29.05.2008 10:17 Uhr Seite 1 I n fo r m a t i o n s b r o s ch ü r e f ü r w e r d e n d e E l t e r n Stammzellen_NEU_2 Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz – Info Gesundheit e.V. STAMMZELLEN AUS NABELSCHNURBLUT 10 Fragen – 10 Antworten Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 2 I N H A LT Seite | | Vorwort 3 |Frage 1| Was sind eigentlich Stammzellen? 4 |Frage 2| Was ist das Besondere an Nabelschnurblut? 5 |Frage 3| Wofür kann Nabelschnurblut verwendet werden? 8 |Frage 4| Kann man Stammzellen aus Nabelschnurblut auch bei Leukämie anwenden? 10 |Frage 5| Können auch Erwachsene mit Stammzellen aus Nabelschnurblut behandelt werden? 12 |Frage 6| Wie funktioniert die Entnahme von Nabelschnurblut? 13 2 |Frage 7| Wie wird das Nabelschnurblut konserviert? 14 |Frage 8| Wie lange ist Nabelschnurblut haltbar? 15 |Frage 9| Soll ich Nabelschnurblut spenden oder für mein Kind aufbewahren? 16 |Frage 10| Was muss ich tun, wenn ich Nabelschnurblut konservieren will? 17 | | 20 Exkurs: Ein Blick in die Zukunft Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 3 VORWORT Prof. Dr. Volker Ragosch Chefarzt der Frauenklinik mit Perinatalzentrum Level I Asklepios Klinikum Altona in Hamburg Liebe Leserin, lieber Leser, mit der Gewissheit „Ich bin schwanger!“ beginnen neun aufregende Monate, in denen neues Leben heranwächst. In die Freude über den Nachwuchs mischt sich aber auch die Sorge über den Verlauf der Schwangerschaft und die Gesundheit des Kindes. Immer mehr Eltern überlegen deshalb, das Nabelschnurblut ihres Kindes, das normalerweise bei der Geburt entsorgt wird, aufzubewahren. In Nabelschnurblut sind besonders viele junge Stammzellen enthalten. Als Ursprung allen Lebens haben diese eine besondere Bedeutung für die Therapie schwerer Erkrankungen. Schon heute werden rund 100 Krankheiten mit Stammzellen aus Nabelschnurblut behandelt – und es werden ständig mehr. In dieser Broschüre informieren wir Sie über den medizinischen Nutzen von Stammzellen heute und in Zukunft sowie die verschiedenen Möglichkeiten, Nabelschnurblut zu konservieren. Entscheiden Sie selbst, in welcher Form Sie für Ihr Kind vorsorgen oder anderen Menschen helfen möchten. Denn eines steht fest: Nabelschnurblut ist zu kostbar, um weggeworfen zu werden. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. 3 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 4 FRAGE 1: WAS SIND EIGENTLICH STAMMZELLEN? Eine Stammzelle ist eine Art Ursprungszelle, die sich unbegrenzt vermehren und jede der rund 200 Zellarten im menschlichen Körper bilden kann. Diese Alleskönner entstehen nach der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle und bauen den gesamten Organismus auf – Haut, Muskeln, Knochen, Nerven, Gehirn und sämtliche Organe. So entsteht Leben. Spezialisierte Zellen Im Unterschied zu Stammzellen erfüllen ausgereifte Zellen eine bestimmte Funktion in unserem Körper. So senden beispielsweise Nervenzellen elektrische Signale ans Gehirn, Blutzellen transportieren Sauerstoff und die Zellen der Bauchspeicheldrüse produzieren Insulin. Als Spezialisten verrichten sie lebensnotwendige Arbeiten, sind aber nicht mehr in der Lage, die Aufgaben anderer Zellen zu übernehmen. Ein Kind wächst heran. Das ist der richtige Zeitpunkt, um sich über die Aufbewahrung von Nabelschnurblut zu informieren. Denn Nabelschnurblut kann nur einmal im Leben, nämlich unmittelbar nach der Geburt, gewonnen werden. Stammzellen sorgen für Zellerneuerung Das ist bei Stammzellen anders. Sie behalten die Fähigkeit, sich zu teilen, um neue Stammzellen und organspezifische Tochterzellen herzustellen. Sie sorgen dafür, dass die Zellen des Dünndarms alle zehn Tage, die roten Blutkörperchen im Abstand von etwa hundert Tagen und Knochenzellen alle zehn Jahre erneuert 4 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 5 werden. Gleichzeitig reparieren und heilen sie Verletzungen und Krankheiten. Doch genau wie der Mensch altern auch die Stammzellen. Im Laufe der Jahre lässt ihr Regenerationspotenzial nach. Das zeigt sich unter anderem daran, dass Wunden oder Knochenbrüche bei älteren Menschen langsamer verheilen als bei Kindern. Deshalb liegt der Gedanke nahe, Zellen, die ihre Arbeit nicht mehr so zuverlässig verrichten, durch jüngere zu ersetzen. Fazit: Je jünger Stammzellen sind, desto vermehrungsfreudiger, flexibler und vielseitiger sind sie. Auf diese Weise lassen sie sich besser zur Behandlung von Krankheiten einsetzen als ältere Stammzellen. FRAGE 2: WAS IST DAS BESONDERE AN NABELSCHNURBLUT? Nabelschnurblut enthält besonders viele junge Stammzellen. Während das Kind im Mutterleib heranwächst, befinden sich die Stammzellen unter anderem in Leber und Milz. Im letzten Schwangerschaftsdrittel wandern sie ins Knochenmark. Dieser Umzug erfolgt über das Blut. So gelangen die Stammzellen auch in die Nabelschnur des Kindes, wo sie zum Zeitpunkt der Geburt in großer Menge vorhanden sind. Doch schon kurz danach ziehen sie sich aus dem Blut ins Knochenmark zurück und verändern mit dem Älterwerden auch ihre Eigenschaften. Die noch sehr jungen Stammzellen aus Nabelschnurblut verfügen hingegen über Fähigkeiten, Die Gewinnung und Einlagerung von Nabelschnurblut ist ethisch völlig unbedenklich. 5 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 6 die zum Beispiel die Stammzellen im Knochenmark mit zunehmendem Alter verlieren. Durch Einfrieren kurz nach der Geburt kann das Nabelschnurblut des Kindes konserviert werden. Es steht bei Bedarf sofort wieder zur Verfügung, wenn es zur Behandlung benötigt wird. Da die kindlichen Zellen aus dem Nabelschnurblut noch relativ unreif sind, gelten sie als besonFür Mutter und Kind ist die Entders gut verträglich. Das bedeutet, nahme von Nabelschnurblut dass Spender und Empfänger weniger völlig schmerzfrei und ohne Übereinstimmungen der Gewebejegliches Risiko. merkmale aufweisen müssen als bei einer Stammzellspende aus dem Knochenmark eines Erwachsenen. Die gefährlichen Abwehrreaktionen des Körpers bei einer Fremdspende fallen damit weg oder geringer aus. Stammzellmedizin – jedes Jahr profitieren Tausende von Patienten davon Anstieg der Stammzelltransplantationen in Europa* *Jahresberichte der European Bone Marrow Transplantation Group (EBMT) 6 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 7 Gewinnung von Stammzellen aus anderen Quellen: Stammzellen aus dem Knochenmark sind aufgrund ihres Alters weniger entwicklungs- und vermehrungsfreudig. Da die Gewinnung mit einem Eingriff unter Vollnarkose verbunden ist, werden Stammzellen aus dem Knochenmark nur im Bedarfsfall entnommen. Auch die Entnahme von Stammzellen aus dem zirkulierenden Blut ist mit Risiken behaftet. Ein weiteres Problem besteht darin, überhaupt einen geeigneten Spender zu finden. Embryonale Stammzellen besitzen zwar ein besonders großes Potenzial, doch ihr Einsatz zu therapeutischen Zwecken ist in Deutschland und anderen Ländern verboten. Das liegt daran, dass der Embryo bei der Gewinnung dieser sehr jungen Stammzellen abgetötet wird. Stammzellen aus Nabelschnurblut sind hingegen ethisch völlig unbedenklich. Stammzellen aus Nabelschnurblut sind: jung ohne Abstoßungsreaktionen, wenn körpereigen besser verträglich, wenn körperfremd vital und von längerer Lebensdauer als Stammzellen aus dem Knochenmark ethisch unbedenklich einfach, schmerzfrei und risikolos zu entnehmen nahezu frei von Viren und Umwelteinflüssen sicher und schnell verfügbar 7 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 8 FRAGE 3: WOFÜR KANN NABEL SCHNURBLUT VERWENDET WERDEN? Stammzellen heute: Der therapeutische Einsatz von Stammzellen gehört mittlerweile zum medizinischen Alltag. Ist unser Körper bei einer ernsthaften Erkrankung nicht mehr in der Lage, sich selbst zu helfen, werden eigene oder fremde Stammzellen transplantiert. Die klassische Stammzelltransplantation ermöglicht die Behandlung lebensbedrohlicher Krebs- und Bluterkrankungen. Seit mehr als 50 Jahren werden Stammzellen zur Therapie von Krebspatienten eingesetzt. Auf diese Weise kann jedes Jahr weltweit 50.000 Menschen geholfen werden. Eine bei Krebspatienten häufig angewandte Chemotherapie hat nicht nur Vorteile, sondern auch schwere Nebenwirkungen. Das Medikament blockiert zwar wie gewünscht die Vermehrung der Autologe oder allogene Anwendung – entscheidend ist die Indikation Autolog (Eigenspende) Leukämien (wenn kein Spender gefunden wird), Lymphome, Tumoren, Autoimmunerkrankungen, HerzKreislauf-Erkrankungen, regenerative Medizin Allogen (verwandter Spender) Leukämien, Blutbildungsstörungen, genetische Erkrankungen Allogen (unverwandter Spender) Leukämien, Blutbildungsstörungen, genetische Erkrankungen Nach Gratwohl et al.: Results of the EBMT activity survey 2005 on haematopoetic stem cell transplantation: focus on increasing use of unrelated donors. Bone Marrow Transplant 2007; 39: 71-87. 8 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 9 bösartigen Krebszellen und tötet sie ab. Doch gleichzeitig werden auch gesunde Zellen in ihrem Wachstum gebremst. Besonders betroffen sind Körperzellen, die sich häufig erneuern – vor allem die Zellen des Knochenmarks, die neue Blut- und Abwehrzellen bilden. Das Immunsystem kommt dadurch nahezu zum Erliegen. Deshalb erfolgt im Anschluss an eine Hochdosis-Chemotherapie eine Stammzelltransplantation, um das Abwehrsystem wieder aufzubauen. Stammzellen gewinnen zunehmend an Bedeutung. In zwei Drittel aller medizinisch relevanten Fälle werden eigene Stammzellen bevorzugt. Derzeit sind mehr als 100 Krankheiten bekannt, die mit Stammzellen behandelt werden können. Bei Leukämie, genetisch bedingten Blutbildungsstörungen und genetischen Erkrankungen eignen sich hingegen Stammzellen von fremden Spendern oder Angehörigen besser (siehe Grafik auf Seite 8 und Frage 4). Nach einer Chemotherapie werden Stammzellen nicht zur Behandlung der Krankheit, sondern zur Bekämpfung der schweren Nebenwirkungen genutzt. Stammzellen in Studien: Erste Erfahrungen mit dem Einsatz eigener Stammzellen gibt es auch bei Autoimmunerkrankungen wie multipler Sklerose, Rheuma oder jugendlichem Diabetes (Typ-1-Diabetes). Eine realistische Perspektive bieten Stammzellen zudem in der regenerativen Medizin. Sie befasst sich mit der Behandlung verschiedener Erkrankungen durch die Wiederherstellung funktionsgestörter Zellen, Gewebe und Organe durch Stammzellen. Das geschieht auf zwei Wegen: entweder durch die Aktivierung des Selbstheilungspotenzials oder durch die Züchtung von Gewebe und Organen. 9 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 10 Regenerative Medizin Auch wenn die regenerative Medizin noch in den Kinderschuhen steckt, gibt es doch zahlreiche Beispiele aus der Praxis. Schon heute leben rund 25.000 Menschen in Europa mit Haut-, Knorpel- oder Knochenzellen, die außerhalb des Körpers hergestellt und später implantiert wurden. Wissenschaftlern ist es beispielsweise gelungen, Herzklappen zu entwickeln, die praktisch alle Eigenschaften der natürlichen Vorbilder aufweisen. Davon profitieren vor allem Kinder, denn der neue Gewebeersatz wächst mit und muss im Unterschied zu Kunststoffklappen nicht alle paar Jahre ausgetauscht werden. Stammzellforschung: Für die Zukunft hoffen Wissenschaftler, mit Hilfe von Stammzellen Alterserkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Arterienverkalkung, Alzheimer und Parkinson behandeln zu können. FRAGE 4: KANN MAN STAMMZELLEN AUS NABELSCHNURBLUT AUCH BEI LEUKÄMIE ANWENDEN? Unser Immunsystem wehrt gefährliche Fremdstoffe und krankhafte Körperzellen ab, damit wir gesund bleiben. 10 Ja, Stammzellen aus Nabelschnurblut können bei Leukämie angewendet werden. In den meisten Fällen werden fremde Stammzellen verwendet. Das hat zwei wesentliche Gründe: Erkrankt ein Kind an Leukämie, kann es sein, dass die eigenen Zellen die Information bereits in sich tragen und das Kind über kurz oder lang erneut erkrankt. Deshalb greift man auf Stammzellen eines Spenders Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 11 zurück. Je älter die Patienten zum Zeitpunkt der Erkrankung sind, desto unwahrscheinlicher ist eine Schädigung des Erbguts als Ursache. Anti-Leukämie-Effekt Unabhängig davon ist gerade bei Leukämie erwünscht, dass die fremden Spenderzellen den Organismus des Patienten angreifen und dabei auch verbliebene Krebszellen abtöten, die die Chemotherapie überlebt haben. Das nennt man Anti-Leukämie-Effekt. Bei einer Stammzellspende müssen jedoch wichtige Gewebemerkmale zwischen Spender und Empfänger übereinstimmen. Einen solchen „genetischen Zwilling“ außerhalb der Familie zu finden ist schwierig. Deshalb eignen sich Stammzellen von engen Verwandten am besten. Eltern kommen nur selten als StammzellDie Wahrscheinlichkeit, spender für ein krankes Kind in Frage. Unter den passenden Spender Geschwistern ist die Wahrscheinlichkeit einer zu finden, liegt unter Gewebeübereinstimmung mit 25 Prozent am Geschwistern immerhin höchsten. bei 25 Prozent, zwischen Eltern und Kindern hingegen nur bei 1 Prozent. Fremd-Spendebanken und Nabelschnurblutbanken für die Eigenvorsorge lagern das Blut eines Neugeborenen kostenfrei ein, wenn es der Behandlung eines kranken Geschwisters dient. Im Vergleich zum Knochenmark haben Stammzellen aus Nabelschnurblut ohnehin den Vorteil, dass sie jünger, vitaler, schneller verfügbar, in der Regel virenfrei und in größerer Zahl vorhanden sind. Nur ein Drittel aller Stammzelltransplantationen entfällt derzeit auf die Therapie von Leukämie. Für andere Indikationen gelten eigene Stammzellen als Mittel der Wahl. 11 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 12 FRAGE 5: KÖNNEN AUCH ERWACHSENE MIT STAMMZELLEN AUS NABELS C H N U R B L U T B E H A N D E LT W E R D E N ? Heute schon wird weltweit fast die Hälfte der abgegebenen Präparate für Erwachsene verwendet. Wird die erforderliche Menge nicht erreicht oder ist der Empfänger zu schwer, besteht die Möglichkeit, zwei verschiedene NabelschnurblutSpenden zu transplantieren. Experten rechnen damit, dass künftig jeder siebte Mensch im Alter bis zu 70 Jahren Stammzellen allein schon zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen benötigen wird. 12 Forschungsziel: Stammzellen aus dem Labor Grundsätzlich ist nicht die Menge des konservierten Blutes, sondern die Zahl der darin enthaltenen Stammzellen entscheidend dafür, ob ein Nabelschnurblutpräparat für einen Erwachsenen ausreicht oder nicht. Experten empfehlen derzeit eine Zelldosis von mindestens 10 Millionen kernhaltiger Zellen pro Kilogramm Körpergewicht für eine Transplantation mit eigenen Stammzellen. Ein durchschnittliches Nabelschnurblutpräparat enthält rund 700 Millionen dieser Zellen. Ein wichtiges Ziel der Forschung ist die Entwicklung einer Methode, Stammzellen aus Nabelschnurblut im Labor zu vermehren. Die Wissenschaft geht davon aus, dass ein Verfahren für die Behandlung von Schwerkranken in einigen Jahren eingesetzt werden kann. Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 13 FRAGE 6: WIE FUNKTIONIERT DIE ENTNAHME VON NABELSCHNURBLUT? Nabelschnurblut darf nur in Kliniken und Geburtshäusern entnommen werden, die über eine staatliche Erlaubnis verfügen. Diese unterliegt strengen Auflagen: Das Personal muss entsprechend geschult sein und ein geeigneter Entbindungsraum zur Verfügung stehen. Eltern, die sich dafür entschieden haben, das Nabelschnurblut zum Schutz ihres Kindes aufzubewahren, bekommen von Nabelschnurblutbanken zur Eigenvorsorge einige Wochen vor dem errechneten Geburtstermin ein persönliches Entnahmeset zugeschickt. Dieses enthält alle Dokumente und Utensilien, die in der Klinik benötigt werden. Gleichzeitig wird das Krankenhaus informiert. Entnahmeset für Hebamme oder Arzt Die werdenden Eltern brauchen nichts weiter zu tun, als Die eigenen Stammzellen sind nicht nur bei ihrer Ankunft im Kreißsaal „maßgeschneidert“, sondern durch den das Entnahmepaket der Hebbesonderen Schutz im Mutterleib weitamme oder dem behandelngehend frei von Viren und Umweltgiften. den Arzt zu geben – alles Weitere nimmt das Personal vor Ort in die Hand. Sobald das Baby geboren und die Nabelschnur durchtrennt ist, wird das Blut aus dem Teil der Nabelschnur, der noch mit der Plazenta verbunden ist, entnommen. Für Mutter und Kind ist dieses Verfahren völlig schmerzfrei und ohne Risiko. 13 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 14 FRAGE 7: WIE WIRD DAS NABEL SCHNURBLUT KONSERVIERT? Da das Nabelschnurblut innerhalb von 48 Stunden eingefroren werden muss, bringen Kuriere die kostbare Fracht so schnell wie möglich in ein Labor. In sterilen Räumen wird das Blut für den Kälteschlaf präpariert und bei -196 Grad in flüssigem Stickstoff bzw. in der Gasphase darüber eingelagert. Öffentliche Stammzellregister lagern etwa 30 Prozent der Präparate ein, die sie als Spende erhalten, da eine bestimmte Anzahl von Stammzellen darin enthalten sein muss. Das gilt nicht für private Anbieter. Bei der Transplantation körpereigener Zellen werden weniger Stammzellen benötigt. In den Wochen danach erfolgen sorgfältige Untersuchungen. Da Nabelschnurpräparate als Arzneimittel gelten, schreiben die Richtlinien des Paul-Ehrlich-Instituts (Bundesbehörde für Arzneimittelsicherheit) zahlreiche Qualitätsprüfungen vor. Im letzten Schritt erhalten die Eltern ein Zertifikat über die erfolgreiche Einlagerung. Vollblut oder Separation? Derzeit gibt es in Deutschland zwei Konservierungsverfahren: Während einerseits Vollblut eingelagert wird, trennen andere die Stammzellen von den übrigen Blutbestandteilen. Beide Verfahren entsprechen dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik und werden von den deutschen Behörden anerkannt. 14 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 15 FRAGE 8: WIE LANGE IST NABELS C H N U R B L U T H A LT B A R ? Stammzellen gelten als unbegrenzt haltbar. Das liegt daran, dass die Stoffwechselprozesse im Zellinneren bei Temperaturen unter -130 Grad nahezu vollständig zum Erliegen kommen. Da in Deutschland erst seit etwa 10 und in den USA seit 15 Jahren die Möglichkeit besteht, Stammzellen aus dem Nabelschnurblut für das eigene Kind aufzubewahren oder an eine Fremd-Spendebank zu spenden, gibt es noch keine Langzeitstudien zu dieser Form des Kälteschlafs. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik in St. Ingbert (Saarland) gehen jedoch davon aus, dass Stammzellen aus korrekt gelagertem Nabelschnurblut über Jahrhunderte aufbewahrt werden können. In Deutschland kommen täglich rund 2.000 Kinder zur Welt. Immer häufiger bewahren Eltern das Nabelschnurblut für ihr Kind auf. Zahlen – Fakten Jährlich werden in Europa rund 30.000 Stammzelltransplantationen durchgeführt. Die erste Anwendung von Stammzellen aus Nabelschnurblut fand 1988 in Paris statt. Damals wurde ein Kind mit Fanconi-Anämie (eine Erbkrankheit, bei der sich das Knochenmark zurückbildet) erfolgreich behandelt. Seitdem wurden Stammzellen aus Nabelschnurblut weltweit etwa 7.000 bis 8.000 Mal transplantiert. 15 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 16 FRAGE 9: SOLL ICH NABELSCHNURBUT SPENDEN ODER FÜR MEIN KIND AUFBEWAHREN? Grundsätzlich ist Nabelschnurblut zu wertvoll, um nach der Geburt im Klinikmüll zu landen. Darin sind sich alle einig. Es gibt jedoch verschiedene Möglichkeiten, Nabelschnurblut aufzubewahren, um es für den Fall der Fälle medizinisch nutzen zu können. Ob es der eigenen Vorsorge dienen oder als Spende anderen Menschen helfen soll, müssen letztlich die werdenden Eltern entscheiden. Beide Varianten sind sinnvoll, da die eingelagerten Stammzellen für unterschiedliche Krankheiten und Bedürfnisse genutzt werden. Kombimodell: Private und öffentliche Einlagerung Wer sich zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht festlegen möchte, hat Um neue stammzellbasierte Theraseit neuestem die Möglichkeit, das pien zur Behandlung von KrankNabelschnurblut für das eigene Kind heiten entwickeln zu können, benötigt die Forschung Nabelaufzubewahren und gleichzeitig in schnurblutspenden. Allerdings ist ein öffentliches Spendenregister eindas nicht in jedem Krankenhaus stellen zu lassen. Als erstes möglich. Unternehmen hat VITA 34 dieses Modell angeboten. Benötigt irgendwo auf der Welt ein Patient eine Fremdspende, können die Daten über das nationale Zentralregister abgerufen werden. Stimmen die Gewebemerkmale überein, bekommen die Eltern des potenziellen Spenders eine Nachricht. Sie können dann entscheiden, ob sie die Stammzellen dem Patienten zur Verfügung stellen oder für ihr Kind behalten möchten. Mit der Option VITAplusSpende wird eine Lücke zwischen den bisherigen Möglichkeiten der Einlagerung von Nabelschnurblut geschlossen. 16 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 17 F R AG E 10 : WA S M U S S I C H T U N, WENN ICH NABELSCHNURBLUT KONSERVIEREN WILL? Fremdspende Bei einer Spende wird das Nabelschnurblut in einer Spenderbank anonym eingelagert und bei Bedarf zur Behandlung eines fremden Patienten abgegeben. Werdende Eltern, die sich für diese Form der Aufbewahrung entscheiden, müssen sich vor der Geburt an eine entsprechende Einrichtung wenden und einen Anamnesefragebogen zur Erfassung der medizinischen Vorgeschichte ausfüllen. Stammzellbanken in größeren Städten Nabelschnurblut kann unter anderem an die Stammzellbanken in Düsseldorf, Mannheim, München und Erlangen abgegeben werden. Diese arbeiten wiederum mit rund 120 Krankenhäusern in Deutschland zusammen, die die Entnahme für die Nabelschnurblutspende durchführen. Die meisten dieser Kliniken befinden sich im näheren Umkreis der öffentlichen Nabelschnurblutbanken. Wenn das Wunschkind heranwächst, beginnt für die werdenden Eltern eine schöne und aufregende Zeit: Genießen Sie die Schwangerschaft! 17 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 18 Erforschung, Gewinnung und Verwendung von Stammzellen dienen dazu, die Heilungsprozesse des menschlichen Körpers zu verstehen und entsprechend zu nutzen. Eine Liste mit den Krankenhäusern in Ihrer Nähe finden Sie im Internet unter: www.nabelschnurblut.de Die Spende ist für die Eltern kostenfrei. Fremd-Spendebanken finanzieren sich über Spendengelder und Gebühren für abgegebene Stammzellpräparate. Bei einer Spende verzichten die Eltern auf alle rechtlichen Ansprüche gegenüber dem abgegebenen Blut und unterzeichnen zu diesem Zweck eine entsprechende Einverständniserklärung. Das bedeutet, dass sie das Blut in der Regel nicht für das eigene Kind nutzen können. Eigenvorsorge Entscheiden sich werdende Eltern dafür, das Nabelschnurblut zum Schutz ihres eigenen Kindes aufzubewahren, schließen sie vor der Geburt einen Vertrag mit einer Nabelschnurblutbank ab. In diesem ist zum Beispiel festgehalten, dass das Blut Eigentum des Kindes bleibt und im Fall einer Erkrankung sofort zur Verfügung steht. Die Erfassung der medizinischen Vorgeschichte ist auch bei privaten Nabelschnurblutbanken vorgeschrieben und dient der 18 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 19 Sicherheit des Kindes. Die Einlagerung zur Eigenvorsorge ist je nach Anbieter in nahezu allen deutschen Geburtskliniken möglich. Je nach Anbieter sind auch Ratenzahlungen möglich Die Kosten für die Aufbereitung und Lagerung der Stammzellen tragen die Eltern. Diese sind je nach Anbieter unterschiedlich. Die Vertragsgebühr beinhaltet die komplette Organisation, sämtliche Arztleistungen, die Schulung des Krankenhauspersonals, den Kuriertransport und alle weiteren Kontrollen. Nabelschnurblut ist zu wertvoll, Darüber hinaus fällt eine jährlium nach der Geburt entsorgt zu che Gebühr für Überwachung, werden. Kontrollen und die sichere Verwahrung der Präparate an. Werdende Eltern sollten sich auch nach Finanzierungsmöglichkeiten und Ratenzahlungsmodellen erkundigen. Bei den meisten Einrichtungen können Eltern das Nabelschnurblut eines Neugeborenen zur Eigenvorsorge kostenfrei einlagern lassen, wenn es der Behandlung eines kranken Geschwisterkindes dient. Schutz vor Insolvenz Informieren Sie sich rechtzeitig, was im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens mit den Stammzellen Ihres Kindes geschieht. Es sollte sichergestellt sein, dass die Stammzellen weiterhin fachgerecht aufbewahrt bleiben. 19 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 20 EXKURS: EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT Stammzellen aus Nabelschnurblut wurden erstmals 1988 transplantiert. Damals konnte ein sechsjähriger Junge mit Fanconi-Anämie (eine Erbkrankheit, bei der sich das Knochenmark zurückbildet) durch das Nabelschnurblut seiner Schwester geheilt werden. Die erste Anwendung mit körpereigenen Stammzellen aus Nabelschnurblut erfolgte 1999 in Brasilien. Dort wurde ein 14 Monate altes Mädchen, das an einem Neuroblastom (eine Tumorerkrankung des autonomen Nervensystems und zweithäufigste Krebsform bei Kindern) erkrankt war, erfolgreich behandelt. Die Eltern hatten das Nabelschnurblut ihrer Tochter bei der Geburt einlagern lassen. Seitdem konnte vielen Menschen geholfen werden. Allein in Europa wurden 2006 mehr als 25.000 Stammzelltransplantationen durchgeführt. In 83 Prozent aller Fälle wurden die Stammzellen dem Patienten selbst entnommen und dienten entweder der eigenen Gesunde und glückliche Kinder sind ein Behandlung (61 Prozent) Geschenk für alle Eltern. oder der eines engen Verwandten (22 Prozent). Stammzellen von fremden Spendern wurden für 17 Prozent der Patienten benötigt. Dabei kamen jedoch in erster Linie Stammzellen aus dem Knochenmark zum Einsatz. Denn bis zu diesem Zeitpunkt galt für Stammzellen aus Nabelschnurblut, dass sie nur dann verwendet wurden, wenn sich kein geeigneter Knochenmarkspender fand. 2007 markiert einen Wendepunkt Das änderte sich 2007, als eine US-Studie der Behandlung mit Stammzellen aus Nabelschnurblut zum Teil deutlich bessere Ergebnisse bescheinigte. Nach Expertenmeinung wird Nabelschnur- 20 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 21 blut als Stammzellquelle Knochenmark nach und nach verdrängen. Die Vorteile liegen auf der Hand. Für Patienten im Kindesalter ist bei einer Transplantation körpereigener Stammzellen Nabelschnurblut ohnehin die erste Wahl. Da die Gewinnung von Stammzellen aus dem Knochenmark nur schwer oder unter großem Aufwand möglich ist, sind Stammzellen aus Nabelschnurblut eine qualitativ hochwertige und gut verträgliche Alternative. Erst im Dezember 2007 wurde ein zweijähriger Junge aus den USA, der ebenfalls unter einem Neuroblastom litt, mit Stammzellen aus seinem eigenen Nabelschnurblut behandelt. Da das Blut ja bereits bei der Geburt entDurch die fachgerechte Kältekonservierung können Patienten, deren Eltern das Nabelschnurblut bei der nommen worden war, Geburt haben einlagern lassen, ein Leben lang auf stand es für die Thediesen Stammzellvorrat zurückgreifen. rapie sofort zur Verfügung und stellte keine zusätzliche Belastung für das erkrankte Kind dar. Für Aufmerksamkeit sorgte auch der Fall eines anderen kleinen Jungen, der mit einer frühkindlichen Hirnschädigung zur Welt gekommen war. Seit der Behandlung mit seinen eigenen Stammzellen aus Nabelschnurblut macht er erstaunliche Fortschritte. Der Fall Jan aus Norddeutschland In Deutschland konnte im Jahr 2005 der damals fünfjährige Jan unter anderem mit Hilfe des Nabelschnurbluts seines Bruders gerettet werden. Er litt an einer schweren Erkrankung des Knochenmarks, weshalb keine roten und weißen Blutzellen mehr produziert wurden. Ohne die gesunden Stammzellen aus dem Nabelschnurblut seines Bruders hätte der Junge nicht überlebt. Heute ist Jan ein gesunder und fröhlicher Schuljunge. 21 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 22 Im Jahr 2003 wurde in den USA erstmals eine Dreijährige mit einer akuten Leukämie mit ihrem eigenen Nabelschnurblut behandelt. Das Kind ist bis heute frei von Leukämiezellen. Doch nicht nur Kinder profitieren von einer Therapie mit Stammzellen aus Nabelschnurblut, sondern auch Erwachsene. Wer heute als 50- oder 60-Jähriger auf eine Stammzelltransplantation angewiesen ist, muss sich mit Stammzellen aus dem Knochenmark begnügen, die so alt sind wie er selbst. Eltern, die das Nabelschnurblut ihres Kindes bei der Geburt einlagern lassen, sichern ihm auch im fortgeschrittenen Alter die optimale Versorgung mit jungen und körpereigenen Stammzellen. Experten schätzen, dass in Zukunft bei jedem siebten Menschen im Alter bis zu 70 Jahren eigene Stammzellen alleine zur Behandlung von Herz-KreislaufErkrankungen zur Anwendung kommen werden. Durch die Fortschritte in der Medizin können immer mehr Menschen gerettet werden, die ohne Forschung und Wissenschaft nicht überlebt hätten. Wer heute das Nabelschnurblut seines Kindes konservieren lässt, investiert in die Zukunft. Denn in 20, 40 oder 60 Jahren wird medizinisch mit Stammzellen sehr viel mehr machbar sein als heute. Die Medizin steht vor großen Entwicklungen. Viele wissenschaftliche Errungenschaften, die vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten noch als undenkbar galten, gehören heute zum medizinischen Alltag. Wer weiß, was die Zukunft bringt! 22 Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 23 & Information Aufklärung dank Ihrer Unterstützung! Gesundheit ist unser kostbarstes Gut. Doch trotz des medizinischen Fortschritts steigt die Zahl chronischer und anderer Erkrankungen. Der Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz – Info Gesundheit e.V. (BGV) hat sich zum Ziel gesetzt, dem Informationsbedürfnis von Patienten, Verbrauchern, Ärzten, Apothekern und anderen Beschäftigten aus dem medizinischen Bereich nachzukommen. Dabei sind wir auf Ihre Mithilfe angewiesen, da wir keine öffentlichen Mittel beanspruchen. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit. Bis 100 Euro gilt der abgestempelte Einzahlungsbeleg Ihrer Bank als Spendenbescheinigung. Für Spenden über 100 Euro senden wir Ihnen die Spendenbescheinigung automatisch zu. Bitte teilen Sie uns hierzu Ihre Adresse mit. Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung! Kontoverbindung BGV – Info Gesundheit e.V. Bank für Sozialwirtschaft BLZ 37020500, Konto 8103700 Stichwort: Spende Stammzellen_NEU_2 29.05.2008 10:17 Uhr Seite 24 Bildnachweis: Imageshop/Being Pregnant: Seiten 1, 4, 13, 15, 16, 17, 18, 19, 21 BrandXPictures/Medical Relationships: Seite 5 Fotolia/Jason Winter: Seite 9 Fotolia/Sebastian Kaulitzki: Seite 10 Imagesource/The Golden Years II: Seite 12 DigitalVision/Children Now: Seite 11, 20 Stockbyte/Baby Boom: Seite 6 Stockbyte/Senior Care: Seite 14 Fancy/Family Bonds: Seite 22 Fotolia/Yuri Arcurs: Seite 23 Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz – Info Gesundheit e.V. Geschäftsführer: RA Erhard Hackler Heilsbachstraße 32, 53123 Bonn Telefon: 0228/9379950 www.bgv-info-gesundheit.de © 2008 MedCom international GmbH René-Schickele-Straße 10, 53123 Bonn Telefon: 0228/30821-0 Telefax: 0228/30821-33 Text: Claudia Vonstein in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz – Info Gesundheit e. V., Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Heilsbachstraße 32, 53123 Bonn Abdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers. ISBN 978-3-931281-37-3