenfassung nach § 21a Abs. 2 BetrVG nur dem Betriebsrat des größten Betriebes das Übergangsmandat zusteht, bei der Eingliederung nach § 21a Abs. 1 BetrVG hingegen der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes sein Vollmandat behält, ist eine klare und praktikable Abgrenzung zwischen der Eingliederung und der Zusammenfassung erforderlich. Maßgebend ist also letztlich, ob nach dem Betriebsübergang ein neuer Betrieb entsteht, der sich deutlich von dem bisherigen Betrieb des Erwerbers unterscheidet. Liegt eine solche Zusammenführung vor, steht nach § 21a Abs. 2 BetrVG dem Betriebsrat des nach Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größten Betriebes das Übergangsmandat zu.1087 Die Betriebsräte der anderen Betriebe verlieren also ihr Amt. 1084 Worzalla in H/W/G/N/R/H, § 21a BetrVG, Rn. 10. Hessisches LAG v. 23.10.2008 – 9 TaBV 155/08, n.v. 1086 LAG Düsseldorf v. 16.10.2008 – 11 TaBV 105/08, n.v. 1087 ArbG Cottbus v. 24.01.2013 – 3 BVGa 1/13. 1085 369 Zusammenfassender Überblick Betriebsratsmandat im übernommenen Betrieb - Übergang des gesamten Betriebs - Eingliederung Unveränderte Fortführung Betriebsrat beim Erwerber Kein Betriebsrat bei Erwerber Amts-/ Mandatsverlust Übergangsmandat für Betriebsrat des übernommenen Betriebes § 21a BetrVG (str.) Vollmandat bleibt beim Betriebsrat des übernommenen Betriebs Zusammenführung Übergangsmandat für Betriebsrat des „größten“ (wahlberechtigte Arbeitnehmer) Betriebs § 21a BetrVG d) Übergang eines Betriebsteils Beim Übergang eines Betriebsteils kann sowohl das Mandat des Betriebsrats im Veräußererbetrieb als auch sein Mandat im Erwerberbetrieb betroffen sein. aa) Betriebsratsmandat im Veräußererbetrieb Hinsichtlich des Schicksals des Betriebsratsmandats im Veräußererbetrieb besteht rechtliche Unsicherheit. Im Ausgang muss wohl zwischen einer sog. Abspaltung (Erhalt der Identität des Veräußererbetriebs) und einer sog. Aufspaltung (Verlust der Identität des Veräußererbetriebs) unterschieden werden. 1088 (1) Betriebsabspaltung Bei der Betriebsabspaltung ist anzunehmen, dass der Betriebsrat im Veräußererbetrieb grundsätzlich im Vollmandat weiterhin im Amt verbleibt.1089 Das BAG deutet in einer Entscheidung zum Gemeinschaftsbetrieb diesen Grundsatz an:1090 „Die Verringerung der Belegschaft und das Absinken der Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder unter die gesetzlich vorgeschriebene Zahl führten nicht zur Beendigung des Amts des Betriebsrats.“ Geht man davon aus, dass bei Wahrung der Betriebsidentität der Betriebsrat im Veräußererbetrieb sein Vollmandat behält, stellen sich Fragen zur Neuwahl nach § 13 BetrVG und zur Anzahl der Freistellungen. Neu zu wählen ist der Betriebsrat nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG allerdings erst, wenn die Zahl der Betriebsangehörigen um mehr als die Hälfte, mindestens aber um 50 gestiegen oder gesunken ist, und die letzte Betriebsratswahl nicht länger als 24 Monate zurückliegt. 1088 Fitting, § 21a BetrVG, Rn. 9a; Fuhlrott/Oltmanns, BB 2015, 1013. Fuhlrott/Oltmanns, BB 2015, 1013; indirekt auch LAG Düsseldorf v. 25.11.1997 – 8 Sa 1358/97. 1090 BAG v. 19.11.2003 – 7 AZR 11/03. 1089 370 Gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG muss eine außerplanmäßige Neuwahl auch erfolgen, wenn die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter die vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder sinkt. Bei der vorgeschriebenen Zahl kommt es auf die bei der Betriebsratswahl festgestellte Betriebsratsgröße an. Eine Neuwahl muss also auch dann erfolgen, wenn der personell reduzierte Betriebsrat der Staffel des § 9 BetrVG hinsichtlich der nun verringerten Belegschaft nach dem Betriebsteilübergang entspricht.1091 Werden die Schwellenwerte für die Freistellungen nach § 38 BetrVG unterschritten, kann die Anzahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder reduziert werden.1092 Das gilt auch dann, wenn der Betriebsrat ein Übergangsmandat für den Betriebsteil beim Erwerber hat. Die übergegangenen Arbeitnehmer zählen bei den Schwellenwerten im Veräußererbetrieb nicht mehr mit.1093 (2) Betriebsaufspaltung Es wird vertreten, dass bei einer Betriebsaufspaltung der Betriebsrat im Veräußererbetrieb i. d. R. für die verbleibende Einheit sein Mandat als Vollmandat verliert, weil er seine Betriebsidentität verliert.1094 Mit der BAG ist davon auszugehen, dass in einem solchen Fall der Anwendungsbereich des Restmandats gemäß § 21b BetrVG eröffnet ist. 1095 Das Landesarbeitsgericht Köln vertrat in einer zeitlich vorhergehenden Entscheidung dagegen die Auffassung, dass auch im verbleibenden Teil lediglich ein Übergangsmandat für den Betriebsrat besteht, welches nach 6 Monaten erlischt.1096 Das Mandat des Betriebsrates erlischt jedenfalls, wenn der verbleibende Betrieb so dezimiert wurde, dass dieser nach § 1, 4 BetrVG nicht mehr betriebsratsfähig ist.1097 bb) Betriebsratsmandat im Erwerberbetrieb Besteht beim Veräußerer ein Betriebsrat und ist ein Betriebsteil von einem Betriebsübergang betroffen, müssen für den Erwerberbetrieb ebenfalls die drei Grundkonstellationen unterschieden werden: Weiterführung als selbstständiger Betrieb Eingliederung des übernommenen Betriebes in den Erwerberbetrieb Zusammenführung mehrerer Betriebe (1) Weiterführung als selbstständiger Betrieb Wird ein Betriebsteil ausgegliedert und vom Erwerber als eigenständiger Betrieb weitergeführt, steht dem Betriebsrat des Veräußerers nach § 21a Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 BetrVG das Übergangsmandat zu.1098 Voraussetzung ist allerdings, dass der als selbstständiger Betrieb weitergeführte Betriebsteil nach § 1 Abs. 1 BetrVG betriebsratsfähig ist. 1091 ErfK-Koch, § 13 BetrVG, Rn. 5. Fuhlrott/Oltmanns, BB 2015, 1013. 1093 Maschmann, NZA Beilage 1/2009, 32. 1094 BAG v. 24.05.2012 – 2 AZR 62/11; HWK, § 613a BetrVG, Rn. 285. Thüsing, DB 2002, 738; Rieble, NZA 2002, 233; Feudner, DB 2003, 882; GK-BetrVG-Kreutz, § 21a BetrVG, Rn. 25. 1095 BAG v. 24.05.2012 – 2 AZR 62/11. 1096 LAG Köln v. 23.01.2004 – 12 Ta BV 64/03, n.v. 1097 Fuhlrott/Oltmanns, BB 2015, 1013; Fitting, § 21 BetrVG, Rn. 31. 1098 Fuhlrott/Oltmanns, BB 2015, 1013. 1092 371 Nicht betriebsratsfähig kann auch ein Betrieb sein, der nicht mehr dem Geltungsbereich des BetrVG unterfällt, z. B. weil er zu einem Betrieb nach § 118 Abs. 2 BetrVG wird oder im Bereich des öffentlichen Dienstes in einen anderen Betrieb eingegliedert wird.1099 Gerade bei der Ausgliederung eines Betriebsteils und dessen Weiterführung als selbstständiger Betrieb ist zu beachten, dass die Frage, welche Beteiligungsrechte dem Betriebsrat im Rahmen des Übergangsmandats zustehen, allein nach den Verhältnissen des neu entstandenen Betriebs zu beurteilen ist. Unterschreitet die Beschäftigtenzahl dieses Betriebs die in mehreren Beteiligungsrechten (insbesondere §§ 95 Abs. 3, 99 Abs. 1, 111 BetrVG) vorgesehenen Zahlengrenzen, besteht im Rahmen des Übergangsmandats kein Beteiligungsrecht.1100 Da diese Schwellenwerte zum Teil auch auf die Unternehmensgröße abstellen, ist gegebenenfalls zusätzlich auch die Struktur des Unternehmens beim Erwerbers zu beachten (z. B. § 111 BetrVG). (2) Eingliederung in den Betrieb des Erwerbers Wird der übernommene Betriebsteil in den Betrieb des Erwerbers im o. g. Sinne eingegliedert und besteht dort ein Betriebsrat, besteht kein Übergangsmandat des Betriebsrats des Veräußerers. Allein zuständig für die übergehenden Arbeitnehmer wird der Betriebsrat des Erwerbers. Die Eingliederung erfordert im Gegensatz zur Zusammenführung den Verlust der Betriebsidentität des Veräußererbetriebsteils.1101 Praxishinweis: (Außerplanmäßige) Neuwahlen muss dieser nur einleiten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere die des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, erfüllt sind. Bei der Eingliederung eines Betriebsteils in einen betriebsratslosen Erwerberbetrieb ist ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG gegeben: „führt die Geschäfte für … Betriebsteile weiter, soweit sie … nicht in einen Betrieb eingegliedert werden, in dem ein Betriebsrat besteht“. Ebenso wie bei der Eingliederung eines ganzen Betriebes in einen betriebsratslosen Betrieb des Erwerbers besteht jedoch auch bei der Eingliederung eines Betriebsteils in einen betriebsratslosen Betrieb des Erwerbers die Frage, in welchem Umfang dem Betriebsrat des Veräußerers ein Übergangsmandat zusteht. Umstritten ist auch hier, ob sich dieses Übergangsmandat auf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse beschränkt1102 oder ob es auch die Arbeitsverhältnisse der beim betriebsratslosen Erwerber bereits vor dem Betriebsübergang beschäftigten Arbeitnehmer erfasst.1103 Praxishinweis: Angesichts dieser ungeklärten Rechtslage muss der Erwerber, in dessen Betrieb es bislang keinen Betriebsrat gab, nicht nur damit rechnen, dass bei ihm ein Betriebsrat gewählt wird, sondern er hat vor allem das Problem, dass er den Betriebsrat des übernommenen Betriebes u. U. auch bei den Angelegenheiten beteiligen muss, die die schon bisher bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer betreffen. Dies gilt vor allem für die Beteiligung in personellen Angelegenheiten und hierbei für die Anhörungspflicht des § 102 Abs. 1 BetrVG vor dem Ausspruch etwaiger Kündigungen. 1099 Rieble, NZA 2002, 233. Rieble, NZA 2002, 233; Worzalla in H/W/G/N/R/H, § 21a BetrVG, Rn. 30. 1101 LAG Hessen v. 23.10.2008 – 9 TaBV 155/08; LAG Düsseldorf v. 22.10.2008 – 7 TaBV 85/08. 1102 Worzalla in H/W/G/N/R/H, § 21a BetrVG, Rn. 9. 1103 Fitting, § 21a BertrVG, Rn. 23; Schulze, ArbRAktuell 2013, 413; LAG Hessen v. 26.11.2009 – 9/5 TaBVGa 226/09. 1100 372 Das Unwirksamkeitsrisiko kann der Erwerber hier nur vermeiden, wenn er nach dem Betriebsübergang den Betriebsrat des übergehenden Betriebs gemäß den gesetzlichen Vorschriften auch dann beteiligt, wenn es um Angelegenheiten der schon bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer geht. Zudem besteht die Gefahr, dass Betriebsinterna des Erwerbers einem fremden Betriebsrat, u. U. sogar einem Wettbewerber, bekannt werden; auch wenn die Reichweite des Übergangsmandats inhaltlich beschränkt sein kann und zeitlich begrenzt ist. Will der Erwerber dieses Risiko vollständig vermeiden, bleibt ihm letztlich nur, den übernommenen Betrieb nicht einzugliedern, sondern als eigenständigen Betrieb weiterzuführen. Dann bleibt sein bisheriger Betrieb betriebsratslos. (3) Zusammenführung mehrerer Betriebsteile Werden mehrere Betriebsteile zu einem neuen Betrieb zusammengeführt, sodass in beiden Betrieben die Betriebsidentität verloren geht, erhält nach § 21a Abs. 2 BetrVG der Betriebsrat des nach Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größten Betriebes oder Betriebsteils das Übergangsmandat. Auch insoweit ist zu beachten, dass der Betriebsrat eines Veräußererbetriebes die gesetzlichen Beteiligungsrechte im (neuen) Erwerberbetrieb wahrnehmen kann. Praxishinweis: Wie bereits oben dargestellt, kann dieses Übergangsmandat im größten Betrieb für den Erwerber zur Folge haben, dass er bis zum Amtsantritt eines neuen, bei ihm gewählten Betriebsrats in allen beteiligungspflichtigen Angelegenheiten den Betriebsrat des Veräußerers beteiligen muss. Er muss daher auch, wenn er – normativ weitergeltende – Betriebsvereinbarungen kündigen will, diese Kündigung gegenüber dem Betriebsrat aussprechen, der das Übergangsmandat wahrnimmt. Wenn der Erwerber sukzessive Betriebe bzw. Betriebsteile zusammenführt, können – je nach Größe der Betriebe bzw. Betriebsteile – verschiedene Übergangsmandate aufeinanderfolgen. Beispiel: Der Unternehmer führt zunächst zwei Betriebsteile aus zwei seiner Betriebe zusammen. Der erste Betriebsteil verfügt über 100 Arbeitnehmer, der zweite über 200 Arbeitnehmer. Damit nimmt der Betriebsrat des zweiten Betriebsteils das Übergangsmandat wahr. Wenn der Unternehmer jedoch danach einen dritten Betrieb oder Betriebsteil mit 250 Arbeitnehmern anfügt, stellt sich die Frage, ob dann dem in diesem (Ursprungs-)Betrieb bestehenden Betriebsrat das Übergangsmandat zusteht, ob er also den zweiten Betriebsrat (ggf. noch mit Übergangsmandat) ablöst. Die damit verbundenen Fragen sind weitgehend ungeklärt und vom Gesetzgeber im Rahmen des § 21a BetrVG auch nicht bedacht worden. Geht man vom Wortlaut des Gesetzes aus, wird man wohl in der Tat davon ausgehen müssen, dass in diesem Fall ein zweites (sechsmonatiges) Übergangsmandat nach § 21a Abs. 2 BetrVG entsteht, das erste also verdrängt wird. Zum Teil wird allerdings vertreten, dass der Sechsmonatszeitraum von Beginn des ersten Übergangsmandats zu bemessen ist.1104 Dies dürfte mit dem Wortlaut des § 21a BetrVG nicht vereinbar und kaum praktikabel sein. Die Durchführung der Betriebsratswahl nimmt im normalen Wahlverfahren mindestens zehn Wochen (§ 16 Abs. 1 S. 1 BetrVG) in Anspruch. 1104 Rieble, NZA 2002, 233. 373 Dies hat vor allem zur Konsequenz, dass eventuell bereits eingeleitete Betriebsratswahlen abgebrochen werden müssen und ein neues Wahlverfahren eingeleitet werden muss.1105 Allerdings kann diese Folge auch dann eintreten, wenn das Übergangsmandat des ersten Betriebsrates erhalten bleibt. Zusammenfassender Überblick Betriebsratsmandat im übernommenen Betrieb - Übergang eines Betriebsteils - Fortführung als eigenständiger Betrieb Übergangsmandat für Betriebsrat des übernommenen Betriebs § 21 a BetrVG Eingliederung Betriebsrat beim Erwerber Kein Betriebsrat beim Erwerber Amts-/ Mandatsverlust Übergangsmandat für Betriebsrat des übernommenen Betriebs § 21a BetrVG Zusammenführung Übergangsmandat für Betriebsrat des „größten“ (wahlberechtigte Arbeitnehmer) Betriebs § 21 a BetrVG (4) Sonderfall: Betriebsaufspaltung führt zum gemeinsamen Betrieb Ein Sonderfall liegt bei einer Betriebsaufspaltung vor, bei der zwar ein Betriebsteil auf einen neuen Unternehmensträger übergeht, die tatsächlichen Verhältnisse davon jedoch im Wesentlichen unberührt bleiben, der Betrieb also weiter besteht. In diesem Fall ist für ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG kein Raum; vielmehr bleibt der bisherige Betriebsrat unverändert im Amt1106, da der Betrieb dann zu einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen wird, für den ein Betriebsrat zu bilden ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).1107 Damit ändert sich faktisch für den Betriebsrat nichts. Insbesondere steht ihm nicht das Recht zu, Neuwahlen einzuleiten. 1105 Rieble, NZA 2002, 233. Fuhlrott/Oltmanns, BB 2015, 1013; Moderegger, ArbRB 2011, 281. 1107 BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 494/99, NZA 2001, 321; Rieble NZA 2002, 233; Worzalla in H/W/G/N/R/H, § 21a BetrVG, Rn. 12; ArbG Hamburg 13.06.2006 – 19 BV 16/06. 1106 374 vorher A-GmbH Produktion nachher Verwaltung Unverändert: einheitlicher Leitungsapparat B-GmbH A-GmbH Produktion Verwaltung Praxishinweis: In diesem Zusammenhang ist die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG zu beachten, wonach ein gemeinsamer Betrieb vermutet wird, wenn die Spaltung eines Unternehmens ohne wesentliche Änderung der Organisation des betroffenen Betriebes erfolgt. e) Übergang von Kleinbetrieben/Betrieben gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Werden Betriebe veräußert, die bislang nach § 4 BetrVG dem Hauptbetrieb zugeordnet waren, gelten für das Übergangsmandat keine Besonderheiten. Dies bedeutet: Wird ein nicht betriebsratsfähiger Kleinbetrieb i. S. d. § 4 Abs. 2 BetrVG veräußert, wird ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG nicht in Betracht kommen, da dieser Kleinbetrieb ja auch nach dem Betriebsübergang nicht betriebsratsfähig ist; auch wenn er vorher beim Hauptbetrieb mitgewählt hat. Die Hauptaufgabe des Übergangsmandats (Einleitung einer Betriebsratswahl) kann nicht erfüllt werden. Wird hingegen ein betriebsratsfähiger Betrieb bzw. Betriebsteil i. S. d. § 4 Abs. 1 BetrVG, für den bisher der Betriebsrat des Hauptbetriebes zuständig war, auf einen anderen Unternehmensträger übertragen, gelten u. E. die allgemeinen Regelungen zum Übergangsmandat. Der Betriebsrat des Hauptbetriebes nimmt daher gemäß § 21a BetrVG das Übergangsmandat wahr, es sei denn, der übertragene Betrieb oder Betriebsteil wird in den Betrieb des Erwerbers, in dem ein Betriebsrat besteht, eingegliedert. f) Sonderfall: Regelungen gemäß § 3 BetrVG Nach § 3 BetrVG können insbesondere unternehmenseinheitliche Betriebsräte gebildet werden durch Tarifvertrag (§ 3 Abs. 1 BetrVG), Betriebsvereinbarung (§ 3 Abs. 2 BetrVG) oder Beschluss der Arbeitnehmer (§ 3 Abs. 3 BetrVG). Mit einer solchen Regelung kann von den ansonsten zwingenden Organisationsbestimmungen des Betriebsverfassungsrechts abgewichen werden. 375 aa) Regelung nach § 3 BetrVG im Erwerberbetrieb Wird ein Betrieb mit einem Betriebsrat in einen Betrieb des Erwerbers eingegliedert, so gilt wie bei jeder anderen Eingliederung auch, dass der zuständige Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs – hier nach § 3 BetrVG – Funktionsnachfolger wird.1108 Das hat das LAG Köln zumindest für den Fall entschieden, dass der Zuordnungstarifvertrag die Möglichkeit einer Eingliederung regelt.1109 Das Betriebsratsmandat des Veräußererbetriebsrates endet mit der Eingliederung. bb) Regelung nach § 3 BetrVG im Veräußererbetrieb Besteht in einem zu veräußernden Unternehmen eine Regelung nach § 3 BetrVG, stellen sich zwei Fragen: Geht die Regelung auf den Erwerber über? Bleibt die Amtsstellung des Betriebsrates unberührt oder entsteht ggf. ein Übergangsmandat? Für die Beantwortung der ersten Frage muss zwischen dem Tarifvertrag und der Betriebsvereinbarung auf der einen und dem Beschluss der Arbeitnehmer auf der anderen Seite unterschieden werden. Das Problem des Übergangs auf den Erwerber ist zudem verknüpft mit der zweiten Frage, da es hier um die Kontinuität der betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung geht. Es ist zwischen der Veräußerung eines gesamten Unternehmens oder einzelner Betriebe bzw. Betriebsteile zu trennen. (1) Veräußerung eines gesamten Unternehmens mit mehreren Betrieben Wird ein gesamtes Unternehmen mit mehreren Betrieben veräußert, für die eine Regelung nach § 3 BetrVG besteht, ist im Ergebnis hinsichtlich der betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung kein Raum für ein Übergangsmandat, da sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht ändern und daher der bzw. die Betriebsräte – ebenso wie beim Übergang und der Weiterführung des gesamten Betriebes – im Amt bleiben.1110 Problematisch ist in diesem Fall allerdings, dass Vereinbarungen nach § 3 Abs. 1 und 2 BetrVG jedenfalls bei der Einzelrechtsnachfolge nicht kraft gesetzlicher Anordnung auf den Erwerber übergehen, sodass entsprechenden betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen ohne eine tarifvertragliche Regelung über die Weitergeltung der zugrunde liegenden Vereinbarung „der Boden entzogen“ wird. Wie diese Problematik zu lösen ist, ist derzeit ungeklärt. Denkbar wären: Außerplanmäßige Neuwahlen: Das Entfallen der Rechtsgrundlage müsste eigentlich zu (außerplanmäßigen) Neuwahlen führen; dies ist allerdings in § 13 BetrVG nicht ausdrücklich vorgesehen; gegebenenfalls kann § 13 Abs. 3 Nr. 6 eine Rechtsgrundlage bilden. Fortgeltung der Vereinbarung: o zeitlich unbefristet: Der zugrunde liegenden Kollektivvereinbarung könnte Wirkung über den Betriebsübergang hinaus zugemessen werden. o zeitlich befristet bis zum Ablauf der regulären Amtszeit des Betriebsrates: Schließlich könnte man noch daran denken, die Kollektivvereinbarung für die verbleibende Amtszeit des Betriebsrates als maßgebend anzusehen und erst bei den turnusmäßigen Betriebsratswahlen wieder zu den gesetzlichen Regelungen zurückzukehren. 1108 Salomon, ArBRAktuell 2013, 638; BAG v. 24.01.2001 – 4 ABR 4/00. LAG Köln v. 18.12.2012 – 7 TaBV 44/12. 1110 Däubler, DB 2005, 666. 1109 376 Gibt es hingegen einen Beschluss der Arbeitnehmer entsprechend § 3 Abs. 3 BetrVG, besteht zwar keine Vereinbarung, die auf den Erwerber übergeht. Die Entscheidung der Arbeitnehmer ist allerdings von diesen für diese Unternehmensstruktur getroffen worden und an das Unternehmen als Veräußerungsobjekt gebunden. Das Unternehmen als Anknüpfungspunkt für diesen Beschluss besteht weiter. Der Beschluss zur Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates muss nach Ablauf der Amtszeit auch nicht wiederholt werden1111. Der Beschluss der Arbeitnehmer für „ihr“ Unternehmen gilt deshalb auch gegenüber dem Erwerber. Für den Fall der Verschmelzung wird in der Literatur die Transformation einer solchen Regelung in allen drei Varianten des § 3 BetrVG verneint, da der Anknüpfungspunkt „Unternehmen“ durch die Eintragung erlösche.1112 Praxishinweis: Die Frage ist für den Erwerber deshalb relevant, weil er ohne eine sichere Rechtsgrundlage für die auf der Grundlage des § 3 BetrVG gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Vertretungen nicht mit Gewissheit davon ausgehen kann, dass die mit diesen Organen abgeschlossenen (Betriebs-)Vereinbarungen rechtswirksam sind. In solchen Fallgestaltungen sollte daher bereits vor sowie ggf. nach dem Betriebsübergang mit der tarifzuständigen Gewerkschaft oder dem Betriebsrat geklärt werden, wie sich die betriebsverfassungsrechtlichen Vertretungen nach dem Übergang des Unternehmens bzw. der Betriebe zusammensetzen sollen. Es dürfte für den Erwerber dabei häufig die günstigste Lösung sein, wenn er – zumindest bis zum Zeitpunkt der nächsten turnusmäßigen Neuwahlen – die Vereinbarung nach § 3 BetrVG im Wege eines dreiseitigen Vertrages übernimmt, da in diesem Fall die Rechtwirksamkeit der mit der betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung abgeschlossenen (Betriebs-)Vereinbarungen gesichert sein dürfte. Hier sollte die Unterstützung des Verbandes in Anspruch genommen werden. (2) Übergang einzelner Betriebe oder Betriebsteile Anders sieht die Rechtslage aus, wenn aus einem Unternehmen, das eine Vereinbarung nach § 3 BetrVG abgeschlossen hat, einzelne Betriebe oder Betriebsteile herausgelöst werden und auf einen Erwerber übertragen werden. Dies dürfte nicht anders als die anderen Fälle des Betriebsübergangs zu beurteilen sein. Wird der übergehende Betrieb oder Betriebsteil durch den Betriebsübergang betriebsratslos, nimmt der bisherige Betriebsrat unter den Voraussetzungen des § 21a BetrVG das Übergangsmandat wahr. Wird der übergehende Betrieb oder Betriebsteil in den Betrieb des Erwerbers eingegliedert, in dem ein Betriebsrat besteht, ist hingegen für ein Übergangsmandat kein Raum.1113 Beispiel: Der nicht tarifgebundene Veräußerer ist Inhaber eines Unternehmens, das insgesamt 10 Filialbetriebe hat. Er hat mit dem Betriebsrat vereinbart, dass gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 a) BetrVG ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gebildet wird. Er veräußert nunmehr eine seiner Filialen an den Erwerber. Eine Eingliederung im Erwerberbetrieb erfolgt nicht. Der unternehmenseinheitliche Betriebsrat nimmt für die übergehenden Arbeitnehmer das Übergangsmandat wahr, wenn die übergehende Filiale betriebratsfähig ist. 1111 ErfK-Eisemann/Koch, § 3 BetrVG, Rn.10. Trappehl/Zimmer, BB 2008, 778. 1113 Rieble, NZA 2002, 233. 1112 377 2. Gesamtbetriebsrat (GBR) Welche Auswirkungen der Übergang eines oder mehrerer Betriebe oder auch eines gesamten Unternehmens auf den Bestand und/oder die Zusammensetzung eines beim Veräußerer oder beim Erwerber bestehenden Gesamtbetriebsrats hat, wird nur selten thematisiert.1114 Auch die §§ 47 ff. BetrVG selbst enthalten kaum Anhaltspunkte, wie die daraus resultierenden Probleme zu lösen sind. § 49 BetrVG regelt lediglich, wann die Mitgliedschaft eines einzelnen Gesamtbetriebratsmitglieds im Gesamtbetriebsrat erlischt, sagt aber nichts darüber aus, wie sich die Herauslösung eines oder mehrerer Betriebe aus einem Unternehmen auf den Bestand des Gesamtbetriebsrats auswirkt. § 21a BetrVG gilt weder für den Gesamtnoch für den Konzernbetriebsrat. a) Betriebsübergang eines oder mehrerer Betriebe aa) Gesamtbetriebsrat beim Veräußerer Der beim Veräußerer bestehende Gesamtbetriebsrat existiert auch nach den Betriebsübergängen fort, solange mindestens zwei Betriebe mit je einem Betriebsrat vorhanden sind. 1115 Die Betriebsräte der übergehenden Betriebe scheiden mit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs aus dem Gesamtbetriebsrat des veräußernden Unternehmens aus. Der Gesamtbetriebsrat verliert seine Zuständigkeit für die übertragenen Betriebe.1116 Wenn allerdings – das gilt vor allem für sog. Aufspaltungen nach § 123 Abs. 1 UmwG – der übertragende Rechtsträger untergeht bzw. nach dem Betriebsübergang erlischt oder der Veräußerer nach dem Betriebsübergang nur noch Inhaber eines einzelnen Betriebes ist, dann geht auch der zu diesem Unternehmen gehörende Gesamtbetriebsrat unter.1117 bb) Situation beim Erwerber Im Erwerberbetrieb muss gegebenenfalls erstmals überhaupt ein Gesamtbetriebsrat oder ein erweiterter Gesamtbetriebsrat errichtet werden.1118 Drei Konstellationen sind bei unveränderter Fortführung des erworbenen Betriebes / der erworbenen Betriebe denkbar: Bestand das Unternehmen des Erwerbers bislang nur aus einem Betrieb mit Betriebsrat, so ist erstmals ein Gesamtbetriebsrat zu bilden. (§ 47 Abs. 1 BetrVG) Bestand das Unternehmen des Erwerbers bereits aus mehreren Betrieben mit Betriebsräten, so ist der dort vorhandene Gesamtbetriebsrat zu erweitern. Sofern beim Erwerber (noch) kein Gesamtbetriebsrat bestand, da dieser entweder betriebslos oder betriebsratslos war, wird die Frage aufgeworfen, ob nicht auch der Gesamtbetriebsrat des Veräußerers beim Erwerber einfach fortbestehen kann. Das BAG hatte bislang nur einmal über die Frage zu entscheiden, ob ein Gesamtbetriebsrat als solcher nach dem Übergang mehrerer Betriebe eines Unternehmens im Erwerberbetrieb fortbesteht.1119 1114 Willemsen, Teil D, Rn. 97. Fuhlrott/Oltmanns, BB 2015, 1017. 1116 BAG v. 05.06.2002 – 7 ABR 17/01; Fuhlrott/Oltmanns, BB 2015, 1013. 1117 Für die erstgenannte Alternative: Willemsen, Teil D, Rn. 110; für die zweitgenannte Alternative: ArbG Bielefeld v. 02.04.2008 – 6 BV 16/08; Fitting, § 47 BetrVG, Rn. 18. 1118 BAG v. 05.06.2002 – 7 ABR 17/01. 1119 BAG v. 05.06.2002 – 7 ABR 17/01, NZA 2003, 336. 1115 378 Es hat ausdrücklich ausgeführt, der Fortbestand eines Veräußerer-Gesamtbetriebsrats im Erwerberbetrieb komme nicht in Betracht, wenn nicht sämtliche Betriebe eines Unternehmens auf einen neuen Inhaber übertragen werden oder das übernehmende Unternehmen bereits einen oder mehrere Betriebe hat und sich die betrieblichen Strukturen im übernehmenden Unternehmen durch Integration der neuen Betriebe in das Unternehmen entsprechend änderten. Offengelassen hat es, ob der Gesamtbetriebsrat fortbesteht, wenn ein neuer Unternehmer alle Betriebe des alten Unternehmens übernimmt und die Betriebsidentität aller Betriebe erhalten bleibt. Für eine Fortführung werden in der Literatur gute Argumente aufgeführt, zumindest für die Fälle, in denen ein bislang arbeitnehmerloser Erwerberbetrieb vorliegt.1120 Hieraus folgt: Wird ein gesamtes Unternehmen mit allen dazugehörenden Betrieben von einem Erwerber, der bisher keinen Betrieb hatte, übernommen und im Wesentlichen unverändert fortgeführt, spricht einiges dafür, dass nicht nur die in den Betrieben bestehenden Betriebsräte im Amt bleiben und sich an ihrer Rechtsstellung nichts ändert, sondern auch, dass der Gesamtbetriebsrat in der vor den Betriebsübergängen bestehenden Zusammensetzung im Amt bleibt. Der Gesamtbetriebsrat ist dann kein für das Unternehmen gebildetes Gremium, sondern ein auf der Ebene des Unternehmens angesiedeltes Gremium.1121 Sollte beim Erwerber bereits ein Gesamtbetriebsrat vorhanden sein, werden Mitglieder der Einzelbetriebsräte der übergehenden Betriebe in den beim Erwerber bestehenden Gesamtbetriebsrat nach Maßgabe des § 47 Abs. 2 BetrVG entsandt.1122 Das gilt auch dann, wenn der Erwerber keinen ganzen Betrieb, sondern einen betriebsratsfähigen Betriebsteil vom Veräußerer erwirbt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine Entsendung in den Gesamtbetriebsrat bzw. die Neubildung eines Gesamtbetriebsrats auch beim Vorliegen eines Übergangsmandats nach § 21a BetrVG möglich sein dürfte.1123 1120 Fuhlrott/Oltmanns, BB 2015, 1013 m. w. N. Willemsen, Teil D, Rn. 101. 1122 BAG v. 16.03.2005 – 7 ABR 37/04, NZA 2005, 1069. 1123 Glock in H/W/G/N/R/H, § 47 BetrVG, Rn. 13. 1121 379 Zusammenfassender Überblick Betriebsratsmandat Gesamtbetriebsrat Gesamtbetriebsrat im Veräußererunternehmen Gesamtbetriebsrat im Erwerberunternehmen i. Ü. bleibt Unternehmen erhalten Untergang des übertragenden Rechtsträgers oder Verbleib nur eines Betriebes Kein Gesamtbetriebsrat beim Erwerber Gesamtbetriebsrat beim Erwerber Gesamtbetriebsrat bleibt bestehen, ggf. scheiden Betriebsräte des übernommenen Betriebes aus Mandats-/ Amtsverlust Bildung eines Gesamtbetriebsrats, wenn Unternehmen entsteht § 47 BetrVG Gesamtbetriebsrat erlangt Zuständigkeit, ggf. Erweiterung um Betriebsräte im übernommenen Betrieb Praxishinweis: Beim Vorliegen eines Übergangsmandats besteht daher – wenn auch nur kurzfristig – die Gefahr, dass Mitglieder eines fremden, nämlich des beim Veräußerer bestehenden Betriebsrats, in den beim Erwerber bestehenden Gesamtbetriebsrat entsandt werden. Auch deshalb sollte der Erwerber im eigenen Interesse möglichst schnell auf die Bildung eines eigenen Betriebsrats drängen. b) Entstehung eines Gemeinschaftsbetriebs Sollte durch eine Umstrukturierung ein gemeinschaftlicher Betrieb zweier Unternehmen entstehen, ist zusätzlich zu beachten, dass der für diesen Betrieb zuständige Betriebsrat eventuell Mitglieder in die Gesamtbetriebsräte beider Unternehmen entsenden kann. Aufgrund der Neufassung des § 47 Abs. 9 BetrVG geht das BAG nunmehr davon aus, dass auch der Betriebsrat eines Gemeinschaftsbetriebes Mitglieder in die Gesamtbetriebsräte der Trägerunternehmen entsendet. 1124 Umstritten ist jedoch weiterhin die Frage, ob auch unternehmensfremde Betriebsratsmitglieder dem Gesamtbetriebsrat des jeweils anderen Trägerunternehmens angehören können.1125 c) Sonderfall: Betriebsaufspaltung Einen Sonderfall stellt die sog. Betriebsaufspaltung (meist in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft) dar, bei der i. d. R. ein Betriebsteil auf einen neuen Unternehmensträger (Besitz- oder Betriebsgesellschaft) übertragen wird und damit sozusagen aus einem Betrieb zwei Betriebe werden. Ein Gesamtbetriebsrat ist hier jedoch i. d. R. nicht zu bilden: Ist die Besitzgesellschaft eine arbeitnehmerlose Gesellschaft, stellen sich schon allein aus diesem Grund keine betriebsratsrelevanten Fragen. 1124 1125 BAG 13.02.2007 – 1 AZR 184/06, NZA 2007, 825. Willemsen, Teil D, Rn. 117. 380 Besteht der Betrieb, so wie er schon bisher existiert hat, im Wesentlichen unverändert fort, liegt – nicht zuletzt wegen der Vermutung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG – ein gemeinsamer Betrieb zweier Unternehmen vor, für den nur ein Betriebsrat zu bilden ist bzw. für den der bisher schon zuständige Betriebsrat im Amt bleibt. Für den Gesamtbetriebsrat fehlt es zudem am einheitlichen Unternehmensträger, da der übertragene Betriebsteil abgetrennt und als eigener Betrieb bei einem anderen Unternehmensträger weitergeführt wird. Durch die Betriebsaufspaltung entstehen zwei verschiedene Gesellschaften. Die Bildung eines Gesamtbetriebsrats ist ausgeschlossen.1126 Möglich ist in diesem Fall allerdings die Bildung eines Konzernbetriebsrats, wenn der bzw. die Gesellschafter beider Gesellschaften als herrschendes Unternehmen i. S. v. § 54 Abs. 1 BetrVG i. V. m. § 18 AktG anzusehen sind. 3. Konzernbetriebsrat Für den Konzernbetriebsrat dürfte sich die Rechtslage ähnlich darstellen wie beim Gesamtbetriebsrat.1127 a) beim Veräußerer Dies bedeutet für den Veräußerer zunächst, dass weder der Übergang eines Betriebes/Betriebsteils noch der eines gesamten Unternehmens (evtl. mit mehreren Betrieben) am Bestand des beim Veräußerer gebildeten Konzernbetriebsrats etwas ändert, sofern zumindest zwei Unternehmen im Konzern verbleiben. Darüber hinaus wird die Frage, ob sich an Bestand oder Zusammensetzung eines Konzernbetriebsrats etwas ändert, ohnehin nur dann relevant, wenn ein gesamtes (Konzern-)Unternehmen veräußert wird. Gegebenenfalls erlischt die Mitgliedschaft eines Konzernbetriebsratsmitglieds, wenn die Mitgliedschaft im Gesamtbetriebsrat durch die Veräußerung des Betriebs(teils) deshalb endet, weil der Mandatsträger von dem Betriebsübergang betroffen ist.1128 Konzern mit 3 Unternehmen Konzernbetriebsrat Unternehmen mit 3 Betrieben Unternehmen mit 4 Betrieben Gesamtbetriebsrat Gesamtbetriebsrat Betriebsrat Betriebsrat Betriebsrat Betriebsrat Betriebsrat Unternehmen mit 2 Betrieben Betriebsrat Betriebsrat Gesamtbetriebsrat Betriebsrat Betriebsrat 1126 BAG v. 05.12.1975 – 1 ABR 8/74, DB 1976, 588. Fuhlrott/Oltmanns, BB 2015, 1013. 1128 Fuhlrott/Oltmanns, BB 2015, 1013. 1127 381 Veräußert ein Konzernunternehmen lediglich einen Betrieb oder Betriebsteil, hat dies auf die Zusammensetzung des Konzernbetriebsrates keine Auswirkung, da nach wie vor der Gesamtbetriebsrat des Veräußererunternehmens Mitglieder in den Konzernbetriebsrat entsendet. In Ausnahmefällen – wenn ein Unternehmen nach Veräußerung nur noch einen Betrieb hat – tritt der dann dort bestehende Betriebsrat gemäß § 54 Abs. 2 BetrVG an die Stelle des bisherigen Gesamtbetriebsrats. b) beim Erwerber Für den Erwerber gilt spiegelbildlich das Gleiche: Ein bei ihm bereits bestehender Konzernbetriebsrat ändert seine Zusammensetzung nur, wenn ein weiteres (Konzern-)Unternehmen dazukommt und der dort bestehende Gesamtbetriebsrat (evtl. auch in den Fällen des § 54 Abs. 2 BetrVG der Betriebsrat) neue Mitglieder in den Konzernbetriebsrat entsendet. Ggf. kommt auch erst nach Erwerb des Unternehmens erstmalig die Bildung eines Konzernbetriebsrats in Betracht. Anders als die Bildung des Gesamtbetriebsrats (§ 47 Abs. 1 BetrVG) ist die Bildung des Konzernbetriebsrats jedoch nicht obligatorisch, sondern hängt vom Willen der beteiligten (Gesamt-)Betriebsräte ab (§ 54 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Dagegen ändert sich i. d. R. nichts, wenn der Erwerber lediglich einen Betrieb oder Betriebsteil erwirbt und kein neues Konzernunternehmen gründet, sondern den erworbenen Betrieb/Betriebsteil in ein bestehendes Unternehmen integriert. In diesem Fall ändert sich die Zahl der Konzernunternehmen nicht, sodass sich auch an der Zusammensetzung des Konzernbetriebsrats nichts ändert. Kaum vorstellbar ist es im Übrigen, dass ein Konzernbetriebsrat insgesamt bei einem neuen Inhaber fortbesteht. Dies dürfte in Anlehnung an die Entscheidung des BAG zum Fortbestand eines Gesamtbetriebsrats1129 allenfalls dann der Fall sein, wenn ein gesamter Konzern (einschließlich aller dazugehöriger Konzernunternehmen) veräußert wird und der Konzern insgesamt in seiner Struktur unverändert bleibt. II. Beteiligungsrechte in Zusammenhang mit einem Betriebs(teil)übergang Gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG hat der Betriebsrat einen allgemeinen Informationsanspruch. Er ist rechtzeitig und umfassend zu informieren, soweit es zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist. Dafür ist es ausreichend, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Mitbestimmungsrecht besteht.1130 Praxishinweis: Unabhängig von der konkreten Prüfung von Mitbestimmungstatbeständen ist in der Regel eine frühzeitige und umfassende Einbindung des Betriebsrates empfehlenswert. 1. Interessenausgleichs- und Sozialplanpflicht – §§ 111 ff. BetrVG a) Grundsatz Ob ein Betriebs(teil)übergang die Beteiligungsrechte nach den §§ 111 ff. BetrVG und dabei insbesondere die Sozialplanpflicht auslöst, hängt zentral davon ab, ob eine Betriebsänderung i. S. v. § 111 BetrVG vorliegt. 1129 1130 BAG v. 05.06.2002 – 7 ABR 17/01, NZA 2003, 336. BAG v. 15.12.1998 – 1 ABR 9/98, NZA 1999, 722. 382 Praxishinweis: Für den Schwellenwert in § 111 S. 1 BetrVG (20 wahlberechtigte Arbeitnehmer) ist seit 2001 die Größe des Unternehmens maßgeblich. Für die Beurteilung einer Betriebsänderung nach § 111 S. 3 BetrVG ist wieder auf die Betriebsebene zu wechseln. Zudem ist für diese Frage der Zeitpunkt der geplanten Umstrukturierung wesentlich. Eine nach dem Betriebsübergang geplante Umstrukturierung ist mit dem Betriebsrat des Erwerberbetriebes zu verhandeln.1131 b) Sonderprobleme Im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ergeben sich im Hinblick auf § 111 BetrVG einige Sonderprobleme, die im Folgenden dargestellt werden. aa) Betriebsübergang gleich Betriebsänderung? Nach einer inzwischen ständig verwendeten Formel stellt ein Betriebsübergang für sich genommen keine Betriebsänderung dar.1132 Eine Betriebsänderung kann jedoch vorliegen, wenn mit einem Betriebs(teil)übergang weitere bzw. andere Maßnahmen des Arbeitgebers verbunden sind, die den Tatbestand des § 111 BetrVG erfüllen.1133 bb) Spaltung eines Betriebs nach § 111 Nr. 3 BetrVG Wird ein Betriebsteil ausgegliedert und übertragen, ist seit der Neufassung des § 111 Nr. 3 BetrVG zu beachten, dass die Ausgliederung und Übertragung eines Betriebsteils regelmäßig den Begriff der Spaltung erfüllt und damit eine Betriebsänderung darstellt.1134 § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG setzt die Spaltung von Betrieben und nicht von Unternehmen voraus. Eine Aufspaltung, die nur den bzw. die Unternehmensträger betrifft, die tatsächlichen organisatorischen Verhältnisse aber unverändert lässt, stellt keine Betriebsänderung dar. Der Betrieb wird dann nur zu einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG). Praxishinweis: Daraus folgt als Faustformel, dass eine Betriebsänderung i. d. R. dann vorliegt, wenn ein Betriebsteil übertragen wird, während sie durchweg ausscheidet, wenn – ohne weitere organisatorische Maßnahmen – ein gesamter Betrieb übertragen wird. (1) Besitz- und Produktionsgesellschaft Diskutiert wird, ob eine Betriebsänderung i. S. v. § 111 Nr. 3 BetrVG auch gegeben ist, wenn eine Aufspaltung in eine Besitz- und eine Produktionsgesellschaft erfolgt und die Arbeitsverhältnisse aller Beschäftigten in die Produktionsgesellschaft übergehen.1135 Der Betrieb zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke bleibt dabei unangetastet.1136 Zur Rechtslage vor der Neufassung des § 111 Nr. 3 BetrVG 1995 hat das BAG 1137 die Auffassung vertreten, dass die Aufspaltung eines Unternehmens in je eine rechtlich selbstständige Besitz- und Betriebsgesellschaft der Art, dass die Betriebsgesellschaft die Betriebsmittel von der Besitzgesellschaft pachtet und die Arbeitnehmer übernimmt, keine Betriebsänderung 1131 Meyer, NZA-RR 2013, 225. BAG vom 31.01.2008 - 8 AZR 1116/06, NZA 2008, 642, LAG Hamm v. 16.06.2008 – 10 TaBV 59/08, n.v. 1133 st. Rspr. seit BAG v. 04.12.1979 – 1 AZR 843/76, DB 1980, 743. 1134 BAG v. 10.12.1996 – 1 ABR 32/96, NZA 1997, 898. 1135 Hess in H/W/G/N/R/H, § 111 BetrVG, Rn. 151 f. 1136 Henssler, NZA 1994, 294. 1137 BAG v. 17.02.1981 – 1 ABR 101/78, DB 1981, 1190. 1132 383 im Sinne von § 111 BetrVG sei. Der damit verbundenen möglichen Gefährdung künftiger Ansprüche der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer könne nicht mit Mitteln des Betriebsverfassungsgesetzes begegnet werden. Im Ergebnis dürfte der neu eingefügte § 111 Nr. 3 BetrVG zu keiner anderen Bewertung führen. Im Vergleich zum Wortlaut des § 106 Abs. 3 Nr. 8 BetrVG verlangt § 111 BetrVG eine Betriebsspaltung. Eine Unternehmensspaltung reicht nicht aus.1138 Erst wenn mit einer Unternehmensspaltung auch eine Abspaltung oder Ausgliederung von Betriebsteilen verbunden ist, so erfüllt die Unternehmensspaltung auch die Voraussetzungen einer Betriebsänderung nach § 111 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG. Praxishinweis: Die Gefährdung künftiger Ansprüche der Arbeitnehmer ist durch § 134 UmwG in der Praxis kaum noch gegeben. Danach haftet die Besitzgesellschaft für alle Ansprüche nach den §§ 111-113 BetrVG, sofern sie nicht später als fünf Jahre nach der Spaltung entstanden sind. Der Gesetzgeber hat also dem Missbrauch der Spaltung im Vorfeld einer Betriebsänderung bereits entgegengewirkt. (2) Bagatellausgründungen Das BAG hat dabei bislang die Frage offengelassen, ob sog. „Bagatellausgründungen“ hiervon ausgenommen sind. Es hat jedoch betont, die Veräußerung eines Betriebsteils setze eine veräußerungsfähige Einheit voraus, die regelmäßig erst bei einer wirtschaftlich relevanten Größenordnung und einer abgrenzbaren eigenständigen Struktur gegeben sei.1139 Es weist aber in einer anderen Entscheidung auch darauf hin, dass anders als nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG für Fälle der Betriebsteilstilllegung für eine Spaltung i. S. v. § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG nicht erforderlich sei, dass “wesentliche” Betriebsteile betroffen sind. Diese unterschiedliche Behandlung sei mit keinem unauflösbaren Wertungswiderspruch verbunden. Ihr liege vielmehr die typisierende gesetzgeberische Einschätzung zugrunde, eine Spaltung betreffe anders als eine Teilstilllegung regelmäßig nicht nur den stillgelegten Teil, sondern den gesamten Betrieb.1140 Das LAG Hamm geht rechtsdogmatisch von einer Bagatellgrenze für § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG aus, ohne sie für die Praxis handhabbar zu beschreiben.1141 Beispiel: 1142 Die Abteilung "Patientendisposition/-abrechnung" aus dem Betrieb in P wird abgespalten und in den Betrieb in T eingegliedert. Damit verbunden ist der Wechsel von insgesamt sieben Arbeitnehmern unter der Leitung der Arbeitnehmerin S. Die Einigungsstelle ist im Rahmen des Verfahrens nach § 100 ArbGG nicht „offensichtlich unzuständig“, da nicht sofort erkennbar ist, ob dadurch der Tatbestand des § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG erfüllt worden ist oder es sich lediglich um eine "Bagatellausgründung" gehandelt hat. 1138 GK-BetrVG-Oetker, § 111 BetrVG, Rn. 127. BAG v. 10.12.1996 – 1 ABR 32/96, NZA 1997, 898. 1140 BAG v. 18.03.2008 – 1 ABR 77/06, NZA 2008, 957. 1141 LAG Hamm v. 31.01.2014 – 13 TaBV 114/13; so auch ArbG Karlsruhe v. 22.07.2003 – 6 BVGa 2/03. 1142 LAG Hamm v. 31.01.2014 – 13 TaBV 114/13. 1139 384 Praxishinweis: Wegen dieses Risikos sollte man eher davon ausgehen, dass die Ausgliederung und Übertragung von Betriebsteilen faktisch immer eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung darstellt.1143 Zuständig für die Verhandlungen ist der Betriebsrat des Veräußererbetriebes.1144 Gegebenenfalls ist ein Interessenausgleich möglich, der die Arbeitgebermaßnahme einfach bestätigt. (3) Spaltung führt zum Gemeinschaftsbetrieb Eine Ausnahme von § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG ist dann anzunehmen, wenn nach Durchführung der Betriebsspaltung und Übertragung des Betriebs im Wege der Einzelrechtsnachfolge der übergegangene Betriebsteil nun als Gemeinschaftsbetrieb fortgeführt wird. Hier ist die von § 111 BetrVG grundsätzlich geforderte Änderung der betrieblichen Struktur nicht gegeben1145, sodass eine Beteiligung nach § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG nicht erfolgen muss. vorher A-GmbH Produktion nachher Verwaltung Unverändert: einheitlicher Leitungsapparat B-GmbH A-GmbH Produktion Verwaltung cc) Personalabbau Die Übertragung eines gesamten Betriebs kann in mehreren Fallgestaltungen Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach §§ 111 ff. BetrVG auslösen. So zum einen dann, wenn der Veräußerer vor dem Betriebsübergang organisatorische Maßnahmen ergreift, um den Wert des Unternehmens oder Betriebes zu steigern. Im Fall eines Personalabbaus beispielsweise liegt eine klassische Betriebsänderung i. S. d. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG vor, wenn die Zahlengrenzen des § 17 KSchG überschritten werden. dd) Sozialplan bei unerkanntem oder überraschendem Betriebsübergang Einen Sonderfall stellen die Fälle dar, in denen ein Arbeitgeber, z. B. weil er einen Auftrag verloren hat, seinen Betrieb oder einen Teil seines Betriebes stilllegen will bzw. muss, entsprechende Verhandlungen mit dem Betriebsrat führt, ggf. schon Kündigungen ausspricht und es dann unerwartet zu einem Betriebs(teil)übergang kommt. 1143 vgl. zur Instanzrechtsprechung auch Meyer/Röger, BB 2009, 894. Meyer, NZA-RR 2013, 225. 1145 Fuhlrott/Oltmanns, BB 2015, 1013; ErfK-Kania, § 111 BetrVG, Rn. 16; Fitting, § 111, Rn. 88. 1144 385 Sollte der Sozialplan bereits vereinbart sein, besteht die Gefahr einer Haftung des Erwerbers. Allerdings können Ansprüche aus dem Sozialplan ausnahmsweise entfallen, wenn die Geschäftsgrundlage des Sozialplans entfallen ist.1146 c) Auszugleichende Nachteile Liegt eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung vor, stellt sich vor allem bei Verfahren vor der Einigungsstelle die Frage, welche Nachteile auszugleichen sind bzw. ob dazu auch die eventuell schlechtere Solvenz des Erwerbers u. ä. gehören. Beispiel: 1147 Der Veräußerer gliedert eine Abteilung mit 24 Arbeitnehmern aus und überträgt sie auf die neu gegründete E-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der bisherige Leiter dieser Abteilung ist. Der beim Veräußerer bestehende Betriebsrat verlangt, dass die schlechtere Solvenz der E-GmbH sowie der Umstand, dass diese gemäß § 112a Abs. 2 BetrVG in den ersten vier Jahren nach Gründung nicht sozialplanpflichtig ist, im Rahmen des Sozialplans mit ausgeglichen werden. Das BAG hat ausdrücklich entschieden, dass eine etwaige Verringerung der Haftungsmasse bei dem Betriebserwerber sowie dessen befristete Befreiung von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 BetrVG nicht zu berücksichtigen sind.1148 Die mögliche Verringerung der Haftungsmasse sei Folge des Schuldnerwechsels, nicht aber der Spaltung des Betriebes. Es sollten auch dann, wenn ein (Teil-)Betriebsübergang mit einer Betriebsänderung zusammenfällt, nur diejenigen Nachteile zu berücksichtigen sein, die die Betriebsänderung selbst verursacht, die also nicht durch § 613a BGB abschließend(!) geregelt sind.1149 Ausgleichsfähig sind damit allein die spaltungsbedingten Nachteile, z. B. Fahrtkosten- oder Umzugskostenerstattung bei einer räumlichen Verlegung des ausgegliederten Betriebsteils. Praxishinweis: Damit ist es auch nicht ausgleichsfähig, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil durch einen Betriebs(teil)übergang nicht mehr der Tarifbindung unterfällt. d) Betriebsänderung nach Betriebs(teil)übergang Führt der Erwerber nach dem Betriebs(teil)übergang eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG durch, gelten hinsichtlich seiner Interessenausgleichs- und Sozialplanpflicht keine Besonderheiten. Wurde das Unternehmen des Erwerbers neu bzw. kurz vor dem Betriebs(teil)übergang gegründet, kann sich der Erwerber auf die Befreiung von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG berufen. Diese Befreiung greift auch dann ein, wenn ein neu gegründetes Unternehmen einen bestehenden Betrieb oder Betriebsteil übernimmt.1150 Praxishinweis: Bei der Frage nach der Sozialplanpflicht beim Betriebserwerber kommt es auf das Alter des Unternehmens des Betriebserwerbs an, nicht auf das Alter des übergehenden Betriebes.1151 1146 BAG v. 10.08.1994 – 10 ABR 61/93, NZA 1995, 314. BAG v. 10.12.1996 – 1 ABR 32/96, NZA 1997, 898. 1148 BAG v. 10.12.1996 – 1 ABR 32/96, NZA 1997, 898. 1149 BAG v. 10.12.1996 – 1 ABR 32/96, NZA 1997, 898. 1150 BAG v. 13.06.1989 – 1 ABR 14/88, NZA 1989, 974. 1147 386 Dies gilt nach § 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG jedoch nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. e) Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen Betriebsübergang aa) Übertragung eines gesamten Betriebs – Übergangs- oder Restmandat? (1) Widerspruch einzelner Arbeitnehmer Bei der Übertragung eines gesamten Betriebs kann der Veräußerer zudem zu Personalmaßnahmen gezwungen sein, wenn einige Arbeitnehmer nach Übergang des gesamten Betriebs oder aller Betriebsteile dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse widersprechen. In diesem Fall könnte das Vorliegen einer nach § 111 BetrVG beteiligungspflichtigen Betriebsänderung bereits daran scheitern, dass beim Veräußerer überhaupt kein Betrieb mit Betriebsrat mehr besteht.1152 Das BAG hat in Bezug auf die Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG entschieden, dass der im übergegangenen Betrieb fortbestehende Betriebsrat für diesen Fall weder ein Rest- noch ein Übergangsmandat besitzt.1153 Der Arbeitgeber müsse bei der Kündigung eines widersprechenden Arbeitnehmers Vertretungsorgane von Betrieben nicht beteiligen, bei denen er nicht wenigstens Mitinhaber sei. Die Widerspruchsgründe des § 102 Abs. 2 BetrVG seien sinnvoll nur von dem Betriebsrat geltend zu machen, der dem Vertragspartner des Arbeitnehmers gegenübersteht. 1154 Zu den Beteiligungsrechten des § 111 BetrVG beim Widerspruch von Arbeitnehmern gibt es bislang noch keine ausdrückliche Entscheidung des BAG. Die Argumente aus der Entscheidung zu § 102 BetrVG sind jedoch übertragbar. Es bleibt allerdings für den Veräußerer ein Risiko, wenn er den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans verweigert, dass ihm ggf. dann Nachteilsausgleichsansprüche gemäß § 113 BetrVG drohen. Praxishinweis: Will der Veräußerer dieses Risiko nicht eingehen und deshalb einen Sozialplan abschließen, sollte er auf jeden Fall die Aufnahme einer Klausel verlangen, dass eine Abfindung ausgeschlossen ist, wenn der Arbeitnehmer die Annahme eines anderen zumutbaren Arbeitsplatzes in einem anderen Betrieb des Unternehmens verweigert hat. Außerdem verliert der Arbeitnehmer, der dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat, trotz Unmöglichkeit der Beschäftigung durch den früheren Arbeitgeber einen etwaigen Anspruch auf Annahmeverzugslohn, wenn er eine ihm zumutbare Beschäftigung beim Übernehmer des Betriebes ausgeschlagen hat (§ 615 S. 2, 3. Alt. BGB).1155 (2) Kollektiver Widerspruch Zum Teil wird auch danach differenziert, ob nur einzelne Arbeitnehmer oder alle Arbeitnehmer widersprechen. Im letzten Fall auch danach ob ein solcher kollektiver Widerspruch in einem betriebsmittelarmen oder in einem Produktionsbetrieb erfolgt. Eine direkte oder analoge Anwendung des Übergangsmandats nach § 21a BetrVG scheidet vom Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift aus.1156 1151 BAG v. 27.06.2006 – 1 ABR 18/05, NZA 2007, 106. LAG München v. 17.10.2007 – 11 TaBV 73/07, n.v. 1153 BAG v. 08.05.2014 – 2 AZR 1005/12; BAG v. 24.05.2012 – 2 AZR 62/11. 1154 BAG v. 25.05.2000 – 8 AZR 416/99, NZA 2000, 1115. 1155 BAG v. 19.03.1998 – 8 AZR 139/97, NZA 1998, 750. 1156 Fuhlrott/Oltmanns, BB 2015, 1015. 1152 387 Das LAG Rheinland-Pfalz1157 geht jedoch von einem Restmandat des Betriebsrats nach § 21b BetrVG für zahlreiche, widersprechende Arbeitnehmer aus. Der Betriebsrat müsse aber in der bisherigen personellen Zusammensetzung sein Mandat ausüben. Dem widersprechen das Sächsische LAG1158 und das LAG Köln1159 ausdrücklich. Der Gesetzgeber verwende den Begriff des Betriebsüberganges nur in § 21a BetrVG, nicht aber für den Fall des Betriebsunterganges in der Vorschrift über das Restmandat nach § 21b BetrVG. Es sei kaum anzunehmen, dass auch für den Fall des unveränderten Fortbestands des Betriebes ein Restmandat geschaffen werden sollte. Auch das LAG Nürnberg1160 sieht keinen anhörungsberechtigten Betriebsrat in dieser Konstellation. Praxishinweis: Im Ergebnis kann bei einem kollektiven Widerspruch eher davon ausgegangen werden, dass kein Betriebsrat mehr zuständig ist. Der Arbeitgeber muss deshalb vor der Kündigung der widersprechenden Arbeitnehmer weder einen Interessenausgleich oder Sozialplan abschließen noch einen Betriebsrat nach § 102 BetrVG anhören.1161 Kann ein widersprechender Arbeitnehmer jedoch einem anderen Betrieb des Unternehmens aufgrund einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zugeordnet werden, sollte eher von einer Kündigung Abstand genommen werden und ggf. die Beteiligungsrechte des § 99 BetrVG im aufnehmenden Betrieb beachtet werden.1162 bb) Übertragung von Betriebsteilen (1) Sozialauswahl Ein zusätzliches Problem entsteht dadurch, dass der Arbeitgeber beim Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen gemäß § 1 Abs. 3 KSchG eine Sozialauswahl durchführen muss, da der bisherige Betrieb noch existent ist. Nach der Rechtsprechung des BAG wirkt sich der Widerspruch selbst nicht auf die Sozialauswahl insgesamt aus.1163 Die Gründe für den Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber sind bei der Abwägung der sozialen Auswahlkriterien nicht zu berücksichtigen, da die Auswahlkriterien (Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) vom Gesetzgeber abschließend benannt worden sind. (2) Interessenausgleich und Sozialplan Auch bei der Ausgliederung und/oder Übertragung von Betriebsteilen kann es zu dem Problem kommen, dass erst später ein sozialplan- und massenentlassungsanzeigepflichtiger Tatbestand entsteht, weil wegen des Widerspruchs (betriebsbedingte) Kündigungen gegenüber mehreren Arbeitnehmern ausgesprochen werden müssen. Das kann nach der Rechtsprechung des BAG dann der Fall sein, wenn ein oder mehrere Betriebsteile übertragen werden, beim Veräußerer aber noch ein (Rest-)Betrieb verbleibt. 1157 LAG Rheinland-Pfalz v. 18.04.2005 – 2 TaBV 15/05, NZA-RR 2005, 529. Sächsisches LAG v. 21.06.2006 – 2 Sa 677/05, n.v. 1159 LAG Köln v. 17.08.2012 – 10 Sa 1347/11. 1160 LAG Nürnberg v. 09.08.2011 – 6 Sa 230/10. 1161 Hidalgo/Kobler, NZA 2014, 290. 1162 Hidalgo/Kobler, NZA 2014, 290. 1163 BAG v. 31.05.2007 – 2 AZR 276/06, NZA 2008, 33. 1158 388 Beispiel: 1164 Der Veräußerer beschließt, seine drei Betriebe mit insgesamt 18 Mitarbeitern jeweils an verschiedene Erwerber zu veräußern und die allgemeine kaufmännische Verwaltung mit 5 Mitarbeitern zum 31.12.2015 aufzulösen. Arbeitnehmer A aus Betrieb 2 widerspricht im Dezember 2015 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber II. Daraufhin wird ihm vom Veräußerer betriebsbedingt gekündigt. A verlangt die Zahlung eines Nachteilsausgleichs gemäß § 113 BetrVG. Das BAG ist der Auffassung, dass bei einem Personalabbau auch diejenigen Arbeitsverhältnisse mitgezählt werden müssen, die nur deshalb gekündigt werden müssen, weil die Arbeitnehmer dem Übergang auf einen Teilbetriebserwerber widersprochen haben und eine Beschäftigungsmöglichkeit im Restbetrieb nicht mehr besteht. Darüber hinaus sollen auch widersprechende Arbeitnehmer einen Anspruch auf Nachteilsausgleich haben, wenn der Arbeitgeber vor der Betriebsänderung keinen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht.1165 Diese Rechtsprechung kann für einen Veräußerer zu einer echten „Haftungsfalle“ werden, da er gerade bei solchen und ähnlichen Fallkonstellationen nicht weiß und auch nicht wissen kann, ob die Grenzen für eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung überschritten werden oder nicht. Dieses Problem wird durch Entscheidung des EuGH zur Massenentlassung1166 verschärft. Der Veräußerer wird vor das zusätzliche Problem gestellt, dass eventuell bereits ausgesprochene Kündigungen (wegen Betriebsstilllegung) aus diesem Grunde als unwirksam betrachtet werden. Beispiel: Beim Veräußerer verbleiben nach dem Betriebsteilübergang 540 Beschäftigte. Er trifft die Entscheidung, nach dem Betriebsübergang weitere 20 Arbeitnehmer betriebsbedingt zu entlassen. Eine Massenentlassungsanzeige erstattet er nicht, da er den Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Nr. 3 KSchG (mindestens 30 Arbeitnehmer) mit dieser Personalmaßnahme nicht erreicht. Kurz nach Ausspruch der Kündigung widersprechen 15 Arbeitnehmer des übergegangenen Betriebsteils rechtswirksam dem Betriebsübergang. Die Entlassung weiterer 15 Arbeitnehmer (nach Sozialauswahl im Veräußererbetrieb) wird schnellstmöglich notwendig. Spricht er diese betriebsbedingten Kündigungen innerhalb der 30-Tages-Frist aus, werden die Personalmaßnahmen nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 KSchG insgesamt anzeigepflichtig. Praxishinweis: Das Problem lässt sich kaum befriedigend lösen. Eine Möglichkeit, das Risiko zu verringern, besteht in einer frühzeitigen Information nach § 613a Abs. 5 BGB, damit die Einmonatsfrist des § 613a Abs. 6 BGB ausgelöst wird. In diesem Fall kann der Veräußerer nach Ablauf der Monatsfrist abschätzen, wie hoch der tatsächliche Personalabbau sein wird. Allerdings wird er dann u. U. erst Kündigungen aussprechen können, sodass wegen der zum Teil erheblichen Kündigungsfristen die Gefahr erheblicher Entgeltzahlungen nach der (Teil)Stilllegung droht. Der Arbeitgeber könnte auch vorsorglich bereits für die erste Personalmaßnahme trotz Unterschreiten der Schwellenwerte eine Massenentlassungsanzeige erstatten. Hier sind die er- 1164 BAG v. 10.12.1996 – 1 AZR 290/96, NZA 1997, 787. BAG v. 10.12.1996 – 1 AZR 290/96, NZA 1997, 787. 1166 EuGH v. 27.01.2005 – C-188/03, NZA 2005, 213; Nicolai, NZA 2005, 206. 1165 389 höhten bürokratischen Anforderungen an die gleichzeitig vorzulegende Mitteilung an den Betriebsrat nach § 17 Abs. 3 KSchG zu beachten.1167 Eine andere Lösung besteht darin, jedenfalls schon einmal die Arbeitsverhältnisse zu beenden, die mit Sicherheit beendet werden müssen. Kündigungsschutzklagen können durch den Abschluss von Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen oder der Möglichkeit nach § 1a KSchG vermieden werden. Sofern Kündigungen ausgesprochen werden, ist die Massenentlassungsanzeige ggf. nachzuholen bzw. eine erneute Kündigung nach Erstattung der Massenentlassungsanzeige auszusprechen. Bei den Schwellenwerten des § 17 KschG sind dann auch die Aufhebungsverträge und Eigenkündigungen auf Veranlassung des Arbeitgebers relevant.1168 Dann besteht für den Veräußerer zwar noch ein Risiko hinsichtlich der nach dem Widerspruch auszusprechenden Kündigungen, aber die damit verbundene finanzielle Belastung (in Form von Nachteilsausgleichsansprüchen) dürfte kalkulierbar sein. 2. Anhörung nach § 102 BetrVG a) Übergang eines gesamten Betriebes Die Frage im Zusammenhang mit § 102 BetrVG hat das BAG beantwortet (vgl. II. 1 e) zu § 111 BetrVG). Widerspreche ein Arbeitnehmer wirksam dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses, besitze der fortbestehende Betriebsrat im vollständig übergegangenen Betrieb kein Rest- oder Übergangsmandat.1169 Allerdings wirft es in Bezug auf § 102 BetrVG die auch in der Literatur1170 diskutierte Frage auf, ob etwas anderes gelten müsse, wenn in einem betriebsmittelarmen Betrieb ein erheblicher Teil der Belegschaft von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch macht. Praxishinweis: Aufgrund dieser Andeutung kann es sich im Falle eines betriebsmittelarmen Betriebes bei Widersprüchen eines erheblichen Teils der Belegschaft empfehlen – ausdrücklich vorsorglich – den Betriebsrat des übergegangenen Betriebes anzuhören, um das Scheitern der Kündigungen nicht allein nach § 102 BetrVG zu riskieren. Zusätzlich wird die Frage diskutiert, ob der Arbeitgeber in einem Unternehmen mit mehreren Betrieben einen anderen Betriebsrat seines Unternehmens beteiligen muss. Beispiel: 1171 Ein Unternehmen mit mehreren Betrieben unterhält einen „Hauptbetrieb“ am Hauptstandort des Unternehmens, in dem die Geschäftsleitung sitzt und buchhalterische und verwaltungstechnische Aufgaben erfüllt werden. Betriebsräte existieren in allen Betrieben und es existiert ein Gesamtbetriebsrat. Einer der Betriebe, ein Produktionsbetrieb mit 300 Mitarbeitern, wird verkauft und geht vollständig nach § 613a BGB auf einen Erwerber über und einzelne oder alle Arbeitnehmer widersprechen dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses. Für diese Arbeitnehmer bestehen keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten an anderen Standorten des Unternehmens. Das BAG hat entschieden, dass weder der Betriebsrat eines anderen Betriebes im Unternehmen noch der Gesamtbetriebsrat angehört werden muss, zumindest soweit keine Wei1167 u. a. BAG v. 28.06.2012 – 6 AZR 780/10. BAG v. 19.03.2015 – 8 AZR 119/14; BAG v. 28. 06. 2012 – 6 AZR 780/10. 1169 BAG v. 08.05.2014 – 2 AZR 1005/12; 1170 Hidalgo/Kobler, NZA 2014, 290; Moll/Ersfeld, DB 2011, 1108. 1171 Hidalgo/Kobler, NZA 2014, 290. 1168 390 terbeschäftigungsmöglichkeit für den widersprechenden Arbeitnehmer in einem dieser Betriebe besteht.1172 b) Übergang eines Betriebsteils Im Fall eines Betriebsteilübergangs bleibt der Betriebsrat im Ausgangsbetrieb wohl bei Erhalt der Betriebsidentität im Amt (vgl. I 1 d) aa)), sodass bei einem Widerspruch von Arbeitnehmern dieser auch zur Kündigung nach § 102 BetrVG angehört werden muss. 3. Datenschutz a) Information des Erwerbers (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) Während der Verkaufsverhandlungen mit potenziellen Erwerbern ist es üblich, dass diese sich umfassend über die wirtschaftlichen Daten des Veräußererunternehmens, aber auch über die Personaldaten informieren möchten (sog. due dilligence).1173 Zum Teil reagieren Betriebsräte auf einen bevorstehenden Betriebsübergang deshalb auch mit datenschutzrechtlichen Einwänden (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Die Weitergabe der Personaldaten an den potenziellen Erwerber wird unter Hinweis auf das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) als unzulässig bewertet. Die Weitergabe von Personaldaten an den potenziellen Erwerber ist jedoch bei Beachtung des Erforderlichkeitsgrundsatzes zulässig. Rechtsgrundlage für die Weitergabe der Personaldaten ist § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG.1174 § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist nicht einschlägig, da die Datenweitergabe nicht zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erfolgt (zweckbezogene Datenverarbeitung). Werden die Personaldaten allerdings anonymisiert weitergegeben, das heißt, es ist keinerlei Bezug zur Person mehr herstellbar1175, greift das BDSG gar nicht ein (§ 3 Abs. 1 und Abs. 6 BDSG). Praxishinweis: Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, die Personaldaten nur anonymisiert weiterzugeben. Soweit die Anonymisierung nicht in Betracht kommt, empfiehlt es sich wegen des Grundsatzes der Erforderlichkeit, die Personaldaten auf die Daten zu reduzieren, die für einen potenziellen Erwerber notwendig sind. Um den Betriebsrat kooperativ einzubinden, kann auch eine Betriebsvereinbarung über die Weitergabe der Personaldaten an einen potenziellen Erwerber geschlossen werden. Die Betriebsvereinbarung gilt dann selbst als ausreichende Rechtsgrundlage (§ 4 Abs. 1 BDSG)1176. b) Position des Datenschutzbeauftragten Geht das Arbeitsverhältnis des beim Betriebsveräußerers bestellten Datenschutzbeauftragten gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Betriebserwerber über, wird der Arbeitnehmer nicht dadurch zum bestellten Datenschutzbeauftragten des Betriebserwerbers. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Bestellung zum Datenschutzbeauftragen oder auf Ausübung des Amtes des Datenschutzbeauftragten im Unternehmen des Betriebs(teil)erwerbers.1177 1172 BAG v. 21.03.1996 – 2 AZR 559/95. Woerz, ArbR 2011, 502; Göpfert/Meyer, NZA 2011, 486. 1174 Braun/Wybitl, BB 2008, 782. 1175 Gola/Schomerus, BDSG, § 3, Rn. 43. 1176 BAG v. 27.05.1986 – 1 ABR 48/84, NZA 1986, 643. 1177 LAG Berlin-Brandenburg v. 15.10.2013 – 3 Sa 567/13. 1173 391 4. Information des Wirtschaftsausschusses Der Wirtschaftsausschuss ist gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG über eine Betriebsaufspaltung bzw. den Übergang eines Betriebes oder eines Betriebsteils auf einen anderen Inhaber nach § 613a BGB durch den Unternehmer zu unterrichten.1178 Entsprechend den allgemein zu § 106 BetrVG entwickelten Grundsätzen muss diese Unterrichtung so rechtzeitig erfolgen, dass Wirtschaftsausschuss und Betriebsrat durch ihre Stellungnahme und eigene Vorschläge noch Einfluss auf die Gesamtplanung wie auch die einzelnen Vorhaben nehmen können.1179 Praxishinweis: Die Vorlage der Unterlagen nach § 106 Abs. 2 S. 1 BetrVG erfordert ein Zurverfügungstellen rechtzeitig vor den Sitzungen bis zu deren Ende in Form von Originalen, Fotokopien oder Abschriften; ohne Zustimmung des Unternehmers dürfen sich die Mitglieder keine Kopien anfertigen.1180 Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Unterlagen dem Wirtschaftsausschuss nach § 106 Abs. 2 BetrVG vorgelegt werden müssen, insbesondere ob dazu auch der mit dem Erwerber geschlossene Kaufvertrag gehört. Diese Frage hat aufgrund einer Änderung durch das sog. Risikobegrenzungsgesetz1181 neue Brisanz erfahren. Nach § 106 Abs. 3 Nr. 9a BetrVG liegt auch eine wirtschaftliche Angelegenheit vor, wenn das Unternehmen mit Kontrollerwerb übernommen werden soll. Für diesen speziellen Fall konkretisiert § 106 Abs. 2 S. 2 BetrVG auch die erforderlichen Unterlagen: Angabe über den potenziellen Erwerber, dessen Absichten im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Arbeitnehmer. Ziel des Risikobegrenzungsgesetzes1182 ist es, die Transparenz bei Unternehmenskäufen von Finanzinvestoren zu erhöhen. § 106 Abs. 3 Nr. 9a BetrVG erfasst dabei nur die Übernahme durch den Erwerb von Geschäftsanteilen (sog. share-deal), das Unternehmen selbst bleibt dadurch unberührt.1183 Für § 106 Abs. 3 Nr. 9a BetrVG wird teilweise vertreten, dass zu den erforderlichen Unterlagen auch der Vertrag zur Veräußerung der Gesellschaftsanteile gehört.1184 Der Wortlaut von § 106 Abs. 2 S. 2 BetrVG rechtfertigt diese Auffassung nicht.1185 Der klassische Betriebsübergang durch Erwerb von Vermögensgegenständen (sog. asset-deal) fällt dagegen nicht unter § 106 Abs. 3 Nr. 9a BetrVG, sondern zumindestens unter § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG.1186 Die Aussagen zu § 106 Abs. 3 Nr. 9a BetrVG sind deshalb nicht ohne Weiteres übertragbar. Das BAG1187 hat über die Pflicht zur Vorlage des Gesellschaftervertrages gegenüber dem Wirtschaftsausschuss abschlägig entschieden, solange dieser ausschließlich das Innenverhältnis des ehemaligen Gesellschafters zum neuen Gesellschafter betrifft. 1178 BAG v. 22.01.1991 – 1 ABR 38/89, NZA 1991, 649. BAG v. 22.01.1991 – 1 ABR 38/89, NZA 1991, 649; LAG Berlin-Brandenburg v. 30.03.2012 – 10 TaBV 2362/11. 1180 BAG v. 20.11.1984 – 1 ABR 64/82, NZA 1985, 432. 1181 BGBl. 2008/I, S. 1666. 1182 BT-Drucksache 16/7438, S. 8. 1183 Fitting, § 106 BetrVG, Rn. 81. 1184 Fitting, § 106 BetrVG, Rn. 125. 1185 Löw, DB 2008, 760. 1186 GK-BetrVG-Oetker, § 106 BetrVG, Rn. 91. 1187 BAG v. 22.01.1991 – 1 ABR 38/89, NZA 1991, 649. 1179 392 Zu einem anderen Sachverhalt hat das BAG entschieden, dass dem Wirtschaftsausschuss alle Unterlagen vorzulegen sind, die ihm eine Stellungnahme und ggf. Einfluss auf die unternehmerische Entscheidung selbst ermöglichen.1188 Nach Auffassung des LAG Berlin1189 ist der Unternehmenskaufvertrag jedenfalls dann nicht vorzulegen, wenn der reine Verkauf als solcher die Interessen der Arbeitnehmer im vorliegenden Falle nicht wesentlich berührt. Im Rahmen des § 80 Abs. 2 BetrVG hat das LAG Rheinland-Pfalz1190 die Erforderlichkeit der Einsichtnahme in einen Mietvertrag verneint. Im Ergebnis ist dem Wirtschaftsausschuss jedenfalls dann nicht der Unternehmenskaufvertrag vorzulegen, wenn keine Absprachen hinsichtlich des Geschäftsumfanges und der Geschäftspolitik zwischen Veräußerer und Erwerber getroffen wurden. Der Kaufvertrag setzt die unternehmerische Entscheidung lediglich um. Der Veräußerer kann aber gehalten sein, etwaige Unterlagen vorzulegen, die Grundlage für seine entsprechende (Verkaufs- oder Auslagerungs-)Entscheidung sind. Das können z. B. in Outsourcing-Fällen Berechnungen über die Höhe der möglicherweise einzusparenden Kosten sein. III. Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder nach Betriebs(teil)übergang 1. Problemstellung / Ausgangslage a) Übergang eines gesamten Betriebes Bleibt ein Betriebsrat aufgrund der Übertragung eines gesamten Betriebes nach einem Betriebsübergang unverändert im Amt, ändert sich auch an der Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder nichts. Sie bleiben mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten im Amt. b) Übergang eines Betriebsteils Schwieriger ist die Rechtslage, wenn lediglich ein Betriebsteil übertragen wird. Praxishinweis: Für eine gute Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat im verbleibenden Veräußererbetrieb auch nach dem Betriebsübergang empfiehlt es sich, im Vorfeld des Betriebsübergangs mit den betroffenen Betriebsratsmitgliedern Lösungen zu suchen. Ausgangspunkt ist, dass Betriebsratsmitglied nur sein kann, wer Arbeitnehmer des Betriebs ist. Geht das Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds auf einen anderen Arbeitgeber über, ist er ab dem Zeitpunkt des Teilbetriebsübergangs nicht mehr Arbeitnehmer des Ursprungsbetriebes, sodass seine Mitgliedschaft im Betriebsrat gemäß § 24 Nr. 3 BetrVG erlischt.1191 In den Betriebsrat des verbleibenden Veräußererbetriebes rücken dann ein bzw. mehrere Ersatzmitglieder nach. Beispiel: Betriebsratsmitglied A ist in der Vertriebsabteilung im Betrieb des Veräußerers tätig. Die Abteilung wird vom Veräußerer ausgegliedert und verselbstständigt. Der Erwerber wird neuer Arbeitgeber. A verliert im Zeitpunkt des Betriebsübergangs seine Mitgliedschaft im Betriebsrat. 1188 BAG v. 11.07.2000 – 1 ABR 43/99, NZA 2001, 402. LAG Berlin v. 06.12.2004 – 12 TaBV 1797/04. 1190 LAG Rheinland-Pfalz v. 18.01.2011 – 3 TaBV 46/10. 1191 ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 130. 1189 393 Praxishinweis: Der Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB stellt für sich genommen keine Versetzung dar, die nach § 103 Abs. 3 BetrVG zustimmungspflichtig wäre. Bestehen Unsicherheiten über den Fortbestand des Betriebsratsmandats des übergegangenen Betriebsratsmitglieds, scheidet eine einstweilige Verfügung schon mangels Eilbedürftigkeit aus,1192 da die Amtsfortführung im Ursprungsbetrieb durch Ersatzmitglieder gewährleistet ist. Unerheblich dürfte es in diesem Zusammenhang sein, ob das betreffende Betriebsratsmitglied freigestellt ist oder nicht. Wenn es dem übergehenden Betriebsteil zuzuordnen ist, geht sein Arbeitsverhältnis mit der Folge auf den Erwerber über, dass nicht nur sein Betriebsratsamt, sondern auch die darauf beruhende Freistellung nach § 38 BetrVG erlischt. Wird die Mitgliedschaft im Betriebsrat durch den Übergang eines Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB beendet, wird sich das ehemalige Betriebsratsmitglied gegenüber dem Erwerber auf den nachwirkenden Kündigungsschutz des § 15 KSchG berufen können. Diese Frage ist zwar noch nicht höchstrichterlich entschieden, jedoch geht das BAG wohl davon aus, dass der nachwirkende Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG in allen Fällen (hier zum Rücktritt eines Betriebsratsmitglieds) eingreift, in denen die Amtszeit des konkreten Betriebsratsmitglieds endet.1193 Damit dürften auch die Fälle erfasst sein, in denen ein Betriebsratsmitglied wegen des Übergangs seines Arbeitsverhältnisses sein Mandat verliert. Praxishinweis: Will der Erwerber also nach dem Zeitpunkt des Betriebsteilübergangs eine Betriebsänderung durchführen bzw. betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, sollte er sicherheitshalber davon ausgehen, dass für frühere Betriebsratsmitglieder des Veräußerers die ordentliche Kündigung bis zu einem Jahr nach Betriebsübergang ausgeschlossen ist. Daher können sie z. B. nicht in die Sozialauswahl miteinbezogen werden. Insoweit gilt das Gleiche wie bei anderen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern. Der Mandatsverlust für das Betriebsratsmitglied ist jedoch in zwei Fällen problematisch: Zusammensetzung des Betriebsrates bei Bestehen eines Übergangsmandats Widerspruch gegen Betriebsübergang und Betriebsratsmandat 2. Zusammensetzung des Betriebsrat beim Übergangsmandat Die überwiegende Literatur geht davon aus, dass die Mitgliedschaft im Betriebsrat in diesem Fall nicht erlischt.1194 Das Übergangsmandat soll demnach nicht nur die Fortdauer einer betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung sichern, sondern zugleich für seine Dauer die Kontinuität des Betriebsratsamtes.1195 § 24 Nr. 3 BetrVG sei insoweit teleologisch zu reduzieren. Die Betriebsratsmitglieder im Erwerberbetrieb sollen als Mandatsträger danach gegen den neuen Vertragsarbeitgeber auch Anspruch auf Übernahme der anfallenden Sachkosten1196 1192 ArbG Mannheim v. 29.07.2008 – 8 BVGa 2/08, n.v. BAG v. 05.07.1979 – 2 AZR 521/77, DB 1979, 2327; ErfK-Preis, § 613a BGB, Rn. 130 und ErfK-Koch, § 21a BetrVG, Rn. 9. 1194 ErfK-Eisemann/Koch, § 21a BetrVG, Rn. 7; Maschmann, NZA-Beilage 1/2009, 32; Worzalla in H/W/G/N/R/H, § 21a BetrVG, Rn. 24; Fitting, § 21a BetrVG, Rn. 16. 1195 LAG Sachsen-Anhalt v. 25.11.2010 – 3 TaBV 16/10 zum Restmandat § 21b BetrVG. 1196 ArbG Leipzig v. 05.05.2006 – 10 BV 57/05. 1193 394 und auf Freistellung mit Entgeltfortzahlung (§ 37 Abs. 2 BetrVG) haben.1197 Zwar hat das BAG1198 zum Restmandat nach § 21b BetrVG Vergütungsansprüche ausgeschlossen, ob diese Rechtsauffassung jedoch auf das Übergangsmandat übertragbar ist, bleibt fraglich. Soweit Mitbestimmungsrechte wahrgenommen werden, die allein die Belegschaft des verbleibenden Betriebsteils betreffen, kann der Betriebsrat beim Veräußerer jedoch nur mit betriebsangehörigen Mitgliedern entscheiden.1199 An die Stelle der ausgeschiedenen Betriebsratsmitglieder treten dann betriebsangehörige Ersatzmitglieder. Demgegenüber wird darauf hingewiesen, dass dies zu dem nicht praktikablen Ergebnis führt, dass der Betriebsrat im Ursprungsbetrieb dann abhängig vom Mitbestimmungsgrund in einer anderen Besetzung zusammentreten und beschließen müsste.1200 Mit der überwiegenden Literatur wird man davon ausgehen müssen, dass die Mitgliedschaft im Betriebsrat nicht dann erlischt, wenn der Betriebsrat des Veräußererbetriebes im übertragenen Betriebsteil ein Übergangsmandat hat. Das Bestehen des Übergangsmandats modifiziert insoweit § 24 Nr. 3 BetrVG. Die Folgeprobleme hinsichtlich der Zusammensetzung des Betriebsrats sind nicht unüberwindbar und die Kostenfragen können ggf. Inhalt des Kaufvertrages zwischen Veräußerer und Erwerber sein. 3. Widerspruch eines Betriebsratsmitglieds gemäß § 613a Abs. 6 BGB Der Widerspruch eines Betriebsratsmitglieds gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses ist sowohl beim Übergang eines ganzen Betriebes als auch eines Betriebsteiles möglich und zulässig. Die Frage nach dem Betriebsratsmandat nach Widerspruch hat insbesondere Bedeutung für eine betriebsbedingte Kündigung im Veräußererbetrieb, wenn das widersprechende (bisherige) Betriebsratsmitglied dort nicht mehr beschäftigt werden kann. a) Betriebsteilübergang - Beibehaltung der Mitgliedschaft im Betriebsrat Ein widersprechendes Betriebsratsmitglied wird sein Amt nur dann behalten, wenn der Betriebsrat im Betrieb des bisherigen Arbeitgebers bestehen bleibt. Zur Beibehaltung der Mitgliedschaft im Betriebsrat aufgrund Widerspruchs wird es ausschließlich bei Übertragung eines Betriebsteils kommen, da der Betriebsrat des verbleibenden (Rest-)Betriebes beim Veräußerer im Amt bleibt. Der Widerspruch führt zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses beim bisherigen Arbeitgeber.1201 Dieser wirkt auf den Zeitpunkt des Übergangs zurück, auch wenn der Widerspruch aufgrund mangelhafter Information erst längere Zeit nach dem Betriebsübergang erklärt wird.1202 Das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbei