Fachpressekonferenz zum Thema „Mobilität, Energie & Umwelt – Innovative Anwendungen innerhalb der Stainless-Gruppe“ auf Schloss Landsberg, Essen 26. und 27. Februar 2007 Einsatz von Eisen Nickel Ausdehnungswerkstoffen im CFK Formenbau Dr. Bernd de Boer, ThyssenKrupp VDM GmbH CFK im Flugzeugbau Kohlefaserverbundwerkstoffe (CFK) zeichnen sich durch eine extrem hohe Festigkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht aus. Aus diesem Grund erfreut sich der Werkstoff wachsender Beliebtheit insbesondere im Flugzeugbau, wo Gewichtseinsparungen schnell zu einem großen ökonomischen und ökologischen Wertbeitrag führen. Aber auch Anwendungen im Automobilbau oder im Maschinenbau nehmen zu. Anfang der 70er Jahre fand der Jungfernflug des ersten zivilen Flugzeugs mit Tragflächen, die zum Teil aus CFK bestehen, statt – es handelt sich um ein Segelflugzeug mit einer zu jener Zeit unvorstellbaren Spannweite von 29 m - dies entspricht etwa der Spannweite einer Boeing 737 – und einer damals unglaublichen Gleitzahl von 59. Seit dem steigt der Einsatz von CFK sowohl im zivilen als auch im militärischen Flugzeugbau rapide an. Bei der A310 sind Leitwerksteile aus CFK gefertigt, bei den folgenden Airbus Modellen steigt der Anteil an CFKTeilen an und liegt bei der A380 bei 20%. Ein Quantensprung wird zurzeit von Boeing für das neue Modell, den Dreamliner, vollzogen. Bei diesem Flugzeug werden fast sämtliche tragende Teile aus CFK bestehen, was bislang nur bei militärischen Luftfahrzeugen oder Sportflugzeugen der Fall war. Airbus wird mit der A350 denselben Weg beschreiten. Neben dem steigenden Anteil von CFK in den Flugzeugen steigt auch die Zahl der Luftfahrzeuge selber an. Sowohl Airbus als auch Boeing rechnen damit, dass in 20 Jahren im kommerziellen Luftverkehr etwa doppelt so viele Flugzeuge im Einsatz werden wie heute, was einem Bedarf von ca. 22.000 bis 27.000 neuen Flugzeugen in diesem Zeitraum bedeutet. Abb. 1. Moderne Verkehrsflugzeuge bestehen zu einem wachsenden Anteil aus KohlefaserVerbundwerkstoffen. Herstellung von CFK-Bauteilen An die CFK-Bauteile im Flugzeugbau werden extrem hohe Anforderungen gestellt. Die Formtoleranzen sind sehr eng, zum einen aus Gründen der Aerodynamik und zum anderen aus Gründen der Passgenauigkeit. Des Weiteren muss das Material frei von Poren und Spannungen sein, die unter Belastung zu vorzeitigen Schädigungen führen können. Der verbreitete und bewährte Herstellungsprozess für solche Bauteile ist das Prepregverfahren. Bei diesem Verfahren werden mit Harz imprägnierte Kohlefasergewebe (Prepregs) in eine Form eingelegt, anschließend luftdicht abgedeckt und evakuiert. In einem Autoklaven unter einem Druck von etwa 10 bar und bei einer Temperatur von ca. 180°C wird das Gewebegelege dann ausgehärtet. Anforderungen an die Formen Es wird sofort offensichtlich, dass die Qualität der Form bei diesem Prozess eine herausragende Bedeutung hat. Die Kontur der Form muss die gleiche Präzision wie das Bauteil aufweisen. Außerdem wünschen sich die Hersteller von Serienteilen eine Form, die der Fertigung von einigen hundert Bauteilen ohne signifikante Qualitätseinbußen standhält. Insbesondere aufgrund der Verschleißbeständigkeit möchte man gerne Stähle einsetzen. Allerdings ist ein ganz wesentliches Kriterium für die Form die thermische Ausdehnung des Materials, aus dem die Formen konstruiert sind, denn durch unterschiedliche thermische Schrumpfung von Form und Bauteil beim Abkühlen nach der Aushärtung können schädliche innere Spannungen im Bauteil entstehen. Die thermische Ausdehnung der Kohlefasern ist allerdings sehr gering im Vergleich zu C-Stählen oder auch Edelstählen, weshalb bei anspruchsvollen Bauteilen Stahlformen nicht in Frage kommen. Ursprünglich wurden in diesen Fällen auch die Formen aus Kohlefaser verstärktem Kunststoff hergestellt, was den Vorteil eines angepassten thermischen Ausdehnungsverhaltens mit sich brachte. Jedoch ist die Verschleißfestigkeit von CFK-Formen ungenügend. Die Lösung des Problems bieten Eisen-Nickel-Legierungen, die seit den 80er Jahren für anspruchsvolle Formen eingesetzt werden. Von ThyssenKrupp VDM werden diese Werkstoffe unter der Markenbezeichnung Pernifer vertrieben. Diese Stähle zeichnen sich durch einen sehr geringen Ausdehnungskoeffizient aus, der durch Einstellung des Ni-Gehalts auf die Anwendung eingestellt werden kann. Für die gängigsten Harze, die bei 180°C aushärtet, ist Pernifer 36 die geeignete Legierung. Für andere Verbundwerkstoffe, die bei höheren Temperaturen aushärten kann auch die Legierung Pernifer 40 oder Pernifer 42 eingesetzt werden. Werkstoffeigenschaften von Eisen-Nickel-Legierungen Betrachtet man den mittleren thermischen Ausdehnungskoeffizienten von binären Fe-NiLegierungen, die Bestandteile sind also fast ausschließlich Eisen und Nickel, bei Raumtemperatur, dann stellt man fest, dass bei 36% Nickel ein ausgeprägtes Minimum vorliegt. Eine Legierung aus Eisen mit 36% Nickel (Pernifer 36) weist also eine Längenänderung von nur etwa 1 μm pro Meter und Grad Celsius bei einer Erwärmung im Bereich der Raumtemperatur auf, im Vergleich dazu verändert sich die Länge von Stählen um ca. 10 – 15 μm pro Meter und Grad Celsius. Dieser Effekt der sehr geringen Längenausdehnung wird als Invar-Effekt bezeichnet und ist bereits seit über 100 Jahren bekannt. Thermischer AK in µm/m K 36% Fe Ni Abb. 2. Abhängigkeit des thermischen Ausdehnungskoeffizientenn bei Raumtemperatur vom Nickel-Gehalt in Eisen-Nickel-Legierungen. Durch Veränderung des Nickelgehalts lässt sich der thermische Ausdehnungskoeffizient gezielt einstellen. Hervorzuheben ist noch, dass es sich bei diesen Legierungen um weichmagnetische Legierungen handelt. Letztendlich ist der Invar-Effekt auf mikrophysikalische magnetische Vorgänge zurückzuführen. Entsprechend verschwindet der Effekt bei höheren Temperaturen, bei denen das Material seine ferromagnetischen Eigenschaften verliert. Bei hohen Temperaturen ist der Wärmeausdehnungskoeffizient solcher Materialien wieder ‚normal’. Diese Materialeigenschaft wird seit der Erfindung genutzt, beispielsweise für Replikate des Urmeters für Kalibrierungszwecke, hochgenaue Pendeluhren oder Balken für präzise Waagen. Ein Massenmarkt für diese Legierungen entstand erst deutlich später in der Elektronik und Elektrotechnik. Bekannte Bauteile sind Bimetallstreifen für Thermostate, Schattenmasken für Bildröhren, Leadframes für die Halbleiterindustrie und zahlreiche verschiedene Anwendungen, in denen Gläser oder Keramiken mit Metallen verbunden werden. Die sonstigen Eigenschaften der Eisen-Nickel-Legierungen heben sich nicht sehr von denen anderer Stähle ab. Im Zugversuch bei Raumtemperatur stellt man fest, dass der weich geglühte Materialzustand eine niedrige Dehngrenze von etwa 270 bis 300 N/mm2 und eine Zugfestigkeit von ca. 450 N/mm2 bis 500 N/mm2 bei einer Bruchdehnung von über 30% aufweist. Formenbau mit Eisen-Nickel-Legierungen Typische Formen aus Eisen-Nickel-Legierungen sind Schweißkonstruktionen, die aus einem fachwerkartigen Unterbau bestehen, auf den eine Deckplatte aufgeschweißt wird, in deren Oberseite die Kontur gefräst wird (s. Abb. 2). Typische Blechdicken, die dafür benötigt werden, reichen von 8 mm bis 40 mm. Da die klassischen Massenanwendungen für EisenNickellegierungen zuvor in der Elektronik und Elektrotechnik lagen, war es für die Luftfahrtindustrie zunächst eine Schwierigkeit, dieses Material in den geforderten Abmessungen zu erhalten. Außerdem musste eine Schweißtechnologie entwickelt werden, da diese Werkstoffe in den bestehenden Anwendungen nicht geschweißt wurden. Eine weitere Herausforderung lag in der spanende Bearbeitung des verhältnismäßig duktilen Werkstoffs um die Form herauszuarbeiten. Der erste Arbeitsschritt des Formenbauers ist der Blechzuschnitt. Anschließend wird die Fachwerkkonstruktion geschweißt. Hierfür hat sich der artgleiche Schweißzusatz Pernifer S6436 von ThyssenKrupp VDM bewährt, mit dem im WIG-, im MAG- oder auch im UPVerfahren gute Resultate erzielt werden. Da der Schweißzusatz sich nur sehr geringfügig in der chemischen Zusammensetzung vom Grundwerkstoff unterscheidet, ist das an den Kohlefaserwerkstoff angepasste thermische Ausdehnungsverhalten auch für die Schweißkonstruktion gewährleistet. Parallel zu diesen Schweißarbeiten wird das Deckblech geformt. Bei großen Formen kann das Deckblech auch aus mehreren miteinander verschweißten Blechen bestehen. Im nächsten Schritt werden Deckblech und Unterkonstruktion aneinander geschweißt. Aufgrund der Spannungen, die durch den Schweißprozess eingebracht werden, erfolgt i. a. jetzt eine Entspannungsgühung, um auszuschließen, dass sich die Form während den weiteren Fertigungsschritten oder später im Einsatz verzieht. Die Temperaturführung dieser Wärmebehandlung ist kritisch, da zu hohe Temperaturen zu Kriechverformung führen können und zu niedrige Temperaturen keine ausreichende Entspannung gewährleisten oder das thermische Ausdehnungsverhalten negativ beeinflussen können. Auch die Abkühlung muss kontrolliert erfolgen, da verständlicherweise keine Spannungen durch Temperaturgradienten entstehen dürfen. Als letztes wird die Form gefräst. Aufgrund immer größer werdender CFK-Bauteile werden hier enorm große Maschinen eingesetzt, die mit höchster Präzision arbeiten müssen. An das Fräswerkzeug selbst werden keine sehr hohen Ansprüche gestellt, da das Material verhältnismäßig weich ist. Wegen der hohen Duktilität, der damit verbundenen hohen Verformung und Wärmeentwicklung, wird das Werkzeug gut gekühlt. Abb. 3. Herstellung der Form für das Seitenleitwerk des Airbus A330-200. (Bild mit freundlicher Genehmigung von Airbus Deutschland) Neue Werkstoffe für den Formenbau Der Entwicklung der CFK-Werkstoffe im Flugzeugbau trägt ThyssenKrupp VDM mit der Entwicklung neuer Formenbauwerkstoffe Rechnung. Wie eingangs erwähnt, werden die CFK-Bauteile immer größer, betrachtet man beispielsweise das Seitenleitwerk der Airbus A380 oder die Flügelschalen des Militärtransporters Airbus A400 M. Da bedeutet natürlich, dass auch die Formen sehr groß und schwer werden, was die Handhabung erschwert. Außerdem verlängern sich die Aufheiz- und Abkühlzyklen im Autoklaven aufgrund der hohen Wärmekapazität der Form. Leichtere Formen könnten mit festeren Werkstoffen gebaut werden. Die Schwierigkeit liegt darin, dass verfestigende Legierungszusätze i. a. den thermischen Ausdehnungskoeffizienten erhöhen. Lediglich mit Hilfe des Elementes Kobalt lässt sich der Ausdehnungskoeffizient noch weiter verringern. Eine Verfestigungsmethode, die einen geringen Einfluss auf das Ausdehnungsverhalten hat, ist die Ausscheidungshärtung. Legiert man Pernifer 36 gezielt mit Titan, Aluminium und Nickel, so bilden sich nach einer Wärmebehandlung bei ca. 750°C wenige Nanometer kleine Partikel, die die Festigkeit des Werkstoffs erhöhen. Auf diese Weise gelang es, einen Werkstoff mit der 3fachen Festigkeit von Pernifer 36 zu entwickeln, dessen Ausdehnungskoeffizient nur etwa 50% höher als der von Pernifer 36 und damit vergleichbar mit dem von CFK ist. Die Temperatur der Aushärtung von 750°C fügt sich ideal in den Standard für den Formenbau ein in der Weise, dass das Entspannungsglühen und das Aushärten miteinander kombiniert werden. Erste Bearbeitungs- und Schweißversuche waren erfolgreich. Dieser Werkstoff wird zurzeit den Formenentwicklern angeboten. 1400 4 1000 800 AK in µm/m K Rm , Rp0,2 in MPa 1200 600 400 3 2 200 1 0 0 Pernifer 36 Pernifer 39CoTi CFK Pernifer 36 Pernifer 39CoTi Abb. 4. Raum-Temperatur Festigkeit sowie der mittlere thermische Ausdehnungskoeffizient der neuen Legierung Pernifer 39CoTi im Vergleich zu Pernifer 36. Eine weitere Werkstoffentwicklung zielt auf einen anderen Herstellungsprozess für CFKBauteile ab. Bei dem RTM-Prozess werden anders als beim Prepreg-Prozess die Kohlefasertextilien trocken in die Form eingelegt. Die Form wird evakuiert und das Harz injiziert. Dann wird das Bauteil ausgehärtet. Die Formen für diesen Prozess bestehen aus massiver Wanne und Deckel, die beide aus Plattenmaterial gefräst werden. Bauteile aus bisherigen RTM-Formen mussten grundsätzlich aufwändig nachbearbeitet werden, bevor sie in die Weiterfertigung gelangten. Mit der Legierung Pernifer 33Co bietet ThyssenKrupp VDM einen Werkstoff an, der eine noch geringere thermische Ausdehnung aufweist als Pernifer 36. Mit dem Werkstoff Pernifer 33Co ist es gelungen, Bauteile herzustellen, die nicht mehr nachbearbeitet werden mussten, da durch den noch geringeren Ausdehnungskoeffizienten dieses Materials das Bauteil in Endabmessung gefertigt werden kann und sich nach dem Aushärten leicht aus der Form löst. Dadurch wird auch die Form geschont, da auf scharfkantiges Werkzeug beim Entformen verzichtet werden kann. Tabelle: Mittlerer thermischer Ausdehnungskoeffizient von Pernifer 33Co im Vergleich zu Pernifer 36. Pernifer 33Co Pernifer 36 CTE 20-100°C 10-6/K 0.5 1.2 CTE 20-200°C 10-6/K 1.6 2.2