Theorie vom Umklinkruc - Luftsportverein Crawinkel e. V.

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Modellrechnung zum Umklinkruck beim Windenschlepp von Hängegleitern
Nach Umrüstung der Koch-Winde auf Dyneema-Seil trat regelmäßig beim Umklinken ein Bruch der
Sollbruchstelle (SBS) auf. Die Windenzugkraft und –Regelung wurden eingehend überprüft, ebenso wie
die Haltbarkeit der verwendeten SBS (150 daN). Übereinstimmung herrscht bei den Beobachtern (Pilot
und Windenfahrer), dass der Bruch der SBS stets unmittelbar im Anschluß an das Umklinken auftritt.
Durch die Freigabe des oberen Gabelseils erfolgt eine kurzfristige Entlastung des pilotenseitigen
Schleppseilendes, wodurch eine Kontraktionswelle zur Winde läuft. Die Antwort der Winde auf
Lastwechsel erfolgt innerhalb 1-2s und benötigt ebenfalls eine Laufzeit bis zum Seilende. Eine
Fehlregelung der Winde würde am Drachen also frühestens 2s nach Umklinken wirksam werden. Da die
SBS stets sofort bricht, kann ein ursächliche Beteiligung der Winde ausgeschlossen werden.
Der Vorgang lässt sich nur mit dem dynamischen Wechselspiel der beteiligten Kräfte und Massen von
Schleppseil und Schleppgeschirr erklären. Das verwendete physikalische Modell geht von folgenden
Randbedingungen aus:
Der Schlepp zum Zeitpunkt des Umklinkens erfolgt quasistatisch, also mit konstanter Seilzugkraft F der
Winde und konstanter Drehzahl. Der geschleppte Hängegleiter hat eine konstante Geschwindigkeit und
–Steiggeschwindigkeit. Die von der Winde eingebrachte Leistung erhöht die potentielle Energie des HG
und kompensiert Reibungsverluste (Luftwiderstände). Beide Größen sind aber für den Bruch der SBS
unmaßgeblich (der Umklinkvorgang sollte sich mit einem in einer Höhe von ca. 50m fixierten HG und
dem straff gespannten Schleppseil bei stehender Trommel ebenso abspielen wie bei steigendem HG und
drehender Seiltrommel). Somit kann man Schleppseil und Geschirr als abgeschlossenes System
betrachten (keine Energiezufuhr von außen, lediglich Energieübertragung zwischen Subsystemen
möglich).
Folgende Größen sind in Betracht zu ziehen:
F - Seilzugkraft des Schleppseils im Augenblick des Umklinkens (wird durch oberes Gabelseil auf den
Piloten übertragen)
F’ - maximale Kraft beim Umklinkruck (wird durch unteres Gabelseil auf den Piloten übertragen)
l - Differenz der Längen unteres Gabelseil und oberes Gabelseil (im Moment des Umklinkens)
d – maximale Dehnung des unteren Gabelseiles beim Umklinkruck
m – Masse des oberen Gabelseils
M – Masse von Seilschirm und Schleppseilende
1.Phase
Der Pilot löst das obere Gabelseil aus. Die Zugkraft des Schleppseils F greift nicht mehr am Piloten an,
sondern beschleunigt die beteiligten trägen Massen. Das ist die Masse des oberen Gabelseils m, des
Seilschirms mit der SBS sowie des hinteren Teils des Schleppseils, beides zusammengenommen M. Das
Schleppseil kontrahiert elastisch, hierbei erfährt der pilotenseitige Teil eine höhere Beschleunigung als
der Teil, der sich näher an der Winde befindet. Exakter müsste dieser Vorgang als Kontraktionswelle
betrachtet werden. Jedenfalls ist ein gewisser Teil der Masse des Schleppseils auch hier als träge Masse
wirksam, denn es schnippst ja Richtung Winde, erfährt also Beschleunigung. Genau genommen wird
auch das untere Gabelseil beschleunigt. Da es aber im Bogen hängt mit stärkerem Durchhang am
Seilschirm, wird nur ein Teil seiner Masse wirksam. Vernachlässigen wir den also zunächst.
Ich habe die Angaben verschiedener Hersteller bezüglich der Dehnungseigenschaften von Dyneemasowie Stahlseilen studiert. Die Bruchdehnung bei Dyneema-Seilen liegt bei 3,6%, die
Gebrauchsdehnung (bei 25% der Bruchspannung) etwa 1-1,5%. Bei 1300m Seil wären das unter
unseren Bedingungen doch rund 10m. Das ist etwa 4mal soviel wie bei Stahlseil.
Bei der Kontraktion des Schleppseils wirkt die Kraft F zunächst über den Weg l, die dabei verrichtete
Arbeit W = F ⋅ l
wird in kinetische Energie der trägen Massen von Oberseil sowie Bremsschirm und Schleppseilende
umgewandelt:
W = F ⋅ l = E kin =
m+M 2
v
2
(1)
Hierbei wird angenommen, dass sich die elastische Seilkraft bei der Kontraktion nicht wesentlich
verringert, bzw. F deren Mittelwert angibt. Das erscheint plausibel, da in der Regel l mit 1m wesentlich
kleiner ist als die Seildehnung von ca. 10m. Die maximale Geschwindigkeit v wird erreicht, wenn die
Kontraktion des Schleppseils abgeschlossen wird (durch Straffung des unteren Gabelseils).
2.Phase
Das untere Gabelseil ist gerade straff geworden und muß die Masse M abbremsen, welche sich mit v
Richtung Winde bewegt. Die Masse m des oberen Gabelseils spielt von diesem Augenblick an keine
wirksame Rolle mehr, da es sich locker weiter nach vorn bewegen kann. Die kinetische Energie von
Bremsschirm und Schleppseilende wird dadurch aufgezehrt, dass das untere Gabelseil elastisch gedehnt
wird und seine Länge um d vergrößert. Hierbei wird die Kinetische Energie E’ wieder in Elastische
Energie W’ des gedehnten unteren Gabelseils umgewandelt.
′ =
E kin
M 2
F′
v =W′ =
d
2
2
(2)
Da das untere Gabelseil (anders als bei Glg. 1) aus dem völlig entspannten Zustand gedehnt wird,
resultiert ein zusätzlicher Faktor ½ ; F’ ist die Maximalkraft des unteren Seiles, die auch die SBS
belastet (zusätzlich zum statischen Seilzug F).
Wie groß ist nun F’, man kennt ja v gar nicht? Dafür haben wir aber 2 Formeln (1) und (2). Eine der
beiden Formeln kann man nach v2 umstellen und das Ergebnis in die andere einsetzen. Hieraus folgt
F′ = 2
l
M
⋅
⋅F
d m+M
Es bieten sich somit folgende Möglichkeiten an, den Umklinkruck zu verringern:
1. Herabsetzung von F durch deutliche Zugreduzierung (sehr unpraktikabel, weil es den
Schleppvorgang unterbricht)
2. Möglichst wenig Überlänge l des unteren Gabelseils. Somit sollte es bei angehobenem Drachen
relativ straff um die Basis führen. Das obere Gabelseil sollte unflexibel sein (Dyneema), damit es
bei dem einsetzenden Zug des Schleppseiles nicht noch zusätzlich elastisch gedehnt wird.
3. Das untere Gabelseil muß ziemlich elastisch sein. Unelastizität (sehr kleines d ) erzeugt starke
Umklinkkraft. Wegen der Gefahr des Rückschlagens bei Seilriß wäre es dann mit einem lockeren
Plasteschlauch zu überziehen.
M
4. Im Quotient
tritt m gegen M an. Der Quotient wird klein gegen 1 wenn die Masse des
m+M
Seilschirms (Bestandteil von M) klein ist und dagegen m groß gemacht wird (z.B. zusätzliche
Ummantelung des oberen Gabelseils durch dickwandigen Schlauch).
Da der Umklinkruck F’ zusätzlich zu der sowieso vorhandenen Seilkraft F auftritt, muß die SBS
kurzzeitig die Gesamtkraft Fges=F+F’ verkraften. Ziel muß es also sein, den Umklinkruck F’ möglichst
zu minimieren, also die Maßnahmen 2 - 4 optimal durchzuführen. Ziel sollte ein softes Umklinken selbst
bei starkem Seilzug sein!
Beispiel:
Es wird als Material für das Oberseil Dyneema verwendet – keine weitere Dehnung beim Schlepp, also
l=1m. Als Material für das Unterseil wird LIROS-Polyamid-Flechtschnur 5mm verwendet (450kg
Bruchlast, bei 90kg ca. 15% Dehnung). Bei 10m Länge des Unterseils ergibt das d=1,5m elastische
Dehnung. Ein leichter Seilfallschirm wird verwendet, zusammen mit 200m Schleppseilende ergibt das
grob geschätzt eine Masse von etwa 2kg. Mit einem Gummischlauch ummantelt hat das Oberseil
wenigstens eine gleich große Masse. Für den Umklinkruck ergibt das:
1m 2kg
F′ = 2⋅
⋅
⋅ 90kg = 60kg
1,5m 4kg
Die Gesamtseilkraft beträgt dann 60kg+90kg=150kg. Das wäre die Nennbruchlast der SBS.
Hierbei ist zu bemerken, dass in obiger Betrachtung die Dämpfung nicht berücksichtigt wurde. Jegliche
Dämpfung (das System ist stark gedämpft, sonst gäbe es ständig Schwingungen), ist für unser Problem
in jedem Falle vorteilhaft, denn dabei wird Energie verbraucht. Die Modellrechnung beschreibt also den
„worst case“.
Weitere Bemerkungen: Ein Reffseil ist eher kontraproduktiv, da es zusätzlich Masse zwischen SBS und
Schleppseil bringt. Während des Umklinkens bleibt das Reffseil ständig straff, ist also sowieso
unwirksam und bei Verwendung von Dyneema-Schleppseilen auch nicht vorgeschrieben. Eine höhere
Masse des unteren Gabelseils erhöht zumindest teilweise auch m, das wäre positiv, es ist aber weitaus
effektiver, diese Masse ins obere Gabelseil zu stecken.
Fazit:
Man sollte schnell handeln und das Schleppgeschirr umgestalten:
1. Leichter Seilfallschirm (hat Günter schon besorgt)
2. oberes Gabelseil 9m lang, aus Dyneema, durch dicken Schlauch (z.B. Pressluftschlauch 10Bar)
in voller Länge ziehen. Am Pilotenende sichern durch Presshülse o.ä. gegen Durchrutschen !!
3. unteres Gabelseil LIROS-Polyamid-Flechtschnur 5mm 10m lang, durch dünnwandigen
Plasteschlauch ziehen
Die Polyamidschnur kostet 0,65 €/m, man kann sie übers Internet bestellen. Falls kein alter Schlauch
etc.greifbar, bin ich gern bereit, alles zu bestellen. Wegen der German Open komme ich sicher nicht
gleich wieder nach Crawinkel, möchte aber sehr, dass alles wieder ok. läuft.
Beste Grüße
Konrad
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