3.6.4 Einkomponentensysteme Ergänzung zum Phasendiagramm in Kap. 3.6.3 Neben den allgemein bekannten Aggregatzuständen fest, flüssig, gasförmig gibt es offenbar beim Wasser mehrere Modifikationen im festen Aggregatzustand. Man spricht deshalb von mehreren festen Phasen. Ein ähnliches Phänomen kann auch im flüssigen Aggregatzustand beobachtet werden, wenn die kristalline Ordnung stufenweise abgebaut wird. Die entstehenden Phasen werden als Flüssige Kristalle bezeichnet. Man unterteilt diese grob in nematische, smektische und cholesterische Phasen. Aus dem Diagramm ist ersichtlich: 1.) Kohlensäureeis hat eine Temperatur von –78.5 °C 2.) Bei Atmosphärendruck sublimiert Kohlensäure 3.) Der Tripelpunkt liegt oberhalb Atmosphärendruck 4.) Oberhalb 31 °C kann Kohlensäure nicht mehr verflüssigt werden 5.) In einer Druckgasflasche liegt Kohlensäure flüssig vor 6.) Die Druckanzeige ist kein Maß für die noch vorhandene Menge 7.) Kohlensäure wird im Gegensatz zu Wasser unter Druck fest 1 Auch Kohlenstoff besitzt zwei feste Phasen. Diamanten könnte man im Prinzip bei Zimmertemperatur unter hohem Druck erzeugen. Das geht aber unendlich langsam. Deshalb wählt man eine Temperatur, die apparativ gerade noch zu handhaben ist. Auch Helium besitzt in der Nähe des absoluten Nullpunktes noch verschiedene Phasen. Generelle Betrachtung: Entlang einer Phasengrenzlinie stehen zwei Phasen im Gleichgewicht. Da ständig Teilchen von einer in die andere Phase wechseln, handelt es sich um ein dynamisches Gleichgewicht. Thermodynamisch wird dieses Gleichgewicht wie folgt beschrieben: Im Gleichgewicht muss das totale Differential der Freien Gibbsschen Energie verschwinden. dG = dG" + dG$ = 0 2 Erfolgt der Phasenübergang unter isobaren und isothermen Bedingungen, so bleibt der Wert des totalen Differentials bei einem Übertritt von dn Molen von " nach $ dG = − µ α dn + µ β dn nur dann Null, wenn die Potentiale gleich sind. Ist das Potential in der Phase " höher als in $, läuft ein Nettoübergang von Teilchen vom höheren zum tieferen Niveau von selbst ab. Meistens kann dann die isobare Randbedingung nicht mehr aufrecht erhalten werden, so dass ein Ausgleich solange erfolgt, bis die Potentiale übereinstimmen. Die Überlegung kann auf Mehrkomponentensysteme leicht erweitert werden: Im thermodynamischen Gleichgewicht ist das Chemische Potential für jede Komponente in allen beteiligten Phasen gleich. 3.6.5 Mehrkomponentensysteme 1.) Flüssig-Gasförmig (z.B. Ethanol-Wasser) p = Gesamtdruck pa, pb = Partialdrucke xa, xb = Molenbrüche flüssige Phase pa*, pb* = Dampfdrucke der reinen Komponenten p = pa + pb Raoultsche Gesetz: pa = xa pa* pb = xb pb* p = xa pa* + xb pb* = xa pa* + (1- xa ) pb* = pb* + (pa* - pb* ) xa Molenbruch in der Gasphase: ya = pa / p ya = xa pa* pb* + ( p a* − pb* ) xa yb = pb / p xa pb* + ( pa* − pb* ) xa pb* (1 − xa ) + p a* pb* = = = x + (1 − xa ) a ya pa* p a* p a* ya ist damit keine lineare Funktion von xa. Für xa = 0.5 ergibt sich ya = p a* p a* + pb* Ist der Dampfdruck der Komponente b dreimal so hoch wie der der Komponente a, ergibt sich ya = 0.25. (s. Abb.) Trägt man den Druck als Funktion der Zusammensetzung der flüssigen und der gasförmigen Phase gleichzeitig auf, ergibt sich ein isothermes Verdampfungsdiagramm. 3 Die eingetragene waagerechte Linie (Konnode) gibt an, dass bei diesem Druck ein flüssiges Gemisch mit der Zusammensetzung xa mit einem gasförmigen Gemisch der Zusammensetzung ya im Gleichgewicht steht. Der Bereich oberhalb der Roaultschen Gerade ist das flüssige Gebiet. Wird bei einem vorgegebenen Gemisch der Zusammensetzung za, zb=1-za der Druck erniedrigt, gelangt man irgendwann in das Zweiphasengebiet. Bei weiterer Druckerniedrigung verdampft die Mischung und liegt mit der vorgegebenen Zusammensetzung in der Dampfphase vor. Wie sieht die Zusammensetzung der zwei Phasen im Zweiphasengebiet aus? n = Gesamtzahl Mole a, nfl, ng = Anzahl Mole von a in der flüssigen, bzw. gasförmigen Phase Dann ist n za = nfl xa + ng ya und n = nfl + ng Letzte Gleichung liefert: n za = nfl za + ng za nfl (xa - za) = ng (ya - za) (Hebelgesetz) 4 Normalerweise erfolgt im Labor die Verdampfung nicht unter isothermen, sondern unter isobaren Bedingungen. Auf Grund der exponentiellen Abhängigkeit des Dampfdruckes von der Temperatur ist auch bei idealen Systemen die Siedetemperatur in Abhängigkeit vom Molenbruch nichtlinear. Auch hier ergeben die waagerechten Linien (Konnoden) im Zweiphasengebiet die im Gleichgewicht stehenden Mischungszusammensetzungen. Wird ein Gemisch der Zusammensetzung x1 erhitzt, so hat beim ersten Sieden der Dampf die Zusammensetzung x2 . Das ist die höchste erreichbare Konzentration an niedrig siedender Komponente a. Bei weiterem Erhitzen reichern sich sowohl Dampf als auch Flüssigkeit an höher siedender Komponente an (Das geschieht unter dem Gesetz der Massenerhaltung: Hebelgesetz s.o.). Der letzte verdampfende Tropfen hat die Zusammensetzung x5 und damit die höchste Konzentration an höher siedender Komponente b. Danach liegt ein Dampf mit der ursprünglichen Zusammensetzung vor. Wird der bei einem Verdampfungsvorgang entstehende Dampf bis zur Kondensation abgekühlt und, reichert sich im verbliebenem Dampf die leichter flüchtige Komponente an. Dieser Vorgang kann öfters hintereinander geschaltet werden. (Fraktionierte Destillation) Die vom Verständnis her einfachste Realisierung ist die Glockenbodenkolonne. 5 An jedem Boden einer Glockenbodenkolonne erfolgt ein im vorigen Diagramm eingezeichneter Verdampfungsvorgang. Bei einer Kolonnenausführungen ist ein Verdampfungsboden nicht mehr genau zu lokalisieren, trotzdem erfolgt ein mehrfache, d.h. fraktionierte Destillation. Die entsprechende Anzahl Böden muss dann experimentell bestimmt werden. Es gibt Gemische, die sich destillativ nicht sauber trennen lassen. Sie weisen ein Siedepunktsmaximum oder – minimum auf. 6 Eine weitere Besonderheit ist das Destillieren nicht mischbarer Flüssigkeiten (Wasserdampfdestillation): Der Gesamtdruck ist die Summe der Partialdrücke. Sieden tritt ein, wenn der Gesamtdruck Atmosphärendruck erreicht hat. z.B. Brombenzol: Ts = 155°C Wasser: Ts = 100°C Bei 95 °C: p(Brombenzol) = 121 Torr, p(Wasser) = 639 Torr, p(Gesamt) = 760 Torr Alternative: Vakuumdestillation Geht genauso, ist aber aufwendiger: Wasser ersetzt das Vakuum, macht aber sonst nichts. Nicht mischbare, inerte Zugaben sind das Vakuum des armen Chemikers 2.) Flüssig-Flüssig Phasendiagramme Flüssig-Flüssig Systeme weisen oft Mischungslücken auf. Man kennt Systeme mit Entmischung bei tiefer Temperatur, bei hoher Temperatur oder bei mittlerer Temperatur 7 Die Destillation begrenzt mischbarer Flüssigkeiten ist möglich, wenn der Entmischungsbereich vollständig in der flüssigen Phase liegt Anderenfalls liegt ein kompliziertes Phasendiagramm vor, das man sich aus dem Ineinanderschieben des Zweiphasen-Flüssig-Dampf-Bereiches und des Zweiphasen_FlüssigFlüssig-Bereiches entstanden vorstellen kann. Ein Unterschied zur reinen Überlagerung zweier Zweiphasengebiete ist die neu entstandene waagerechte Linie, die von der Gibbsschen Phasenregel verlangt wird, wie man sich leicht klar machen kann. 3.) Fest-Flüssig Phasendiagramme Grundsätzlich besteht kein Unterschied in den Phasendiagrammen zwischen flüssig-flüssig und flüssig-fest. Lediglich die Mischbarkeit ist in festen Phasen eher herabgesetzt als in flüssigen Phasen. Man vergleiche das folgende typische fest-flüssig-Diagramm mit dem Wasser-AnilinDiagramm 8 Der Verlauf der unteren Phasengrenze des flüssigen Gebietes mit dem Eutektikum zeigt ein generelles Verhalten von beliebig mischbaren flüssigen Phasen: Der Schmelzpunkt einer Mischung ist niedriger als der Schmelzpunkt der reinen Komponenten. Dieses Verhalten wird häufig benutzt um niedrig schmelzende Legierungen herzustellen, aber auch die Wirksamkeit von Streusalz beruht auf diesem Phänomen: Die Zeichnung ist nicht maßstabsgerecht: Der Schmelzpunkt von NaCl ist höher und die punktierten Bereiche der Mischkristallbildung fallen praktisch mit der Temperaturachse zusammen. Die Ähnlichkeit mit der vorigen Abbildung ist aber besser zu erkennen. Bei ternären Phasendiagrammen ist die Darstellung etwas komplizierter. Es gibt die Möglichkeit 3-dimensionaler Darstellung oder isothermer Schnitte. Die Konzentrationensskalen werden meist in Form gleichseitiger Dreiecke angeordnet. 9 4 Anwendungen des chemischen Potentials 4.1 Verdampfung Wir gehen aus von der Berechnungsformel für kleine Änderungen der Gibbsschen Freien Energie: dG = − SdT + Vdp (keine chemischen Reaktionen, Einkomponentensystem) Differenziert man die Gibbssche Freie Energie nach der Molzahl, erhält man das Potential: Für homogene Systme ist die die Gibbssche Freie Energie, die Entropie und das Volumen direkt proportional zur Zahl der Teilchen. Teilen wir die Gleichung durch die Anzahl Teilchen, erhalten wir d G S V = dµ = − dT + dp N N N Für jede Phase gilt diese Gleichung. Zusätzlich gilt noch, dass die chemischen Potentiale entlang der Phasengrenze gleich sein müssen. Daraus folgt, dass auch die totalen Differentiale übereinstimmen müssen: α µα = µ β α β β S V S V dµ α = dµ β = − dT + dp = − dT + dp N N N N Anm. Physikalisch bedeutet diese Herleitung einen Kreisprozess. Man kann die gleiche Gleichung auch aus der Gleichgewichtsbeziehung dG α + dG β = 0 gewinnen. Diese Gleichung läßt sich umformen zu: dp s α − s β = dT v α − v β s,v sind dabei die Größen pro Teilchen (S/N,V/N) Die reversible Entropieänderung bei der Verdampfung ist die Verdampfungswärme Q geteilt durch die Temperatur. Wir erhalten die Clausius-Clapeyronsche Gleichung, die für viele Phasenübergänge gilt (Q und )V sind hier molare Größen, man braucht nur obige Gleichung mit NA zu multiplizieren): dp Q = dT T∆V Für Verdampfungsvorgänge kann V(flüssig) vernachlässigt und V(gas) durch das ideale Gasgesetz ausgedrückt werden. Dann ist: dp Q p = dT T RT dp Q dT = p R T2 d ln p Q =− d1 / T R ln p2 Q 1 1 = − − p1 R T2 T1 Aus der Temperaturabhängigkeit des Dampfdruckes läßt sich somit Q bestimmen. Die allgemeine Formel gilt auch für viele andere Phasenübergänge. 10 4.2 Mischungen Wir betrachten zuerst die Mischung von zwei idealen Gasen Liegen beide Gase getrennt vor (links), ergibt sich für konstantes T und p: p p G = na µ a + nb µ b = n a µ a⊕ + RT ln ⊕ + nb µ b⊕ + RT ln ⊕ p p Für die gemischten Gase (rechts) gilt: p p G = na µ a + nb µ b = n a µ a⊕ + RT ln ⊕a + nb µ b⊕ + RT ln ⊕b p p x p x p G = na µ a⊕ + RT ln a⊕ + nb µ b⊕ + RT ln b ⊕ p p Für die Änderung bei der Mischung erhalten wir: ∆G = n a RT ln x a + nb RT ln xb = nRT ( x a ln x a + xb ln xb ) oder: ∆G = x a ln x a + xb ln xb nRT Selbst bei idealen Gasen ist also die Gibbsssche Freie Energie von Null verschieden. Auf Grund der fehlenden Wechselwirkungen verschwindet die Mischungsenthalpie und die Gibbssche Energie 11 enthält nur entropische Anteile. Bei nicht-idealen Mischungen ergeben sich andere Schaubilder. Den einfachsten Verlauf hat die reguläre Mischung. Der Begriff wurde von Hildebrand und Porter eingeführt. Bei ihr ist die Mischungsentropie ideal und die Mischungsenthalpie symmetrisch. ∆G = ∆H − T∆S = 4∆H max x a xb − RT ( x a ln x a + xb ln xb ) Man sieht, dass man mit dem Ansatz von Hildebrand/Porter bereits das Phänomen der Entmischung beschreiben kann. Erhöht man die Temperatur, sinkt bei konstantem )H und )S der Einfluß der Mischungsenthalpie bis oberhalb von der oberen kritischen Entmischungstemperatur Tmax = 2/R )Hmax wieder vollständige Mischbarkeit vorliegt. Obwohl obige Gleichungen unter Benutzung der Druckabhängigkeit des chemischen Potentials in der Gasphase hergeleitet wurde, gilt auch für andere Aggregatzustände, das die Teilchenzahlabhängigkeit der Gibbsschen Energie im Idealfall proportional zum Logarithmus jeglicher Konzentrationsmaße ist: µ i = µ 0pi + RT ln pi µ i = µ xi0 + RT ln xi µ i = µ ci0 + RT ln ci Siedepunktserhöhung, Gefrierpunktsernierdrigung: Eine Kombination dieser Gleichung kann man benutzen, um den Dampfdruck über einer Lösung zu bestimmen. Bezeichnen wir mit A das Lösungsmittel, so gilt in der Gasphase µ A (g ) = µ A⊕ (g ) In der flüssigen Phase gilt: 12 µ A ( fl ) = µ A⊕ ( fl ) + RT ln x A Man sieht, dass der erste Summand das chemische Potential der reinen Verbindung ist. Im thermodynamischen Gleichgewicht müssen die Potentiale von Flüssigkeit und Gas übereinstimmen. Daraus folgt: ln x A = µ A⊕ ( g ) − µ A⊕ ( fl ) RT = Q RT Q ist die molare Verdampfungswärme des Lösungsmittels. Sie entspricht der Differenz der Gibbsschen Energie zwischen Flüssigkeit und Dampf. Q =)Hv -T)Sv Für xA = 1 erhalten wir den Siedepunkt T* des reinen Lösungsmittels oder )Sv = )Hv/T*. Eingesetzt ergibt sich ln x A = ∆H V 1 1 ∆H V ∆T ∆H V ≅ ∆T − *= * R TT R T T RT *2 ln xA ist eine negative Größe. Demnach auch die Temperaturänderung. Dies entspricht einer Erhöhung des Siedepunktes. Für kleine Konzentration an Gelöstem kann ln xA = ln (1-xB) durch –xB ersetzt werden. Dann ist die Siedepunktserhöhung eine lineare Funktion der Konzentration an Gelöstem. In die Proportionalitätskonstante gehen nur Lösungsmittelkonstanten ein. Damit hängt die Siedepunktserhöhung nicht von der Natur des Gelösten ab. Wir haben hier den Fall behandelt, daß der gelöste Stoff nur in der flüssige Phase vorliegt. Bildet der gelöste Stoff mit dem Lösungsmittel keinen Mischkristall, haben wir analoge Verhältnisse, die Mischphase liegt aber jetzt bei höherer Temperatur vor. Dadurch ändert sich in der Herleitung lediglich das Vorzeichen der Temperaturänderung, es liegt also eine Gefrierpunktserniedrigung vor. Osmotischer Druck: Lösung und reines Lösungsmittel sind durch eine Membran getrennt, die nur das Lösungsmittel hindurchläßt. Über der Lösung bildet sich ein erhöhter Druck aus. Das chemische Potential muss für das Lösungsmittel auf beiden Seiten der Membran gleich sein. Für das reine Lösungsmittel ergibt sich das Standardpotential. Auf der Lösungsseite wird dies durch den Konzentrationsterm RT ln xA vermindert und um die Volumenarbeit (p + pos) Vm- p Vm = pos Vm erhöht. Im Gleichgewicht müssen sich beide Terme aufheben und wir erhalten: p osVm = − RT ln x A ≅ RTx B Auch hier wird der Effekt nur durch Größen del Lösungsmittels, hier das molare Volumen Vm bestimmt. Siedepunktserhöhung, Gefrierpunktserniedrigung und osmotischer Druck können zur Molmassebestimmung herangezogen werden. Aus dem Effekt erhält man den Molenbruch des 13 Gelösten. Aus der Einwaage und dem Molvolumen des Lösungsmittels kann die Molmasse des Gelösten bestimmt werden. Fugazität, Aktivität: Die Druckabhängigkeit des chemischen Potentials für ideale Gase haben wir bereits hergeleitet: p µ = µ ⊕ + RT ln ⊕ p Die Gleichung setzt voraus, daß der Druck für konstantes Volumen und konstante Temperatur proportional zur Teilchenzahl ist. Bei realen Gasen ist dies nicht der Fall. Um trotzdem die mathematische Abhängigkeit aufrechtzuerhalten, führt man die Fugazität f = Np ein, so daß gilt: µ = µ ⊕ + RT ln f p⊕ N nennt man auch den Fugazitätskoeffizienten. Auf Grund der Logarithmuseigenschaften gilt: µ = µ ⊕ + RT ln φ φ p + RT ln ⊕ = µ ideal + RT ln ⊕ ⊕ p p p Für N=1 erhält man wieder den Idealfall. N>1 bedeutet, dass der reale Druck kleiner als der ideale ist, d.h. es liegt Anziehung vor. Entsprechendes gilt für Abstoßung Auch für Konzentrationen kann man solche Korrekturen einführen. Die korrigierte Konzentration heißt dann Aktivität, der entsprechende Koeffizient Aktivitätskoeffizient. 4.3 Reaktionsgleichgewicht 4.3.1 Gasreaktionen Chemische Reaktionen werden normalerweise folgendermaßen geschrieben, wobei A und B zwei chemische Stoffe sind. Die Massenerhaltung gilt nur für Isomerisierungsreaktionen A→ B Gibt es auch eine entsprechende Rückreaktion B→A so fast man das ganze Geschehen in der Gleichung A⇔ B zusammen, wobei der Doppelpfeil lediglich ausdrücken soll, dass der Umsatz nicht vollständig abläuft. Er sagt nichts über die Vollständigkeit des Umsatzes oder Gleichgewichtskonzentrationen aus. Aus der Massenerhaltung folgt, dass dnA+dnB = 0 sein muss oder –dnA = dnB = d > Damit erhalten wir für die Änderung der Gibbsschen Energie bei Reaktionsablauf dG = µ A dn A + µ B dn B = (µ B − µ A )dξ 14 Aus der Thermodynamik wissen wir, dass eine Vorgang dann von selbst abläuft, wenn dabei die Gibbssche Energie vermindert wird. A reagiert also nur dann nach B, wenn B das niedrigere chemische Potential aufweist. Die Differenz der chemischen Potentiale gibt uns an, um wieviel sich die Gibbssche Energie bei dem Umsatz eines Moles ändert. Dieser Umsatz darf aber nicht die Gesamtmenge an A und B merklich ändern. Wir wollen diese Größe als freie Reaktionsenthalpie definieren. ∂G = µ B − µ A ∆ R G = ∂ξ p ,T Im Gleichgewicht muss also die Freie Reaktionsenthalpie verschwinden. Wichtig ist, dass sich die chemischen Potentiale während einer von selbst ablaufenden Reaktion solange nähern, bis sie gleich sind. Nicht vollständig ablaufende chemische Reaktionen sind ein Graus für jeden umweltbewußten Chemiker. Wenn man die Ursachen kennt, kann man auch etwas dagegen tun. Gegen die Hauptursache kann man aber nichts tun: Wenn sich die Moleküle von A und B wie ideale Gase verhalten, gilt: p p p p ∆ R G = µ B⊕ + RT ln ⊕B − µ A⊕ + RT ln ⊕A = µ B⊕ − µ A⊕ + RT ln B = ∆ R G ⊕ + RT ln B pA pA p p Der erste Summand gibt die Freie Reaktionsenthalpie für den Fall an, daß sich die beiden Reaktionspartner nicht mischen. Bei einer Reaktion mit sich mischenden Partnern wird dieser Wert nur für die äquimolare Zusammensetzung erreicht. Der zweite Summand ist für reines A formal negativ unendlich, d.h. etwas B bildet sich immer. Für reines B ist er positiv unendlich, d.h. vollständig ablaufende Reaktionen sind unmöglich. Das Verhalten ist eine Folge der Mischungsentropie. Die ablaufende Reaktion führt zu einem Gleichgewicht zwischen dem Bestreben, den thermodynamisch stabilsten Zustand anzunehmen und dem Bestreben, den ungeordnetesten Zustand einzunehmen. Wir betrachten nun eine allgemeine Reaktionsgleichung: A + 2B º 3C + 4D Diese können wir auch schreiben: A + 2B – 3C – 4D = 0 Oder allgemein 3<j J = 0 Führt man die Reaktionslaufzahl > ein, erhalten wir dnA = -d> dnB = -2d> dnC = +3d> dnD = +4d> 15 und dG = µ A dn A + µ B dn B + µ C dnC + µ D dn D = (− µ A − 2 µ B + 3µ C + 4 µ D )dξ Wir können durch das Differental der Reaktionslaufzahl dividieren und erhalten die Freie Reaktionsenthalpie: ∆ R G = − µ A − 2 µ B + 3µ C + 4 µ D = ∑ν J µ J Nehmen wir für die Reaktanden wieder ideales Gasverhalten an, ergibt sich: ∆ R G = ∆ R G ⊕ + RT ln pC3 p D4 ν = ∆ R G ⊕ + RT ln ∏ p j j 2 p A pB Man beachte, dass es sich hier um den Logartithmus dimensionsbehafteter Größen handelt. Die Partialdrucke sind in der Einheit anzugeben, bei der die Standardwerte bestimmt wurden. Die hergeleitete Formel gilt nicht nur für ideale Gasmischungen. Statt der Partialdrucke können auch Fugazitäten, Aktivitäten und Konzentrationen genommen werden. Die Thermodynamik verlangt, dass die Reaktion solange abläuft, bis die freie Reaktionsenthalpie verschwindet. Aus dieser Bedingung erhält man eine Gleichung für die Temperaturabhängigkeit des dann vorligenden Gleichgewichts. ∆ RG ⊕ υj − p exp = ∏ j RT Das Produkt bezeichnen wir als Gleichgewichtskonstante K. Für Reaktionen in Flüssigkeiten können wir die gleiche Herleitung auch mit Konzentrationen statt Partialdrucken machen. Die freien Reaktionsenthalpien können aus den Bildungsenthalpien der beteiligten Reaktionspartner berechnet werden. z.B. N2 + 3 H2 º 2NH3 ergibt 2 NH3 – N2 - 3 H2 = 0 ∆ R G = 2∆ B G ⊕ ( NH 3 , gas) − ∆ B G ⊕ ( N 2 , gas) − 3∆ B G ⊕ ( H 2 , gas) Die Freie Bildungsenthalpien der Elemente in ihrer unter Normalbedingung vorliegenden Form (Phase oder Molekül) ist definitionsgemäß Null. Die Freie Bindungsenthalpie von NH3 findet man in der Literatur (z.B. Atkins) zu –16.5 kJ/mol. Damit ergibt sich für Gleichgewichtskonstante K (2*16.5/RT): ln K = 13.3; K = 6 105. Setzt man 1 bar Stickstoff und 3 bar Wasserstoff ein ergibt sich ein Gleichgewichtsdruck von 775 bar Ammoniak. Bei 1 kbar Stickstoff und 3 kbar Wasserstoff erhalten 4 Millionen kbar Ammoniak. Man sieht, wie man durch Druckerhöhung das Gleichgewicht bei beibehaltener Temperatur massiv verschieben kann. (Prinzip von Le Chatelier) z.B. 2NO2 º N2O4 16 Gleichgewichtszusammensetzung bei 1 atm . )BG1 (NO2) = 51.3 kJ/mol )BG1 (N2O4) = 97.8 kJ/mol )RG1 = 97.8 kJ/mol – 2*51.3 kJ/mol = - 4.8 kJ/mol K= exp (-4800/(8.31*298)) = exp (1.94) = 6.93 K= p N 2O4 / p ⊕ (p NO2 /p ) ⊕ 2 p1 = 1 atm; = p N 2O4 p 2 NO2 p⊕ 6,93 p(NO2)² = p(N2O4); p(NO2) + p(N2O4) = 1 atm p² + 0.1443 p – 0.1443 = 0 (p = p (NO2) p = -0.07215 + 0.38666 = 0.3145 p(N2O4) = 0.68549 Temperaturabhängigkeit des Reaktionsgleichgewichtes Wir differenzieren den Ausdruck G/T nach der Temperatur: 1 ∂G 1 ∂G G ∂ G ∂ 1 = − 2 = + G ∂T T p T ∂T p ∂T T p T ∂T p T Aus den Beziehungen dG = − SdT + Vdp und G = H - TS folgt G−H ∂G = −S = T ∂T p Eingesetzt ergibt sich die Helmholtz-Gleichung: H ∂ G =− 2 ∂T T p T Die gleiche Herleitung gilt auch für die Freie Reaktionsenthalpie )RG und die Reaktionsenthalpie )RH. Damit ergibt sich: 1 d ∆ RG ⊕ d ln K =− dT R dT T ∆RH ⊕ = RT 2 oder ∆ H⊕ d ln K =− R d1 / T R 17 Für die Ammoniaksynthese ist )RH=-92.2 kJ/mol. Das Gleichgewicht verschiebt sich bei Erwärmung auf 1000 K um ln K (298K ) − ln K (1000 K ) = 92200 1 1 ( − ) = 26.1 8.31 298 1000 oder ln K(1000K) = 13.3 - 26.1 = -12.8 ; K(1000 K) = 2.8 *10 -6 18