DFG-Forschergruppe ergründet „Mikroben

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DFG-Forschergruppe ergründet „Mikroben-Impfung“
Einzellern wie Archaeen und Bakterien traut man dieses Raffinement eher nicht zu. Und
dennoch verfügen viele dieser Kleinstlebewesen über einen ausgeklügelten VirenAbwehrmechanismus namens CRISPR/Cas, gegen den Schutzmechanismen wie Restriktion
und Modifikation so plump wirken wie eine Selbstschussanlage im Vergleich zu einem
Scharfschützen.
Prof. Dr. Anita Marchfelder, Sprecherin der Forschergruppe. © Uni Ulm
Experimentell bewiesen wurde der Schutzmechanismus, mit dem sich Bakterien und Archaeen
gegen Viren erfolgreich zur Wehr setzen, erst 2007. Verstanden und erklärt ist er noch nicht
annähernd. Das will eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte
Forschergruppe (FOR 1680: "Unravelling the Prokaryotic Immune System") ändern. Ihre
Sprecherin ist die Ulmer Molekularbiologin Anita Marchfelder. Ist diese nach dem Prinzip einer
„Selbstimpfung" ablaufende Immunabwehr verstanden, lässt sie sich möglicherweise
industriell nutzen, zum Schutz von Produktionsstämmen in der Milchindustrie oder etwa für die
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Treibstoffproduktion.
Ausgeklügeltes Abwehrsystem
CRISPR steht für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats und bezeichnet
Genabschnitte aus kurzen Sequenzwiederholungen (Repeats) und Abschnitten (sogenannte
Spacer), die spezifisch fremde Gene erkennen und deren Zerstörung bestimmen. Zusätzlich
werden noch Proteine benötigt (Cas-Proteine ). 50 Prozent der bislang untersuchten Bakterien
besitzen dieses „Impf-System“, warum es der anderen Hälfte fehlt, weiß niemand. Neun von
zehn untersuchten Archaeen wehren sich so gegen virale Angriffe. Nicht auszuschließen ist,
dass man ein bislang noch nicht identifiziertes neues CRISPR/Cas-System entdeckt.
Erst die Grundlagen, dann die Anwendung
Marchfelders Modellorganismus, der salzliebende Haloferax volcanii. © Paul Walther/Uni Ulm
Die Forscher versuchen dem Abwehrmechanismus anhand von sechs Organismen auf die
Schliche zu kommen. Diese Organismen wurden nach Anwendungspotenzial und technischer
Verfügbarkeit ausgesucht. In der zweiten Phase des auf sechs Jahre angelegten und mit knapp
1,5 Mio. Euro geförderten Vorhabens will die Forschergruppe nach den Worten ihrer Sprecherin
kleine Unternehmen einbinden und die Anwendungstauglichkeit ausloten. Mit den
ausgewählten Organismen lassen sich Versuche sowohl in vivo als auch in vitro durchführen,
was die Aussagekraft der Ergebnisse absichern dürfte.
Die „Selbstimpfung" wird nach Marchfelders Worten inzwischen in drei Subtypen unterteilt, die
sich in ihren molekularen Mechanismen unterscheiden. Die Forschergruppe deckt alle drei
Typen ab. Manche Mikroben wie das Archaeon Haloferax volcanii besitzen ein System,
Cyanobakterien deren zwei, Sulfolobus solfataricus sogar drei. FOR 1680 besteht aus drei
Untergruppen: eine beschäftigt sich mit Bakterien ( E. coli, Cyanobakterien; Neisseria
meningitidis), die zweite mit Archaeen (Methanosarcina mazei; Haloferax volcanii,
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Methanococcus maripaludis; Sulfolobus solfataricus); eine dritte Gruppe steuert übergreifendes
Know-how (Massenspektrometrie, Strukturbiologie; Bioinformatik) bei.
Noch behilft man sich mit Modellen
Ein grobes, modellhaftes Verständnis dieser in vielen Variationen vorliegenden Immunabwehr
hat man sich schon gemacht. Daran beteiligt sind Proteine und RNA. Zwei (von bislang 42
entdeckten) Proteine sind in allen Organismen relativ gut konserviert.
Hypothesen hat sich die Forschergruppe angesichts ihrer grundlegenden Arbeiten verkniffen.
Wohl aber verfolge man, so Anita Marchfelder, Hinweise auf Hypothesen, wonach CRISPR/CasVarianten DNA reparieren oder die Genregulation im Organismus selbst übernehmen. Immer
wieder diskutiert wird in der Fachwelt auch die Hypothese, wonach diese spezielle
prokaryotische Immunabwehr sich analog zur RNA-Interferenz der Eukaryoten verhalte.
Inzwischen, so Marchfelder, wird diese Hypothese durch eine Entdeckung in Subtyp 2 gestärkt.
Dort habe man eine Art „Dicer“ identifiziert, wie er für die RNA-Interferenz typisch ist.
Irgendwie und irgendwann „impft“ sich die Mikrobe
Mikroben überleben den sonst tödlichen viralen Angriff wohl deshalb, weil sie das Virus als
solches erkannt, ein Stück der viralen DNA herausgeschnitten und in ihr Genom eingebaut
haben. Nach welchen Prinzipien diese mikrobielle Selbstimpfung abläuft, will die
Forschergruppe aufklären. Wird das Genom irgendeines Mikroorganismus mit diesem
Immunsystem sequenziert, findet sich dort die Geschichte überlebter Angriffe. Je weiter weg
sich das virale Bruchstück auf dem Genom vom jüngsten viralen Stück befindet, desto länger
liegt die erfolgreich parierte Attacke zurück. Allerdings kennt das immunologische Gedächtnis
Grenzen; irgendwann scheidet der Organismus die alte Fremd-DNA wieder aus.
Die interessanten Fragen sind noch unbeantwortet
Die molekularen Abläufe dieser Immunabwehr liegen im Dunkeln. Man weiß, dass kleine RNASchnipsel prozessiert werden müssen, um diesen Tötungsapparat an die richtige Stelle zu
führen. Man kennt das Erbgut vorheriger Angreifer, das, codiert auf dem Genom, in ein langes
Stück RNA abgeschrieben und danach in kleine Teile zerhackt wird. Jedes dieser kleinen RNASchnipsel enthält nur die Sequenz eines bestimmten Angreifers, womit die Angreifer-DNA
spezifisch gebunden und vom (cas-genannten) Proteinkomplex abgebaut wird.
Marchfelders Modellorganismus, das salzliebende Archaeon Haloferax volcanii, besitzt ein
solches Abwehrsystem aus acht Proteinen und drei Genorten für die RNA-Stücke und „erzählt“
die Geschichte von 30 erfolgreich parierten Attacken.
Industrie erforscht Bakterien auf Impftauglichkeit
Zwar sind die Arbeiten dieser Forschergruppe in großen Teilen grundlagenorientiert, doch das
industrielle Anwendungspotenzial scheint beträchtlich. So verwundert es nicht, dass
Unternehmen wie das vom US-Chemieriesen Dupont übernommene dänische Biotech Danisco
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Marchfelders AG (von links unten im Uhrzeigersinn): Elli Bruckbauer, Helena Frey, Dr. Susan Fischer, Ruth Heyer, Dr.
Angelika Jellen-Ritter, Jutta Brendel, Britta Stoll, Kathrin Weiss sowie Lisa-Katharina Maier (Mitte). © Marchfelder/Uni
Ulm
seit Jahren überprüft, ob sich das Bakterium Streptococcus thermophilus, das bei der
Herstellung von Milch, Käse und anderen Molkereiprodukten benutzt wird, impfen und damit
gegen bekannte Viren resistent machen lässt. Damit ließe sich verhindern, dass ganze
Bakterienkulturen durch Viren getötet und Produktionschargen vernichtet werden.
Diese „Impfung" industriell relevanter Bakterienkulturen hat zudem den Vorteil, dass diese
phagenresistenten Mikroorganismen nicht als genetisch verändert gelten. Das hat das
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit unter Berufung auf das Robert
Koch-Institut vor Jahren schon festgestellt. Solche als Konjugation bezeichneten Impfungen
seien Veränderungen von genetischem Material, wie sie unter natürlichen Bedingungen
vorkämen (BA für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, 2.7.2002, Az 6790-05-01-60.)
Arbeiten beginnen 2012
Weitere Projekte der Forschergruppe, die Anfang 2012 ihre Arbeit aufnimmt, befinden sich an
den Max-Planck-Instituten für Biochemie (Prof. Dr. Elena Conti, Martinsried), für terrestrische
Mikrobiologie (Dr. Lennart Randau, Marburg) und für biophysikalische Chemie (Prof. Dr.
Henning Urlaub, Göttingen), sowie den Universitäten in Kiel (Prof. Dr. Ruth Schmitz-Streit),
Freiburg (Prof. Dr. Wolfgang Hess, Prof. Dr. Rolf Backofen) und Würzburg (Prof. Dr. Jörg Vogel
und Dr. Nadja Heidrich). Außerdem sind ein nationales (Dr. Ümit Pul, Düsseldorf) und ein
internationales Projekt (Prof. Dr. Roger Garrett, Kopenhagen, Spezialist für Archaeen wie deren
Viren) assoziiert.
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Literatur:
Sorek, Rotem; Kunin, Victor; Hugenholtz, Philip: CRISPR – a widespread system that provides acquired resistance
against phages in bacteria and archaea, Nature Reviews Microbiology, Vol. 6, March 2008, S. 181-186
(doi:10.1038/nrmicro1793)
Al-Attar, Sinan; Westra, Edze R.; van der Oost, John; Brouns, Stan J.J.: Clustered regularly interspacedpalindromic
repeats (CRISPRs): the hallmark of an ingenious antiviral defense mechanism in prokaryotes, in: Biological Chemistry,
Vol. 392, April 2011, S. 277-289.
Fachbeitrag
14.11.2011
wp
BioRegionUlm
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
RNA-Interferenz: Die Zuversicht ist wieder zurückgekehrt
CRISPR/Cas – das Genome Editing ist en vogue
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