Coaching in Organisationen

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Coaching in Organisationen
Zu Mode und Praxis einer personenzentrierten
Beratungsmethode
oder
Die Funktion von Coaching – jenseits von
Mode und Wunschdenken
oder
Das Coaching der Organisation
Wozu Organisationen Coaching nutzen
von
Andreas Taffertshofer
Murnau im Mai 2007
Inhalt
Inhalt
1
Coaching: Innovation oder „alter Wein in neuen
Schläuchen“? ............................................................................. 9
I
Konzeption................................................................. 13
2
3
3.1
Forschungsfragen.................................................................... 13
Methodisches Vorgehen.......................................................... 21
Empirische Erhebung ................................................................ 21
3.1.1 Forschungsdesign ............................................................ 21
3.1.2 Printmedienindizes .......................................................... 22
3.1.3 Leitfadengestützte Experteninterviews............................ 23
3.1.4 Auswahl der Interviewpartner ......................................... 24
3.1.5 Feldzugang und Feedback ............................................... 25
3.2
Auswertung ............................................................................... 27
3.2.1 Anonymisierung .............................................................. 27
3.2.2 Fallbeispiele..................................................................... 27
3.2.3 Darstellung der empirischen Ergebnisse ......................... 28
3.3
Praktikerliteratur ....................................................................... 29
3.4
Wissenschaftliche Erklärungen ................................................. 30
II
Analyse ....................................................................... 41
4
4.1
Untersuchungsgegenstand ...................................................... 41
Zur empirischen Bedeutung von Coaching............................... 41
4.1.1 Zur quantitativen Bedeutung in der Fachöffentlichkeit... 41
4.1.2 Zur quantitativen Bedeutung in Organisationen.............. 50
4.2
Coaching in Organisationen ...................................................... 53
4.2.1 Programme im Coaching ................................................. 54
Konditionalprogramme ............................................... 55
5
Inhalt
Zweckprogramme ....................................................... 56
4.2.2 Kompetenzen im Coaching.............................................. 57
4.2.3 Coaching und Personal .................................................... 60
4.2.4 Coaching als Interaktion .................................................. 65
4.3
Zusammenfassung zur organisationalen Strukturiertheit.......... 68
5
5.1
„Persönliche“ Probleme in Organisationen.......................... 70
Die Personalisierung organisationaler Konflikte ...................... 71
5.2
Funktionen der Personalentwicklung........................................ 77
5.3
Die Lösung personalisierter Konflikte ...................................... 81
5.3.1 Ein Beispiel zur Lösung personalisierter Probleme......... 87
5.3.2 Möglichkeiten erfolgreicher Personalentwicklung.......... 89
6
6.1
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten.......................... 92
Vorgesetzte und ihre Konflikte ................................................. 93
6.1.1 Strukturell bedingte Konflikte ......................................... 96
6.1.2 Operativ bedingte Konflikte ............................................ 98
6.2
Vorgesetzte und Versetzungen................................................ 102
6.3
Führungskräfte und Strukturreformen..................................... 107
6.4
Führung und Hierarchie .......................................................... 108
6.5
Führung und Autorität............................................................. 112
7
7.1
Zur Beratungsmode Coaching ............................................. 117
Globalisierung und allgemeine Komplexitätssteigerung ........ 117
7.2
Funktionale Differenzierung ................................................... 118
7.3
Organisationale und gesellschaftliche Komplexität................ 120
7.4
Beratung und ihre Moden........................................................ 126
7.5
Verlust gesellschaftlicher Autoritätsgrundlagen ..................... 130
7.6
Problemlösungen für Autoritätsverlust ................................... 135
III Schlussfolgerungen ................................................. 141
8
Die Funktionsweise von Coaching ....................................... 141
6
Inhalt
8.1
Bezugsproblem situatives Führen ........................................... 141
8.2
Coaching und Organisationstypen .......................................... 147
8.3
Erfolgssicherungen.................................................................. 149
8.4
Funktionale Äquivalente zu Coaching .................................... 153
8.5
Evaluation von Coaching ........................................................ 156
8.6
Die Instrumentalisierung von Coaching.................................. 158
8.7
Personalisierung, Strukturschutz und Mode ........................... 161
A.
B.
Interviewleitfaden ................................................................. 165
Übersicht Experteninterviews.............................................. 168
Literatur........................................................................... 169
7
Coaching: Innovation oder „alter Wein in neuen Schläuchen“?
1
Coaching: Innovation oder „alter Wein in neuen Schläuchen“?
So gut wie alle Publikationen der Coachingliteratur sind sich darin
einig, dass Coaching ungemein populär geworden ist. Eine Abfrage in
der Internetsuchmaschine „Google“ liefert rund 3,3 Millionen Treffer
und scheint diese Einschätzung zu bestätigen1. Seit dem das Wort
Coaching außerhalb der Terminologie des Sports auftaucht, ist aber
damit die Frage verbunden, ob diese Methode der Beratung von
Leistungsträgern nun als „soziale Innovation in der Personalentwicklung“ (Geßner 2000) zu loben oder nur als „alter Wein in neuen
Schläuchen“ (Sattelberger 1990) zu durchschauen ist. Versuche, einen
einzigartigen Bedarf nach Coaching aufzuweisen, kommen in der
Regel über wage Vermutungen und Spekulationen im Zusammenhang
mit Komplexitätssteigerung, Dynamisierung und Globalisierung nicht
hinaus. Zahlreiche Definitionsversuche der Praktikerliteratur
verweisen auf die Schwierigkeiten, überhaupt einen Begriff von
Coaching zu finden (vgl. z.B. Kilburg 1996, 2000; KampaKokesch/Anderson 2001; Fengler 2001). Noch immer beginnen
Publikationen zu Coaching mit der Frage, was darunter eigentlich
verstanden werden könne und gegen welche modischen Verwendungen es abgegrenzt werden müsse (vgl. z.B. Böning/Fritschle 2005).
Illustre Neologismen wie „Astrologie-Coaching“, „SM-Coaching“
oder „Musik-Coaching“ (ebd.: 17 ff.) und nicht zu vergessen das
klassische Coaching im Sport lassen es dringend erforderlich
erscheinen, eine Begriffsbestimmung vorzunehmen. Für diese Arbeit
wurde ein Verständnis gewählt, das als Minimalkonsens gelten kann.
Demnach interessiert Coaching als personenzentrierte Beratung von
Personal (Coachees) in Organisationen durch beruflich spezialisierte
1
Zum Vergleich: das Wort des Jahres 2005 „Bundeskanzlerin“ liefert nur 1,3
Millionen Treffer (beide mit der Suchoption „Seiten auf Deutsch“; Januar 2006).
Ein erneuter Vergleich im April 2007 liefert Hinweise, dass die Modewelle
inzwischen im Abnehmen begriffen ist: „Coaching“ ergibt „nur“ noch 1.490.000
Treffer.
9
Coaching: Innovation oder „alter Wein in neuen Schläuchen“?
Berater (Coaches)2. Der Vorteil dieser Begriffsbestimmung liegt in
ihrer sachlich-thematischen Offenheit und in ihrem Bezug auf die
soziologisch gut betreute „fait sociale“ Organisation.
„Executive Coaching Catches On“ titelte schon 1957 ein Artikel
der Business Week. Diese Behauptung scheint aus heutiger Sicht doch
etwas voreilig gewesen zu sein. Für Deutschland kann man sagen,
dass Coaching in Unternehmen seit rund 15 Jahren anfangs vereinzelt,
seit 6–8 Jahren regelmäßiger eingesetzt wird (Böning/Fritschle 2005).
Die empirische Relevanz beginnt gerade erst eine Dimension zu
erreichen, ab der eine soziologische Untersuchung lohnenswert
scheint. Der Trend umfasst nicht mehr nur Unternehmen, wo sich
Coaching in industriellen Großbetrieben schon weitgehend etabliert
hat, sondern ergreift inzwischen auch Organisationen außerhalb des
industriellen Produktions- und Finanzbereichs, wie Verwaltungen
(Olivero et al. 1997), Krankenhäuser (Hutton 2003; König 2002),
Kirchen (Ingenlath 2004), Schulen (Menzel 2004) und sogar
Wissenschaftler (Klinkhammer 2004).
Aufgrund des dürftigen Forschungsstands wurde eine empirische
Herangehensweise gewählt. Dazu stehen aus einer Coachingstudie
von Stefan Kühl (2005a) im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für
Supervision DGSv 24 Experteninterviews zur Verfügung. Die
soziologische Verortung von Coaching bereitet einige Probleme,
weshalb sich die Gliederung dieser Arbeit im Analyseteil weitgehend
an der Begriffsbestimmung von Coaching als personenzentrierte
Beratungsmethode in Organisationen orientiert. So wird es nach der
Ausarbeitung der Forschungsfrage (Kapitel 2) und Darlegung des
methodischen Vorgehens (Kapitel 3) im ersten Analyseschritt darum
gehen, einen empirisch informierten Überblick über Verbreitung und
strukturelle Verankerung von Coaching in Organisationen zu
gewinnen (Kapitel 4).
2
Im Englischen findet man häufig die Bezeichnung „executive coaching“, im
Deutschen ist entsprechend von „Führungskräftecoaching“ die Rede. Die
suggerierte Fokussierung auf Führungskräfte stellt aber kein Definitionskriterium
dar und muss als Marketingelement verstanden werden, das Bedeutung und
Honorare von Coaches erhöhen soll.
Als Synonym wird hier bisweilen auch „personalzentrierte Beratung“ verwendet,
das den Zusammenhang von Person und Organisation verkürzt wiedergibt.
10
Coaching: Innovation oder „alter Wein in neuen Schläuchen“?
Im Folgenden muss geklärt werden, welche Art „persönlicher“
Probleme von Organisationen als relevant erachtet werden (Kapitel 5).
Dabei zeigt sich, dass Organisationen nur solche persönlichen
Probleme wahrnehmen können, die auf organisatorische Probleme
verweisen. Daraus ergibt sich die These, dass es sich bei „persönlichen“ Problemen um die Externalisierung organisationaler Problemen
auf Personen handelt. Im nächsten Schritt ist zu untersuchen, weshalb
Führungskräfte von dieser Personalisierung organisationaler Probleme
besonders betroffen sind (Kapitel 6). Die organisationssoziologische
Bearbeitung des Themas Coaching erweist sich an dieser Stelle als
nicht ausreichend, weil Personalisierung organisationaler Probleme
kein neues Phänomen darstellt, das nun erstmalig mit Coaching
bearbeitet werden könnte. Die Analyse zeigt, dass Coaching trotz
behaupteter „Innovation“ (vgl. Geßner 2000) für konventionelle
Problemlagen von Organisationen eingesetzt wird. Stattdessen muss
die Neuerung darin gesehen werden, dass Führungskräfte bei
personalisierten Problemen systematisch auf Beratung durch beruflich
spezialisierte „Coaches“ (vgl. Kühl 2005a: 9 f.) zurückgreifen
können.
Die Frage, was Coaching notwendig macht, kann aus der Perspektive von Organisationen nicht schlüssig beantwortet werden. Weder
wird Coaching für neuartige Probleme in Organisationen eingesetzt
noch kann ein einzigartiger Beratungsbedarf nach Coaching
identifiziert werden. Stattdessen kann man aber fragen, was es
ermöglicht hat, dass man nun Führungskräften mehr oder weniger
offiziell Defizite unterstellen kann, um dann in persönlichen
Beratungsprojekten für Abhilfe zu sorgen. Die wesentlichen
„Veränderungen der Rolle des Managements“ (Deutschmann et al.
1995) sind durch den Abbau gesellschaftlich subventionierter
Autorität von Führungskräften verursacht (vgl. Luhmann 2000: 203
ff.). Erst wenn die Autorität kraft Herkunft und Bildung nicht mehr
selbstverständlich ist, kann man Führungskräften offiziell persönlichen Beratungs- und Entwicklungsbedarf unterstellen (Kapitel 7).
Schließlich werden Konsequenzen aus dieser Erkenntnis diskutiert
und die Funktionsweise und Problemlagen von Coaching aus der
Perspektive des gesellschaftlichen Autoritätsverlusts und den Folgen
für Organisationen beleuchtet. Akzeptiert man diese gesellschaftliche
Entwicklung als Bedingung für die Möglichkeit, Führungskräfte
persönlich zu beraten, lässt sich Coaching weniger als die „Quadratur
11
Coaching: Innovation oder „alter Wein in neuen Schläuchen“?
des Kreises“ in der Personalentwicklung begreifen, denn als
„Beratungsfenster“, das gesellschaftlich geöffnet wurde, das sich aber
durch Beratung nicht wieder schließen lässt. Die Schlussfolgerung
daraus ist, dass es sich bei Coaching sicherlich um ein modisches
Wort handelt, das möglicherweise schon bald an Wirkung verlieren
wird. Die Möglichkeit und die Legitimität der personenzentrierten
Beratung von Führungskräften werden sich dagegen nicht wieder
rückgängig machen lassen, selbst wenn kein einzigartiger Bedarf
dafür nachgewiesen werden kann (Kapitel 8).
12
Konzeption
Forschungsfrage
I Konzeption
2
Forschungsfragen
Der Grad der Institutionalisierung von Coaching in Organisationen
ist noch schwer einzuschätzen. Regelhaftigkeit und Häufigkeit
erreichen erst langsam ein Ausmaß, das das Thema für die Soziologie
wahrnehmbar macht. Die soziologische Einordnung fällt zu diesem
Entwicklungsstand noch schwer3. Es stellt sich die Frage, ob man
Coaching treffend als „soziale Innovation“ (Geßner 2000) beschreibt
oder ob es sich schlicht um „another fad“ (Kampa-Kokesch/Anderson
2001: 205) der Beratungswirtschaft handelt. Das Forschungsinteresse
richtet sich daher auf eine soziologische Antwort der Frage, ob
Coaching „alter Wein in neuen Schläuchen“ (Sattelberger 1990) ist.
Verlässliche quantitative Daten über das Verbreitungsausmaß von
Coaching wurden bisher noch nicht erhoben. Diesem Mangel kann
auch hier nur ansatzweise abgeholfen werden. Anhand von
Printmedienindizes lässt sich ein quantitativer Eindruck von
Publikationstrends in Fachöffentlichkeit und massenmedialer
Öffentlichkeit vermitteln. Der bisherige Trend nimmt einen Verlauf,
wie er typisch auch für Managementmoden nachgewiesen werden
kann (vgl. Benders/Van Bijsterveld 2000; Benders et al. 2005). Daraus
lässt sich die These formulieren, dass die Wahrnehmung von
Coaching als Mode aus der exponentiell gestiegenen Publikationsdichte herrührt. Dieser Eindruck steht aber im Kontrast zur
organisationalen Bedeutung. Wie aus den Interviews deutlich wurde,
ist dort Coaching eher „ein knappes Gut“ (Schulz, Unternehmen 1),
das nur nach ausführlichen Entscheidungsprozessen eingesetzt wird.
Die Frage, ob Coaching „nur“ eine Modewelle ist, hat weitreichende Konsequenzen, denn diese Frage ist gewissermaßen die
„Killerfrage“: wer Coaching als reine Mode einschätzt, muss sich gar
nicht mehr länger damit auseinandersetzen. Jedenfalls trifft man mit
3
So versteht der Soziologe Struck unter Coaching 1998 noch etwas ganz anderes:
„Ältere Beschäftigte höherer Hierarchieebenen finden sich paarweise mit jüngeren
Beschäftigten zusammen“ (Struck 1998: 128). In Abgrenzung zum hier
vertretenen Verständnis von Coaching handelt es sich bei Struck eher um
„Mentoring“ (vgl. Kimmle 2004).
13
Forschungsfrage
Konzeption
dem Modeargument eine Entscheidung gegen jede rationale oder
funktionale Erklärung. Als klassisches Beispiel für die Absage an
Ansprüche an Rationalität oder Funktionalität existiert der Erklärungsansatz der neo-institutionalistischen Schule. Überspitzt
formuliert setzen sich dort Institutionen als kulturelle Innovationen
durch, weil sie sich durchsetzen. Man kann, ja man will nicht erklären,
weshalb sie sich durchsetzen. Radikal rationalitätskritisch stellt man
nur fest, dass sich Organisationen an gesellschaftlichen Institutionen
aus Legitimitätsgründen und nicht aus funktionalen Gründen
orientieren (vgl. Meyer/Rowan 1977; Zucker 1977; DiMaggio/Powell
1983; für einen Überblick: Hasse/Krücken 1999). Übertragen auf das
Thema Coaching würde das bedeuten: Coaching wird deshalb in
Organisationen eingesetzt, weil Coaching in der Umwelt der
Organisationen (also insbesondere in anderen Organisationen)
institutionalisiert ist. Sicherlich spielen wechselseitige Beobachtungen
von (Referenz-)Organisationen eine wichtige Rolle. In dieser Arbeit
soll aber Coaching insofern über die Modebehauptung hinaus
untersucht werden, als es dennoch zu einer Rationalisierung des
Coaching-Konzepts in der jeweiligen Organisation kommt. Im
Wesentlichen leisten diese Rationalisierungen die Personalentwickler
bzw. „Gatekeeper“ der Organisationen (siehe 4.2.2 Kompetenzen im
Coaching). Der hier vertretene Erklärungsanspruch bleibt aber nicht
bei den formulierten Rationalisierungen der interviewten Gatekeeper
stehen, sondern kontrastiert diese mit organisationssoziologischen
Erkenntnissen und fragt danach, welche soziale Funktionen der
Einsatz von Coaching unabhängig von rationalisierten Absichtserklärungen übernimmt.
Das bis jetzt verfügbare Wissen über Coaching entstammt vorwiegend praxisorientierten Publikationen aus Organisationspsychologie,
Pädagogik beruflicher Bildung und Managementlehre (vgl. KampaKokesch/Anderson 2001: 205). In erster Linie wird die Leistung von
Coaching darin gesehen, persönliche mit betriebswirtschaftlichen
Zielen zu harmonisieren. Demnach sei, so lautet die Standardbehauptung, Coaching in besonderer Weise dazu geeignet, die Ziele von
Personen mit denen von Unternehmen zu verbinden. Nicht nur würden
die Zufriedenheit und das allgemeine Lebensglück von Personen in
beruflichen Rollen gesteigert; gleichzeitig verwirkliche Coaching eine
bisher unerreichte Effektivitätssteigerung des gecoachten Personals. In
diesen Behauptungen scheint Coaching eine wahre Wunderwaffe für
14
Konzeption
Forschungsfrage
die Harmonisierung und Optimierung privater, beruflicher und
unternehmerischer Interessen zu sein (exemplarisch: Nowack 2003).
Diese Einschätzung ist soziologisch zumindest überraschend, wenn
nicht unglaubwürdig, und bedarf der Überprüfung. Moderne
Organisationen erreichen ihre gesellschaftlich nicht zu ersetzende
Leistungsfähigkeit gerade dadurch, dass sie von den persönlichen
Bedürfnissen ihrer Mitglieder weitgehend abstrahieren. Die erste
umfassende Beschreibung der organisierten Verhältnisse lieferte Karl
Marx in den Begriffen der Teilung von beruflichem und privatem
Leben und radikaler Selbstentfremdung (Marx/Engels 1969; 1988).
Der korrespondierende wissenschaftliche Standpunkt war Kritik. Mit
Max Weber wurde das Phänomen dann begrifflich als Trennung von
Amt und Person gefasst (vgl. Weber 1922: 125 ff.). Beeindruckt von
der bis dato unerreichten Leistungsfähigkeit moderner Bürokratie als
„Herrschaftsapparat“ (Weber 1956) verblasste die Kritik zum
allgemeinen Kulturpessimismus. Ab den 30er Jahren entdeckt man
jedoch die Unvollständigkeit formaler Systeme und fasst neuen Mut
mit der Beachtung informaler, persönlicher Beziehungen in Gruppen
(Roethlisberger/Dickson 1939). Ab der Mitte des Zwanzigsten
Jahrhunderts schließlich kommt es zu einer rollentheoretischen
Reformulierung des Forschungsstands. Mit Niklas Luhmann (1999)
werden formale und informale Rollen als komplementär, aber nicht
gleichrangig ausgewiesen. Führend sind demnach formale Rollen, die
aber systemnotwendig durch informale Rollen ergänzt werden
müssen. Beide Rollentypen sind jedoch ohne die Differenz von Person
und Rolle nicht verfügbar. Die Person ist also nicht Bestandteil der
Organisation. Ganz wörtlich heißt das, dass Personen eine Rolle
spielen. In ihrer Rolle wird die Person zum Personal4. Personal
bezeichnet die Personenkonstruktion durch Organisation, die nach
Maßgabe der Organisation darüber entscheidet, welche Personenmerkmale und -motive wahrgenommen werden und welche ignoriert
werden. Das Personal der Organisation ist eine Eigenkonstruktion der
Organisation und keine Kopie gesellschaftlich geprägter und
verfügbar gehaltener Personen.
4
Gesellschaftstheoretisch gesprochen verdankt sich die Ausdifferenzierung von
Organisationen der in der Moderne institutionalisierten und weiter zunehmenden
Differenz von Person und Rolle(n): Moderne Organisation „ist nur dank dieser
Trennung möglich“ (Luhmann 1987: 431)
15
Forschungsfrage
Konzeption
Dieser Erkenntnisstand ist heute in der Soziologie mit unterschiedlichen Konnotationen weithin akzeptiert. In den Quellwissenschaften
der Coachingliteratur herrscht dagegen vielerorts die Überzeugung,
Organisationen bestünden aus Menschen bzw. aus Personen.
Dementsprechend sei es eigentlich selbstverständlich, dass alles, was
die Entwicklung und dem Wohlergehen von Menschen/Personen
diene, auch ebenso der beschäftigenden Organisation nütze. Als
„personenbezogene Einzelberatung von Menschen in der Arbeitswelt“
(Looss 1991) befasse sich Coaching definitionsgemäß mit persönlichen beruflichen Problemen von Führungskräften. In Coaching, so die
geschürte Hoffnung, gelinge die „Quadratur des Kreises“ der
Personalentwicklung, die darin besteht, Personen zu beiderseitigem
Nutzen von Person und Organisation zu entwickeln. Die Expertenbefragung bestätigt, dass es kaum Misserfolge beim Einsatz von
Coaching gibt. Angesichts mangelnder Evaluationen von Coaching
stellt sich aber erstens die Frage, worin dieser Erfolg besteht. In einem
zweiten Schritt wird dann zu erklären sein, wie dieser Erfolg zustande
kommt.
Bevor diese Fragen bearbeitet werden können, muss zunächst ein
empirisch informierter Überblick geschaffen werden, wie Coaching in
Organisationen verankert ist. In der Behauptung, Coaching sei keine
Modeerscheinung, wird argumentiert, dass immens gesteigerte
Komplexität von Arbeits- und Führungsrollen den Bedarf nach dieser
Form der personenzentrierten Beratung begründe. Freilich wird die
Komplexitätssteigerung nicht weiter konkretisiert. Daher gilt es, das
empirische Material daraufhin auszuwerten, bei welchen organisationalen Anlässen Coaching zum Einsatz kommt. Entlang der von
Luhmann beschriebenen Organisationsstrukturen bzw. „Entscheidungsprämissen“ (Luhmann 2000) rücken damit Fragen in den
Mittelpunkt, nach welchen Regeln (Programme) und bei welchen
organisationalen Ereignissen Coaching eingesetzt wird, welche
Kompetenzen (Kommunikationswege) dazu abgerufen werden und
welche Voraussetzungen die daran beteiligten Personen (Personal)
erfüllen müssen.
Die Suche nach einem spezifischen Bedarf von Coaching legt eine
funktionale Analyse nahe, wie sie von Niklas Luhmann ausgearbeitet
wurde (Luhmann 2005c). Damit lässt sich der Frage nachgehen, ob
Coaching tatsächlich Probleme der Organisation bearbeitet. Die
systemtheoretische Organisationssoziologie Luhmanns nimmt als
16
Konzeption
Forschungsfrage
grundlegendes, gesellschaftliches Bezugsproblem von Organisationen
„Unsicherheitsabsorption“ an (Luhmann 2000: 184). Der Kommunikationsmodus, um Unsicherheit in Sicherheit zu wandeln, ist
Entscheidung. Organisationen funktionieren auf der Basis der
alternativlosen Rekursion auf eigene Entscheidungen. Entscheiden ist
Unsicherheitsabsorption. Wenn Coaching also entgegen dem
Modeverdacht ein Bezugsproblem der Organisation bearbeitet, dann
muss es letztlich als Unsicherheitsabsorption, das heißt als
Entscheidung kenntlich sein. Die funktionale Analyse konzentriert
sich daher darauf, die Entscheidungsstrukturen zu isolieren, die im
Zusammenhang mit Coaching empirisch feststellbar sind.
Es zeigt sich, dass die offiziell angegebenen Bezugsprobleme, die
mit Coaching bearbeitet werden sollen, weitgehend auf konventionellen Ereignissen in Organisationen beruhen. Die Innovation im
Coaching kann daher nicht darin gesehen werden, dass neuartige
Probleme eine neue Lösung erforderten. Die Neuerung besteht darin,
dass die personenzentrierte Beratung von Führungskräften in
Organisationen zunehmend strukturell verankert wird5. Während
Personal noch vor 20 Jahren weitgehend im Untergrund, fallweise und
relativ unstrukturiert beraten wurde, diffundiert die personenzentrierte
Beratung seither in formale Strukturen der Organisation. Coaching
reagiert damit weder auf neuartige Problemstellungen noch handelt es
sich um eine neuartige Beratungsform.
Alter Wein in neuen Schläuchen also? Nicht ganz, denn noch nie
wurde so in aller betrieblichen Öffentlichkeit beraten wie heute. Mit
diesem Ergebnis, dass Coaching altbekannte Problemlagen bearbeitet,
muss die Forschungsfrage reformuliert werden. Die zu erklärende
Veränderung besteht in der zunehmenden Formalisierung und die
Frage muss nun lauten, was es ermöglicht hat, Führungskräften quasi
in aller Öffentlichkeit persönliche Defizite zu unterstellen, denen
durch Entwicklung und Beratung abgeholfen werden könne. Diese
Frage kann nicht länger organisationssoziologisch bearbeitet werden,
sondern erfordert, den Blick auf den Wandel der gesellschaftlichen
Autoritätsgrundlagen von Führung (vgl. Luhmann 2000: 203 ff.) zu
richten.
5
Das gilt für Organisation. Professionssoziologisch betont Stefan Kühl „die
Ausbildung einer Berufsrolle“ (Kühl 2005a: 9 f.).
17
Forschungsfrage
Konzeption
Dass kein singuläres und kein neuartiges Bezugsproblem gefunden
werden konnte, hat auch methodische Konsequenzen für die
Erklärung des Coachingbooms. Die strikte Kopplung genau einer
Ursache mit genau einer sozialen Lösung gehört zum kausalwissenschaftlichen Ideal der soziologischen Erklärung (vgl. Esser 1993, v. a.:
29 ff.)6. Mit zunehmender Abweichung vom Ideal des Kausalmodells
verwässert sich der Erklärungsgehalt dieser Methode. Die Vorteile
einer funktionalen Analyse dagegen treten in diesen typischen Fällen
der Multikausalität und Multifunktionalität zu Tage (vgl. Luhmann
2005b). Coaching kann einerseits dahingehend verglichen werden,
welche funktional äquivalente alte Lösungen für ein altes Organisationsproblem vorhanden sind; und andererseits dahingehend, welche
verschiedenen Problemlagen sich Coaching erschließt (vgl. Luhmann
2005c).
Das weitere Vorgehen hat das Verhältnis von Führung, Autorität
und Beratung in den Blick zu nehmen. Während Führungsthemen vor
allem von der Managementlehre betreut werden, dort aber zu keinen
eindeutigen Ergebnissen gelangen (Nicolai/Kieser 2002), führt das
Thema Autorität in der Soziologie nach langen Jahren des Interesses
inzwischen ein Randdasein. Darüber gibt es offensichtlich nicht mehr
viel zu sagen außer, dass sie gesellschaftlich kaum noch gestützt ist
und dies die Konsequenz der Verunsicherung von Führungskräften
nach sich zieht (vgl. Faust et al. 1994: 125; Luhmann 2000: 205).
Management- und Unternehmensberatung sind inzwischen soweit
etabliert, dass es schon als Besonderheit vermerkt wird, wenn größere
Unternehmen auf Beratung verzichten (Wooldridge 1997). Die
soziologische Beratungsforschung ist inzwischen breit gefächert vor
allem in der Arbeits- und Industriesoziologie (z.B. Clark 2002;
Ernst/Kieser 2002; Faust 2002), aber auch in der allgemeinen
Soziologie (z.B. Degele et al. 2001; Baecker 2005) verankert. Zum
6
Das Ideal der kausalwissenschaftlichen Erklärung darf nicht verwechselt werden
mit der methodologisch weit umsichtigeren Formulierung von Idealtypen eines
Max Webers. Denn Weber ist sich nur zu deutlich bewusst, dass „uns das Leben,
sobald wir uns auf die Art, in der es uns unmittelbar entgegentritt, zu besinnen
suchen, eine schlechthin unendliche Mannigfaltigkeit“ (Weber 1988: 171) bietet.
Stattdessen interessiert sich der Wissenschaftler Weber für „die g e d a n k l i c h e n
Zusammenhänge der P r o b l e m e “ (ebd.: 166). Eben das leistet die funktionale
Analyse (vgl. Kapitel 3.4 Wissenschaftliche Erklärungen).
18
Konzeption
Forschungsfrage
Teil ist man sehr selbstbewusst mit der Konstruktion einer neuen
Bindestrichsoziologie der Beratung befasst und diagnostiziert bereits
die „Beratungsgesellschaft“ (Schützeichel/Brüsemeister 2004). Die
gängigen Erklärungen, wie es zum Beratungsbedarf kommt,
behaupten, dass durch Beratung wieder relative Sicherheit gewonnen
werden könne, die der modernen Gesellschaft und damit auch ihren
Organisationen abhanden gekommen sei. Insbesondere funktionale
Differenzierung führe zu einer Komplexitätssteigerung, die Manager
soweit verunsichere, dass sie ihr Gefühl des Kontrollverlusts durch
Beratung zu kurieren suchen (Ernst/Kieser 2002: 73). Die kombinierte
Erklärung anhand funktionaler Differenzierung der Gesellschaft und
anthropologischem Kontrollstreben von Managern bei Ernst/Kieser
kann aber soziologisch nicht überzeugen. So eine Erklärung des
Beraterbooms ist soziologisch und gesellschaftstheoretisch
unzulänglich. Auch die Vermutung, dass durch Beratung Sicherheit
gewonnen werden könne, kann nicht befriedigen, weil Beratung selbst
wiederum Entscheidungen unter Ungewissheit (Welche Berater?
Welcher Ansatz? Welcher Vorschlag? Wozu überhaupt Beratung?)
erfordert und nicht ersetzt (Schützeichel 2004a: 276). Die gestiegene
Aufmerksamkeit in der Soziologie für Beratungsthemen kann aber
nicht darüber hinweg täuschen, dass bislang kein eindeutiges
Bezugsproblem gefunden wurde. Man weiß nicht so recht, welches
Problem Beratung eigentlich löst, ob es wiederum ein einzigartiges
Problem gibt oder ob mögliche Bezugsprobleme eigentlich neuartig
sind.
An diesen Punkt gelangt auch die Analyse der personalzentrierten
Beratungsdienstleistung Coaching. Ein Ausweg aus diesem
unbefriedigenden Ergebnis besteht darin, Beratung bzw. Coaching
nicht als funktionales Äquivalent von Autorität zu begreifen, sondern
als „Parasit“ (Serres 1987) einer gesellschaftlichen „Tendenz (…) in
die Richtung auf ein gleiches Verhalten in allen Lebenslagen“ (Elias
1989: 42). Obwohl Organisationen nach wie vor hierarchisch
strukturiert sind (Kühl 1999), verlieren autoritäre Entscheidungen an
Legitimität und die Hierarchie scheint „mit ihren Notstandskompetenzen (…) nur eine Hilfsfunktion“ (Luhmann 2000: 207) zu erfüllen.
Der eine, autoritäre Führungsstil passt nun nicht mehr in allen Fällen.
Stattdessen haben Führungskräfte zu beobachten, wie sie von ihren
Mitarbeitern beobachtet werden. Die abschließende These lautet, dass
persönliche Coaches dabei behilflich sein können, welcher
Führungsstil in bestimmten problematisch erlebten Fällen, legitim
19
Forschungsfrage
Konzeption
eingesetzt werden kann. Das Problem ist nur, dass Coaching wie jede
andere Beratung nur Einzelfalllösungen erarbeiten kann ohne Garantie
dafür, wie gut oder wie lange diese Lösung wirkt. Mit anderen
Worten: wer sich einmal auf Beratung eingelassen hat, wird sie nur
schwer wieder los.
20
Konzeption
3
Methodisches Vorgehen
3.1
Empirische Erhebung
Methodisches Vorgehen
3.1.1 Forschungsdesign
Die anhaltenden Querelen um Definition, Methodik und Wirksamkeit von Coaching in der Praktikerliteratur lässt eine empirische
Herangehensweise empfehlenswert erscheinen. Ein schnell
wachsender Markt mit einem vermutlich noch schneller wachsenden
Angebot produziert eine Fülle von Literatur, Umfrageergebnissen und
Marktstudien, deren Wert in erster Linie der Verbesserung der
Marktchancen ihrer Autoren geschuldet ist. Wirksamkeitsstudien
beziehen sich nur auf die Frage, ob Coaching auch das hält, was es
verspricht. Ob Coaching daneben möglicherweise noch ganz andere
„latente Funktionen“ (Merton 1995: 59 ff.) erfüllt, etwa der Ideologie,
Verschleierung oder gar „Gehirnwäsche“ (Deutschmann 2002: 134),
kann aus diesen Publikationen nicht beantwortet werden.
Um die in vielen Fällen mit normativen Anteilen behafteten
Definitionen von Coaching nicht unbesehen zu übernehmen, liegt der
Schwerpunkt auf einem qualitativen Forschungsdesign. Diese
Herangehensweise ist besonders bei empirischen Feldern geeignet, die
bisher noch wenig beforscht sind. Für eine Abschätzung der
empirischen Relevanz und der Modeförmigkeit des Themas wurden
Printmedienindizes gebildet. Diese Indizes bieten aber nur einen
Überblick über die Entwicklung in der öffentlichen und fachöffentlichen Aufmerksamkeit. Um das Feld in Organisationen beurteilen zu
können, wurde mit offenen, leitfadengestützten Experteninterviews
eine Methode gewählt, die sich für noch weitgehend unerforschte
Themen eignet. Aus der verfügbaren Literatur konnte zwar ein
Vorverständnis gewonnen werden. Die Offenheit des Leitfadens sowie
die als Laie gekennzeichnete Rolle des Forschers im Experteninterview erlauben jedoch die ständige Erweiterung und Anpassung der
zugrunde liegenden Annahmen des Forschers, um so das Feld in
möglichst vielen Facetten kennenzulernen.
Untersucht wurden zu etwa zwei Drittel Organisationen vom Typ
Unternehmen. Unternehmen verfügen über die umfangreichste
Erfahrung und die am weitesten fortgeschrittene Institutionalisierung
von Coaching (und generell Personalentwicklung). Zur Erhöhung der
Varianz beim möglichen Einflussfaktor Organisationstyp wurden
21
Methodisches Vorgehen
Konzeption
jedoch auch etwa ein Drittel Non-Profit-Organisationen aus den
Bereichen Kirche, Verwaltung, Gewerkschaft und Sozialhilfe in die
Untersuchung einbezogen. In diesen Organisationen liegen weit
weniger Erfahrungen mit Coaching vor und zum Teil befinden sich
die Coachingmaßnahmen erst in der Planung oder Erprobung.
Eine denkbare Ursache für diesen Befund könnte man in der Größe
der Organisationen gemessen an ihrem Personalbestand vermuten.
Umso größer eine Organisation ist, umso mehr kann mit spezialisierten Abteilungen für Personalentwicklung und also auch mit Coaching
rechnen. Zumindest für das hier verwendete Organisationssample7
trifft dieser Zusammenhang allerdings nicht zu. Zum einen streuen die
Personalstärken der befragten Unternehmen sehr breit von 3.000 bis
230.000 und zum andern sind z.B. in Kirchen und Verwaltungen
häufig ähnlich viele Personen beschäftigt und dennoch findet man hier
seltener Coaching. Zwei Argumente, weshalb Coaching in
Unternehmen stärker institutionalisiert ist als in den anderen
untersuchten Organisationstypen, werden weiter unten entwickelt
(siehe Kapitel 8.2).
3.1.2 Printmedienindizes
Die meisten Fachpublikationen zum Thema Coaching stimmen in
der Überzeugung überein, dass es sich zwar um ein modisches Thema
handle, das aber durch einen echten Bedarf hervorgerufen sei.
Beginnend mit einigen Printmedienindizes soll die Modeförmigkeit
des Themas Coaching in der Presse überprüft werden. Diese Methode
der quantitativen Trendschätzung vermittelt einen ersten Eindruck
über die Bedeutung von Coaching in der öffentlichen und fachöffentlichen Diskussion. Im Vergleich mit schon fast klassisch zu
nennenden Managementmoden „Gruppenarbeit“ und „Lean
Management“ lässt sich ein Eindruck über die Mode- bzw.
Dauerhaftigkeit des Themas gewinnen.
Es kursieren eine Reihe von marketingfähigen Coachingstudien
(z.B. Böning/Fritschle 2005; iSL Sozialforschung/Evolution
Management 2005; PEF 2005), die aber wissenschaftlichen
Ansprüchen nicht genügen können. Leider sind keine Angaben zur
7
, …das freilich zu klein und mit zu wenigen Drittvariablen erhoben wurde, um
gehobene Ansprüche der induktiven Statistik erfüllen zu können (vgl. Anhang D.
Übersicht Experteninterviews).
22
Konzeption
Methodisches Vorgehen
untersuchten Grundgesamtheit enthalten, so dass die quantitativen
Aussagen nur die Qualität ordinalskalierter Daten erhalten. Schlüsse
auf den Coachingmarkt lassen sich daraus nicht generieren. Die
Printmedienindizes liefern zwar ebenfalls nur ordinalskalierte
Datenqualität. Indizes für verwandte Themen erlauben aber wenigsten
eine vergleichende Einschätzung der Trendentwicklung.
3.1.3 Leitfadengestützte Experteninterviews
Die empirische Basis dieser Studie liefern 18 Experteninterviews
mit so genannten Gatekeepern, also Personalentwicklern in
Positionen, an denen über den Einsatz von Coaching sowie über die
Zulassung der Coaches innerhalb der Organisation entschieden wird.
Die Interviews wurden im Rahmen der Coaching-Studie von Stefan
Kühl (2005a), gefördert von der Deutschen Gesellschaft für
Supervision (DGSv) in Köln, zwischen dem 20. Juni und dem 29. Juli
2005 durchgeführt8. Die hier behandelte Fragestellung nach der
Bedeutung und Funktion von Coaching in Organisationen stellt nur
einen Teil des im Interview verfolgten Forschungsinteresses dar. Für
die DGSv spielte eine wichtige Rolle, einen Eindruck über das
Marktgeschehen zu erhalten insbesondere darüber, welche Anbieter
von Coaching vorzufinden sind, welche Qualifikationen und
Zertifizierungen diese vorweisen können und welche Strategien zur
Professionalisierung der Coaches von eine Vielzahl von Berufsverbänden (vgl. Schwertfeger 2004) verfolgt werden.
Die Befragungen der organisationalen Gatekeeper mit einer
durchschnittlichen Länge von 90 Minuten wurden ergänzt durch
Interviews mit drei Coaches, einem Geschäftsführer eines Beratungsunternehmens im Bereich Personalmanagement und -entwicklung, der
Vertreterin eines Berufsverbands für Coaching sowie letztlich der
Vertreterin einer Prüf- und Zertifizierungsstelle für Coaches. Die
Ergänzung durch Experten, die außerhalb von nachfragenden
Organisationen stehen, stellte eine hilfreiche Kontrolle der
Innenansichten durch die Gatekeeper dar. Insbesondere verfügt diese
zweite Gruppe von Interviewpartnern über Kenntnisse der Coachingpraxis in mehreren Organisationen, wodurch ein fundierter
Überblick über das Thema vermittelt werden konnte.
8
Davon wurden 9 Interviews von Stefan Kühl, 8 gemeinsam und 7 vom Autor
geführt. Die Transkription erledigte der Autor.
23
Methodisches Vorgehen
Konzeption
Methodenkritik könnte vor allem daran ansetzen, dass das empirische Material im Kern aus Experteninterviews gewonnen wurde,
obwohl der Untersuchungsgegenstand Coaching in erster Linie als
Interaktion zu Tage tritt (vgl. 4.2.4 Coaching als Interaktion). Was
kann man über Coaching als Interaktion oder als psychologische
Technik oder als personenzentrierte Beratung aussagen, wenn man
dies gar nicht direkt erforscht hat? Nicht allzu viel, aber das ist auch
nicht die Intention dieser Analyse9. Wie schon der Titel der Arbeit
andeutet geht es darum zu klären, wozu Coaching in Organisationen
eingesetzt wird. Das aber lässt sich durchaus in Gesprächen mit
entsprechenden Organisationsmitgliedern in Erfahrung bringen. Hinzu
kommt, dass auch die Organisation selbst durch das Gebot der
Vertraulichkeit im Unklaren darüber ist, was genau in Coachinginteraktionen vor sich geht. Organisationen rechnen gerade nicht mit
einem speziellen und direkten Einfluss durch die Coachinginteraktion,
weshalb es für eine funktionale Analyse der Organisation gleichfalls
irrelevant ist, was im Beratungsgespräch selbst geschieht. Das
Coaching mag wichtige persönliche Bedeutung für die Beratenen
haben; es mögen elaborierte psychologische und didaktische
Techniken zu Anwendung kommen. Sofern Folgen für Organisation
auftreten, wären sie in der Coachinginteraktion ohnehin nicht direkt
feststellbar, sondern können besser von den Gatekeepern berichtet
werden.
3.1.4 Auswahl der Interviewpartner
Im Wesentlichen wurden drei Kriterien für die Auswahl der
Experten gestellt. Erstens sollten die in Frage kommenden Organisationen Coaching institutionalisiert haben. Das bedeutet, dass die
Organisation Coaching als Teil der Personalentwicklung regelmäßig
und programmatisch anbietet. Als ein relativ neues und spezielles
Instrument der Personalentwicklung bedeutet diese Forderung, dass
sich die Grundgesamtheit auf relativ große Organisationen
9
Die Untersuchung der Coachinginteraktion an sich stellte ein ganz anderes
Forschungsziel dar. Allerdings verschöbe sich in diesem Fall das Forschungsinteresse auf die Frage, welche Strukturänderungen im Systemtyp Organisation durch
Vorgänge im Systemtyp Interaktion bewirkt werden können. Die Erfahrungen über
direkte Einflüsse über Systemgrenzen hinweg sind nicht sehr erbaulich (vgl.
Luhmann 1975), was umso mehr die Analyse der organisationalen Funktion von
Coachingprogrammen rechtfertigt.
24
Konzeption
Methodisches Vorgehen
konzentriert, weil nur dort mit einer strukturierten Anwendung von
Coaching zu rechnen ist. Zweitens wurden zu Kontroll- und
Vergleichszwecken neben Unternehmen rund ein Drittel Non-ProfitOrganisationen in die Studie miteinbezogen. Und letztlich sollte es
sich bei den Interviewpartnern tatsächlich um Mitglieder der
„Funktionselite“ (Liebold/Trinczek 2002: 37 f.) von Gatekeepern
handeln, weil hier umfangreiche Kenntnisse sowohl über Merkmale
und Qualifikationen der Coaches als auch über die innerorganisatorische Praxis zu erwarten sind.
Diese Kriterien waren in erster Linie durch das Forschungsinteresse
der DGSv angeleitet, konnten aber nicht in jedem Fall vollständig
erfüllt werden. In den Fällen Kirche, Sozialhilfe und eines mittelständischen Unternehmens war Coaching zwar geplant oder in der
Erprobung, aber noch nicht institutionalisiert. Für die hier verfolgten
Fragestellungen erweist sich dies aber keineswegs als Manko, sondern
vielmehr als zusätzliche Variation der Ergebnisse, die Vergleiche
ermöglicht und entsprechende Erklärungen motiviert. Es wird zu
untersuchen sein, ob das Fehlen von Coaching in den genannten
Organisationen möglicherweise mit deren spezifischer Situation in
Zusammenhang zu bringen ist und welchen Beitrag dies zur Klärung
der Funktion von Coaching leistet (Kapitel 8.2).
Darüber hinaus fand keine systematische Auswahl statt, die in
irgendeiner Form Ansprüche induktiver Statistik genügen könnte.
Stattdessen standen pragmatische Kriterien, wie Terminfragen,
einfach zu realisierender Feldzugang, möglichst geringe Reisekosten
usw., im Vordergrund.
3.1.5 Feldzugang und Feedback
Das Feedback, also das Zurückspielen der Ergebnisse der Untersuchung an die interviewten Experten, erfolgte nach Abschluss der
Studie (Dezember 2005) durch ein Papier der DGSv. Es waren zwar
keine weiteren Diskussionsrunden oder gar eine Expertentagung
geplant (vgl. Liebold/Trinczek 2002: 57), aber die kostenlose
Rückmeldung der Ergebnisse der Studie stellte in vielen Fällen erst
den Feldzugang sicher. Die Aussicht auf eine relativ unabhängige
wissenschaftliche und qualitative Studie erzeugte bei genügend vielen
Interviewpartnern das entscheidende Teilnahmemotiv, zumal die
verfügbaren Coachingstudien bisher meist quantitativ per schriftlicher
oder telefonischer Befragung erhoben wurden oder auf der
25
Methodisches Vorgehen
Konzeption
langjährigen Erfahrung von Coaches beruhen. Wissenschaftliche
Unabhängigkeit wird in der Rezeption dieser Studien nur selten
unterstellt. Zudem kann man sich von einer qualitativen Herangehensweise entsprechend detailliertere Ergebnisse erwarten. In
Einzelfällen wurde sogar Interesse an dieser Diplomarbeit geäußert,
was die Ansprüche an die Anonymisierung erhöht (Kapitel 3.2.1).
Das Feedback erwies sich jedoch nicht nur in der Herstellung des
Feldzugangs als hilfreich, sondern auch innerhalb der Expertenbefragungen. So konnten im Laufe der Interviewphase zunehmend die
Erfahrungen und Ergebnisse aus anderen Gesprächen eingebracht
werden und so Besonderheiten der jeweiligen Organisation stärker
herausgearbeitet werden. Es zeigte sich, dass der Austausch zwischen
den Gatekeepern verschiedener Organisationen vor allem im Bereich
der Unternehmen recht gering ist, so dass die anonymisierten
Informationen über Coachingsysteme anderer Organisationen auf
Interesse stießen. Offenbar ist es der Befragungsinteraktion und den
darin geoffenbarten Informationen (ähnlich wie bei „Klatsch“; vgl.
Bergmann 1987) zuträglich, wenn man als Fragesteller ebenfalls
Informationen anbieten kann.
Im März 2006 fand an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
dann doch eine Podiumsdiskussion mit Stefan Kühl, Harald Geißler
und dem Autor, Andreas Taffertshofer statt. Als Publikum waren
Studierende der Helmut-Schmidt-Universität, Coaches und
Gatekeeper geladen. Die von Stefan Kühl wie auch vom Autor
vorgestellten Thesen führten zum Teil zu heftigen Widerständen bei
den Coaches. Die Reaktionen der Gatekeeper hingegen waren stärker
von Offenheit, Interesse und Zustimmung geprägt. Damit wurde der
Interessenskonflikt zwischen berufspolitisch geprägten Erfolgsdarstellungen der Coaches und den eher an organisationaler Effektivität und
Effizienz orientierten Gatekeepern deutlich. Insgesamt erzeugte die
soziologische Bearbeitung des Themas eine hohe Resonanz in der
„Coaching-Szene“ (vgl. die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen
der Coaching-Studie von Stefan Kühl: Werle 2007; Eidenschink 2006;
Kühl 2006a; 2006b; 2006c; 2006d; o.A. 2006; Pichler 2006a; 2006b).
26
Konzeption
3.2
Methodisches Vorgehen
Auswertung
3.2.1 Anonymisierung
Die Zusage der Anonymisierung war eine wichtige Voraussetzung
detaillierte Daten und Aussagen über die organisationale Coachingpraxis zu erhalten. Gatekeeper in Unternehmen legten zum Teil
großes Misstrauen an den Tag aus der Befürchtung heraus,
organisationsinterne Details über die Coachingsysteme gegenüber
Konkurrenten und bewerbenden Coaches zu enthüllen. Die Anführung
von Daten, Positionen und Zitaten erfolgen deshalb streng anonymisiert, das heißt in einer Form, in der weder Personen noch Organisationen rekonstruiert werden können. In der Regel sind die Angaben
zum Organisationstyp möglichst hoch generalisiert, also zum Beispiel
Unternehmen, Einrichtung der Sozialhilfe, öffentliche Verwaltung
usw., um einen möglichst großen Anonymisierungseffekt zu
erreichen. Selbst auf dieser obersten Ebene bleiben im Falle von
kirchlichen Organisationen nicht allzu viele anonymisierende
Möglichkeiten. Die Differenzierung in relativ selbständige
Landeskirchen und Bistümer muss über diesen Mangel hinweg helfen.
Zudem waren bei den Kirchen die Bedenken weniger groß als bei
Unternehmen. In anderen Fällen dient bewusste Falschinformation,
den gewünschten Anonymisierungsgrad zu erreichen. Dies wird
insbesondere durch den organisationssoziologischen Fokus begünstigt,
der zur Argumentation kaum auf Kontextbedingungen, etwa in
bestimmten Branchen, Regionen oder auf speziellen Märkten
zurückgreift, die die Rekonstruktion auf Organisationen und Personen
erleichtern würde.
3.2.2 Fallbeispiele
Die Interviewdaten liegen voll transkribiert vor. Aufgrund der
Forschungsinteressen der DGSv zu Marktlage, Anbieterprofile,
Berufsverbände und Professionalisierungsbestrebungen sind nicht alle
Passagen von direkter Relevanz für diese Arbeit. Im Zentrum steht
hier das Interesse an der Bedeutung von Coaching in Organisationen.
Um dieses Themenfeld zu erschließen, wurden die Experten gebeten,
konkrete Fallbeispiele zum Einsatz von Coaching zu berichten. Damit
aus diesen Schilderungen nicht besondere, sondern eher typische
Beispiele hervorgehen, sollten die Experten jeweils den letzten oder
die letzten drei Fallbeispiele darstellen. Waren in diesen Fallbeispielen
in der Wahrnehmung der Gatekeeper Besonderheiten aufgetreten,
27
Methodisches Vorgehen
Konzeption
wurde das als Kontrast zu Standardfällen diskutiert. Diese Fallbeispiele bilden den Kern des verwertbaren Materials, weil hier relativ wenig
Wertungen und Interpretationen seitens der Gatekeeper einfließen.
Insbesondere interessieren die Anlässe, die zum Coaching führen, weil
sich damit Rückschlüsse ziehen lassen, was man sich vom Coaching
erwartet und wozu Coaching eingesetzt wird.
Die Fallbeispiele liefern außerdem den organisationalen Kontext, in
dem Coaching zur Anwendung kommt. Neben dem Einzelfall wurde
auch erhoben, ob es ein bestimmtes Ereignis gegeben hat, in deren
Folge Coaching in der Organisation institutionalisiert wurde. In einer
Reihe von Interviews kam Coaching schon länger zum Einsatz als die
Interviewpartner Mitglied der Organisation waren, so dass über
Anlässe zur Einführung, wenn überhaupt, nur sehr ungenaue
Aussagen getroffen werden konnten. In anderen Fällen lag die
Einführung von Coaching noch nicht sehr lange zurück, war aktuell
im Gange oder sogar noch in der Planungs- und Erprobungsphase.
Dort konnten Aussagen darüber gewonnen werden, welche
organisationalen Ereignisse zur Einführung von Coaching führten.
3.2.3 Darstellung der empirischen Ergebnisse
Die vorliegende Arbeit versteht sich als empirisch informierte
Analyse von Coaching in Organisationen. Das bedeutet, dass die
Darstellung, Kategorisierung und Interpretation nicht alleine den
Gatekeepern überlassen werden soll. Das Ziel der Studie liegt nicht
darin, die wahrgenommene Lebenswelt der Gatekeeper abzubilden.
Die maßgebliche Rechtfertigung dieser Analyse besteht darin, eine
distanzierte und eigenständige Betrachtung von Coaching in
Organisationen anzubieten. Der Nutzwert entsteht daraus, sich relativ
weit von den etablierten Bewertungs- und Interpretationsmustern der
Experten, Gatekeepern und Autoren der Praktikerliteratur zu entfernen
und so eine differente Erklärung anzubieten.
Auf eine gesonderte Darstellung der Themen, Kategorien und
Perspektiven der Gatekeeper und sonstigen Experten wird daher
28
Konzeption
Methodisches Vorgehen
verzichtet10. Die Erkenntnisse unterstützen, erläutern und unterlegen
die soziologische Argumentation. Längere Zitate und Fallbeispiele
sind in kleinerer Schriftart kursiv kenntlich gemacht.
3.3
Praktikerliteratur
Die primäre Untersuchungsperspektive dieser Arbeit ist dem
empirischen Material aus den Experteninterviews und wissenschaftlichen Erklärungsansätzen aus der Betriebs- und Organisationssoziologie verpflichtet. Die umfassende Berücksichtigung der Praktikerliteratur kann nicht geleistet werden, schon allein weil sie inzwischen
schier unübersehbar angewachsen ist11. Die Praktikerliteratur dient
aber einerseits als ein wichtiges Hilfsmittel, um ein Vorverständnis
von Coaching zu erhalten. Andererseits bietet sie die Kontrastfolie zu
den hier erarbeiteten Erklärungen und Thesen. Die Auswahlstrategie
bezog sich daher darauf, zentrale Autoren und Werke zu identifizieren
und zu rezipieren. Führend bleiben jedoch die analysierten
Problemstellungen der Organisationen und nicht die Themen der
Praktikerliteratur.
Es zeigt sich, dass sich die Diskussion noch recht wenig differenziert gestaltet. Es sind noch keine Spezialdiskurse auszumachen, die
sich deutlich voneinander unterscheiden ließen. Die meisten
Publikationen versuchen eine Gesamtschau über den aktuellen
Entwicklungsstand von Coaching anzubieten. Dabei wird noch immer
um geeignete Definitionen gerungen. Daneben geht es um die
Sicherstellung von Professionalität und Qualitätskriterien für Coaches,
um Anwendungsbereiche, Erfolgskriterien, geeignete Methoden im
Coaching sowie in neueren Publikationen verstärkt um Erfolgsevaluation. Sofern diese Themen auch für die Experten von Bedeutung sind,
werden sie in dieser Arbeit aufgegriffen und bearbeitet.
10
Damit orientiert sich die Methode gerade nicht an der Methodologie der so
genannten „grounded theory“ (Glaser/Strauss 1968)., die Interviewpartner nicht
nur die Expertise von Experten ernst nimmt, sondern auch die soziologische
Theoriebildung dem Interviewtext überlässt. Damit läuft man jedoch Gefahr, den
fachspezifischen Experten (hier: für Coaching) gleich noch zum soziologischen
Experten zu machen.
11
Vergleiche die Versuche umfassender Bibliographien bei Rauen (2005) oder auch
bei Grant (2003).
29
Methodisches Vorgehen
3.4
Konzeption
Wissenschaftliche Erklärungen
Coaching aus der Organisationsperspektive zu beleuchten,
entspricht nicht den üblichen Erklärungsansätzen der vorherrschenden
Praktikerliteratur, weil dort zumindest gleichwertig eine Individualperspektive, oft aus humanistischen oder psychologischen Gründen,
eingenommen wird. Daraus ergeben sich völlig andere Erklärungen
und Wertungen, weil hier immer die Frage reflektiert wird, welche
Auswirkungen auf Persönlichkeit bzw. „Menschen“ eintreten können.
In der Regel vermutet man positive Auswirkungen, die zudem mit den
Interessen der Organisation harmonisieren sollen. Publikationen, die
stärker die Wirksamkeit von Coaching in der Organisation nachweisen
wollen, orientieren sich zumeist am Gewinnziel von Unternehmen und
kommen auf bisweilen extrem positive Return-of-Investement-Werte
(McGovern et al. 2001; Böning/Fritschle 2005: 280). Die Fokussierung der Wirksamkeitsfrage auf das Gewinnziel ist für Unternehmen
sinnvoll, weil dort eine starke Rationalisierung auf Wirtschaftlichkeit
erfolgt. Eine solche „einseitige“ Durchrationalisierung von
Organisationen hat aber bestimmte, typische Folgeprobleme zu
verkraften, die sich mit profitlogischen Termini nur unzureichend
analysieren lassen (vgl. Luhmann 1999: 284 f.). Daher wird in dieser
Arbeit versucht, die Bedeutung von Coaching nicht primär unter
Profitgesichtspunkten darzustellen, sondern die Probleme stärker auf
die gesamte Organisation zu beziehen. Ebenso soll die humanistische
Zentrierung vermieden werden und stattdessen der Frage nachgegangen werden, welche Probleme der Organisation mit Coaching gelöst
werden können.
Eine solche Erklärungstechnik, die ein soziales Phänomen wie
Coaching als Lösung von zugrunde liegenden Problemen versteht, ist
als funktionale Analyse bekannt (vgl. Luhmann 2005b; Luhmann
2005c; Merton 1995). Der Gewinn einer solchen Methode besteht vor
allem darin, dass man verschiedene soziale Sachverhalte vergleichbar
machen kann, wenn es gelingt, ein gemeinsames Bezugsproblem zu
formulieren. Versteht man beispielsweise als Grundproblem
menschlicher Gesellschaften die Sicherstellung ihrer materiellen
Existenzgrundlagen, kann man verschiedene historische Gesellschaftsformationen miteinander als vergleichbar beschreiben, obwohl gerade
die Steinzeitgesellschaften nicht dasselbe sind wie die antike oder die
moderne Gesellschaft. Die jeweiligen Formationen gewährleisten aber
Funktionen, wie das Grundproblem der Sicherstellung von Produktion
30
Konzeption
Methodisches Vorgehen
und Reproduktion gelöst werden kann, nämlich durch äußere und
innere Beherrschung menschlicher Arbeitskraft. Für die Moderne löst
der Kapitalismus dieses Herrschaftsproblem (Marx/Engels 1969). Hier
kann man wiederum verschiedene Phasen oder sogar Moden als
vergleichbare funktionale Äquivalente beschreiben, etwa frühindustrielle Verhältnisse mit Beherrschungsformen im so genannten
Fordismus mit Formen postfordistischer Produktionsverhältnisse,
obwohl all diese historischen Formen doch sehr verschieden sind (vgl.
hierzu Taylor 1911; Aglietta 1979; Marx 1988). Der Gewinn besteht
in der Vergleichbarkeit und Optionssteigerung, wenn man sieht, dass
bestimmte Probleme auch anders gelöst werden können.
Ein weiterer Vorteil dieser Methode der Erklärung besteht darin,
dass Funktionen auch dort erkannt werden können, wo sie „offiziell“
gar nicht vorgesehen sind. Beispielsweise kann man völlig
verschiedene Dinge wie Religion und Opium als Äquivalente
beschreiben, wenn es darum geht, die kapitalistische Herrschafts- und
Produktionsstruktur vor dem Bewusstsein der Arbeiter und Proletarier
zu schützen (vgl. Marx/Engels 1976: 378). Erlangte die Klasse der
Arbeiter über ihre unbewusste, objektive Stellung im Produktionsprozess ein gemeinsames, subjektives Bewusstsein, wäre die bestehende
kapitalistische Produktionsstruktur in ihrem Fortbestand gefährdet.
Die Unbewusstheit bestimmter Funktionen ist häufig eine wichtige
Voraussetzung ihres reibungslosen Funktionierens. Der Latenz der oft
als Ideologie gescholtenen Funktion kommt mithin System erhaltende
Funktion zu (vgl. Luhmann 1987: 459 ff.). Mit etwas weniger
kritischer Emphase kann man auch von einer Strukturschutzfunktion
sprechen, die im obigen Beispiel Religion ausübt, wenn sie die
Aufmerksamkeit von den irdisch-materiellen Verhältnissen ablenkt
auf himmlisch-jenseitige Zustände und so neben den Zielen der
vordergründigen Heilslehre latent die bestehenden Strukturen vor
Bewusstsein und Kritik schützt.
Die Formulierung zugrunde liegender Bezugsprobleme kann nicht
aus der funktionalen Methode selbst geleistet werden, sondern ist auf
theoretische Vorleistungen angewiesen (Luhmann 2005c: 48 ff.). Die
obigen, ebenso bekannten wie umstrittenen Theoriebeispiele stammen
aus der marxistischen Theorietradition. Für das vorliegende Thema
bietet sich diese Tradition durchaus an, weil Coaching hier im
Zusammenhang mit Organisationen untersucht wird. Dementsprechend findet man gelegentliche Verweise auf Coaching gerade in der
31
Methodisches Vorgehen
Konzeption
dieser Theorietradition angehörigen Industrie- bzw. Betriebssoziologie
(z.B. Mutz 1999: 9; Deutschmann 2002: 134). Das „Elend der
Industriesoziologie“ (Herkommer 1972) besteht jedoch darin, dass sie
sich lange Zeit über dieses eine Generalproblem der gesellschaftlichen
Beherrschung von Arbeitskraft identifizieren konnte. Nachdem aber
der Analysewert dieser Problemsicht ausgereizt scheint bzw. das
Interesse daran schlicht auf breiter Front nachgelassen hat12, gelingt es
nicht dafür einen derart identitätsstiftenden Ersatz zu beschaffen.
Abgesehen davon, dass dem marxistischem Ansatz inzwischen schon
ein Hauch des ewig Gestrigen anhaftet13, kann man aber auch
argumentieren, dass weitere, etwa betriebliche Probleme und
Funktionen gegenüber dem „Super-Problem“ Herrschaft des Kapitals
über den Arbeitsprozess in dieser Theorie nur eine untergeordnete
Rolle spielen. Das theoretische Auflösevermögen ist damit relativ
begrenzt und die Versuche, weitere betriebliche oder gesellschaftliche
Strukturmerkmale zu berücksichtigen, laufen ständig Gefahr, das
Primat kapitalistischer Profit- und Herrschaftsfunktion zu untergraben.
Die umfangreichen empirischen Forschungen der Betriebssoziologie
können theoretisch nur relativ schlecht integriert werden (vgl.
Ortmann 1994: 105 ff.; Gergs et al. 2000: 189 f.; Deutschmann 2003:
477 f.). Folge ist eine Fülle von kaum verbundenen Kategorien,
Zusatzannahmen und oftmals rein analytischen Strukturmerkmalen.
Es bleibt jedoch nicht nur bei dieser theoretisch unbefriedigenden
Integration, sondern zudem scheint die Erklärungsmethode gebrochen.
Sofern es gelingt empirische Befunde auf manifeste und latente
Funktionen kapitalistischer Produktionsweise und ihrer Folgeprobleme zuzurechnen, herrscht die funktionale Erklärungsmethode vor.
Liegen die gesellschaftlich oder betrieblich beschriebenen Phänomene
außerhalb der Erklärungsreichweite des „marxistischen Funktionalismus“, wie dies typisch immer wieder bei den Themen Staat,
12
Dass wissenschaftliche Paradigmen bisweilen schon ausgetauscht werden, selbst
wenn ihr Analysepotential nicht erschöpft ist, kann man auch an der wissenschaftlich nicht gut begründeten Ablösung von Parsons’ Handlungstheorie studieren.
Thomas Kuhn hat solche Prozesse als „wissenschaftliche Revolutionen“ eingehend
und rationalitätskritisch beschrieben (Kuhn 1962).
13
Dieser Eindruck ist durch den relativ plötzlichen Niedergang des sozialistischen
Sowjetimperiums und die schrittweise Anpassung noch sozialistischer
Staatssysteme an die kapitalistische Wirtschaftsweise maßgeblich verursacht (vgl.
z.B. Ruben 1995; Warnke/Huber 1998; Müller 1999; ).
32
Konzeption
Methodisches Vorgehen
Rechtssystem und neuerdings bei gesellschaftlichen „Institutionen“,
Managementmoden und Machtspielen in Organisationen auftritt (vgl.
z.B. Ortmann 1994; Türk 1997: 161 ff.; Deutschmann 2002), dann
wird das Erklärungsschema häufig auf ein (handlungstheoretisches)
Kausalmodell umgestellt.
So lässt sich beispielsweise die Funktion des Rechtssystems nicht
eindeutig einer der beiden objektiv antagonistischen Klassen im
kapitalistischen Produktionssystem Kapital oder Arbeit zuordnen. Das
Rechtssystem übernimmt etwa durch die Gewährleistung und staatlich
gesicherten Eigentumsrechte die Funktion, kapitalistische Produktionsverhältnisse durch formal freie Parteien im Arbeitsvertrag zu
gewährleisten. Unternehmer wie Arbeiter sind vor dem Gesetz
gleichberechtigt und frei in der Wahl von Vertragspartnern, was die
moderne Produktionsweise basierend auf Arbeitsverträgen erst
ermöglicht. Andererseits schützt das Rechtssystem in vielen Fällen
auch konträre Interessen von Arbeitern, Betriebsräten und Gewerkschaften, was sich aus der kapitalistisch beherrschenden Funktion der
Profitmaximierung des Kapitalisten nur schwer erklären lässt. Im
Grunde muss man zwei gegenteilige Mechanismen auf ein
Grundproblem beziehen. Im ersten Fall schützt das Rechtssystem das
Profitstreben des Kapitalisten vor weiterreichenden Ansprüchen der
Arbeiterklasse. Der Arbeiter kann rechtlich den Kapitalisten nicht für
Verelendung und Entfremdung zur Verantwortung ziehen. Dabei
wirkt der Mangel an Subsistenzchancen außerordentlich funktional für
das Profitstreben, weil Arbeiter so gezwungen sind, das einzige zu
verkaufen, was ihnen noch bleibt: ihre Arbeitskraft. Andererseits
schützt das Rechtssystem und der Sozialstaat Arbeiternehmer doch
weit mehr, als für optimale Mehrproduktionserlöse funktional
erscheint. Offensichtlich sind im Rechtssystem noch andere Werte
und Programme vorgesehen, die sich nicht aus der kapitalistischen
Profitlogik ableiten lassen. Das Problem der funktionalen Erklärungsmethode ist, wie man bei so offensichtlich gegenläufigen
Funktionen an einem gesellschaftsdeterminierenden Generalproblem
festhalten kann.
Ein ähnlicher Fall liegt bei neueren Managementstrategien vor, die
vorgeben, arbeitende Personen stärker, als dies im fordistischen
Paradigma intendiert war, in den Arbeitsprozess einzubinden. Lange
Zeit galt die „Dequalifizierung“ und „Degradierung“ von Arbeitern als
der Königsweg bei der Durchsetzung kapitalistischer Profitinteressen
33
Methodisches Vorgehen
Konzeption
(vgl. Braverman 1974). Seit rund drei Jahrzehnten beginnt sich das
Bild jedoch zu wandeln und kapitalistische Unternehmen versuchen
auch mit gegenteiligen Strategien, also mit der Höherqualifizierung
und „upgrading“ von Mitarbeitern Profit zu erwirtschaften. Eine
funktionale Argumentation marxistischer Tradition gerät nun in den
Erklärungsnotstand, zwei gegensätzliche Strategien, Degradierung
und Aufwertung, Dequalifizierung und Qualifizierung, letztlich auf
ein und dasselbe Hauptproblem Sicherstellung kapitalistischer
Produktionsweise beziehen zu müssen. Klar ist, dass eine Reihe von
Zusatzannahmen getroffen werden müssen, um zu erläutern, dass in
einigen Fällen die Qualifizierungsstrategie und in anderen Fällen die
Dequalifizierungsstrategie derselben kapitalistischen Funktion
dienlich sind. Die theoretisch schwer zu integrierende Frage aber ist,
was die verschiedenen Fälle voneinander unterscheidet und aus
welchem Problemgesichtspunkt sie integriert und vergleichbar
gemacht werden können. Allein mit dem Generalproblem Herrschaft
des Kapitals fällt dies schwer.
Eine übliche Erklärungsstrategie ist es dann, auf das Agieren von
Protagonisten im kapitalistischen System abzustellen. Man vermutet
einfach, dass das Management es früher so wollte und jetzt anders
will, weil sich gesellschaftliche Rahmenbedingungen geändert haben
(vgl. Boltanski/Chiapello 2003: 142 f.). Oder man erkennt plötzlich
die Funktionalität von Institutionen wie Märkte, Moden und Mythen
an (Deutschmann 2002; Türk 1997), deren Entstehen man aber ebenso
wenig funktional auf den Kapitalismus beziehen kann. Überspitzt
formuliert kann man das Thema Coaching arbeitssoziologisch nur
dann funktional erklären, wenn es als Mechanismus nur der
Steigerung des Profits dient. Gelingt die Bezugnahme auf Gewinnmaximierung nicht plausibel, bliebe nur zu sagen, dass Coaching
deswegen eingesetzt werde, weil es sich um eine Mode handele. Wozu
eine Mode wieder gut sein sollte, kann man nicht erklären.
Um einen solchen methodischen Bruch zu vermeiden, hilft in
dieser Arbeit eine funktionalistische Organisationssoziologie weiter.
Profitmaximierung stellt sich in dieser Sichtweise als ein Problem
unter vielen anderen dar. Eine Reihe von Vorteilen und zumindest ein
gravierender Nachteil sind damit verbunden. Zu den Vorteilen gehört,
dass man neben dem kapitalistischen Gewinnziel weitere Ziele und
Zwecke von Organisationen gleichermaßen in Betracht ziehen kann.
Damit kann man tiefenscharf Handlungslogiken analysieren, die nur
34
Konzeption
Methodisches Vorgehen
unbefriedigend als Funktion einer Profitlogik interpretiert werden
können. Warum sollten plötzlich in Coachingsitzungen die
persönlichen Probleme von Mitarbeitern und Vorgesetzten erörtert
werden? Welche Legitimitäten und Logiken sind hier am Werke, die
ein solches Beratungs- und Betreuungsangebot sinnvoll erscheinen
lassen? Welche Probleme sollen bearbeitet werden, wenn man einen
Manager zum Coaching schickt?
Für den Fall der wissenschaftlichen Erklärung von Coaching würde
eine kausale Methode bedeuten, dass man zunächst definitorisch zu
klären hätte, was genau Coaching ist (vgl. Fengler 2001)14. Allein
damit würde man sich tendenziell gegen ein empirisch informiertes
Verständnis immunisieren. Zu dieser Kategorie der Erklärung gehören
zum Beispiel die Argumentationen, dass bestimmte Beratungsformen
gar nicht Coaching seien und deswegen nicht weiter beachtet werden
müssten; oder dass bestimmte Anbieter gar nicht Coaches seien und
deswegen ihre Dienste nicht in eine Untersuchung einbezogen werden
müssten (Böning/Fritschle 2005: 17 ff.); oder dass es sich bei
Coaching nur um eine Mode handele (Sievers 1991) und deswegen
dem Thema keine weitere Aufmerksamkeit zu widmen sei. Auch mit
dem Argument, Coaching diene der Profitsteigerung und der
Sicherung der Herrschaft über die Arbeiterschaft, wird man weder
empirisch weit tragende noch theoretisch detaillierte Beschreibungen
des Phänomens liefern können. Nicht viel weiter hilft es, wenn man
die Organisationsperspektive vernachlässigt, und erklärt, dass
Coaching deswegen so boomt, weil unterbeschäftigte Therapeuten
Profit erwirtschaften wollen (vgl. ebd. 272 f.). Die Vorgehensweise ist
hier immer gleich: auf einem wie auch immer begründetem
Vorverständnis wird eine klare und vor allem gut zu operationalisierende Definition von Coaching entwickelt, die sich dann verschließt
gegen empirische Entwicklungen, die in der Definition nicht erfasst
waren.
Mit solch verkürzten und verkürzenden Erklärungsansätzen
wandelt sich die funktionale Erklärung, mit der man verschiedene
14
Ein amüsantes Beispiel, wie wenig man sich aus Definitionswahn lösen kann,
bietet Fengler: Nachdem er in einer Literaturdurchsicht auf sechzehn Coachingdefinitionen gestoßen ist, scheint die Lösung darin zu liegen, eine siebzehnte
hinzuzufügen. Ähnlich auch bei Kilburg 1996.
35
Methodisches Vorgehen
Konzeption
Tatbestände auf ein Bezugsproblem beziehen kann, unter der Hand
zur kausalen Ursache-Wirkungs-Beschreibung, die mehr ausschließt
als erklärt. Bekanntermaßen sind streng kausale Erklärungen
zumindest in den Sozialwissenschaften so gut wie nie erreicht worden
(Diekmann 2001: 149). Immer müssen sie durch Zusatzannahmen,
Ceteris-paribus-Klauseln und „Brückenhypothesen“ gerettet werden
(vgl. Esser 1993: 94), weil unter empirischen Bedingungen praktisch
immer mehrere Problemgesichtspunkte gleichzeitig beachtet werden.
Zudem sind kausale Erklärungen generell sehr schlecht theoretisch
integrierbar, weil sich sowohl in die Richtung der Ursachen als auch
in die Richtung der Wirkungen Endlosketten bilden lassen (immer
weitere Ursachen und immer weitere Wirkungen), deren Unterbrechung kausal nicht gerechtfertigt werden kann (vgl. Luhmann 2005b:
20). Jede Ursache muss bei konsequent kausaler Erklärungstechnik
immer wieder auch als Wirkungen weiterer Ursachen erklärt werden
können. Wenn die Frage nach dem „Warum“ im kausalwissenschaftlichen Paradigma die einzig relevante und echte wissenschaftliche
Frage ist (vgl. Esser 1993 ff.; Diekmann 2001: 147), dann wären
wirklich wissenschaftliche Forscher eine Art institutionalisierter,
nervender Kleinkinder, die nicht aufhören wollen „und warum?“ zu
fragen. Dass Eltern früher oder später Grenzen ihrer Auskunftsbereitschaft signalisieren, liegt nicht nur an deren Faulheit, sondern daran,
dass solche Grenzen im Sozialen selbst institutionalisiert sind. Eine
Theorie des Sozialen muss aber solche Grenzen zu erklären fähig sein
und mit kausalen Erklärungen wird man nicht sehr weit kommen.
Solche Erklärungsnotstände kann man vermeiden, in dem man
theoretisch gestützte Problemgesichtspunkte formuliert und dann nach
empirischen Lösungen für solche Probleme sucht. Dieser Weg der
Problem- und Lösungssuche kann ebenso andersherum beschritten
werden, indem man ein empirisches Phänomen als eine mögliche
Lösung betrachtet und von dort aus nach Problemgesichtspunkten
sucht, die diese Lösung notwendig gemacht haben (Luhmann 2005b:
22). Gegenüber der Unabschließbarkeit kausaler Erklärungen kommt
man hier relativ schnell zu wenigen möglichen Problemen bzw.
Lösungen der Probleme, weil die Phänomene immer in einem Kontext
anderer Probleme und Lösungen stattfinden, die zugleich beachtet und
gelöst werden müssen. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass
36
Konzeption
Methodisches Vorgehen
man darüber gedankliche Ordnung gewinnen15 und erklären kann,
unter welchem Problembezugspunkt beispielsweise Coaching,
Mentoring, Supervision, Psychotherapie Gespräche mit Freuden,
Vertrauten oder Ehepartnern vergleichbar sind, ja austauschbar
erscheinen, und unter welchen Gesichtspunkten sie sich unterscheiden
und je spezielle Problemlösungen darstellen. Um so mehr sich diese
Vorgehensweise empirisch inspirieren lässt, also umso mehr die
theoretisch formulierten Problemgesichtspunkte denen der Praxis
entsprechen, um so mehr wird die Theorie zu einer praktischen
Theorie, die in Konfliktfällen über weitere Handlungsmöglichkeiten,
also funktionale Äquivalente, aufklären kann (vgl. Luhmann 2005c:
60).
Ein weiterer Vorteil der funktionalen Methode ergibt sich daraus,
dass mit einem solchen Vorgehen verschiedene Typen von
Organisationen miteinander verglichen werden können. Sicher sind
Unternehmen etwas völlig anderes als Sozialhilfeeinrichtungen,
Sportvereine oder Kirchen usw. Unter zentralen Problembezugspunkten kann man aber sehen, dass alle Organisationen ganz ähnliche
Probleme zu lösen haben: überall müssen Mitglieder irgendwie dazu
motiviert werden, ihre Arbeitsleistung der Organisation zur Verfügung
zu stellen (vgl. z.B. Berger 1995). Ein Problem, das offensichtlich
Organisationen der freiwilligen „Bürgerarbeit“ (vgl. Beck 1999; Mutz
1999; kritisch: Klammer/Bäcker 1998) besonders schlecht zu lösen im
Stande sind, was auf die große Bedeutung von Geldzahlungen als
hoch generalisiertes Motivationsmittel hinweist. Aber auch die
Motivgeneralisierung durch Entlohnung im Sinne einer „zone of
indifference“ (Barnard 1971) stellt nur ein funktionales Äquivalent
dar, das besonders stark im westlichen Regionen institutionalisiert ist.
Für nicht-westliche Organisationen tritt für die direkte Entlohnung die
Möglichkeit in Kraft, eigennützig Ressourcen der Organisation
auszubeuten und direkte Bezahlung von externen Leistungsabnehmer
15
Und noch einmal sei an Max Weber erinnert, der das Ziel jeder soziologischen
Bemühung: darin sieht:,„empirische Wirklichkeit in einer Weise denkend zu
ordnen, welche den Anspruch auf Geltung als Erfahrungswahrheit erhebt“ (Weber
1988: 155).
37
Methodisches Vorgehen
Konzeption
der Organisation einzubeziehen (vgl. z.B. Kurkchiyan 2000; Birdsall
2000; Rottenburg 2002)16.
Ebenso müssen alle Organisationen ab einer Größe oberhalb von
„Face-to-Face-Organisation“ (Kühl 2002a) generalisierte Kommunikationswege hierarchischer oder fachlicher Art definieren (vgl.
Luhmann 2000: 302). Und letztlich müssen Organisationen die
Handlungen ihrer Mitglieder über formale Regeln der Richtigkeit
koordinieren und entscheidbar machen, egal ob dies vorrangig über
Zweck- (z.B. Gewinnziel) oder über Konditionalprogramme (z.B.
Verfahrensanweisungen) geregelt ist (vgl. ebd.: 256).
Mit solchen generellen Bezugsproblemen kann man Organisationen
ganz verschiedenen Typs vergleichbar machen und ihre diesbezüglichen Strukturbildungen – Mitglieder, Kommunikationswege,
Programme – als funktionale Äquivalente betrachten. Organisationen
können so als eigenständige soziale Systeme relativ unabhängig von
gesellschaftlichen Formationen, wie Kapitalismus oder Sozialismus,
begriffen und analysiert werden. Auch im real existierenden
Sozialismus sowjet- oder volksrepublikanischer Provenienz kamen
und kommen Organisationen vor, die ganz ähnliche Probleme zu lösen
haben, wie kapitalistische Unternehmen. Generelle Problemgesichtspunkte von Organisationen sind in dieser theoretischen Perspektive
gerade nicht gesellschaftlich determiniert, sondern gehören zu den
Eigenwerten der Organisation. Für Forschungszwecke ergibt sich
daraus der Vorteil, dass man nicht nur verschiedene Organisationstypen, sondern aufgrund der gesellschaftlichen Unterdeterminiertheit
auch Organisationen verschiedener Gesellschaften miteinander
vergleichen kann (so z.B. Udy 1970).
Darin verbirgt sich aber zugleich der große Nachteil der systemtheoretischen Organisationssoziologie. Es ist relativ unklar geblieben,
wie gesellschaftliche Logiken auf das Geschehen in Organisationen zu
16
Wer derartige Praktiken als „Korruption“ nicht nur untersucht, sondern als
moralisch zu ächtende Handlungsweise konzipiert (für viele z.B.
Bannenberg/Schaupensteiner 2004), verbaut sich die Möglichkeit, die Funktionalität der Institution „Korruption“ zu verstehen. Dass der Forschungszugriff unter
dem Titel „Korruption“ per se schon unter Moralaspekten erfolgt, zeigt Petra
Hiller (Hiller 2005). Welche generellen Beschränkung und sogar Gefahren für die
moderne Gesellschaft mit der moralisch geführten Kommunikation von Problemen
verbunden sind, diskutiert Niklas Luhmann (Luhmann 1993).
38
Konzeption
Methodisches Vorgehen
beziehen sind (vgl. z.B. Ortmann et al. 2000; Gergs et al. 2000; Kneer
2001; Nassehi 2002; Drepper 2003; Faust et al. 2005)17. Dieses
Manko hat der Organisationssoziologie seitens der in dieser Hinsicht
besser aufgestellten Arbeitssoziologie immer wieder Kritik
eingebracht. Angefangen von gesellschaftlicher Blindheit bis hin zum
Ideologievorwurf reichen die Beschuldigungen, die gegen die relativ
isolierte Beschreibung von Organisationen vorgebracht werden.
Die beschriebenen methodischen Vorteile geben aber den Ausschlag, an einem funktionalistischen Erklärungsschema festzuhalten.
Gesellschaftliche Einflüsse, die heute besonders in der Form von
Institutionen diskutiert werden18, stehen sogar im Zentrum dieser
Analyse von Coaching. Ihre Berücksichtigung bei der funktionalen
Analyse von Coaching soll jedoch nicht zu einem methodischen
Bruch führen, sondern orientiert sich an der Frage, in welcher Weise
organisationale Problemlösungen gesellschaftlich „subventioniert“
sind (vgl. Luhmann 2000: 205) ohne dabei Probleme und Lösungen
der Organisationen mit solchen der Gesellschaft zu verwechseln.
17
Dabei besteht die Forderung Adornos, dass ein „gesellschaftliches Phänomen wie
die moderne Organisation“ nur durch eine „ausgeführte Theorie der Gesellschaft“
bestimmt werden könne, schon seit Jahrzehnten weitgehend unerfüllt in der
Diskussion (Adorno 1997: 441).
18
Als Überblick zur einschlägigen Forschung vgl. Hasse/Krücken 1999.
39
Analyse
Untersuchungsgegenstand
II Analyse
4
Untersuchungsgegenstand
4.1
Zur empirischen Bedeutung von Coaching
4.1.1 Zur quantitativen Bedeutung in der Fachöffentlichkeit
Wenn vom „Coachingboom“ die Rede ist, dann ist oft unklar,
woran sich ein solcher Boom ablesen lässt. Berufsverbände verweisen
gerne auf ihre steigenden Mitgliederzahlen (z.B. DBVC 2006; dvct
2006), Zertifizierungsstellen präsentieren stolz die stetig wachsende
Anzahl von Prüflingen (z.B. FCG 2006) und praktisch jede
Coachingstudie (z.B. iSL Sozialforschung/Evolution Management
2005; PEF 2005) und jede einschlägige Publikation (z.B. Looss 1997:
9; Böning/Fritschle 2005) behaupten, dass Coaching auf Grund der
hervorragenden Ergebnisse (für die Beratenen!) auf dem Vormarsch
sei oder noch weiter ausgebaut werden müsse. Der Markt gestaltet
sich offenbar als außerordentlich unübersichtlich, was auch daran
liegt, dass die meisten Anbieter von Coaching Selbständige oder
Kleinunternehmer sind (vgl. Böning/Fritschle 2005: 128 f.). Diese
Kleinanbieter sind aber für Zwecke der Datenerhebung relativ
schlecht zu erfassen, weshalb das Abschätzen der Anbieterseite bisher
ungenügend geblieben ist.
Ein anderer Anhaltspunkt zur Beschreibung der Coachingwelle, der
bislang kaum genutzt wurde (vgl. aber Böning/Fritschle 2005: 315),
besteht in der Schätzung der Publikationsdichte der letzten Jahre
anhand von Literaturdatenbanken. Diese Methode schätzt die
Bedeutung von Coaching in der fachöffentlichen Diskussion ein.
Diese Einschätzung basiert auf einer einfachen Annahme: dass die
Publikationsdichte die Aufmerksamkeit der Fachöffentlichkeit für
dieses Thema widerspiegelt. Damit ist auch schon angedeutet, dass
nicht um die Bedeutung in Organisationen, sondern nur in einer
Fachöffentlichkeit geht. Diese Fachöffentlichkeit spiegelt inhaltlich
viel stärker Prozesse der Professionalisierung wider als die funktionale
Bedeutung in Organisationen. Immerhin lässt sich aber der
quantitative Boom in Publikationen mit der Einsatzhäufigkeit in
Organisationen kontrastieren.
41
Untersuchungsgegenstand
Analyse
Die Schätzung hat mit einigen wichtigen methodischen Problemen
zu kämpfen (vgl. Benders et al. 2005). Zum einen ist die Qualität und
Auswahlsystematik von Literaturdatenbanken oftmals selbst den
Betreibern nicht vollständig bekannt. Hinzu kommt, dass die
Publikationen im untersuchten Zeitraum nicht gleichmäßig in
elektronischen Formaten vorliegen, die Abbildung in den Datenbanken also durch den historischen Prozess der Digitalisierung verzerrt
ist. Dieser Prozess verläuft ja zudem weder insgesamt linear noch für
verschiedene Periodika und Datenbanken vergleichbar. Außerdem
kommt es zu Neuerscheinungen und Einstellungen von Periodika,
deren statistische Kontrolle den hier zu vertretenden Aufwand
überschreitet und die deshalb nicht berücksichtigt werden können.
Aus diesen Problemen resultiert eine deutliche Zurückhaltung, was
die Datenqualität betrifft. Die Werte erreichen nicht die Qualität von
intervallskalierten Daten. Die absoluten Publikationszahlen wären nur
mit sehr großem Aufwand hinreichend valide zu erheben. Für die
beabsichtigten Trendaussagen ist dies aber auch gar nicht nötig, weil
man schon mit dem Vergleich der Zu- oder Abnahme der Publikationsdichte den Verlauf der Modewelle Coaching analysieren kann. Es
reicht die begründete Annahme ordinalskalierter Daten, also von
Werten, die nicht als absolute Größen, sondern nur als Rangordnung
Vergleiche erlauben. Vergleiche sind dann in zwei Richtungen
möglich: zunächst als Veränderung der Publikationsdichte innerhalb
des Themas Coaching über den Zeitverlauf; und dann in Relation mit
dem zeitlichen Verlauf von Publikationsdichten mit vergleichbaren
oder zusammenhängen Themen.
Ein wesentlicher Vorteil dieser quantitativen Methode liegt in ihrer
Nähe zu lebenspraktischen Erfahrungen von Wissenschaftlern und
Praktikern. Beim relativ neuen und noch wenig erforschten Gebiet der
personenbezogenen Beratung von Organisationspersonal bietet es sich
als Einstieg an, einige einfache Zahlenwerte zu erheben, um sich ein
Bild von der empirischen Bedeutung zu machen. Leicht nachvollziehbare Indizes ohne großen theoretischen Ballast durch Erfordernisse
der induktiven Statistik eignen sich hier gut für die Erschließung
unbekannten Terrains. So nehmen gerade Gatekeeper das Thema
Coaching als Modewelle bzw. als Boom war. Diese Wahrnehmung
dürfte nicht unwesentlich auf der Thematisierung in der Fachliteratur
begründet sein, weshalb es sich auch für Praktiker lohnt, ihre
Eindrücke an systematisch erhobenen Daten zu überprüfen.
42
Analyse
Untersuchungsgegenstand
Aufgrund der Definitionsvielfalt des Begriffes Coaching besteht
ein weiteres Problem in der Identifikation relevanter Datenbankeinträge. Für diese Arbeit interessiert Coaching nur insofern, als es in
Organisationen zur Personalberatung eingesetzt wird. Nicht erfasst
werden sollen insbesondere Coaching im Sport und Coaching
außerhalb von Organisationen. Selbst in diesem begrenzten Feld hat
man es allerdings mit verschiedenen Begriffsbildungen zu tun. Als
schon relativ lange und gut eingeführt bieten sich die Begriffe
„Führungskräftecoaching“ im Deutschen und „executive coaching“
(vgl. schon sehr früh: BusinessWeek 1957) im Englischen an.
Als Vergleichsindizes bieten sich einerseits die übergeordneten
Themen Personalentwicklung und Führung bzw. Führungskräfteentwicklung an. Andererseits stellen Mentoring und Supervision
vergleichbare Konzepte dar, die ebenfalls als personenzentrierte
Beratung von Organisationspersonal definierbar sind. Während
Mentoring von Kollegen im Rahmen ihrer normalen Mitgliedschaftsrolle durchgeführt wird, hat sich für Supervision wie bei Coaching
eine spezielle Berufsrolle ausdifferenziert. Der wesentliche
Unterschied besteht für Supervision in ihrer Entstehung in der
Sozialarbeit (vgl. Belardi 1992a; 1992b; Schreyögg 2003; Kühl
2005a). Mentoring hingegen beinhaltet keine ausdifferenzierte
Berufsrolle wie im Coaching oder in der Supervision, sondern wird
von dienstälterem Personal im Rahmen ihrer Mitgliedschaftsrolle
ausgeübt (vgl. Blickle 2000).
Die Veröffentlichungen der Fachpresse stammen fast ausschließlich aus den Disziplinen Psychologie, Pädagogik und Betriebswirtschaftlehre. Für die Analyse der Publikationsdichte wurden deshalb
Literaturdatenbanker dieser Disziplinen gewählt. Aufgrund der
quantitativ beherrschenden Rolle, die angelsächsische Literatur spielt,
wurden zum Vergleich mit vorwiegend deutschsprachigen die
einschlägigen englischsprachigen Datenbanken ausgewertet. Im
Einzelnen handelt es sich für die deutschsprachigen Publikationen um
die Datenbanken „BLISS Betriebswirtschaftliche Literatur“, „FIS
Bildung Literaturdatenbank“, „PSYNDEXplus“ und die „Deutsche
Nationalbibliothek“. Als englischsprachige Pendants wurden „BSC –
Business Source Complete“, „ERIC – Educational Resources
Information Center“ und „PsycINFO“ sowie als fächerübergreifende
Datenbank „ISI- Web of Science“ untersucht.
43
Untersuchungsgegenstand
Analyse
Die Daten umfassen einen Zeitraum von 27 Jahren von 1980 bis
2006. Zur Kontrolle der Trendlinie aus bibliographischen Datenbanken wurden die recht umfassende deutsche Literatursammlung von
Rauen (2007) vergleichend miteinbezogen. Die letztgenannte
Bibliographie von Rauen ist mit 564 Einträgen die umfangreichste
Sammlung von Veröffentlichungen und dürfte den Anspruch, alle für
Coaching relevanten Publikationen zu erfassen, noch am ehesten
erfüllen. Allerdings ist auch hier die Auswahlsystematik nicht
bekannt, weshalb Datenqualität und systematische Verzerrung nicht
eingeschätzt werden können. Die Indizes müssen als reine Trendkurven verstanden werden. Ihre Darstellung erfolgt deshalb nicht in
absoluten Zahlen, sondern es werden die Publikationen des jeweiligen
Kalenderjahres ins prozentuale Verhältnis zur Publikationsmenge des
gesamten Zeitraums gesetzt19. Eine Gewichtung einzelner Datenbanken erfolgt nicht.
19
Die prozentuale Zunahme der Publikationsdichte entspricht zudem viel besser der
Wahrnehmung einer Mode durch Praktiker, die in aller Regel nicht alle
Publikationen überblicken, sondern nur die verhältnismäßige Veränderung.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass man nicht die Suchsystematik bei der
Datenbankabfrage nach allen denkbaren Möglichkeiten variieren muss, um dem
Anspruch einer Vollerhebung gerecht zu werden (vgl. zu den entsprechenden
Schwierigkeiten Benders et al. 2005: 358 ff.). Stattdessen wird hier angenommen,
dass mit einer konstant gehaltenen Suchabfrage die Veränderungen der
Publikationsdichte in einer Datenbank ausreichend gut erhoben werden kann. So
findet eine Abfrage nach „executive coaching“ in den „abstracts“ einer Datenbank
nicht alle für Coaching relevanten Artikel, kann aber doch – so die Annahme – die
Zu- und Abnahme der Publikationsdichte schätzen.
44
Analyse
Untersuchungsgegenstand
Abbildung 1: Printmedienindex „Coach“ für Coaching gewonnen aus acht
Datenbanken im Vergleich mit einem Index „Rauen“ gewonnen aus
der Bibliographie von Christopher Rauen (Rauen 2007).
18,0%
16,0%
14,0%
12,0%
10,0%
8,0%
Coach
6,0%
Rauen
4,0%
2,0%
19
80
19
82
19
84
19
86
19
88
19
90
19
92
19
94
19
96
19
98
20
00
20
02
20
04
20
06
0,0%
Lesehilfe: Im Jahr 1996 wurden in den 8 untersuchten Datenbanken
durchschnittlich rund 2% der Publikationen des gesamten Zeitraums veröffentlicht.
Gemessen an den Publikationen erlebt Coaching einen Boom, der
erst gegen Ende der 90er Jahre und Anfang des neuen Jahrhunderts in
die Gänge kommt. Der deutliche Rückgang 2006 könnte andeuten,
dass der Publikationshöhepunkt bereits 2005 erreicht war. Diese
Vermutung wird aber konterkariert von der Trendkurve „Rauen“.
Unterstellt man der Bibliographie von Christopher Rauen höhere
Datenqualität als dem Index aus den Literaturdatenbanken, dann
scheint das Ende des Publikationsboom noch nicht in Sicht.
Erklärungsbedürftig ist zudem die erste Publikationswelle zu Beginn
der Neunziger Jahre. Man könnte einerseits vermuten, dass schlicht
die Qualität der abgefragten Literaturdatenbanken für den Index
„Coach“ mangelhaft ist, weshalb der Boom Anfang der Neunziger
nicht erfasst wurde. Eine andere Erklärung könnte lauten, dass die
erste Veröffentlichungswelle, wie sie bei Rauen abgebildet ist, noch
nicht die breitere Fachöffentlichkeit erreicht, wie sie in den
Datenbanken abgebildet ist. Zu Beginn handelte es sich womöglich
um einen Spezialdiskurs, der noch kaum die Grenzen einiger weniger
45
Untersuchungsgegenstand
Analyse
Interessierter überschreitet. Erst ein knappes Jahrzehnt später beginnt
eine größere Fachöffentlichkeit sich für das Thema zu interessieren20.
Empirische Studien zum Weiterbildungs- und Coachingmarkt
bestätigen den Eindruck aus der Printmedienanalyse (z.B.
Muskatewitz/Schulze 2002), dass Coaching als Modewelle erst so
richtig seit Beginn des neuen Jahrzehnts einsetzt.
Abbildung 2: Coaching im Vergleich mit den übergeordneten Themen
Personalentwicklung „HRD“ und Führung/Führungskräfteentwicklung „Lead“.
18,0%
16,0%
14,0%
12,0%
10,0%
Coach
8,0%
Lead
6,0%
HRD
4,0%
2,0%
19
80
19
82
19
84
19
86
19
88
19
90
19
92
19
94
19
96
19
98
20
00
20
02
20
04
20
06
0,0%
Richtig einschätzbar wird Coachingboom im Vergleich mit den
übergeordneten Themen Personalentwicklung (Index „HRD“) und
Führung/Führungskräfteentwicklung(Index „Lead“). Beide Themen
entwickeln sich relativ gleichläufig. Sie sind schon zu Beginn des
Untersuchungszeitraums ein Publikationsthema, erleben dann in der
ersten Hälfte der Neunziger Jahre ihr stärkstes Wachstum und
20
Eine systematische inhaltlich-qualitative Überprüfung könnte zudem die
Vermutung bestätigen, dass zu Beginn der Neunziger Jahre wesentliche
Standardwerke veröffentlicht wurden, während die zweite Publikationswelle
stärker von professionspolitischen Beiträgen und opportunistischen Mitnahmeeffekten geprägt ist.
46
Analyse
Untersuchungsgegenstand
wachsen danach wieder moderat. Coaching hingegen ist in den
Achtziger Jahren praktisch noch kein Thema, erlebt in der ersten
Hälfte der Neunziger Jahre einen ersten noch verhaltenen Aufschwung, bevor es ab der zweiten Hälfte der Neunziger Jahre rasant
zunimmt.
Abbildung 3: Die Integrale der Indizes für Coaching „Coach“, für Führung/
Führungskräfteentwicklung „Lead“ und für Personalentwicklung
„HRD“
100,0%
90,0%
80,0%
70,0%
60,0%
Coach
50,0%
Lead
40,0%
HRD
30,0%
20,0%
10,0%
19
80
19
82
19
84
19
86
19
88
19
90
19
92
19
94
19
96
19
98
20
00
20
02
20
04
20
06
0,0%
Gut zu erkennen sind die Entwicklungen auch an den Graphen der
Summenfunktionen (Integrale): Nach den ersten 17 Jahren bis 1996
sind erst 9% der erfassten Coachingliteratur veröffentlicht, die
restlichen 91% erscheinen in den letzten 10 Jahren. Die Entwicklung
verläuft bei den übergeordneten Vergleichsthemen weit gleichmäßiger.
47
Untersuchungsgegenstand
Analyse
Abbildung 4: Coaching in der Fachöffentlichkeit und in der deutschen Presse
„GERPr“
18,0%
16,0%
14,0%
12,0%
10,0%
Coach
8,0%
GERPr
6,0%
4,0%
2,0%
19
80
19
82
19
84
19
86
19
88
19
90
19
92
19
94
19
96
19
98
20
00
20
02
20
04
20
06
0,0%
Der Publikationstrend in massenmedialen deutschen Tages- und
Wochenzeitschriften verläuft, abgesehen von stärkeren Schwankungen
ganz ähnlich, wie in der Fachpresse. Die Thematisierung in den
öffentlichen Massenmedien setzt nur etwa fünf Jahre später ein und
erreicht schnell das Wachstumsniveau der Fachpresse.
48
Analyse
Untersuchungsgegenstand
Abbildung 5: Vergleich der Indizes zu Coaching „Coach“ mit den vergleichbaren
Konzepten Supervision „Superv“ und Mentoring „Mentor“
18,0%
16,0%
14,0%
12,0%
Coach
10,0%
Superv
8,0%
Mentor
6,0%
4,0%
2,0%
19
80
19
82
19
84
19
86
19
88
19
90
19
92
19
94
19
96
19
98
20
00
20
02
20
04
20
06
0,0%
Der Vergleich mit weiteren Methoden der personenzentrierten
Beratung in Organisationen ist insbesondere für professionsstrategische Fragen interessant. Dies steht hier nicht im Fokus, aber im
Rahmen der funktionalen Analyse von Coaching kommen zumindest
die Konzepte Supervision (Index „Superv“) und Mentoring (Index
„Mentor“) als funktionale Äquivalente für Coaching in Betracht. Auch
in diesem Vergleich zeigt Coaching das stärkste Wachstum. Nur
verhalten steigt die Trendkurve bei der Supervision an. Schon stärker
ist der Anstieg bei Mentoring. Eindeutig am spätesten und am
stärksten ist der Publikationsboom bei Coaching ausgeprägt.
Sowohl im Vergleich mit den konkurrierenden Konzepten Supervision und Mentoring als auch in Relation mit den übergeordneten
Themen
Personalentwicklung
und
Führung/Führungskräfteentwicklung trägt die Trendkurve für Coaching
die deutlichste Boomcharakteristik. Dieser Eindruck wird auch von
Christopher Rauens vergleichsweise umfassenden Literaturverzeichnis
gestützt. Die exponentielle Zunahme der Publikationsdichte bildet sich
sowohl in der Fach- als auch in der massenmedialen Presse ab. Die
derzeit verfügbaren Daten prognostizieren noch kein Ende des
Publikationsbooms. Die bisherige Trendkurve nimmt ungefähr den
49
Untersuchungsgegenstand
Analyse
typisch glockenförmigen Verlauf einer Managementmode (vgl.
Benders et al. 2005). Wenn man davon ausgeht, dass die Wahrnehmung einer Managementmode wesentlich vom plötzlichen
Anwachsen der Zahl entsprechender Beiträge geprägt ist, dann kommt
diese Printmedienanalyse zu einem eindeutigen Ergebnis: Coaching
ist eine Modeerscheinung und ein Ende des Booms ist noch nicht
abzusehen.
4.1.2 Zur quantitativen Bedeutung in Organisationen
Der Aussagekraft von Printmedienindizes liegt im Bereich
öffentlicher und fachöffentlicher Aufmerksamkeit. Dass sich daraus
nicht auf die Bedeutung innerhalb von Organisationen schließen lässt,
zeigte sich in den Interviews. Dort nimmt man die Modeförmigkeit
der Coachingwelle sehr deutlich war. Dies löst eine Abwehrreaktion
aus, um die Mode außerhalb der Organisationen nicht zu einer Mode
innerhalb der Organisation werden zu lassen. Dass jetzt in der (Fach-)
Öffentlichkeit „alle“ darüber reden, bedeutet nicht, dass man deshalb
auch innerhalb der jeweiligen Organisation die Aufmerksamkeit auf
Coaching konzentriert. Stattdessen soll Coaching „ein knappes Gut
bleiben“, wie ein Gatekeeper formuliert. Relativ geringe Fallzahlen in
vielen untersuchten Organisationen unterstützen diesen Befund. Auf
die explizite Frage, ob Coaching nur eine Mode sei, versuchen die
Antworten zu differenzieren zwischen einem „Buzzword“ Coaching,
das sich in der Fachdiskussion durchsetzt, und einem tatsächlichen
Bedarf innerhalb der Organisation. Man ist sich sehr wohl bewusst,
dass Coaching boomt, und reagiert deshalb innerbetrieblich mit einer
„Abwehrhaltung“. Gatekeeper sehen demnach eine Funktion ihrer
Stellen darin, die Organisation vor dieser Beratungsmode zu schützen.
Insgesamt scheinen die Fallzahlen auch in großen Organisationen
noch relativ gering. Die höchste Fallzahl erreicht ein großes
Verkehrsunternehmen mit 60 laufenden Coachingprozessen bei rund
35.000 Mitarbeitern. Der zurückhaltende Einsatz von Coaching
innerhalb der Organisationen liegt vor allem an den Begrenzungen auf
bestimmte Zielgruppen und auf bestimmte organisatorische
Problemlagen, die für einen Einsatz von Coaching vorgesehen sind. In
keiner Organisation wurde angegeben, dass gewünschte Coachings
mangels qualifizierter Coaches nicht durchgeführt werden könnten.
Auf Angebotsseite wird kein Engpass, sondern ein Überangebot
wahrgenommen.
50
Analyse
Untersuchungsgegenstand
Organisationen sehen Coaching offensichtlich als eine Technik der
Personalentwicklung bzw. des Personalmanagements an. Eine
Technik, die sich der Wahrnehmung nach wie eine Modewelle
verbreitet, was zunächst gegen den (inflationären) Einsatz spricht.
Andererseits prüft man, wozu diese Technik einsetzbar ist. Wie jede
Technik, verspricht auch Coaching bestimmte Probleme relativ
automatisiert einer Lösung zuzuführen (vgl. Luhmann 2000: 370). In
diesem Sinne ist Coaching ein auf Organisationen zugeschnittener
Ausschnitt aus dem Angebot der „Psychologie als Techné“ (Rose
1998), die Organisationen einen reproduzierbaren Weg bietet, mit der
an sich nicht zu überblickenden Komplexität menschlicher Psychen
zurecht zu kommen.
Alle Organisationen legen großen Wert auf die Auswahl der
Coaches. Einerseits soll dadurch verhindert werden, dass Sektenangehörige ihre Ideologien verbreiten. Andererseits ist man sehr skeptisch
gegenüber der Qualifikation der Coaches und fast immer wird das
Fehlen verlässlicher Qualitätsstandards bemängelt21. Um diese
Probleme zu kontrollieren, werden die Coaches in Vorstellungsgesprächen durch die Gatekeeper persönlich ausgewählt. Assessmentcenter scheinen noch die Ausnahme in der Auswahl der Coaches zu
sein. Werden die Bewerber akzeptiert, erhalten sie nicht unbedingt
sofort einen Auftrag, sondern ihre Kontaktdaten werden in einem
„Pool“ aufgenommen und bei Bedarf abgerufen. Diese Pools
umfassen im Durchschnitt der untersuchten Organisationen 3,5
Coaches pro 1000 Mitarbeiter in der Organisation.
Sowohl gemessen an der Anzahl von Coaches in den Pools als auch
an tatsächlich laufenden Coachingprozessen scheint die quantitative
21
Auch dies ist ein Hinweis auf das technische Verständnis der Organisation von
Coaching: man will nicht unbedingt im Detail verstehen, wie oder warum es
funktioniert, sondern wünscht sich nur generelle Anhaltspunkte, dass es
funktioniert (vgl. Luhmann 2000: 372). Und diese Anhaltspunkte scheint man vor
allem aus der Modeförmigkeit von Coaching zu ziehen etwa nach dem Motto:
„Wenn das jetzt alle einsetzen, dann scheint es auch zu funktionieren.“
In diesem technischen Verständnis unterscheidet sich die Organisation im
Übrigen auch deutlich vom Verständnis der Coaches, die gerne die Ergebnisoffenheit und Prozesshaftigkeit von Coaching im Sinne von Persönlichkeitsentwicklung
betonen. Dazu ein Gatekeeper: „… das Coaching war in Ordnung, das war also
eingetütet, sie haben angefangen“. Während das Coaching für den Coach erst
„angefangen“ hat, ist es für die Organisation schon „eingetütet“.
51
Untersuchungsgegenstand
Analyse
Bedeutung gering. Dies gilt auch für die anfallenden Kosten. Nicht in
allen Fällen konnte der Kostenanteil für Coaching am Gesamtvolumen
der Personalentwicklung oder Führungskräfteentwicklung benannt
werden. Die Aussagen zum Anteil vermuten aber, dass nicht mehr als
5% dafür eingesetzt werden und zum Teil noch deutlich weniger. So
hofft ein Gatekeeper einer öffentlichen Verwaltung mit 40.000
Beschäftigten und 2.500 Führungskräften, im ersten Jahr nach der
Einführung von Coaching zumindest 1% der Führungskräfte gecoacht
zu haben:
„Das sind 25, die wollen wir auch haben. Das sieht nicht schlecht aus,
aber die 25 müssen irgendwie auch alle die Bereitschaft zeigen, da
mitzumachen.“ (Hoffmann, öffentliche Verwaltung 1)
Die Coachingwelle in Printmedien entspricht nicht der Realität in
Organisationen. Dort ist man darauf bedacht, Coaching nur in relativ
bestimmten und seltenen Fällen einzusetzen. Fürsprecher des
Coachingbooms stützen sich dagegen vor allem auf Wachstumszahlen. Sofern sie sich überhaupt auf die Frage nach dem Stellenwert von
Coaching in Organisationen einlassen, akzeptieren sie nur widerstrebend die geringe Bedeutung in Organisationen, die sich trotz
methodischer Relativierungen nicht wegdiskutieren lässt (vgl.
Böning/Fritschle 2005: 110 f.).
52
Analyse
4.2
Untersuchungsgegenstand
Coaching in Organisationen
Coaching in Organisationen ist soziologisch dann wahrnehmbar,
wenn sich diesbezüglich Organisationsstrukturen benennen lassen.
Die Analyse folgt den Strukturmerkmalen bzw. „Entscheidungsprämissen“ von Organisation, wie sie von Niklas Luhmann (2000)
formuliert wurden. Demnach sind drei solcher Organisationsstrukturen feststellbar: „Programme“, „Kompetenzen“ und „Personal“. Bei
diesen Strukturen handelt es sich um empirische Kategorien, das heißt
dass sich Entscheidungen der Organisationen tatsächlich an diesen
Unterscheidungen orientieren. Die Fragen, welche Kompetenzen,
welche Regeln und welches Personal eingesetzt werden, sind daher
nicht nur für die Analyse eines Sozialwissenschaftlers interessant.
Entscheidungen darüber, ob Coaching eingesetzt wird, wer es erhält,
wie lange es dauert, welche Probleme dort gelöst werden usw.,
werden von der Organisation durch diese Entscheidungsprämissen
strukturiert. Solche Entscheidungsprämissen können von der
Organisation selbst beschlossen, verändert und wieder verworfen
werden. Damit sind sie Eigenwerte der Organisation. Sie gelten für
mehr als eine nachfolgende Entscheidung als Orientierung und
Richtlinie. Entscheidungen, die von den vorgegebenen Prämissen
abweichen, müssen sich rechtfertigen.
Es ergeben sich deutliche Unterschiede in der Frage, seit wann
Coaching formal eingesetzt wird. Unternehmen haben damit schon
länger Erfahrung als Non-Profit-Organisationen. Nimmt man
Unternehmensgröße gemessen an Mitgliederzahlen hinzu, zeigt sich
das zu erwartende Bild, dass große Unternehmen schon länger
Coaching einsetzten als kleine und mittlere, weil spezielle Abteilungen für Personal- und Führungskräfteentwicklung erst ab einer
bestimmten Betriebsgröße üblich werden. Die spezialisierte und
institutionalisierte Beachtung des Personals und ihrer persönlichen
Zustände zählt derzeit nicht zu den primären Problemstellungen von
Organisationen. Auch wenn man Personalfragen heute ernster nimmt
als früher, ist diese Aussage sowohl durch den Einfluss der
Unternehmensgröße als auch historisch durch die relativ späte
Institutionalisierung von Personal- und mehr noch Personalentwicklungsabteilungen gedeckt. Kleine Unternehmen und Organisationen
verfügen nur selten über eigene Personalabteilungen und Personalmanagement stand „lange Zeit im Schatten der anderen Formen von
Entscheidungsprämissen“ (Luhmann 2000: 279). Der Einfluss der
53
Untersuchungsgegenstand
Analyse
Größe bedeutet nicht, dass Personalmanagement und -entwicklung in
kleinen Unternehmen keine Rolle spielten, sondern nur, dass ganze
Stellen oder Abteilungen erst ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl
lohnenswert erscheinen. In kleineren Unternehmen ist dagegen die
Beachtung dieser Orientierungen in Rollen von Führungskräften oder
der Organisationsspitze integriert.
4.2.1 Programme im Coaching
Programme geben Regeln für sachliche Richtigkeit an. Wer nach
Programmen entscheidet, kann mit Akzeptanz rechnen. Sie lassen sich
in zwei Arten unterscheiden. Bei Konditionalprogrammen werden
Bedingungen festgelegt, die zu einer Entscheidung führen. Sie sind an
Inputs orientiert, der für die Vergangenheit festgestellt wird. Sie
nehmen die Form von Wenn-dann-Regeln an. Beispielsweise lautet
ein Konditionalprogramm: „Wenn im Team ein Konflikt festgestellt
wird, dann kommt Coaching der Führungskraft in Betracht.“ Bei
diesem Programmtyp trifft man Festlegungen für die Vergangenheit.
Die entscheidende Frage ist, ob ein Konflikt wahrgenommen wird.
Nur wenn das Auftreten der definierten Bedingung „Konflikt“
bestätigt wird, kann das Programm zur Anwendung kommen und die
bestimmte Maßnahme „Coaching“ einleiten.
Bei Zweckprogrammen hingegen werden Festlegungen in der
Zukunft getroffen. Es handelt sich um künftige Ziele oder Zwecke, die
zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft erreicht werden sollen.
Sie bringen damit die Frage nach den geeigneten Mitteln zur
Zielerreichung ins Spiel, treffen aber genau dafür keine Festlegungen.
Die Orientierung erfolgt nur nach dem anvisierten Ziel. Mittelbegrenzungen müssen bei Zweckprogrammen zusätzlich in Form von
Konditionalprogrammen angefügt werden. (Luhmann 2000: 256 ff.).
Die typische Gefahr bei Zweckprogrammen liegt in der Kostenexplosion, weil man nicht zugleich Zweck/Ziel und die dafür nötigen Mittel
definieren kann.
Generell gilt für Programme, dass sie nicht alle folgenden Entscheidungen determinieren oder vorweg nehmen, sondern nur
Orientierungsregeln formulieren. Im konkreten Einzelfall ist aber
immer noch die Entscheidung vorgesehen und notwendig, ob im Sinne
der Regel oder gegen die Regel entschieden wird. Die abweichende
Entscheidung trägt allerdings die Rechtfertigungslast. Jedenfalls kann
54
Analyse
Untersuchungsgegenstand
man nicht mehr so entscheiden, als ob es kein Entscheidungsprogramm gäbe.
Konditionalprogramme
Die Bedingungen, unter denen Coaching in Betracht gezogen wird,
sind mehr oder weniger bekannt. Es handelt sich um Probleme, die im
„Verhaltensbereich“ liegen oder „Kommunikationsthemen“ betreffen.
Die Bestimmung, was damit gemeint ist, bleibt aber häufig unklar und
erfolgt eher negativ durch den Ausschluss von fachlichen Qualifikationsmängeln. Deutlicher wird die Indikation für Coaching durch die
Wahrnehmung von Konflikten im Team. Aber auch Konflikte müssen
erst als behandlungsbedürftig bestimmt werden, wofür wiederum
keine allgemeinen Regeln vorliegen. Entscheidend war in allen
untersuchten Organisationen das „Auftragsklärungsgespräch“ mit der
Personalentwicklung, das heißt dass niemand auf Coaching bestehen
kann, weil bestimmte Probleme vorliegen.
Sofern Konditionen bestimmt werden, richten sie sich auf Rahmendaten. Coaching wird grundsätzlich nur bei Führungskräften
durchgeführt, aber auch nicht immer und bei allen22. Es muss
erkennbar sein, dass ein organisational relevantes Problem vorliegt,
dass einem Mitglied zugerechnet werden kann. Die wichtigsten
Indikatoren hierfür sind Konflikte im Team, persönliche Probleme in
der beruflichen Rolle und in einigen Fällen die Überforderung von
Manager durch starke Veränderungen in der Organisationsstruktur.
Genannt werden auch Vorbereitung auf und Begleitung in neue
(Vorgesetzen-)Stellen sowie die Vorbereitung auf Assessmentcenter
in der Führungskräfteentwicklung. Sofern überhaupt Regeln zu
Häufigkeit der Sitzungen, Stundensätze der Coaches und Dauer der
einzelnen Coachings sowie der gesamten Maßnahme generalisiert
sind, werden sie ebenfalls in Konditionalprogrammen festgelegt.
Zweckformulierungen, wie „das Coaching muss möglichst billig sein“
oder „dieses Problem muss in 4 Sitzungen gelöst sein“, wurden nicht
genannt. Mehr als 15 Treffen von Coach und Coachee sind selten, 5
bis 10 die üblichste Anzahl. Die Stundensätze der Coaches wurden
nicht systematisch erhoben. Die einzelnen Coachings dauern meist
22
Insbesondere werden keine coaching-immanenten, sondern eher organisationale
Gründe (v. a. Ressourcenknappheit) für die Beschränkung auf Führungskräfte
angeführt. Prinzipiell spricht nichts gegen Coaching für Jedermann.
55
Untersuchungsgegenstand
Analyse
zwischen 90 und 180 Minuten und die gesamte Maßnahme schwankt
zwischen wenigen Monaten und bis zu zwei Jahren. Diese Werte sind
aber wenig aussagekräftig, weil es sich nur um Richt- und Erfahrungswerte handelt und sich die Personalentwicklung vorbehält, im
Einzelfall davon abzuweichen.
Zweckprogramme
Coaching ist für Organisationen ein Mittel, nicht Zweck. Dementsprechend erzeugen Zweckformulierungen Argwohn, etwa wenn man
möglichst viele der Führungskräfte im nächsten Jahr coachen will.
Man geht davon aus, dass Coaching nur dann aktiviert werden sollte,
wenn ein echter Bedarf auf Seiten der Führungskraft vorhanden ist.
Dieser Bedarf sollte sich nicht nach Zweckprogrammen der Coaches
richten. Coaching ist dementsprechend immer nur das Mittel, um
diesem Bedarf bzw. diesen persönlichen Problemen von Mitarbeitern
abzuhelfen.
Typischerweise unterstellen jene Kritiker, die in der Coachingwelle
nur eine Mode sehen, Zweckprogramme auf Seiten der Anbieter. Man
deklariere Coaching nicht deshalb als notwendig, um einen echten
Bedarf zu decken, sondern nur um das Einkommen von unterbeschäftigten Therapeuten zu sichern (Sievers 1991: 272). Immerhin, so das
schwerwiegendste Argument, werde der angebliche Bedarf erst seit
kurzem wahrgenommen und dies vor allem von den Anbietern.
„Aktive Akquise“ seitens der Coaches wird deshalb nicht akzeptiert
und stattdessen versucht man, die Modewelle aus der Organisation
fernzuhalten:
„Und wenn das Mode wird, dann müssen wir gegensteuern. Wegen einer
Mode machen wir das nicht bei (der Organisation, A.T.).“ (Bauer,
Unternehmen 4)
So wenig Zweckformulierungen den Einsatz von Coaching
legitimieren können, so sehr steht Coaching im Ruf, zweck- bzw.
zielorientiert zu verlaufen. So gilt es als ausgemacht, dass zu Beginn
von Coaching thematische Ziele vereinbart werden. In diese
Zielvereinbarungen werden bisweilen auch die Vorgesetzten der
Coachees mit einbezogen. Jedenfalls sollen aber die Ziele mit dem
Coachee entwickelt und mit Coach und Personalentwicklung
abgesprochen werden. Man wird nicht müde zu betonen, das
Coaching zielorientiert durchgeführt werde, auch wenn die Ziele nicht
56
Analyse
Untersuchungsgegenstand
generell festgelegt sind, sondern immer im Einzelfall aus dem
diagnostizierten Entwicklungsbedarf des Coachees resultieren:
„Und in dem ersten Gespräch mit dem Coach und während des ersten
Auftragsklärungsgesprächs wird das Ziel präzisiert, es werden Indikatoren für die Zielerreichung genannt, die nicht nur in der Person des
Coachees liegen dürfen, sondern externe Indikatoren sind und vor allen
Dingen die Führungskraft mit einbeziehen. Nach dem Motto, das ist eine
Investition, die setzen wir strategisch, die Führungskraft ist verpflichtet,
alle Investitionen bezüglich der Zielerreichung nach zu halten.“
(Schneider, Beratungsunternehmen)
Entsprechend formuliert ein Gatekeeper eines Arbeitnehmerverbands:
„Es muss Ziele geben, die angesteuert werden, wenn auch die Ergebnisse
offen sind. Im Sinne von dieser Definition habe ich bei den Leuten, bei
den schreibenden Coaches, auch entsprechende Definitionen gefunden.“
(Krüger, Arbeitnehmervertretung)
Insgesamt werden von den Gatekeepern nur wenige Programme
benannt. Weder sind Konditionalprogramme, wie zum Beispiel:
„Wenn ein Konflikt vorliegt, wird Coaching eingeleitet“, noch
Zweckprogramme, etwa dass im Jahr mindestens 10% der Führungskräfte gecoacht werden sollten, in der Entscheidung für ein Coaching
ausschlaggebend. Beide Programmbeispiele spielen zwar eine Rolle,
so dass Vorstellungen darüber bestehen, welche Bedingungen ein
Coaching ermöglichen oder welches Ziel ein Coaching verfolgen soll.
In ihrer Bedeutung fallen Programme aber weit hinter die jeweils
aktivierten Kommunikationsstrukturen zurück.
4.2.2 Kompetenzen im Coaching
Mit dem Strukturmerkmal Kompetenzen beschreibt Niklas
Luhmann, welche Kommunikationswege generalisiert aktiviert
werden. Den zuständigen Stelleninhabern, die in eine Entscheidung
einbezogen werden müssen, wird ein bestimmtes „Können“
abverlangt. Sie erhalten im Gegenzug bestimmte „Entscheidungskompetenzen“ zugewiesen. Werden generelle Entscheidungskompetenzen
erteilt, bleibt es nicht länger den beteiligten Personen selbst
überlassen, ob und welche Kommunikationswege benutzt werden, um
eine Entscheidung herbeizuführen, sondern die entsprechenden Stellen
57
Untersuchungsgegenstand
Analyse
sind generell einzubeziehen (Luhmann 2000: 302). Abweichungen
davon müssen sich wiederum rechtfertigen.
Auch hier kann man wieder zwei Arten der Entscheidungsprämisse
unterscheiden. Es werden fachliche und hierarchische Kompetenzen
zugeteilt. Mit den fachlichen Kompetenzen werden Fähigkeiten in die
Organisation kopiert, die gesellschaftlich durch Berufsausbildungen
erworben wurden. Es handelt sich eher um Spezialisten, deren Können
nicht auf Entscheidungen der Organisation basiert. Hierarchische
Kompetenzzuteilungen beruhen dagegen auf internen Entscheidungen.
Personalentwicklung war in den interviewten Organisationen als
Stabstelle konzipiert. Das bedeutet, dass die Personalentwicklung mit
fachlichen Kompetenzen ausgestattet ist, aber nur selten über
hierarchische Kompetenzen verfügt. Der Vorteil der fachlichen
Kompetenz liegt in ihrer Fähigkeit zur Spezialisierung, der Nachteil in
der Gefahr einer verengten Sichtweise (ebd.: 312 ff.).
Dass über den Einsatz von Coaching nicht hierarchisch, sondern
fachlich entschieden wird, stellt ein ganz wesentliches Merkmal dar.
Freiwilligkeit und Vertraulichkeit gelten als die wichtigsten
Kommunikationsregeln im Coaching. Beide Voraussetzungen
sträuben sich aber gegen eine hierarchische Indienstnahme. Zu
Beratung generell gehört das „Grundprinzip der Freiwilligkeit“ (vgl.
Schützeichel 2004a: 277) und Vertraulichkeit wird deshalb so hoch
geschätzt, weil Coaching persönliche Probleme bearbeitet. Man kann
diese beiden Eigenschaften in garantierte formale Folgenlosigkeit
übersetzen. Niemand muss mit formalen Konsequenzen aus dem im
Coaching mitgeteilten Inhalten rechnen. Ist diese Garantie nicht
glaubhaft, können auch die persönlichen Probleme der Führungskraft
nicht offen angesprochen werden.
Dass Coaching angeboten wird, publiziert die Personalentwicklung
in aller Regel durch Fortbildungsbroschüren. Sofern Coaching noch
nicht systematisch angeboten wird, verbreitet sich die Kenntnis über
die Möglichkeit durch Mundpropaganda oder am Rande von anderen
Fortbildungen, wie Training, Seminar usw. Eine Anfrage kann aber
auch vom Coachee selbst oder vom Vorgesetzten bei der Personalentwicklung eintreffen. Vorschläge von Coaches gelten dagegen als
kontraindiziert und werden als „aktive Akquisition“ gescholten. Man
vermutet, dass Coaches sich nur an ihren Einkommensinteressen
orientieren, wenn sie Personen ein Coaching vorschlagen:
58
Analyse
Untersuchungsgegenstand
„Was sonst sehr gestört hat, dass sie durch das Haus gegangen ist, sie
kannte viele und viel Akquise betrieben hat und mit Leuten zum Teil
angefangen hat zu arbeiten (…). Die hat aktiv Akquise im Hause gemacht
und dann stundenlang mit Führungskräften reden, das halten wir nicht
für zielorientiert und dann alles in Rechnung stellen (…) nein, da wollen
wir nicht mit.“ (Schneider, Beratungsunternehmen)
Auch Vorschläge von Vorgesetzten lösen bei der Personalentwicklung regelmäßig Misstrauen aus, ob es sich um einen tatsächlichen
Coachingbedarf, um ein „Bonbon“ oder etwa um eine „Strafmaßnahme“ des Vorgesetzten handelt:
„so wie Coaching manchmal ein Bonbon ist, (…) wird es hier als
Strafmaßnahme genutzt. Du bist nicht so, wie ich mich dich wünsche,
also lasse ich mir dich umerziehen. Auch diesen Ansatz hatte ich ein paar
Mal erlebt. (…) der denkt sich, der ist nicht so, wie ich will, der soll mal
parieren.“ (Schneider, Beratungsunternehmen)
Generell wird unterstellt, dass in „Auftragsklärungsgesprächen“
zunächst fachlich zu erhellen ist, ob Coaching die indizierte
Maßnahme darstellt. Man erwartet weder von Coachees noch von
Vorgesetzten oder von Mitarbeitern der Coachees, dass sie
Coachingbedarfe richtig abschätzen können. Melden Coachees oder
Vorgesetzte solche Bedarfe an, wird deshalb immer nachgefragt, was
der Anlass oder der Bedarf genau sei. In diesen Fällen liegt die
Entscheidungskompetenz klar bei der Personalentwicklung.
Allerdings liegt die Budgetverantwortung in den meisten Organisationen zumindest teilweise in hierarchischer Kompetenz. So kommt es
immer wieder vor, dass Vorgesetzte kraft Budgetverantwortung
nachrangigen Führungskräften Coaching ermöglichen, ohne dass die
Personalentwicklung darüber informiert wird. Der Gegenfall, dass die
Kostenübernahme für Coaching trotz fachlicher Bestätigung durch die
Personalentwicklung nicht genehmigt wird, wurde nicht berichtet. Die
hierarchische Kompetenz wird zur Ermöglichung, aber nicht zur
Verhinderung genutzt. Gleiches gilt für die Organisationsspitzen, die
sich ihre Coachings nur in Ausnahmefällen von der Personalentwicklung genehmigen lassen. Die Häufigkeit von solchem „UntergrundCoaching“ wird von den Personalentwicklern je nach Organisationsform und Kompetenzverteilung zum Teil als beträchtlich eingeschätzt.
Die Auswahl der Coaches liegt ebenfalls im Kompetenzbereich der
Personalentwicklung. Über Auswahlverfahren, die sich kaum von
59
Untersuchungsgegenstand
Analyse
denen für Mitarbeiter unterscheiden, werden Coaches auf ihre
Tauglichkeit und Persönlichkeit eingeschätzt. Die Gatekeeper konnten
hierzu oft nur wenige exakte Kriterien nennen, die die Bewerber
erfüllen müssen, damit sie in einen so genannten Coachingpool
aufgenommen werden. Sehr häufig genannt wurden möglichst
umfangreiche Organisations- und Führungserfahrung gepaart mit
ausreichenden psychologischen Kenntnissen und Fähigkeiten. Als
wichtigste schriftliche Nachweise gelten Lebenslauf, entsprechende
Fort- und Ausbildungen und Referenzen hochrangiger Coachees.
Keiner der Interviewpartner konnte aber genau spezifizieren, welche
Erfahrungen, Ausbildungen, Kenntnisse und Fähigkeiten unbedingt
vorliegen müssen. Generell geschätzt wurde schlicht ein großer
Erfahrungsschatz in der Arbeit als Coach und das Beherrschen von
mehreren verschiedenen psychologischen Interventions- und
Beratungstechniken. Hierzu zählen im Prinzip alle als seriös
eingeschätzten Techniken wie Transaktionsanalyse, NLP, zirkuläres
Fragen, kreatives Denken, systemische Beratung, gruppendynamische
Methoden, EMDR usw. Die Entscheidung darüber, welche Methoden
wichtiger und seriöser eingeschätzt werden, bleibt jedoch den
Personalentwicklern vorbehalten.
Nach Beginn der Coachings überprüft wiederum die Personalentwicklung meist nach eigenem Ermessen Verlauf und erzielte
Zwischenergebnisse, entscheidet über Änderungen in der Zielformulierung des Coachings und hält mehr oder weniger Kontakt zu Coach,
Coachee und Vorgesetzten des Coachees. Für all diese Kommunikationen gibt es kaum verbindliche Regelungen, sondern sie liegen in der
fachlichen Entscheidungskompetenz der Personalentwickler. Das gilt
auch für den Abschluss der Coachings und die weitere Betreuung der
Coachees. Je nach Bedarfseinschätzung durch die Personalentwicklung werden Abschlussgespräche geführt. Aber weder das Abschlussgespräch selbst noch die Teilnahme daran ist für die Beteiligten
systematisch geregelt.
4.2.3 Coaching und Personal
Welche Motive und Charakterzüge auch immer mit Personen in
Verbindung gebracht werden, diese Eigenschaften lassen sich nicht
isoliert von der Person bearbeiten. Analytisch kann man zwischen
„Wissen, Fähigkeiten, Präferenzen, Umweltkontakten, Alter,
Geschlecht, Kooperationswilligkeit, Arbeitstempo usw.“ (Luhmann
2000: 287) unterscheiden, diese Merkmale sind aber zur Enttäuschung
60
Analyse
Untersuchungsgegenstand
aller Personalentwickler in einer Person kompakt verbunden.
Sicherlich verändern sich Personen, aber dies geschieht nicht nach
Maßgabe von bewussten, erzieherischen Maßnahmen der Organisation. Schon allein aus dem Eingebundensein in verschiedenste Kontakte
und Beziehungen ergibt sich diese Stabilität und Unveränderlichkeit
der Person. Personen müssen in jeder Situation zu jedem Zeitpunkt in
jeder Beziehung als dieselbe Person, die sie zu anderen Zeitpunkten in
anderen Kontakten ist, identifizierbar sein. Selbst wenn sich Personen
ändern wollen, fällt dies schwer, weil sich ihr soziales Kontaktsystem
dagegen wehrt, etablierte Personidentifikation aufzugeben. Wenn sich
jeder schnell ändern ließe, dann wäre kaum noch jemand wiederzuerkennen. Personalentwicklung hätte also nicht nur bestimmte Variablen
der Person zu entwickeln, z.B. neues Wissen oder Empathie,
gleichzeitig müsste sie das identifizierende Kontaktsystem der Person
gleichsinnig entwickeln, damit diese veränderten Eigenschaften jetzt
mit der Person identifiziert werden. Der Synchronisationsaufwand
steigt schnell ins Unermessliche, sobald sich das Kontaktsystem nicht
nur auf wenige Personen beschränkt.
Nur wenn man das akzeptiert, versteht man überhaupt den Sinn,
warum man soviel Aufmerksamkeit auf Personalauswahl, Personalbeschreibung, Passung von Person und Stelle, Passung von Personen
und Teams usw. legt (Luhmann 2000: 279 ff.). Personen sind
gesellschaftlich verfügbar und durch institutionalisierte Lebensläufe
vor allem nach Bildungswegen und Karriereverläufen unterscheidbar.
Personen werden organisationsintern zu Personal durch die Beachtung
und Beschreibung eines für relevant gehaltenen Ausschnitts ihrer
Persönlichkeit. Als Strukturmerkmal tauchen Personen nur insofern
auf, als die Organisation selbst darüber entscheidet, mit welchen
fachlichen und hierarchischen Kompetenzen sie ihr Personal
ausstattet, welche Programme zu beachten sind und welche
Personenmerkmale (Expertise, Wissen usw.) offiziell einzubringen
sind. Abseits der entschiedenen Rollendefinitionen für das Personal
sind Personen wie die Welt an sich als faktisch gegeben hinzunehmen.
Personen werden nicht organisationsintern gemacht, sondern müssen
aus einem Arbeitskräfteangebot ausgewählt werden, möglichst
geeignet eingesetzt werden und entlassen werden, wenn man keine
Verwendung mehr dafür hat oder zur Überzeugung gelangt, dass man
mit diesen Personen nicht länger arbeiten will. Luhmann macht
außerdem darauf aufmerksam, dass das Ersetzen von Personal nur
deshalb Sinn macht, weil man sich von anderen Personen andere
61
Untersuchungsgegenstand
Analyse
Entscheidungen erwartet (ebd.: 286). Wären Personen nach Maßgabe
der Organisation zu entwickeln, müsste man sie weder versetzen noch
ersetzen.
Prinzipiell bestehen wenige Einschränkungen in Bezug auf
Personen, die Coaching in Anspruch nehmen dürfen. Die wichtigste
Einschränkung besteht im Hinblick auf die Bedingung, dass das in
Frage kommende Personal mit Führungsaufgaben betreut ist.
Coaching für Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung kommt nur als
Fachcoaching vor (z.B. „Vertriebscoaching“) und ist in dieser
Untersuchung nicht von Interesse. In jedem Fall prüfen die
verantwortlichen Personalentwickler, ob die Person für diese Form der
Personalentwicklung geeignet ist:
„da hatte ich den Mitarbeiter hier setzen und der hat mir erzählt, dass
die Führungskraft will, dass er ein Coaching macht. Und er fragte dann,
wer er wäre, was das Coaching soll: ‚Ich bin, wie ich bin, wer mich
leiden kann, kann mich leiden, die anderen haben Pech gehabt.’ Also wir
haben auch diese Sorte, so ganz handfeste.“ (Schneider, Beratungsunternehmen)
Es bestehen aber keine generalisierten Aussagen darüber, welche
Personeneigenschaften für Coaching ungeeignet sind. Man geht
vielmehr davon aus, dass Coaching im Prinzip eine Beratungsform für
jedermann ist.
Großer Wert wird auf eine gute Passung zwischen Coach und
Coachee gelegt. Man vermutet, dass die Eigenschaften von Personen
eine wichtige Rolle spielen im Aufbau einer vertrauensvollen
Beziehung, ohne genau sagen zu können, worin diese Eigenschaften
bestehen. Weil man sich das Personal der Organisation nicht in Bezug
auf Coaching aussuchen kann, versucht man auf Seiten der Coaches
die jeweils passende Person auszuwählen. Weil Coaching in
Interaktion stattfindet, könnte man vermuten, dass sichtbare
persönliche Merkmale eine entscheidende Rolle spielen. Deren
wichtigste bestehen nach Goffman (Goffman 1994b: 93) in „Alter,
Geschlecht, Klasse und ethnische Zugehörigkeit“. Einzig „ethnische
Zugehörigkeit“ wurde in den Interviews nicht erwähnt, vielleicht weil
dies in Deutschland ohnehin (k)ein Thema ist: selbstverständlich sollte
er Deutscher sein.
62
Analyse
Untersuchungsgegenstand
Die verbleibenden drei auf den ersten Blick wahrnehmbaren
Personenmerkmale wurden durchaus von den Experten reflektiert.
Jedoch konnte nur ein relativ klar formulierter Personentyp aus den
Interviews gewonnen werden. Demnach sind offenbar Männer im
Alter zwischen 45 und 60 besonders erwünscht. Neben diesen
Idealvorstellungen über Alter und Geschlecht finden sich selten
Überlegungen über die Klassenzugehörigkeit von Coaches. Die
Klasse, ausgedrückt vor allem durch Kleidung und Verhalten, ist
dabei nicht einheitlich festgelegt, sollte aber der Klasse des Coachees
entsprechen:
„vielleicht noch ein gepflegtes Äußeres, das kann man vielleicht noch
hinzunehmen. Weil ich kann zu einem Vorstand nicht mit einer Jeans
hingehen.“ (Schuster, Unternehmen 6)
In einigen wenigen Interviews konnte diese Idealvorstellung der
Experten anhand der Coachdatenbanken in den Organisationen
überprüft werden. Dabei stellte sich heraus, dass dieser Idealtyp eines
Coaches aber nur einen Teil der Wirklichkeit in den Coachingpools
widerspiegelt. So finden sich fast zur Hälfte Frauen in den Pools, die
über verschiedenste Berufs- und Lebenserfahrungen verfügen und
deshalb schon ein gewisses Alter, etwa ab 40, erreicht haben:
„Die jetzt zum Beispiel: die hat Schriftsetzerin gelernt, dann hat sie ein
Studium Publizistik Magister, hat dann Zusatzausbildungen gemacht, hat
dann bei einer Agentur gearbeitet, hat dann bei einer anderen Agentur
gearbeitet, war im Ausland in Brisbane in Australien, war dann
Redakteurin bei einer Zeitungskolumne. Das machen sie nicht, wenn sie
32 sind.“ (Becker, Coachinganbieter 2)
Von den interaktionsnahen Personmerkmalen scheint letztlich nur
das Alter von Bedeutung zu sein. Allerdings muss das nicht unbedingt
auf die Wirkung in der Interaktion zurückgeführt werden, wie ein
Experte eines großen Coachinganbieters betont:
„Ich glaube, mit dem über 40, das hat weniger was mit der Glaubwürdigkeit von älteren Personen zu tun, dass man die eher als Berater
akzeptiert, weil man da eine Menge Erfahrungswissen einfach unterstellt,
sondern ich denke, das liegt unter anderem daran, das Coaches bei uns
häufig eine sehr bunte berufliche Vergangenheit haben. Das heißt, die
haben häufig im Unternehmen als Manager gearbeitet, haben Zusatzausbildungen, haben sich selbstständig gemacht und so weiter und sofort
63
Untersuchungsgegenstand
Analyse
und das packt man natürlich weniger in 35 Jahren rein als dann schon
viel eher in 45 Jahren.“ (Becker, Coachinganbieter 2)
Klassische Interaktionsmerkmale nach Goffman spielen also keine
eindeutige Rolle. Auch der Zusammenhang mit dem Alter liegt nicht
darin, dass ältere Personen im persönlichen Gespräch erfahrener
wirkten, sondern dass Coaches über viel Berufs- und Lebenserfahrung
verfügen müssen und deshalb älter sind.
Diese weitgehende Vernachlässigung typischer interaktionsrelevanter Personmerkmale kann man mit André Kieserling (1999: 335 ff.)
damit erklären, dass die Coachinginteraktionen stark durch die
Organisationen geformt sind. Das Zusammentreffen der Personen, die
Passung der Rollen, die gesamte Interaktion finden nur deshalb statt,
weil sie organisiert sind. Die Interaktion ist erheblich vorstrukturiert,
muss Leistungen der Situationsdefinition, der Verteilung von
Rederechten, Rollenzuweisungen usw. nicht selbst aufwändig
herstellen, sondern all das kann als gegeben hingenommen und darauf
aufgebaut werden. Die Interaktion stellt nicht nur durch seine
begrenzten Systemmöglichkeiten eine Simplifizierung dar, sondern ist
darüber hinaus selbst schon stark vorstrukturiert und vereinfacht in
Fragen der zeitlichen, sozialen und sachlichen Orientierungen. Der
Vorteil kann genutzt werden, um sofort zur Sache zu kommen, ohne
langwierige Verhandlungen über Rahmendaten und Themen der
Interaktion. Die Interaktion muss kaum eigene Strukturierungsleistungen beisteuern und kann im Wesentlichen Themen bearbeiten. Weil
Organisation Interaktion schon so stark vorstrukturiert, können die
ansonsten zur Strukturierung von Interaktion hilfreichen sichtbaren
Personmerkmale relativ unbeachtet bleiben.
Nach Angaben der Interviewpartner wird großer Wert auf die
Person des Coaches gelegt. Leider existieren aber keine verallgemeinerbaren Kriterien, die der Coach erfüllen muss. Die Person bzw. die
Persönlichkeit der Coaches zu bewerten, bleibt das Geheimnis der
Personalabteilungen:
„das sind Leute, die älter als 40 sind, wobei da mach ich dann auch
gleich wieder eine Ausnahme. Einer meiner Mitarbeiter war 33 und ist
jetzt Vorstandsassistent, also ist vor einem Jahr weggegangen aus diesem
Geschäftsfeld und als Assistent beim Vorstand gelandet, die ihn halt
kennen gelernt hat. Dieser Mitarbeiter war selber auch als Coach tätig
und zwar auch mit hoher Akzeptanz. Das heißt, er hat auch Kunden
64
Analyse
Untersuchungsgegenstand
gehabt, die waren 20 Jahre älter als er und die zu bestimmten Fragestellungen mit ihm ist sehr, sehr gut arbeiten konnten. Aber im Schnitt ist der
Coach über 40, männlich, eher introvertiert. Ich könnte also schon eine
Beschreibung geben, müsste aber immer dazu sagen, aber es gibt auch
immer das ganze Gegenteil davon und die kommen auch super gut an.“
(Becker, Coachinganbieter 2)
4.2.4 Coaching als Interaktion
Die Coachingsitzung selbst ist Kommunikation „unter vier Augen“
(Looss 1997). Soziologisch ausgedrückt handelt es sich um die
eigenständige Systemform Interaktion (vgl. hierzu und zum
Folgenden: Goffman 2003; Luhmann 2005a; Kieserling 1999). Es
handelt sich dabei nicht um eine Entscheidungsstruktur der
Organisation. Dennoch hat Interaktionsförmigkeit einen erheblichen
Einfluss auf die Möglichkeiten von Coaching. Interaktionssysteme
sind gekennzeichnet durch relativ geringe Komplexität. Im Vergleich
zu Organisation sind die Chancen, in Interaktion Komplexität
aufzubauen, außerordentlich gering. Die Kommunikationsbeiträge
sind zeitlich sequentiell, das heißt dass immer nur ein Beitrag nach
dem anderen verarbeitet werden kann. In Organisation geschehen
Unmengen von Beiträgen gleichzeitig und können nachträglich
selektiert, koordiniert oder einfach vergessen werden. Interaktionssysteme können sich dagegen keine Gleichzeitigkeit zumuten, sich
können sich auch nicht in funktionale Einheiten – Abteilungen,
Bereiche, Segmente – differenzieren. Zudem sind ihre Chancen
gering, sich selbst zu beobachten. Man kann zwar scheinbar auf eine
„Metaebene“ wechseln und darüber reden, wie man miteinander redet,
letztlich bleibt man aber doch innerhalb der strukturellen Grenzen der
Interaktion gefangen. Man kann auch nicht in „Meta-Kommunikation“
basale Interaktionstechniken des Taktes, der Höflichkeit, der rituellen
Achtung der Person, der Sequentialität usw. ignorieren.
Dass Coach und Coachee sich auf diese Kommunikationsform oder
in wenigen, „innovativ“ gewerteten Fällen auf interaktionsnahe
Formen, wie Telefon-Coaching oder E-Mail-Coaching, zurückziehen,
hat den Vorteil einer radikalen sachlichen Vereinfachung. Insbesondere gilt dies im Hinblick auf die engen zeitlichen Grenzen:
„Wenn der Klient dort 10 bis 15 Stunden hatte, ist er im Grunde fähig,
was Neues hin zu kriegen mit seiner Mannschaft, ist er fähig, Störungen
65
Untersuchungsgegenstand
Analyse
zu erkennen, anders mit den Leuten zu agieren.“ (Krause, Medienanstalt
2)
Im Hinblick auf die Ergebnisse aus der Psychotherapieforschung
(Schwarz 1985) muss man davon ausgehen, dass es in diesen wenigen
Stunden kaum darum gehen kann, persönliche Strukturen zu
verändern. Erwachsene Menschen in ihren psychischen Strukturen zu
verändern, erfordert in der Regel jahrelange therapeutische Bemühung
und ist selbst dann nicht in der gewünschten Form garantiert23. Ebenso
kann es kaum darum gehen ein realistisches Abbild organisationaler
Strukturen zu entwickeln, die in ihrem Umfang und Komplexität
ebenfalls die Kontingente von 15 Coachingsitzungen schnell
überfordern dürfte. Auch die „Gehirnwäsche“-These (Deutschmann
2002: 134), in klassischer Manier industriesoziologischer Kritik
vorgetragen, dürfte schon allein an der geringen Stundenzahl
scheitern. Ohne über entsprechendes empirisches Material zu
verfügen, kann man nur vermuten, dass in dieser kurzen Zeit lediglich
akute Rollenprobleme der Coachees thematisiert werden können.
Coaching kann sowohl durch die enge zeitliche Begrenzung als auch
strukturell als Interaktionssystem nur geringe Komplexität prozessieren und genau darin liegt der Sinn auf Interaktion zurückzugreifen.
Hier werden Dinge vereinfacht und handhabbar gemacht. Ein Experte
eines großen Coachinganbieters formuliert dies außerordentlich
treffend:
„ein anderer Kunde ruft an und sagt: ‚Ich denke mal, der Coachingprozess, den ich mit Herrn XY habe, da brauche ich eine Verlängerung (…)
Und ich glaube, genauso lange brauchen wir noch mal, also 70 Stunden’
Nichts auf der Welt dauert 70 Stunden. Sie können alle Fragen der
Menschheit in 20 Stunden bequem lösen.“ (Becker, Coachinganbieter 2)
André Kieserling (1999) weist darauf hin, dass im Kontrast zu
Organisationssystemen Entscheidungen in Interaktionssystemen
möglichst vermieden werden. Entscheidungen haben für den
Entscheider andere Folgen als für die von der Entscheidung
Betroffenen. Wer in Interaktion eine Entscheidung verkündet, riskiert
23
Neuere Kurzzeittherapien vermeiden daher die „Konfrontation“ mit bestehenden
Persönlichkeitsstrukturen und versuchen stattdessen, Strukturen zu schaffen, die
bislang noch nicht vorhanden waren und deshalb nicht erst zerstört werden müssen
(Fiedler 2004).
66
Analyse
Untersuchungsgegenstand
deshalb, andere Gesprächsteilnehmer zu brüskieren und als taktlos zu
gelten. Interaktion ermöglicht auch dann, wenn sie durch die
Organisation bedingt ist, sich von der Entscheidungsförmigkeit der
Organisationskommunikation zu distanzieren. Die Interaktion
ermöglicht deshalb andere Chancen als die Organisation, freilich mit
dem Nachteil für Organisation, nicht vollständig auf Interaktion
durchgreifen zu können. Darin besteht wiederum ein Vorteil für die
Bearbeitung von persönlichen Problemen, weil man sich hier
vergleichsweise frei äußern kann, ohne formale Folgen befürchten zu
müssen. Die vertrauliche Interaktion bietet im Kern ein Überdruckventil für aufgestauten Ärger, Frustration und drohende Überlastung.
Das kann aber nur gelingen, wenn sie organisational garantiert
folgenlos bleibt.
Auch im Hinblick auf Konfliktfähigkeit unterliegt die Interaktion
der Organisation. In Organisationen können konfligierende
Wertorientierungen und entsprechende Programme durch Trennung
von Situationen (vgl. Luhmann 1968) und durch Ausdifferenzierungen
etwa unterschiedlicher Abteilungen aufgefangen werden. Hinzu
kommt „Hierarchie mit ihren Notstandskompetenzen“, die sozialen
Konsens überflüssig machen kann und Konflikte per formale
Entscheidung lösen kann. Über all diese Möglichkeiten verfügt nur
Organisation, nicht aber Interaktion. Konflikte sind für Interaktionen
außerordentlich bedrohlich, weil sie dort nicht verschoben oder
abgespalten werden können. Tritt ein Konflikt in Interaktion offen zu
Tage, annektiert er die gesamte Interaktion. Interaktionssysteme
„haben nur die Wahl, Konflikte zu vermeiden oder Konflikte zu sein“
(Luhmann 2005d).
Aus dieser Problemlage der Konfliktunverträglichkeit resultieren
eine Reihe von Interaktionstechniken, die am treffendsten von Erving
Goffman beschrieben sind (Goffman 1986; 1994a; 2003). Diese
müssen hier nicht im Einzelnen aufgeführt werden24. Wichtiger ist zu
erkennen, dass der Einsatz von Interaktionen in Organisationen die
Funktion der Konfliktvermeidung übernimmt. Wer einen organisationalen Konflikt in Interaktion gibt, hat gute Chancen, dass der Konflikt
verdeckt bleibt. Die Konfliktscheu der Interaktion verhindert gerade
den Ausbruch des Konflikts.
24
Es geht um „Techniken“ wie Takt, Höflichkeit, Zuvorkommenheit, indirekte
Kommunikation, Heuchelei und dergleichen mehr.
67
Untersuchungsgegenstand
4.3
Analyse
Zusammenfassung zur organisationalen Strukturiertheit
Bei all den Begriffsverwirrungen, die mit Coaching verbunden
sind, ist es angebracht, die bis jetzt gewonnenen empirischen
Eindrücke zusammenzufassen. Beim Coaching in Organisationen
handelt es sich um eine personenzentrierte Beratungsform, deren
Inhalte und Ergebnisse vertraulich und formal folgenlos bleiben. Zum
Beratungsnehmer, also Coachee, kann in der Regel werden, wer eine
Führungsaufgabe ausübt. Bearbeitbare Probleme sind als „persönliche“ attribuierte Probleme, die im Zusammenhang mit der beruflichen
Rolle stehen. Vom Coachee wird im Kern erwartet, dass er die
Problemlage als persönliche akzeptiert und bereit ist, daran zu
arbeiten. Vom Coach wird im Kern erwartet, dass er in der Lage ist,
innerhalb weniger Stunden die Problematik anhand anerkannter
psychologischer Techniken und Methoden einer für den Coachee
praktikablen Lösung zuzuführen. Organisiert wird Coaching in erster
Linie durch die fachliche Entscheidungskompetenz der Abteilungen
bzw. Stellen für Personalentwicklung. Dort werden Rollendefinitionen
des Coach und des Coachees angefertigt und in fachlichen, nicht
hierarchischen Kommunikationen überprüft. Die Interaktionsförmigkeit und enge zeitliche Begrenzung ermöglichen eine drastische
Reduktion der zugrunde liegenden organisationalen Komplexität. Die
Interaktion unterstützt freie Äußerungen zur Problemlage und
informelle Problemverarbeitung.
Diese Zusammenfassung ist als Definition so wenig hilfreich, wie
jede andere Definition. Der Nutzen dieser Definition liegt nicht in der
normativ-theoretischen Aussage darüber, was Coaching sein soll,
sondern in ihrer empirischen Validität. Sie dient in erste Linie dazu,
einen Eindruck über den aktuellen Stand der Coachingstrukturen in
Organisationen anzubieten. Im Folgenden wird eine funktionale
Analyse zum Coaching versucht. Die bisher festgestellten Bestandteile
sollen dabei aufgegriffen werden und weniger als unabdingbare
definitorische Bestandteile von Coaching gelten, sondern in ihrer
Funktion verstanden werden. Coaching, das mit anderen Bestandteilen
funktioniert, kann auf dieser Grundlage als funktionales Äquivalent
interpretiert werden. So besteht z.B. ein Gatekeeper in der Auswahl
der Coaches für den Coachingpool darauf, dass die Coaches über
psychologische oder psychotherapeutische Kenntnisse verfügen.
68
Analyse
Untersuchungsgegenstand
Versteht man die Funktion dieser Kenntnisse, kann man sie aber auch
durch andere Fähigkeiten ersetzen, unabhängig davon, wie diese
erworben wurden. Andere legen großen Wert auf die persönliche
Führungserfahrung von Coaches, können aber stattdessen auch
jahrelange Beratungserfahrung gelten lassen. Diese empirischen
Variationen in den Personmerkmalen von Coaches sind auf ihre
Funktion hin zu verstehen. In klassischen Definitionen versucht man
solche Variationen auszuschließen und in der Analyse zu ignorieren,
weil man Wesensmerkmale von Coaching nur darin vermutet, wo
keine Variationen vorliegen. Tatsächlich lohnt es sich aber Varianten
zu beachten, weil man darüber Aufschluss über das Funktionieren von
Coaching gewinnen kann. So mag der Sinn der Führungserfahrung
nicht darin liegen, dass man sich in Führungskräfte „einfühlen“ kann
hat, sondern darin, dass man weiß, was Organisationen von
Führungskräften erwarten. Psychologische Kenntnisse haben eine
Funktion nicht deshalb, weil sie psychologisch fundiert sind, sondern
nur insofern sie als Techniken angewandt und definierte Effekte
erzielen können (vgl. Rose 1998f).
Welche Bestandteile Coachingsysteme unbedingt benötigen und
welche vernachlässigbar oder zumindest ersetzbar sind, lässt sich aber
nur klären, wenn man versteht, welche Funktion Coaching erfüllt. Die
Beantwortung dieser Frage ist abhängig von einer Theorie des
Referenzsystems, das Probleme und Lösungsmöglichkeiten festlegt.
Für die funktionale Analyse von Coaching im Referenzsystem
Organisation bietet sich die systemtheoretische Organisationssoziologie an (vgl. Luhmann 2005c: 48 ff.). Die zentrale Frage lautet, welche
Probleme der Organisation können mit Coaching gelöst werden und
welchen Erklärungsbeitrag kann man mit dieser Theorie liefern.
69
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
5
Analyse
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Soziologisch sind keine Hinweise erkennbar, weshalb Coaching
prinzipiell mit der Führungsthematik verknüpft sein sollte. Dennoch
konzentriert sich der Einsatz von Coaching in Organisationen auf
Führungskräfte. Dies rührt daher, dass Führung bzw. Führungsrollen
generell nur von Personen, genauer vom Personal der Organisation
ausgeübt werden kann. Sofern man Anwendungsgebiete für eine
personenzentrierte Beratungstechnik sucht, wird man daher früher
oder später auch bei Führungsthemen landen. In Zeiten, die
insbesondere unter den Aspekten gesteigerter Dynamik und
Veränderungen wahrgenommen wird, überrascht es nicht, dass man
auch Führung erhöhte Aufmerksamkeit zukommen lässt. Es gehört zu
den frühen Einsichten Luhmanns (Luhmann 1999: 207 f.), dass
Führung immer dann an Bedeutung gewinnt, wenn zeitliche
Erwartungssicherheit (also Normen) abnimmt. In Erinnerung an die
Printmedienindizes zur Führungsliteratur oben25 muss aber betont
werden, dass Führung kein neuartiges Thema ist, das etwa erst im
Zuge „der Globalisierung“ relevant würde26. Führungstheorien werden
schon sehr lange diskutiert und wiederum ist es Luhmann, der darauf
hinweist, dass Führung zwar von Personen ausgeübt wird, aber
dennoch in einem Organisationssystem auf mehrere Personen verteilt
ist (ebd.). Für eine Organisation wäre es ein herber Verzicht, wenn
alle Führungsarbeit nur einer Person zugestanden würde. Zugleich
gewinnt man an Verständnis für die Führungsfunktion, wenn man
Führer von Vorgesetzten unterscheidet, weil man dann sieht, dass
Führung eher situativ und opportunistisch greift, während Hierarchie
dauerhaft und unverzichtbar formalisiert ist27. Für das Verständnis,
wozu Coaching in den Organisationen eigentlich gut sein soll, muss
daher das Führungsthema näher erläutert werden. Zuvor geht es
jedoch um die Ausleuchtung „persönlicher Probleme“ in Organisationen, denn es ist sehr oft betont und kritisiert worden, dass es sich
dabei in aller Regel um organisationale Probleme handelt, die auf
Personen externalisiert werden. Weniger oft wird der funktionale
Beitrag für das Organisationssystem verstanden. Dazu ist es hilfreich
etwas weiter auszuholen und die generelle Funktion von Personalent25
Siehe unter 4.1.1 Zur quantitativen Bedeutung in der Fachöffentlichkeit.
Dazu mehr unter 7.1 Globalisierung und allgemeine Komplexitätssteigerung.
27
Dazu mehr unter 6.4 Führung und Hierarchie.
26
70
Analyse
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
wicklung in diesem Zusammenhang zu beleuchten, bevor die Analyse
in Kapitel 6 auf Führungspersonal zugespitzt wird.
5.1
Die Personalisierung organisationaler Konflikte
Wenn in Organisationen Konflikte auftreten, könnte man zunächst
vermuten, dass es sich um persönliche Konflikte handelt. Gemeint ist
damit, dass die Konfliktursache bei den Personen liegt: „die Chemie
stimmt einfach nicht“ oder „die können sich nicht riechen“ sind die
umgangssprachlichen Ausdrücke für diese Einschätzung. Die
Organisation hat im Prinzip mit der Sache nichts zu tun, leidet aber
möglicherweise unter den Folgen. Eine Interviewsequenz erläutert
diese Art von Konflikten:
„Antwort:
Ja, und Konflikte. Wir haben jetzt so ein System von innerbetrieblichen
Konfliktmediatoren aufgebaut, da bin ich auch einer von. Aber sogar ein
Meister und sogar noch unter der Ebene, ein Facharbeiter, der einfach
persönlich geeignet war, den haben wir auch ausgebildet und die sollen
da einfach so zu Konfliktsituationen hinzu gerufen werden als Mediatoren.
Frage
Welche Konflikte sind das?
Antwort:
einfach zwischen Mitarbeitern, keine Ahnung, irgend so ein Konflikt.
Auch auf Arbeiterebene, wo einer schon dem anderen Morddrohungen
(gemacht hat) und so. (lacht) Ja, da geht es oft anders zu.“ (Schmidt,
Unternehmen 7)
Im Zitat bemüht sich die Organisation mit Mediatoren um die
Beilegung von persönlichen Konflikten. Im Fallbeispiel war der
Konflikt offensichtlich so stark eskaliert, dass Morddrohungen
ausgesprochen wurden. Außerhalb von Organisationen würden solche
Konflikte mit Morddrohung, sofern sie ernst zu nehmen sind,
polizeilich/juristisch geregelt. Man könnte es nun als besonders
fürsorgliche und humane Geste der Organisation werten, dass man
sich ohne Einschalten der Polizei/Rechtsprechung selbst um die
71
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Analyse
Beilegung des Konflikts bemüht. Stellt man aber die Frage, warum die
Organisation einen „potentiellen Mörder“ eines Mitarbeiters weiter
beschäftigt und sich sogar selbst um eine Konfliktbesänftigung
bemüht, erhält man eine überraschende Antwort:
„Frage
Wieso macht sich das eine Firma zur Aufgabe, die Morddrohungen ihrer
Mitarbeiter zu bearbeiten und holt nicht einfach die Polizei?
Antwort:
Ja, weil einfach die Arbeitsleistung darunter leidet. Der eine war ein
Zulieferer von dem andern.“ (Schmidt, Unternehmen 7)
Der Konflikt erscheint nur deshalb auf der Bildfläche der Organisation, weil sich dahinter Schwierigkeiten in der Zuarbeit verbergen.
Von der Humanität der Organisation bleibt da nicht mehr viel. Zur
Rettung der Organisation könnte man anführen, dass das streitende
Personal die Arbeitsabläufe der Organisation instrumentalisieren, um
einen persönlichen Konflikt auszutragen. Der Instrumentalisierungsverdacht kann aber als Erklärung im zitierten Beispiel nicht
befriedigen, denn die Konfliktpartner könnten einfach abgemahnt oder
gekündigt werden. Ihre fachliche Expertise scheint auf einer
Facharbeiterebene ebenfalls nicht unersetzbar zu sein, jedenfalls wird
das nicht als Argument angeführt. Generell lassen sich Organisationen
nicht offiziell – und was in die Mediation geht, ist offiziell – von
Mitgliedern instrumentalisieren oder erpressen und schon gar nicht
von Mitarbeitern auf den hierarchisch niedrigsten Rängen. Man kann
nicht gut einem persönlichen Widersacher die Zulieferung von Teilen
verweigern, weil man in ihm einen persönlichen Widersacher sieht.
Eine solche Begründung müsste die Organisation nicht akzeptieren
und es wäre völlig unklar, warum sie einen solchen persönlichen
Konflikt bearbeiten sollte. Abseits von Mutmaßungen über die
Expertise der Facharbeiter kann man sich zur Erklärung direkt an die
Aussage des Gatekeepers halten, wonach der persönliche Konflikte
nur deshalb in der Organisation ernst genommen wird, weil „der eine
(…) ein Zulieferer von dem anderen“ ist, der Konflikt also durch
organisationale Strukturen gedeckt ist. Daraus kann geschlossen
werden, dass persönliche Konflikte die Aufmerksamkeit der
Organisation nur dann erreichen, wenn sie Konflikte der Organisation
sind. Nur dann, wenn ein Konflikt der Organisation vorliegt, kann
72
Analyse
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
darin ein persönlicher Konflikt vermutet werden. Andere persönliche
Konflikte, die nicht durch organisationale Konflikte gedeckt sind,
tauchen in der Wahrnehmung der Organisation gar nicht erst auf.
Damit dreht sich der Instrumentalisierungsverdacht um. Man muss
nun annehmen, dass die Organisation ihre eigenen sachlichen
Konflikte, die sie nicht lösen kann oder will, als persönliche Konflikte
deklariert, wenn sie auffällig werden. Anschließend kann man diese
Konflikte auf persönliche Ebene externalisieren. Dort führen sie zu
teilweise erheblichen Belastungen des Personals. Erst nachdem es zu
einer derartigen Problemverschiebung gekommen ist, kann die
Organisation scheinbar humanistisch handeln und sich um Konflikte
ihrer Mitglieder sorgen. Nach dieser begrifflichen Klarstellung sollen
deshalb im Folgenden die betreffenden Konflikte nicht mehr als
persönliche, sondern als personalisierte Konflikte bezeichnet werden.
Hinter der Personalisierung von Konflikten steckt kein böser Wille
der Organisation. Aber mit der Bearbeitung von vermeintlich
persönlichen Konflikten verrät sich die Organisation gewissermaßen
selbst, indem sie die Konflikte als organisationsrelevant, das heißt als
entscheidungsrelevant definiert. Organisation kann nicht in der
Umwelt operieren, und Umwelt sind auch die Personen des Personals.
Das beginnt man auch in der Organisationspsychologie einzusehen
(vgl. Neuberger 1990). Organisation kann nicht Personen erzeugen,
sie kann sie nur einstellen, versetzen, befördern, kündigen, kurz:
managen. Die Konflikte der Personen sind nicht ihre Konflikte, es sei
denn, es sind ihre Konflikte, die sie Personen zuschreibt.
Sobald Konflikte als Entscheidungsprobleme der Organisation
auftreten, sind sie Teil der Organisation. Kein formales System kann
jedoch anerkennen, dass es immanent Widersprüche produziert, ohne
die Legitimität des gesamten Organisationssystems zu gefährden
(Luhmann 1999: 239 f.). Dennoch gehört es zu den Binsenweisheiten,
dass Organisationen sich keineswegs widerspruchsfrei verhalten.
Allein die Orientierungen an verschiedenen Umwelten gelingen nicht
widerspruchsfrei. Selbst Sportwagenhersteller unterhalten umfangreiche Umweltabteilungen und dies aus guten, weil opportunistischen
Gründen. Aus denselben Gründen kann keine global aktive
Organisation auf Korruption verzichten, sofern Korruption in
bestimmten Umwelten (Branchen, Regionen, Märkten) schlicht
institutionalisiert ist. Eine Lösung, eine solche Legitimitätskrise und
damit das Zusammenbrechen der formalen Organisation zu
73
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Analyse
verhindern, besteht in der Personalisierung von Konflikte (vgl.
March/Simon 1976: 124). Eine weitere, funktional äquivalente
Lösung besteht darin, Konflikte zu politisieren (ebd.). Die Politikfähigkeit organisationaler Entscheidungen ist aber immer begrenzt
durch die hierarchische Struktur und wird deshalb einen gewissen
Rahmen nicht überschreiten, es sei denn, man verlässt sich auf
vertikale Kommunikation (Luhmann 1999: 204), wie z.B. in der
Organisationsspitze oder in Gruppenarbeit (Kühl 2002b: 185 ff.).
Man kann die Zurechnung von organisationalen Problemen auf
Personal, wie in der Industriesoziologie üblich, als ideologische
Verblendung kritisieren (vgl. z.B. Deutschmann 2002: 134). Damit
wird aber der funktionale Beitrag für das Organisationssystem
übersehen. Immer dann, wenn organisationale Konflikte evident
werden, können sie auf persönliche Konflikte externalisiert werden
„und notfalls durch Personalentscheidungen kuriert“ (Luhmann 1999:
248) werden. Dass es tatsächlich zu Personalentscheidungen kommt,
wird aber eine seltene Notfalllösung bleiben, denn Personalentscheidungen, Versetzung und Entlassung, schlagen ihrerseits meist hohe
Wellen, die zu weiteren Konflikten führen können. Insbesondere
können durch Personalentscheidung die Konflikte der Organisation
nicht eigentlich gelöst werden, sondern man wechselt nur die Person
aus, die den Konflikt internalisieren soll. Dieser Weg ist riskant und
verspricht nicht in jedem Fall eine Lösung. Insbesondere stellt die
„Formalisierung von Konflikten“ (ebd.: 239 ff.) für alle Beteiligten
wegen möglicher persönlicher Konsequenzen ein riskantes Vorgehen
dar. In der Regel wird die Formalisierung/Offizialisierung deshalb
unterbleiben28. Die zugrunde liegenden widersprüchlichen Sachorientierungen erhalten so einen doppelten Schutz, weil sie erstens
personalisiert sind und damit unentdeckt bleiben und weil sie zweitens
selbst bei offizieller Behandlung auf der Personalebene entschieden
werden und damit die Sachstruktur unangetastet lassen.
Für die Organisation ergibt sich der Vorteil, dass sie verschiedene
sachliche Orientierungen gleichzeitig verfolgen kann. Organisationen
können zugleich Sportwagen und umweltfreundliche Autos oder
zugleich Arzneimittel und bio-chemische Kampfstoffe herstellen und
28
Eine Erfahrung, die auch euphorisch gestartete, aber dann notorisch unterbeschäftigte und schließlich desillusionierte Mediationsprogramme regelmäßig machen
müssen.
74
Analyse
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
verkaufen; sie können parallel schulmedizinische und alternative
Heilverfahren einsetzen; sie können ihre Feinde lieben und trotzdem
verbrennen.
Ein weiteres Beispiel aus den Experteninterviews dokumentiert die
Personalisierung von sachlichen Konflikten:
„In dem Fall war das eine Neuausrichtung (der Organisationseinheit,
A.T.). (Die Organisationseinheit, A.T.) war bisher darauf beschränkt,
letztendlich aus dem Fundus immer wieder entsprechende Ausstellungen
zusammenzustellen und die Neuausrichtung geht dahin, dass man
letztendlich sich pro-aktiv darstellt (…) und sich ganz bewusst auch
Ausstellungen akquiriert. Und das verändert natürlich so ein Konservatorium und Konservatoren – wie der Name schon sagt – das Handeln
natürlich beträchtlich. Und viele erleben das als Bedrohung oder zum
Teil auch als Entwertung, des bisher geleisteten und dann reagieren die
mit Widerstand zum Teil. Coaching zielt in erster Linie darauf ab, die
Führungskraft zu befähigen, mit diesen Widerständen umzugehen.“
(Hoffmann, öffentliche Verwaltung 1)
Eine Umstrukturierungsmaßnahme, eine so genannte „Neuausrichtung“ einer Organisationseinheit führt zu Problemen, zu deren
Behebung Coaching in Erwägung gezogen wird. Mit einer humorvoll
inszenierten Anspielung auf die Berufsbezeichnung der betroffenen
Mitarbeiter, „Konservatoren“, wird die Personalisierung des Problems
verdeckt. Weil „Konservatoren – wie der Name schon sagt“ so
konservativ sind, sträuben sie sich gegen die geplante Neuausrichtung.
Das wahrgenommene Problem besteht darin, dass persönlicher
„Widerstand“ bei der Umsetzung des neuen Programms „Ausstellungen pro-aktiv akquirieren“ feststellbar ist.
Nun ist es durchaus vorstellbar, ja wahrscheinlich, dass Mitarbeiter
nach vielen Dienstjahren soweit durch ihre Rollen sozialisiert sind,
dass jede Änderung tatsächlich persönlichen Widerstand auslöst. Noch
wahrscheinlicher ist aber, dass auch bei wenigen Dienstjahren der
Mitarbeiter Widerstand auftritt, unabhängig von der Einstellung der
Mitarbeiter gegenüber dem neuen Programm. Allein aus der Tatsache,
dass es sich um ein eingespieltes Organisationssystem handelt, das
grundlegend neu ausgerichtet werden soll, muss mit Widerstand
gerechnet werden. Die Umstrukturierung eines funktionierenden
Systems von Programmen, Rollen und eingespielten Kommunikationswegen stößt in jedem Fall auf erhebliche Inkompatibilitäten.
75
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Analyse
Im Beispiel handelt es sich zudem um einen neuen Programmtyp,
der installiert werden soll. Die ehemalige Konditionalprogrammierung, „aus dem Fundus immer wieder entsprechende Ausstellungen
zusammenzustellen“ soll ersetzt werden, durch eine Zweckprogrammierung „ganz bewusst auch Ausstellungen“ zu akquirieren. Es gehört
nicht viel Organisationskenntnis dazu, um sich vorzustellen, dass dies
außerordentlich umfangreiche Folgen nach sich zieht. Die Umstellung
bedeutet eine veränderte zeitliche Orientierung (vgl. Luhmann 2000:
263 ff.). War im alten Konditionalprogramm die Vergangenheit
handlungsbestimmend – „Ausstellungen ergeben sich aus dem in der
Vergangenheit angesammelten Fundus“ – ist das Zweckprogramm
eine Festlegung in der Zukunft – „Ausstellungen sollen akquiriert
werden“. Man kann die Programmänderung auch als Verschiebung
der Zweck-Mittel-Relation beschreiben (ebd.). Bisher wurden die
Mittel aus dem Fundus als gegeben hingenommen, um daraus
Ausstellungen zu entwickeln. Künftig sollen Ausstellungen realisiert
werden, für die die nötigen Mittel (Ausstellungsstücke) erst noch
beschafft werden müssen.
Es wäre eine eigene lohnenswerte Arbeit darüber anzufertigen,
warum in so vielen Bereichen Zweckprogrammen (z.B. in der
Managementlehre durch „management by objectives“) der Vorrang
vor Konditionalprogrammen eingeräumt wird (zu Folgeproblemen
vgl. z.B. Koch 1992; Koch 1993). Beide Formen haben ihre Vor- und
Nachteile. Zweckprogramme treffen Festlegungen in der Zukunft –
eine geplante Ausstellung – können damit aber die notwendigen
Mittel in der Gegenwart nur schwer kalkulieren. Häufige Folge ist die
Aufwands- und Kostenexplosion in der Mittelbeschaffung.
Konditionalprogramme kontrollieren umgekehrt die notwendigen
Mittel, im Beispiel den Fundus, können aber keine Zusagen für
künftige Ergebnisse treffen. Klar sein muss aber in jedem Fall, dass
eine Umstellung auf dieser Ebene oberster Systemprogramme
erhebliche Widerstände der Organisation hervorruft, unabhängig von
den persönlichen Einstellungen der Mitarbeiter.
76
Analyse
5.2
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Funktionen der Personalentwicklung
Aus dem Beispiel geht nicht hervor, ob die organisationalen Folgen
nicht etwa durch andere spezifische Maßnahmen der „Organisationsentwicklung“ begleitet werden und die Personalentwicklung nur die
Widerstände der beruflich sozialisierten „Konservatoren“ bearbeitet.
Aber selbst eine solche Spezialisierung von Personalentwicklungsmaßnahmen auf die Sozialisierungsfolgen von Mitarbeitern muss
kritisch hinterfragt werden. Sozialisierung ist ein langsamer, nicht
intendierter Prozess. Sie kann eben gerade nicht durch absichtsvolle,
erzieherische Maßnahmen in kurzen Zeiträumen erzielt werden. Das
wird im Übrigen auch von erfahrenen Personalentwicklern bestätigt:
„Ich mache jetzt seit 20 Jahren Weiterbildung. (…) Ich sage nicht, dass
das Training einen Menschen verändert, das überhaupt nicht“ (Bauer,
Unternehmen 4)
Vor gut 20 Jahren gestand man Personalentwicklung keine
eigenständige Funktion in der Personalarbeit ein (vgl.
Hartmann/Meyer 1980: 212). Dennoch spielt Personalentwicklung
eine zunehmend gewichtigere Rolle in Organisationen. Warum ist das
so, obwohl doch Personen nicht zu „entwickeln“ sind?
Neben einer Reihe von unbestrittenen manifesten Funktionen, also
Behebung von Qualifikationsdefiziten, Mitarbeiterbeurteilung,
Formalisierung der Personalauswahl usw., besteht eine wichtige
latente Funktion in der Personalisierung von organisationalen
Konflikten. Diese Funktion wird nicht von der Personalentwicklung in
die Organisation eingeführt. Schon vorher besteht diese Funktion,
findet aber erst mit der Einrichtung von Abteilungen für Personalentwicklung eine institutionalisierte Verankerung. Im Sinne von Michel
Serres könnte man die Personalentwicklung auch als „Parasit“ dieser
Funktion beschreiben (Serres 1987). Als spezialisierte Abteilung
klinkt sie sich in die Personalisierung von sachlichen Konflikten und
Widersprüchen ein. Die Betreuung der persönlichen Folgen dieser
Problemzuschreibung ist ihre Aufgabe. Den Abteilungen für
Personalentwicklung kommt so eine Strukturschutzfunktion zu. Sie
unterstützt die Externalisierung organisationaler Widersprüche auf
Personen und bietet zugleich Personen Hilfen an, mit diesen
Zurechnungen umzugehen.
77
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Analyse
Die Entlastung der Organisation geht nicht wie in einem NullSummen-Spiel automatisch zu Lasten von Personen. Schreibt man
Personen organisationale Konflikte zu, impliziert dies auch, dass
dieselben Personen als Problemlöser, ja als Führungspersönlichkeiten
auftreten können. Die Probleme und Konflikte, die die Organisation
scheinbar außerstande ist zu kontrollieren oder zu lösen, können durch
Personen heroisch verarbeitet werden. Große Persönlichkeiten, Führer
zumal, schaffen, was der Organisation nicht gelingt. Wie ein
Dompteur in der Manege befriedet der Manager ein Schlachtfeld von
Konflikten. Wer Probleme und Lösungsmöglichkeit auf Personen
zuschreibt, fördert einen Person-Narzissmus (vgl. Schmidt-Lellek
2004), der zur freiwilligen „persönlichen“ Verantwortungsübernahme
motiviert.
Personalentwicklung erhöht die Erwartungen in die Problemlösefähigkeiten von Personen, nicht nur auf Seiten der Organisation,
sondern auch auf Seiten der Personen. Die Organisation erlangt
dadurch Schutz und mehr noch höhere Variabilität ihrer Strukturen,
weil sie resultierende Konflikte auf Personen externalisieren kann. Die
Motivation, trotz der „Ausweglosigkeit“ struktureller Konflikte
dennoch persönliche Verantwortung zu übernehmen, rührt nicht allein
aus den höheren Entgelten, sondern auch aus der mit hochrangigen
Stellen verbundenen persönlichen Wertschätzung und Statusgewinnen. So kann man immer noch mit genügend Bewerber für persönlich
verantwortungsvolle Stellen rechnen.
Ein Gatekeeper einer öffentlichen Verwaltung verdeutlicht den
Zusammenhang von Personalisierung sachlicher Konflikte,
Zurechnung persönlicher Problemlösekompetenz und Notwendigkeit
der Potenzialentwicklung:
Wenn jemand auf uns zukommt, dann ist in aller Regel der Grund ein
Problem, wo die Führungskraft glaubt, es nicht selbst lösen zu können.
Seien es Konflikte mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, seien es
Konflikte mit der vorgesetzten Führungskraft, seien es Konflikte auf der
gleichen Führungsebene, seien es Gestaltung von Veränderungsprozessen, sei es Umorganisation, sei es die Übernahmen einer neuen, erstmal
sehr fordernden Führungsaufgabe, sei es dieser Rollenwechsel, vom
„Sachbearbeiter hin zur Führungskraft. (…) wir wollen die LeistungsträgerInnen, also potenzialorientiert fördern durch dieses Instrument
(Coaching, A.T.) ...“ (Hoffmann, öffentliche Verwaltung 1)
78
Analyse
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Der Gatekeeper macht klar, wie viele organisationale Probleme auf
Personen, hier eine Führungskraft, zugerechnet werden können.
Obwohl „die Führungskraft glaubt, es (also die personalisierten
Probleme) nicht lösen zu können“, wird die persönliche Zurechnung
durch die Personalentwicklung unterstützt und bestätigt. Die
geschilderte Einschätzung der Führungskraft kann von soziologischer
Seite nur vollständig beigepflichtet werden. Diese organisationalen,
personalisierten Problemlagen können von der Führungskraft
tatsächlich unmöglich gelöst werden. Entscheidend aber ist: sie sollen
auch gar nicht gelöst werden. Ganz im Gegenteil sollen die
Programm- und Orientierungswidersprüche als Konfliktursachen nicht
behoben, sondern noch gepflegt und ausgebaut werden. Nur so kann
die Organisation Innovation und Tradition, Veränderung und
Beständigkeit, „Mitsprache und Autonomie“ (vgl. Luhmann 1992),
Forschung und Lehre, Individualität und Massengeschmack usw.
nebeneinander, manchmal sogar gleichzeitig, je nach Gelegenheit
realisieren. Dies gilt auch für die ganz eindeutig organisationalen
Probleme
„Veränderungsprozesse“
und
„Umorganisierung“.
Personalentwicklung/Coaching soll die Potenziale der Führungskraft
stärken, nicht um diese Probleme zu lösen, sondern um sie zu
ertragen. Unabhängig davon, ob die Potenziale tatsächlich gestärkt
werden können bzw. ob das Personal tatsächlich im Sinne der
Organisation entwickelt werden kann, bietet insbesondere das
Coaching die organisierte und doch organisational folgenlose
Möglichkeit, diese Paradoxien, Konflikte, Widersprüche und
persönlichen Belastungen zu ventilieren. Mit Coaching wird ganz
offiziell ein versiegelter Kommunikationsraum geschaffen,
personalisierten Ärger, Frust, Überlastungen usw. ganz inoffiziell
auszusprechen.
Sofern man neben dieser entscheidenden Ventilfunktion der
Personalentwicklung und des Coachings noch nach echten
Möglichkeiten der zielgerichteten Entwicklung von Personal fragt,
ruft man sich besser in Erinnerung, dass erwachsenen Personen kaum
mehr absichtsvoll zu „entwickeln“ sind. Die zugrunde liegende
Überzeugung vieler Personalentwickler jedoch ist, dass Personen
immer über genügend Potenziale oder Ressourcen bzw. über einen
ausreichend ausgestatteten „Werkzeugkasten“ verfügen (vgl. Fiedler
2004). Potenziale, Tools oder Ressourcen stellen sich aber bei
genauerem Hinsehen als allgemeine Methoden der Führung,
Konfliktlösung, Kommunikationsstile usw. heraus. Die Vermutung
79
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Analyse
liegt nahe, dass die Entwicklung der „persönlichen Potenziale“ viel
mehr ein Finden von geeigneten Methoden der Problemverschiebung
ist. Die Frage, wie es Personalentwicklung gelingen sollte,
externalisierte, auf Personen zugerechnete Probleme zu bearbeiten,
obwohl sie gar nicht von der Person verursacht sind, erhält damit eine
neue Richtung. Personalisierte Probleme werden demnach auch nicht
von Personen gelöst, sondern durch nicht persönliche, generelle
Methoden verarbeitet. Dass es sich um generelle, nicht persönliche
Methoden handelt, ist ja überhaupt die Voraussetzung für allgemeine
Personal- und Führungskräfteentwicklung. Handelte es sich
tatsächlich um persönliche Methoden, Verhaltensweisen und
Einstellungen, könnten sie nicht generalisiert vermittelt werden.
Eine wichtige Funktion der Personalentwicklung besteht also darin,
die Personalisierung organisationaler Konflikte und ihre Verarbeitung
auf personaler Ebene zu systematisieren. Dadurch übernimmt
Personalisierung für die Organisation eine Strukturschutzfunktion. Die
vielschichtigen und widersprüchlichen Programmstrukturen der
Organisation können zugleich realisiert werden, weil resultierende
Konflikte, wenn sie manifest werden, auf Personen externalisiert
werden. Die Personalisierung bedeutet aber auch einen PersonenNarzissmus zu fördern, welcher die Verantwortungsübernahme auf
Seiten des Personals motiviert. Daraus resultiert die Tendenz, die
Bedeutung von Personen zu überschätzen (Luhmann 2000: 286).
Die Personalentwicklung macht sich diese Überschätzung zugute,
indem sie dem Personal Mangelhaftigkeit, Entwicklungsnotwendigkeit, aber auch Erfolge bestätigt. Inzwischen stehen eine Reihe von
etablierten Instrumenten der Diagnostik, Entwicklung und Evaluation
zur Verfügung. Die Entwicklungsinstrumente, wie Seminar, Training,
Workshop usw., sind inzwischen ergänzt durch Diagnoseverfahren,
wie Assessmentcenter, Mitarbeitergespräche, Führungsgespräche,
360°-Feedback usw., die zugleich der Evaluation dienen. Diese
Beurteilungsverfahren werden regelmäßig eingesetzt, um die
„Potenziale“ von Personen zu ermitteln. Damit sollen persönliche
Defizite objektiviert und bearbeitbar gemacht werden. In der Folge
werden Entwicklungspläne entworfen, die zum Ziel haben, das
Abschneiden in der nächsten personaldiagnostischen Prüfung zu
verbessern. Ein Gatekeeper berichtet beispielsweise von einem
Coaching, das die persönliche Bewertung in einem Assessmentcenter
zur Auswahl von potenziellen Führungskräften verbessern soll:
80
Analyse
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
„Ein Managementplanungsprozess heißt, dass sie als Führungskraft in
einem regelmäßigen Zyklus jährlich eine Potenzialaussage bekommen zu
ihrer Position. Da gibt es eine Aussage der Führungskraft als Fremdbewertung und dann gibt es eine Eigenbewertung und zum Teil gibt es
dann, je nach Unternehmensgesellschaft, gibt es dann auch noch ein
Interview, das geführt wird. (…) Und da bin ich zum Beispiel in eine
Coachingsituation gebeten worden“ (Weber, Unternehmen 2)
Die Personalentwicklung verfügt nun über die Mittel, Mängel nach
eigenen Kriterien festzustellen. Zugleich verfügt sie über eigene
Maßnahmen, die diesen Mängeln Abhilfe verschaffen kann. Damit
reguliert sie Bedarf und Befriedigung personalisierter Defizite. Es
kommt zur „Schließung des ‚Personalentwicklungszyklus’“ (Kühl
2005a: 14 ff.).
Die These in diesem Abschnitt lautete, dass Personalentwicklung
dazu beiträgt, organisationale Konflikte und Widersprüche nicht zu
lösen, sondern auf Personal zu externalisieren. Im Folgenden wird der
Frage nachgegangen, wie die personalisierten Probleme auf der Ebene
des Personals bearbeitet werden können.
5.3
Die Lösung personalisierter Konflikte
Die Praktikerliteratur der Coaches und stärker noch der Supervisoren setzten als zentralen Mechanismus zur Steigerung der Lösungskompetenz von Personen auf Reflexion (vgl. Böning/Fritschle 2005:
181; Koch 2005; Klinkhammer 2004; Giesecke/Rappe-Giesecke
1997). Die Wertschätzung der Reflexion taucht auch regelmäßig bei
Gatekeepern auf:
„ein großer Schwerpunkt der Trainings ist ja die Reflexion von konkreten
Situationen. Also bei uns ist es üblich, dass man tatsächlich gleich in die
Praxis geht und an Hand von konkreten oder auch Echtsituationen
Themen bespricht.“ (Hartmann, Medienanstalt 1)
„aber ich sage mal, (…) ja, könnte es sein, dass es noch mal schwieriger
ist zuzugeben und zu sagen, ich bin an einem Punkt, an dem es besser ist,
wenn ich mich mal reflektiere“ (Weber, Unternehmen 2)
81
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Analyse
„Also ihn immer zur Selbstreflexion bewegen und zum Perspektivenwechsel zu bewegen. Also das ist unser Verständnis vom Coaching.“
(Braun, öffentliche Verwaltung 2)
Warum aber sollte die Reflexion auf Probleme zu Lösungen
führen? Wenn man davon ausgeht, dass viele solcher Probleme
personalisiert wurden und im Grunde von sachlichen Widersprüchen
in der Organisation herrühren, können diese Probleme von der Person
gar nicht gelöst werden. Bewusstmachung durch Reflexion kann hier
auch nicht weiterhelfen. Für die Organisation wäre es jedenfalls
funktionaler, wenn die personalisierten Probleme nicht gelöst würden,
um den Strukturschutz zu gewährleisten.
Was in Angeboten der Personalentwicklung bewusst werden kann,
ist, dass man als Person die organisationalen Probleme nicht lösen
kann. Darin liegt aber eine gewaltige Verhaltenserleichterung, wenn
die Person von ihrer Rolle ein Stück zurücktreten kann und erkennt,
dass die belastenden Probleme nicht der Person, sondern nur der Rolle
geschuldet sind. Die Rolle muss zwar erfüllt werden, die Person aber
erhält Freispruch und mehr noch, die Person ist die einzige Rettung
für die Rolle.
Um moderne, organisationale Rollen ausüben zu können, muss die
Differenz von Rolle und Person gesellschaftlich verfügbar sein. Fallen
Person und Rolle in eins, wie das in vormodernen Gesellschaften
üblich ist, macht es keinen Sinn, zwischen der Person und der Rolle zu
unterscheiden. Der König ist immer König und nicht nur von 8 Uhr
bis 5 Uhr. Probleme ergeben sich bei einer solchen Person/RolleIdentität bei Nachfolgeregelungen, weil es kaum legitim scheint, dass
mit der Person nicht auch die Rolle stirbt (vgl. Luhmann 1987: 431).
In modernen Verhältnissen bereitet die Nachfolgeregelung keine
Legitimitätsprobleme mehr und es ist selbstverständlich, dass selbst
Kanzler, Präsidenten und Päpste als Rollen und nicht als Personen
bestehen. Jetzt gibt es immer noch eine Person hinter dem Amt, für
die sich insbesondere der massenmedial inszenierte Klatsch
interessiert (so z.B. Osterkorn 2005).
Die Person/Rolle-Differenz ist eine Voraussetzung für moderne
Organisation. Nur weil man Personen rekrutieren, versetzen und
wieder entlassen kann, ohne immer Rücksicht auf die ganze Person
nehmen zu müssen, sind moderne Organisationen entstanden. In
vormodernen Organisationen, etwa Klöstern oder Gilden, war die
82
Analyse
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
ganze Person inkludiert. Solche Organisationen erreichten kaum
Unabhängigkeit von ihren Mitgliedern. Sie waren belastet mit den
ganzen Personen ihrer Mitglieder29. Mit der Industrialisierung zeigt
sich erstmals auf breiter Front das gewandelte Verhältnis von Person
und Organisation. Ein Proletariat wird verfügbar, für das aber nicht
mehr die gesamte Lebensveranwortung durch den Dienstherrn
übernommen werden muss. Personen können unter Abstraktion ihrer
Lebensverhältnisse für organisationale Rollen rekrutiert werden, was
gesellschaftlich zur „Sozialen Frage“ führt. Organisationen können
jetzt die Inklusion ganzer Personen erfolgreich ablehnen. Zu groß sind
die sozialen Gewinne, um in vormoderne Verhältnisse zurückzufallen.
Die Differenz von Person und Rolle hat sich durchgesetzt.
Wenn heute von Personalentwicklung die Rede ist, dann stellt sich
die Frage, warum sich Organisationen um die Entwicklung von
Personen bemühen sollten, die doch nur in Rollen rekrutiert sind. Die
Antwort kann sicherlich nicht darin liegen, dass die Person/RollenDifferenz aufgehoben werden soll. Welche Organisation wollte heute
schon so schwerfällig wie mittelalterliche Klöster oder Gilden sein?
Verstärkt die ganze Person einzubinden, würde die Organisation
unflexibel und abhängig von ihrem Personal machen. Das kann in
Krisenzeiten der Organisation hilfreich sein, wenn Normen versagen
und stattdessen persönliche Führung erwünscht ist. Insgesamt aber
profitieren Organisationen von ihrer relativen Unabhängigkeit selbst
von ihren Führern.
Was Organisation von Personen benötigt, ist die Ausübung von
Rollen. Personen sollen gerade nicht mit ihren persönlichen
Vorlieben, Geschmäckern, Verhaltensprogrammen, Vaterkomplexen,
psychischen Eigenheiten usw. die Organisation belasten. Solche
Personmerkmale können zwar als Potenziale oder Ressourcen
beschrieben werden, stellen aber die Grenzen organisationalen
Handelns dar. Personen, die sich selbst als Pazifisten verstehen, wird
man nur dann zur Bearbeitung von Rüstungsaufträgen motivieren
können, wenn man das von ihnen als Mitglied der Organisation und
nicht als Person verlangt. Was Personalentwicklung hier erreichen
kann, ist aber, die Unbestimmtheitszone, „zone of indifference“
(Barnard 1971), individuell auszuloten. Man kann davon ausgehen,
dass Personen, die Rollen in Organisationen ausüben, einen Teil ihrer
29
Coser spricht hierbei von „greedy organizations“ (Coser 1967).
83
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Analyse
Arbeitsfähigkeit, also einen bestimmten Verhaltensbereich der
Organisation zur Verfügung stellen. In diesem Bereich verfolgen
Personen nicht eigene Motive, sondern verhalten sich nach Maßgabe
der Organisation. Persönliche Wünsche, Antriebe, Ziele usw. sind für
einen bestimmten Verhaltensbereich ausgeblendet und stehen für die
Erfüllung organisationaler Aufgaben zur Verfügung. Persönliche
Motive können hier nur dann hilfreich sein, wenn sie zufällig mit
Anforderungen der Organisation übereinstimmen. Die Synchronisation ist aber aufwändig und ihr Gelingen eher unwahrscheinlich, weil
Organisationen schnell opportunistisch zwischen verschiedenen
Wertgesichtspunkten und entsprechenden Programmen wechseln.
Müsste man in jedem Fall zuerst persönliche Motive abfragen und
versuchen, Kongruenz herzustellen, wären die meisten Gelegenheiten
längst passé.
Die wichtigste Motivation, Organisationen einen indifferenten
Verhaltenbereich anzubieten, besteht in der monetären Entlohnung.
Als allgemeines Zahlungsmittel dient Geld der Realisation
verschiedenster Motive. Verzichtet man innerhalb der Organisation
auf die Durchsetzung eigener Motive, erhält man dafür ein
generalisiertes Kommunikationsmedium, mit dem man eigene
Bedürfnisse außerhalb der Organisation umso effektiver befriedigen
kann.
Der Verzicht auf eigene Motivverfolgung gelingt umso besser,
umso deutlicher gemacht werden kann, dass man nicht als Person,
sondern nur als Person in einer Rolle handelt. Das Rollenhandeln
ermöglicht es erst, sich indifferent zu geben, weil man sich persönlich
distanzieren kann. Man kann in Rollen darstellen, dass man persönlich
ein bestimmtes Verhalten nur ungern an den Tag legt, aber durch die
Rolle dazu gezwungen sei. Der Rückzug auf eine Rolle stellt für die
Person einen Schutzraum dar. Ein Rollenverhalten als persönlich zu
kennzeichnen, birgt daher immer ein Risiko für die Person.
Unpersönliche Rollenerfüllung ist insofern Personenschutz. Dies gilt
aber nur, wenn sich die Person/Rolle-Differenz etabliert hat, wenn
also klar ist, dass man hinter der Rolle auch noch als Person
vorkommt und nicht vollständig in der Rolle aufgeht.
Personen können von ihren Rollen profitieren, wenn sie sich in
positiv gewerteten Elementen zu ihrer Rolle bekennen. Die
Konzernleitung wird den Abbau von Arbeitsplätzen typisch als
persönlich bedauerlich kennzeichnen, während sie die Schaffung von
84
Analyse
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Arbeitsplätzen als persönliches Wunschziel kommuniziert, obwohl
dies gleichfalls nur Rollenhandeln ist. Rollenhandeln bietet immer die
Möglichkeit durch opportunistische Darstellung von Rollendistanz
bzw. Rollenidentifikation Wertschätzung der eigenen Person zu
erlangen.
Diesem Opportunismus sind jedoch Grenzen gesetzt durch die
strenge Beobachtung in Organisation. Personen beobachten einander
in ihrem Rollenhandeln und ob Rollendistanz und -identifikation
strategisch eingesetzt wird oder „ehrlich“ persönlich motiviert ist.
Grundsätzlich wird die dargestellte Distanz von Rollen als persönliches Verhalten geschätzt, weil darin eine Person zum Vorschein
kommt, die nicht mit wechselhaften Organisationsklima schwankt.
Rollendistanz ist für die Organisation in jenen Situationen hilfreich,
in denen die formalen Rollenerwartungen nicht erfüllt wurden. Man
kann dann quasi auf die persönlich Ebene wechseln und dadurch
Situationen retten. Goffman (1973b) hat dies am Beispiel einer
chirurgischen Operation beschrieben. Der Operationsschwester
unterläuft ein Fehler, worauf der leitende Chirurg die Situation retten
kann, indem er nicht in seiner formalen Rolle den Fehler bemerkt und
bemängelt. Stattdessen überspielt er den Fehler mit einem verbindlichen Scherz und sichert so das reibungslose Gelingen der Operation.
Um so handeln zu können, muss die Person/Rolle-Differenz
verfügbar sein. Nur dann kann man sich von seiner organisationalen
Rolle distanzieren und auf persönliche Ebene ausweichen. Umso
besser die Person Abstand zu ihrer organisationalen Rolle wahren
kann, umso entspannter kann sie die Rolle ausüben. Ist der
Unterschied klar, kann man Rollen neu konzipieren, verändern,
flexibel anpassen, ohne die Personen austauschen zu müssen.
Daraus ergibt sich, dass es dysfunktional wäre, Personen durch
gezielte Entwicklung quasi gewaltsam an die Rolle anpassen zu
wollen. Demselben Missverständnis unterliegen auch Forderungen
nach stärkerer Identifikation mit organisationalen Rollen, wie sie in
der Literatur zur Personalentwicklung unter den Begriffen „highcommitment, high-involvement and high-performance management“
vertreten werden (vgl. Wood 1999: 369 ff.). Solche ideologischen
Tendenzen, den Unterschied von Rolle und Person zu minimieren,
führen gerade nicht zu erhöhter Effektivität im Rollenhandeln.
Hilfreich kann nur sein, den Unterschied zwischen Rolle und Person
85
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Analyse
zu verstärken. Nur wenn Personen nicht dauerhaft und vollständig in
ihren Rollen aufgehen, bleiben Personen überhaupt hilfreich zum
Ausgleich widersprüchlicher Rollenerwartungen.
Es stellt sich die Frage, wie Personalentwicklung oder Coaching
erfolgreich sein kann, wenn es doch immer nur um die Personalisierung organisationaler Probleme und Konflikte geht. Die so hoch
geschätzte Rollendistanz ist immerhin ein Gegenprinzip zur
Personalisierung von Konflikten. Während man in Rollendistanz
darstellen kann, dass organisationale Probleme gerade nicht
persönliche Probleme sind, rechnet die Personalisierung diese
Probleme auf Personen zu. Man müsste aus dieser Argumentation
folgern, dass Personalentwicklung nicht sehr erfolgreich sein kann,
personalisierte Probleme effektiv zu bearbeiten.
Die Aussagen der Gatekeeper sprechen jedoch dagegen. Demnach
gibt es große Erfolge durch Coaching personalisierte Probleme zu
mildern. Dieser empirische Befund ist erklärungsbedürftig. Eine
Erklärung ergibt sich, wenn man sieht, dass Personalentwicklung gar
nicht persönlich-individuelle, sondern generelle Methoden und
Techniken der Problem- und Konfliktbearbeitung anbietet. Ein Blick
in die Fortbildungsbroschüren der interviewten Organisationen zeigt,
dass in Trainings und Seminaren allgemeine Techniken geschult
werden: wie man besser verkauft, wie man besser Konflikte löst, wie
man besser kommuniziert, wie man besser führt usw. Diese generellen
Techniken betonen die Person/Rolle-Differenz, weil sie faktisch
Veränderungen am Rollenverhalten und nicht an der Person fordern.
Reflexion über personalisierte Probleme dient in erster Linie dazu,
den unveränderlichen persönlichen Bereich zu identifizieren. Es geht
darum, die persönlichen Grenzen der Indifferenzzone auszuloten. Ziel
der Maßnahmen kann es nur sein, den Personen klarzumachen, dass
sie als Rolleninhaber und gerade nicht als Person bestimmte
Techniken, Methoden, Führungsstile, Kommunikationsweisen usw.
anwenden können. In Seminaren, Trainings, Workshops, Coaching,
Supervision usw. haben Personen Gelegenheit, sich als Person mit
ihren persönlichen oder personalisierten Problemen darzustellen. Zur
Lösung dieser Probleme geht es jedoch nicht darum, diese Personen
zu verändern. Viel mehr geht es um die Vermittlung hilfreichen oder
notwendigen Rollenverhaltens, um die Situation, das Problem, den
Konflikt zu lösen oder wenigstens handhabbar zu machen. Nur wenn
Personalentwicklung die Grenze zwischen Rolle und Person
86
Analyse
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
herausarbeitet und Verhaltensänderung im Bereich des persönlich
indifferenten Rollenverhaltens intendiert, kann sie Erfolge verbuchen.
Die oben schon angesprochene Ventilfunktion z. B. von Coaching
unterstreicht ebenfalls die Differenz von Person und organisationaler
Rolle. Man kann Umstrukturierungen, das Team, Widersprüche und
Paradoxien der Organisation persönlich zum Kotzen finden.
Erleichterung stellt sich schon ein, wenn man Gelegenheit hat, sich
davon in Selbstdarstellungen zu distanzieren. All diese Problemlagen
sind weit einfacher zu ertragen, wenn man sich selbst davon
distanzieren kann und verstehen lernt, dass man nur in einer Rolle und
nicht persönlich handelt. Dem aufgestauten Ärger Luft zu machen ist
ein erster, vielleicht der wichtigste Schritt. Diese Ventilfunktion ist es
auch, die den Vergleich mit funktionalen Äquivalenten für Coaching
anleitet (vgl. 8.4 Funktionale Äquivalente zu Coaching).
Personalisierte Probleme und Konflikte können durch Personalentwicklung insofern bearbeitet werden, als Personen generelles
Rollenverhalten erlernen können, sofern dies in ihre individuelle
Indifferenzzone fällt. Die zunehmende Individualisierung von
Personalentwicklungsmaßnahmen,
wie
Coaching,
Mediation,
Mentoring, Sparring usw., dient dazu, die Grenzen der Persönlichkeit
auszumachen, um dann geeignete Methoden und Techniken der
Problemverarbeitung anzubieten, die in die persönliche Indifferenzzonen fallen.
Die Grenzen der Indifferenzzone selbst sind nicht unveränderlich.
Sie variieren für jede Person mit der Motivation, auf eigene Motive zu
verzichten. Je mehr eine Person dafür motiviert werden kann, keine
eigenen Motive zu verfolgen, desto weiter sind die Grenzen der
Indifferenz. Polemisch könnte man konstatieren, dass Personen
käuflich sind und jede ihren Preis hat. Für die Organisation und ihre
Eigenständigkeit ist es jedoch wichtig über generalisierte Motivationsmedien zu verfügen. Wie schon ausgeführt besteht das wichtigste
Medium in Geldzahlungen. Die Übernahme persönlicher Verantwortung motiviert aber auch eine Reihe von Personen durch die Aussicht
auf Statusgewinne.
5.3.1 Ein Beispiel zur Lösung personalisierter Probleme
Leider liegen kaum brauchbare empirische Studien über die hier
interessierenden Techniken der Personalentwicklung – Coaching,
Supervision, Mentoring –vor. Eine Ausnahme findet man in einer
87
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Analyse
„objektiv hermeneutischen Sequenzanalyse“ einer Supervisionssitzung in einem Krankenhaus von Ulrich Oevermann (2001). In dieser
Studie bringt ein Psychotherapeut sein „persönliches“ Problem ein,
dass die weitere Therapierung einer bulimischen Patientin aus
professionellen Kriterien indiziert sei, während die organisationale
Regelung nach den 25 absolvierten Sitzungen die Beendigung der
Therapie vorsieht. Das zugrunde liegende „Strukturproblem“, das in
diesem Fall durch das Konditionalprogramm „Wenn eine Therapie bei
einer bulimischen Patientin durchgeführt wird, dann sind dafür 25
Sitzungen vorgesehen“ verursacht wird, kann in der Sitzung nicht
deutlich gemacht werden. Stattdessen wird mehr oder weniger
Verständnis für die persönlichen Nöte des Therapeuten gezeigt. Für
den Therapeuten ist die Darstellung des „persönlichen“ Konflikts eine
wichtige Gelegenheit, um sein professionelles „Image“ (im Sinne
Goffmans) zu bewahren. Die Sitzung ist aber auch eine Gelegenheit
für den Therapeuten wie für seine Zuhörer, Rollendistanz zu zeigen,
indem sie die Probleme thematisieren, die mit der Ausübung der
organisationalen Rolle verbunden sind. In der Folge können
widersprüchliche (organisationale versus professionelle) Logiken
weiter nebeneinander gelten, weil sie als Gegebenheiten der
organisationalen Rolle kenntlich gemacht wurden und nicht als
Kennzeichen widersprüchlicher (schizophrener?) Persönlichkeiten
deutbar sind. Dass man persönlich damit nicht einverstanden sei,
konnte organisational folgenlos, aber wichtig für die persönliche
Darstellung, in der Supervisionssitzung angebracht werden. Die
Akzeptanz der organisationalen Regeln fällt im Anschluss umso
leichter, weil man sich als persönlich distanziert von der Rolle
darstellen konnte.
Die Interaktionsförmigkeit der Supervision und vieler anderer
Maßahmen der Personalentwicklung unterstützt nicht nur die
Selbstdarstellungschancen von Personen. Zugleich schützt die
Komplexitätsarmut der Interaktion vor allzu genauer Analyse des
Problems. Allein die Notwendigkeit ein gemeinsames Aufmerksamkeitszentrum zu unterhalten, beschränkt den sachlichen Tiefgang der
Ausführungen. Beiträge, die ganz offensichtlich auf mangelnde
Aufmerksamkeit oder auch mangelndes Problem- und Situationsverständnis beruhen, müssen verarbeitet werden und strapazieren so die
zeitlichen Ressourcen auf Kosten sachlicher Komplexität (vgl.
Luhmann 2005d: 11 f.).
88
Analyse
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Die persönliche Anwesenheit unterstützt zudem die Personalisierung von Problemen. Probleme werden von Personen vorgetragen und
der Problemvortrag kann nicht von der persönlichen Darstellung
getrennt werden (vgl. Goffman 2003). Sachliche von persönlichen
Problemen zu trennen, gelingt offensichtlich auch professionellen
Supervisoren nicht, was weniger als persönlicher (sic!) Mangel der
Supervisoren gewertet werden muss, sondern der strukturellen
Eigenart von Interaktion geschuldet ist.
Letztlich wirkt die Konfliktscheu der Interaktion gegen die
Aufdeckung von strukturellen Konflikten, sofern und weil sie
personalisiert vorliegen. Nur wenige scheuen nicht das Risiko, die
Interaktion in einen Konflikt zu stürzen. Insbesondere die Leiter
solcher Sitzungen, also Supervisoren, Coaches, Trainer, Mediatoren
usw., haben ganz explizit den Auftrag, persönliche Konflikte zu
vermeiden. Bei aller Bemühung der persönlichen Konfliktvermeidung
werden, wie im Beispiel von Oevermann deutlich, die zugrunde
liegenden strukturellen Probleme leicht übersehen. Obwohl der
Therapeut im Beispiel von Oevermann sein Problem insgesamt
dreimal vorträgt, werden die strukturellen Konfliktursachen nicht
erkannt. Der Strukturschutz funktioniert tadellos, weil das Problem
immer auf der persönlichen Ebene des Therapeuten verortet bleibt.
5.3.2 Möglichkeiten erfolgreicher Personalentwicklung
Die Interaktionsförmigkeit bewährt sich als Strukturschutz und
unterstützt die Personalisierung von Konflikten und Widersprüchen.
Zudem bieten Interaktionen Gelegenheit, sich über Probleme der
Arbeitsrolle zu beklagen. Gerade für Führungskräfte stellen solche
Gelegenheiten eine Art institutionalisierter Klagemauer dar. Deren
Funktion liegt nicht im emotionalen Ventilieren, indem starke
Mitarbeiter und Führungskräfte auch mal schwach sein und sich
ausheulen dürfen. Die Funktion liegt auch in der Möglichkeit,
Rollendistanz zu üben.
Der Versuch, durch Angebote der Personalentwicklung die
Verhaltenslast der formalen Rolle durch Rollendistanz zu minimieren,
muss als paradoxes Unterfangen anmuten. Immerhin ist die Teilnahme
an den Angeboten der Personalentwicklung Teil der formalen Rolle
von Mitarbeitern und Führungskräften. Wie soll man aber innerhalb
der formalen Rolle Distanz von derselben üben? Die beste Lösung
oder besser: Entfaltung für dieses Paradox ist garantierte formale
89
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
Analyse
Folgenlosigkeit. Man bietet Situationen an, in denen sich Personen
von ihren Rollen distanzieren können, ohne dass sie irgendwelche
formalen Folgen daraus befürchten müssen. In diese Richtung gehen
Weihnachtsfeiern oder Betriebsausflüge, deren Geselligkeit aber
letztlich doch immer prekär bleibt. Man kann sich nicht so recht
entscheiden, ob die Situation garantiert folgenlos ist oder ob nicht
doch formale Folgen zu befürchten sind, wenn man sich ganz locker
gibt. Auch die Vertraulichkeit und Abgeschiedenheit von Seminar,
Training, Workshop usw. erfüllt nur ihren Zweck, wenn Folgenlosigkeit garantiert ist. Diese Garantie kann aber eigentlich nicht geglaubt
werden, sofern andere Organisationsmitglieder beteiligt sind. Die
Interaktion steht immer noch unter einer Beobachtung zweiter
Ordnung, die das Geschehen auf Verwertbarkeit in der Organisation
prüft (Kieserling 1999: 362). Deshalb wird man in Gruppen nie das
volle Vertrauen in Folgenlosigkeit entwickeln können und die
Chancen, sich mit hemmungslosem Schimpf und Lästerung des Chefs,
der Kollegen und der ganzen Organisation die Seele zu erleichtern,
sinken entsprechend. Hat man sich jedoch erstmal ausgekotzt oder
auch ausgeheult, arbeitet es sich anschließend wieder viel angenehmer. Coaching und andere Formen der Beratung „unter vier Augen“
(Looss 1991; 1997) maximieren das Prinzip der garantierten
Folgenlosigkeit:
„Also Sie können eher mal eine Vogelperspektive einnehmen nach einer
gewissen Unterstützung, sonst sind sie immer in einer Froschperspektive,
sind also nur im Problem drinnen und sehen nicht mehr heraus. So, das
ist einmal das eine. Und sie haben meistens eine neutrale Person, also
den Coach, der ebenfalls ihnen hilft, eine andere Perspektive einzunehmen. Und beides zusammen hilft dann oft schon, sage ich mal, das
Problem aufzuweichen. Zu lösen, das will ich jetzt mal nicht sagen, aber
in jedem Falle eine andere Perspektive einzunehmen und das bringt oft
schon eine Verbesserung der ganzen Situation.“ (Koch, Unternehmen 3)
Angeboten werden ein „Perspektivwechsel“ und eine „neutrale
Person, also den Coach“, die beide für Vertraulichkeit und
Folgenlosigkeit stehen. Dass solche personalisierten Probleme nicht
gelöst werden können, wird von diesem Gatekeeper erkannt. Ebenso
deutlich wird aber, dass die Gelegenheit Rollendistanz zu üben,
erhebliche Verhaltenserleichterungen nach sich zieht. Obwohl diese
Intervention der Personalentwicklung keine Lösung der Probleme
90
Analyse
„Persönliche“ Probleme in Organisationen
verspricht, tritt doch „oft schon eine Verbesserung der ganzen
Situation“ ein.
Garantierte Folgenlosigkeit ist im Grunde nur eine andere Formulierung für die garantierte Differenz von Person und Rolle. Die Person
kann sich erleichtern, wenn sie sich zeitweise von der Rolle
distanziert. Dies kann sie aber nur, wenn gewährleistet ist, dass sie das
als Person und nicht als Rolleninhaber demonstrieren kann.
Die Folgenlosigkeit bzw. Grenzziehung muss natürlich auch in die
andere Richtung von der Rolle zur Person garantiert sein. Das
Hinzulernen von neuen Verhaltensweisen, Kommunikationstechniken,
Führungsstilen usw., Ziel der hier verhandelten Maßnahmen von
Personalentwicklung, kann umso besser funktionieren, je folgenloser
das Gelernte für die Person bleibt. Selbst völlig antiautoritäre
Personen können in organisationalen Rollen Autorität ausüben, wenn
für die Person klar ist, dass dies nur in der Rolle geschieht. Jahrelange
Rollenausübung wird sicherlich einen sozialisierenden Effekt auf die
Person ausüben. Aber kurzfristig gesehen steigert die Differenz von
Rolle und Person die gegenseitige Unabhängigkeit von Organisation
und Personen.
Personalentwicklung wird umso erfolgreicher sein, je stärker sie
diese Differenz betont. Daraus folgt, dass man sich entscheiden muss
zwischen der Entwicklung von Rollen und der Entwicklung von
Personen. Wer beides gleichsinnig entwickeln will, lässt sich die
Möglichkeiten der Rollendistanz entgehen und wird viel Aufmerksamkeit der Synchronisation von Rolle und Person widmen müssen.
Beachtet man die Änderungsresistenz erwachsener Personen, fällt die
Entscheidung leicht, sich auf Rollenentwicklung zu konzentrieren.
Mehr kann Organisation ohnehin nicht anbieten, will sie nicht als
„totale Institution“ (Goffman 1973a) ihre Mitglieder depersonalisieren30.
30
In diesem Sinne lässt sich Vollinklusion auch als Zusammenbruch der
Person/Rolle-Differenz interpretieren.
91
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
6
Analyse
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Nach diesen Überlegungen zu Funktionen der Personalentwicklung
richtet sich die Analyse jetzt auf Vorgesetzte als Coachees. Wie aus
den Experteninterviews hervorgeht, besteht die Zielgruppe von
Coaching aus Vorgesetzten der unteren und mittleren Hierarchieebenen. Bisweilen wird aber bekannt, dass Topmanager ebenfalls
Coaches und persönliche Berater engagieren, diese Beratungen
werden aber nicht über die Gatekeeper in den Abteilungen für
Personalentwicklungen abgewickelt. Ebenso wie Personalentwicklung
auch sonst nicht an die Organisationsspitzen heranreicht, so wird auch
Coaching für oberste Vorgesetzte nicht durch die Personalentwicklung
organisiert.
Eine zentrale Frage auf der Suche nach der organisationalen
Funktion von Coaching richtet sich auf die Anlässe, die zu einem
Coaching führen. Immer wieder wurden typische Situationen genannt,
in denen Coaching in Erwägung gezogen wird:
„Fälle, die mir spontan einfallen: das war einmal eine Konfliktsituation,
wo eine Führungskraft massive Probleme hatte mit der Führungsebene
über ihm.“ (Hartmann, Medienanstalt 1)
„Übernahme neuer Aufgaben, Wechsel in der Organisationsstruktur oder
so, dann könnte Coaching interessant werden.“ (Hartmann, Medienanstalt 1)
„die klassischen Coachingansätze sind bei uns Übernahme einer neuen
Führungsfunktion, Übernahme einer höherwertigen Führungsfunktion
(…) also Stellenwechsel, Veränderungsprozesse, Konflikte. Das sind die
klassischen vier Bereiche.“ (Hoffmann, öffentliche Verwaltung 1)
„das sind, sage ich jetzt mal, die ganz individuellen Verarbeitungsmechanismen der Leute, die mit dieser Situation, die vorhanden ist, nicht
umgehen können. Das könnte sein: Konflikt zwischen Kollegen, Konflikt
mit dem eigenen Chef, Konflikt mit Mitarbeitern.“ (Koch, Unternehmen
3)
„Coaching würden wir jetzt einmal, aber da sind wir noch nicht sehr weit
gediehen, als eine Möglichkeit der Begleitung, der qualifizierten
92
Analyse
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Einführung vor oder bei der Übernahme von Leitungstätigkeiten
anzubieten.“ (Richter, Kirche)
„also ich hab heutzutage die Möglichkeit, jeder Führungskraft zu helfen,
die kommt, die sagt, pass auf, ich hab hier ne neue Stelle, ich hab eine
neue Rolle, die ich einnehme im Unternehmen, ich bin verantwortlich für
eine ganz neue Abteilung. Oder eine Führungskraft kommt und sagt, mir
ist eigentlich bei (dem Führungskräftetraining) mal ein bisschen was klar
geworden, das sind ein paar Themen bei mir in der Abteilung, die laufen
nicht so rund.“ (Krause, Medienanstalt 2)
„Also die Begleitung in eine neue Aufgabe oder in ein neues Team, das
ist auch sehr häufig Anlass für ein Coaching.“ (Wolf, Finanzdienstleister
2)
Vor allem drei organisationale Ereignisse bringen regelmäßig
Coaching in Erwägung: Konflikte, Stellenwechsel und Strukturreformen. Im Folgenden werden diese Indikationen im Zusammenhang mit
der Rolle von Vorgesetzten diskutiert.
6.1
Vorgesetzte und ihre Konflikte
Vorgesetzte sind von organisationalen Konflikten besonders
betroffen, weil sie die formale Entscheidungsstelle für organisationale
Konflikte ist, die auf niedrigeren Rängen nicht geklärt werden können.
Eine der wichtigsten Funktionen von Vorgesetzten liegt in der
Umwandlung von Konflikten von Mitarbeitern in einen inneren
Konflikt der Führungsrolle (Luhmann 1999: 214)31. In den meisten
Organisationen sind potentiell konfligierende Sachlogiken in
verschiedenen Organisationseinheiten, Abteilungen oder auch Stellen
differenziert. Damit lassen sich die unteren Einheiten zwar eindeutiger
durchrationalisieren. Auf der Ebene der Vorgesetzten müssen aber die
differenzierten Logiken wieder zusammengeführt werden. Verschie31
Stefan Kühl hat in einem nicht-öffentlichem Vortrag darauf hingewiesen, dass die
Internalisierung konfligierender Logiken in die Führungsrolle nicht nur als
Verhaltenslast für Vorgesetzte/Führer verstanden werden darf. Denn es resultieren
daraus auch erhebliche Freiheitsgrade für den Rollenträger, weil man beide
Orientierungen gegeneinander ausspielen kann.
93
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Analyse
dene Untergebene mit einer Reihe von differenten Sachlogiken liegen
in einer Art institutionalisiertem Dauerkonflikt: der Einkauf tickt
immer anders als die Produktion; die Verwaltung entscheidet immer
ohne Verständnis für die Fachabteilung, Betriebswirtschaftler im
Controlling wollen Prozesse steuern, die nur Ingenieure zu verstehen
glauben usw. Die Institutionalisierung des Konflikts rührt aus
funktionaler Differenzierung innerhalb der Organisation unterschiedlicher Größen und Organisationsformen, vom einzelnen Spezialisten
bis hin zur tausende Mitarbeiter umfassenden Organisationseinheit.
Spätestens an der Vorgesetztenposition prallen diese verschiedenen
Programme aufeinander und müssen entschieden werden. Ob diese
Entscheidung autoritär erfolgt oder in Teamsitzungen herbei moderiert
wird, ist dabei einerlei. Letztlich bleibt die Verantwortung bei der
Führungskraft, die konfligierenden Sachlogiken und die damit
identifizierten Personen möglichst opportunistisch aufeinander zu
beziehen. Insbesondere soll die Formalisierung des Konflikts
vermieden werden. Eine formale Entscheidung über einen Konflikt
birgt nicht nur für die Konfliktparteien das Risiko, enttäuscht zu
werden, sondern auch für die Organisation das Risiko, bestimmte
Sachlogiken generalisiert vor anderen vorziehen zu müssen. Durch
formale Entscheidungen, die in formale Programme münden können
(„wenn das ein dauernder Streitpunkt ist, dann machen wir das in
Zukunft nur noch so, um da endlich mal Klarheit zu schaffen“),
verbietet sich die Organisation selbst, situativ und an günstigen
Gelegenheiten orientiert bestimmte Sachlogiken zu beachten.
Luhmann benennt eine weitere wichtige Funktion von Vorgesetzten: der Vorgesetzte verbindet Kommunikationsnetze auf verschiedenen hierarchischen Ebenen (Luhmann 1999: 211 ff.). Er ist
Mitarbeitern ebenso verpflichtet wie übergeordneten Stellen.
Gegenüber beiden Ebenen übernimmt er eine Filterfunktion. Der in
der Literatur häufig bemängelte Informationsverlust in der
hierarchischen Kette, muss als funktional hilfreiche Informationsfilterung begriffen werden. Nicht alles, was auf der Ebene der Mitarbeiter
geschieht, ist für den Vorgesetzten der Führungskraft von Belang.
Genauso wenig dringt alles, was ein Vorgesetzter von seinem
Vorgesetzten erfährt, zu den Mitarbeitern durch. Darin liegt die
wesentliche Funktion der Informationsverarbeitung. Baut man
Hierarchie ab, muss man dagegen mit Informationsüberlastung des
gesamten Systems rechnen (vgl. Kühl 2001; 2002a). Hierarchische
Stellen sorgen dafür, dass Vorgesetzte und Mitarbeiter weniger
94
Analyse
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Informationen zu verarbeiten haben. Gibt es keine Rückmeldung,
dann ist alles in Ordnung (vgl. Walgenbach/Kieser 1995: 273 ff.).
Zudem muss der Vorgesetzte gegenüber übergeordneten und
gegenüber untergeordneten Stellen den Eindruck der bevorzugten
Behandlung erwecken.
Die beiden Funktionen, Trennung von oben und unten und die
Umwandlung sachlogischer Konflikte in interne Rollenkonflikte,
geben der Vorgesetztenrolle ihr spezifisches widersprüchliches und
konflikthaftes Gepräge. Führung ist demnach ein strukturell
„auswegloses Unterfangen“ (Blickle 1993), das nicht nach Regeln
oder durch eindeutiges Verhalten rational bewältigt werden kann. Das
gilt auch für die Organisationsspitze. Auch sie muss Konflikte auf sich
ziehen und in ihre Rollen integrieren. Dementsprechend wird es
Vorgesetzten und vor allem Organisationsspitzen nicht gelingen,
„klar, pointiert, unmissverständlich, deutlich, prägnant, wahrhaftig
und einig“ (Glitz-Kühner 2005: 77; vgl. auch Machin 1981) zu
kommunizieren. Man stelle sich vor, dass ein Vorstand den
Mitarbeitern dasselbe mitteilt wie bei einer Bank, einem Zulieferer,
vor Gericht, den Medien, Umweltschutzverbänden, dem Betriebsrat,
der Sekretärin, der Betriebsversammlung, Investoren usw. Wer sich
davon überzeugt zeigt und dann Coaching betreibt, wird der
Organisation einen Bärendienst erweisen. Tatsächlich sind
Organisationen und auch Vorstände in der Regel intelligent genug, um
sich von solchen Coachingzielen nicht irritieren zu lassen. Die
Notwendigkeit für Organisationsspitzen liegt viel mehr darin, die
eklatanten Diskrepanzen zwischen verschiedenen „Kommunikationsnetzen“ (Luhmann 1999: 190 ff.) innerhalb wie außerhalb von
Organisationen gegeneinander differenziert zu halten, um so die
Optionen, Chancen und Gelegenheiten für die Organisation zu
steigern. Die „Glaubwürdigkeit“ (Glitz-Kühner 2005) von Führungskräften ist tatsächlich eine wichtige Ressource, aber nicht um
„eindeutige“, sondern um vieldeutige Kommunikation zu legitimieren.
95
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Analyse
6.1.1 Strukturell bedingte Konflikte
Bisher wurden widersprüchliche sachlogische Orientierungen der
Organisation angeführt, um die Herkunft organisationaler Konflikte zu
erklären. Niklas Luhmann hat in seiner zweiten Monographie zur
Organisationssoziologie die Widersprüchlichkeit von Organisationen
„auf der operativen Ebene aufgedeckt“ (Luhmann 2000: 146)32. Man
kann nun die Frage, woher die personalisierten Konflikte kommen,
auf zwei Ebenen beantworten. Die bisher gegebene Antwort liegt auf
der Ebene der Organisationsstrukturen und dort insbesondere bei den
Programmen.
Programme geben Kriterien sachlicher Richtigkeit an. Widersprechen sich solche sachlichen Orientierungen, liegt ein sachlicher
Konflikt vor, der, so die hier vertretende These, personalisiert wird.
Man könnte nun meinen, dass eine Organisation nur besser organisiert
werden müsste, um sachliche Widersprüche vermeiden zu können.
Die klassischen Organisationstheorien gingen davon aus, dass dies
möglich sei. Man glaubte an einen besten Weg der Organisation (vgl.
z.B. Taylor 1911; Fayol 1959). Jahrzehntelange Bemühungen führten
jedoch nicht zu der erwünschten Idealorganisation. Daher wurde diese
Vorstellung modifiziert durch situative oder kontingenztheoretische
Ansätze, die dann behaupteten, es gäbe verschiedene beste Wege
abhängig von technischen und ökologischen Strukturen der jeweiligen
Organisation (Lawrence/Lorsch 1967a; 1967b). Diese Einschätzung
hält sich bis heute und findet im so genannten Neoinstitutionalismus
eine neue Variante. Man geht davon aus, dass Organisationen in
Abhängigkeit ihrer technischen und personalen Struktur nach
rationalen Gesichtspunkten bestimmte gesellschaftliche Institutionen
beachten sollten, um erfolgreich zu sein (vgl. Meyer/Rowan 1977;
Meyer/Scott
1985;
Zucker
1987;
March/Olsen
1989;
Powell/DiMaggio 1991). So scheint es rational, wenn strukturell
vergleichbare Organisationen, etwa einer Branche in einer bestimmten
Region, als generell gültig bezeichnete „best practices“ an regional
verfügbare gesellschaftliche Institutionen anpassen (vgl. z.B. die
empirische Studie von Boselie et al. 2003). Wenn es nicht einen
besten Weg der Organisation gibt, dann sollte es doch zumindest
möglich sein, für einzelne Sachprobleme unter Berücksichtigung
32
Die hier gemeinte „operative Ebene“ betrifft die operative Ebene des Sozialen
schlechthin und das ist Kommunikation. Nicht gemeint ist die „operative Ebene“
im Sinne der Produktion in Organisationen.
96
Analyse
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
kultureller Rahmenbedingungen generelle pragmatische Regeln zu
formulieren, die den Erfolg einer Organisation wahrscheinlich
machen.
Nicht erklären kann man mit diesen Annahmen, warum verschiedene Organisationen ganz verschiedene Institutionen beachten oder
missachten. Insbesondere müssen verschiedene Institutionen in der
Organisation irgendwie gegeneinander verhandelt werden, so dass die
Generalisierung einer „besten Praxis“ trotz aller Pragmatik in vielen
Situationen nicht gelingt. In der Konsequenz, die daraus zu ziehen ist,
muss man die Eigenleistung von Organisationen stärker berücksichtigen, als dies neoinstitutionalistische Ansätze zugestehen. Zwar
orientieren sich Organisationen an gesellschaftlichen Institutionen,
diese Institutionen werden aber dennoch nach organisationsinterner
Maßgabe be- oder missachtet. Man kann aus den Institutionen nicht
generalisiert erklären, in welchen Fällen sie berücksichtigt werden und
in welchen Fällen dies nicht geschieht. Die Entscheidung darüber liegt
bei der Organisation, nicht in der gesellschaftlichen Umwelt.
Gesellschaftliche Institutionen bieten Legitimitätsvorteile, die von
Organisationen genutzt werden können. Man kann aber nicht von
einer generellen Rangordnung institutioneller Legitimitäten ausgehen.
Je nach Situation erscheinen die gesellschaftlichen Institutionen
unterschiedlich wichtig (vgl. Luhmann 1968: 23 f.). Weil man das
nicht generell entscheiden kann, muss die Organisation dies für sich
entscheiden. Der Fehler für die Organisation liegt darin, sich durch
generelle Entscheidungen situative Legitimitätsgewinne entgehen zu
lassen. Die Beachtung institutioneller Umwelten geschieht daher
immer opportunistisch und vorläufig unter Vorbehalt sich neu
ergebender Gelegenheiten33.
Institutionelle Umwelten werden in vielen Fällen im Innern der
Organisation ebenfalls durch Institutionalisierung berücksichtigt.
Entsteht in der Gesellschaft ein verstärktes Umweltbewusstsein,
reagiert man in Organisationen mit der Einrichtung von Umweltbeauftragten. Werden generelle Vorstellungen zur Qualitätssicherung
formuliert, beginnt man auch in Organisationen Qualitätsmanager zu
33
Ein gutes Beispiel hier für ist die Brent-Spar-Affäre, weil sich der Ölkonzern
letztlich an einer weiteren Institution seiner gesellschaftlichen Umwelt orientiert.
Diese Institution ist die „ökologische Bewegung“ und wurde im konkreten Fall
durch die Umweltschutzorganisation „Greenpeace“ vertreten.
97
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Analyse
benennen. Historisch kann man davon ausgehen, dass die von
Organisationen systematisch berücksichtigten Sachlogiken der
gesellschaftlichen Umwelt zunehmen (vgl. Fligstein 1990), was sich
an der Anzahl an Funktionsabteilung genauso wie an der Anzahl von
Spezialvorständen an den Organisationsspitzen ablesen lässt. Aus der
Wahrnehmung, dass sich durch die Beachtung dieser gesellschaftlichen Institutionen Legitimitätsvorteile sichern lassen, ergeben sich
aber noch keine Regeln, wie diese verschiedenen Sachlogiken
aufeinander bezogen werden sollen. Die Entscheidung darüber, also
die Verarbeitung dieser Unsicherheit, muss die Organisation selbst
leisten. Und dort sind es vor allem hierarchische Stellen, die sich mit
dieser Aufgabe zu befassen haben. Aus diesem Grund sind
Führungskräfte von personalisierten Sachkonflikten besonders und mit
zunehmender Umweltbeobachtung heute stärker als früher davon
betroffen. Zugleich muss man anerkennen, dass diese Konflikte nicht
einem Konstruktionsfehler der Organisation geschuldet ist, sondern
dass die Berücksichtigung konfligierender Sachlogiken Legitimitätsvorteile verschafft. Eine generelle Regel kann man dagegen nicht
angeben, wie die verschiedenen Sachlogiken und Institutionen
aufeinander zu beziehen sind. Theorien des „one best way“ und der
„best practices“, wie Scientific Management, situative und
kontingenztheoretische Ansätze und neoinstitutionalistische Ansätze
können daher im Prinzip nicht mehr leisten, als offensichtliche
gesellschaftliche Institutionen und ihre Entsprechungen in Organisationen zu beschreiben. Entscheidbarkeit resultiert daraus keineswegs.
6.1.2 Operativ bedingte Konflikte
Diese erste Erklärung setzt ein funktionales Argument auf der
Ebene der Organisationsstrukturen. Demnach bietet es für Organisationen Gelegenheiten, Optionen und Legitimitätsvorteile, wenn sie
verschiedene, zum Teil widersprüchliche Sachlogiken institutionalisiert. Die darauf reagierende Personalisierung sachlicher Konflikte
und ihre Behandlung durch Personalentwicklung verhindert die
Lösung der sachlichen Widersprüche und erhält der Organisation so
die mannigfachen Vorteile, die sie daraus zieht.
Mit dieser Erklärung organisationaler Konflikte auf struktureller
Ebene kann man immer noch annehmen, dass eine widerspruchsfreie,
konfliktlose Organisation im Prinzip möglich wäre. Sie würde zwar so
gut wie alle Gelegenheiten verpassen und würde ihre Legitimität nur
aus einer Sachlogik ziehen, aber dafür wäre sie widerspruchsfrei und
98
Analyse
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
ohne Konflikte. Die zweite Erklärung organisationaler Konflikte, die
Luhmann (2000: 146 ff.) anbietet, ist fundamentaler angelegt und
zeigt, warum die widerspruchsfreie Organisation nur im sozialromantischen Wunschdenken vorkommt. Demnach ist die Möglichkeit,
verschiedene konfligierende Standpunkte einzunehmen, also fehlende
Eindeutigkeit in Organisation, in der Entscheidungsförmigkeit
organisationaler Kommunikation angelegt.
In der Entscheidungsförmigkeit liegt die Rechtfertigung, Organisationen als eigenständigen Typ sozialer Systeme zu beschreiben. Die
Abgrenzung von Organisation von anderen sozialen Phänomenen, wie
Interaktion, Gruppe, Familie, Netzwerk, Stamm, Schicht, Institution,
Markt, Industrie, Technik, Wirtschaft, Politik, Recht, Gesellschaft,
Kultur usw., besteht darin, dass Organisationen sich an ihren eigenen
Entscheidungen selbst reproduzieren. Das Wesenmerkmal ist
demnach nicht, dass in Organisationen gearbeitet wird. Arbeit findet
auch außerhalb von Organisation statt und zwar im erheblichen
Umfang, wenn man Tätigkeiten in Haushalt, Familie, Privatheit usw.
auch als Arbeit gelten lassen will. Menschen arbeiten, nicht
Organisationen. Auch findet Herrschaft nicht nur in oder durch
Organisation statt, auch wenn Organisationen sicherlich geeignete
Herrschaftsapparate darstellen (vgl. Weber 1956). Interaktionen
werden nicht durch Organisation, sondern durch Personen beherrscht,
Familien durch Väter, Stämme durch Häuptlinge usw. Herrschaft gibt
es an vielen Orten. Aber nirgendwo sonst gelingt die rekursive
Schließung des Kommunikationszusammenhangs im Modus von
Entscheidungen.
Eine gesellschaftliche Grundlage erhalten Organisationen als
Entscheidungssysteme erst in der modernen Gesellschaft (vgl. dazu
und zum Folgenden v. a. Luhmann 1997). Kennzeichen der Moderne
ist der Verlust einer Zentralperspektive. Die ehemals verfügbare
transitive Ordnung der hierarchisch angeordneten Schichten geht der
modernen Gesellschaft zugunsten funktionaler Differenzierung
abhanden. Was daraus resultiert, sind Unmengen von parallel
existierenden, vergleichbaren Tatbeständen, die nicht mehr
gesellschaftlich hierarchisch vorgeordnet sind. Es entsteht allerorten
Unsicherheit darüber, wer nach welchen kontingenten Gesichtspunkten entscheiden soll. Den wesentlichen Beitrag diese Unsicherheit zu
bearbeiten, leisten Organisationen. Dort kann nach wie vor ganz
selbstverständlich und legitim entschieden werden. Das Bezugsprob99
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Analyse
lem von Organisationen ist demnach gesellschaftlich verfügbar
gehaltene Unsicherheit. Per Entscheidung kann diese Unsicherheit in
vorläufige Sicherheit transformiert werden.
Für die Fragestellung, woher die Konflikte der Organisation
kommen und warum Führungskräfte davon besonders betroffen sind,
ist wichtig zu sehen, dass die Entscheidung paradox konstituiert ist.
Die gewonnene Sicherheit bleibt eine vorläufige, prekäre Sicherheit.
Entscheidungen präsentieren sich als eine getroffene Wahl unter
Alternativen. Wer eine Entscheidung mitteilt, drückt damit aus, dass
eine Wahl getroffen wurde, die auch anders hätte ausfallen können.
Es ist umgekehrt sogar Voraussetzung, dass Unsicherheit über die
Alternativen besteht, um eine Wahl begründen zu können. Könnte
man mit Sicherheit angeben, welche Alternativen die besseren sind,
müsste man darüber nicht entscheiden. Eindeutige Sachlagen
erfordern keine Entscheidung. Über den Sonnenaufgang wird nicht
entschieden, er geschieht einfach34. Liegt eine Entscheidung vor, muss
auch eine mehrdeutige Situation verfügbar sein. Die Mitteilung der
Entscheidung transportiert diese Mehrdeutigkeit, um sich überhaupt
als Entscheidung legitimieren zu können. Nur dort, wo eine echte
Wahl unter Alternativen stattfinden kann, kann eine Entscheidung
getroffen werden.
Teilt man eine Entscheidung mit, z.B. von nun an umweltfreundliche Autor zu produzieren, sagt man damit aus, dass es auch anders
sein könnte. Die Entscheidung schafft einerseits Klarheit und
Sicherheit, weil sie sich für umweltfreundliche Autos ausspricht.
Zugleich liefert die Entscheidung die Unsicherheit, ob nicht auch
andere Autos produziert werden sollten, etwa Sportwagen. Die
Mitteilung der Entscheidung bezeichnet beide Alternativen,
umweltfreundliche Autos und Sportwagen als echte, gleichwertige
Alternativen, obwohl man sich ganz eindeutig für eine entschieden
hat. Man sieht an diesem einfachen Beispiel, dass Entscheidung nicht
nur die gewählte Alternative wertschätzt, sondern zugleich auch die
abgelehnte. Die verworfene Alternative Sportwagen ist absolut
34
Auch über feste Kopplungen in der Technik entscheidet man nicht. Das Auto kann
sich nicht dafür entscheiden, zu fahren – es fährt, solange die Technik funktioniert.
Und genau in dieser Entscheidungslosigkeit liegt das Risiko der Technik (Perrow
1984).
100
Analyse
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
gleichwertig, sonst wäre die Wahl schon vorher entschieden gewesen
und eine Entscheidung hätte an dieser Stelle nicht getroffen werden
müssen. Zugleich ist dieselbe verworfene Alternative Sportwagen
absolut nicht gleichwertig, weil sonst die Wahl bzw. Entscheidung
ungerechtfertigt ist.
Entscheidungen sind widersprüchlich konstituiert. „Organisieren“
besteht aber darin, Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen
erzeugen Sicherheit, weil Alternativen verworfen und andere
ausgewählt werden. Man hat in der Folge einen klaren Anhaltspunkt,
von dem aus man weitermachen kann. Entscheidungen erzeugen
zugleich Unsicherheit, weil sie zwei (oder mehr) Alternativen als
gleichwertig und daher unentscheidbar vorstellen. Widerspruch wird
durch die Entscheidung selbst provoziert und die mitgelieferte
Sicherheit bedeutet zugleich Unsicherheit.
Organisationale Kommunikation hat nicht die Wahl, eine Entscheidung zu sein oder eine sonstige Kommunikation. Soll eine Mitteilung
in einer Organisation Relevanz gewinnen, muss sie als Entscheidung
kenntlich sein. Man kann durchaus Wünsche, Vorschläge oder
Meinungen mitteilen. Das muss aber nicht beachtet werden, es sei
denn als Entscheidung darüber, diese mitzuteilen, anstatt zu
schweigen. Weitgehend irrelevant ist auch, ob eine Mitteilung als
Entscheidungskommunikation beabsichtigt war oder nicht.
Entscheidend ist, was in der Organisation daraus gemacht wird. So
können auch unbedachte Äußerungen als Entscheidungen ausgelegt
und kritisiert werden. Man kann dann nur noch gegensteuern, indem
man eine andere Entscheidung anbietet.
Das Konfliktpotenzial von Organisation ergibt sich somit nicht nur
daraus, dass verschieden Sachlogiken aus opportunistischen
Gesichtspunkten aufeinander bezogen werden müssen, sondern schon
allein aus der Entscheidungsförmigkeit ihrer Kommunikationen.
Diese Erkenntnis erklärt, warum man die Widersprüchlichkeit und das
Konfliktpotenzial der Entscheidung auch dann nicht in den Griff
bekommt, wenn man zwischen einer persönlichen und einer
sachlichen Ebene der Kommunikation unterscheidet. Selbst völlig
sachliche Entscheidungen haben für Entscheidungsempfänger die
persönliche Folge, dass sie selbst die Entscheidung nur noch
hinnehmen oder kritisieren können. Von der Entscheidung betroffene
Personen sind damit schon auf zwei Selbstdarstellungsalternativen
festgelegt. Ihre Reaktion auf die Entscheidung erzwingt also
101
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Analyse
wiederum eine Entscheidung. Man kann nicht einfach ganz locker mal
nachfragen, sondern sieht sich immer schon der strengen Beobachtung
ausgesetzt, ob man die Entscheidung und damit den Entscheider
akzeptiert oder nicht, ob man als Zustimmender oder als Kritiker
weitermacht. Weil man sich für eine Darstellung entscheiden muss,
bleibt man im Kommunikationsmodus der Organisation. Die
Entscheidungsförmigkeit steht nicht zur Debatte und mit anderen
Worten heißt das: „dass überhaupt entschieden wird, ist in Organisation keine mögliche Information“ (Kieserling 1999: 352).
Die Personalisierung von Konflikten kann also auch als eine Folge
des Entscheidungsparadoxes, gewissermaßen als Personalisierung
der Entscheidung angesehen werden. Für die strukturelle Ebene steht
fest, dass die Personalisierung von Konflikten die Organisationsstrukturen vor Veränderung schützt. Auf einer operativen Ebene kann man
argumentieren, dass Entscheidung zugleich Sicherheit und
Unsicherheit bedeutet. Personalisierung dient hier dazu, die Paradoxie
der Entscheidung zu verbergen (Luhmann 2000: 136 ff.). Weil man
nicht so recht weiß, was eine Entscheidung ist (Wahl oder nicht Wahl?
Vergleichbare oder nicht vergleichbare Alternativen?), nimmt man
stattdessen einen Entscheider an, der durch nicht näher zu ergründende kognitive, motivationale oder auch emotionale Funktionen zu einer
mehr oder weniger rationalen Entscheidung gelangt ist. Die Gefahr
besteht darin, die Paradoxie des Entscheidens selbst zu entlarven und
damit den Fortgang von Organisation zu stoppen. Wenn man
klarmachen könnte und akzeptieren könnte, dass Entscheidungen
dieselbe Alternative gleichzeitig verwirft und anerkennt, wüsste man
nicht mehr, wie man damit weitermachen sollte. Die Unsicherheitsabsorption würde versagen und sich selbst blockieren.
6.2
Vorgesetzte und Versetzungen
Versetzungen können in der Rangordnung horizontal, also ohne
Beförderung, oder vertikal, in der Regel mit Beförderung und nicht
Herabstufung, erfolgen. Für den Einsatz von Coaching kommen auch
Neurekrutierungen in Frage, auch wenn diese seltener vorkommen.
Dass für all diese Fälle Coaching gleichermaßen in Frage kommt,
verweist darauf, dass offensichtlich allein die neue Situation für die
Vorgesetzten und deren Mitarbeiter das Problem auslöst, das mit
Coaching bearbeitet werden soll. Worin liegt also dieses Problem?
102
Analyse
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Neue Stelleninhaber finden ein System von eingespielten Programmen, Kommunikationswegen, Machtverhältnissen und ganz
allgemein formal-offiziellen wie informal-inoffiziellen Erwartungen
vor. In dieser Anfangszeit haben Vorgesetzte gegen alteingesessene
Mitarbeiter den strategischen Nachteil, dass sie noch keinen Überblick
über das Team, Abteilung oder Organisationseinheit und insbesondere
über deren informale Strukturen haben. Über die Anfangszeit eines
neuen Vorgesetzten berichtet ein Gatekeeper:
„Also wenn sie jetzt die Situation (des neuen Vorgesetzten, A.T.) nehmen,
da gibt es so kleine Fürsten, und dann kommt ein größerer Fürst, und die
sind nicht immer bereit den größeren sofort zu akzeptieren, weil sie Angst
haben, vielleicht pfuscht er mir der da in dem, was ich geschaffen habe,
dazwischen, und dass da eben schon sehr darauf geachtet wurde, dass
der Einblick, den er gerne gehabt hätte, dass der nicht so war.“ (Braun,
öffentliche Verwaltung 2)
Mit Goffman kann man das Problem bei Versetzung und Einstellung darin sehen, dass der neue Rolleninhaber zunächst sich und der
Organisation nachweisen muss, dass er die richtige Person für diese
Position ist. Zu Beginn wird die Person ihre volle Aufmerksamkeit der
neuen Rolle widmen müssen, denn „eine Rolle erfassen heißt, von ihr
erfasst zu werden“ (Goffman 1973b: 120). Dies gilt für Versetzung
und stärker so gar noch für Einstellung. Zu Beginn wird man
demonstrieren müssen, dass man die an die Rolle geknüpften
Erwartungen zu erfüllen in der Lage ist. In der Anfangsphase hat man
aber oft Schwierigkeiten, den Rollenkern von eher peripheren
Erwartungen zu unterscheiden. Das Problem entsteht, weil Rollen
relativ weiche Grenzen haben und man als Anfänger noch nicht genau
wissen kann, welchen Erwartungen besser zu entsprechen ist und
welche Erwartungen legitim enttäuscht werden können. Die Folge ist,
dass die Person „völlig in dem faktischen Selbst“ der Rolle
verschwindet (ebd.). Die so sehr geschätzte Rollendistanz, also auch
die Möglichkeit, kalkuliert auf informales Verhalten umzustellen,
kann in dieser Phase noch kaum eingesetzt werden.
Ein weiteres Problem rührt aus der Differenz formaler und
informaler Organisationsstrukturen. Niklas Luhmann hat in einem
frühen Text das Problem des Stellenwechsels vor allem unter diesem
Gesichtspunkt expliziert (Luhmann 1962). Demnach entsteht „eine
Periode der Unsicherheit“ bei jedem Wechsel eines Vorgesetzten. Die
103
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Analyse
Ursache ist in den unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten
formaler und informaler Strukturen zu sehen. Formale Strukturen, also
zum Beispiel die Neubesetzung einer Stelle, lassen sich quasi per
Federstrich verändern. Die Neubesetzung wird sicherlich auch über
einen gewissen Zeitraum erwogen und vorbereitet, denn wird die
Entscheidung für eine Neubesetzung bzw. für eine bestimmten
Kandidaten zu einem bestimmten Zeitpunkt per Entscheidung fixiert.
Formale Strukturen sind mithin im Prinzip ohne Zeitverzögerung zu
verändern. Ganz anders jedoch korrespondierende informale
Strukturen. Diese entstehen zwar in Reaktion auf formale Strukturen,
müssen sich aber erst über längere Zeiträume hinweg einschleifen.
Insbesondere sind informale Strukturen weit stärker „personal
orientiert“ (ebd.: 14). Die Übergangsphase entsteht aus den differenten
Zeitstrukturen formaler und informaler Organisation. Der neue Chef
ist von heute auf morgen im Amt; bis sich die informalen Beziehungen zum Team einspielen, vergehen mindestens die bekannten „100
Tage“.
Wie Luhmann zeigt wird die Anpassung an informale Erwartungen
dadurch erschwert, dass sich informale Ansprüche nicht offiziell zum
Ausdruck bringen lassen. Gerade unter Fremden besteht eine
erhebliche „Ausdruckshemmung“ und der neue Vorgesetzte ist
zunächst völlig isoliert vom informalen Geschehen. Das für
Informalität notwendige persönliche Vertrauen konnte noch nicht
aufgebaut werden, so dass sich Vorgesetzte und Team notgedrungen
zunächst an die formale Ordnung halten müssen.
Hier drückt sich wiederum die Differenz von Person und Rolle aus:
die formale Rolle kann schnell übernommen werden, wenn
entsprechende Qualifikationen vorhanden sind. Der Zugang zum
informalen Organisationsleben jedoch achtet weit stärker auf die
gesamte Person bzw. Persönlichkeit des Stelleninhabers. Nur deshalb
kommt es überhaupt zum Problem der Nachfolgeregelung, denn die
formale Rolle mag sich nicht geändert haben, aber die informal
ungleich relevantere Person mit ihren individuellen Beziehungen,
Kontakten und weiteren Rollenbezügen wechselt und macht die
wechselseitigen Erwartungen von Team und ehemaligem Vorgesetzten obsolet.
Nicht nur die isolierte Person steht unter verschärfter Beobachtung,
auch der organisationale Hergang der Neubesetzung wird informal
von den Untergebenen bewertet. Je nach Hintergrund kann ein neuer
104
Analyse
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Chef noch vor der ersten Amtshandlung bereits Cliquen von
Untergebenen gegen sich eingestellt haben. Eine gleichfalls wichtige
Frage ist, ob der neue Vorgesetzte aus der Organisation selbst oder
von außen kommt. Im ersten Fall ist das Problem, dass die Person
schon bekannt ist und durch eine schon bestehende Einbindung in
Kommunikationsnetze in ihren Freiheitsgraden oft schon stark
eingeschränkt ist. Der Nachteil bei extern rekrutiertem Personal
besteht entsprechend in der geringen organisationalen Sozialisation,
die neuen Vorgesetzten zwar mehr Freiheit und Neuerungskraft
ermöglicht, aber andererseits mit drohender Isolierung von den
tatsächlichen Abläufen einhergeht. Letztlich konkurriert ein neuer
Chef in den Augen der Untergebenen immer mit seinem Vorgänger.
Je nach Verbleib des Vorgängers muss er sich möglicherweise sogar
vor tatsächlichen Einflussnahmen seitens des Vorgängers und dessen
Einflussnetze in Acht nehmen.
In dieser Übergangsphase geht es für Vorgesetzte darum, möglichst
schnell eigene Erwartungen mit Fremderwartungen zu kalibrieren.
Eine günstige Voraussetzung für diese Aufgabe wird erstens sein,
wenn sich der Vorgesetzte schnell über Differenzen in Fremd- und
Selbsterwartungen klar wird, um mögliche Konfliktherde zu isolieren
und einer Eskalation vorzubeugen. Zweitens dient es der schnellen
Eingewöhnung, wenn nicht allzu fixierte Erwartungen vorliegen.
Lange Vorbereitung kann aber genau dazu führen, dass mehr oder
weniger exakte und rigide Erwartungen gebildet werden, die dann
kaum noch verändert und angepasst werden können. Aus dieser
Perspektive wäre es besser, auf Vorbereitung zu verzichten. Insofern
können Führungskräfteentwicklungsprogramme selbst Coachingbedarf auslösen oder zumindest verstärken.
Kann die Führungskraft in der Anfangsphase Rollendistanz noch
nicht anwenden, weil sie als Person noch vollständig von der Rolle
erfasst ist, wird sie angreifbar durch formale sachliche Widersprüche.
Teammitglieder, die sachliche Widersprüche formal vortragen,
können nicht abgewiesen werden. Die Integration von Konflikten und
Widersprüchen der Mitarbeiter in die Führungsrolle ist ja eine ihrer
wichtigsten Funktionen (vgl. Kapitel 6.1). Die ranghöhere Position
kann dann dank seines höheren Status notfalls eine Entscheidung
herbeiführen, die von den untergeordneten Mitarbeitern ohne
Gesichtsverlust akzeptiert werden kann. Eine Lösung dieser inneren
Konflikte der Vorgesetztenrolle wäre dysfunktional für das
105
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Analyse
Organisationssystems und deshalb ist die Nicht-Auflösung erwünscht.
Aus diesem Grund befinden sich Vorgesetzte in einer Situation, in der
sie sich die Formalisierung von Konflikten nur in Ausnahmefällen
erlauben können, weil dies dem Versagen als Vorgesetzter gleich
kommt. Einen Konflikt zu formalisieren, bedeutet ja, den Konflikt
formal durch Entscheidung zu lösen. Die Lösung ist aber in den
meisten Fällen nicht erwünscht, weil es bei Mitarbeitern Frustration
und Enttäuschung erzeugt und für die Organisation die Gelegenheiten
minimiert, verschiedene Sachlogiken zu beachten. Möglicherweise
wird der sachliche Widerspruch sogar instrumentell von gegnerischen
Untergebenen eingesetzt. Eine Beobachtung durch die Personalentwicklung, die sich die Bewährung der mehr oder minder umfangreichen Vorbereitungsbemühungen erhofft, erhöht noch den Erwartungsdruck.
Hilfreich ist in dieser Anfängersituation, wenn sich der neue
Stelleninhaber möglichst bald von einer strengen und formal
widerspruchsfreien Rollenauffassung distanzieren kann. Wie schon
oben elaboriert (Kapitel 5.3), können hier Situationen helfen, in denen
Führungskräfte von ihrer Rolle Abstand nehmen können. Es muss klar
gemacht werden, dass die erlebten Probleme und Konflikte nicht ein
Versagen der Person indizieren, sondern formal unlösbare Rollenprobleme sind. Keine noch so große Identifikation mit der Stelle und keine
noch so gereifte Persönlichkeit können die Probleme der Organisation
lösen. Personen müssen mit diesen Problemen umgehen und dies wird
ihnen am besten gelingen, wenn sie die Probleme nicht zu ihren
eigenen machen. Personen können diese Probleme verwalten,
handhaben, eben: managen, aber nicht lösen. Nur dann, wenn dies
deutlich gemacht wird, kann Personalentwicklung Situationen
erleichtern und so Person und Organisation unterstützen.
Ob und wie gut dies durch Coaching oder andere Maßnahmen der
Personalentwicklung gelingt ist jedoch fraglich. Fest steht, dass es
sich beim Wechsel von Vorgesetzten ja nicht um ein neuartiges
Problem handelt. Neue Chefs im hier verhandelten Sinne gibt es, seit
es moderne Organisationen gibt. Eine Lösung, die immer greift, ist
Zeit, denn „es werden sich immer wieder situationsangepasste neue
Erwartungen einleben“ (Luhmann 1962: 22). Das Folgeproblem ist
dann, welche unerwünschten Nebenfolgen sich einschleichen.
Vielleicht lenkt Coaching zumindest verstärkte Aufmerksamkeit auf
mögliche Fehlentwicklungen. Sicher jedoch ist, dass Coaching – wie
106
Analyse
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
jede Beratung – Zeit in Anspruch nimmt (Fuchs/Mahler 2000); und
während man sich noch berät und coacht, nimmt die organisationale
Evolution ihren Lauf und entwickelt so oder so neue Anpassungen.
6.3
Führungskräfte und Strukturreformen
Was hier als Strukturreformen bezeichnet ist, findet sich in den
Interviews unter „Umstrukturierung“, „Veränderungsprozesse“,
„Reorganisation“ und ähnlichen Begriffen. Gemeint sind mehr oder
weniger tief greifende Programmänderungen, etwa die zitierte
Umstellung von Konditional- auf Zweckprogrammierung (vgl. Kapitel
5.1). Hierzu zählen aber auch geplante Änderungen von Kommunikationswegen und umfangreiche Personalentscheidungen. Luhmann hat
herausgearbeitet, dass Reformen partielle Veränderungen in einem
bestehenden Organisationssystem vorsehen, ohne alle Folgen
überblicken zu können (Luhmann 2000: 332 ff.). Das Organisationssystem ist sich selbst undurchsichtig, was als Voraussetzung für die
Entscheidbarkeit von Reformvorhaben gewertet werden muss. Wäre
der aktuelle Zustand genau bekannt, ergäben sich die notwendigen
Maßnahmen für eine bessere Zukunft von selbst. Weil dieser Zustand
nicht vollständig überblickt werden kann, muss man Teilaspekte
auswählen und darüber entscheiden, was geändert werden soll und
was unberücksichtigt bleibt. Die Entscheidung für Reformmaßnahmen
konstruiert eine schlechte Vergangenheit und eine bessere Zukunft.
Wer diese Entscheidung vertritt, übernimmt die Verantwortung für ein
Versprechen, das nicht verantwortet werden kann, weil die Zukunft
nach wie vor unbekannt bleibt. Eine wesentliche Voraussetzung,
Reformen zu beschließen, dürfte deshalb darin liegen, vorangegangene Versuche schnell zu vergessen. Nur wenn man sich an das
Scheitern von Reformen nicht mehr erinnert, wird man die nötige
Unterstützung und Glaubwürdigkeit aufbringen können, um ein so
ungewisses Projekt zu versuchen.
Reformen diffundieren auf hierarchischem Weg durch die Organisation (Wimmer 1999: 165). Vorgesetzte sind jeweils Weisungsempfänger und müssen sich um deren konkrete Umsetzung bei den
nachrangigen Mitarbeitern selbst bemühen. Inkompatibilität mit
bestehenden Programmen und Strukturen werden dem Vorgesetzten
rückgemeldet, werden Teil seiner widersprüchlichen Führungsrolle.
Daraus muss nicht geschlossen werden, dass Reformen besser
107
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Analyse
unterlassen werden sollte, aber man muss sehen, dass Reformen das
hierarchische System und damit Führungskräfte besonders
beschäftigen. Insofern stellen Reformen Führungskräfte vor Probleme,
die ebenfalls mit Coaching bearbeitet werden.
Die Institutionalisierung von Coachingsystemen steht in zeitlichem
Zusammenhang mit den umfangreichen Reformideologien in der
Managementlehre seit den 80er Jahren (vgl. Faust 2002: 44). Der
Abbau von Hierarchien, Dezentralisierung, Business Process
Reengineering, Lean Management, Total Quality Management usw.
haben immer wieder zu erheblichen Reformbemühungen beigetragen,
deren Durchsetzung besondere Belastungen für das hierarchische
System bedeutet haben. In weniger Hierarchieebenen können weniger
Informationen verarbeitet werden und vergeht nicht genug Zeit
zwischen der einen und der nächsten Reformwelle, werden
möglicherweise die Misserfolge von Reformbemühungen erinnert:
„Wir müssen endlich mal aufhören mit diesem ewigen Verändern. (…)
und am schlimmsten hat es das Mittelmanagement getroffen, die jeder
permanent die Veränderungen leben und durchdrücken sollten, jeder
permanent Angst hatte, habe ich überhaupt noch einen Job oder fliege
ich beim nächsten Vorstand schon wieder raus und gleichzeitig sollten sie
ihr Team überzeugen, dass das notwendig und sinnvoll ist.“(Fischer,
Finanzdienstleister 1)
Im zitierten Fallbeispiel führt das zu zusätzlichen Plausibilitätsproblemen für Vorgesetzte, insbesondere für das Mittelmanagement.
6.4
Führung und Hierarchie
Bisher wurden die Begriffe Vorgesetzte bzw. Hierarchie und
Führer bzw. Führung weitgehend synonym verwendet. Eine klare
Unterscheidung halten auch die Experten in den Interviews nicht
durch. Um die Veränderung, die durch Coaching markiert wird, zu
verstehen, lohnt es sich aber, hier eine begriffliche Unterscheidung
einzuführen. Der Begriff Vorgesetzter soll sich auf den formalen
hierarchischen Rang in Organisationen beziehen. Damit sind
bestimmte Stellenanforderungen, also „Können“ (Luhmann 2000: 320
ff.), verbunden. Der Stelleninhaber muss nach Maßgabe der
Organisation über gewisse Kenntnisse, Fähigkeiten, Ausbildungen
usw. verfügen, die als notwendig für die Erfüllung der Vorgesetzten108
Analyse
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
funktion erachtet werden. Aus diesen zugewiesenen Kompetenzen
leitet der Vorgesetzte seine Rechtfertigung, seine Entscheidungsbefugnis und damit seine Verantwortung ab. Die Funktion der
hierarchischen Stelle besteht darin, Information von oben nach unten
und von unten nach oben zu filtern (Luhmann 1999: 210 f.). Diese
Filterfunktion erhöht die Informationsverarbeitungskapazität der
Organisation, indem sie unterschiedliche hierarchische Ebenen vor
Informationsüberflutung schützt. Bosse können und wollen nicht alles
wissen, was auf untersten Rängen passiert. Gleichfalls wäre die
Organisation überlastet, wollte sie jeden Arbeiter über alle
Informationen informieren, die auf höheren Ebenen verarbeitet
werden35. Die Anerkennung der formalen Rangordnung ist
Mitgliedschaftspflicht. Damit ist der Vorgesetzte im Prinzip davon
befreit, Mitarbeiter bei Laune zu halten und zu motivieren. Er muss
sich nicht wie ein Politiker oder Stammeshäuptling ständig die Gunst
seiner Untergebenen sichern, um seinen Rang zu behalten. Stattdessen
kann er auch ganz flexibel „auf Transformation und Vermittlung, auf
Erläuterung und Beschwichtigung“ abstellen (ebd.).
Eine Konsequenz aus dieser formalen Vorgesetztenrolle ist, dass
im Vergleich zu „natürlichen“ Führern, z.B. Stammeshäuptlingen,
Fürsten oder der römischen dictatores, der „Führer kaum noch zu
erkennen ist“ (ebd.: 209). „Führung“ erscheint nur noch „hinter“
dieser Formalrolle als Extrafunktion, die nur in bestimmten Fällen
notwendig wird. Diese Fälle sind gegeben in krisenhaften Zeiten,
wenn man nicht recht weiß, nach welchen Regeln man handeln soll
oder wer um welchen Rat zu fragen ist. Ganz grundlegend kann die
Funktion von Führung auf das Problem von Unsicherheit durch
Entscheidung bezogen werden, das operativ nicht gelöst werden kann,
weil die einerseits Sicherheit stiftende Entscheidung andererseits
immer wieder die Unsicherheit mitliefert, ob richtig entschieden
wurde. Die Organisation kann diesem Konnex von Sicherheit und
Unsicherheit nicht entkommen, sie ist gefangen in einer „Totalisierung der Entscheidungszumutung“ (Kieserling 1999: 352). In aller
35
Die auf höherer Ebene zurück gehaltene Information wird in der marxistisch
geprägten Betriebssoziologie gerne als Machtquelle beschrieben und die auf
unteren Ebenen zurück gehaltene gern als Kontroll- oder Transformationsproblem.
Seltener thematisiert wird aber erstens, dass exklusive Informationen oben wie
unten als Machtmittel mobilisierbar sind, und zweitens, dass totale Partizipation,
Demokratisierung oder Kommunikation zu ebenso totalem Stillstand führt.
109
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Analyse
Regel greifen die eingespielten Strukturmerkmale der Organisation,
Kommunikationswege (vor allem Hierarchie) und Programme. Gerät
aber die Organisation, z.B. durch Reformen, radikale Marktveränderung usw., aus dem Tritt, ist es notwendig, Zeit zu gewinnen. Der
Zeitraum, bis die Organisation wieder richtig tickt, bis die organisationale „Uhr zurückgestellt“ ist (vgl. Amburgey et al. 1993), kann
durch Führung überbrückt werden. Führung kann Unsicherheit
absorbieren und Handlungssicherheit geben. Haben sich die Wogen
wieder geglättet, lassen sich wieder generalisierte Programme und
Kommunikationswege angeben, mit denen die neuen Probleme
bearbeitet werden können.
In diesem Sinne wäre Führung ein personenbezogenes Notfallsystem, das nicht angeordnet, gekauft oder rekrutiert werden kann. Wenn
sonst nichts mehr hilft, hofft man auf einen Führer. Aber daran sieht
man, dass es weniger auf die Qualitäten einer Person ankommt, als auf
den Zustand der Organisation. Führung ist eine Konstruktion der
Organisation, nicht ein Personmerkmal. Karl Weick bezeichnet
dementsprechend den individuellen Manager als „Fiktion“ (Weick
1993: 359). Und diese Fiktion nährt sich aus der Unerklärlichkeit von
Entscheidungen. Je weniger die Entscheidung aus Regeln und
Kompetenz weiterer Stellen begründet werden kann, umso stärker
bildet sich der Mythos vom Führen. Dies trifft mit zunehmender
Ranghöhe, also ganz besonders an Organisationsspitzen zu. Umso
überraschender und entmystifizierender wirken dann Forschungen, die
nachweisen können, dass auch das Management an der Spitze im
erheblichen Maße durch reguläre Verpflichtungen geprägt ist (vgl.
Mintzberg 1973: 135; ders. 1991: 25).
Formale und informale Rollen stehen in einem komplementären
Verhältnis. Formalisierung verhindert nicht informale Rollen, sondern
die formale Vorgesetztenrolle ist die Voraussetzung, dass sich
daneben eine informale Führungsrolle ausbilden kann. Beide Seiten,
Formalität und Informalität, stehen in einem gegenseitigen
Steigerungsverhältnis. Dementsprechend räumt man dem formal
hochrangigen Manager auch mehr Informalität ein. Wer formal an der
Spitze steht, dem werden auch Führungsqualitäten zugeschrieben (vgl.
Calder 1977). Scheitert die Organisation, muss es umgekehrt an den
mangelnden Führungsqualitäten gelegen haben (Mintzberg 1991:
138).
110
Analyse
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Man wird die so geschätzte Funktion der Informalität nicht formal
einfangen können. Immerhin gehören in diesen Bereich Schmeichelei
ebenso wie Intrigieren, Verheimlichen, Taktieren und strategisches
Verhalten (vgl. Luhmann 1999: 213 ff.; Kieserling 1999: 362).
Offiziell formal kann die Organisation solches Verhalten nicht
vorsehen oder anerkennen. Hinzu kommt, dass situativ opportunistisch disponiert werden muss. Die Differenzierung in eine formale und
eine informale Seite steigert die Möglichkeiten der Organisation.
Offiziell anerkennen kann man nur die eine Seite, beide sorgen aber
für die Funktionstüchtigkeit der Organisation.
Das gilt auch für Personalentwicklung. Sie wird dort erfolgreich
sein, wo sie formal benötigte Qualifikationen anbietet, also z.B.
Computerkurse bei Einführung von EDV, Spezialkurse für
Spezialanlagen, Sprachkurse für Auslandseinsätze, Fortbildungen für
gestiegene Anforderungen. Das ist völlig unumstritten. Der
Streitpunkt liegt immer in Bereichen, die sich der Formalisierung
entziehen. Dazu zählen „Führungsqualitäten“. Die Entwicklung von
Führungskräften nach allgemeinen, generalisierten Theorien,
Modellen und Themen krankt daher wiederum an ihrer Formalität.
Zudem krankt sie daran, dass sie Führung als persönliche Qualität
versteht. Führung aber ist nicht auf formale Vorgesetzte begrenzt.
Führen kann im Prinzip jede Stelle, wenn es die Situation erlaubt und
erfordert. Führung ist nicht ein spezielles Personenmerkmal, sondern
ein Systemmerkmal. Die entscheidende Frage ist nicht, welche
Führungsqualitäten Vorgesetzte haben, sondern wie Führung im
Organisationssystem verteilt ist (Luhmann 1999: 207). Führung ist ein
Gegengeschäft zur formalen Hierarchie, sie kann nicht formal
angewiesen werden. Der Führungsbeitrag ist nur dort zu erwarten, wo
formale Erwartungen nicht weiterhelfen. Umso mehr heroisiert
Führung die Führungsperson, weil dort Leistungen erbracht werden,
die nicht verlangt werden können. Die „Excellenz“ und Außergewöhnlichkeit von Führungsleistungen ist wörtlicher Ausdruck dafür,
dass sie außerhalb der Formalisierbarkeit liegen (vgl. Mintzberg 1991:
353, 2004).
Die Rolle des Vorgesetzten ist formal abgesichert. Man gesteht ihr
zu, bestimmte Dinge gegenüber bestimmten Adressaten geheim zu
halten; sie verfügt über Informationen aus verschiedenen hierarchischen Ebenen, die sie gegeneinander ausspielen kann; ihr kommt das
Vorrecht in der Situationsauffassung zu, ob formal oder informal
111
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Analyse
kommuniziert wird usw. Die Legitimität von Führungskräften ist weit
prekärer als die formaler Vorgesetzter. Entscheidungen von
Führungskräften, die nicht durch Programme oder formal zugewiesene
Entscheidungskompetenzen abgesichert sind, werfen leicht die Frage
nach ihrer Legitimität auf. Die Rechtfertigungsschwelle mag in
Krisenzeiten, wenn man wie der Ertrinkende nach dem Strohhalm
greift, relativ niedrig sein. Dennoch wird faktisch nicht jeder Mann
und schon gar nicht jede Frau als Führungskraft akzeptiert. Ähnlich
gibt sich die Situation eines neuen Vorgesetzten, der auf ein Team
trifft, dass mit eingespielten Programmen und Kommunikationswegen
ausgestattet ist und deshalb kaum eines „Führers“ bedarf. In dieser
Situation wird man sich stärker auf die Rolle des Vorgesetzten
zurückziehen und besser nicht als starke Führungskraft auftreten. Die
Stellenübernahme verläuft so vergleichsweise unproblematisch und
die eigentliche Führungsarbeit wird „von unten“ geleistet (vgl.
Luhmann 1962: 22 f.).
6.5
Führung und Autorität
Eine wichtige Grundlage der Legitimität einer Führungskraft liegt
daher in ihrer Autorität (Mintzberg 1991: 29 f.). Darunter sollen nicht
psychische oder sonstige Merkmale von Menschen verstanden
werden, „sondern eine den Kommunikationsprozess abkürzende
Unterstellung“ (Luhmann 2000: 204). Man nimmt einfach an, dass das
Hinterfragen einer Entscheidung entfallen kann, weil die Entscheidung „so gut begründet werden könnte, dass sie einleuchtet“ (ebd.).
Die Funktion der Autorität besteht in ihrer Sicherheitsillusion, die sie
auslöst. Entscheidungen, die von Autoritäten getroffen werden,
können ohne weiteres akzeptiert werden. Traditionell waren es
insbesondere Schichtunterschiede, die ein Nachfragen entmutigten.
Ergänzt und dann auch zum Teil ersetzt wurde der gesellschaftliche
Status durch höhere Bildung. Insofern war die abkürzende Unterstellung, dass die Entscheidung auf Nachfragen ausreichend sachlich
begründet werden kann, durch Bildungsvorteile oft real gedeckt.
Beide Grundlagen der Autorität verlieren an Legitimität. Generelle,
gesellschaftliche Statuszuweisungen auf Grund von Schichtzugehörigkeit entbehren inzwischen jeglicher Rechtfertigung, lösen Protest
aus und haben zu einem schnell wachsenden Forschungsgebiet einer
kritischen Soziologie der Ungleichheit geführt. Noch immer scheint
112
Analyse
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
sich eine Korrelation zwischen Schichtzugehörigkeit und Führungspositionen in Organisationen nachweisen zu lassen (vgl. Hartmann/Kopp
2001), wenn auch die Tendenz seit langem rückläufig ist. Formal wird
Schichtherkunft praktisch nirgendwo mehr legitim berücksichtigt.
Dass Herkunft aber noch immer ein mögliches Kriterium für die
Übernahme von Führungsaufgaben in Organisation ist, verweist auf
die Verortung von Führung in Informalität. In der entsprechenden
Literatur wird dazu immer wieder das Argument kolportiert, die
„Chemie“ müsse stimmen bzw. Führungskräfte würden nach ihrem
„Stallgeruch“ ausgewählt. Die moderne Gesellschaft stellt keine
Legitimität für solche Ungleichbehandlungen bereit. Versteht man
„Chemie“ und „Stallgeruch“ als Ausdrücke für die Fähigkeit,
Führungsautorität zu kommunizieren, dient diese Ungleichbehandlung
aber der Unsicherheitsabsorption und erfüllt so funktional für die
Organisation.
Gleichermaßen erübrigen sich Rückfragen, wenn der Entscheider
über einen Vorsprung an Wissen durch Bildung verfügt. Akademiker
stehen mit einem fundierten Wissensschatz im Ruf, Entscheidungen
mit ausreichend sachlichen Argumenten begründen zu können. Der
zugeschriebene Ruf befördert schon ihre Autorität. Auch die hohe
soziale Wertschätzung von akademischen Ausbildungen kann
unabhängig von tatsächlich erworbenem Wissen eine Autoritätsgrundlage bilden. Der „Herr Doktor“ genießt generell immer noch höhere
Plausibilität als die ungelernte Fließbandarbeiterin. Aber auch diese
Autoritätsgrundlagen verlieren an Boden und man sieht nicht mehr
ein, warum die Fließbandarbeiterin generell in allen Fragen schlechter
entscheiden sollte als ein Akademiker. Man schließt nicht mehr so
unbedacht von Bildungstiteln auf Führungsautorität, sondern erlaubt
sich situative Urteile. Offiziell findet diese neue Gleichheit in
Systemen
der
innerbetrieblichen
Verbesserungsvorschläge,
„Kontinuierliche Verbesserungsprozesse“ (Imai 1992) und Hierarchie
übergreifende Qualitätszirkel ihren Ausdruck. Hohe Fluktuation von
Wissen lässt Ausbildung weiter an Kredit verlieren. Selbst in
akademischen Ausbildungen versucht man nervös mit etwas
dauerhafteren, fachfremden „Schlüsselqualifikationen“ dagegen zu
halten (vgl. Wildt 1997; Orth 1999). Legitimitätsvorteile für
Neuerung, Innovation, Wandel usw. gehen zu Lasten von „Alterswerten wie Autorität und Erfahrung“ (Luhmann 2000: 205), Bildung und
Herkunft.
113
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Analyse
Wenn diese normative Erwartung von Autorität durch Herkunft
und Bildung abnimmt, kann man jetzt auch bei Vorstandssöhnen und
Akademikern nachfragen. Der zeitliche Aufwand, Entscheidungen zu
begründen kann damit erheblich ansteigen. Ebenso steigt das soziale
Risiko von Anerkennung und Ablehnung der Führungskraft
ausgedrückt in Entscheidungskonsens und -dissens. Eine häufige
Lösung für dieses Problem der schwindenden Autorität von
Führungskräften wird in Delegation der Entscheidungsverantwortung
gesucht. Wenn schon die Entscheidungen der Führungskraft immer
häufiger kritisiert und Begründungen nachgefragt werden, dann bietet
es sich an, die Kritiker selbst in die Verantwortung zu nehmen. Die
Rolle der Führungskraft verschiebt sich mehr zum Moderator und
Dompteur, der partizipativ und kooperativ Entscheidungen
herbeiführt, die er nicht mehr alleine verantworten muss. Der in der
„Labor Process Debate“ (vgl. Braverman 1974; Burawoy 1979;
Friedman 1977; Willmott 1990) und der „Subjektivierungsdebatte“
(vgl. Baethge 1991; Heidenreich 1996; Voß/Pongratz 1998;
Moldaschl/Voß 2002) geführte Diskurs lässt sich um dieses Argument
der reduzierten Autorität bereichern, wenn man die Reaktion der
Betriebe als funktionales Äquivalent zu Autorität beschreibt. In dem
Maße als Autorität nicht mehr gesellschaftlich subventioniert den
Vorgesetzten vorbehalten ist (Luhmann 2000: 205), kann man
Unsicherheitsbearbeitung nach unten delegieren, bis dort die
Informationsverarbeitungskapazitäten ausgeschöpft sind und es
aufgrund dieser Grenzen zu keinen weiteren Nachfragen mehr kommt.
Kräftezehrende Meetings finden dementsprechend meistens dann zu
einer „partizipativen“ Entscheidung, wenn die Teilnehmer zu
erschöpft sind, um noch Widerstand zu leisten. Oder man setzt auf die
„Selbstorganisation“ von Mitarbeitern unter Termindruck und erntet
dann sehr schnell wieder Dank für hierarchische Entscheidungen.
Eine andere Möglichkeit, das Problem mangelnder Autorität zu
bearbeiten, könnte in Coaching liegen. Damit ist zwar Autorität nicht
wiederzugewinnen, aber es können mit erfahrenen Coaches ein
Gespür dafür entwickelt werden, wie Entscheidungen so getroffen
werden, dass sie ohne Nachfragen akzeptiert werden. Es kann auch
der Frage nachgegangen werden, welche Alternativen zu Autorität
mobilisiert werden können. Mangels empirischen Materials über
Coachingsitzungen kommt man hier aber über Vermutungen nicht
hinaus. Was man feststellen kann, ist die Tatsache, dass es zunehmend
legitim erscheint, sich als Führungskraft Beratungsbedarf einzugeste114
Analyse
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
hen. Allein das Eingeständnis, nicht alle Probleme ohne Beratung und
Hilfe lösen zu können, desavouiert Autorität. Offensichtlich gibt es in
dieser Richtung nicht mehr so viel zu verlieren, weshalb man mehr
oder weniger öffentlich Hilfe in Form von Coaching anfordern kann.
So wie man generell den Boom des Beratungsmarkts für das
Management aus dem gesellschaftlichen Rückgang von Autoritätsund Alterswerten erklären kann (vgl. Faust 2002), stellt Autoritätsverlust eine Voraussetzung für Coaching dar. Erst dann, wenn
Führungskräfte nicht mehr gesellschaftlich gestützte Autoritäten sind,
kann man sie intern in Führungskräfteentwicklungsprogrammen
schulen und in Coaching beraten.
Zum Abschluss dieses Kapitels ist eine Zusammenfassung
angebracht. Auf der Suche nach einem eindeutigen Bezugsproblem
von Coaching wurden die organisationalen Ereignisse, die nach
Angabe der Interviewpartner zu Coaching führen können, diskutiert.
Konflikte, Versetzung und Rekrutierung sowie Reformen wurden
organisationssoziologisch reformuliert. Diese drei Ereignisse
ermöglichen in jedem Fall die Personalisierung von organisationalen
Problemen. Die Ursachen der Personalisierung können auf
struktureller Ebene der widersprüchlichen Sachorientierung begründet
werden. Man kann Personalisierung aber auch fundamentaler auf die
Paradoxie des Entscheidens beziehen. Für die Analyse von Coaching
ergibt sich der Befund, dass die genannten organisationalen Ereignisse
nicht erst seit zwei Jahrzehnten auftreten. Sie sind viel mehr mit der
Funktionsweise von Organisationen gegeben. Schon immer wurden
Konflikte in Organisationen auf Personen zugerechnet. Es bedurfte
erst einer Marx’schen Aufklärung über strukturelle Konfliktursachen,
um diese selbstverständlich scheinenden Konnex aufzulösen. Das
Hochrechnen betrieblich evidenter Konflikte auf gesellschaftliche
Klassenlagen kann heute nicht mehr überzeugen, weil zu deutlich die
Eigenlogik von Organisationen zu Tage tritt. Rekrutierung und
Versetzung kommen ebenso wenig erst seit dem Erfolg von Coaching
vor. Mit dem Abbau von Hierarchien haben sogar Entlassungen von
Führungskräften gegenüber Beförderungen zugenommen. Betreut
Coaching ein immer seltener werdendes Phänomen? Dazu hätte es
nicht erfunden werden müssen. Auch im Anwendungsfall Reformen
muss gesagt werden, dass sie nicht eine Erfindung der letzten 20 Jahre
sind. Das mag vielleicht schon in Vergessenheit geraten sein, gehört
das Vergessen vorangegangener Reformbemühungen doch zu den
wichtigsten Ressourcen von Reformen (Luhmann 2000: 338).
115
Personalisierte Probleme von Vorgesetzten
Analyse
Auf dieser Ebene typischer organisationaler Ereignisse lässt sich
ein eindeutiger organisationaler Bedarf nach Coaching nicht finden.
Weder persönliche Konflikte noch Stellenbesetzung noch Reformen
sind neue organisationale Ereignisse, die mit einem neuen Beratungsinstrument Coaching bearbeitet werden müssten. All das hat es schon
lange zuvor gegeben. Die Rechtfertigung Coaching als „soziale
Innovation“ (Geßner 2000) zu beschreiben, liegt viel mehr in der
Institutionalisierung der persönlichen Beratung von Führungskräften.
Die Frage nach Coaching kann jetzt anders gestellt werden. Es geht
nicht länger darum zu klären, worin der einzigartige Bedarf besteht,
der nur mit Coaching abgedeckt wird. Viel mehr stellt sich die Frage,
welche Veränderung es nun legitim erscheinen lässt, dass Führungskräfte regelmäßig beraten werden. Dazu muss zunächst der Begriff der
Beratung erörtert werden.
116
Analyse
Zur Beratungsmode Coaching
7
Zur Beratungsmode Coaching
7.1
Globalisierung und allgemeine Komplexitätssteigerung
In Praktikerliteratur wie in den Experteninterviews werden als
gesellschaftliche Ursachen für Coaching häufig veränderte
Marktbedingungen für Unternehmen in Folge von Globalisierung
genannt. Der Begriff Globalisierung bleibt dabei, wie sonst auch,
unklar. Es scheint sich hier um eine illustren Begriff zu handeln, den
sich jeder selbst ausmalen kann. Genauso wie der „Allerweltsbegriff“
des Managements (Steinmann/Schreyögg 2000: 5) ist Globalisierung
„unbestimmt überdeterminiert“ (Drepper 2005). Einerseits verbindet
man mit Globalisierung so konkrete Erwartungen, dass der Begriff
überdeterminiert wird, andererseits ist Globalisierung so unbestimmt,
dass man sehr viel darauf zurechnen kann – warum also nicht auch
den Coachingbedarf, wie man an einer Zertifizierungsstelle für
Coaches vermutet:
„Ich glaube, es gibt einen strukturell sehr tief sitzenden Bedarf nach
Coaching infolge der weltweiten Globalisierung“ (Klein, Zertifizierungsstelle 1)
Globalisierung, so wie sie in der Praktikerliteratur eingesetzt wird
(z.B. Thommen 2005; Haberleitner et al. 2003: 14; Looss 1997: 18 f.),
scheint eher ein Begründungssurrogat zu sein. Aber auch ernsthaftere
Bemühungen, einen brauchbaren Begriff der Globalisierung zu
erfinden, haben bislang wenig Erfolg gezeigt (Nassehi 2003: 191 ff.).
Globalisierung ist ein so viel sagender Begriff geblieben, dass er sich
sogar zur Erklärung des Coachingbedarfs eignet, und das gelingt ihm
paradoxerweise deshalb, weil er so nichts sagend ist.
Meistens wird eine allgemeine Komplexitätssteigerung zusammen
mit Globalisierung angenommen, die die Führungsaufgabe heute so
erschwert habe, dass Beratung notwendig geworden sei:
„wo es um Verhaltensweisen geht und um individuelle Belange, stoßen
Trainings und Seminare an ihre Grenze, das können sie dann nicht mehr
behandeln. Und die Management- und Führungssituation ist heute so
komplex geworden und so druckvoll, dass sie die im Training, wo es um
generelle Themen geht, einfach nicht mehr behandeln können.“ (Müller,
Coachinganbieter 1)
117
Zur Beratungsmode Coaching
Analyse
„ich denke, nachdem die Probleme und Schwierigkeiten, mit denen auch
unsere Führungskräfte immer mehr konfrontiert sind, wesentlich
komplexer sind, um sie in einem Training, einem klassischen Training zu
lösen, wird individuelle Beratung an Bedeutung zu nehmen.“ (Hoffmann,
öffentliche Verwaltung 1)
Als Ursachen der Komplexitätssteigerung finden sich dann die
üblichen Verdächtigen, wie Globalisierung, Flexibilisierung, erhöhte
Marktdynamiken usw. Überzeugende Begründungen für den Boom
personenzentrierter Beratungsformen in Organisationen fehlen noch.
Lediglich für die Beratungsexplosion in der klassischen Managementberatung werden Erklärungen vorgelegt (vgl. Ernst/Kieser 2002;
Kieser 2002; Faust 2002). Demnach liegt die Ursache für den
Managementberatungsboom in einer zunehmenden Verunsicherung
des Managements durch Komplexitätssteigerung und Dynamisierung
der Umwelt von Organisationen. Auslöser dieser Entwicklung würden
wiederum durch „Globalisierung, neue Technologien (…), die
Deregulierung von Märkten und die Verschärfung des Wettbewerbs“
gestellt (Ernst/Kieser 2002: 57).
Inzwischen sind die Schlagworte Dynamisierung und Komplexitätssteigerung zu ebensolchen Allerweltsbegriffen verkommen wie
Globalisierung, in deren Zusammenhang sie dann auch häufig
vorkommen. Ein ganzes Begriffssammelsurium angefangen von
„Wertewandel“ über „Komplexität“, „Vermarktlichung“, „Ökonomisierung“ und „Globalisierung“ bis hin zu „Management“, „Beratung“,
„Coaching“ usw. wird fast nach Belieben in günstige Konstellationen
gebracht, um den Eindruck von Erklärungswert zu erzeugen. Die
begriffliche Kontrolle entfällt zugunsten einer halbgebildeten
Überzeugungskraft und Flexibilität der Argumentation. Insbesondere
Berater tun gut daran, sich nicht allzu detailliert festzulegen, um den
Bedarf nach ihren Leistungen aufrechtzuerhalten und vergangene
Management- und Reformmoden möglichst bald wieder vergessen zu
machen (vgl. ebd.: 61 ff.; Luhmann 2000: 340 f.).
7.2
Funktionale Differenzierung
Ernst/Kieser (ebd.) versuchen solche Schlagworte zu vermeiden,
indem sie auf die gut elaborierte soziologische Theorie funktionaler
Differenzierung zurückgreifen. Demnach sei Dynamik und
118
Analyse
Zur Beratungsmode Coaching
Komplexität der funktionalen Differenzierung in gesellschaftliche
Funktionssysteme geschuldet. Der moderne Manager sei im Grunde
durch die Unsicherheit überfordert, die aus der fortschreitenden
Ausdifferenzierung gesellschaftlich generalisierter Logiken resultiere.
Obwohl die Funktionssysteme in ihrer Zuständigkeit für Spezialprobleme zunächst Komplexität reduzierten, steigerten sie anschließend
doch ihre interne Komplexität und damit die Gesamtkomplexität (vgl.
auch Kieser 2002: 49 ff.).
Das Argument ist nicht so ohne weiteres einsichtig, allein deshalb,
weil funktionale Differenzierung der Gesellschaft und der Beratungsboom sich zeitlich nicht gerade decken. Die entsprechende
gesellschaftliche Entwicklung setzt vor einigen Jahrhunderten ein, die
Managementberatung kommt erst seit einigen Jahrzehnten in
Schwung36. Zumindest historisch nahe liegender wäre es, die moderne
Gesellschaft mit der Entstehung von Management und noch
allgemeiner mit Organisationen in Verbindung zu bringen. Diese
Verbindung erläutert Thomas Drepper, wonach Management als ein
praktisches Problem von großen Industrieorganisationen auftaucht
(Drepper 2005: 453). Organisation und moderne Gesellschaft sind
historisch untrennbar verbunden, weil erst die moderne Gesellschaft
die Trennung von Person und Rolle auf breiter Front durchsetzt. Diese
Trennung ist aber Grundvoraussetzung für die Rekrutierung von
Personen in organisationalen Mitgliedschaftsrollen (Luhmann 2000:
380 ff.). Damit ist die Voraussetzung geschaffen, dass Personen nicht
nur Mitarbeiter werden, sondern auch als Schüler unterrichtet werden,
als Rechtssubjekt auftreten und als Wirtschaftssubjekt ökonomisch
handeln können. Das gilt zwar teilweise schon für vormoderne
Verhältnisse, dort aber immer unter der Einschränkung der Duldung
oder Erlaubnis durch Oberschicht. Der Proletarier muss dagegen
keinen Fürsten mehr, sondern die Organisation um Erlaubnis fragen,
will er in einer Fabrik arbeiten. Wollte man also Managementberatung
auf funktionale Differenzierung beziehen, müsste man das historische
Auseinanderfallen beider Phänomene erklären können.
36
mit Ausnahme der viel zitierten Gründung der ersten Unternehmensberatung
Arthur D. Little in den USA im Jahre 1886
119
Zur Beratungsmode Coaching
7.3
Analyse
Organisationale und gesellschaftliche Komplexität
Die Standarderklärung behauptet, dass gesteigerte Komplexität in
der Gesellschaft zu gesteigerter Komplexität in der Organisation führt.
Wenn man zustimmt, dass auch Organisationen Teil der Gesellschaft
sind, erfährt man aus dieser Erklärung, dass gesellschaftliche
Komplexität zu gesellschaftlicher Komplexität führt. Eine perfekte
Tautologie, die erst dann entfaltet werden kann, indem man mit
Luhmann (2000) sieht, dass Organisationen sich ihre eigene Umwelt
schaffen. Die Marktlage, das politische Klima, gesellschaftliche
Moden und Wertewandel, all das ist zwar vorhanden, muss aber
innerhalb von Organisation erst wahrgenommen und in organisationsinterne Kommunikation transformiert werden. Umweltbedingungen werden für Organisationen erst dann relevant, wenn sie als
Entscheidungsproblem reformuliert werden können. Um das Beispiel
von oben zu wiederholen: keine Organisation hat Komplexitätsprobleme mit dem Sonnenaufgang, weil darüber nicht entschieden werden
kann, obwohl es sich dabei physikalisch betrachtet um einen
außerordentlich komplexen Vorgang handelt.
Bezogen auf die Entscheidungsförmigkeit von Organisationen führt
Luhmann (1997: 609 ff.) eine alternative Erklärung an. Die moderne
Gesellschaft mit der Differenzierung in Funktionssysteme löst
gesellschaftliche Ranghierarchien auf. Es gibt damit keine Letztversicherung mehr, die ein gesellschaftliches Prinzip über alles andere zu
stellen vermag. Das hierarchische Prinzip, Gott-Fürst-Volk-Paria, hat
ausgedient. Weltformeln wie Gott, Urknall oder Kapitalismus können
jetzt legitim abgelehnt und durch alternative Erklärungen, etwa
System, ersetzt werden, die ihrerseits abgelehnt werden können. Die
moderne Gesellschaft hat das Prinzip des eindeutigen Oben/Unten
durch ein Prinzip der Vergleichbarkeit ersetzt. War die Schichtungsgesellschaft durch Ungleichheit und damit Unvergleichbarkeit
geprägt, leistet sich die funktional differenzierte Gesellschaft zugleich
Ungleichheit und Gleichheit. Dinge können jetzt unterschieden
werden oder als gleichsinnig behandelt werden. Selbstverständlich
sind afrikanische und europäische Menschen verschieden, aber
genauso selbstverständlich sind sie als Gleiche zu behandeln. Es
kommt auf die Perspektive an, mit der man Dinge nun betrachtet. Eine
letztgültige Zentralperspektive ist der modernen Gesellschaft
abhanden gekommen.
120
Analyse
Zur Beratungsmode Coaching
Das hat nicht zum gesellschaftlichen Chaos geführt. Funktionssysteme ordnen Gesellschaft, aber unter dem Prinzip des Nebeneinanders,
der mangelnden Zentralperspektive. „Funktionssysteme sind in ihrer
Ungleichheit gleich“ (ebd.: 611). Diese Paradoxie der Vergleichbarkeit löst Entscheidungsbedarf aus, weil Ordnung nicht mehr aus einer
Zentralperspektive abgeleitet werden kann. Entscheidungen und damit
Organisationen beruhen auf genau diesem modernen Paradox, dass die
gesellschaftliche Ordnung verschiedene gleichrangige Teilsysteme
aufweist. Gesellschaftlich muss nicht über Bevorzugung entschieden
werden. Entscheidungen lösen sogar häufig Irritation aus (Kieserling
1999: 352). Das schafft aber Platz für einen weiteren Systemtyp
„Organisation“, der nichts anderes macht, als Entscheidbarkeit
wiederherzustellen. Wie schon oben (Kapitel 6.1) eingeführt beruht
die Möglichkeit des Entscheidens auf Unentscheidbarkeit. Oder wie
Heinz von Foerster formuliert: „Only those questions that are in
principle undecidable, we can decide“ (Foerster 1992).Weil die
Funktionssysteme moderner Gesellschaft unentscheidbar nebeneinander funktionieren, kann man andernorts darüber entscheiden, welcher
Funktion man den Vorzug vor anderen gibt. Und dieser Ort ist
Organisation.
Organisation kann die Unentscheidbarkeit der modernen Gesellschaft nicht außer Kraft setzen, viel mehr findet Gesellschaft innerhalb
wie außerhalb von Organisation statt (Luhmann 2000: 383). Das ist
mit der Paradoxie des Entscheidens ausgedrückt, weil Entscheidungen
zwar eine Alternative, z.B. Profit, auswählen, aber zugleich
Alternativen, z.B. die Gesundheit der Arbeiter, als gleichwertig
ausweisen, denn sonst hätte man sich nicht zwischen beiden
entscheiden müssen. Organisationen wiederholen damit nicht die
funktionale Differenzierung von Gesellschaft, weil sie sich so nicht
von Gesellschaft differenzieren könnten. Das heißt, dass Organisationen sich nicht einfach nur über wirtschaftliche oder religiöse oder
politische Kommunikation reproduzieren, sondern gewissermaßen
quer dazu liegen. Sicherlich wird in praktisch allen Organisationen
gewirtschaftet, aber das findet auch außerhalb statt. Darin kann der
Eigenwert der Organisation nicht liegen. Gleichfalls wird in
Organisationen viel Politik betrieben, aber auch das findet man
genauso außerhalb. Der Eigenwert der Organisation besteht darin,
dass sie diese verschiedenen Logiken aufeinander bezieht und durch
Entscheidung ordnet. Mit dieser Ordnungsleistung kann sie sich selbst
identifizieren und gegen eine gesellschaftliche Umwelt differenzieren,
121
Zur Beratungsmode Coaching
Analyse
weil in Funktionssystemen diese Leistung nicht vollbracht wird und in
anderen Organisationen anders vollzogen wird.
Die Behauptung, Managementberatung sei auf die gestiegene
gesellschaftliche Komplexität zurückzuführen, bietet zumindest den
Vorteil, dass man in Komplexität einen soziologisch gut elaborierten
Begriff vorfindet. Luhmann versteht unter Komplexität die Selektivität
aus möglichen Beziehungen zwischen Elementen eines Systems
(Luhmann 2005e). Die Elemente des Organisationssystems sind
Entscheidungen und Selektivität, also Komplexität erreicht
Organisation wiederum durch eigene Entscheidungen darüber, welche
Umweltaspekte Beachtung finden. Die Komplexität der Organisation
ist mithin keine Kopie gesellschaftlicher Komplexität. „Es geht nicht
um Übernahme, es geht um Imagination“ (Luhmann 2000: 78). Nichts
spricht deshalb dafür, dass gesellschaftliche Komplexität eine
Entsprechung in Organisation findet. Der Zusammenhang ist sogar
umgekehrt zu denken: Die funktionale Differenzierung der modernen
Weltgesellschaft in verschiedenartig/gleiche Funktionssysteme
bedeutet im Vergleich zu traditionellen Gesellschaftsformationen eine
drastische Komplexitätsreduktion. Noch nie zuvor waren so wenige
Voraussetzungen zu erfüllen, um an gesellschaftlich relevanter
Kommunikation teilzunehmen. Die prinzipielle Teilnahmemöglichkeit
aller „im anerkannten Status als Person“ wird zur gesellschaftlichen
Norm (ebd.: 390). Auf dieser gesellschaftlichen Ebene wird die
Komplexität immer geringer, weil immer weniger Selektionen
Bedingungen sind, um kommunikativ erreichbar zu sein.
Nicht nur auf dieser Ebene der Teilhabevoraussetzungen ist die
moderne Gesellschaft so wenig komplex, wie zu keiner Zeit zuvor.
Die in Organisationen wahrgenommene Komplexitätssteigerung durch
die so genannte Globalisierung beruht ganz wesentlich auf
Komplexitätsreduktion. Technische, wirtschaftliche, rechtliche,
politische, institutionelle und kulturelle Standardisierungen haben
Globalisierung ermöglicht. Nur weil Vorselektionen aufgehoben
wurden und durch generelle Standards ersetzt wurden, müssen
Organisationen jetzt darüber entscheiden, in welchen Regionen sie mit
welchen Partnern in welchen Netzwerken produzieren, verwalten,
verkaufen oder Steuern zahlen wollen. Das, was in der Organisation
als schwierige, unentschiedene Welt erscheint, ist außerhalb der
Organisation eine vereinfachte, generalisierte und standardisierte
Welt. Die vielen technischen, sozialen und kulturellen „Lock-ins“
122
Analyse
Zur Beratungsmode Coaching
(Grabher 1993) mögen als „McDonaldisierung“ (Ritzer 1995)
bedauert werden, aber genau das führt zu Entscheidungslasten in
Organisationen. Die gesellschaftliche „Vorwahl“ zu verschiedenen
Ländern, Märkten, Städten, Kunden und Lieferanten, Kulturen und
Religionen entfällt unter modernen Bedingungen. Immer mehr
Elemente der Weltgesellschaft sind direkt erreichbar.
Die gestiegene Komplexität, die Organisationen, Führungskräfte
und Managementlehren erleben, ist also nicht die Komplexität der
Gesellschaft. Die Komplexität entsteht vor allem in und durch
Organisationen, weil dort die Erreichbarkeit der Welt und die
Vergleichbarkeit ihrer Elemente, Selektionsbedarf auslöst. Erst wenn
man überall verkaufen könnte, muss man eine Auswahl nach eigenen
Maßstäben treffen und sich beispielsweise auf Europa und Nordamerika konzentrieren. In der Zukunft wird man sich womöglich
rechtfertigen müssen, warum man Asien und den Nahen Osten
ignoriert habe. Gesellschaftlich kann man diese Selektionen immer
weniger legitimieren. Insofern Gesellschaft immer mehr Vergleichbarkeit und Standards schafft und damit immer weniger Vorselektionen trifft, sind Organisationen immer stärker auf sich selbst
verwiesen. Verständlich wird aus dieser Problemlage, dass die
Umweltbeobachtung noch zunimmt, weil man immer weniger a priori
ausschließen kann. In dem Maße, als sich gesellschaftlich immer mehr
Gleichheit durchsetzt, Gleichberechtigung von Mann und Frau, von
Adel und Volk, von Herrschaft und Gesinde, von Mensch und Natur,
von Ost und West, von Nord und Süd, von Angestellten und
Arbeitern, von Inländern und Ausländern usw., kann die Selektion
durch Organisation erfolgen. Was gesellschaftlich frei gegeben wird,
kann organisational entschieden werden.
Der primäre Abbau gesellschaftlicher Komplexität ist somit
Voraussetzung nachfolgender Komplexität in Organisationen. Die
Chance von Unternehmens- und Organisationsberatung und von
Managementmoden liegt also nicht in der gestiegenen, sondern in
verschobenen Informations- und Komplexitätslasten. In diesem Sinne
sind externe Berater Selektionskatalysatoren. Ihre ewige Regenerationsfähigkeit verdanken sie ebenso wie Managementmoden der
gesellschaftlich minimierten Vorselektion. Weil mehr möglich ist,
muss man auch mehr auswählen. Sieht man sich einer so egalitär
zugänglich gewordenen Welt gegenüber, helfen Berater und Moden,
Schritte auf dem Weg zum Aufbau interner Komplexität zu gehen.
123
Zur Beratungsmode Coaching
Analyse
Die dabei entstehenden Beratungsmoden sprechen jedoch nicht für
sich selbst. Es muss über ihren Einsatz entschieden werden. Allein das
steigert schon wieder die Optionen, weil die Modethemen auch ihre
gegenteiligen Themen implizieren. So befreien auch Berater nicht von
der Gleichheit der Welt, fügen im Gegenteil nur noch weiteren
Entscheidungsbedarf hinzu37: lieber ein renommiertes Großunternehmen oder lieber einen kleinen Spezialisten der Beratungsszene?
Beratervorschläge ganz, teilweise oder gar nicht übernehmen? Selbst
die Entscheidung, auf Beratung zu verzichten, muss nun als
Entscheidung getroffen werden, wie z.B. die „führenden Geschäftsmännern“ Rupert Murdoch von News Corporation und Arnold
Weinstock von General Electric (Wooldridge 1997) mitteilen.
Insofern scheint Beratung besonders gut auf Entscheidung zugerichtet
zu sein, es handelt sich um „komplementäre Sachverhalte“
(Schützeichel 2004a: 276).
Der Zusammenhang von Coaching und intern gestiegener Komplexität kann von Gatekeepern viel konkreter bestätigt werden, als das
Ausweichen auf Globalisierungsfolgen:
„Das heißt also, wir haben Redimensionierung betrieben. Wir haben die
Führungsspannen erhöht, wir haben die Gebrauchtwarenläden oder die
Gemischtwarenläden thematisch drunter auch größer gemacht. Das heißt
eben, dass dann das Bewusstsein gestiegen ist auch unter den Führungskräften, die schon die zweite oder die dritte Führungsposition hatten,
dass sie eingesehen haben, aufgrund der hinzu gekommenen Komplexität,
ist es einfach gut, wenn sie einfach irgendwoher Unterstützung bekommen.“ (Schäfer, Verkehrsunternehmen 1)
Organisationsinterne „Redimensionierung“ und Umstrukturierungen schaffen Komplexität, die Manager vor neue Aufgaben stellt.
Sofern Komplexitätszuwächse als Auslöser für Coaching hier
akzeptiert werden, muss jedenfalls deutlich werden, dass dies
innerhalb der Organisationen wahrnehmbar ist. Die Komplexität der
37
Dementsprechend sind die meisten Beratungsprojekte Folgeprojekte (BDU 1996,
zitiert nach Ernst/Kieser 2002: 79)
124
Analyse
Zur Beratungsmode Coaching
„Welt“ ist immer die Welt, wie sie in der Organisation gesehen wird,
was im folgenden Zitat gut zum Ausdruck kommt:
„unsere Welt war einfacher. Sie müssen sich auch mal überlegen: bis
1994 musste die (Organisation) auch kein Geld verdienen. Wir waren ein
öffentliches Unternehmen. (…) Die Welt war relativ, also weniger
komplex, vielleicht zweidimensional, aber bestimmt nicht drei-, vier-,
fünfdimensional. Es gab kaum Führung in Matrixorganisation. Es gab
eigentlich das Prinzip linear-kausal und sonst nichts. Und nach dem hat
man geführt.“ (Schäfer, Verkehrsunternehmen 1)
Die angeführten Zitate verweisen auf ein häufiges Gleichsetzen von
Systemkomplexität mit der wahrgenommenen Kompliziertheit von
Führungsstellen. Wenn auch hier wieder relativ unklar bleibt, was mit
„kompliziert“ eigentlich gemeint ist, so lohnt es sich auf die
Komplexitätsfolgen von Systemdifferenzierung hinzuweisen. Von
Komplexität kann man nur im Hinblick auf Elemente und deren
Beziehungen innerhalb eines Systems sprechen (Luhmann 2005e).
Interne Differenzierungen in Abteilungen, Gruppen, Spezialistenstellen, Stäbe usw. erhöhen die gesamte Organisationskomplexität, indem
sie diese innerhalb der Teilsysteme reduzieren. Mit interner
Differenzierung muss nicht an allen Stellen alles beachtet werden,
sondern an den meisten Stellen kann das meiste ignoriert werden.
Verzichtet man auf solche Differenzierungen, wie es beim Abbau von
Hierarchien, bei vermehrter Partizipation und bei Firmenfusionen
geschieht, so vermehren sich die Informationslasten in den
verbleibenden Teilsystemen. Umso weniger differenziert und komplex
eine Organisation bei gleich bleibenden Informationslasten ist, umso
informationsreicher werden einzelne Stellen.
Insbesondere gilt diese für Führungskräfte. Der Abbau von
Hierarchie oder die zitierte Einführung von Matrixorganisationen im
Zuge von Managementmoden der 90er Jahre hat die Informationsverarbeitungskapazitäten des hierarchischen Systems reduziert. In der
Matrixorganisation werden Informationen parallel von zwei
Vorgesetzten verarbeitet, ohne dass daraus Entscheidungsfähigkeit
resultiert. Baut man Hierarchien ab, werden Informationen auf dem
Weg nach unten und nach oben weniger stark gefiltert, was zu einer
Überlastung des gesamten hierarchischen Systems inklusive der
Organisationsspitze führen kann. Beide Maßnahmen reduzieren die
Systemkomplexität und belasten zugleich die Führungsstellen.
125
Zur Beratungsmode Coaching
Analyse
Beratung löst dieses Problem der Informationslast nicht, bindet sie
doch zunächst weitere Informationsverarbeitungskapazitäten. Man
muss nicht nur mit dem Chaos nach der Umstrukturierung zurechtkommen, sondern muss auch noch die Vorschläge eines Beraters
verarbeiten.
7.4
Beratung und ihre Moden
Die Erklärung von Managementberatung und damit auch Coaching
aus den Folgen von Globalisierung, kann nicht überzeugen.
Insbesondere wird die Welt durch Beratung ja nicht weniger komplex,
sonder fügt der gesellschaftlich determinierten Unentscheidbarkeit
noch ein unentscheidbares Kriterium hinzu: Wer könnte schon sagen,
ob Beratung oder keine Beratung besser wäre? Ein Berater?
Ein wesentliches Merkmal von Beratung besteht in einer widersprüchlichen Konstitution der Beziehung. Während man Professionen
wie Ärzten, Seelsorgern und Juristen mit abnehmender Tendenz
zugesteht, dass sie aus ihrem Expertenstatus autoritär Maßnahmen
ableiten können, galt das für Berater noch nie. Einerseits sollen
Berater durch ihren anerkannten Wissensvorsprung die Beziehung
asymmetrisieren, sonst müsste man sie erst gar nicht anfordern.
Zugleich gesteht man ihnen aber nicht die professionelle Autorität zu,
selbst über Maßnahmen zu entscheiden. Man unterhält symmetrische
Beziehungen. „Hilfe zur Selbsthilfe“ lautet häufig die Formulierung
von Gatekeepern und Coaches für dieses Beraterparadox:
„Ich betrachte meine Rolle als Coach nicht anders als neutraler
Sparringpartner, Hilfe zur Selbsthilfe.“ (Fischer, Finanzdienstleister 1)
„Coaching bearbeitet nicht nur die Symptome eines Problems, sondern
versucht, dessen Ursachen zu ergründen. Es ist Hilfe zur Selbsthilfe, d.h.
es ist darauf ausgerichtet, künftig neue oder wieder auftretende Probleme
lösen zu können.“ (Hoffmann, öffentliche Verwaltung 1)
Ein Gatekeeper nimmt dagegen kritisch Bezug auf diese Formel:
„’Ich bin Experte für Psychologie und das ganze Thema hier und Sie sind
Experte für sich selber. Ich kann Ihnen nichts beibringen, was Sie nicht
schon selber wissen. Und das heißt, dass wir symmetrisch kommunizieren
müssen.’ (…) die meinen so etwas wie symmetrische Kommunikation und
126
Analyse
Zur Beratungsmode Coaching
Gleichberechtigung, wenn sie schreiben: Coaching ist Hilfe zur Selbsthilfe. Und das ist einfach peinigend blöde, sage ich Ihnen! Weil in welchen
Kontexten verwenden wir das Hilfe zur Selbsthilfe? Wir verwenden das
dort, wo wir es mit Gruppen zu tun haben, die auf irgendeine elende Art
aus der Gesellschaft rausgedriftet sind: Schwerbehinderte, Leute, die
einen Sprung in der Schüssel haben, das sind alles Leute, wo wir sagen:
Hilfe zur Selbsthilfe. Und so deklassiert sich einer, der sagt, Hilfe zur
Selbsthilfe, weil er genau eine komplementäre Situation schafft.“
(Becker, Coachinganbieter 2)
Der zitierte Gatekeeper setzt sich zwar für eine „symmetrische
Kommunikation“ ein und hält „komplementäre Situationen“ im
Coaching für „peinigend blöde“. Eine solche Argumentation muss
sich aber die Frage gefallen lassen, wie sich ein Coach anders
rechtfertigen lässt, wenn nicht aus einer gewissen Expertise. Auch
gäbe es kein „Scharlatanerieproblem“ (Kühl 2005a), wenn nicht wie
bei jedem Berater eine gewisse Expertise gefordert wäre, die die
symmetrische Situation zugleich asymmetrisiert. Das Beratungsparadox besteht darin, dass es dem Berater einen (Wissens-)Vorsprung
einräumt und daraus doch kein (Entscheidungs-)Vorrecht entsteht
(vgl. Schützeichel 2004a: 276 f.).
An den Höfen des Adels wurde dieses Paradox noch entfaltet durch
Hofnarren, Liebeshöfe oder durch karnevaleske Kommunikation (vgl.
Luhmann 1987: 461 f.). Organisation, die wie die Schichtgesellschaft
auf formale Hierarchie nicht verzichten kann, muss sich Ratschläge
und Belehrungen in Kontakten außerhalb des hierarchischen Systems
erteilen lassen. Vor allem geschieht dies in informaler Kommunikation und dort besonders unter Ranggleichen. Dennoch tut man sich
schwer, Expertise von Rangniederen anzuerkennen, insbesondere
wenn daraus formale Entscheidungen generiert werden sollen. Mit
dem Übergang von gesellschaftlicher Hierarchie in Organisationshierarchie müsste man jetzt davon sprechen, dass der Prophet in der
eigenen Organisation nicht viel gilt. Dementsprechend kennzeichnet
man Expertise als informale Machtquelle, die die formale Hierarchie
bedroht, hintergeht und aushöhlt (vgl. Crozier/Friedberg 1993; Iding
2001). Moderne Beratung hat den Widerspruch von Überlegenheit
durch Expertise und formaler Gleichrangigkeit kultiviert. Ähnlich
abwertend wie Hofnarren und Karnevalsredner hält man Berater noch
immer für Besserwisser, die aber nie verantwortlich gemacht werden
können.
127
Zur Beratungsmode Coaching
Analyse
Beides ist aber wörtlich genommen richtig. Berater können deshalb
nicht verantwortlich gemacht werden, weil und sofern sie nicht
Mitglieder im formalen Hierarchiesystem der Organisation sind. Dass
Berater keine Verantwortung im Sinne bindender Entscheidungen
tragen, sollte jedoch nicht über ihre Leistung hinweg täuschen. So wie
Modeexperten im Kleidungsgeschäft sind Managementberater
Experten in Sachen Managementmoden. Dass sie ebenso wenig wie
die Manager selbst über den Stein der Weisen verfügen, führt gerade
dann zu Moden, wenn man an die eine beste Art und Weise der
Betriebsführung glaubt. Mit der „Paradoxie des Entscheidens“
(Luhmann 2000: 123 ff.) kann man einen solches Managementoptimum ausschließen. So wird der Stein der Weisen zum „Fels des
Sisyphos“ (Kühl 2002b). Wem das Argument zu theoretisch erscheint,
der kann sich auch an die empirischen Evidenzen halten. In
Organisationen und ihren Umwelten ändert sich ständig etwas und
man kann nicht an einem einzigen gradlinigen Weg festhalten. Am
allerwenigsten gilt der eine beste Weg für das Management. So wie
aber eine Kleidungsmode eben nur eine gewisse Zeit lang funktioniert,
so funktionieren auch Managementmoden nur für eine bestimmte Zeit.
In der Frage nach dem Für und Wider der Beratung, besteht die Wahl
darin, sich nie zu verändern und dafür fast immer falsch zu liegen oder
eben Modewellen mitzugehen und dafür fast immer über Legitimitätsvorteile zu verfügen.
Moden entstehen auf einer Beobachtungsebene zweiter Ordnung.
Man hält das für modisch, was andere für modisch halten. Sie sind
eine Erscheinung der Moderne (Luhmann 1997: 1070). Berater haben
sich auf dieser Ebene spezialisiert. Sie halten laufend Kontakt zu
großen Organisationen, führen eigene Erhebungen durch und
verschaffen sich so einen Eindruck, welche Methoden, Techniken,
Kulturen usw. im Management aktuell sind. Sie sind Experten für die
Beobachtungen anderer und werden das für innovativ halten, was
andere für innovativ halten. Umgekehrt stehen aber inzwischen
renommierte Berater unter strenger Beobachtung durch diejenigen
Organisationen, die sie selbst beobachten. Es kommt zu einer „selffulfilling prophecy“ (Merton 1995: 399 ff), in der so beobachtet wird,
wie die meisten beobachten. Das Entstehen von organisationalen
Moden wird begünstigt durch gesellschaftliche Freigabe von
Entscheidungsräumen. Umso mehr gesellschaftlich unentschieden
vergleichbar ist, umso mehr müssen Stabilitäten durch ein gegenseitiges Beobachten des Beobachtens hergestellt werden.
128
Analyse
Zur Beratungsmode Coaching
Eine wichtige Funktion von Mode entsteht im Zusammenhang mit
Technik. Techniken bzw. Technologien, wie z. B. Coaching, sind feste
Kopplungen von Ursachen und Wirkungen (vgl. Luhmann 2000: 370).
Diese festen Kopplungen ermöglichen „erhebliche Vereinfachungen“,
ein hohes Arbeitstempo, verringerten Kontrollaufwand und „vor allem
reduziert Technik den Konsensbedarf“ (ebd.: 372). Allerdings ist das
Funktionieren der Technik davon abhängig, dass man allgemein vom
Funktionieren überzeugt ist und nicht jedes Auto, jeden Computer
oder jede Coachinginteraktion auseinander nimmt, um sich von
Funktionsweise und Funktionieren augenscheinlich zu überzeugen.
Mode liefert hier die Lösung und macht „die Theorien, die für ein
wissenschaftliches Verstehen und Erklären technischer Vollzüge
notwendig wären“, überflüssig. Man weiß zwar nicht wirklich, wie
und warum Coaching funktioniert; man bemängelt sogar immer
wieder das Fehlen wissenschaftlicher Evaluationen (vgl. 8.5
Evaluation von Coaching); und dennoch gibt man sich überzeugt, dass
es funktioniert38. Die Überzeugung rührt im Wesentlichen daher, weil
es offensichtlich viele andere Organisationen, insbesondere solche, die
man als Referenz schätzt, ebenfalls anwenden. Der Clou aber ist, dass
dann die Erfolgs- und Misserfolgszurechnungen tatsächlich „richtig“
erfolgen39. Bleibt der Mercedes liegen, handelt es sich eben um einen
„Montagswagen“; klappt die Edelberatung Coaching nicht, hat man
eben nur einen der vielen „Coaching-Scharlatane“ erwischt. Das
allseits bemängelte Scharlatanerieproblem beim Coaching rettet das
prinzipiell fraglos-technische Funktionieren von Coaching auch für
Misserfolgsfälle.
38
Deshalb ist für diese Analyse der Funktion von Coaching in der Organisation auch
nicht dringend notwendig, die Coachinginteraktion selbst empirisch zu
untersuchen, weil man in Interviews mit Gatekeepern feststellen kann, dass auch
die Organisation nur eine vage Vorstellung von den tatsächlichen Vorgängen in
der Coachinginteraktion hat; und es ist evident, dass dies überhaupt kein
Hinderungsgrund ist, Coaching dennoch einzusetzen.
39
Und damit unterscheidet sich diese Argumentation von neoinstitutionalistischen
Erklärungsversuchen, die allein (und tendenziell tautologisch) auf die Legitimität
von Moden verweisen. Demnach übernehmen Organisationen Moden nur, weil sie
Legitimitätsvorteile versprechen (vgl. grundlegend: Meyer/Rowan 1977; Zucker
1977; DiMaggio/Powell 1983). Hinzu kommt aber, dass solche Moden Erfolgsund Misserfolgszurechnungen so verteilen, dass die entsprechende Technik bzw.
Institution tatsächlich zuverlässig funktioniert.
129
Zur Beratungsmode Coaching
Analyse
Die Moden kommen und gehen, der Berater aber bleibt. Seine
Expertise und Leistung ist nicht abhängig von genau einem modischen
Konzept und jedenfalls ist ihm und dem Klienten schlecht geraten,
wenn er sich mit genau einer Mode identifiziert. Seine Leistung liegt
nicht darin, dass er Wahrheit findet, weshalb sich Wissenschaftler
auch besonders schlecht als Berater eignen (vgl. Kieser 2002). Seine
Leistung liegt auch nicht darin, dass er aus allen möglichen Wegen
des Managements die richtige herauskondensiert. Seine Leistung ist
dann hilfreich, wenn er aufmerksam beobachtet, was andere als das
beste Management betrachten und dadurch eine prekäre Sicherheit
schafft, die sich mit der nächsten Modewelle aber schon wieder
aufgebraucht hat. Diese Expertise gewinnt er nicht nur durch
Markforschung, sondern vor allem in jedem Beratungsprojekt, wo er
beobachten kann, wie die Beratungsnehmer beobachten.
7.5
Verlust gesellschaftlicher Autoritätsgrundlagen
Nachdem nun ein Begriff der Beratung erarbeitet wurde, wendet
die Diskussion sich der Frage zu, in welchem Zusammenhang
Coaching als personenzentrierte Beratungsdienstleistung mit dem
diagnostizierten Autoritätsverlust bei Führungskräften steht.
Als wichtige Voraussetzung für Coaching wurde Freiwilligkeit und
Vertraulichkeit genannt, die als formale Folgenlosigkeit übersetzt
wurden (Kapitel 4.2.2). Wenn man relative Folgenlosigkeit für
Organisation annimmt, kann man die Frage nach der Bedeutung von
Coaching anders stellen. Die Frage ist dann nicht mehr, was den
Bedarf für Coaching auslöst bzw. welches Bezugsproblem mit
Coaching gelöst wird, sondern welche Veränderungen es nun legitim
erscheinen lassen, Vorgesetzte zu „coachen“. Die Neuerung liegt vor
allem darin, dass jetzt Vorgesetzte zunehmend offiziell persönlich
ausgebildet und beraten werden, ganz unabhängig davon, was die
konkreten Erwartungen, Inhalte und Ziele der Maßnahmen sind. Darin
besteht die „Veränderung der Rolle des Managements“ (Deutschmann
et al. 1995), die mit Führungskräfteentwicklung und mit Coaching
zum Ausdruck kommt. Ganz offiziell und legitim kann man ihnen nun
Defizite unterstellen, die in speziellen Führungskräfteentwicklungsprogrammen und situativen Maßnahmen wie Coaching oder
Mentoring bearbeitet werden können. Die Forschungsfrage richtet sich
jetzt nicht mehr darauf, was tatsächlich der einzigartige Bedarf nach
130
Analyse
Zur Beratungsmode Coaching
Coaching sei. Von Interesse ist, weshalb man Vorgesetzte und
Führungskräfte jetzt entwickeln und persönlich beraten kann bzw. was
dies bisher verhindert hat.
Vorgesetztenstellen hatten schon immer mehr oder weniger
widersprüchliche und konflikthafte Orientierungen zu beachten.
Allein die Schnittstellenfunktion zwischen höherer und nachrangiger
Hierarchieebene kann nicht aus einem Prinzip rationalisiert werden
(Luhmann 1999: 211 f.). Ganz grundlegend beruht die Schwierigkeit
des Vorgesetzten in der paradox konstituierten Entscheidungsförmigkeit von Organisationen. Die Heroisierung und die Mythenbildung um
Entscheiden und Führen verdeckt das Paradox. Entscheidungen
können so auf geborene, geniale, talentierte, geschulte oder gereifte
Führungspersönlichkeiten zugerechnet werden. Die Autorität gerade
eines Vorgesetzen, aber auch einer Führungskraft zeigt sich darin,
dass ihre Entscheidungen ohne Nachfragen akzeptiert werden (ders.
2000: 204). Die gesellschaftlichen Grundlagen von Autorität, wie
Bildung und Schichtzugehörigkeit, die lange Zeit Führungsautorität
stützten, verlieren zunehmend an Legitimität (vgl. den kritischen
Beitrag von Hartmann/Kopp 2001) und Bedeutung. Man kann sich
heute als Vorgesetzter in der Führungsaufgabe immer weniger auf
Herkunft und exzellente Ausbildung verlassen (vgl. Kapitel 6.5).
Zweifelsohne kommen Organisationen nach wie vor nicht ohne
Hierarchie aus, auch wenn sich hierarchische Steuerungsformen im
Wandel befinden (Kühl 2002b: 36 ff.). Führung muss aber vom
formalen hierarchischen Rang des Vorgesetzten unterschieden
werden. Führung kann nicht befohlen oder vertraglich bestimmt
werden. Daraus ergeben sich die Schwierigkeit und die Faszinationskraft der Führungsaufgabe (vgl. 6.4 Führung und Hierarchie). Auch
bei Vorgesetzten erzeugt der gesellschaftliche Rückgang von
generellen Statuszuweisungen Vergleichbarkeit. Weil Personen jetzt
zusehends unabhängig von gesellschaftlicher Vorselektion
gleichgestellt sind, kann und muss diese Auswahl in Organisationen
nachgeholt werden. So legitimieren Organisationen ihre Vorgesetzten
durch die Auswahl in Assessmentcentern, 360°-Feedbacks und
sonstigen
Personalbeurteilungsverfahren.
Jede
Organisation
entwickelt dabei mehr oder weniger eigene Kriterien oder verleiht
anerkannten Kriterien eine eigene spezifische Gewichtung. Jedenfalls
wird der Vorstandssohn nicht mehr deshalb Abteilungsleiter, weil der
Vater schon Vorstand ist, sondern weil er in einem objektivierenden
131
Zur Beratungsmode Coaching
Analyse
Verfahren als geeignet beurteilt wurde. Diese organisationsinterne
Objektivierung von persönlicher Eignung ersetzt die ehemals
gesellschaftlich verfügbaren Kriterien. Anstatt einer gesellschaftlichen
Autorität erhalten Vorgesetzte und gegebenenfalls auch nicht
hierarchisch legitimierte Führungskräfte jetzt eine organisationale
Autorität zugewiesen, bestätigt durch „objektive“ Auswahlverfahren
der Personalentwicklung. Gesellschaftliche Gleichstellung im
Personstatus führt wiederum zu Entscheidungslasten in der
Organisation.
Diese gesellschaftliche Entwicklung ist nicht nur bei Vorgesetzten
in Organisationen zu beobachten. Auch bei Berufen, Professionen und
Experten ist die Tendenz zu Vergleichbarkeit und Relativierung zu
erkennen. Berufsausbildungen führen schon längst nicht mehr zu einer
vorbestimmten Stellenfolge. Auch Ungelernte können als Quereinsteiger Karriere machen und auch Akademiker müssen sich durch
Personalentwicklung nachschulen lassen. Die Profession der Ärzte als
ein klassischer „Hoher Beruf“ muss sich stärker auf ein partnerschaftliches Verhältnis zu den Patienten einstellen und kann nicht mehr kraft
anerkannter Autorität über Therapie und Behandlungsverlauf
bestimmen. Der Heilungserfolg wird als abhängig von einer im
gewissen Sinne symmetrischen Arzt-Patient-Beziehung angesehen
(zum Konzept „compliance“ vgl. z.B. Stoffelmayr et al. 1989). Auch
Gläubige lassen sich immer seltener als „Schafe“ behandeln und
wollen als Gleichrangige von Seelsorgern „beraten“ werden (vgl.
Schützeichel 2004b). Der Hohe Beruf ist gar nicht mehr so hoch und
es setzt ein Trend zur Deprofessionalisierung ein (vgl. Stichweh
1996). Und letztlich müssen auch Experten zusehends ihre
Begründungszusammenhänge mitliefern und können nicht einfach auf
ihre Ausbildung und Erfahrung verweisen. Man glaubt Experten nicht
mehr, weil sie Experten sind, sondern nur noch dann, wenn sie
überzeugen können (Beck 1986: 276 f.; 1996: 299 ff.). Man kann
Gegenexperten benennen und die Formulierung, dass jemand
„anerkannter Experte“ sei, muss sich die Frage gefallen lassen, von
wem er anerkannt ist. Die Autorität des Experten gibt Anlass für
Protestbewegungen, die unterstellen, dass Experten ihre Entscheidungen gerade nicht so gut begründen können, dass sie einleuchten.
Damit kommt es zu Optionssteigerungen und Unsicherheit, die in
Organisationen bearbeitet werden können.
132
Analyse
Zur Beratungsmode Coaching
Man kann diese gesellschaftliche Entwicklung als „Risikogesellschaft“ bzw. als „Reflexive Moderne“ (ders. 1986) stilisieren. Diese
gesellschaftlichen Tendenzen bedeuten jedenfalls nicht, dass
Ausbildung, Herkunft, Expertenwissen, Profession usw. bedeutungslos würden. Insofern werden die klassischen modernen Kategorien
nicht einfach durch „postmoderne“ Kategorien abgelöst. Es kommt
auch nicht zu einem „anything goes“. Es hat sich nur die Beweislast
verschoben zu Ungunsten der „Alterswerte wie Autorität und
Erfahrung“ (Luhmann 2000: 205). Ärzte, Vorgesetzte, Pastoren,
Richter und Experten sind immer noch Experten und können, ja
müssen Situationen asymmetrisieren (vgl. Saake 2003). Man gesteht
ihnen in vielen Fällen immer noch das Vorrecht der Situationsdefinition zu. Die These lautet jedoch, dass diese Fälle in durch formale
Organisation gedeckt sein müssen. Die Anerkennung ihrer Autorität
ist stärker gebunden an ihre formale Rolle in Organisationen. Das
heißt, dass sie daraus immer weniger Vorrechte ableiten können, die
ihre ganze Person umschließen. Im Gegenteil wird der Vorgesetzte
geschätzt, der neben seiner Chefrolle auch noch „Mensch“ ist.
Vorgesetzte müssen damit kalkulieren, dass sie die Beobachtung
durch Mitarbeiter nicht als irrelevant abtun können (Luhmann 2000:
323). Der Vorgesetzte kann nicht mehr legitim mit einem autoritären
Führungsstil die Selbstdarstellungsinteressen der Mitarbeiter
ignorieren. Was sich stattdessen ausbildet, kann als „Psychologisierung der Führungskommunikation“ (Pongratz 2002: 97 ff.)
beschrieben werden. Vorgesetzte und Mitarbeiter müssen „psychologisch“ empathisch und „emotional intelligent“ (vgl. Goleman 1996)
beobachten, testen und antizipieren, wie sie auf ihr Gegenüber wirken.
Worum es aber im Kern geht, ist die Symmetrisierung der Beziehungen auf einer Beobachtungsebene zweiter Ordnung. Institutionalisierter Ausdruck dafür ist, dass es jetzt nicht nur Mitarbeitergespräche
gibt, in denen formalisiert Mitarbeiter von ihren Vorgesetzten
beurteilt, das heißt beobachtet werden, sondern jetzt sich auch
Vorgesetzte eine Beurteilung durch ihre Mitarbeiter in so genannten
Führungsgesprächen oder 360°-Feedbacks gefallen lassen müssen.
Vorgesetzte wie Mitarbeiter müssen nun beobachten, wie sie
beobachtet werden. Selbst bei den exemplarisch autoritären
Organisationen des Militärs macht man sich Gedanken zur Führung,
die zunehmend ernst genommen werden und die nichts anderes
ausdrücken als diese Symmetrisierung durch die Beobachtung zweiter
Ordnung (vgl. Wiesendahl 2005).
133
Zur Beratungsmode Coaching
Analyse
Wenn gesellschaftlich verfügbare Autoritätswerte von Personen
abnehmen, entsteht für Organisation wiederum Entscheidungsbedarf,
wer als Vorgesetzter und als Führungskraft geeignet ist. In
formalisierten Auswahlverfahren werden Kandidaten bestimmt, die
dann in zum Teil mehrjährigen Programmen zu Vorgesetzten
„entwickelt“ werden. In einer paradox konstituierten Doppelbegründung wird Personen schon vorhandene Eignung, aber zugleich
Entwicklungsbedarf attestiert. Von Organisationspsychologen
entwickelte und geheim gehaltene Prüfkriterien helfen, das Mysterium
des Führens aufrechtzuerhalten. Das Auswahlverfahren, der Glaube an
Führungsethos und die Schaffung organisationsinterner Autorität
beruhen darauf, dass die genauen Persönlichkeitsmerkmale und ihre
Kombination sich einer Formalisierung entziehen und der Führungspersönlichkeit Charisma, Führungsinstinkt, emotionale Intelligenz
usw. zugerechnet werden können.
Eine Folge aus dem Verlust gesellschaftlich gestützter Autoritätsund Erfahrungswerte besteht weniger in einer Individualisierung, als
in einer zeitlichen und sachlichen Flexibilisierung der Autoritätsunterstellung. Unter der Bedingung der Beobachtung zweiter Ordnung
muss man nicht nur beobachten, ob man autoritär entscheiden kann,
sondern auch mit welchen Folgen eine autoritäre Entscheidung
beobachtet wird. Selbst wenn man durch den formal abgesicherten
Rang eine Entscheidung durchsetzen kann und die Entscheidung
befolgt wird, entsteht möglicherweise Schaden für die Beziehung,
weil der Entscheidungshergang als Konflikt erinnert wird (vgl.
Luhmann 2000: 323). Autorität wird damit zu einem Mittel unter
anderen. Je nach Situation wird man legitim autoritär oder anders
entscheiden können. Das Problem ist, dass es dafür keine generalisierbare Regel gibt, wann welcher Führungs- und Entscheidungsstil
angebracht erscheint. Die einzig generalisierbare Konsequenz scheint
zu sein, mehr auf einen situativen und abwartenden Führungsstil
umzustellen. Man wird stärker darauf angewiesen sein herauszufinden, wie man selbst beobachtet wird und welche Erwartungen damit
verknüpft sind. Man wird auf die Beiträge anderer stärker zu achten
haben und sie würdigen müssen, selbst wenn die meisten davon in den
„Mülleimer“ wandern (vgl. Cohen et al. 1972).
134
Analyse
7.6
Zur Beratungsmode Coaching
Problemlösungen für Autoritätsverlust
Autoritätsverlust ist nur ein Bereich eines generellen gesellschaftlichen Wandels zu mehr Gleichheit. Es herrscht eine gesellschaftliche
„Tendenz (…) in die Richtung auf ein gleiches Verhalten in allen
Lebenslagen“ (Elias 1989: 42). Die Gleichheit stützt sich auf
Beobachtung zweiter Ordnung: Der Herr kann nicht länger auf seine
gesellschaftlich abgesicherte Autorität vertrauen und dadurch die
Beobachtung seiner selbst durch den Knecht ignorieren. Führende
Persönlichkeiten müssen sich in Umfragen, Führungsgesprächen,
Fernsehduellen, Assessmentcentern, 360°-Feedback usw. fundamental
der Beobachtung durch Nachrangige stellen. Der Verlust einer
gesellschaftsweiten Ordnung wird kompensiert durch die Beobachtung, wie andere beobachten. Wenn man nicht mehr weiß, woran man
sich halten soll, hält man sich daran, woran sich andere halten. Erst
daraus entsteht die Möglichkeit von Moden: „Schön ist das, was
allgemein gefällt“ (Kant).
Als die BusinessWeek 1957 in einem Artikel behauptete, dass
Executive Coaching auf dem Vormarsch sei, wurde der Vorgesetzte
als Coach bezeichnet (BusinessWeek 1957). Diese Idee, der
Vorgesetzte könnte als Coach seiner Mitarbeiter auftreten, ist noch
heute virulent (z.B. Whitmore 1997: 19 ff.). Unter Coaching-Experten
herrscht Streit darüber, ob der Rollenkonflikt zwischen Vorgesetzterund Coachrolle überwunden werden kann (z.B. Absatzwirtschaft
1999). Wichtiger für die hier verfolgte Argumentation ist, dass es
überhaupt denkbar, ja sogar erwünscht ist, dass der Vorgesetzte sich
auf gleiche Augenhöhe mit Mitarbeitern begibt. Der Artikel von 1957
beweist, dass die Vorstellung symmetrischer Beziehung zwischen
Vorgesetzten und Mitarbeiter trotz der formalen Hierarchie schon
relativ alt ist. Trotz dieser frühen Hinweise kommt es erst vergleichsweise spät zur Institutionalisierung von „Führungskräfteentwicklung“
(eigentlich: Vorgesetztenentwicklung), die diese symmetrische Ebene
offizialisieren. Der große Aufwand in Auswahl und Entwicklung von
Vorgesetzten ist ein Kennzeichen dafür, wie schwer sich hierarchischautoritäre Asymmetrisierung heute legitimieren kann, wenn sie
gesellschaftlich nicht mehr gedeckt ist. Man versucht das durch
scheinbar objektive Verfahren wie Assessmentcenter, standardisierte
Beurteilungsgespräche und sonstigen Methoden der Personaldiagnostik zu formalisieren und so intern aufzufangen. Ebenfalls dienen die
langjährigen Führungskräfteentwicklungsprogramme dazu, diesen
135
Zur Beratungsmode Coaching
Analyse
Mangel an gesellschaftlich gesicherter Autorität mit Mitteln der
Organisation zu kompensieren.
Coaching ist nur ein Randphänomen für diese Tendenz von
Autoritätsabbau von Vorgesetztenrollen. Die zentrale Literatur dazu
stammt aus der Labor Process Debate und ihrem deutschen Pendant
der Subjektivierungsdebatte. Unter Schlagwörtern wie „Politisierung“
(Burawoy 1979, 1985), „New Management“ (Boltanski/Chiapello
2003), „Internalisierung des Marktes“ (Moldaschl 1998), „Herrschaft
durch Autonomie“ (Moldaschl 2001), „Selbstkontrolle“, „Selbstökonomisierung“ und „Selbstrationalisierung“ beim „Arbeitskraftunternehmer“ (Voß/Pongratz 1998) werden neue und wieder entdeckte
Führungsformen besprochen, die darauf reagieren, dass autoritäre, nur
hierarchisch legitimierte Entscheidungen auf der informalen Ebene
symmetrischer Beziehungen zunehmend weniger akzeptiert werden.
Man kann jetzt Entscheidung und Verantwortung an Rangniedrigere
delegieren, nicht weil diese Entscheidungsfindung effektiver ist oder
weil sich darin ein neuer, noch perfiderer Kapitalismus (vgl. Kocyba
2005) verbirgt, sondern weil dies Legitimitätsvorteile für die
Führungskraft beinhaltet. Wenn man beobachtet, dass man als
Führungskraft auf den eigenen Führungsstil hin beobachtet wird, kann
man sich Vorteile verschaffen, indem man je nach Mitarbeiter und je
nach Situation die Erwartungen überprüft und nach Möglichkeit
berücksichtigt. Die Veränderung im „neuen Geist des Kapitalismus“
(Boltanski/Chiapello 2003) besteht nicht darin, dass man von einem
besten, autoritären Weg der Führung (bzw. Management, Steuerung,
Kontrolle, Herrschaft usw.) auf einen anderen besten, antiautoritären
und partizipativen Weg umgestellt hätte. Die Legitimität einer
Führungskraft oder eines Führungsstils ergibt sich aus seiner
Erwartungen berücksichtigenden Flexibilität. Ein konsequent
partizipativ durchgehaltener Führungsstil, der in jedem Entscheidungsfall alle Beteiligten zusammen bringt, wird ebenso wenig
Anerkennung ernten, als ein immer autoritär-autonom entscheidender
Vorgesetzter. Der bedeutende Unterschied liegt darin, dass
Vorgesetzte allein daraus Legitimität schöpfen, dass sie die
Erwartungen von Mitarbeitern als gleichwertig würdigen. Die
Legitimität von Vorgesetzten liegt nicht mehr in ihrer gesellschaftlich
versicherten Autorität begründet, sondern muss in Organisationen und
deren Situationen selbst beschafft werden.
136
Analyse
Zur Beratungsmode Coaching
Die formale Rangposition liefert dem Vorgesetzten zwar einen
Legitimitätsvorsprung, aber bei unteren und insbesondere bei neuen
Vorgesetzten reicht diese formale Absicherung nicht sehr weit.
Werden die Erwartungen der Mitarbeiter nicht entsprechend
gewürdigt, kann dies die Beförderungs- oder Rekrutierungsentscheidung in Frage stellen. Die langfristige Vorbereitung in Führungsentwicklungsprogrammen dient der Absicherung dieser Entscheidung
und bildet organisationale Autoritätsgrundlagen. Hat eine Person ihre
Vorgesetztenrolle erste einmal übernommen, würde jedoch eine
formal angeordnete „Nachschulung“ in Führungsentwicklungsprogrammen ihre Legitimität untergraben. Dies gilt umso mehr, umso
länger und umso hochrangiger der Vorgesetzte tätig ist. Unabhängig
davon, was selbst altgediente Vorgesetzte noch hinzu lernen könnten,
überwiegt der Legitimitätsverlust, wenn man von der Personalabteilung Entwicklungsdefizite attestiert bekäme. Entsprechend nimmt zur
verständnislosen Enttäuschung der Personalentwicklung die
Beteiligungsbereitschaft mit dem Rang und der Managementerfahrung
rapide ab:
„Wir haben durchaus mal ein Trainingsprogramm aufgesetzt für alle
Führungskräfte inklusive der höheren Ebenen: das funktioniert nicht so
besonders.“ (Hartmann, Medienanstalt 1)
Für Coaching stellt sich der Fall etwas anders dar, weil Coaching
eher auf der Hinterbühne der Organisation stattfindet (vgl. Kühl
2005a: 12):
„Aber diese Kurve, diese Alterskurve, der Manager über 40, der besucht
kaum noch Seminare, er hat schon alles gelernt und gerade für den ist
gerade das Coaching Thema besonders wichtig.“ (Schuster, Unternehmen 6)
Sofern die Maßnahme relativ inoffiziell gehalten werden kann, wird
die Beratung auch für hochrangige Vorgesetzte interessant. Aus den
Interviews lässt sich die These ableiten, dass umso höhere Ränge die
Coachees bekleiden, umso geheimer die Coachings werden. Bei den
Organisationsspitzen ist in der Regel nur wenigen und nur aus
informalen Quellen etwas bekannt, während die Formalisierung und
Offizialisierung über das mittlere bis zum unteren Management stetig
zunimmt. Auf niedrigeren Rängen und bei neuen Vorgesetzten kann
man noch ohne Legitimitätsverluste offiziell eingestehen, dass
137
Zur Beratungsmode Coaching
Analyse
Unterstützung in Form von Coaching gegeben wird. Für erfahrene und
hochrangige Vorgesetzte gilt dies nicht mehr.
Dass auf höheren Rängen auch und möglicherweise sogar häufiger
und dauerhafter gecoacht wird, als auf den unteren Rängen, kann als
Hinweis darauf gelesen werden, dass die Trennung von formaloffiziellem Bereich und informal-inoffiziellem Hinterbühnenbereich
mit der Ranghöhe an Bedeutung gewinnt. Dies stimmt mit der These
überein, dass „Personalentwicklung“ dann effektiv wird, wenn sie die
Person/Rolle-Differenz verstärkt. Zur Optionssteigerung von Führung
kommt es nur, wenn man situativ zwischen persönlich informaler und
rollenkonform-formaler Kommunikation wechseln kann. Wichtig ist
vor allem, dass man beide Bereiche gegeneinander getrennt halten
kann. Nur dann lässt sich damit opportunistisch jonglieren.
Autorität bezeichnet die Wahrscheinlichkeit der Annahme einer
Entscheidung ohne Rückfragen. Das kann sich aber als ungünstig
erweisen, sofern daraus Informationsmangel entsteht. Nehmen
aufgrund der zuerkannten Autorität von Führungskräften kritische
Stimmen immer mehr ab, werden damit der Organisation günstige
Gelegenheiten durch Beachtung weiterer Gesichtspunkte entzogen
(vgl. nicht unter dem Aspekt Autorität, sondern der Personalisierung
von Konflikten Kühl 2005a: 29). Die Sicherheit durch Autorität ist
zugleich die Unsicherheit, ob nicht andere relevante Perspektiven
missachtet wurden. Das Problem von Organisationsspitzen kann daher
in der Kritiklosigkeit ihrer Mitarbeiter liegen. Wie die autoritären
Könige der Schichtungsgesellschaft müssen sie vor „Schmeichlern“
(Kieserling 1999: 362) gewarnt werden. Die Gefahr entsteht dadurch,
dass ihnen wenig Zugang zur Ebene der Beobachtung zweiter
Ordnung gewährt wird. Der neue Minister kann zu lange darüber im
Unklaren bleiben, was die Ministerialbeamten eigentlich wirklich von
ihm halten, bis es zu eklatanten Fehleinschätzungen mit dann
politischen Folgen kommt. Der Papst kann ohne einen symmetrischen
Kontakt zu nachrangigen Stellen bzw. zur Basis Millionen Gläubige
vergraulen, weil sie sich nicht ausreichend beachtet fühlen. In jedem
Fall muss der Vorgesetzte mehr in einem scheinbar egalitären
Kommunikationsstil auftreten, um Einblick in diese Ebene der
Beobachtung zu erhalten.
Der gesellschaftliche Abbau von Autoritätswerten hat es ermöglicht, dass in Organisationen andere, nicht autoritäre Formen der
Entscheidungsfindung institutionalisiert wurden. Es ist wichtig darauf
138
Analyse
Zur Beratungsmode Coaching
hinzuweisen, dass es sich hierbei um „Inszenierungsformen von
Personalführung“ (Pongratz 2002) handelt. Wenn also jetzt
„partizipativ“ oder „kooperativ“ usw. geführt wird, muss das von den
Beteiligten nicht geglaubt werden, es reicht die dargestellte
Zustimmung bzw. die „Konsensfiktion“ (Schröder 2003) aus.
Allerdings müssen diese Inszenierungsformen nicht auf Interaktion
unter Anwesenden beschränkt sein. Es können auch verschriftlichte
Formen der egalitären Entscheidungsbeteiligung einen Mangel an
Autorität ausgleichen, wenn auch mündliche Kommunikation den
situativen Wechsel zwischen Formalität und Informalität erleichtert
und so den opportunistischen Einsatz von verschiedenen Führungsstilen befördert (vgl. Luhmann 1999: 286 ff.).
Zu diesen neuen Formen der Führung und Entscheidungsfindung
gehören im Prinzip alle Methoden, die ganz bewusst auf autoritäre
Entscheidung verzichten, z.B. Meetings, Workshops, Brainstorming,
Zielvereinbarung usw. Diese Methoden sollen die Ansprüche der
Organisation, der Führungskräfte und der Mitarbeiter möglichst
gleichberechtigt berücksichtigen. Offensichtlich wurde die neue
Legitimität symmetrischer Beziehungen sehr deutlich erlebt und man
wünschte sich nun, dass die Mitarbeiter das Gleiche wollen sollen,
was sich Organisationsspitzen wünschen. Nach wie vor besteht jedoch
der Unterschied, dass Organisationsspitzen hierarchisch Entscheidungen treffen können. Die Superstars der New Economy verdammten
Hierarchie zumindest rhetorisch völlig aus ihren Organisationen und
legitimierten dadurch finanziellen Vertrauensvorschuss in Millionenhöhe (Kühl 2003). Paradoxerweise führten die „Dezentralisierung“
und der „Abbau von Hierarchie“ zu noch stärkerer Zentralisierung und
Machtkonzentration an den Organisationsspitzen (Moldaschl 2001;
Kühl 2003). Die New Economy ist Geschichte und mit ihre der
Glaube an die hierarchielose Organisation. Symmetrische Beziehungen auf einer Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung haben sich
dagegen auch in hierarchischen Organisationen durchgesetzt.
139
Schlussfolgerungen
Die Funktionsweise von Coaching
III Schlussfolgerungen
8
Die Funktionsweise von Coaching
In diesem abschließenden Kapitel resultieren aus der bisherigen
Analyse einige Schlüsse und Zusammenfassungen. Der Mangel, über
keine Empirie von Coachinginteraktionen zu verfügen, trägt in diesem
Kapitel am schwersten. Es kann zwar aus einigen Passagen der
Experteninterviews rekonstruiert werden, wozu Coaching eingesetzt
und gegenüber anderen, funktional äquivalenten Methoden der
Personalentwicklung bevorzugt wird. Ob nun aber in der Coachinginteraktion selbst „situatives Führen“ den Verlauf anleitet (Kapitel 8.1)
oder ob die wichtigste Funktion stärker im Ventilieren persönlicher
Belastungen und in Rollendistanzierung liegt (Kapitel 8.4), kann aus
den Experteninterviews allein nicht ausreichend belegt werden. Die
Empirie der Coachinginteraktion ist eine verbleibende Forschungslücke, die künftigen Anstrengungen überlassen bleibt.
8.1
Bezugsproblem situatives Führen
Autoritäre Führung verliert an Bedeutung, insbesondere dann,
wenn sie in allen Führungssituationen ohne Alternativangebote
angewendet wird. Gefragt ist jetzt mehr ein situativer Führungsstil,
der sich nur noch bei günstigen Gelegenheiten autoritär zeigt. Einige
Merkmale von Coaching unterstreichen diesen Trend zum „Gelegenheitsführen“. Die oftmals bemängelte thematisch-sachliche Offenheit
von Coaching wird jetzt verständlich, weil man so situativ auftretende
Probleme bearbeiten kann, ohne den Themenbereich schon vorab
festgelegt zu haben. Es geht gerade nicht um die Schulung der einzig
richtigen Führungstechniken. Stattdessen muss man mehr Einfühlungsvermögen für die konkrete Situation aufbringen, ohne sich auf
generelle Regeln des richtigen Handelns verlassen zu können. Aus
dem Vorteil sachlicher Unbestimmtheit erklärt sich auch die
Heterogenität der Coachingpools:
„Na ja, wir haben auch so ein paar Spezialisten... er hier ist zum Beispiel
jemand, der ist ausschließlich spezialisiert auf Gesundheitsfragen. Aber
tatsächlich sehen Sie hier überwiegend so genannte Allzweckwaffen. Was
nicht heißt, dass wir nur Allzweckwaffen im Pool haben, aber jemand mit
141
Die Funktionsweise von Coaching
Schlussfolgerungen
einer sehr speziellen Fragestellung kommt natürlich seltener in Frage.“
(Becker, Coachinganbieter 2)
Wenn man sich stärker auf Situationen verlassen muss, dann kann
man auch nicht im Voraus wissen, wann es zu Problemen oder
Konflikten zwischen Führungskraft und Mitarbeitern kommt.
Coaching kann relativ kurzfristig eingesetzt werden und eignet sich
auch deshalb besser als Training. Die Beratung erfolgt situativ, wenn
sie nötig wird und kann ebenso schnell wieder beendet werden. Die
Dauer der gesamten Maßnahme wie die Zeitpunkte der einzelnen
Treffen richten sich nach der Problematik der Vorgesetztensituation
und nicht nach festgelegten Bildungsterminen:
„Wenn sie für 230.000 Leute regelmäßige Bildung oder Basisqualifikation und so weiter anbieten müssen, das ist schon nicht nur so ein kurzes
Reaktionsding, so macht mal. Anders als bei uns hier im Beratungsgeschäft. Das ist viel kurzfristiger. Da heißt es, hier ist das Problem, daran
wollen wir arbeiten, wie viele Leute habt ihr zur Verfügung, können wir
das mit Internen, müssen wir mit Externen, das ist ein anderes Geschäft.“
(Weber, Unternehmen 2)
Im Unterschied zu Trainings kann Coaching den „Seminareffekt“
vermeiden. Sofern im Coaching der individuelle Indifferenzbereich
herausgearbeitet wird, können Verhaltenslösungen erarbeitet werden,
die der Person des Vorgesetzten angemessen sind. Persönlichkeitsstrukturen müssen nicht zerstört werden, um die Person zu verändern,
sondern man kann herausfinden, welche Lösungen zur Person passen.
Den Aufwand einer „Gehirnwäsche“ kann man sich gerade dadurch
ersparen, weil man Personen nicht zielgerichtet entwickeln muss.
Vorgesetzte und Führungskräfte wirken nach solchen situativen
Maßnahmen nicht wie völlig ausgewechselt und versuchen nicht
plötzlich neue Techniken und Methoden der Mitarbeiterführung
durchzusetzen, die meistens weder zur Führungsperson noch zu den
Erwartungen der Mitarbeiter passen.
Für neue Vorgesetzte kann Coaching dann hilfreich sein, wenn es
eine für Anfänger typische Überidentifizierung mit der formalen Rolle
auflöst. Unerfahrene Vorgesetzte achten zu viel oder zu wenig auf die
symmetrischen Beziehungen neben der formalen Vorgesetztenrolle,
mit anderen Worten beherrschen sie die Differenz zwischen formalen
und informalen Chancen noch zu wenig. Einerseits verzichten
Vorgesetzte auf die Distanzierungsmöglichkeiten und ihren eigenen
142
Schlussfolgerungen
Die Funktionsweise von Coaching
Personschutz, wenn sie die Rückzugsmöglichkeit auf eine formale
Rolle zu wenig beachten und in Mitarbeiternähe und Informalität
versinken. In diesen Fällen wünscht man sich mehr „Klarheit“ und
weniger „Prosa“ von der Führungskraft:
„Und das ist ein Herr, der (…) letztendlich lernen muss, das kam sehr
deutlich heraus, sich abzugrenzen. Sich abzugrenzen, Nein zu sagen, klar
zu sein, und nicht in Kurven laufen und die Prosa ansetzen, wenn es
eigentlich um ganz klare Ansagen geht.“ (Fischer, Finanzdienstleister 1)
Andererseits verpassen Vorgesetzte viele Chancen opportunistischen Handelns, wenn sie sich auf ihre formale Vorgesetztenrolle
zurückziehen und dabei unnahbar und unverbindlich bleiben
(Luhmann 1999: 291). In solchen Fällen muss das Rollenverständnis
mehr in Richtung Offenheit, Mitarbeiternähe, Verbindlichkeit,
Schmeicheln und eines allgemeinen Taktierens korrigiert werden (vgl.
Luhmann 2000: 191; Kieserling 1999: 362), um die widersprüchlichen
Rollenanforderungen gewinnbringend zu integrieren:
„Und dann wird schon mal formuliert: ‚entschuldigen Sie’, in schönem
Deutsch (…) ‚Sie wirken als hätten Sie einen Kleiderbügel im Jackett’,
was dann meint, er soll einfach offener werden, ja, weil das ist ein
Knackepunkt in seiner Führungspersönlichkeit.“ (Neumann, Unternehmen 5)
Die Schwäche der Führungskraft im zitierten Fall liegt darin, dass
sie sich zu sehr hinter einer formalen Rollenauffassung verbirgt. Das
Problem ist nur, dass man nicht formal-offiziell zum Ausdruck
bringen kann, sie sollten ihre formalen Rollen weniger ernst nehmen.
Stattdessen muss man „in schönem Deutsch“ das Problem umschreiben in der Hoffnung, „the unspeakable“ (Hall et al. 1999: 41) werde
verstanden. Jedenfalls kann Führungsverhalten nicht formal
angeordnet werden. Das liefe auf eine paradoxe Aufforderung hinaus:
„Sei spontan, sei kreativ, sei informal“ (vgl. Watzlawick et al. 1974).
Die Vertraulichkeit und formale Folgenlosigkeit von Coaching nährt
aber immerhin die Hoffnung, dort „unter vier Augen“ (Looss 1997)
wenigstens ein bisschen nachhelfen zu können.
Zumindest erfahrene Coaches sind sich aber der engen Grenzen der
Veränderungsmöglichkeit erwachsener Personen bewusst, ohne den
Allmachtsphantasien der Coachingliteratur zu verfallen:
143
Die Funktionsweise von Coaching
Schlussfolgerungen
„Und wenn dann eine Führungskraft kommt und sagt: ‚hören Sie mal,
der ist so steif und der muss da mehr aus sich heraus, coachen Sie den
mal!’, dann schaue ich mir das gerne mal an und rede mit dem Betreffenden. Aber wenn ich dann feststelle, das passt ja überhaupt nicht, das
wäre ja die reinste Vergewaltigung, dann sage ich auch zum Vorgesetzten: ‚nein, so geht das nicht! Das ist besser, sie setzen den besser
woanders ein. Sie können aus dem nicht plötzlich einen Nähe-Typen
machen.’“ (Fischer, Finanzdienstleister 1)
Ebenso wenig trifft die Behauptung zu, beim Coaching werde die
„ganze Person“ miteinbezogen (Martens-Schmid 2005), denn
Veränderungsmöglichkeiten ergeben sich immer dort, wo persönliche
Indifferenz herrscht. Der Einbezug der „ganzen Person“ ist nur eine
Reaktion auf die Erkenntnis, dass sich analytische Personenmerkmale
nicht isoliert entwickeln lassen (Luhmann 2000: 287). Wer bestimmte
Personeneigenschaften verändern will, hat es deshalb immer mit der
ganzen Person zu tun. Genau daran aber scheitern die Bemühungen
und die Problemlage wird wie oben zitiert zu einer Versetzungsfrage,
also einer Frage des Personalmanagements. Bestenfalls handelt es sich
beim Coaching um Fragen der beruflichen Rolle, also um „Rollenberatung“ (Sievers 1991), was von einem Gatekeeper bestätigt wird:
„Ich bin jetzt 52 und ich bin dabei mich in dieser Jugendkultur (der
Organisation) neu aufzustellen. Das heißt, bei mir finden Veränderungsprozesse statt, die ich durch einen Coach begleite, also neue Definition
meiner eigenen beruflichen Rolle.“ (Schuster, Unternehmen 6)
In der Frage, wo man das Problem verortet, „in dieser Jugendkultur
(der Organisation)“ oder darin, dass der Gatekeeper „jetzt 52“ ist,
kommt die Personalisierung organisationaler Probleme nochmals
deutlich zum Ausdruck. Man sollte annehmen, dass das Alter der
Person kaum behandelt werden kann, nicht einmal im Coaching.
Veränderbar wären schon viel eher die Organisation und ihre
„Jugendkultur“. Wer sich auf Coaching einlässt, muss sich aber zuerst
selbst als problematisch bezichtigen.
So wie in dem Beispiel klar ist, dass die Organisationsstruktur
geschützt werden soll, das Alter aber ebenso wenig im Coaching zu
bearbeiten ist, so deutlich wird auch, dass die Lösung in der
Bearbeitung der beruflichen Rolle liegt. Ganz allgemein gilt, dass
schon gefestigte Personenstrukturen durch die wenigen Stunden der
Coachinginteraktion nicht verändert werden können, weil eine
144
Schlussfolgerungen
Die Funktionsweise von Coaching
Veränderung zuerst die Persönlichkeitsstrukturen zerstören müsste
(vgl. Luhmann 1975). Die Person stellt viel mehr das Negativ der
Entwicklungsmöglichkeiten dar. Nur dort, wo sich noch keine
Persönlichkeitsstrukturen gefestigt haben, kann neues Rollenverhalten
erlernt werden, können „neue Impulse“ verarbeitet werden40:
„Vorgesetzter, Endstufe gehobener Dienst, kam einmal auf mich zu mit
der Bitte, er hat einen schwierigen Mitarbeiter, wo er aus seiner Sicht im
Grunde alle seine Instrumentarien ausgeschöpft hat, die aber erfolglos
waren. (…), in dem Gespräch vielleicht neue Impulse zu bekommen. Wir
haben uns dann auch getroffen. Er hat mir seine Situation dargestellt.
Und was für mich auffällig war, er hat dem Mitarbeiter eigentlich noch
nie eine richtige Chance gegeben. Das, was er versucht hat, das war im
Grunde mit Zielvorgaben zu operieren, ihm genau zu sagen, was er zu
machen hat, hat da das Gefühl gehabt, da bring ich ihn auf meinen Kurs.
Es gab Kritikgespräche ohne Ende, aber es war immer der Versuch,
seine Art oder seine Sichtweise dem Mitarbeiter überzustülpen. Der
Mitarbeiter hat natürlich Reaktanz gezeigt und hat nie so gemacht, wie
der Chef bestimmte Vorgänge erwartet hat oder eben generell die
Zusammenarbeit aussehen könnte. In einem Gespräch habe ich ihm das
einmal gespiegelt und habe ihn einmal darauf aufmerksam gemacht, es
könnte ja sein, dass es allein in diesem Punkt liegt, dass du permanent
versuchst, dem anderen etwas überzustülpen. Hast du mit ihm schon mal
ein Gespräch geführt, was er eigentlich möchte? Und das war noch nicht
der Fall. Und mit diesem Impuls, auch einmal die andere Seite zu sehen,
ging er dann in den Prozess und der Prozess war erfolgreich.“ (Braun,
öffentliche Verwaltung 2)
In diesem längeren Zitat wird deutlich, dass „neue Impulse“ dann
Wirkung zeigen, wenn der Coachee gegenüber den Vorschlägen des
Coaches relativ indifferent ist und zugleich persönlich nach neuen
Möglichkeiten sucht. Die Person muss sich also nicht ändern, weil sie
selbst schon nach einer Veränderung sucht. Der Praktikerliteratur gilt
Veränderungsbereitschaft als wichtige Voraussetzung für Veränderungserfolg (vgl. Böning/Fritschle 2005: 285; Dehner 2004: 42;
Wasylyshyn 2003: 101). Der Tautologieverdacht liegt nahe und wäre
nur zu vermeiden, wenn man sagen könnte, woran man Verände40
Entsprechend vermeidet man auch in der Psychotherapie zunehmend die
Konfrontation mit bestehenden Persönlichkeitsstrukturen versucht sich stattdessen
mit „Ressourcenorientierte Psychotherapie“ (Fiedler 2004).
145
Die Funktionsweise von Coaching
Schlussfolgerungen
rungsbereitschaft sonst noch festmachen kann außer am Veränderungserfolg.
Das Problem im Führungsstil im obigen Fall wird darin gesehen,
dass der Vorgesetzte versucht, „dem anderen etwas überzustülpen“.
Im Coaching konnte die einfache Lösung erarbeitet werden, den
Mitarbeiter selbst zu Wort kommen zu lassen. Damit ist nicht gesagt,
dass sich die Erwartungen des Mitarbeiters durchsetzen. Formale
Folgen sind praktisch ausgeschlossen. Auch muss sich die Führungskraft nicht persönlich verändern. Aber das Coaching macht der
problematischen Führungskraft klar, dass sie nicht ohne Rücksicht auf
Beobachtungsleistung und Darstellungsinteressen des Mitarbeiters
führen kann. Auf einer der Entscheidung vorgeordneten Ebene sind
legitimerweise die Beobachtungen aller Beteiligten zu hören. Und auf
dieser Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung ist die Beziehung
symmetrisch. Das Problem wird mit einer Verfahrenstechnik gelöst.
Die Problemdarstellung aller beteiligten ist legitimerweise zu hören,
ohne dass man sagen könnte, ob sich deshalb schon andere, bessere
Entscheidungen ergeben. Mit einem juristischen Begriff könnte man
auch von „Prozeduralisierung“ (Ladeur 1992) sprechen.
Man muss sich in Erinnerung rufen, dass Führen nur selten als
Daueraufgabe auftritt. „Führen ist also (nur, A. T.) ein funktionales
Äquivalent zur Institutionalisierung von Normen“ (Luhmann 1999:
207). Das heißt dass Führen nur dann erforderlich ist, wenn die
zeitliche Generalisierung (Normen) des organisierten Handelns – und
das wird durch konditional und Zweckprogramme gewährleistet –
brüchig wird. Dass Organisation ohne verlässliche Programme
funktionieren muss, kommt zwar vor, ist aber nicht der Normalfall.
Sofern Coaching tatsächlich auf die Führungsproblematik bezogen ist,
kann es von daher nicht verwundern, dass es nur ebenso begrenzt
eingesetzt wird. Hierarchisch Vorgesetzter zu sein, ist eine dauerhafte
und institutionalisierte Rolle. Führen ist hingegen nur eine gelegentlich notwendige Aufgabe, die zudem nicht zwangsläufig dem
Vorgesetzten vorbehalten bleibt. Das Problem besteht wohl eher darin,
wenn man die Erwartung schürt, Vorgesetzte hätten in jedem Fall die
Führungsaufgabe an sich zu reißen. Vielleicht könnte Coaching
gerade in diesen Fällen die Rollenauffassung von Vorgesetzten
korrigieren.
Dass Vorgesetzte heute mehr als früher auf gesellschaftlich
subventionierte Autorität verzichten müssen, hat zu einer Optionsstei146
Schlussfolgerungen
Die Funktionsweise von Coaching
gerung legitimer Führungsstile und -techniken geführt. Insgesamt hat
sich der Schwerpunkt auf ein situatives Führen verlagert (Luhmann
2000: 324). Mehr denn je gilt es, günstige Gelegenheiten abzuwarten
und wahrzunehmen und mit ganz verschiedenen Führungsstilen zu
agieren. Hinzu kommt, dass situativ eben nicht nur Vorgesetzte,
sondern prinzipiell jeder Mitarbeiter führen kann. Coaching hat sich
diesen Anforderungen vergleichsweise gut angepasst. Aufgrund des
geringen Vorkommens von Coaching ist es jedoch nicht haltbar,
Coaching als Lösung des Problems situativen Führens einzuschätzen.
Das Verhältnis muss anders beschrieben werden. Coaching wurde
möglich, weil man sich nicht mehr auf gesellschaftlich subventionierte
Autorität mittels Bildung und Herkunft berufen kann. Führungskräfte
wurden wegen diesem Autoritätsverlust zu möglichen Beratungsobjekten. Man trifft die Sachlage besser, wenn man Coaching als
Beratung beschreibt, denn wie sonst auch löst Beratung nicht
Probleme, sondern bringt sie nur in Form, so dass man damit leben
kann.
8.2
Coaching und Organisationstypen
Aus der Argumentation, die Möglichkeit personenzentrierter
Beratung von Vorgesetzten auf den Verlust gesellschaftlich gestützter
Autorität zu beziehen, wird erklärbar, weshalb Coaching nicht in allen
Organisationstypen gleichermaßen zum Zuge kommt. Professionen
verfügen noch immer über einen vergleichsweise hohen gesellschaftlichen Status. Krankenhäuser, Kirchen, Gerichte, Schulen und
Einrichtungen der Sozialarbeit sind in ihrer hierarchischen Struktur
vergleichsweise stark an ihren zugehörigen Berufsgruppen und
Professionen orientiert. So gut wie kein Erzieher, sondern nur
akademische Sozialarbeiter werden Heimleiter; außer Theologen kann
in Kirchen praktisch niemand Führungsaufgaben übernehmen; ebenso
werden Krankenhäuser von Chefärzten und nicht von Krankenschwestern oder Pflegern geführt; Gerichte basieren besonders stark auf
professionalisierte Ausbildungsstufen. Öffentliche Verwaltung können
ihre Vorgesetzten schon relativ legitim als entwicklungs- und
beratungsbedürftig kennzeichnen, weil es trotz des Juristenüberhangs
keine formal zugeordnete Profession gibt. Der Zusammenhang von
hierarchischem Rang und Profession ist in Unternehmen vergleichsweise gering. Als Ingenieur kann man Sachbearbeiter oder
147
Die Funktionsweise von Coaching
Schlussfolgerungen
Konzernvorstand werden. Die Karrieren von Nichtakademikern sind
nicht nur denkbar, sie werden auch als besonders lobenswert
betrachtet. Das Ideal lautet: „vom Tellerwäscher zum Millionär“, aber
eben nicht zum Papst/Chefarzt/Richter. Unternehmen trifft das
Problem der multiplen Führungsstile besonders stark, weil Führungskräfte nur „primus inter pares“ sind (vgl. Walgenbach/Kieser 1995:
285). Wie lässt sich aber noch ein autoritärer Führungsstil rechtfertigen, wenn man nur der Erste unter Gleichen ist? Die Situation selbst
bestimmt darüber, welcher Führungsstil als legitim erachtet wird.
Generell kann man das nicht mehr sagen.
Anders als in Unternehmen ist in den meisten Organisationstypen
der Zusammenhang zwischen den hierarchischen Rängen und
Profession relativ hoch. Dies hat zur Konsequenz, dass es dort häufig
zu einer Art „Dilettantenverwaltung“ kommt. Dieser von Max Weber
(1921) eingeführte Begriff beschreibt das Problem anhand politischer
Staatsorganisation. Sofern Staatsorganisationen von wählbaren
Politikern verwaltet werden, handelt es sich zwangsläufig um eine
nicht professionell ausgeführte Verwaltungstätigkeit: „Denn
Parteinahme, Kampf, Leidenschaft – ira et studium – sind das Element
des Politikers“ (ebd.: 415). Der professionell handelnde Verwaltungsbeamte hingegen erfüllt seine Dienstpflicht nicht nach politischen
Opportunitäten, sondern nach technischen und fachlichen Gesichtspunkten sine ira et studium. Sofern es Professionen gelingt, ihre
„Closed-shop-Politik“ durchzusetzen, sind die Organisationsspitzen
somit von verwaltungsmäßigen Dilettanten besetzt. Fragen des
Personalmanagements und der Personalentwicklung gehören in den
Bereich der Verwaltungsaufgaben von Organisationen. Es verwundert
daher nicht, dass in von typspezifischen Professionen geführten
Organisationen professionsexterne Logiken, wie Verwaltungsfragen
und damit letztlich auch personenzentrierte Personalberatung weniger
stark berücksichtigt werden als in nicht „dilettantisch“ verwalteten
Organisationen. Diese letzteren sind vor allem Unternehmen und
politische Verwaltungen, weshalb man sich hier schneller etwa auf
Coaching eingelassen hat.
Recht langsam beginnt aber die Autorität von Professionen
nachzulassen (Stichweh 1996) und im Zuge dessen wird dann die
personenzentrierte Beratung ein Thema für professionalisierte
Organisationen. Für die Langsamkeit des Prozesses sprechen die
Schwierigkeiten überhaupt Kirchen, Krankenhäuser, Gerichte und
148
Schlussfolgerungen
Die Funktionsweise von Coaching
Sozialhilfeeinrichtungen zu finden, die Coaching systematisch
einsetzen. Die Autorität der Professionen, Arzt, Theologe, Richter und
mit Abstrichen Sozialarbeiter, macht Coaching in diesen Organisationen zum seltenen Phänomen. Personenzentrierte Beratung wird dort
noch kaum erwogen.
8.3
Erfolgssicherungen
Der große Erfolg von Coaching ist erklärungsbedürftig. Vor allem
bei den Ursachen des Erfolgs produziert die Modeliteratur ihre
eigenen Mythen und Fiktionen, die der Korrektur bedürfen. Als eine
der wichtigsten Erfolgsfaktoren wird die vertrauensvolle Beziehung
zwischen Coach und Coachee angesehen. Vertrauen spielt tatsächlich
eine entscheidende Rolle. Es handelt sich aber um das Vertrauen in
formale Folgenlosigkeit. Nur wenn Vertrauen darin aufgebaut werden
kann, dass das Benennen von Problemen, Schwierigkeiten, Versagen
usw. keine Folgen nach sich zieht, kann man das überhaupt
aussprechen. Und das gilt nicht nur für die Person, sondern auch für
die Organisation. Die Organisation lässt sich nur auf die Bearbeitung
von Problemen in Coaching ein, wenn garantiert ist, dass daraus keine
Änderungen verlangt werden können. Keine Organisation akzeptiert,
dass man Strukturänderungen durchsetzt, weil sich das im Coaching
so ergeben hat. Coaching wird nicht zur Entwicklung von Umstrukturierungsmaßnahmen eingesetzt, sondern zur Durchsetzung und
notfalls zur Folgenbearbeitung der Umstrukturierung. Und Coaching
soll wiederum die Folgen von Versetzung oder Beförderung
abmildern, soll sie aber nicht auslösen. Das relevante Vertrauensverhältnis besteht nicht zwischen Coach und Coachee, sondern zwischen
Coachee und Organisation. Der Vorgesetzte kann sich nur offenbaren,
wenn sie in der Beratungsinteraktion vor der Organisation geschützt
ist. Und die Organisation wird Coaching nur zulassen, wenn sie darauf
vertrauen kann, dass daraus keine formalen Forderungen nach
Versetzung/Beförderung, nach Umstrukturierung oder nach mehr
Kompetenzen abgeleitet werden können. Voraussetzung für diese
beiderseitige Garantie der Folgenlosigkeit ist, dass der Vorgesetzte
Probleme seines Rollenhandelns auf sich selbst als Person bezieht und
nicht etwa Widersprüche, Konflikte und Probleme der Organisation
thematisiert. Erst wenn sich der Vorgesetzte mit der Personalisierung
von Problemen einverstanden erklärt, bietet ihm die Organisation
149
Die Funktionsweise von Coaching
Schlussfolgerungen
Hilfe an. Wenn Coaching tatsächlich zu Verhaltenserleichterungen für
den Coachee führt, dann jedenfalls nicht durch die organisationale
Lösung der strukturellen Problemursachen.
Damit entzieht sich das Geschehen im Coaching der Kontrolle
durch die Organisation, weil man eben keine formalen Folgen daraus
ableiten will. Man will und kann dann nicht mehr kontrollieren, was in
den Coachings tatsächlich getrieben wird. Wird hart an den
personalisierten Problemen gearbeitet oder Psychotherapie gemacht
oder einfach nur Kaffee getrunken und gequatscht? Die Aufgabe, an
nicht formalisierbaren Führungsproblemen zu arbeiten, löst das
„Scharlatanerieproblem“ (Kühl 2005a) aus. Immer wieder wird die
Professionalisierung von Coaches herbeigewünscht, um dieses
Problem zu lösen. Übersehen wird dabei, dass Organisationen längst
eine effektive Lösung für dieses Problem institutionalisiert haben: in
mehr oder weniger aufwändigen Bewerbungsgesprächen bis hin zu
Assessmentcenter legt die Organisation die Rollenerwartungen an den
Coach fest. In den Interviews konnten keine Fälle erhoben werden, in
denen eine Organisation diese Professionalitätsprüfung einer externen
Stelle überlassen hätte. Selbst dann, wenn sich Coaches mit
Zertifikaten, Prüfzeugnissen und Auditierungsbefunden bewaffnet
bewerben, wird ihre Eignung in jeder Organisation nochmals geprüft,
wie der Vertreter einer Auditierungsstelle beklagt:
„Das hat zur Folge, dass unsere mühsam auditierten Coaches, wenn sie
coachen wollen, dort noch einmal durch die Interviewmühle durchmüssen.“ (Müller, Coachinganbieter 1)
Die Beteuerung von Personalentwicklern, sie wünschten eine
Professionalisierung von Coaches, um das Scharlatanerieproblem in
den Griff zu bekommen, übersieht, dass ihre eigene Bedeutung als
organisationsinterne Prüfstelle für Coaches von der mangelnden
Professionalität profitiert. Wie gut das Problem nicht qualifizierter
Coaches durch die Organisationen bereits gelöst ist, zeigt sich an den
Erfolgsquoten von Coaching in Organisationen. Alle interviewten
Organisationen bestätigen, dass es nur eine äußerst geringe Zahl von
misslungenen Coachings gegeben hat:
„Nachdem wir den Filter vorher setzen, nein, da gibt es kein Problem.
Die, die sich bei uns bewerben, ja. Da gibt es ein großes Scharlatanerieproblem.“ (Hoffmann, öffentliche Verwaltung 1)
150
Schlussfolgerungen
Die Funktionsweise von Coaching
Daraus ergibt sich die These, dass das Scharlatanerieproblem nicht
durch Professionalisierung gelöst werden muss, weil es schon
exzellent gelöst ist und zwar durch Organisation. Die Aufgabe von
Berufsverbänden läge dementsprechend mehr im Bereich von
Marketing für Mitglieder, Vernetzung und Interessenvertretung, nicht
in quasi redundanten Professionalisierungsbestrebungen.
Ein weiteres entscheidendes Erfolgskriterium für Coaching liegt in
der Interaktionsförmigkeit. Kommunikation unter Anwesenden ist
vergleichsweise konfliktscheu, weil aufgrund der Komplexitätsgrenzen die Interaktion im Konfliktfall droht, vollständig im Konflikt
aufzugehen (Kieserling 1999: 258). Die Komplexitätsarmut von
Interaktion unterstützt zudem die Vereinfachung von Vorgesetztenproblemen. Diese Probleme sind konstitutive Teile der Vorgesetztenrolle, sie können und sollen nicht gelöst werden. Coaching kann nur
unterstützen, die Probleme zu managen, also handhabbar zu machen.
Vereinfachung und Isolierung von Problemzusammenhängen ist ein
weiterer Schritt in diese Richtung. Zudem wirken Entscheidungen in
Interaktion befremdlich. Insofern ist es schon aufgrund der
Interaktionsform von Coaching unwahrscheinlich, dass daraus
organisationale Folgen in Form von Entscheidungen resultieren.
Die Personalentwicklung achtet auf eine gute Passung zwischen
Coach und Coachee. So ist es üblich, dass zwei, drei oder sogar mehr
Coaches für einen Coachee durch die Personalentwicklung
vorselektiert werden und in einem ersten Treffen die persönliche
Passung überprüft wird. Wer drei oder vier erfahrene Coaches ablehnt,
riskiert, dass die vorgebliche Inkompatibilität zwischen Coach und
Coachee zusehends dem Coachee selbst zugerechnet wird. Insofern
steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man sich schon bald für einen
Coach entscheidet, wenn nicht eklatante Gründe gegen die Person
sprechen. Wer sich aber selbst entschieden hat, bindet sich damit an
die Entscheidung. Eine nachträgliche Änderung der Entscheidung
resultiert in erheblichem Rechtfertigungsdruck und Inkonsistenzen der
Selbstdarstellung (vgl. Kühl 2005b). Die Gatekeeper konnten keine
konkreten Kriterien für die Auswahl und Passung von Coach und
Coachee angeben. Wahrscheinlicher erscheint daher, dass die
Selbstbindung durch freiwillige Entscheidung ein stärkerer Garant für
den Erfolg des Coachings darstellt als die Passung der Persönlichkeiten.
151
Die Funktionsweise von Coaching
Schlussfolgerungen
Dies gilt umso mehr, als die Persönlichkeit des Coaches weniger
relevant ist als deren Kompetenz, die Rollenerwartungen zu erfüllen.
Die Coaches, die sich schon durch ein Bewerbungsverfahren gebracht
haben, sollten inzwischen wissen, welchen Rollenerwartungen sie
genügen müssen und welche Erwartungen sie legitim ablehnen
können. Ähnliches gilt aber auch für die Rollenerwartungen an den
Coachee, die durch Aufklärungsarbeit in der Personalentwicklungsabteilung entsprechend angepasst werden. Spätestens in persönlichen
Gesprächen zur „Auftragsklärung“ erfahren „problematische“
Vorgesetzte, was sie vom Coaching erwarten können und was von
ihnen als Coachee erwartet wird. Mit der Offen- und Festlegung von
Erwartbarem und Rollendefinitionen lassen sich die Erfolgschancen
im Coaching maximieren. Hierzu ein Gatekeeper eines Verkehrsunternehmens:
„Und da glaube ich einfach, das je klarer man vorher auch mit dem
Coachee das Ziel bespricht und ihm auch sagt, was passieren kann und
was seine Rolle sein muss oder sein könnte und er damit d'accord ist,
desto weniger negative Erfahrungen gibt es.“ (Schäfer, Verkehrsunternehmen 1)
Wenn nach dieser Formalisierung der Erwartungen und Rollen das
Coaching scheitert, müssen sich Coach und Coachee den Misserfolg
möglicherweise selbst zurechnen, weil dann der Verdacht geäußert
werden kann, dass sie ihre Rollen nicht verstanden haben oder trotz
Aufklärung falsche Erwartungen in das Projekt gesetzt haben.
Die Beobachtung des Prozessverlaufs durch die Abteilung für
Personal- oder Führungskräfteentwicklung und in vielen Fällen auch
der Vorgesetzten des Coachees verstärkt zudem den Konsensdruck.
Dass Vorgesetzte über die Coachingmaßnahmen Bescheid wissen,
rührt schon allein von der generellen Sach- und Budgetverantwortung
für Personalentwicklungsmaßnahmen, die regelmäßig beim nächst
höheren Vorgesetzten liegt. Wie weit diese Vorgesetzten allerdings in
den Prozess involviert sind, wird in allen Fällen durch den Verantwortlichen in der Personalentwicklung kontrolliert. Die Informationen
für den Vorgesetzten beschränken sich meist auf das grob umrissene
Thema, das im Coaching bearbeitet werden soll, und auf die zeitlichen
Rahmendaten, also in welchem Zeitraum das Coaching stattfinden soll
und wie viele Einheiten vorgesehen sind.
152
Schlussfolgerungen
Die Funktionsweise von Coaching
Coaching ist in ein enges Netz von Kommunikationen zwischen
Vorgesetzten, Führungskraft, Personalentwicklung und Coach
eingespannt. Gewährleistet wird damit ein hohes Maß an Erwartungsklärung und Festlegung der Komplementärrollen von Coach und
Coachee. Durch diese Maßnahmen ist Coaching in Organisationen
relativ gut abgesichert gegen Erwartungsenttäuschung. Gestützt
werden die Erfolgschancen von Coaching zudem durch die freiwillige
Selbstverpflichtung von Coach und Coachee. Wer sich freiwillig
entschieden hat, kann schlecht die Verantwortung für Misserfolg
jemand anderem zuschreiben. Die Freiwilligkeit schützt so vor allem
die Personalentwicklung, weil Misserfolgsrückmeldung systembedingt unwahrscheinlich ist:
„Das Problem an der Stelle ist, wollen sie überhaupt. Der beste
Therapeut ist machtlos, wenn er einen Alkoholiker behandeln muss, der
selber nicht aufhören will zu trinken. Das kannst du knicken. Ein
Vorstand, die er nicht zusammenarbeiten will, das kannst du auch
knicken. Das Ergebnis ist aber: der Coach hat versagt.“ (Schuster,
Unternehmen 6)
8.4
Funktionale Äquivalente zu Coaching
Diese engmaschige Einbindung in organisationale Kommunikationsstrukturen kennzeichnet Coaching gegenüber älteren vergleichbaren Möglichkeiten aus. Coaching erfüllt eine Ventilfunktion für die
Zumutungen der Organisation gegenüber ihrem Personal. Unter
diesem Problemgesichtspunkt kann man die Suche nach funktionalen
Äquivalenten beginnen. Die Frage nach Vorläufern für Coaching
wurde auch den Interviewpartner gestellt. Als Antwort wurden
Gespräche mit Kollegen oder mit (Ehe-)Partner am häufigsten
angeführt.
Unzufriedenheit und persönliche Belastungen mit strukturellen
Organisationsproblemen können prinzipiell in jeder als informal
definierten Situation ventiliert werden. Allerdings finden auch
informale Kontakte unter den Bedingungen der Beobachtung zweiter
Ordnung statt. Klatsch, Lästern, Frust ablassen usw. muss immer
damit rechnen, wozu Adressaten und Zuhörer die Mitteilung (weniger
die darin enthaltene Information) formal verwenden könnten. Die
Ventilfunktion unter Kollegen wird also nur dann gelingen, wenn
153
Die Funktionsweise von Coaching
Schlussfolgerungen
ausreichend Vertrauen besteht. Aber selbst dann bleibt dieses
Vertrauen prekär, weil es nur informal erworben und gestützt ist. Man
kann sich nicht formal darauf berufen, dass man etwa Dissens mit der
formalen Organisation nur informal-vertraulich weitergegeben habe.
Das für Mitgliedschaft notwendige Einverständnis mit der formalen
Organisation kann derart inkonsistente Selbst-Darstellungen nicht
akzeptieren.
Unter diesem Gesichtspunkt werden auch die Nachteile von
Mentoringprogrammen (also die Beratung unerfahrener Mitglieder
durch erfahrene Vorgesetzte) gegenüber dem Coaching deutlich. Eine
Rolle mögen auch die professionelleren psychologischen Techniken
spielen, mit denen Coaches im Vergleich zu erfahrenen Vorgesetzten
(Mentoren) ausgestattete sein sollen. Diese These müsste aber in
jedem Einzelfall nachgeprüft werden. Der strukturelle Vorteil von
Coaching liegt in der Absonderung und allseits garantierten
Vertraulichkeit/Folgenlosigkeit der Coachinginteraktion. Hier können
Coachees ihr Nicht-Einverstandensein frei ausdrücken und können
noch auf einen verständnisvollen Zuhörer hoffen, der womöglich eine
Palette von Ratschlägen anbietet, mit der Problemlage zurechtzukommen. Dazu mag sogar gehören, die zugrundeliegenden
Strukturprobleme der Organisation herauszuarbeiten, falls überhaupt
soviel Zeit bleibt, nicht jedoch, Strukturänderungen zu planen. Das
Ergebnis der Experteninterviews jedenfalls ist, dass die Organisation
Coaching nicht als Planungskomitee zur Vorbereitung von
Strukturreformen einsetzt, sondern zur persönlichen Verarbeitung
(Eingewöhnung, Auskühlen nach Enttäuschungen usw.) der Folgen
von Strukturänderungen nutzt.
Auch Supervision, sofern sie – wie üblich – als Gruppenveranstaltung durchgeführt wird, kann die Vertraulichkeit und damit die
Ventilfunktion weniger gut erfüllen41. Zudem trägt die Supervision
noch stärker an ihrem geschichtlichen Erbe des „casework“, das nicht
nur Beratung, sondern auch fachliche Kontrolle (also die englischsprachige Bedeutung von „supervision“) der Arbeitsleistung durch
Vorgesetzte/Professionelle enthält (vgl. Belardi 1992b). Der Verdacht
der mitlaufenden fachlichen Kontrolle findet noch heute darin seine
Begründung, dass es obligatorische, fachspezifische Herkunftsberufe
41
Gleiches gilt unter dem Vertrauensaspekt auch für „Gruppencoaching“ und für
Training und Seminar.
154
Schlussfolgerungen
Die Funktionsweise von Coaching
für Supervisoren gibt (Psychologie/Pädagogik/Sozialpädagogik),
während man im Coaching darauf praktisch keinen Wert legt.
Führungserfahrung und – wie auch immer erworbene – psychologische Methodenfertigkeit reichen und selbst hier werden im Einzelfall
noch erhebliche Abstriche berichtet42. Der Kontrollaspekt stört aber
die Ventilfunktion und folglich auch die Möglichkeit des Aufbaus von
Rollendistanz.
Gegenüber privater, außerhalb der Organisation stattfindender
Ventilierung organisationaler Strukturbelastungen bietet Coaching ein
unvergleichlich höheres Maß an Kontrollmöglichkeiten. Das
aufwändige Auswahlverfahren legt die Rollenerwartungen an den
Coach fest. Über das Privileg der Mitgliedschaft im Coachingpool und
über tatsächlich erfolgte oder vorenthaltene Coachingaufträge gelingt
die dauerhafte Verhaltensdisziplinierung der Coaches nach Maßgabe
der Organisation. Jedem Coach muss im Verlauf der Auswahl für den
Coachingpool und später noch mal konkret bei den so genannten
Auftragsklärungsgesprächen klar werden, welche beabsichtigten
Folgen ein Coaching für die Organisation produzieren darf und was in
der vertraulichen Verschwiegenheit der Coachinginteraktion versinkt.
Hinzu kommt, dass der Coachingprozess jederzeit durch die
Organisation gestoppt werden kann, sobald sich unbeabsichtigte und
ungewollte Nebenfolgen einstellen. Nach Abschluss obliegt es der
Personalentwicklung, ob sie das Coaching rückwirkend bewertet oder
stillschweigend dem organisationalen Vergessen überlässt. Erfolgsund Misserfolgszurechnungen liegen ebenfalls in der Verantwortung
der Organisation/Personalentwicklung und können weitgehend
opportunistisch erfolgen (vgl. 8.5 Evaluation von Coaching). Auf all
diese Interventions-, Kontroll- und Attributionskompetenzen muss die
Organisation im Falle privater Beratung mit Freunden und Partnern
weitgehend verzichten. Gerade wenn man die Entlastungsfunktionen
des Ventilierens und der Rollendistanz systematisch nutzen möchte,
bietet sich Coaching gegenüber der privaten Überlassung an.
Auch wenn hier die Ventil- und Rollendistanzfunktionen von
Coaching mangels Empirie nicht auch für Coachinginteraktionen
42
Das sind natürlich schlechte Nachrichten für Professionalisierungsapologeten im
Coaching. Zum Unverständnis selbst von Gatekeepern coachen bisweilen selbst
„gelernte Schreiner“ oder „Tennislehrer“ erfolgreich sogar bis in Organisationsspitzen.
155
Die Funktionsweise von Coaching
Schlussfolgerungen
nachgewiesen, sondern nur angenommen werden können, so gelten
doch die genannten strukturellen Vorteile von Coaching. Mit keinem
hier beleuchtetem funktionalen Äquivalent von Coaching behält die
Organisation so umfangreiche Kontrolle über Folgen und Nebenfolgen, maximiert zugleich Vertraulichkeit – und damit die Voraussetzung des Ventilierens und der Rollendistanzierung – und vermeidet
den Eindruck von Leistungskontrolle.
8.5
Evaluation von Coaching
Glaubwürdige Evaluation von Coaching wie generell von Personalentwicklung (Seeber 2000) ist bislang weitgehend ausgeblieben.
Man kann, wie in der Praktikerliteratur (z.B. Böning/Fritschle 2005:
279 ff.; Kuenzli 2005; Jansen et al. 2003; Wasylyshyn 2003; KampaKokesch/White 2002; McGovern et al. 2001) und in den Interviews
zum Ausdruck kommt, darin eine nachzuholende Aufgabe für die
Zukunft sehen:
„Also wenn ich zwei Monate Zeit hätte, dann würde ich mir intensiv um
die Wirkungen Gedanken machen, also die Wirkungen von Coaching.
Einfach auch mal in Form von Evaluation hinzuschauen, ob es wirklich
in jedem Fall, die Wirkungen hat, die man sich verspricht.“ (Hoffmann,
öffentliche Verwaltung 1)
„Also ich würde auch mehr im Bereich Evaluierung arbeiten. Woran
erkennet man oder idealerweise, wie kann man im Vorfeld erkennen, dass
dieser Prozess erfolgreich verlaufen wird, um dann für Weichen zu
stellen. Bei uns läuft die Evaluierung bisher so ab, dass wir mit den
Kollegen quasi Mittagessen gehen und sagen, haben sie ein gutes Gefühl,
läuft es gut, sind Sie zufrieden, merken Sie, das sich etwas verändert im
Verhalten. Oder wir fragen dann auch mal die Mitarbeiter, ob sich an
dem Verhalten ihres Chefs etwas verändert hat, aber das ist sehr
unsystematisch. Das liegt sicherlich auch daran, dass wir mit vielen
Leuten wenig Man- und Womanpower haben insgesamt das ganze Thema
Evaluierung, das bezieht sich nicht auf Coaching, sondern auch auf das
ganze Seminargeschäft, systematisch zu machen. Ich denke, die Messbarkeit von Erfolg oder die Erfolgskriterien zu hinterfragen, das fände ich
sehr spannend.“ (Wolf, Finanzdienstleister 2)
In bislang verfügbaren Studien wird der Effekt von Coaching
sagenhaft hoch eingeschätzt (z.B. bei McGovern et al. 2001 mit einem
156
Schlussfolgerungen
Die Funktionsweise von Coaching
Return on Investment von 545%; oder Anderson 2001 mit bis zu
788%43), so dass sich die Frage stellt, warum Organisationen und vor
allem Unternehmen längst nichts anderes mehr machen als Coaching.
Tatsächlich dürfte es sich aber um methodische Artefakte handeln,
wie sie in der Beratungsszene häufig produziert werden (vgl. Kühl
2002b: 105 ff.). Sie müssen aus ihrer Marketingzielsetzung heraus
verstanden und ansonsten ignoriert werden.
Wenn man sieht, dass Coaching schon seit 15 bis 20 Jahren (vgl.
Böning/Fritschle 2005: 27) ohne Evaluation eingesetzt wird, muss
man zugeben, dass eine Evaluation bislang nicht notwendig war. Der
Vorteil, wenn man auf Evaluation verzichtet, besteht darin, dass man
sich sehr viel von dieser Form der Personalentwicklung erwarten
kann. Eine These könnte vermuten, dass Maßnahmen der Personalentwicklung wie Coaching, die sich auf den „Verhaltensbereich“
richten, sich ohnehin einer systematischen Evaluation entziehen.
Erklärt werden kann das aus der mangelnden Formalisierbarkeit von
Inhalten. Die persönlichen und personalisierten Probleme, die im
Coaching bearbeitet werden sollen, zeitigen im Erfolgsfall ausschließlich informale Folgen. Die Formalisierung von Konflikten und
Defiziten soll durch Coaching gerade vermieden werden. Hat man
sich ohnehin schon für formale Konsequenzen, z.B. Versetzung,
Entlassung, Umstrukturierung usw., entschlossen, muss man nicht
mehr an persönlichen Problemen laborieren. Daher können
beispielsweise Coaching und Outplacement sehr gut gegeneinander
differenziert werden, obwohl beide personenzentrierte Beratungsdienstleistungen bezeichnen. Coaching soll Strukturentscheidungen
verhindern, Outplacement behandelt die Folgen solcher Entscheidungen:
„im Rahmen der Gesamtperspektive Personalentwicklung im Personalmanagement sind das schon die gleichen Kunden. Oftmals, nicht
unbedingt. Aber im Coaching begleitet man die Klienten, während sie im
Unternehmen sind und auch möglichst lange bleiben sollten, während
beim Outplacement geht es ja rein um den Trennungsprozess.“ (Müller,
Coachinganbieter 1)
43
Notabene für den Beratungsnehmer und nicht für den Coach!
157
Die Funktionsweise von Coaching
Schlussfolgerungen
Immer wieder wird betont, dass Coaching nur unter Bedingungen
von Vertrauen und von Vertraulichkeit funktionieren könne. Die
Funktion der Vertraulichkeit besteht, wie schon gezeigt, im
Strukturschutz der Organisation. Auf die Frage, was die Evaluation
von Coaching so schwierig mache, antwortet ein Gatekeeper:
„Vertraulichkeit, also eine Hauptgeschichte ist, Coaching funktioniert
nur, wenn wirklich eine Vertraulichkeit zwischen Coach und Coachee da
ist. Das heißt es verbietet sich, von außen da rein zu leuchten, es verbietet
sich, in die Inhalte rein zu leuchten.“ (Schneider, Beratungsunternehmen)
Das Vertrauen zwischen Coach und Coachee äußert sich dadurch,
dass die Organisation nicht „von außen da rein (…) leuchtet“.
Unabhängig davon, wie die Evaluationschancen eingeschätzt
werden, kann die Evaluation aus dieser Perspektive nicht empfohlen
werden44. Der Bedarf der Evaluation entspringt mehr dem Bedürfnis
der Personalentwickler nach gleichrangiger Anerkennung in der
zahlengestählten Wirklichkeit von Unternehmen. Für die Möglichkeit
der persönlichen und informalen Wirksamkeit von Coaching dürfte sie
eher abträglich sein.
8.6
Die Instrumentalisierung von Coaching
Die Evaluation von Coaching ist nur ein Aspekt der Formalisierung. Schon allein dass Coachingsysteme institutionalisiert sind, ist
Ausdruck für die formale Strukturierung. Sobald man aber Coaching
in formale Strukturen gießt, tritt eine informale Beobachtung zweiter
Ordnung in Kraft, die die Beratung als strategisch nutzbares Element
einstuft. Der Instrumentalisierungsverdacht trifft ganz generell alle
formalen Strukturen der Organisation. Man kann sich an Regeln
halten, weil man sie akzeptiert, aber auch weil man sich dahinter
verstecken will. Umgekehrt kann man Regeln brechen, weil man sie
für veraltet hält oder weil man damit Eigeninitiative signalisieren will.
44
Einer der Altvorderen der Organisationsberatung Edgar H. Schein hält Evaluation
gar für eine „ korrumpierende Kraft“, weil damit eine unangemessene Komplexitätsreduktion einhergehe: „Dies bedeutete, daß die Dinge meßbar sein mußten, d.h.
wir mußten komplexe Ideen und Konzepte auf meßbaren Variablen reduzieren“
(Schein 1990: 413).
158
Schlussfolgerungen
Die Funktionsweise von Coaching
Was die wirkliche Absicht war, kann man praktisch nicht wissen.
Stattdessen lohnt es, sich auf die Möglichkeit der Instrumentalisierung
einzustellen und formale Strukturen immer noch mal aus taktischer
Perspektive zu beobachten. Entsprechend sind auch die Maßnahmen
der Personalentwicklung zum taktischen Einsatz freigegeben.
Mitarbeitergespräche, Führungsgespräche, Assessmentcenter, 360°Feedbacks, Coaching können immer naiv ernst genommen werden
oder noch mal darauf hin geprüft werden, welche Wirkung man damit
in der Organisation erreichen kann, wenn man teilnimmt, wenn man
sich dafür bewirbt, wenn man das verhindert usw. Sobald Coaching
formale Folgen hervorruft, etwa für Beurteilung oder Beförderung,
lässt sich die Instrumentalisierung nicht mehr verhindern. Coaching ist
dann nicht mehr „nur als Zweck, sondern immer auch als Mittel zu
behandeln“ (Kieserling 1999: 362). Coaching für einen guten Zweck
der Führungskräfteentwicklung kann mit anderen Worten nur
gelingen, wenn es keine formalen Folgen nach sich zieht. Andernfalls
relativiert sich der Zweck zugunsten von taktischen Erwägungen.
Gatekeeper bestätigen, dass es zu einer Beobachtung zweiter Ordnung
kommt, dass man also nicht nur beobachtet, welche Effekte Coaching
hat, sondern auch ob und wie man es instrumentell einsetzen kann:
„die schwierigen Fälle beim Coaching sind: Mitarbeiter kommt und wird
eigentlich vom Vorgesetzten gemobbt. Der Vorgesetzte will ihn eigentlich
los haben, Mitarbeiter findet keine neue Position so schnell im Unternehmen, hat totalen Druck, will Unterstützung haben. Von der anderen
Seite habe ich es genauso häufig oder häufiger: die Führungskraft ruft an
und will, dass ein Mitarbeiter gecoacht wird. Der Auftrag ist eigentlich:
‚erziehe mir den mal eben, der passt mir so nicht!’ Manchmal steckt da
dahinter, man will den Mitarbeiter schon loswerden, findet im Moment
keine andere Verwendung für Leute mit unbefristeten Verträgen, er findet
keine andere Verwendung. Und das sind die richtig schwierigen Fälle.“
(Schneider, Beratungsunternehmen)
Sehr deutlich wird in dem Zitat, wie Coaching die Personalisierung
von Konflikten unterstützt. Man kann jetzt formulieren, dass
Mitarbeiter ein persönliches Problem hätten, das in einem Coaching,
ohne weitere Wellen zu schlagen, bearbeitet werden soll. Gleichzeitig
ist der tatsächliche oder vermeintliche persönliche Entwicklungsbedarf weitgehend irrelevant. Wichtig ist nur, dass damit eine Eskalation
des Konflikts vermieden werden kann. In einem weiteren Fall wurde
ein Coaching vereinbart, obwohl allen Beteiligten, übergeordnete
159
Die Funktionsweise von Coaching
Schlussfolgerungen
Führungskraft, Coachee, Coach und Personalabteilung bewusst war,
dass es sich um eine taktische und nicht um eine inhaltliche
Maßnahme handelte. Der Personalentwickler berichtet:
„mein Rat lautet: ’Nehmen Sie das Angebot ihrer Führungskraft an und
machen Sie eine Erfolgsstory für sich daraus. Vereinbaren Sie mit Ihrer
Führungskraft und mit Ihrer Regionalleiterin die Terms of Reference und
lassen Sie sich dann später von Ihrer neuen Führungskraft bestätigen,
dass Sie das alles in vollem Umfang erfüllen. Mit diesem Führungswechsel haben Sie eine riesige Chance.’ Und dann war sie nicht nur bereitwillig und hat dieses Coaching gemacht, sondern sie hat es mit sehr gutem
Erfolg gemacht. Weil da sind Auftraggeber und Abnehmer der Leistung
zwei verschiedene Personen. Und sie wird sich dem Neuen gegenüber
gleich so positionieren, weil sie ihn braucht für eine positive Beurteilung,
so dass die Erfolgsgeschichte quasi schon gebahnt ist, weil sie will einen
Erfolg darstellen und geht dann schon auf die neue Führungskraft anders
zu. Das habe ich dann mit dem Coach besprochen und der meinte dann,
so ließe sich das hinkriegen.“ (Schneider, Beratungsunternehmen)
Man mag darin Einzelfälle sehen und solche Instrumentalisierung
empört von sich weisen. Die These hier lautet aber, dass sich die
Beobachtung zweiter Ordnung, also die Frage, wie andere etwas
beobachten und wie man deshalb etwas daraufhin opportunistisch
einsetzen kann, in formaler Organisation nicht vermeiden lässt. Und
auf dieser Ebene der Beobachtung von Beobachtung sind die
Beziehungen in Organisationen neben der formalen Hierarchie
symmetrisch. So muss man immer mit beobachten, wer und wozu
Coaching eingesetzt wird, ob es sich lohnt, das Spiel mitzuspielen
oder ob man Coaching legitim ablehnen kann. Der Rechtfertigungsdruck für Vorgesetzte, die sich für nicht beratungs- und entwicklungsbedürftig halten, scheint jedenfalls zuzunehmen. Selbst wenn
Coaching nicht formal verordnet wird, so kann es jetzt doch mit
„feiner Formulierung“ dringend empfohlen werden:
„So, wie Coaching manchmal ein Bonbon ist, wo man sagt: ‚das ist mein
Talent, ich spendiere Dir ein Coaching, weil du so toll bist’, wird es hier
als Strafmaßnahme genutzt. (…) Und die Formulierung, das habe ich
jetzt auch daraus gelernt, die feine Formulierung für solche vergifteten
Aufträge ist: der Mitarbeiter reflektiert die Diskrepanz zwischen seinem
Selbstbild und dem Fremdbild ... Also wenn ich solche Formulierungen
lese, dann lache ich schon immer“ (Schneider, Beratungsunternehmen)
160
Schlussfolgerungen
Die Funktionsweise von Coaching
Selbst wenn Coaching nichts von dem halten würde, was es
verspricht, könnte sich mit dieser Instrumentalisierung sein Einsatz
dennoch lohnen.
8.7
Personalisierung, Strukturschutz und Mode
Die „Quadratur des Kreises“ der Personalentwicklung, die darin
besteht, nicht formalisierbares Verhalten in formalen Maßnahmen zu
entwickeln, wird auch im Coaching nicht gelingen. Zwar können hier
die Voraussetzungen für Informalität, Freiwilligkeit, formale
Folgenlosigkeit und Vertraulichkeit in einem hohen Maß erfüllt
werden und zwar in beide Richtungen, sowohl für die Person als auch
für die Organisation. Gleichzeitig geht der Organisation respektive der
Personalentwicklung damit aber der Einblick in die tatsächlichen
Abläufe verloren. Insbesondere lassen sich etwaige Erfolge aufgrund
der mangelnden Formalisierbarkeit bzw. formalen Folgenlosigkeit
nicht nachweisen.
Wenn Personalentwicklung auf dieser informalen Ebene der
Organisation tätig sein will, muss sie im Grunde auf der Ebene des
Klatsches operieren. Dass hier ein Scharlatanerieproblem vorliegt,
versteht sich fast von selbst. Selbstverständlich erfüllt auch Klatsch
eine Funktion in Organisationen, Informationen werden verteilt und
zurückgehalten; es besteht die Möglichkeit, Personen ohne formale
Entscheidungen auszuschalten (Mobbing); Entscheidungen werden
vorbereitet oder verhindert; Einfluss- und Kontaktnetze werden
geknüpft usw. Das Problem ist immer nur, dass man nicht entscheiden, geschweige denn steuern kann, was in diesen Bereichen
geschieht. Der Sinn dieser unentschiedenen Operationen und
Strukturen, die man auch als Organisationskultur bezeichnen kann
(Luhmann 2000: 239 ff.), besteht gerade darin, dass sie sich nicht wie
Entscheidungen der Frage von Annahme oder Ablehnung aussetzen.
In diesem Sinne ist Organisationskultur ein funktionales Äquivalent zu
Autorität, weil beides ein Nachfragen verhindert. Im Fall der Autorität
verhindert das vermutete umfangreiche Wissen des Entscheiders die
Nachfrage, im Falle von Organisationskultur entfällt die Nachfrage,
weil kein Entscheider sichtbar ist, sondern nur ein diffuses „das macht
man bei uns eben so“. Das Problem liegt darin, dass es sich um
Kommunikation von Werten handelt, die nicht direkt mitgeteilt
werden. Die Kommunikation auf dieser Wertebene verfährt aber so,
161
Die Funktionsweise von Coaching
Schlussfolgerungen
als ob die Werte gelten würden. Wer die Werte in Frage stellt oder
durch andere Unternehmenswerte oder -philosophien ersetzen will,
stellt sie zur Diskussion und desavouiert dadurch ihre Geltung. Wer
sich explizit zu einem Wert bekennt, stellt ihn damit zur Disposition.
Wie man diesen Bereich aber systematisch bearbeiten kann, ist bislang
ein ungelöstes Rätsel45.
Sofern man Coaching überhaupt eine Funktion zuordnen will, man
also einen Beitrag zur Unsicherheitsabsorption feststellen kann, dann
steht an erster Stelle sicherlich der Strukturschutz der Organisation.
Das Coaching selbst soll formale Entscheidungen in Konflikt- und
Problemfällen verhindern. Eine relevante Entscheidung geschieht nur
vor dem Beginn zum Coaching. Dort müssen Vorgesetzte sich
„freiwillig“ dafür entscheiden, Probleme der organisationalen
Führungsrolle als ihre eigenen persönlichen Probleme aufzufassen.
Der Deal zwischen Organisation und Person lautet pointiert: „Wenn
Du versprichst, unsere Probleme als die Deinen zu betrachten, helfen
wir Dir gerne in der Bearbeitung!“ Der Beitrag zur Unsicherheitsabsorption wird durch die Entscheidung geleistet, dass man organisationale Konflikte und Probleme Personen zuschreibt. Sie können dann in
einem Spezialsystem Coaching bearbeitet werden unter Annahme,
dass die Probleme zu keinen weiteren Entscheidungen führen. Die
Unsicherheitsabsorption ist schon vor dem Coaching mit der
Einwilligung des Coachees vollzogen.
Die Personalisierung von organisationalen Problemen ist aber keine
neue Erscheinung. Schon immer wurden Personen als das Grundgerüst von Organisationen erlebt. Erklärt werden kann dies aus der
Paradoxie des Entscheidens, die dadurch unsichtbar gemacht wird,
dass man die Entscheidung einem Entscheider zurechnet (Luhmann
2000: 136). Personalisierung organisationalen Handelns gehört mithin
zur Grundausstattung von Organisationen. Dafür brauchte man weder
Personalentwicklung noch Coaching. Das Verhältnis von Personalisierung und Personalentwicklung respektive Coaching ist genau anders
herum zu erklären: Personalentwicklung parasitiert an der
Personalisierung von Problemen und Coaching führt dies weiter
speziell für Vorgesetzte und Führungskräfte.
45
Einen neuen Anlauf wagen Bolte/Porschen 2006, die das „Informelle“
organisieren wollen, ohne es dem „Zugriff der Organisation dienstbar zu machen“.
162
Schlussfolgerungen
Die Funktionsweise von Coaching
Wer entscheidet, wird verantwortlich gemacht. Insofern Vorgesetzte mit steigender Ranghöhe bedeutendere Entscheidungen treffen,
werden sie in größerem Umfang verantwortlich gemacht. Wenn die
Firma Bankrott geht, ist selbstverständlich die Spitze schuld. Dafür
hat man die Spitze eingesetzt, auch wenn man oft nicht mehr sagen
kann, welche (falsche) Entscheidung der Spitze zu welchem Ergebnis
geführt hat und wie das hätte besser gemacht werden können. Die
Vorgesetztenrolle und die Führungsaufgabe waren daher schon immer
besonders verantwortungsvoll, widersprüchlich und problematisch.
Das hat sich durch Coaching nicht geändert und auch nicht durch
„Globalisierung“, von der im Übrigen schon Marx zu berichten wusste
(Marx/Engels 1969: 45 f.), obwohl ihm freilich noch nicht dieses
modische Wort zur Verfügung stand.
Die besondere Bedeutung von Coaching liegt darin, dass es eine
veränderte Vorgesetztenrolle indiziert. Insofern handelt es sich nicht
nur um eine Modeerscheinung, wenn auch der Begriff selbst modische
Verwendung findet. Der Printmedienindex zu Coaching weist
immerhin auf eine relative Langlebigkeit hin im Vergleich zu
Managementmoden wie „lean management“ (vgl. Benders/Van
Bijsterveld 2000: 55). Mit den interviewten Experten kann man
vermuten, dass es sich beim Coaching in Organisationen als
personenzentrierte Beratungsmethode um eine relativ dauerhafte
Institution handelt:
„Also unsere Fantasie ist es schon, dass es nicht nur ein getrenntes,
sondern dass es ein fester Bestandteil im Bereich Personalentwicklung
wird und zwar mit einem sehr starken Anteil.“ (Müller, Coachinganbieter
1)
Ihr kommt in Organisationen derzeit nicht die Zentralität in der
Führungskräfteentwicklung zu, wie sich aus der Fülle der Praktikerliteratur schließen ließe. Coaching findet eher auf den Hinterbühnen der
Organisation statt (vgl. Kühl 2005a). Das öffentliche Interesse
gemessen an der Publikationsdichte ist zwar in den letzten Jahren
drastisch angewachsen. Dennoch lässt sich daraus nicht unbedingt auf
eine Mode schließen. Die Gatekeeper nehmen zwar sehr deutlich
wahr, dass es sich um ein modisches Wort handelt, sie sind aber davon
überzeugt, dass die personenzentrierte Beratung eine bleibende
Erscheinung ist.
163
Die Funktionsweise von Coaching
Schlussfolgerungen
Die Modefrage kann man mit einem Gatekeeper daher so beantworten:
„Ja, die Begriffe ändern sich, aber die Tätigkeit ist gleich geblieben. Ich
mache jetzt seit 20 Jahren Weiterbildung und vor 20 Jahren da hat das
nicht Coaching geheißen, sondern da hat es halt Einzelberatung
geheißen, oder Supervision hatte es geheißen. Dann war die Supervision
mal wieder zu häufig im Sprachgebrauch, dann haben wir plötzlich
Intervision gesagt. Bis wir mal wieder einen anderen Begriff einführen
und nicht mehr wissen was das ist. Die Begrifflichkeit ändern sich, aber
dass wir Leute haben, die mit unseren Führungskräften oder wie auch
immer reden und an persönlichen Themenstellungen arbeiten, das ist
uralt. Also ich kenne das nicht anders (…). Ich kenne nur einen gewissen
Wandel. Also wenn man einmal 20 Jahre zurückblicken würde, dann hat
sich das ein Stück weit normalisiert, also dass man jetzt er offener
darüber redet. Aber ich würde jetzt nicht sagen, dass das früher nicht
offen war, aber nur wenige haben halt darüber geredet, nur wenige
haben das überhaupt gewusst.“ (Bauer, Unternehmen)
164
Anhang
Interviewleitfaden
Anhang
A. Interviewleitfaden
1.
Branche, Organisation und Person
- Kurze Beschreibung der Branche: Art, Üblichkeit von Coaching,
Coaching als Mode?
- Kurze Beschreibung der Organisation: Größe, Art
- Kurze Beschreibung der Abteilung: Einbindung in die Organisation,
Größe, Art
- Kurze Beschreibung Ihrer Stelle in der Organisation, mit Aufgaben,
kommunikativer Einbindung (Hierarchie) und persönlicher
Qualifikation
- Was interessiert Sie persönlich am Coaching?
- Nutzen Sie selbst Coaching?
- Nutzen Sie Coaching zur Lebensberatung, Karriereplanung,
berufliche Probleme zu lösen?
- Sind diese Probleme eher kurzfristiger oder langfristiger Art?
- Sind die Probleme rein aufgabenbezogen, konkret oder eher
abstrakt?
- Wie gestaltet sich die Beziehung zum Coach?
2.
Allgemeines
- Welches Problem soll über Coaching gelöst werden?
- Ist das eine relativ neues Problem oder ein schon immer
existierendes Problem?
- Welche Funktion erfüllt das Coaching für das Unternehmen?
- Gibt es Coaching auch als „Goody“?
- Welche Bedeutung hat das Thema Coaching im Rahmen der
Personalentwicklung ihrer Firma?
- Welches Volumen haben die Coaching Beratungen in Ihrem
Unternehmen?
- In welcher Form wurden die personenbezogenen Beratungsleistungen erbracht, als es noch „kein Coaching“ gab?
- Wie erklären Sie den wachsenden Bedarf von Coaching?
165
Interviewleitfaden
Anhang
- Welche Rollen spielt ein wachsender Problemdruck bei der
zusätzlichen Nachfrage nach Coaches?
- Welche Rolle spielt, dass es allgemein en vogue ist, Coaches in
Unternehmen zu bringen?
3.
Institutionalisierung
- Von wem geht die Initiative für ein Coaching aus? Von der
Führungskraft oder von den zuständigen Abteilungen oder
Institutionalisierung im Rahmen von Jahresend-Gesprächen?
- Wie setzt sich der Pool der Coaches zusammen?
- Gibt eine Beratung darüber, wie Coaches ausgewählt werden sollen?
- Welche Rolle spielen Berufsverbände bei dieser Beratung?
- Wie wird der Erfolg einer Coachingmaßnahme evaluiert?
4.
Auswahl der Coachees
- Wie wird der Bedarf an Coaching festgestellt?
- Wer hat prinzipiell Zugang zum Coaching?
- Muss der Coachee seinen Bedarf und den Nutzen an Beratung selbst
rechtfertigen?
- Gibt es ein „Recht“ auf Coaching oder ist Coaching eher eine
Zusatzleistung der Organisation zu einer Stelle?
- Müssen sich bestimmte Personen/Stellen coachen lassen?
5.
Anlässe zum Coaching
- Was sind typische Ereignisse, die durch einen Coach begleitet
werden?
- Wer entscheidet, wann diese Ereignisse vorliegen?
- Muss dies (nachträglich) gerechtfertigt/verantwortet werden?
- Gibt es definierte Anlässe, zu denen Coaching in Anspruch
genommen werden muss?
6.
Auswahl des Coachs
- Wer wählt die Coaches aus? Führungskraft? Zuständige Abteilung
PE? oder jemand anders?
- Nach welchen Kriterien wählen die unterschiedlichen Akteursgruppen die Coaches aus?
- Spielen bei der Auswahl von Coaches eine Verbandszugehörigkeit
eine Rolle?
166
Anhang
-
Interviewleitfaden
Auf welche Verbandszugehörigkeit wird geachtet?
Wie wird die spezifische Qualifikation der Coaches abgefragt?
Auf wie viele Coaches wird in ihrem Arbeitsfeld zurückgegriffen?
Gibt es eine Coaching-Ideologie die vorausgesetzt wird?
7.
Abgrenzung zur Supervision, NLP, Mediation, betrieblicher
Sozialarbeit (counselling)
- Wie würden Sie Coachingangebote von den Angeboten der
Supervisoren abgrenzen?
- Was bringt ein Supervisor ggfs. nicht mit, was ein Coach hat?
- Was kann ein Coach nicht liefern, was ein Supervisor liefern könnte?
- Was ist der Unterschied zu NLP?
- Was ist der Unterschied zu Mediation?
8.
Prozess
- Über welche Qualitätsprozesse sichern Sie den Coachingprozess?
- Wie gehen Sie mit Krisen zwischen Coach und Nachfrage um?
- Welche Form von Evaluierung findet statt?
- Wie wird der Erfolg von Coachingmaßnahmen gemessen?
- Coaching: Leistungs-Training oder Psycho-Couch?
167
Übersicht Experteninterviews
Anhang
B. Übersicht Experteninterviews
Anonym
Bauer
Becker
Braun
Fischer
Hartmann
Hoffmann
Klein
Koch
Krause
Krüger
Lange
Müller
Neumann
Richter
Schäfer
Schmidt
Schneider
Schröder
Schulz
Schuster
Wagner
Weber
Werner
Wolf
Org.typ
Org.größe lfd. Prozesse Coachpool Führungskr.
Unternehmen 4
35000
40
Coachinganbieter 2
öffentliche Verwaltung 2
35000
4
Finanzdienstleister 1
20000
8
Medienanstalt 1
4500
15
40
öffentliche Verwaltung 1
40000
25
2500
Zertifizierungsstelle 1
Unternehmen 3
3700
4
500
Medienanstalt 2
2700
30
300
Arbeitnehmervertreter
10000
25
Verkehrsunternehmen 2
4200
Coachinganbieter 1
Unternehmen 5
3000
3
Kirche
1000
1
1
Verkehrsunternehmen 1
34000
60
50
Unternehmen 7
4000
Beratungsunternehmen
10000
30
Sozialhilfe 1
500
1
1
12
Unternehmen 1
36000
70
Unternehmen 6
45000
30
Zertifizierungsstelle 2
Unternehmen 2
230000
50
Sozialhilfe 2
3000
47 (Supervisoren)
Finanzdienstleister 2
3000
60
15
Fehlende Werte wurden nicht erhoben.
168
Literatur
Literatur
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