StadtLand und LandStadt

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Helmut Klüter:
(Institut für Geographie und Geologie, Universität Greifswald)
[email protected]
StadtLand und LandStadt
Landes- und Regionalentwicklung in MecklenburgVorpommern aus geografischer Perspektive
Vortrag auf der Schweriner Wissenschaftswoche 2015
„ZukunftsStadtLand Mecklenburg-Vorpommern“
am 15.10.2015 in der IHK zu Schwerin
Gliederung
1. Einleitung
2. Zum Verhältnis von Stadt und Land in MecklenburgVorpommern
3. Stadt-Land-Differenzierung der Zuwanderung
4. Pendleraktivität und Bautätigkeit
5. Das Leitbild „Garten der Metropolen“ als Alternative zu
den Schrumpfungsstrategien der Landesplanung
6. Zusammenfassung
Anhang:
Weitere Materialien für die Diskussion
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
2
1. Einleitung
„Wissenschaftsjahr 2015 im Zeichen der
Zukunftsstadt
Die Stadt ist für die meisten Menschen heute schon der Lebensort
Nummer eins. Denn das Leben in der Stadt ist attraktiv. Dazu
tragen auch Wissenschaft und Forschung bei. Der international
renommierte Stadtplaner Jaime Lerner brachte es auf den Punkt:
„Die Stadt ist nicht das Problem. Die Stadt ist die Lösung.“
Diesem Anspruch folgt das "Wissenschaftsjahr 2015 – Zukunftsstadt".
Weil Städte sich permanent entwickeln, sind sie auch Orte der
Innovation. Sie können ein ökologisches, soziales und ökonomisches
Modell für nachhaltige Entwicklungen sein.“
https://www.bmbf.de/de/wissenschaftsjahr-2015-im-zeichen-der-zukunftsstadt-219.html
(2015-10-14)
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
3
Fragen
• Kann/darf/soll man dieses Statement für
Mecklenburg-Vorpommern übernehmen?
• Kann es durch empirische Daten belegt
werden?
• Sollen jetzt möglichst viele Menschen in
die Städte ziehen?
• Was geschieht dann in ländlichen
Regionen?
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
4
2. Zum Verhältnis von Stadt und
Land in MecklenburgVorpommern
Die Entscheidung, nach welcher Methodik
die Unterscheidung von Stadt und Land
vorgenommen wird, hat erheblichen Einfluss
auf die Vergleichbarkeit der Ergebnisse, und
damit auf die Bewertung jener Unterschiede.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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Strategien zur Unterscheidung von Stadt und Land
in Mecklenburg-Vorpommern
Selektion nach:
Gruppenbildung
Kommentar
Titularstadt
Gemeinden mit Stadt als Teil des
Gemeindenamens – Gemeinden ohne
Stadtbezeichnung
Richtenberg mit 1.353
Einwohnern gilt als Stadt,
Heringsdorf mit 8.883
Einwohnern jedoch nicht
10.000 EinwohnerGrenze
Gemeinden > 10.000 Einw.
Gemeinden < 10.000 Einw.
Verstädterte Gemeinden wie
Bentwisch oder Kritzmow
gelten als ländlich.
Stadt-Umland-Räume
der Landesplanung
Stadt-Umland-Räume - ländliche
Räume
Güstrow, Waren und
Neustrelitz mit je über 20.000
Einwohnern gelten als
„ländlich“.
Kreisfreiheit, Leitbild
Kommunale Selbstverwaltung, „Kommunale Dienstleistungen
aus einer Hand“
Kreisfreie Städte - kreis- und
amtsangehörige Städte
Die vom Kommunalrecht und
von der EU präferierte Norm
wird in M-V seit 2011 nur noch
von 2 Städten erfüllt.
Stadt-LandGliederung der
EU
Städtisch: über 500 Einw./km²; >50.000 Ew.
Semiurban: >100 Einw./km², >50.000 Ew.
Ländlich: übrige Gemeinden
Wird in allen
Bundesländern gleich
erhoben.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
6
Die Ergebnisse der verschiedenen Differenzierungsstrategien fallen sehr
unterschiedlich aus.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
7
Vorteile der EU-Klassifizierung:
• Durch den Einbau einer dritten Gliederungsklasse
(semiurban, halbstädtisch) kann der Übergangsbereich
zwischen Stadt und Land besser abgebildet werden.
• Dieser Übergangsbereich umfasst Tourismusorte,
Landstädte, suburbanisierte und andere
spezialisierte Gemeinden.
• Die EU-Klassifizierung verbessert die überregionale
Vergleichbarkeit.
• Die Zuordnung der einzelnen Gemeinden wird vom
Statistischen Bundesamt regelmäßig aktualisiert.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
8
Nach der EU-Klassifizierung liegt der Anteil der städtischen
Bevölkerung Mecklenburg-Vorpommerns im Bundesschnitt. In
Bezug auf semiurbane und ländliche Bevölkerung sind die
Verhältnisse zu dem in Gesamtdeutschland genau umgekehrt.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
9
Die Mecklenburg-Vorpommern ähnlichste
Verteilung bietet das Bundesland Sachsen-Anhalt.
Allerdings ist dort der Anteil der semiurbanen
Bevölkerung um über ein Drittel höher als in M-V.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
10
Im Land Brandenburg liegt der Anteil der semiurbanen
Bevölkerung im Bundesdurchschnitt. Der Anteil der
städtischen Bevölkerung ist durch den Sonderfall
Berlin, das nicht zu Brandenburg gehört, verzerrt.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
11
Ähnliches gilt für das Nachbarland Schleswig-Holstein,
dem die Stadt Hamburg fehlt. In Schleswig-Holstein ist
die semiurbane Bevölkerung stärker als die ländliche.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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Auch in Niedersachsen ist die semiurbane
Bevölkerung erheblich stärker als die ländliche.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
13
In Bezug auf die relative Stärke der ländlichen Bevölkerung ist
Mecklenburg-Vorpommern einmalig in Norddeutschland.
Ebenso einmalig ist die relative Schwäche der semiurbanen
Bevölkerung.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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Hinsichtlich der Stärke der ländlichen Bevölkerung bilden
die ostdeutschen Länder mit Ausnahme Sachsens und
Berlins einen geschlossenen Block
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
15
Der räumliche Zentralisierungsgrad nach Bevölkerung entspricht dem
Verhältnis von ländlicher zur semiurbanen Bevölkerung. In MecklenburgVorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist dieses Verhältnis >1. Diese
Flächenländer sind doppelt so stark zentralisiert wie der deutsche Durchschnitt.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
16
Nach Fläche ist Mecklenburg-Vorpommern viermal stärker zentralisiert als
Deutschland im Durchschnitt. Es liegt mit großem Abstand vor Brandenburg
und Schleswig-Holstein. Die Zentren in Mecklenburg-Vorpommern sind um ein
Mehrfaches schlechter erreichbar als in den anderen Küstenländern.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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Zwischenergebnis
Unterschiede von Stadt und Land 1:
• Die in Mecklenburg-Vorpommern angewandten Strategien zur
Unterscheidung von Stadt und Land zeitigen sehr unterschiedliche
Ergebnisse, die sich teilweise widersprechen.
• Nach der EU-Klassifizierung liegt der Anteil der städtischen
Bevölkerung Mecklenburg-Vorpommerns im
Bundesdurchschnitt.
• In Bezug auf semiurbane und ländliche Bevölkerung sind die
Verhältnisse zu denen in Gesamtdeutschland genau umgekehrt.
• Die Mecklenburg-Vorpommern ähnlichste Verteilung bietet das
Bundesland Sachsen-Anhalt. Allerdings ist dort der Anteil der
semiurbanen Bevölkerung um über ein Drittel höher als in M-V.
• Die Verteilung (nach EU-Klassifizierung) in den anderen
Küstenländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen ähnelt der
gesamtdeutschen mehr als der Mecklenburg-Vorpommerns.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
18
Zwischenergebnis
Unterschiede von Stadt und Land 2:
• Der räumliche Zentralisierungsgrad nach Bevölkerung
entspricht dem Verhältnis von ländlicher zur semiurbanen
Bevölkerung. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und
Thüringen ist dieses Verhältnis >1. Diese Flächenländer sind
doppelt so stark zentralisiert wie der deutsche Durchschnitt.
Mecklenburg-Vorpommern ist 3,4-mal stärker zentralisiert als
Deutschland im Durchschnitt. In Mecklenburg-Vorpommern sind
die kleineren Zentren an Bevölkerung, an Wirtschaftskraft und in
ihrer Gesamtzahl zu schwach
• Nach Fläche ist Mecklenburg-Vorpommern viermal stärker
zentralisiert als Deutschland im Durchschnitt. Seine Zentren sind
entsprechend schlechter erreichbar.
• In Bezug auf die relative Stärke der ländlichen Bevölkerung ist
Mecklenburg-Vorpommern einmalig in Norddeutschland. Ebenso
einmalig ist die relative Schwäche der semiurbanen Bevölkerung.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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3. Stadt-Land-Differenzierung
der Zuwanderung
• Die Bevölkerung Mecklenburg-Vorpommerns ist im Jahr 2014
um 2.633 Personen gewachsen.
• Am 31.12.2014 hatte das Land 1.599.138
Erstwohnsitznehmer.
• Zweit- und Drittwohnsitznehmer wurden und werden nicht
systematisch erfasst.
• 102.136 Zuzügen über die Landesgrenzen standen 93.650
Fortzüge gegenüber.
• Der positive Wanderungssaldo (+8.486) fiel erstmals in
diesem Jahrtausend stärker aus als der Sterbeüberhang von
6.088 (12.830 Lebendgeborene, 18.918 Sterbefälle).
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
20
41,3% der Bevölkerung in M-V wohnen in Gemeinden unter 5.000 Einwohnern. Diese
Gemeinden können die Aufgaben der Kommunalverfassung nicht selbständig erfüllen.
22% wohnen in Gem. mit 5 bis 20 Tsd. Einwohnern: teilweise Erfüllung der Aufgaben.
36,7% wohnen in Städten mit über >50 Tsd. Einwohnern: nahezu vollständige Erfüllung
der Aufgaben der Kommunalverfassung
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
21
Den höchsten relativen Zuwanderungssaldo erzielten die 4 Städte der Klasse
mit 20 bis 50 Tsd. Einwohnern (+11,09‰).
Mit 10,64‰ lag auch die Klasse der Gemeinden mit 5 bis 10 Tsd. Einwohner
um das Doppelte über dem Landesdurchschnitt (+5,32‰).
Die Klassen 2 bis 3.000 (7,31‰) sowie 50 bis 100.000 (6,16‰) lagen
ebenfalls über dem Landesdurchschnitt.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
22
Nach Abzug des Sterbeüberhangs verblieb in der Klasse 5 bis
10 Tsd. Einw. ein Bevölkerungswachstum von +5,69‰. Die
Abbildung zeigt deutlich, dass nicht nur die großen Städte
wachsen.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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Erstmals seit 1996 zogen 2014 mehr Deutsche nach
Mecklenburg-Vorpommern als in andere Bundesländer
abwanderten.
Mecklenburg-Vorpommern: Wanderungen der deutschen
Bevölkerung über die Landesgrenze 1990 bis 2014
Personen
60.000
50.000
40.000
30.000
20.000
Zuzüge
10.000
Fortzüge
0
1990
1995
2000
2005
Berechnet nach : Wanderungen in Mecklenburg-Vorpommern 2014, S. 11;
2007, S. 10; 2000, S. 10. (Stat. Berichte A III - j)
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
2010
2015
H. Klüter
24
Mit 5.223 Zuzügen aus Berlin und Hamburg waren die beiden Metropolen an
der Zuwanderung nach Mecklenburg-Vorpommern stärker als die
Nachbarländer Schleswig-Holstein, Brandenburg oder Niedersachsen beteiligt.
Mecklenburg-Vorpommern: Zuzüge aus anderen
Bundesländern 2014
Zuzüge
4.900
4.400
3.900
3.400
2.900
2.400
1.900
1.400
900
400
- 100
60% der 26.827 Zuwanderer aus dem übrigen
Deutschland entfallen auf Berlin und Hamburg
sowie auf die Nachbarländer Schleswig-Holstein,
4.240
3.408
3.183 3.161
2.526
2.062
1.666
1.394 1.339 1.258
1.009
728
479
295
79
H. Klüter
Nordwest-Deutschland: grün, Ostdeutschland: rot, Süddeutschland: gelb.
Berechnet nach : Wanderungen in Mecklenburg-Vorpommern 2014. Stat. Bericht A III - j. S. 16
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
25
Die höchste Wanderungsattraktivität hat Mecklenburg-Vorpommern den
mittel- und westdeutschen Binnenländern gegenüber. Schwach negativ
fällt die Attraktivität den Küstenländern und Berlin gegenüber aus. Der
größte Teil der negativen Attraktivität konzentriert sich auf Hamburg.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
26
Unter den Zielregionen der Zuwanderung führen die
Kreise im östlichen Landesteil sowie die Stadt Rostock.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
27
Allerdings ist der östliche Landesteil auch von Abwanderung am
stärksten betroffen (Industrieschwäche, Ausdünnung der
Bildungsinfrastruktur)
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
28
Per Wanderungssaldo nehmen Vorpommern-Rügen und
die Landkreise im westlichen Mecklenburg die
Führungspositionen ein.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
29
Nach überregionaler Wanderungsattraktivität liegen die
Landkreise im westlichen Landesteil sowie VorpommernRügen über dem Landesdurchschnitt. Die kreisfreien
Städte, Vorpommern-Greifswald und Mecklenburgische
Seenplatte rangieren unterdurchschnittlich.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
30
Differenziert man das landesweite Bevölkerungswachstum von 1,65‰
Promille nach Kreisen, ergibt sich für den Landkreis Rostock und die Stadt
Schwerin das größte Wachstum (über 6 ‰). Vorpommern-Greifswald und
Mecklenburgische Seenplatte weisen einen schwachen Rückgang auf.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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Die Realität widerspricht bereits seit mehreren Jahren der so genannten
„Prognose“, auf die sich die Landesregierung im 2. Entwurf zum
Landesraumentwicklungsprogramm 2016 beruft. Demnach dürfte nur die
Stadt Rostock wachsen, deren Wachstum jedoch zur Zeit vom Landkreis
Rostock und Schwerin überflügelt wird.
Wenn die Mecklenburgische
Seenplatte in 20 Jahren über
20 Prozent Bevölkerung verlieren soll, müsste sie pro
Jahr etwa 1 Prozent, also 10
Promille verlieren. Sie verliert aber in der Wirklichkeit
weniger als 3 Promille im
Jahr.
Die falsche Prognose und die
darauf fußenden Schrumpfungswünsche der Landesregierung müssen vollständig aus dem LEP M-V entfernt werden.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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Amtsfreie Gemeinde,
Kreis
Amt
LRO Kühlungsborn, Stadt
VR
Mönchgut-Granitz
LUP Boizenburg-Land
LRO Rostocker Heide
LUP Zarrentin
LRO Bad Doberan, Stadt
LRO Dummerstorf
LRO Carbäk
LUP Ludwigslust, Stadt
LRO Satow
LRO Bad Doberan-Land
LRO Warnow-West
VR
Binz
LUP Hagenow, Stadt
LUP Wittenburg
MSE Stargarder Land
VG
Löcknitz-Penkun
LUP Parchim, Stadt
Bevölkerung
31.12.2014
7.825
7.069
7.492
8.851
9.945
11.785
7.202
8.460
12.243
5.506
11.690
16.404
5.172
11.443
9.160
9.721
10.819
17.794
Veränderung
2014
Personen
336
169
153
178
175
178
103
107
148
65
137
191
58
119
95
99
109
177
‰
44,87
24,49
20,85
20,52
17,91
15,34
14,51
12,81
12,24
11,95
11,86
11,78
11,34
10,51
10,48
10,29
10,18
10,05
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
Ämter und amtsfreie
Gemeinden mit mehr
als 10‰ Bevölkerungswachstum 2014
Das Wachstum auf dieser
Aggregationsebene schließt
auch die Wanderungen innerhalb Mecklenburg-Vorpommerns mit ein.
Alle Landkreise mit Ausnahme von Nordwestmecklenburg sind unter den wachstumsstärksten Gebietseinheiten vertreten. Mit Kühlungsborn, Bad Doberan,
Ludwigslust, Hagenow und
Parchim sind kleinere Städte
im westlichen Landesteil besonders stark präsent.
33
Gruppierung der 116 amts- und kreisfreien Gemeinden sowie der
Ämter Mecklenburg-Vorpommerns nach Wachstum 2014
Wachstumsklasse
1.
> 10‰
2.
5 bis
9,99‰
3.
2 bis
4,99‰
4.
-1,99 bis
+1,99‰
5.
-2 bis 4,99‰
6.
-5 bis 9,99‰
7.
< -10‰
Fläche
Einw./
BevölEinige Regionen, Städte, Ämter
km²
km²
kerung
18 178.581 2.434
73 Einige Seebäder, Rostocker Umland, Ludwigslust, Hagenow,
Parchim, Löcknitz-Penkun
13 215.855 1.775
122 Ländlicher Raum entlang überregionaler Verkehrsachsen,
Anzahl
Seebäder, Schwerin, Güstrow, Boizenburg
19 520.059
3.528
21 284.614
3.934
147 Ländlicher Raum entlang überregionaler Verkehrsachsen,
Rostock, Stralsund, Greifswald, Wismar, Waren, Neustrelitz
72 Landstädte, dünnbesiedelter ländlicher Raum, Neubrandenburg,
Ribnitz-Damgarten, Bergen, Barth, Grimmen, Sassnitz, Heringsdorf,
Darß-Fischland
14 132.960
3.744
20 180.011
4.932
36 Landstädte, dünnbesiedelter ländlicher Raum, Demmin,
Pasewalk, Teterow, Mecklenburgische Schweiz,
Sternberger Seenlandschaft
36 Landstädte, dünnbesiedelter ländlicher Raum, Anklam, Malchin,
Gadebusch, Kröpelin, Stavenhagen, Graal-Müritz, Strasburg
11
87.058
2.867
30 Dünnbesiedelter ländlicher Raum, Grevesmühlen, Lübtheen, Gnoien,
West-Rügen, Süderholz
Das Bevölkerungswachstum ist keineswegs auf größere Städte oder auf die Küste
konzentriert. Auch die Skala der Bevölkerungsdichte ergibt keine klaren Regelmäßigkeiten. Auffällig ist vielmehr eine breite Streuung der Gebietseinheiten mit Wachstum.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
34
Zwischenergebnis zur
Stadt-Land-Differenzierung der Zuwanderung
•
•
•
•
•
•
41,3% der Bevölkerung in M-V wohnen in Gemeinden unter 5.000 Einwohnern. Diese
Gemeinden können die Aufgaben der Kommunalverfassung nicht selbständig erfüllen
– und auch kaum aktive Zuwanderungspolitik betreiben.
Bei der Verteilung des Bevölkerungswachstums sind kleine, finanzschwache
Gemeinden entsprechend benachteiligt.
Am stärksten wachsen die Gemeindegrößenklassen 5 bis 10 Tsd. sowie 20 bis 50
Tsd. Einwohner.
Die höchste Wanderungsattraktivität hat Mecklenburg-Vorpommern den mittelund westdeutschen Binnenländern gegenüber. Schwach negativ fällt die
Attraktivität den Küstenländern und Berlin gegenüber aus. Der größte Teil der
negativen Attraktivität konzentriert sich auf Hamburg.
Innerhalb Mecklenburg-Vorpommerns konzentriert sich die überregionale
Wanderungsattraktivität auf die Landkreise Rostock und Vorpommern-Rügen.
Die Differenzierung des Wachstums nach Ämtern und amtsfreien Gemeinden zeigt,
dass weder große Städte noch „zentrale Orte“ dominieren. Es gibt eine breite
Streuung das Wachstums mit gewissen Schwerpunkten an der Küste, bei
Landstädten und in ländlichen Räumen entlang überregionaler Verkehrsachsen.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
35
4. Pendleraktivität und Bautätigkeit
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
36
Die Kreise Nordwestmecklenburg, Ludwigslust-Parchim und
Mecklenburgische Seenplatte sind nach Auspendlerzahl stärker mit anderen
Bundesländern als mit Kreisen in Mecklenburg-Vorpommern verflochten.
Verteilung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Wohnort,
nach Kreisen. Stand: 30.06.2014
SV-Beschäftigte
SV-Beschäftigte
SV-Beschäftigte
mit Wohn- und
mit Arbeitsort in
mit Arbeitsort in SV-Beschäftigte
Arbeitsort im
einem anderen
einem anderen am Wohnort in
selben Kreis
Kreis M-Vs
Bundesland
M-V
50.930
17.054
17.894
85.878
36.004
10.157
14.081
60.242
45.348
27.973
7.190
80.511
63.761
10.639
6.420
80.820
53.130
14.467
6.237
73.834
23.801
6.446
3.685
33.932
79.775
7.658
9.078
96.511
67.896
7.773
7.352
83.021
Ludwigslust-Parchim
Nordwestmecklenburg
Landkreis Rostock
Vorpommern-Rügen
Stadt Rostock
Stadt Schwerin
Meckl. Seenplatte
Vorpommern-Greifswald
MecklenburgVorpommern
420.645
102.167
71.937
Grün: Kreis mit dem Hauptauspendlerziel Hamburg-Schleswig-Holstein
Rot: Kreis mit Hauptauspendlerziel Berlin-Brandenburg
Aus: Stat. Amt M-V (2015): Pendlerverhalten der sozialversicherungspfliche beschäftigten
Arbeitnehmer Mecklenburg-Vorpommerns 2014. Stat. Ber. A VI - j. S. 46 - 47.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
594.749
37
In Nordwestmecklenburg und Ludwigslust-Parchim pendelt
jeder 5. Arbeitnehmer in ein anderes Bundesland, in den
übrigen Kreisen jeder 10. bis 12.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
38
In Bezug auf das Auspendeln über die Landesgrenzen ist
Mecklenburg-Vorpommern geteilt:
Die Bevölkerung im Westen und Norden pendelt überwiegend in die
Metropolregion Hamburg,
die im Osten und Südosten in die Metropolregion Berlin-Brandenburg.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
39
Ist die Pendlerabhängigkeit von Hamburg-SchleswigHolstein größer als die von Brandenburg-Berlin?
• Anhand der hier genutzten Daten ist Frage nicht zu
beantworten.
• Die Daten beziehen sich nur auf die
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
• Beamte, Selbständige, Freiberufler und Bildungspendler
wurden nicht gezählt. Genau dies sind jedoch die
Kontingente, in denen das Pendlerziel Berlin stark ist.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
40
Trotz der Entspannung auf dem Arbeitsmarkt nimmt die Zahl der
Auspendler kaum ab. 2014 lag sie bei 72.507 Personen. Die Zahl der
Einpendler ist seit 2003 um 27% auf 25.851 Personen gewachsen.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
41
Das Kreisgrenzen überschreitende Pendeln innerhalb MecklenburgVorpommerns konzentriert sich auf die Einzugsbereiche der beiden
Stadtkreise.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
42
Auswirkungen der Zuwanderung auf den Wohnungsbau:
Mecklenburg-Vorpommern liegt beim anteilmäßigen Zubau seit 2000
nach Brandenburg und Bayern an 3. Stelle unter den 16
Bundesländern.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
43
Das relative Wachstum konzentrierte sich vor allem auf die Landkreise und die
Stadt Greifswald. Rostock und Schwerin lagen nicht nur unter dem Landes-,
sondern auch unter dem deutschen Durchschnitt. Bis auf Uecker-Randow und
Demmin wiesen vor allem die Kreise im Osten des Landes positive Werte auf.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
44
Zwischenergebnis zu Pendleraktivität und Bautätigkeit
•
•
•
•
•
•
Die Kreise Nordwestmecklenburg, Ludwigslust-Parchim und Mecklenburgische
Seenplatte sind nach Auspendlerzahl stärker mit anderen Bundesländern als mit
Kreisen in Mecklenburg-Vorpommern verflochten.
In Nordwestmecklenburg und Ludwigslust-Parchim pendelt jeder 5. Arbeitnehmer in
ein anderes Bundesland, in den übrigen Kreisen jeder 10. bis 12.
In Bezug auf das Auspendeln über die Landesgrenzen ist Mecklenburg-Vorpommern geteilt: Die Bevölkerung im Westen und Norden pendelt überwiegend in die
Metropolregion Hamburg, die im Osten und Südosten in die Metropolregion BerlinBrandenburg.
Trotz der Entspannung auf dem Arbeitsmarkt nimmt die Zahl der Auspendler kaum
ab. 2014 lag sie bei 72.507 Personen. Die Zahl der Einpendler ist seit 2003 um 27%
auf 25.851 Personen gewachsen.
Die Zuziehenden beflügeln den Wohnungsbau. Mecklenburg-Vorpommern lag
beim anteilmäßigen Zubau 2000 - 2011 nach Brandenburg und Bayern an 3.
Stelle unter den 16 Bundesländern.
Innerhalb Mecklenburg-Vorpommerns konzentrierte sich der überproportionale
Zubau auf die Landkreise und auf die Stadt Greifswald.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
45
5. Das Leitbild „Garten der Metropolen“ als Alternative
zu den Schrumpfungsstrategien der Landesplanung
• Teile der Bevölkerung der beiden Metropolregionen
Hamburg und Berlin ziehen nach MecklenburgVorpommern nicht zuletzt, um den dortigen hohen
Wohn- und Freizeitwert zu genießen.
• Dafür werden offenbar lange Pendlerwege in Kauf
genommen.
• Ein Teil der Zuwanderer ist so kapitalstark, dass er sich
am Baugeschehen in Mecklenburg-Vorpommern
beteiligt.
• Menschen mit „städtischen“ Arbeitsplätzen ziehen auf‘s
Land, ohne dort eine Verstädterung im klassischen
Sinne zu bewirken.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
46
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
Erstwohnsitz
Zweitwohnsitz
Stammgast in
Fereinwohnung
Ferienwohnung
Menschen machen in Mecklenburg-Vorpommern Urlaub, zunächst vielleicht in
einem Hotel. Im folgenden Jahr nehmen
sie eine Ferienwohnung, in der sie mehr
oder weniger Stammgast werden. Mit dem
beruflichen Aufstieg können sie sich einen
Zweitwohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern leisten. Dessen Aufbau und
Erhaltung führen dazu, dass schließlich der
Stammwohnsitz aufgegeben und der
Hauptwohnsitz nach M-V verlegt wird.
Urlaub
Sukzession vom
Urlauber zum
Erstwohnsitznehmer –
47
Das bedeutet:
Die Zuwanderer der Zeit bis 2020 sind
bereits größtenteils im Lande – als
Stammgäste in einer Ferienwohnung oder
als Zweitwohnsitznehmer.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
48
„Garten der Metropolen“ als neues Leitbild
„Garten der Metropolen“ verbindet
• den Freizeit- und Erholungswert ländlicher Räume für
die Einwohner der Agglomerationen Berlin, Hamburg,
Rostock und Szczecin
• mit qualitativ hochwertigem Wohnen und Arbeiten vor
ländlicher Kulisse,
• mit einem regional angepassten Produktions- und
Dienstleistungssektor, einschließlich urbaner Sektoren,
bei denen der Arbeitsplatz nicht oder zeitweise nicht mehr
city-gebunden zu sein braucht,
• und mit einer regional effektiven Landwirtschaft.
• Eine derartige überwiegend klein- und mittelbetrieblich
strukturierte Landwirtschaft bedient mit der Erzeugung
hochwertiger, ökologisch einwandfreier Produkte die
Nachfrage der eigenen Bevölkerung und der
Metropolen.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
49
„Garten der Metropolen“
kann für die ländlichen Räume in
Nordostdeutschland das resignative,
fatalistische de-facto-Leitbild vom
„Demographischen Wandel“ ersetzen.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
50
Leitbild
„Garten der Metropolen“
Neue
planerische
Untergliederung
ländlicher
Räume
Neues
Monitoring
für
Ländliche
Räume
Stärkung
der
Gemeinden
in
Ländlichen
Räumen
Stärkung der
Bindeglieder
zwischen regional
effektiver
Landwirtschaft,
Tourismus, Kunst,
Kultur,
Sozialbereich und
Wohnen
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
Neue
Ausbildungsinhalte für
Landwirtschaftsschulen und
Ausbildungsstätten in
ländlichen
Räumen
51
Neue planerische Untergliederung
ländlicher Räume
• Im neuen Landesraumentwicklungsprogramm müssen die
räumlichen Überschneidungen zwischen den
Vorbehaltsgebieten Tourismus, Landwirtschaft, Naturschutz
und Landschaftspflege drastisch reduziert werden.
• Der ländliche Raum als Planungskategorie muss weiter differenziert
werden, und zwar in:
+ Ländlicher Raum mit starker Wirtschaftsbasis (Tourismus),
+ Ländlicher Raum entlang überregionaler Verkehrsachsen,
+ Landstädte,
+ dünn besiedelter Ländlicher Raum.
• In Ländlichen Räumen mit starker Wirtschaftsbasis muss die
Zweitwohnsitzentwicklung gebremst und gesteuert werden.
• Im Ländlichen Raum entlang überregionaler Verkehrsachsen, in
Landstädten und im dünn besiedelten Ländlichen Raum sollten
bestehende Ortskerne Wohnbrachen für Zweitwohnsitznehmer
begünstigt werden.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
52
Neues Monitoring für Ländliche Räume
• Soziale und wirtschaftliche Indikatoren müssen für
ländliche Räume und Gemeinden ähnlich exakt und
ausführlich dargestellt und veröffentlicht werden wie für
städtische. Interessante Beispiele sind die
Kommunalprofile in Schweden, Nordrhein-Westfalen oder
Bayern.
• Wie in anderen Ländern Europas auch müssen Zweitund Drittwohnsitze systematisch erfasst werden.
• Die soziale und bildungsbezogene Infrastruktur in
ländlichen Räumen muss entsprechend
umprogrammiert und umstrukturiert werden. Sie muss
in die Lage versetzt werden, „Stadtflüchter“ mit ihren
Familien und Touristen optimal zu bedienen.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
53
Stärkung der Gemeinden
• Die Gemeinden müssen finanziell und organisatorisch in die
Lage versetzt werden, die Aufgaben der
Kommunalverfassung selbständig zu erfüllen.
• Es ist absurd, dass in Mecklenburg-Vorpommern sterbende
Landgemeinden über die Umverteilung mittels FAG
prosperierende Städte unterstützen. Das FAG muss den
realen Bedarfsverhältnissen angepasst werden.
• Die Gemeinden sollen durch Angebote zur Entschuldung,
zur Verbesserung der Bildungsinfrastruktur und
Gesundheitsversorgung u. ä. zu territorial und
organisatorisch sinnvollen Zusammenschlüssen motiviert
werden. Der Schutz der Interessen kleinerer Orte kann
durch Flächenbeiräte und andere Strukturen innerhalb der
neuen Gemeinden gesichert werden.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
54
Stärkung der Bindeglieder zwischen regional effektiver
Landwirtschaft und anderen Wirtschaftssektoren
•
•
•
Derzeit produzieren die agrarindustriellen Strukturen in MecklenburgVorpommern mit extrem niedriger Flächenproduktivität, wobei nicht die
Versorgung der Bevölkerung, sondern die Bedienung der Nahrungs- und
Futtermittelindustrie sowie der Energiewirtschaft im Vordergrund steht.
Hochwertige landwirtschaftliche und ökologisch saubere Erzeugnisse muss
Mecklenburg-Vorpommern einführen.
Durch Kappung der Subventionen für agrarindustrielle Großbetriebe
können in Mecklenburg-Vorpommern etwa 200 Millionen € freigesetzt
werden, die dann im Sinne der EU-Agrarpolitik für die Entwicklung kleiner
und mittlerer Unternehmen zur direkten Versorgung der Bevölkerung im
Lande und in den Metropolen eingesetzt werden können.
Die Verbindungen zwischen Landwirtschaft und anderen
Wirtschaftssektoren müssen genauer untersucht werden. In einer
dänischen Studie zur Lebensauffassung von Landwirten auf Jütland
bezeichneten sich 178 von insgesamt 323 Befragten als „Hobby-Landwirte“.
Harte agrarische Erwerbs- und Gewinnmaximierungsinteressen stehen bei
ihnen nicht mehr im Vordergrund.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
55
Die Bruttowertschöpfung der agrarindustriell dominierten Landwirtschaft
stagniert seit 2000, während sich die übrigen Wirtschaftszweige in
Mecklenburg-Vorpommern überwiegend positiv entwickelt haben. Der Anteil
der Landwirtschaft an der gesamten Bruttowertschöpfung s ist von 4,3% im
Jahr 2000 auf 3,1% im Jahr 2014 gesunken.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
56
„Garten der Metropolen“ ist hier wörtlich zu verstehen: Wir brauchen beispielsweise mehr
Gartenbau. Betrachtet man die Anteile Mecklenburg-Vorpommerns an den landwirtschaftlichen
Verkaufserlösen in Deutschland, dann zeigt sich, dass seine Landwirtschaft in einigen
Hochpreissegmenten unterrepräsentiert ist: Obst, Baumschulerzeugnisse, Blumen u.
Zierpflanzen. Letztere (Blumen und Zierpflanzen) bilden deutschlandweit die zweitwichtigste
Produktgruppe im Pflanzenbau nach Getreide.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
57
Wachstumschance Aus- und Weiterbildung:
Die Ausbildungsmöglichkeiten für landwirtschaftliche Berufe und der
Berufseinstieg müssen attraktiver und nachfragegerechter gestaltet werden.
Nachholbedarf besteht besonders in:
• Regionale Nachfrage – regionales Angebot - regionale
Kreisläufe,
• Nachhaltige Bodenbewirtschaftung,
• Genossenschaften, genossenschaftliche Organisation der
Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte,
• Einkommenskombination,
• Ökologisierung,
• Marketing hochwertiger landwirtschaftlicher Produkte.
Eine Bildungs- und Weiterbildungseinrichtung mit diesen
Schwerpunkten wird nicht nur im Nordosten, sondern auch im übrigen
Ostdeutschland benötigt. Eine entsprechende Sechs-Länder-Akademie
könnte ins Leben gerufen werden.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
58
Wie neu ist das?
„Dieser Atlas zeigt, dass das Östliche
Mecklenburg-Vorpommern der Bevölkerung und
den Unternehmen die Vorzüge einer hoch
mobilen, dispers siedelnden städtischen
Dienstleistungsgesellschaft vor ländlicher
Kulisse bietet. Dabei schließt die ländliche Kulisse
Freizeitmöglichkeiten von höchstem Standard ein
– vor allem an der Küste und auf der
Mecklenburgischen Seenplatte.“
Aus: Wirtschaftsatlas Vorpommern und Mecklenburgische Seenplatte.
Schwerin 2005, S. 110.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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Heute – 10 Jahre später – rangiert MecklenburgVorpommern als Dienstleistungsgesellschaft (DLAnteil an der Wertschöpfung) mit Hessen an
oberster Stelle der Flächenländer
Allerdings ist der hohe Dienstleistungsanteil nicht zuletzt durch
die besondere Schwäche von
Industrie und Landwirtschaft bedingt.
Mit 16.119 €/Einw. Bruttowertschöpfung im DL-Bereich
lag M-V 2014 26% unter dem
deutschen Durchschnittswert von
22.039 €/Einwohner. In M-V handelt es sich nur an der Küste und in
einigen Städten um Vermögenstertiarisierung. In anderen Regionen
dominiert Rumpftertiarisierung.
Aus: Stat. Ämter d. Bundes u. der Länder (2015): 25 Jahre deutsche Einheit. S. 39.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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Einige Ergebnisse in Thesen 1
• Die klassische Untergliederung in städtische und ländliche Räume
mit der ebenso klassischen Präferierung der kreisfreien Städte und
Oberzentren durch die Landesplanung wird der heutigen Realität und
ihren Trends in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr gerecht.
• Nach der Stadt-Land-Gliederung der EU sind in MecklenburgVorpommern die semi-urbanen Räume zu schwach entwickelt. Anders
ausgedrückt: Mecklenburg-Vorpommern ist im Vergleich zu anderen
Bundesländern stark überzentralisiert.
• Die ländlichen Räume wurden durch die Zentralisierungspolitik der
letzten Jahrzehnte so stark geschwächt, dass in der Infrastruktur, vor
allem im Gesundheits- und Bildungsbereich, die Gleichwertigkeit der
Lebensbedingungen nicht mehr gewährleistet ist.
• Trotz der drastischen Zentralisierungspolitik der letzten Jahre und weist
Mecklenburg-Vorpommern seit 2013 positive Wanderungssalden und
seit 2014 ein absolutes Bevölkerungswachstum auf.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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Einige Ergebnisse in Thesen 2
• Dieses Wachstum widerspricht bereits seit mehreren Jahren der
Bevölkerungsprognose, auf die sich die Landesregierung im 2. Entwurf
zum Landesraumentwicklungsprogramm 2016 beruft. Die falsche
Prognose und die darauf fußenden Schrumpfungswünsche der Landesregierung müssen vollständig aus dem LEP M-V entfernt werden.
• Die Hypothese von „Stadt der Zukunft“, dass vor allem größere Städte
wachsen, trifft für Mecklenburg-Vorpommern nicht zu. Zwar weisen die
großen und mittelgroßen Städte ein gewisses Wachstum auf, werden
aber von einigen ländlichen Regionen dabei übertroffen.
• Es ist jedoch davon auszugehen, dass große Teile des Wachstums in
ländlichen Räumen urban bedingt sind, weil die Mobilitäts- und
Kommunikationsreichweiten der städtischen Bevölkerung
zugenommen haben.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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Einige Ergebnisse in Thesen 3
• Die Metropolen Berlin und Hamburg liegen zwar außerhalb unserer
Landesgrenzen, reichen aber mit ihren Einflussgebieten weit nach
Mecklenburg-Vorpommern hinein. Dieses besondere Verhältnis wird im
Leitbild vom „Garten der Metropolen“ ausgedrückt.
• Im „Garten der Metropolen“ zielen die Entwicklungsimpulse weniger
auf die Städte – denn „Stadt“ gibt es in Berlin und Hamburg genug –
sondern eher auf ländliche Siedlungen.
• Angesichts dieser Trends benötigt Mecklenburg-Vorpommern in Zukunft
keine Schrumpfungs- (wie im LEP-Entwurf 2016), sondern
Wachstumsstrategien.
• Da die Tourismusräume an der Ostsee, die größeren Städte und ihr
Umland bereits stark genutzt werden, muss das Wachstum vor allem
in die ländlichen Räume entlang überregionaler Verkehrsachsen,
in die Landstädte und in die dünn besiedelten ländlichen Räume
gelenkt werden.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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Einige Ergebnisse in Thesen 4
•
In diesen Räumen muss die Verkehrs-, die Bildungs-, Gesundheits- und
Sozialinfrastruktur dringend verbessert werden, wobei die Dienstleistungen
für die multilokale Bevölkerung besonders zu berücksichtigen sind.
• Vor dem Hintergrund der durch die Agrarindustrie verursachten niedrigen
Wachstumszahlen in der Bruttowertschöpfung der Landwirtschaft ist es
volkswirtschaftliche Verschwendung, diesem Wirtschaftszweig (im Entwurf
des neuen LEP M-V 2016) Vorbehaltsgebiete zuzuweisen, die von anderen
Wirtschaftszweigen besser und effektiver in Wert gesetzt werden. Dazu gehören
vor allem Tourismus, naturnahes Wohnen und Dienstleistungen für Senioren.
• Die Vorbehaltsgebiete Naturschutz und Landschaftspflege müssen
vergrößert werden, um die Kulissenfunktionen für Tourismus und hochwertiges
Wohnen zu stärken.
Die hier dargestellten Ergebnisse beziehen sich auf das Jahr 2014, d.h. auf eine
Periode, in der die Zuwanderung aus Deutschland die aus dem Ausland nach
Mecklenburg-Vorpommern um etwa die Hälfte übertraf. 2015 hat die Zuwanderung
aus dem Ausland aufgrund des Flüchtlingszustroms drastisch zugenommen. Es
wird also noch viel mehr Wachstum als bisher geben. Gemeinsam mit SachsenAnhalt hat Mecklenburg-Vorpommern die größten Siedlungsreserven Deutschlands,
und zwar vor allem auf dem Lande. Diese Entwicklungschance muss konstruktiv
genutzt werden.
H. Klüter: Stadt-Land-Entwicklung in M-V
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