NTS Kapitel 13: Transport von Wasser

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Kapitel 13
Transport von Wasser
Wasser ist eine der wichtigsten Substanzen für uns. Wasser kommt nicht nur als
“Wassermasse” in Seen, Flüssen, Meeren und Badewannen vor, es dient nicht nur
der Energiegewinnung oder um darauf oder darin zu schwimmen. Es ist in Chemie
und Biologie eines der wichtigsten Substrate zur Aufnahme und zum Transport
anderer Substanzen – spielt also als Lösemittel eine fundamentale Rolle. Es kommt
verteilt in Atmosphäre und in den Böden vor und bestimmt so die physikalische,
chemische und biologische Dynamik unseres Planeten mit.
Anders gesagt, Wasser hat nicht nur eine hydraulische Seite (und nicht nur eine
thermische, die wir im zweiten Teil des Kurses studieren werden), sondern eben auch
chemische und biologische Aspekte. Mit anderen Worten, Wasser ist eine Substanz
wie andere chemische Substanzen auch.
13.1
Phänomene und Wortmodelle
In diesem Kapitel wollen wir uns drei Phänomenen widmen, die mit dem Transport von Wasser zu tun haben. Beim ersten wird der Einfluss des Schwerefeldes
auf Wasser genauer angeschaut. Dann fragen wir, wie gelöste Stoffe in Wasser dessen Transport beeinflussen, und schliesslich studieren wir das Fliessen von Wasser
durch Böden (Erde). Wir werden Wasser als einen chemische Stoff behandeln, dessen
Transporte vom Stoffpotential – also vom chemischen Potential – bestimmt werden.
Dabei werden wir thermische Einflüsse vernachlässigen, d.h. wir werden annehmen,
die Vorgänge liefen alle bei ungefähr konstanter Temperatur ab.
13.1.1
Wasser in Gefässen auf verschiedener Höhe
In Kapitel 3 kam der Einfluss des Schwerefeldes auf die Dynamik von Flüssigkeiten
schon vor, nur haben wir uns dort dem Problem gewissermassen entzogen, indem
wir sagten, Schwere sei ein Quelle des Drucks von Flüssigkeiten in Behältern. Sobald wir mit dem Druck operieren können, befinden wir uns im bekannten Bereich
der Hydraulik. Wir haben im wesentlichen den Transport von Flüssigkeiten durch
horizontale Rohre studiert.
Im Beispiel in Abb.13.1 haben wir zwei kommunizierende Gefässe, die sich auf verschiedenen Höhen befinden. Dadurch ist das verbindende Rohr nicht mehr horizontal. Im konkreten Beispiel fliesst das Wasser aus Tank 2 in Tank 1 hinein, obwohl der
Druck des Wassers bei Punkt C tiefer ist als bei Punkt B. Wie ist das möglich? (Der
Druck des Wassers im Rohr wird dort, wo das Rohr mit der Umwelt in Berührung
372
Transport von Wasser
steht, durch die Umstände in der Umwelt bestimmt, hier also durch den Druck des
Wassers in den Tanks an den Stellen C und B.)
Die Erklärung ist einfach die, dass sich das Wasser nun unter dem Einfluss von zwei
Antrieben befindet: einem hydraulischen und einem gravitativen (vom Schwerefeld
verursachten). Was das Wasser macht, ist eine Folge der Kombination beider Einflüsse. Wenn der Unterschied des Gravitationspotentials von C nach B grösser als der
Unterschied des hydraulischen Potentials (d.h. des Drucks) ist, so fliesst das Wasser
in die Richtung des fallenden Gesamtpotentials. Da Druck und Schwerepotential
sicher verschiedene Grössen sind und verschiedene Einheiten haben, kann man sie
nicht einfach kombinieren. Wie man das macht, lernen wir im ersten Beispiel eines
Modells in Abschnitt 13.2.
Tank 2
Tank 1
Environment
at point C
paC
D
A
C
h2
paB
Pipe
h1
Environment
at point B
B
Abbildung 13.1: Wasser in kommunizierenden Gefässen, bei denen sich die Böden auf
verschiedenen Niveaus befinden. Dadurch ist das verbindende Rohr nicht horizontal. Der
Transport durch das Rohr wird gleichzeitig durch Druckdifferenzen und durch Unterschiede
des Gravitationspotentials bestimmt.
13.1.2
Kartoffeln in Wasser: Osmose
Wenn man Kartoffelstücke in Wasser legt, so schwellen sie entweder oder schrumpfen. Dabei ändert sich nicht nur das Volumen sondern auch ihre Masse (Abb.13.2).
Ob die Kartoffeln schwellen oder schrumpfen, hängt davon ab, ob sie in reines (destilliertes) Wasser gelegt werden, oder ob das Wasser zum Beispiel Salz oder Zucker
gelöst enthält. Es zeigt sich, dass die Kartoffeln schwellen, wenn die Konzentration der Gelösten Stoffe im Wasser unter einem bestimmten Wert liegt, darüber
schrumpfen sie. Eine wichtige Beobachtung ist die, dass es dabei nicht auf die Masse
(Massenkonzentration) des gelösten Stoffes sondern auf die Stoffmenge (Stoffmengenkonzentration c = n/V ) ankommt.
Der Versuch mit den Kartoffelkernen in destilliertem Wasser oder Salzwasser zeigt
mindestens für das Schwellen ganz klar, dass Wasser wandert. Die Masse der Kerne
kann nur zunehmen, wenn von Aussen Wasser zuströmt – dort gibt es ja nichts
anderes als Wasser. Wenn die Kartoffeln in Salzwasser schrumpfen, dann könnte man
natürlich noch der Abwanderung von Feststoffen oder Mineralien aus den Kartoffeln
Schuld geben. Das kann man überprüfen, indem man schaut, ob das Wasser aussen
Stoffe aufnimmt.
Man sieht aber – und das ist auch direkter mit der Beobachtung des Schwellens
verträglich – dass in diesem zweiten Fall Wasser aus den Kartoffeln wandert. Beide Beobachtungen können grundsätzlich gleich auf folgende Weise erklärt werden.
Wasser – wie jeder andere Stoff – wandert von selbst von Stellen, wo sein chemisches
Potential hoch ist zu Stellen, wo es niedriger ist. Der Unterschied für das Wasser
liegt im ersten Fall (Schwellen der Kartoffeln) darin, dass sich aussen reines Wasser
oder Wasser mit geringer Konzentration gelöster Fremdstoffe befindet, währen innen in der Kartoffel in den Zellen Wasser mit einer bestimmten Konzentration von
13.1 Phänomene und Wortmodelle
373
Fremdstoffen vorkommt. Im zweiten Fall (Schrumpfen) haben wir sowohl innen als
auch aussen Wasser mit gelösten Stoffen, aber es ist naheliegend, dass nun aussen
die Konzentration höher ist. Also wandert Wasser von dort, wo es reiner ist zu dort,
wo mehr Stoffe in ihm gelöst sind. Anders gesagt, Stoffe in Wasser (oder einem
anderen Lösungsmittel) lösen heisst, das chemische Potential des Wassers niedriger
zu machen. Der sich so ergebende Effekt heisst Osmose.
1.2
500
0%
Relative mass
0.8
∆p_sucrose / Pa
XX
XXXX X XX
XXXX
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
0.5
%
X
X
X
X X
X
XX 1 %
X
X
X
X
X
X
X
X
X
1X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X 1.5 %
X
X
X
X
X
X
X
X
X
0.9
X
X
X
X
X
X
X
10 %
X
X
X X X X
XXXXXX
1.1
[
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[
[
[
[
[
[
400
300
200
100
0
0
20000
40000 60000
Time / s
80000
0
10000
20000 30000
Time / s
40000
Abbildung 13.2: Links: Kugelförmig geschnittene Kartoffelkerne wurden in destilliertes
Wasser oder Salzwasser mit verschiedenen Salzkonzentrationen gelegt, und ihre Massen
wurden als Funktionen der Zeit gemessen. Die Kartoffeln nehmen je nach Salzkonzentration zu oder ab. Rechts: Ausgehöhlte Kartoffel (oder Kartoffel als Trennwand) steht in
destilliertem Wasser, innen befindet sich eine starke Zuckerlösung. Die Menge Flüssigkeit
(gemessen an der Druckdifferenz der Flüssigkeitssäule) in der Kartoffel nimmt zu.
Auf genau diese Weise versteht man dann auch den zweiten in Abb.13.2 gezeigten
Versuch (Diagramm rechts). Die Kartoffelwand ist eine grosse Membran (so wie eine
Zellwand eine kleine Membran ist), durch die bestimmte Stoffe, insbesondere Wasser, wandern können. Ausserhalb der Wand befindet sich reines Wasser, innerhalb
haben wir Wasser mit einer hohen Konzentration von Zucker (man kann innen prinzipiell auch Salzwasser nehmen). Das chemische Potential des Wassers ist aussen
(viel) höher als innen, also wandert Wasser durch die Membran nach innen.
Das zweite Beispiel ist auch noch auf andere Weise instruktiv. Wir haben hier wie
in Abb.13.3 zwei Räume mit Flüssigkeiten, die durch eine semi-permeable Wand
getrennt sind (semi-permeabel heisst, dass gewisse Stoffe durch die Wand wandern
können, andere aber nicht). Im Raum mit der Lösung steigt die Flüssigkeit höher als
im Raum mit dem reinen Lösemittel (Wasser). Wie ist das zu verstehen? Schliesslich
ist der Druck der Flüssigkeit rechts am Boden (Abb.13.3) höher als links.
Offensichtlich wandert das Wasser hier nicht einfach von Stellen höheren zu stellen
tieferen Drucks — genau wie beim Wasser im Schwerefeld. Der Druck der Flüssigkeit
ist nur eine Komponente des Potentials, dessen Unterschiede tatsächlich für das
Fliessen des Wassers verantwortlich ist. Das ist wieder das chemische Potential, das
nun durch Druck und Konzentration gelöster Stoffe kombiniert festgelegt wird.
Es stellt sich noch die Frage, ob denn nicht Zucker durch die Wand diffundiert. So
könnte sich ja der Zuckergehalt innen und aussen angleichen, und Wasser müsste
oder würde nicht fliessen. Der Versuch zeigt, dass der Angleich der Zuckerkonzentration entweder sehr viel langsamer als die Osmose oder überhaupt nicht geht. Vermutlich ist das letztere der Fall: die grossen Zuckermoleküle wandern nicht durch
die Kartoffelwand. (In Abschnitt 13.2.2 werden wir ein Phänomen modellieren, bei
dem beide Prozesse gleichzeitig auftreten.)
374
Transport von Wasser
Solvent +
solute
Solvent
Semi-permeable wall
Abbildung 13.3: Zwei Räume mit Flüssigkeiten (zum Beispiel Wasser, links, und Wasser
mit Zucker gelöst, rechts) sind durch eine semi-permeable Wand (zum Beispiel die Kartoffelwand rechts in Abb.13.2) getrennt. Die Lösung (Lösemittel plus gelöster Zucker) steigt
höher als das reine Lösemittel.
13.1.3
Transport von Wasser in Erde
Wasser dringt in die Erde ein, wird dort gespeichert, wandert, verdunstet und wird
über Wurzeln und Pflanzen an die Oberfläche befördert. Die Vorgänge hängen von
vielen Faktoren, insbesondere aber von den Eigenschaften der Erde und ihrem jeweiligen Sättigungsgrad ab. Sättigung heisst, dass die Poren zwischen den festen
Bestandteilen der Erde alle ganz mit Wasser gefüllt sind – zusätzliches Wasser wird
nicht mehr aufgenommen, sondern weiter transportiert; wenn das nicht möglich ist,
wird die Erde zu Schlamm. Wenn noch Wasser aufgenommen werden kann, sagt
man, die Erde sei ungesättigt.
In Abb.13.4 sieht man ein Skizze eines Experimentes und Daten zum horizontalen
Transport von Wasser in (Blumen-)Erde. Ein rechteckiger Behälter wurde mit relativ trockener Erde (Wassergehalt etwa 23%) gefüllt, und zwei Feuchtigkeitssensoren
wurden in die Erde gesteckt. Elf mal wurde dann alle 100 s an einem Ende des Behälters etwas Wasser über die Erde gegossen, und der Wassergehalt wurde an den
beiden Stellen, wo die Sensoren in der Erde steckten, als Funktion der Zeit gemessen
(Diagramm rechts).
50
Sensors
Soil
8 cm
12 cm
8 cm
Soil water content / %
Water
40
30
20
0
2000
4000
6000
Time / s
8000
10000
Abbildung 13.4: Relativ trockene Erde wird in einen rechteckigen Kasten gefüllt (links),
und zwei Feuchtigkeitssensoren wie in der Figur gezeigt eingegraben. An einem der beiden
Enden wird alle 100 s eine kleine Menge Wasser hinein gegossen. Das Diagramm rechts
zeigt den Verlauf der Feuchtigkeits-Anzeige der beiden Sensoren. In der Kurve, die zuerst
ansteigt, sieht man den intermittierenden Verlauf der Wasserbeigabe. Sichtbar sind zwei
wesentlich verschiedene Phasen des Wassertransports.
Die Feuchtigkeit steigt beim ersten Sensor schnell an und wird gleich wieder etwas
niedriger: Wasser erreicht den Sensor schnell, und ein Teil fliesst weiter. Auch der
13.1 Phänomene und Wortmodelle
375
zweite Sensor reagiert relativ schnell, einfach mit einer fixen Verzögerung von etwa
400 s (die beiden Kurve steigen eine Weile lang gleich schnell an). Nachdem die
Zufuhr von Wasser gestoppt wird, tritt eine ganz andere Phase ein: die Feuchtigkeit
an den beiden Stellen gleicht sich äusserst langsam an.
Die zwei Phasen deuten zwei wesentlich verschiedene Transportmechanismen an.
Dass die beiden Kurven gleich steil ansteigen, deutet darauf hin, dass sich Wasser
wie ein “Pfropfen” von links nach rechts bewegt. Wasser fliesst bei Messstelle 1 und
dann 400 s später bei Messstelle 2 vorbei, wobei allerdings immer etwas Wasser
“hängen bleibt”. Es scheint zu viel Wasser zu haben, und es sieht so aus, als ob
überschüssiges Wasser fast ungebunden nach rechts strömt.
Nach etwa 1500 s ändert sich die Art des Transportes. Der Angleich der Kurven
deutet auf eine Art Diffusionsprozess hin. An beiden Messpunkten ist die Erde ungesättigt. Das Wasser füllt die Poren nur teilweise und ist wie an die Erde gebunden.
Weil die Erde links aber feuchter ist als rechts, wandert immer noch Wasser, jetzt
aber mit einem sehr schwachen Strom.
Wir werden wieder versuchen, den Transport des Wassers dadurch zu erklären, dass
wir uns Unterschiede des chemischen Potentials des Wassers als Ursache seines Strömens vorstellen. Dabei ist es ganz wesentlich, zwischen ungesättigter und gesättigter
Erde zu unterscheiden. Wenn die Erde schon gesättigt ist und deshalb alle Poren
voll sind, sollten Unterschiede des chemischen Potentials im Wesentlichen nur noch
von Druck und Höhe im Schwerefeld abhängen – wenn wir von gelösten Stoffen im
Wasser absehen. Wenn die Erde nicht gesättigt ist, wird das Potential des Wassers
durch andere Faktoren mitbestimmt, die wir uns als eine Art “Saugfähigkeit” des
Bodens vorstellen können. Diese haben mit Adhäsion (“Kleben”) und Kapillarwirkung zu tun. Diese Faktoren führen dazu, dass das Wasserpotential tiefer als das
von “freiem” Wasser bei gleichem Druck und bei gleicher Höhe ist. Je trockener die
Erde, um so tiefer wird das chemische Potential von Wasser in der Erde sein.
1. Warum ist der Druck des Wassers in Abb.13.1 bei Punkt C tiefer als bei Punkt B?
Welche Umstände bestimmen den Druck des Wassers im Rohr?
2. Nehmen Sie an, dass das Rohr in Abb.13.1 einen Höhenunterschied von 1.0 m von
B nach C hat. Um welchen Betrag muss der Druck des Wassers bei B höher als bei
C sein, damit Wasser hinauf fliessen kann?
3. Warum platzen Kirschen bei einem starken Regen?
4. Eine Infusionslösung muss isotonisch sein. Was heisst das? Man liest, dass ein ge-
bräuchlicher Typ für Infusionen eine 5% Dextrose Lösung in Wasser ist, während
eine andere 0.9% Salz verwendet. Wie ist dieser Unterschied zu verstehen?
5. Wenn man bei einem ungekochten Ei die Kalkschale entfernt (durch Einlegen in Essig) und es dann in reines Wasser legt, was wird dann passieren? Wird es anschwellen?
Wird es schrumpfen? (siehe http://www.youtube.com/watch?v=0c8acUE9Itw)
6. Warum ist das chemische Potential von Wasser in relativ trockener Erde niedriger
als in feuchter Erde (auf gleicher Höhe und auch sonst gleichen Bedingungen)?
7. Wenn trockene Erde über feuchter Erde liegt, kann dann das Wasser aufwärts wandern?
8. Stellen Sie sich vor, Sie haben in einem senkrecht stehenden Rohr trockene Erde (sie
wird unten durch ein Sieb gehalten). Oben schütten Sie kontinuierlich Wasser zu.
Was wird Ihrer Meinung nach passieren? Geben Sie Ihre Erklärungen mit Hilfe eines
kombinierten chemischen, hydraulischen und gravitativen Potentials für das Wasser.
Aufgaben
376
Quellen
Transport von Wasser
Phänomene bei Wassertransport
Lectures and books
· Fuchs H. U. (2010): The Dynamics of Heat. A Unified Approach to Thermodynamics and Heat Transfer. Springer, New York. Chapter 6, pp. 17-25.
Internet Resources
· Eier schwellen und schrumpfen:
http://www.youtube.com/watch?v=SSS3EtKAzYc
· Diffusion und Osmose:
http://hyperphysics.phy-astr.gsu.edu/hbase/kinetic/diffus.html
· Isotonische IV-Lösung:
http://voices.yahoo.com/iv-therapy-isotonic-solutions-are-6707862.html
· Wassertransport in Erde:
http://soilphysics.okstate.edu/software/water/infil.html
· Wassergehalt: http://en.wikipedia.org/wiki/Water_content
13.2
Modelle dynamischer Systeme
Im Folgenden werden einige dynamische Modelle zum Transport von Wasser in
verschiedenen Umgebungen aufgebaut. Wie bei der Besprechung der Phänomene
stehen das Schwerefeld, Osmose und Wasser in der Erde im Vordergrund.
13.2.1
Wasser im Schwerefeld
Wir wollen ein Computermodell für das Beispiel mit den beiden Gefässen auf verschiedenen Höhen, bei dem das Verbindungsrohr nicht mehr horizontal ist, aufbauen (Abb.13.1). Es geht darum, Gravitation und Hydraulik gedanklich zu trennen,
den Gesamteffekt aber als Kombination der beiden entsprechenden Potentiale zu
konzeptualisieren. Anstatt ein kombiniertes gravito-hydraulisches Potential einzuführen, werden wir aber beide Potentiale mit dem chemischen Potential verbinden.
Wir wollen also ein chemisches Potential konstruieren, in dem die verschiedenen Einflüsse – chemische, hydraulische und gravitative – auf eine Flüssigkeit kombiniert
sind. Wenn wir Wasser oder eine andere Flüssigkeit als chemische Stoff auffassen,
der verschiedenen Einflüssen unterliegt, dann ist dieses Vorgehen sinnvoll.
Hydraulischer Transport als chemischer Transport. Wir machen das in zwei Schritten, indem wir zuerst den hydraulischen Transport auf chemische Variablen umrechnen. Später fügen wir den Effekt des Schwerefeldes hinzu. Zuerst wandeln wir also
das Modell für zwei kommunizierende Gefässe auf selber Höhe in die Sprache der
Chemie um.
Die Umrechnung von hydraulischen auf chemische Grössen ist einfach, wenn wir beachten, wie die analoge Beschreibung der beiden Prozessarten gemacht wird. Als Potentialunterschiede haben wir Druckunterschiede und Unterschiede des chemischen
13.2 Modelle dynamischer Systeme
377
Potentials, als Mengen dienen Volumen und Stoffmenge. Wenn wir uns vorstellen,
dass ein Volumen Vtrans von einem Punkt 1 zu einem Punkt 2 mit Druckunterschied 4p1→2 transportiert wird, so kann man das Produkt der beiden Grössen auf
die entsprechende transportierte Stoffmenge ntrans umrechnen:
4p1→2 Vtrans = 4p1→2
mtrans
M0
= 4p1→2
ntrans
ρ
ρ
Hydraulisches Modell
Chemisches Modell
Abbildung 13.5: Modell des Systems aus zwei kommunizierenden Gefässen mit horizontalem Verbindungsrohr. Links: Hydraulische Darstellung mit Druck und Volumen. Rechts:
Chemische Darstellung mit chemischem Potential und Stoffmenge. Ganz rechts sieht man
die notwendigen Beziehungen für die Umrechnung vom chemischen Potential auf die Füllhöhen in den beiden Tanks.
Mit der Dichte ρ rechnet man vom Volumen auf die Masse um und mit der Molmasse
M0 von der Masse auf die Stoffmenge. Den letzten Ausdruck auf der rechten Seite
interpretieren wir nun auf einen chemischen Prozess um, der als Kombination des
chemischen Potentials und der Stoffmenge gedeutet wird. Der Faktor, der mit der
transportierten Stoffmenge multipliziert wird, sollte die Bedeutung des chemischen
Potentials haben, also:
4p1→2
M0
ntrans = 4µ1→2 ntrans
ρ
Das heisst, dass wir nun den Zusammenhang zwischen dem Druck und dem chemischen Potential einer Flüssigkeit formulieren können:
µ=
M0
p
ρ
(13.1)
Es macht durchaus Sinn, dass der chemische Trieb einer reinen Flüssigkeit auf fixer
Höhe im Gravitationsfeld und bei sonst gleichen Bedingungen (Temperatur) einfach
vom Druck abhängt. Es ist wichtig zu beachten, dass die Beziehung in Gl.(13.1)
allgemein für eine Flüssigkeit gilt, und nichts damit zu tun hat, dass der Druck der
Flüssigkeit in unserem Beispiel durch die Schwerewirkung in den kommunizierenden
Gefässen zustande kommt. Sie gilt also auch, wenn der Druck in einem Druckgefäss
(dem Auge, der Aorta, einem Membranspeicher, etc.) aufgebaut wird.
Mit diesem Resultat können wir im bisherigen hydraulischen Modell (Abb.13.5,
links) den Strom als Strom von Stoffmenge darstellen. Das machen wir wie in Kapitel
6. Im einfachsten Fall einer linearen Beziehung schreiben wir
In = −Gn (µ2 − µ1 )
(13.2)
378
Transport von Wasser
Um das Modell zu vervollständigen, brauchen wir noch die Umrechnung von Stoffmenge auf das chemische Potential für eine Flüssigkeit in einem zylindrischen Tank.
Das machen wir wie in allen bisherigen Modellen hydraulischer, elektrischer oder
thermischer Systeme mit Hilfe der entsprechenden Kapazität. Wir brauchen also
die chemische Kapazität Cn einer Flüssigkeit in einem offenen geradwandigen Tank.
Die chemische Kapazität führen wir über die gewohnte Beziehung zwischen Inhalt
und zugehörigem Potentialunterschied (zur Umwelt) ein:
(13.3)
n = Cn 4µC
Wie immer handelt es sich hier um einen kapazitiven Potentialunterschied, der von
der Speicherung eines Stoffes herrührt. Damit lässt sich das Modell aufbauen und
simulieren. Seine Struktur ist analog zu der des hydraulischen Modells (Abb.13.5,
rechts). Natürlich sollte man die so erhaltenen chemischen Potentiale der Flüssigkeit
noch auf Füllhöhen im Tank umrechnen, damit wir die Ergebnisse mit Daten aus
Experimenten vergleichen können.
Chemisches Potential einer Flüssigkeit im Gravitationsfeld. Nun erweitern wir das
Modell auf den Fall, der uns hier interessiert: Transport einer Flüssigkeit im Schwerefeld, d.h., vertikale Verschiebung. Wie bei der Kombination eines hydraulischen und
eines chemischen Vorgangs, wo Druck und chemisches Potential gekoppelt werden,
vergleichen wir nun die chemische Leistung mit der Gravitationsleistung (Abb.13.6).
Wir stellen uns vor, dass eine bestimmte Menge Flüssigkeit mit Stoffmenge ntrans
und Masse mtrans von einem höheren Gravitationsniveau ϕG1 = gh1 auf ein tieferes
Niveau ϕG2 = gh2 hinab gelassen wird. Das Potential der Masse erniedrigt sich,
wodurch sich aber das chemische Potential der Stoffmenge von µ1 auf µ2 erhöht.
Wenn die beim der Erniedrigung des Gravitationspotentials freigesetzte Energie zur
Erhöhung des chemischen Potentials dient, dann haben wir
4µ ntrans = 4 (gh) mtrans = 4 (gh) M0 ntrans
Fluid in a
gravitational field
Gravitational
potentials
ϕG1
ϕ G2
µ1
µ2
Chemical
potentials
Abbildung 13.6: Prozessdiagramm für die Kopplung eines chemischen Prozesses an einen
Gravitationsprozess.
Daraus leiten wir her, dass der chemische Antrieb und der Gravitationsantrieb durch
µG = M0 gh
(13.4)
miteinander verbunden sind. Wir interpretieren das so, dass wir einem Stoff im
Gravitationsfeld in Höhe h über einem frei gewählten Nullniveau nun anstelle eines
Gravitationspotentials ein (gravito-)chemisches Potential µG zuordnen. Die Kopplungen, die ein Stoff durch Chemie, Hydraulik und Gravitation erfährt, können wir
in einem gekoppelten chemischen Potential zusammenfassen:
µtot = µchem + µH + µG
(13.5)
13.2 Modelle dynamischer Systeme
oder
µtot = µchem +
379
M0
p + M0 gh
ρ
(13.6)
Der Term µchem bedeutet das eigentliche chemische Potential, das von den chemischen Eigenschaften des Stoffes und seiner Umwelt abhängt. Darunter versteht man
Aspekte, die mit dem chemischen Umwandlungstrieb des Stoffes, seinen Eigenschaften, wenn er andere Stoffe enthält und seiner “Vorliebe” für bestimmte Umgebungen
zusammenhängen. Bei Wasser in Erde zum Beispiel geht man nicht davon aus, dass
Umwandlung keine Rolle spielt. Dafür muss man berücksichtigen, dass das Wasser
nicht rein ist, sondern andere Stoffe gelöst enthält, und dass er an Stoffen in seiner
Umwelt “klebt” oder von ihnen auf- oder nach oben gesaugt wird (Kapillarwirkung).
All diese Aspekte baut man dann in den Term µchem ein.
Nun konstruieren wir das Modell für den Transport einer Flüssigkeit (zum Beispiel
Wasser) aus einem Tank in einen anderen, wobei die Tanks in verschiedener Höhe
stehen (wie in Abb.13.1, siehe Abb.13.7). Im Vergleich zum vorhergehenden Modell
gibt es eigentlich nur zwei Unterschiede. Die chemischen Potentiale der Flüssigkeit
am Anfang und am Ende des Rohre, deren Unterschied den Strom antreibt, sind
nun die aus hydraulischen und gravitativen Einflüssen kombinierten Potentiale (wir
müssen im neuen Modell nur noch den Gravitations-Anteil hinzufügen). Zweitens
muss man bei der Umrechnung der Füllhöhen noch die Höhe des Gefässes berücksichtigen, wenn man die Wasserstände in Bezug auf das selbe Nullniveau haben
will.
Tank 2
Tank 1
h1
h2
H1
Abbildung 13.7: Skizze des Systems und Modelldiagramm mit Berechnung des chemischen Potentials aus Druck und Gravitationspotential. Der Unterschied des chemischen
Potentials am Anfang und am Ende des Rohres ist für die Strömung durch das Rohr verantwortlich.
9. Machen Sie sich klar, dass die Idee der Umrechnung, die auf Gl.(13.1) führt, mit
dem Konzept von hydraulischer und chemischer Leistung zusammen hängt.
10. Beweisen Sie, dass man die Füllhöhe in einem Tank mit Hilfe der Beziehung Gl.(13.1)
durch h = µ/ (gM0 ) berechnen kann.
11. Beweisen Sie, dass man den chemischen Leitwert Gn folgendermassen durch den
hydraulischen Leitwert GV ausdrücken kann:
2
ρ
Gn =
GV
M0
12. Was ist die Bedingung dafür, dass die (chemische) Kapazität eines Speichers mit
Hilfe der Gl.(13.3) eingeführt werden kann?
Aufgaben
380
Transport von Wasser
13. Beweisen Sie, dass die chemische Kapazität Cn eines geradwandigen Gefässes mit
Querschnitt A und Flüssigkeit mit Dichte ρ und Molmasse M0 folgendermassen
berechnet wird:
ρ
Cn =
A
M02 g
13.2.2
Osmose bei roten Blutkörperchen
Im folgenden Beispiel studieren wir den Wassertransport, den man Osmose nennt.
Wenn zwei Bereiche von Wasser mit verschieden starken Konzentrationen von irgendwelchen gelösten Stoffen in Kontakt – eventuell durch eine Membran getrennt
– vorliegen hat, dann wandert Wasser aus dem Bereich, in dem die Konzentration
tiefer ist zum Bereich, wo sie höher ist. Man interpretiert das so, dass man sagt,
gelöste Stoffe in Wasser (oder irgendeinem Lösemittel) erniedrigen das chemische
Potential des Wassers (des Lösemittels), und zwar um so weiter, je mehr Stoffe
gelöst sind.
In einem Experiment (Macey and Oster, Berkeley Madonna) befinden sich rote
Blutzellen in einem isotonischen Wasserbad. Das bedeutet, dass im Wasser in der
Zelle und aussen gelöste Stoffe vorkommen, die in beiden Umgebungen dieselbe
Konzentration haben. Diese Stoffe sollen nicht durch die Zellwände wandern können
(man sagt, die Zellwände seien für diese Stoffe impermeabel). Dann ist für die Zellen
so weit alles in Ordnung, sie schwellen und schrumpfen nicht.
Wenn man nun aussen im Wasserbad einen Stoff löst, den es in der Zelle nicht
gibt, und für den die Zellwände durchlässig (permeabel) sind, dann passiert etwas
interessantes (Abb.13.8). Die Blutzellen schrumpfen zuerst schnell, erholen sich aber,
und das Zellvolumen erreicht langsam wieder den ursprünglichen Wert.
Water
Relative volume
1.00
0.98
0.95
0.93
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X X
X
XX
X
X
X
X
0.90
Red blood cell
Impermeable
solute
Permeable
solute
0
1
2
3
Time / s
4
5
Abbildung 13.8: Rote Blutkörperchen werden in Wasser gegeben. In der Zelle und im
Wasser sollen Stoffe gelöst sein (grosse Punkte), die die Zellwand nicht durchdringen, und
die Konzentration soll die selbe sein. Dann wird eine Fremdstoff (kleine Punkte) ins Wasser
gegeben, für den die Zellwand durchlässig ist. Daraufhin verringert sich zuerst das Volumen der Blutzellen, später wachsen sie wieder und erreichen das ursprüngliche Volumen
(Diagramm rechts). Daten von Macey and Oster (UC Berkeley, Berkeley Madonna).
Wir wollen versuchen, diese Beobachtung mit Hilfe eines dynamischen Modells zu
erklären. Wir wissen, dass der im zweiten Schritt in das Bad gegebene gelöste Stoff
durch die Zellwände diffundieren kann. Er wird das wohl auch tun, da er sich nicht
in den Zellen befindet – wir haben einen für Diffusion nötigen Konzentrationsunterschied.
13.2 Modelle dynamischer Systeme
381
Dieser Vorgang kann aber das anfängliche Schrumpfen der Blutzellen nicht erklären. Wenn überhaupt, dann würden wir durch den Zufluss des Fremdstoffes eine
Vergrösserung der Zellen erwarten. Also muss ein weiterer Vorgang im Spiel sein.
Da auch Wasser durch die Zellwände geht, scheint es möglich, dass Wasser aus den
Zellen wandert, und so das Volumen kleiner wird. Die Voraussetzung für das Wandern des Wassers – die Osmose – ist hier nämlich auch gegeben: durch zu Zugabe
von einem Stoff zum Bad ist die totale Konzentration gelöster Stoffe aussen im Bad
höher als innen in den Zellen. Als Folge davon wandert das Wasser von dort, wo
in ihm weniger Stoffe gelöst sind zum Ort, wo die Konzentration aller Stoffe höher
ist – das Wasser strömt nach aussen, um das Lösemittel dort zu verdünnen. Das ist
der Vorgang der Osmose, der in den Beispielen in Abschnitt 13.1 schon besprochen
wurde.
Das dynamische Modell baut auf folgenden Vorstellungen auf. Wir müssen uns darum kümmern, was mit dem Wasser der Zellen (Index w) und mit dem im Wasserbad
gelösten Fremdstoff (Index s, Englisch: solute) passiert, das heisst, wir müssen diese
beiden Stoffe (ihre Mengen) für eine Zelle bilanzieren (wir nehmen an, dass alle Zellen gleich reagieren, und dass die Messungen des Volumens der Zellen einen
Mittelwert darstellen, der für eine einzelne Zelle gilt).
Diffusion des Fremdstoffes durch die Zellmembran. Wir beginnen den Bau des
Modells mit dem Prozess, den wir bereits kennen: der Diffusion des Fremdstoffes
aus dem Bad in die Zelle (Abb.13.9). Dazu braucht man die Darstellung der Bilanz
dieses Fremdstoffes mit Reservoir und Flow. Verantwortlich für den Transport ist der
Unterschied der Konzentrationen des Stoffes ausserhalb und in der Zelle (cs,outside
und cs,inside ). Laut Versuchsbeschreibung ist die Konzentration des aussen zugegebenen Fremdstoffes cs,outside (0) = 0.00030 mol/cm3 . Das Volumen eine Zelle (am
Anfang und am Ende) beträgt V0 = 87 µm3 . Natürlich ist die Stoffmenge von s am
Anfang Null. Wenn wir den Diffusionsstrom wie üblich durch
(13.7)
In,s = −Gn,s (cs,inside − cs,outside )
beschreiben, dann könne wir das erste Modell fertig stellen (Abb.13.9).
cs / mole/m^3
300
200
100
0
0
0.5
1
Time / s
1.5
2
Abbildung 13.9: Erstes Modell für die Diffusion des zugegebenen Fremdstoffes (s) vom
Bad in eine Zelle. Das Volumen der Zelle wird hier konstant gehalten (gleich dem Anfangswert). Die Konzentration des Stoffes im Bad ist durch die Versuchsbedingungen festgelegt.
Wenn man für den chemischen Leitwert des Diffusionsstroms Gn = 1.0·10−15 m3 /s nimmt,
kriegt man das im Diagramm rechts gezeigte Simulationsergebnis.
Die Simulation des Modells verlangt, dass wir einen sinnvollen Wert des chemischen Leitwerts schätzen. Wenn wir aus Unkenntnis die Zahl 1 nehmen, wird der
Stoffstrom um sehr viele Zehnerpotenzen zu gross. Der anfängliche Konzentrationsunterschied beträgt 300 mol/m3 . Da die Zelle sehr klein ist (etwa 10−16 m3 ), wäre
382
Transport von Wasser
die maximale Konzentration dort drin in einem winzigen Bruchteil einer Sekunde
schon erreicht. Also muss der Wert für Gn sehr, sehr klein gewählt werden. (Man
kann im Computerprogramm mit diesem Wert spielen, bis das Modell endlich funktioniert; besser ist es natürlich, eine Handrechnung anzustellen, um so einen guten
Wert schon für eine erste Simulation zu erhalten.)
Transport des Wassers: Osmose. Nun können wir versuchen, das für uns noch
neue Phänomen der Osmose zu verstehen und zu modellieren. Es geht also um den
Transport von Wasser in die oder aus der Zelle, also muss man auf jeden Fall die
Mengenbilanz für das Wasser zum Modell hinzufügen (Abb.13.10). Wir wollen in
diesem Modellierungsschritt die Diffusion ausser Acht lassen. Das Problem, mit dem
wir nun konfrontiert sind, besteht wie so oft in der Bestimmung eines Stromes, hier
also des Wasserstromes. Wieder machen wir diesen vom Unterschied des chemischen
Potentials des Stoffes (Wasser) abhängig:
(13.8)
In,w = −Gn,w (µw,innen − µw,aussen )
1E-16
V / m^3
8E-17
6E-17
4E-17
2E-17
0E+0
0
0.5
1
Time / s
1.5
2
Abbildung 13.10: Zweites Modell für den osmotischen Transport von Wasser durch die
Zellwand. Der Transport rührt vom Konzentrationsunterschied gelöster Stoffe im Wasser
her. Wenn man für den chemischen Leitwert des osmotischen Stroms Gn.w = 1.0 · 10−12
mol2 /(J·s) nimmt, kriegt man das im Diagramm rechts gezeigte Simulationsergebnis.
Wir kennen Beispiele, die uns sagen, dass das chemische Potential von Wasser sinken
sollte, wenn man Stoffe darin auflöst. Es spielt dabei keine Rolle, was für Stoffe das
sind, es kommt nur auf die Gesamtkonzentration aller gelösten Stoffe an. In unserem
Fall unterscheiden wir zwischen den schon am Anfang in der Zelle und im Bad
vorkommenden Stoffe (Index imp), die nicht durch die Zellwand dringen können,
und dem später aussen zugegebenen Fremdstoff (Index s). Die totale Konzentration
aller Stoffe im Wasser (innen oder aussen) ist also
c = cimp + cs
(13.9)
wobei cinnen = ntotal,innen /VZelle ist. caussen halten wir konstant. Dabei ist laut Versuchsangaben die Konzentration der impermeablen Stoffe (innen und aussen) gleich
der Konzentration des aussen zugegebenen Fremdstoffes, also cimp = cs,outside =
0.00030 mol/cm3 .
Wie können wir uns nun überlegen, wie das chemische Potential des Wassers zu
bestimmen ist? Das Potential von reinem Wasser kennen wir; nach Gl.(13.1) ist es
proportional zum Druck, von dem wir annehmen, er sei gleich dem Umgebungsdruck
pa = 1.0 · 105 Pa. Wenn wir nun Stoffe im Wasser lösen, so sinkt das Potential. Unabhängig davon, wie kompliziert die Beziehung in der Realität auch sein mag, man
13.2 Modelle dynamischer Systeme
383
kann immer eine lineare Näherung benutzen, wenn die Konzentration der gelösten
Stoffe nicht zu hoch ist. Wir können also schreiben:
∗
µw = µw,rein − αosm
c
(13.10)
∗
wobei αosm
eine für die Osmose (von den gelösten Stoffen unabhängige) Konstante ist. Wenn wir den Druck des Wassers nach Gl.(13.1) einführen, kann man die
Beziehung so formulieren:
µw =
M0
(pa − αosm c)
ρ
(13.11)
αosm ist die dieser Form entsprechende Konstante. In der zweiten Form kann man
den Effekt der Osmose so erklären. Wir machen ja normalerweise Druckunterschiede
für das Fliessen von Wasser verantwortlich. Nun können wir sagen, gelöste Stoffe
erniedrigen den Druck des Wassers. Den Term αosm c, um den der Druck des Wassers abnimmt, nennt man auch des osmotischen Druck. Die Beziehung Gl.(13.11)
funktioniert für recht grosse Bereiche der Konzentration sehr gut.
Den Ausdruck kann man weiter so verstehen: gelöste Stoffe in Wasser (oder einem
anderen Lösungsmittel) haben selber einen Druck, und zwar verhalten sie sich –
wenn die Konzentration nicht allzu hoch ist – wie ein einfaches Gas (wie zum Beispiel Luft). Ihr Druck steigt bei konstanter Temperatur mit der Menge der gelösten
Stoffe, auch genau wie bei einem Gas (dort ist das “Lösemittel” der Raum, oder das
Vakuum). Wenn man also zum Beispiel Zucker in Wasser in einem Gefäss auflöst,
so ist der Druck der Lösung (Wasser plus Zucker) immer noch gleich dem Umgebungsdruck. Da der gelöste Zucker aber als “Gas” im Wasser einen Anteil am Druck
hat, ist der Druck des Wassers um diesen Anteil niedriger.
Wenn man den osmotischen Druck in Analogie zum Druck eines einfachen Gases
versteht, dann kann man auch angeben, wie gross die Konstante αosm sein sollte.
Wie bei einem idealen Gas ist der Faktor gleich dem Produkt aus Gaskonstante R
= 8.314 J/mol und der absoluten Temperatur T, also
αosm = R T
(13.12)
Um diesen Punkt besser zu verstehen, müssen wir auf die Thermodynamik von
gasförmigen Stoffen zurück greifen (siehe Kapitel 16).
Das Resultat dieses Modellteils ist recht einfach zu verstehen. Wegen der Zugabe
eines Stoffes im Bad ausserhalb der Zelle ist dort die Konzentration aller gelösten
Stoffe höher als in der Zelle. Also fliesst Wasser aus der Zelle. Da das Volumen
des Wassers im Wesentlichen das Volumen der Zelle bestimmt, schrumpft die Zelle;
im Modell nimmt V mit der Zeit ab. Dadurch steigt aber die Konzentration im Innern, da die Stoffmenge der impermeablen gelösten Stoffe dort konstant bleibt (die
Diffusion des Fremdstoffes haben wir im zweiten Modell ja ausgelassen). Dadurch
nimmt der Wasserstrom ab, und schliesslich erreichen wir (osmotisches) Gleichgewicht (Diagramm rechts in Abb.13.10).
Kombination von Osmose und Diffusion. Nun sind wir bereit, das ganze Modell
fertig zu stellen. Wir müssen einfach die Teile aus den Schritten 1 und 2 kombinieren
(Abb.13.11). Diese Kombination wird durch zwei Feedbacks erreicht. Zum Einen
braucht man das durch die Osmose bestimmte Zellvolumen, um die Konzentration
des diffundierten Fremdstoffes in der Zelle richtig zu bestimmen:
cs,inside =
ns
V
(13.13)
384
Transport von Wasser
Zweitens braucht man diese Konzentration, um die richtige totale Konzentration
aller gelösten Stoffe in der Zelle für die Osmose zu berechnen (Abb.13.11):
cinside = cs,inside +
nimp,inside
V
(13.14)
Das kombinierte Modell funktioniert sehr gut, wie man im Diagramm rechts in
Abb.13.11 sieht. Man erreicht das Resultat, indem man die beiden chemischen Leitwerte durch die Zellwand für Diffusion und für Osmose anpasst. Die in diesem
Versuch erhaltenen Werte sind Gn,s = 6.9·10−16 m3 /s und Gn,w = 5.9·10−13 m3 /s.
9.0E-17
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[ [
[
[
[
[
8.0E-17 [
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
V / m^3
8.5E-17
7.5E-17
0
1
2
Time / s
3
4
Abbildung 13.11: Kombination der beiden Modelle, die je für sich Diffusion und Osmose
darstellen. Die Kopplung erfolgt über zwei Feddbacks zwischen den beiden Teilen.
Permeabilität. Die durch das Modell und die Daten bestimmten chemischen Leitwerte sind für ein rotes Blutkörperchen mit seiner Zellwand und seiner Grösse
(Oberfläche) charakteristisch. Man interessiert sich in der Biologie aber eher für
die Durchlässigkeit einer Zellwand unabhängig von seiner Fläche. Deshalb führt
man die sogenannte Permeabilität P , d.h. Leitwert pro Fläche A, ein. Damit haben
wir für die beiden Tansportprozess
In,s = −A Ps (cs,inside − cs,outside )
(13.15)
In,w = −A Pw (cinside − coutside )
(13.16)
Die Konzentrationen in der zweiten Gleichung sind die totalen Konzentrationen aller
gelösten Stoffe im Wasser.
An und für sich sollten wir im Modell beachten, dass sich die Oberflächen und
damit die Leitwerte mit dem Volumen ändern. Es ist nicht ganz einfach, diesen
Punkt geometrisch exakt einzubeziehen, weil wir die Form der roten Blutkörperchen
nicht kennen. Man könnte annehmen, diese seinen Kugeln, dann kann man aus dem
Volumen die zugehörige Oberfläche berechnen. Allerdings sehen wir im Experiment,
dass sich das Volumen der Zellen nicht allzu stark ändert. Deshalb wird man keinen
allzu grossen Fehler machen, wenn man annimmt, die Oberfläche und damit die
Leitwerte blieben konstant.
Aufgaben
14. Im Modell in in Abb.13.9 ist die Konzentration des Fremdstoffes im Bad konstant
gehalten. Macht das Sinn?
13.2 Modelle dynamischer Systeme
385
15. Wandeln Sie die Angaben für die anfängliche Konzentration des Fremdstoffes und das
Anfangsvolumen in Standard-SI Einheiten um. Benutzen Sie dann die Beobachtung,
dass die Abnahme des Volumens der roten Blutkörperchen nach weniger als einer
halben Sekunde umkehrt (Abb.13.8), um einen sinnvollen Wert für den chemischen
Leitwert der Diffusion abzuschätzen.
16. Warum hat es in der Gleichung für den Diffusionsstrom Gl.(13.7) ein Minuszeichen?
17. Erklären Sie das Ergebnis der Simulation des ersten Modells in Abb.13.9.
18. Warum verringert sich das Volumen einer Zelle im zweiten Modell (Abb.13.10) auf
die Hälfte des ursprünglichen Wertes?
19. Wie kann man einen sinnvollen Wert für den Leitwert für Osmose im zweiten Modell
(Abb.13.10)abschätzen? Was für einen Wert kriegen Sie?
20. Bei welcher Konzentration hat der osmotische Druck einen Wert von 1 bar?
21. Warum haben die beiden in unserem Modell verwendeten chemischen Leitwerte verschiedene Einheiten?
22. Wir haben den osmotischen Wasserstrom mit Hilfe des Unterschieds des chemischen
Potentials geschrieben. In Gl.(13.16) wurde aber die totale Konzentration aller Stoffe
im Wasser verwendet. Welchen Zusammenhang haben Pw und Gn,w ?
23. Bestimmen Sie die Permeabilitäten für Diffusion und für Osmose der Zellwand eines
roten Blutkörperchens. Nehmen Sie an, es sei eine Kugel mit dem Volumen, das im
Modell für das Anfangsvolumen der Zelle genommen wurde.
13.2.3
Verdunstung von Wasser in einem Gefäss
Wenn man etwas Wasser in ein (hohes, schlankes) Gefäss gibt und die Luft darüber relativ trocken ist, dann wird laufend etwas Wasser verdunsten (Abb.13.12).
Die Verdunstung passiert natürlich an der Oberfläche des Wassers, und der Wasserdampf wird sich von dort nach oben durch die Luftsäule ausbreiten. Man sieht
an den Messdaten, dass die relative Feuchtigkeit nach oben hin abnimmt; oben am
Gefässrand sollte sie der Luftfeuchtigkeit in der Umgebung entsprechen.
Rel Humidity
90
80
70
60
50
0
2000
4000
6000
Time / s
8000
10000
Abbildung 13.12: In einem schlanken, hohen Glasgefäss befindet sich etwas Wasser am
Boden. Darüber befindet sich Luft mit einer relativen Feuchtigkeit von 60%. Im Gefäss
wurden in verschiedenen Höhen über dem Wasser vier Luftfeuchtigkeits-Sensoren eingefügt. Vom Moment an, wo das Wasser unten zugefügt wird, steigt die Luftfeuchtigkeit mit
der Zeit. Die oberste Kurve gibt die relative Feuchtigkeit für den Sensor nahe der Wasseroberfläche (Distanzen zum Wasser: 7, 18, 27, 37 cm; Gefässrand über Wasser: 50 cm).
386
Transport von Wasser
Die Erklärung für den Vorgang nutzt wieder die Idee der chemischen Spannung, der
Unterschiede des chemischen Potentials eines Stoffes an verschiedenen Stellen, als
Antrieb für die Vorgänge. Hier sind das zwei: (1) Wanderung des Stoffes von unten
nach oben (von feucht nach weniger feucht), und (2) eine Reaktion, nämlich das
Verdunsten des Wassers.
Dampfdruck. Wie wir wissen, kann die Menge Luft in einem Volumen der Atmosphäre einen bestimmten maximalen Wert erreichen. Wird dieser überschritten,
dann kondensiert der Wasserdampf, Tau bildet sich, Fenster werden beschlagen, oder
es regnet. An diesem Punkt (der Sättigung der Luft), d.h. bei dieser Konzentration von Wasserdampf in der Luft, sollte das chemische Potential des Wasserdampfs
gleich dem des kondensierten (flüssigen) Wassers sein. Flüssiges Wasser hat eine
Tendenz zu verdampfen, und diese Tendenz steigt (stark) mit der Temperatur an.
Darum ist dann auch mehr Wasserdampf in der Atmosphäre, wenn diese bei einer
höheren Temperatur gesättigt ist.
Man misst die Tendenz des flüssigen Wassers zu verdampfen durch den sogenannten
Dampfdruck des Wassers. Dieser beträgt bei 25°C etwa 3000 Pa und steigt steil mit
der Temperatur an (Abb.13.13). Bei 100°C erreicht er 1 bar, das heisst, Wasser kocht
bei normalem Luftdruck bei dieser Temperatur. Wenn der (Umgebungs-)Druck aber
nur 3000 Pa betragen würde, so würde das Wasser schon bei 25°C kochen. Wir kennen das Phänomen, dass Wasser bei tieferem Luftdruck bei niedrigerer Temperatur
zu sieden beginnt. Bei dem in Winterthur typischen Luftdruck von 0.97 bar kocht
das Wasser bei etwa 97°C und auf einem hohen Berg bei noch tieferen Temperaturen.
Vapor Pressure / Pa
1.2E+5
B
1.0E+5
8.0E+4
6.0E+4
B
4.0E+4
2.0E+4
B
BB
BB
BBBBB
0.0E+0
250 270 290 310 330 350 370 390
Temperature / K
Abbildung 13.13: Dampfdruck von Wasser als Funktion der (Kelvin) Temperatur (Datenpunkte). Der Dampfdruck wächst näherungsweise exponentiell (die durchgezogene Kurve
ist eine Exponentialfunktion).
Partialdruck bei Gasgemischen. Bei 25°C und einem normalen Atmosphärendruck
von 1 bar kocht Wasser nicht, aber es verdunstet, wenn in der Luft so wenig Wasserdampf vorhanden ist, dass dessen Partialdruck weniger als 3000 Pa beträgt. Unter
Partialdruck versteht man folgendes Konzept. Die Luft ist ein Gemisch aus verschiedenen gasförmigen Substanzen. Wir können trockene Luft als eine Substanz,
Wasserdampf als die zweite behandeln. Dann tragen Luft und Wasser zum Luftdruck
von 1 bar gemeinsam bei:
ptotal = ptrockene Luf t + pW asserdampf
(13.17)
Der Partialdruck einer Gaskomponente hängt von ihrer Konzentration ab. Die Konzentration wird wie üblich definiert: c = n/V . Bei einem einfachen (genügend verdünnten) Gas wie der Luft oder dem Wasserdampf in der Luft ist der Duck propor-
13.2 Modelle dynamischer Systeme
387
tional zur Konzentration und zur (absoluten Kelvin) Temperatur T :
(13.18)
p = RT c
R = 8.314 J/(mol·K) ist die sogenannte universelle Gaskonstante. T muss man in
Kelvin angeben; 25°C entsprechen also 298 K. Gl.(13.18) gilt für alle dünn verteilten
Stoffe, also Gase in der Atmosphäre und interessanterweise auch für (dünn) gelöste
Stoffe in Lösungsmitteln, also zum Beispiel Zucker oder Salz in Wasser, Sauerstoff
im Blut oder Kohlendioxid im Meerwasser.
Wir können nun eine Vorstellung davon entwickeln, wieviel Wasserdampf bei 25°C in
der Luft sein kann. Die chemischen Potentiale von Wasser und von Dampf werden
gleich sein, wenn ihre (Dampf-)Drücke gleich sind. Bei Sättigung ist der Druck
von Wasserdampf in der Atmosphäre etwa 3000 Pa, also etwa 3% des normalen
Luftdrucks. Also sollten 3% der Stoffmenge in der Atmosphäre Wasserdampf sein.
Gl.(13.18) sagt uns, dass für (trockene) Luft
cLuf t = n/V = p/ (RT ) = 105 / (8.314·298)) mol/m3
sein muss, dass also 40.4 mol Luft in einem Kubikmeter zu finden sein sollten. Das
entspricht einer Masse von m = M0 n = 0.029·40.4 kg = 1.17 kg pro Kubikmeter, was
durch Messungen bestätigt wird (die Molmasse von Luft ist näherungsweise die der
Mischung von 20% Sauerstoffgas O2 und von 80% Stickstoffgas N2 ). Die Stoffmenge
von Wasserdampf bei Sättigung müsste also etwa nW D ≈ 0.030·40.4 mol = 1.2 mol
sein, was einer Masse von mW D = 0.018·1.2 kg = 22 g entspricht (die Molmasse von
Wasser ist 0.018 kg/mol). Auch das wird durch Messungen bestätigt.
Relative Luftfeuchtigkeit. Das Konzept der relativen Luftfeuchtigkeit ist nun leicht
zu erklären. Darunter versteht man den Bruchteil des tatsächlichen Partialdrucks
des Wasserdampf bezogen auf den Partialdruck bei Sättigung. Hat es zum Beispiel
bei 25°C nur 11 g Wasser in einem Kubikmeter Luft, dann ist der Partialdruck des
Dampfes nur etwa 1500 Pa, damit ist also die relative Luftfeuchtigkeit φ etwa 50%:
φ=
pW D
pW D,Sättigung
(13.19)
Wie gesagt, der Sättigungs-(Partial-)Druck des Wasserdampfs ist gleich dem Dampfdruck des flüssigen Wassers, der ja stark von der Temperatur abhängig ist. Bei höheren Temperaturen hat es bei der gleichen relativen Feuchtigkeit also absolut mehr
Wasser in der Luft.
Modell für Verdunstung in einem Gefäss. Wir werden nun versuchen, ein möglichst einfaches Modell für den in Abb.13.12 dargestellten Vorgang der Ausbreitung
von Wasserdampf in der Luftsäule im Glaszylinder aufzubauen. Dabei wollen wir
die Reaktion, die Umwandlung von flüssigem zu gasförmigem Wasser bei der Verdunstung, gleich wie die Ausbreitung des Wasserdampfes behandeln: beide Prozesse
werden durch Unterschiede der Drücke des Wassers an den verschiedenen Stellen im
Zylinder angetrieben.
Das Modell ist grundsätzlich analog zu dem in Abb.11.5 angedeuteten, das für die
Diffusion eines Stoffes in einem festen Substrat (Methylenblau in Agar Agar) funktioniert. Die vertikale Luftsäule wird in ein paar Elemente zerlegt (hier: drei), die als
Speicher für die Stoffmenge von Wasserdampf dienen. Aus der Menge Wasserdampf
in einem Element mit Volumen V erhält man den Partialdruck des Wasserdampfs:
pW D = R T c = R T
n
V
(13.20)
388
Transport von Wasser
Unterschiede des Partialdrucks werden als Antrieb für den Stoffmengenstrom von
Wasserdampf von einem Element i in das benachbarte i + 1 verwendet:
(13.21)
In,ij = −Gn,ij (pi+1 − pi )
100
Rel Humidity
90
É
80
É
É
É
É
É
70
60
É
É É É
É É É
É É
É É
É É
É
É
É
50
0
500
1000
1500
Time / s
2000
Abbildung 13.14: Diagramm eines dynamischen Modells für die Ausbreitung von Wasserdampf in einer vertikalen Luftsäule. Der Flow links symbolisiert die Zufuhr von Dampf,
der durch Verdunstung an der Wasseroberfläche entstanden ist. Der Flow ganz rechts stellt
den Transport von Wasserdampf aus dem Gefäss in die Umwelt dar. Der Transport wird
durch die Unterschiede der Dampfdrücke modelliert. Die Daten, mit denen die Simulation
verglichen wird, stammen von der Messung der Luftfeuchtigkeit in einer (fast) isolierten
Aluminiumdose (Sensor ungefähr in halber Höhe).
Der Faktor Gn,ij stellt wie bei Fluiden und Elektrizität einen Leitwert für die Wanderung (Diffusion) dar; hier ist das der chemische Leitwert für Diffusion von Element
i in das benachbarte Element i + 1. Er hängt von der Distanz zwischen den Mitten
zweier benachbarter Elemente 4xij ab, die wir als charakteristische Distanz für die
Wanderung des Wasserdampfs nehmen (gleich wie bei der Diffusion von Methylblau in Agar Agar). Weiter hängt er von der Querschnittsfläche A der Luftsäule ab
und schliesslich natürlich davon, wie leicht der Wasserdampf durch ruhende Luft
wandert:
4xij
Gn,ij = σn
(13.22)
A
Der Faktor σn ist die “Stoffleitfähigkeit”, analog zur elektrischen Leitfähigkeit eines
Materials. Diese Gleichung entspringt der Idee, die wir jetzt schon sehr oft für
leitungsartige Transporte verwendet haben.
13.2 Modelle dynamischer Systeme
389
In der Annahme, dass die Idee für Diffusion durch einen ruhenden Stoff hier gelten soll, liegt der Hund begraben. Es dürfte fast ausgeschlossen sein, dass die Luft
im Zylinder ruht. Kleinste Änderungen in den Umweltbedingungen können zu Störungen führen, die es sehr schwer machen, die Messungen (Abb.13.12 und 13.14)
einfach zu interpretieren und zu modellieren. Zudem sind die verwendeten Sensoren ziemlich ungenau und haben ein kompliziertes Eigenverhalten, das heisst, der
Unterschied zwischen tatsächlicher und gemessener Feuchtigkeit hängt von der Dynamik der Vorgänge ab. Nacheinander mit der selben Einrichtung durchgeführte
Experimente zeigen auch jedes Mal ein anderes Verhalten.
24. Bei einer Messung der Luftfeuchtigkeit in einem schlanken Glaszylinder als Funkti-
on der Höhe über dem Wasserspiegel wurden nach etwa einem Tag folgende Werte
gemessen: 6.0 cm über Wasser: 94%; 12.5 cm: 87%, 23.5 cm: 75.6 cm; Höhe des
Gefässrandes über dem Wasser: 35 cm; Luftfeuchtigkeit der Umgebung: 63.5%. Welcher Funktion der Höhe über dem Wasser entspricht die Feuchtigkeit im stationären
Zustand? Welche Feuchtigkeit entspricht dem Ergebnis knapp über der Wasseroberfläche?
25. Das chemische Potential von Wasser und von Wasserdampf ändert sich näherungs-
weise linear mit der (Kelvin) Temperatur. Die Druckabhängigkeit des Potentials bei
Wasser ist fast Null, die des Wasserdampfs ist aber bedeutend. Benutzen Sie die
Form des Dampfdruckes in Abb.13.13 um zu argumentieren, dass das chemische
Potential eines Gases (Wasserdampf) logarithmisch vom Druck abhängen sollte.
26. Bei 40°C ist der Dampfdruck von Wasser etwa 0.074 bar. Wie gross sollte der Partialdruck des Wasserdampfs in der Atmosphäre bei Sättigung (100% Luftfeuchtigkeit)
sein, wenn der Luftdruck 1.00 bar beträgt? Wieviel Wasser befindet sich in einem
Kubikmeter Luft? Wie gross ist dann der (Partial-)Druck der Luft (ohne den Wasserdampf)? Wie gross ist der Partialdruck des Wasserdampfs bei 40% Luftfeuchtigkeit?
27. Gl.(13.18) nennt man auch die Zustandsgleichung des idealen Gases (ideales Gas
ist kein Stoff sondern ein Modell, eine Idealvorstellung des Verhaltens von stark
verdünnten Stoffen). Meistens findet man diese Zustandsgleichung durch den Zusammenhang zwischen Druck, Volumen und (Kelvin-)Temperatur ausgedrückt. Formulieren Sie Gl.(13.18) so um, dass Sie die Beziehung zwischen p, V, T erhalten. Wie
sieht die Gleichung aus, wenn man sie mit Druck, Temperatur und Dichte des Gases
schreibt?
28. Bestimmen Sie die Molmasse von Luft, wenn Sie annehmen, sie bestünde aus 20%
Sauerstoffgas und 80% Stickstoffgas. Kommt es dabei darauf an, ob die Prozentangaben auf Stoffmenge, Volumen oder Masse bezogen sind?
29. Heutzutage ist die Konzentration von Kohlendioxid (CO2 ) fast 400 ppmv (parts per
million by volume). Wie gross ist der Partialdruck dieses Gases in der Atmosphäre
bei einem Luftdruck von 1.0 bar? Wie gross ist er bei einer Konzentration von 270
ppmv (dem Vorindustriellen Wert)?
30. Wie gross ist der Druck von 0.10 g Kochsalz in 1.0 L Wasser gelöst? (Bemerkung:
NaCl zerfällt in zwei Ionen.)
31. Benutzen Sie die zweite und dritte Messkurve in Abb.13.13 zum Zeitpunkt 6000 s,
um die Stoffleitfähigkeit für Wasserdampf abzuschätzen. Die Sensoren 2 und 3 waren
9 cm auseinander, der Durchmesser des Zylinders betrug 5.0 cm. Die Temperatur
im Labor war ungefähr 21°C. Versuchen Sie, Ihr Ergebnis mit “offiziellen” Daten zu
vergleichen, um zu sehen, ob unser Modell überhaupt zutreffen kann.
13.2.4
...
Wassertransport in gesättigter Erde
Aufgaben
390
13.2.5
Transport von Wasser
Wassertransport in ungesättigter Erde
...
13.3
Konzepte und Beziehungen
13.3.1
Druck und Gravitationspotential
13.3.2
In Wasser gelöste Stoffe
13.3.3
Wasser in Erde
13.3.4
Das gravito-chemische Potential des Wassers
Aufgaben
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