Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 17. Zivilsenat, 5 U

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 17. Zivilsenat,
5 U 164/90
17.09.1991
Entscheidungsgründe:
Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht der Firma X. s.r.l. entgegen der
Ansicht der Vorinstanz kein Anspruch gegen die Beklagte auf Bezahlung der am
2.3.1989 an sie ausgelieferten Schuhe zu.
Ein solcher Anspruch war zwar gemäß Art. 53, 3 Abs. 1 des Übereinkommens
der Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf (United Nations
Convention on Contracts for the International Sale of Goods - CISG - vom
11.4.1980, BGBl II S. 588) in der eingeklagten Höhe von 4.268.970 Lit zunächst
entstanden; er ist jedoch durch wirksame Erklärung der Aufhebung des
Vertrages (Art. 49 Abs. 1 a, 46 Abs. 1 a, 25, 26, 81 Abs. 1 Satz 1 CISG) durch
die Beklagte anschließend weggefallen.
Zu Recht hat das Landgericht der Beurteilung der Rechtsbeziehungen das
genannte Übereinkommen über den internationalen Warenkauf (CISG) zugrunde
gelegt.
Das Einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen vom
17.7.1973 - EKG - (BGBl I, S. 856), das für die Bundesrepublik Deutschland mit
Ablauf des 31.12.1990 aufgehoben ist (Art. 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 VertragsG zur
CISG vom 5.7.1989, BGBl II, S. 586), ist auch nicht über die Übergangsregelung
des Art. 5 Abs. 2 VertragsG auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden.
Zwar gehörten sowohl Italien als auch die Bundesrepublik Deutschland zu den
Vertragsstaaten des Haager Kaufrechtsübereinkommens vom 1.7.1964; es
wurde jedoch von Italien bereits mit Ablauf des 31.12.1987 außer Kraft gesetzt.
Auf die ab dem 1.1.1988 geschlossenen deutsch-italienischen Kaufverträge kann
das EKG deshalb nicht mehr angewendet werden, weil dessen Art. 1 Abs. 1
voraussetzte, daß sich die Niederlassungen der Vertragsparteien in
verschiedenen Vertragsstaaten befanden (OLG Hamburg IPRax 1989, 247; OLG
Koblenz RIW 1989, 310; Asam RIW 1989, 942, 943), Italien zu dieser Zeit aber
nicht mehr "Vertragsstaat" war.
Da das UN-Übereinkommen über den internationalen Warenkauf erst am
1.1.1991 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist, kann es
allerdings über Art. 1 Abs. 1 a CISG nicht schon unmittelbar als Bestandteil der
deutschen Rechtsordnung wirksam werden (zum zeitlichen Geltungsbereich vgl.
Art. 100 CISG). Die Anwendbarkeit der CISG resultiert aber daraus, daß das
deutsche internationale Privatrecht auf das Recht eines Vertragsstaates
verweist, der auf den zu beurteilenden Sachverhalt die CISG anwenden würde
(vgl. Senat, Urteil vom 13.6.1991 - 5 U 261/90 -, RIW 1991,501 = DB
1991,1512; Asam RIW 1989,942, 943).
Mangels einer Rechtswahl richtet sich die Einordnung des Vertrages gemäß Art.
28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach dem Recht des Staates, mit dem er die engsten
Verbindungen aufweist, wobei die Vermutung gilt, daß dies der Staat ist, in dem
im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Partei, welche die charakteristische
Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre
Hauptverwaltung hat (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB). Vorliegend handelt es sich
um einen Werklieferungsvertrag, nicht um einen Kaufvertrag, da sich die
Zedentin verpflichtet hatte, die Schuhe nach den Angaben der Beklagten aus von
der Zedentin zu beschaffendem Stoffe herzustellen. Bei einem
Werklieferungsvertrag findet regelmäßig das Recht des Landes Anwendung, in
dem der Unternehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine
Hauptverwaltung hat, weil es seine Leistung ist, die dem Vertrag die
charakteristische Prägung gibt (Reithmann/Martiny, 4. Aufl. 1988, Rn. 408;
ähnlich sowohl für den Kauf- als auch für den Werkvertrag: vgl. Palandt/Heldrich,
50. Aufl., Art. 28 EGBGB Rn. 8, 14). Das bedeutet, daß italienisches Recht
anwendbar ist, weil die Zedentin ihre Hauptverwaltung in Italien hatte und von
dort auch ihre Leistung zu erbringen war.
Da Italien Vertragsstaat der CISG ist und das Übereinkommen in Italien seit dem
1.1.1988 gilt (Gesetz Nr. 765/1985 vom 11.12.1985, Supplemento Ordinario alla
Gazzetta Ufficiale No. 303 vom 27.12.1985, vgl. Herber/Czerwenka,
Internationales Kaufrecht, 1991, vor Art. 1 Rn. 16; Schwenzer, NJW 1990, 602
Fn. 5), wird es für die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien über Art. 1 Abs. 1
b CISG wirksam.
Danach ist das Übereinkommen auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien
anzuwenden, die ihre Niederlassungen in verschiedenen Staaten haben, wenn
die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines
Vertragsstaates führen. Einen möglichen Vorbehalt nach Art. 95 CISG, der die
Anwendung des Art. 1 Abs. 1 b CISG ausschlösse (Herber/Czerwenka, Art. 96
Rn. 3), hat Italien nicht erklärt (von Caemmerer/Schlechtriem, Kommentar zum
Einheitlichen UN-Kaufrecht - CISG -, 1990, Art. 2 VertragsG, Rn. 2 Fn.
6; Herber/Czerwenka, vor Art. 1 Rn. 16; zur Anwendbarkeit der CISG im
deutsch-italienischen Rechtsverkehr vor dem Inkrafttreten in der Bundesrepublik
Deutschland ferner: LG Stuttgart RIW 1989, 841; Asam RIW 1989, 942, 943).
Der zu beurteilende Werklieferungsvertrag fällt unter das Übereinkommen, denn
nach Art. 3 Abs. 1 CISG sind den Kaufverträgen Verträge über die Lieferung
herzustellender oder zu erzeugender Waren ausdrücklich gleichgestellt. Die
Ausnahme für den Fall, daß der Besteller einen wesentlichen Teil der für die
Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung zu stellen
hat, greift nicht ein.
Die Beklagte hat zu Recht mit rechtsgestaltender Erklärung im Fernschreiben
vom 7.3.1989 gegenüber der Zedentin die Aufhebung des Vertrages erklärt, weil
diese eine ihr gegenüber nach dem Vertrag obliegende Pflicht nicht erfüllt hat
und sich dies als eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt (Art. 49 Abs. 1 a,
25 CISG). Die wirksame Aufhebung des Vertrages hatte zur Folge, daß die
Vertragsparteien von ihren Vertragspflichten (mit Ausnahme etwaiger
Schadensersatzpflichten) befreit wurden (Art. 81 Abs. 1 Satz 1 CISG). Damit
entfiel insbesondere auch die Verpflichtung der Beklagten, den Kaufpreis für die
gelieferten Schuhe zu zahlen (vgl. Herber/Czerwenka, Art. 81, Rn. 2).
Dem Fernschreiben der Beklagten vom 7.3.1989 kommt die Wirkung einer
Erklärung der Vertragsaufhebung zu, weil die Beklagte der Zedentin darin
unmißverständlich mitgeteilt hat, daß sie die Schuhkollektion nunmehr mit einem
anderen italienischen Hersteller fertigen lassen werde und sie die mit der
Zedentin begonnene Zusammenarbeit ab sofort beenden werde. Damit konnte auch ohne daß dies eigens hervorgehoben werden mußte - für die Zedentin kein
Zweifel verbleiben, daß die Beklagte auch eine Erfüllung hinsichtlich der aus 130
Paar Schuhen bestehenden Musterlieferung ablehnte, die lediglich eine Vorstufe
der geplanten Lieferbeziehungen bildete und mit deren Abbruch ihren Zweck
verfehlte. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Vertragsaufhebung nach der
CISG war für den Eintritt der Rechtswirkungen der Vertragsaufhebung nicht
erforderlich (vgl. Herber/Czerwenka, Art. 49 Rn. 11). Es genügte, daß die
Beklagte deutlich machte, daß sie wegen der Vertragsverletzung der Zedentin
deren Rechnung nicht bezahlen werde, weil die gelieferten Muster für sie
nunmehr "wertlos" geworden seien.
Die Erklärung der Vertragsaufhebung ist fristgerecht erfolgt (Art. 49 Abs. 2 b
CISG). Die Beklagte hat das Fernschreiben, das die Aufhebungserklärung
enthielt, einen Tag nach Beendigung der Messe, auf der ihr die
Vertragsverletzung der Zedentin bekannt wurde, abgesandt. Die Erklärung
geschah damit "innerhalb einer angemessenen Frist". Auch wenn man der
Meinung zuneigen wollte, daß die "angemessene Frist" hier dem nahekommt,
was das deutsche Recht unter "unverzüglich" (§ 121 BGB) versteht, hätte die
Beklagte den Anforderungen mit dem am nächsten Tag abgesandten
Fernschreiben entsprochen.
Der Aufhebung des Vertrages steht auch Art. 82 CISG nicht entgegen, wonach
der Käufer das Recht verlieren kann, die Aufhebung des Vertrages zu erklären,
wenn es ihm unmöglich ist, die Ware im wesentlichen in dem Zustand
zurückzugeben, in dem er sie erhalten hat. Dafür, daß eine solche Unmöglichkeit
vorliegen könnte, ist nichts vorgetragen worden. Abgesehen davon erfaßt die
Vorschrift nur den Fall des Untergangs oder der Verschlechterung vor Erklärung
der Vertragsaufhebung (Schlechtriem/Leser, Art. 82 Rn. 13; Herber/Czerwenka,
Art. 82 Rn. 3). Es liegen aber keinerlei Anhaltspunkte vor, daß die am 2.3.1989
ausgelieferte Ware vor Erklärung der Vertragsaufhebung am 7.3.1989
beeinträchtigt worden sein könnte, zumal der 4. und 5.3.1989 auf ein
Wochenende fielen.
Der Zedentin fällt eine wesentliche Verletzung des Vertrages zur Last, die sie zu
seiner sofortigen Aufhebung berechtigte. Die Zedentin durfte die Schuhe, die mit
dem "M."-Zeichen versehen waren, nicht auf der in Bologna vom 3. bis 6.3.1989
stattfindenden Messe ausstellen und sie trotz der Aufforderung der Beklagten,
die Ausstellungsstücke zu entfernen, dort belassen.
Die Parteien haben darüber gestritten, ob zwischen der Zedentin und der
Beklagten verabredet worden ist, daß die Zedentin die nach den Angaben der
Beklagten angefertigten Modelle, die nicht das "M."-Zeichen trugen, nicht
anderweit vertreiben (und ausstellen) durfte. Auf eine solche Absprache, die das
Landgericht nicht hat feststellen können, kommt es indessen nicht an, weil sich
die Zedentin gegenüber der Beklagten jedenfalls verpflichtet hatte, Schuhe mit
"M."-Zeichen nicht zu vertreiben, und ein Verstoß dagegen bereits so schwer
wiegt, daß sich die Beklagte vom Vertrag lösen durfte.
Unerheblich ist, ob sich die Zedentin auf eine solche Bindung ausdrücklich
eingelassen hat, da es ausreicht, daß sie jedenfalls schlüssig getroffen wurde.
Das ist der Fall. Nach der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme
steht fest, daß die Vertreter der Beklagten bei der Vertragsanbahnung darauf
hingewiesen haben, daß die mit dem "M."-Zeichen versehenen Schuhe nur an
sie als Lizenznehmerin des Zeichenrechts vertrieben werden durften und das
Zeichen nur mit ihrer Genehmigung benutzt werden durfte. (...)
Wenn die Zedentin daraufhin in die Fertigung der Schuhe für die Beklagte
eingetreten ist, dann willigte sie damit schlüssig in eine entsprechende
vertragliche Bindung gegenüber der Beklagten ein. Diese erfaßte nicht nur eine
Veräußerung von Schuhen mit "M."-Zeichen an Dritte, sondern grundsätzlich
auch eine Ausstellung solcher Schuhe auf einer Verkaufsmesse.
Bei der Ausstellung der Schuhe auf der Messe handelte es sich um eine
wesentliche Vertragsverletzung im Sinne des Art. 25 CISG. Auch die Verletzung
einer Verpflichtung, die nicht eine Hauptpflicht des Vertrages, sondern eine
Nebenpflicht betrifft, kann sich ohne weiteres als wesentlich darstellen (von
Caemmerer/Schlechtriem, Art. 25 Rn. 24; Herber/Czerwenka, Art. 25 Rn. 5).
Wesentlich ist eine Vertragsverletzung (ähnlich wie bei Art. 10 EKG) dann, wenn
der Vertragszweck durch sie so ernsthaft gefährdet ist, daß für die betroffene
Vertragspartei infolge der Vertragsverletzung das Interesse an der Durchführung
des Vertrages wegfällt (und dies für die vertragsbrüchige Partei erkennbar war)
(vgl. Walter, Kaufrecht, 14 II 1 g, bb, S. 645). Diese Voraussetzungen liegen vor,
denn die Zedentin gab durch die Ausstellung der Schuhe mit dem
Markenzeichen auf einer Verkaufsmesse nach außen kund, daß auch solche
Schuhe von ihr zu beziehen seien. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß sie
diese Ausstellungsstücke deutlich erkennbar nur als Leistungsschau und
unverkäufliche Exemplare gekennzeichnet habe, so daß sich ein Eingehen
darauf erübrigt, wie sich eine solche Einschränkung auf das Ergebnis hätte
auswirken können. Das Vertrauen der Beklagten in die Vertragstreue der
Zedentin war durch die Ausstellung der Schuhe mit ,M .'-Zeichen ohne jede
Einschränkung jedenfalls nachhaltig gestört. Insbesondere die Weigerung der
Zedentin, die Ausstellungsstücke zu entfernen, zog ihre Bereitschaft, an der
Vereinbarung festzuhalten, keine solchen Schuhe ohne Genehmigung an Dritte
zu liefern, so sehr in Zweifel, daß der Beklagten ein weiteres Stehenbleiben am
Vertrag nicht mehr zuzumuten war. Meinungsverschiedenheiten über die Rechte
der Zedentin an Modellen ohne Markenzeichen rechtfertigen es nicht, auch
Schuhe mit Markenzeichen weiterhin auszustellen. All dies hätte die Zedentin
auch unschwer voraussehen können.
Zu Unrecht hält die Klägerin die "Exklusivitätsabrede" mangels Schriftform
gemäß 34 GWB für unwirksam und damit für ungeeignet, eine
Vertragsverletzung zu begründen. Ob 34 GWB auf den vorliegenden Sachverhalt
Anwendung findet, richtet sich nach der Kollisionsnorm des 98 Abs. 2 GWB, die
eine spürbare Auswirkung der Wettbewerbsbeschränkung auf dem Inlandsmarkt
erfordert (vgl. BGH GRUR 1979, 790, 791 - "Organische Pigmente"). Das
ungeschriebene Tatbestandsmerkmal eines "spürbaren" Inlandsbezugs dient der
Ausgrenzung aller Vorgänge, die für den Inlandsmarkt irrelevant oder deren
Auswirkungen im Inland minimal sind. Von einer derartigen Situation ist mangels
entgegenstehender Darlegung der Klägerin vorliegend auszugehen.
Auf die kartellrechtliche Frage, ob 34 GWB Anwendung findet, kommt es aber im
Ergebnis nicht einmal an. Denn auch wenn die Ausschließlichkeitsbindung
mangels Einhaltung der Schriftform nichtig wäre, stünde der Klägerin kein
Kaufpreisanspruch zu, da sich die Nichtigkeit auf den gesamten Vertrag
erstreckte (Immenga/Mestmäcker, 34 GWB Rn. 107; v. Gamm, Kartellrecht, 34
GWB Rn. 9), sie hingegen nicht lediglich isoliert den Teil, der die Bindung
enthält, wegfallen ließe, wovon die Klägerin offenbar ausgeht .
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