Vielfältige Brachfläche Botaniker Erik Christensen findet bei Kartierung einer Schönkirchener Fläche 159 Arten VON THOMAS CHRISTIANSEN .............................................................................. PROBSTEIERHAGEN/SCHÖNKIRCHEN. Noch vom Bürgersteig aus erkennt Erik Christensen die ersten Pflanzen – am Ende sind es 159 Arten, die der Botaniker auf einem Brachgelände in Schönkirchen findet. Der Vorsitzende des Umweltbeirats Probsteierhagen arbeitet an einer floristischen Kartierung des Nordteils des Kreises Plön. Den Erfassungsbogen dafür hat sich der ehemalige Heikendorfer Biologie- und Mathe-Lehrer selbst erstellt. Auf ihm stehen „nur“ 450 Arten, „die gängigsten“ eben. Glatthafer, Knäuelgras, Quecke und Giersch sind die ersten Arten, die Christensen hier einträgt. Rasch kommen weitere dazu – zum Beispiel Kleine Klette. „Aber Vorsicht“, sagt er. Denn von dieser Art gibt es auch Bastarde (Mischformen). An den Blattstängeln erkennt der Fachmann jedoch, dass diese Pflanze kein Bastard ist. Die deutschen Namen nennt Christensen nur für den Reporter. Für ihn selbst sind die lateinischen Namen wichtig, etwa Arctium minus (Kleine Klette). Wenig später entdeckt er Arctium minus x tomentosum – hier ist der Blattstängel hohl mit randlichem Schaumgewebe, was auf einen Bastard hindeutet. In der Liste landet die Art erst einmal mit dem Zusatz „unklar“. „Viele Kartierer sind da ungenau“, meint Christensen. Seit 1991 arbeitet er ehrenamtlich im Auftrag des Landesamts für Naturschutz (heute heißt es Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume) an der Kartierung: „Das ist ein sehr lang- Da staunte selbst der Fachmann: Erik Christensen konnte Brassica nigra erst zu Hause mit Hilfe von Fachliteratur exakt bestimmen. fristiges Projekt.“ Er hofft, bis 2020 fertig zu sein: „Dann muss ich es noch zusammenschreiben.“ „Dies hier ist nur ein kleiner Teil des Rasterfeldes“, zeigt er auf die Brachfläche. Jedes Rasterfeld ist zwei Quadratkilometer groß. Die Hauptuntersuchung macht er jeweils im Sommer und Herbst, eine weitere folgt im nächsten Frühjahr. Im Herbst ist die Kartierung besonders schwierig, weil kaum noch etwas blüht. Aber: „Ein Botaniker muss zu jeder Jahreszeit die Das Untersuchungsgebiet Die Ergebnisse der Kartierung des Nordteils des Kreises Plön werden in der Schriftenreihe der AG Geobotanik Schleswig-Holstein erscheinen, dessen Vorsitzender Erik Christensen ist. Nach Ende der Außenarbeiten voraussichtlich im Jahr 2020 will er die bis dahin riesige Datenmenge aufarbeiten. Zum Untersuchungsgebiet gehört der Bereich südlich von Preetz bis zur Ostseeküste, von Mönkeberg bis kurz vor Weißenhaus und von Lensahn bis Kirchnüchel. An der Kartierung arbeitet hauptsächlich Christensen selbst, er hat aber Unterstützung von Kollegen aus Kiel (Willi Kempe), Heikendorf (Helga Palm) und Laboe (Susanne HörgerAhlers) sowie von Studenten. Dreimal im Jahr kommen Botaniker aus ganz Schleswig-Holstein, um dabei zu helfen. chr Flora erfassen können. Erst in Jahrzehnten lernt man, die Pflanzen fast alle durch Blätter und Stängel zu bestimmen.“ So wie jetzt Niederliegendes Mastkraut, Kanadisches Berufskraut, Raue Gänsedistel, Schlafmohn, JakobsGreiskraut oder Breit-Wegerich, den die Indianer den „Fußtritt des Weißen Mannes“ nannten, weil diese Pflanze erst von Weißen nach Nordamerika gebracht wurde. Viele ähnliche Arten kann Christensen notfalls mithilfe seiner Lupe unterscheiden, doch von Löwenzahn und Brombeere gibt es so viele Arten, dass selbst er sagt: „Das sind Fälle für Spezialisten.“ Fachliteratur hilft bei den seltenen Pflanzen Dann kommen immer mehr Wiederholungen: „Die habe ich alle schon.“ Doch plötzlich staunt der Fachmann: „Oh, was ist das?“ Das müsse selten sein: „Das muss ich mitnehmen. Dafür brauche ich Spezialliteratur.“ Mit deren Hilfe kann er die Art später zu Hau- Auf dem Erfassungsbogen streicht Erik Christensen die gefundenen Arten ab. FOTOS: THOMAS CHRISTIANSEN se als Kohlsenf (Brassica nigra) bestimmen, eine alte Kulturpflanze, die nach dem Verbreitungsatlas von 2013 zuletzt vor mehr als 35 Jahren in Schleswig-Holstein nachgewiesen wurde, kürzlich aber auch von einem Kollegen gefunden wurde. Ein Brachgelände könne „unglaublich interessant sein“, hatte Christensen gesagt. Solche Flächen seien deshalb so wichtig, weil sie der Vegetation die Möglichkeit zur freien Entfaltung gibt: „Eine Möglichkeit, die sonst kaum noch in der Landschaft gegeben ist.“ Tatsächlich ist er auch von dieser Fläche begeistert: „Die Artenfülle auf diesem kleinen Stück ist umwerfend.“ Auf knapp einem Hektar hat er 159 Arten bestimmt – und damit etwa ein Drittel der Arten, die er in der 250-mal größeren gesamten Rasterfläche erwartet.