Modellbildung und Simulation von Autobahnverkehr Von dem Fachbereich Bauingenieur- und Vermessungswesen der Universität Hannover zur Erlangung des Grades Doktor-Ingenieur genehmigte Dissertation von Dipl.-Ing. Martin Rose geboren am 19.11.1969 in Lingen (Ems) 2003 Referent: Prof. Dr.-Ing. Rudolf Damrath Korreferent: Prof. Dr.-Ing. Bernhard Friedrich Tag der Promotion: 27.06.2003 Organisation und Verwaltung: Institut für Bauinformatik Universität Hannover Callinstrasse 34 D-30167 Hannover Telefon: +49 (0)511/762-5981 Telefax: +49 (0)511/762-4756 URL: http://www.bauinf.uni-hannover.de Martin Rose Hornemannweg 10 30167 Hannover Alle Rechte, auch das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne Genehmigung des Autors ist es nicht gestattet, dieses Buch ganz oder teilweise auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder in elektronischen Medien zu speichern. Kurzfassung Es wird eine ganzheitliche Modellierung von Autobahnverkehr entwickelt, deren Implementierung in einem einheitlichen, computergestützten Simulationsmodell eine vergleichende Beurteilung und eine systematische Kopplung verschiedener Verkehrssimulationen, Verkehrsbeeinflussungen, Verkehrsmessungen und Verkehrsszenarien in einem Autobahnnetz ermöglicht. Die ganzheitliche Modellbildung von Autobahnverkehr entspricht einer grundlegenden Abbildung von Autobahnnetzen, Beeinflussungsmaßnahmen, Messanordnungen und unterschiedlichen Simulationen von Verkehrsabläufen. Die relevanten Komponenten der Autobahnnetze und deren gegenseitige Abhängigkeiten werden derart abgebildet, dass sich hierin die Modellierung von Beeinflussungs–, Mess– und Verkehrsablaufskomponenten entsprechend einer gegebenen Problemstellung integrieren lässt. Die Simulation von Verkehsabläufen erfolgt auf Basis einer mikro–, makro– oder mesoskopischen Modellierung der Verkehrsabläufe. In der Arbeit wird eine mikroskopische Modellierung entwickelt, die sich durch anschauliche Regeln auszeichnet. Die in der Arbeit verwendete makroskopische Modellierung besteht aus Navier–Stokes–ähnlichen Gleichungen. Durch Integration des gezeigten mikroskopischen Modellansatzes in eine makroskopische Modellierung entsteht eine neuartige, regelbasierte mesoskopische Modellierung. Die drei Modellierungen der Verkehrsabläufe werden mit verschiedenen Verfahren numerisch umgesetzt. Dabei kann insbesondere die Methode der finiten Elemente erfolgreich auf die makroskopische Modellierung angewendet werden. Die Simulationsprogramme, die durch Implementierung der numerischen Umsetzungen entstehen, werden in einer Störungsanalyse und einem Ergebnisvergleich mit Detektordaten auf ihre Brauchbarkeit untersucht. Dabei zeigt sich, dass sowohl die mikroskopische, als auch die makro– und mesoskopische Simulation in der Lage ist, typische Verkehrsphänomene wie Staus oder Stop–and–Go–Wellen wiederzugeben. Bei geeigneter Wahl der Geschwindigkeits–Abstands–Relation erweist sich die mesoskopische Simulation als konsistente Verbindung zwischen mikro– und makroskopischen Simulationen. Die Geschwindigkeits–Abstands–Relation beziehungsweise die Geschwindigkeits– Dichte–Relation der Verkehrsabläufe ist der entscheidene Parameter der derzeitigen Simulationen, die äußerst sensitiv auf Änderungen dieses Parameters reagieren. II Kurzfassung Abstract This dissertation develops an integrated modelling of freeway traffic, whose implementation in an uniform computer–aided simulation model allows a comparative evaluation and a systematic coupling of several traffic simulations, traffic interferences, traffic measurements and traffic scenarios. The integrated modelling of freeway traffic is a basic mapping of freeway nets, interference measures, measurement set–ups and different simulations of traffic flow. Relevant components of the freeway nets and their interdependences are mapped, so that the modelling of components for the interferences, measurements and traffic flows can be integrated in this mapping. The simulation of traffic flow, commonly, bases on a microscopic, macroscopic or mesoscopic modelling of the traffic flow. This dissertation develops a microscopic modelling featuring descriptive rules. The microscopic modelling in this dissertation consists of Navier–Stokes–like equations. With an integration of the shown microscopic model in a macroscopic modelling a novel rule–based mesoscopic modelling is developed. The three modellings of traffic flow are numerically approximated by different numerical methods. In doing so the finite element method, in particular, can successfully be applied to the macroscopic modelling. The simulation programmes, which evolve from implementations of the numerical approximations, are verified for usefulness in a disturbance analysis and a comparison of simulation results with detector data. Thus, it turns out that both, the microscopic and the macroscopic simulation, are able to reproduce typical traffic phenomena like traffic jams or stop–and–go waves. With a suitable choice of the speed–distance–relation the mesoscopic simulation proves a consistent link between microscopic and macroscopic simulations. The speed–distance–relation respectively the speed–density–relation is the decisive parameter of the shown simulations, that react very sensitively to changes of this parameter. Schlüsselwörter: Verkehrsmodellierung, Verkehrssimulation, Autobahnverkehr Keywords: traffic modelling, traffic simulation, freeway traffic Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand in den Jahren von 1997 bis 2003 im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bauinformatik der Universität Hannover unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Rudolf Damrath. Bereits während meiner studentischen Mitarbeiterzeit in der Gründungsphase des Instituts weckte und unterstützte Prof. Damrath mein Interesse für die computergestützte Modellierung sowie für Strukturen und Abläufe im Bauingenieurwesen. Er erkannte früh das Potential der Bauinformatik im Verkehrswesen und bestärkte mich bei der Erschließung dieses interessanten Themas. Während unserer langen und intensiven Zusammenarbeit konnte ich viel von seinem grundlegenden Denken und Arbeiten lernen. Hierzu zählte insbesondere seine immer wieder verblüffende Fähigkeit, jeden noch so komplexen Sachverhalt sehr klar und präzise darzustellen, um so zu überraschend einfachen Lösungen zu gelangen. Prof. Damrath gab mir für meine Arbeit große Freiräume sowie einen persönlichen und fachlichen Rückhalt. Dabei nahm er sich ungewöhnlich viel Zeit für anregende, umfassende und erkenntnisreiche Gespräche. Für diese wunderbare und ausgesprochen lehrreiche Zusammenarbeit werde ich Prof. Damrath immer dankbar sein. Ich danke Prof. Dr.-Ing. Bernhard Friedrich, dem Leiter des Instituts für Verkehrswirtschaft, Straßenwesen und Städtebau der Universität Hannover, für sein reges Interesse, die aufschlussreichen Gespräche und die Übernahme des Korreferates. Sein Vorgänger, Prof. Dr.-Ing. Robert Schnüll, gab mir in meiner Studienzeit umfassende Einblicke in die ganzheitliche Verkehrsplanung. Hierfür und für die spontane Unterstützung bei meinem Stipendiumsantrag danke ich ihm. Bei Dr.-Ing. Hans–Martin Heck bedanke ich mich herzlich für sein stetes Interesse an meinen Arbeiten und seine hilfreichen Hinweise auf mögliche neue Aufgaben. Ein besonderer Dank gebührt meinem Kollegen Dr.-Ing. habil. Peter Milbradt. Er hat mich mit seinem ausgezeichneten fachlichen Wissen, insbesondere in den Bereichen der numerischen Methoden und der Strömungsmechanik, in unzähligen Gesprächen immer wieder vorangetrieben. Mein Kollege Dipl.-Ing. Axel Schwöppe hat diese Arbeit äußerst gewissenhaft inhaltlich korrigiert und damit zu einem noch besseren Verständnis der Arbeit beigetragen. Ich danke ihm für diese freundschaftliche Unterstützung. IV Vorwort All meinen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich am Institut für Bauinformatik der Universität Hannover zusammen sein durfte, danke ich ganz herzlich für die langjährige Zusammenarbeit, die vielen anregenden Gespräche und den Spaß, der in den vergangenen Jahren nicht zu kurz kam. Es war und ist mir eine große Freude, in diesem Institut zu arbeiten. Ich danke auch der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die meine Arbeit in Form eines Dissertations-Stipendiums im Bereich des Verkehrswesens gefördert hat. Schließlich danke ich meiner Familie von ganzem Herzen für ihr Verständnis und ihre uneingeschränkte Unterstützung. Sie hat mir den notwendigen privaten Rückhalt gegeben und somit einen wesentlichen Rahmen zum Gelingen dieser Arbeit geschaffen. Hannover, im November 2003 Martin Rose Inhalt 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Gegenwärtiger Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.2 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.3 Gliederung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.1 Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1.1 Verkehrsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1.2 Vehikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.1.3 Verkehrsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.1.4 Kenngrößen eines Verkehrsablaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.2 Verkehrsbeeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.3 Verkehrsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3 Modellierung von Autobahnverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3.1 Autobahnverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3.1.1 Autobahnnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.1.2 Kraftfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.1.3 Verkehrsabläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.1.4 Verkehrsbeeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.1.5 Verkehrsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.2 Modellierung von Autobahnnetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.2.1 Modellierung der Netzstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.2.2 Modellierung eines Fahrbahnabschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 VI Inhalt 3.3 Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3.3.1 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.3.2 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.3.3 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3.4 Modellierung von Verkehrsbeeinflussungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3.5 Modellierung von Verkehrsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.1 Bestimmungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.1.1 Bestimmungsgleichungen für einen Fahrstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.1.2 Bestimmungsgleichungen für mehrere Fahrstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.2 Geschwindigkeits–Abstands–Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4.3.1 Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 4.3.2 Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 4.3.3 Übergangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.4 Verkehrszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 5.1 Bestimmungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5.1.1 Bestimmungsgleichungen für einen Fahrstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5.1.2 Bestimmungsgleichungen für mehrere Fahrstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5.2 Geschwindigkeits–Dichte–Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 5.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 5.3.1 Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 5.3.2 Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 5.3.3 Übergangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5.4 Verkehrszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 VII 6 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 6.1 Bestimmungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 6.1.1 Bestimmungsgleichungen für einen Fahrstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 6.1.2 Bestimmungsgleichungen für mehrere Fahrstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 6.2 Verkehrszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 7 Numerische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 7.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 7.1.1 Diskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 7.1.2 Numerische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 7.2 Numerische Umsetzung mikroskopischer Modellierungen . . . . . . . . . . . . . . . 112 7.2.1 Explizite Zeitschrittverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 7.2.2 Approximationsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 7.2.3 Schrittweitensteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 7.3 Numerische Umsetzung makroskopischer Modellierungen . . . . . . . . . . . . . . . 117 7.3.1 Ansatzfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 7.3.2 Standard–Galerkin–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 7.3.3 Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 7.3.4 Lösung des Gleichungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 7.3.5 Geschwindigkeitsabhängige Schrittweitensteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . 124 7.4 Numerische Umsetzung mesoskopischer Modellierungen . . . . . . . . . . . . . . . 124 7.4.1 Bestimmung des Abstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 7.4.2 Kontinuitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 7.4.3 Bewegungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 7.4.4 Numerische Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 VIII Inhalt 8 Simulation von Autobahnverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 8.1 Störungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 8.1.1 Testkonfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 8.1.2 Mikroskopische Verkehrsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 8.1.3 Makroskopische Verkehrsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 8.1.4 Mesoskopische Verkehrsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 8.2.1 Verkehrsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 8.2.2 Makroskopische Verkehrsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 8.2.3 Mesoskopische Verkehrsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 8.3 Simulationen zur Verkehrsuntersuchung und Verkehrsprognose . . . . . . . . . . 166 9 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1 Einleitung Sichere, leistungsfähige und umweltverträgliche Verkehrssysteme sind ein wesentlicher Bestandteil einer modernen Infrastruktur von Städten, Regionen und Ländern. Die in den letzten Jahren stark angestiegene Mobilität im Personen– und Güterverkehr hat die Sicherheit, Leistungsfähigkeit und Umweltverträglichkeit der Verkehrssysteme nachhaltig beeinträchtigt. In Regionen mit hoher Verkehrsdichte führen bereits lokale Störungen zu großräumigen Verkehrsbehinderungen und Umweltbelastungen. Zur Lösung der bestehenden Probleme ist eine ganzheitliche Verkehrsplanung mit dem Ziel der bestmöglichen Nutzung der bestehenden Verkehrsarten, Verkehrsmittel und Verkehrsnetze erforderlich. Eine wesentliche Bedeutung für den Personen– und Güterverkehr haben Autobahnnetze. Sie bieten den Verkehrsteilnehmern eine individuelle und schnelle Verbindung zwischen weit entfernten Orten. Die Bundesautobahnen bewältigen 25 % der Gesamtleistungen, obwohl sie nur 5 % der Gesamtlänge öffentlicher Straßen in Deutschland ausmachen [13]. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anzahl der Kraftfahrzeuge in Deutschland zwischen 1991 und 1998 um 14.2 % auf 49.2 Mio. angewachsen ist [14]. Die weiterhin steigende Mobilität führt zu höheren Verkehrsbelastungen im gesamten Autobahnnetz. Um die Sicherheit und die Qualität der Verkehrsabläufe auf den Autobahnen zu gewährleisten, sind Störungen in den Verkehrsabläufen zu vermeiden. In der ganzheitlichen Verkehrsplanung wird dies insbesondere durch eine Verkehrsleittechnik zur Steuerung der Verkehrsabläufe erreicht. Für eine Vielzahl von Maßnahmen der Verkehrsleittechnik reicht es nicht aus, lediglich den aktuellen Verkehrszustand mit Hilfe von Messungen zu erfassen. Es sind Prognosen über das Verhalten zukünftiger Verkehrsabläufe erforderlich, um möglichst wirkungsvolle Steuerungen zu gewährleisten. Lang– und kurzfristige Verkehrsprognosen lassen sich durch Mustererkennungen in den Verkehrsabläufen gewinnen [53]. Zur Vermeidung der Störungen im Autobahnverkehr reichen kurzfristige Prognosen von unter einer halben Stunde aus. Kurzfristige Verkehrsprognosen lassen sich auch mit Simulationen der Verkehrsabläufe gewinnen. Die Grundlage für Simulationen von Verkehrsabläufen bilden Verkehrsmodellierungen. Zur Modellierung von Verkehrsabläufen auf einer Autobahn wurden bereits in den fünfziger Jahren Modelle entwickelt und in der Folgezeit erweitert. Anfang der neunziger Jahre zeigte sich ein großer Schub in der Entwicklung dieser Modelle. Dies hatte zwei 2 1 Einleitung wesentliche Gründe. Zum einen ermöglichte die gestiegene Leistung der zur Verfügung stehenden Computer eine umfangreiche und schnelle Simulation von Verkehrsabläufen in größeren Gebieten. Zum anderen ist für die Forschung, die sich mit der Behandlung komplexer Systeme beschäftigte, der Verkehr zu einem wesentlichen Anwendungsgebiet für ihre Verfahren, wie etwa der Theorie stochastischer Prozesse [37] oder dem Verfahren der zellularen Automaten [65], geworden. 1.1 Gegenwärtiger Stand Seit Anfang der fünfziger Jahre hat eine Vielzahl von Wissenschaftlern umfassend an der Entwicklung von Verkehrsmodellen gearbeitet. Dabei entstanden zahlreiche Modelle zur analytischen Berechnung und zur Simulation von Autobahnverkehr. Die Modelle zur analytischen Berechnung von Autobahnverkehr berechnen einen Verkehrszustand. Hierzu zählen insbesondere Verkehrsumlegungsmodelle [75, 81, 96]. Diese statischen Modelle dienen dem Entwurf von Verkehrsanlagen. Modelle zur Simulation von Autobahnverkehr berechnen die Zustandsänderungen der Verkehrsabläufe eines Autobahnverkehrs über einen längeren Zeitraum. Diese dynamischen Modelle, die sich zur Prognose von Verkehrsabläufen nutzen lassen, werden in dieser Arbeit betrachtet. Einen umfassenden Überblick über die zahlreichen Verkehrsmodelle zur Simulation von Autobahnverkehr liefert Helbing [38]. Die Modelle lassen sich prinzipiell in mikroskopische, makroskopische und mesoskopische Modellierungen klassifizieren. Mikroskopische Modellierungen bilden die Verkehrsabläufe auf einer Autobahn als eine Menge einzelner Kraftfahrzeuge mit ihren gegenseitigen Interaktionen ab. Sie lassen sich auf das Modell von Reuschel [77] zurückführen, mit dem das Aufeinanderfolgen der Kraftfahrzeuge in einem Kolonnenverkehr untersucht wurde. Es entstanden zahlreiche Weiterentwicklungen dieser Fahrzeug–Folge–Modelle von Chandler, Herman, Montroll, Gazis, Potts, Rothery, Newell und anderen [18, 31, 32, 36, 68]. Ein sehr detailliertes Fahrzeug–Folge–Modell von Wiedemann [91] wird bis heute von seinen ehemaligen Mitarbeitern weiterentwickelt [6, 76]. Andere, wie zum Beispiel Alvarez oder Bando [2, 4], haben in den neunziger Jahren alternative Fahrzeug–Folge–Modelle entwickelt. Angeregt durch ein bitorientiertes Modell von Cremer, Ludwig und Schütt [23, 82] hat Nagel zusammen mit Schreckenberg die Theorie der zellularen Automaten in die Mikrosimulation von Autobahnverkehr eingeführt [64, 65]. Diese Theorie wird derzeit vermehrt angewendet, um besonders schnelle Verkehrssimulationen zu realisieren [7, 11, 39, 79]. Makroskopische Modellierungen bilden die Verkehrsabläufe auf einer Autobahn analog zu einer kontinuierlichen Fluidströmung ab. Sie lassen sich auf die Modelle von Lighthill und Whitham [59] sowie Richards [78] zurückführen, mit denen der dichte Verkehr auf einer Autobahn untersucht wurde. Basierend auf diesem Ansatz wurden die makroskopischen Modellierungen unter anderem von Payne [72], Pagageorgiou [70], Cremer [22], 1.1 Gegenwärtiger Stand 3 Smulders [85], Kühne [54, 55], Kerner und Konhäuser [50, 51], Daganzo [25] und Hilliges [44] entwickelt. Mesoskopische Verkehrsmodellierungen stellen eine Verbindung zwischen mikroskopischen und makroskopischen Modellierungen von Verkehrsabläufen einer Autobahn her. Die Verbindung kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Eine Möglichkeit ist die räumliche oder verkehrsabhängige Kopplung von mikroskopischen und makroskopischen Modellierungen. Hierzu zählen beispielsweise die Modelle von Wiedemann und Schwerdtfeger [92] sowie von Kates [47]. Eine weitere Möglichkeit für eine Verbindung mikroskopischer und makroskopischer Verkehrsmodellierungen ist die Entwicklung eines makroskopischen Modells aus einer mikroskopischen Betrachtungsweise. Prigogine legte mit seinem gaskinetischen Verkehrsmodell [74] den Grundstein zu makroskopischen Modellen, die die Interaktionen der einzelnen Kraftfahrzeuge im Verkehrsablauf wie bei einem Gas berücksichtigen. Insbesondere Paveri–Fontana [71], Phillips [73], Nelson [67] und Helbing [38, 41, 84] haben diesen Modellansatz weiterentwickelt. Die Brauchbarkeit einer Modellierung zur Simulation von Autobahnverkehr kann nur durch Vergleiche mit anderen Modellierungen oder mit Verkehrsmessungen beurteilt werden, da eine geschlossene analytische Lösung für das Verhalten real auftretender Verkehrsabläufe nicht existiert. Vergleiche von unterschiedlichen Modellierungen wurden bislang weitestgehend auf Ergebnisvergleiche unterschiedlicher Simulationsprogramme beschränkt. Ein solcher Vergleich ist beispielsweise in [45] veröffentlicht. Ein umfassender Vergleich makroskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen auf einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn unter Berücksichtigung der mathematischen Modellansätze, der numerischen Umsetzung und der Simulationsergebnisse für ausgewählte Verkehrsszenarien wurde vor kurzem in [26] aufgezeigt. Vergleiche von Verkehrsmodellierungen mit Verkehrsmessungen sind nur dann sinnvoll, wenn die gemessenen Verkehrsdaten für einen solchen Vergleich geeignet sind. Bisher wurden die Verkehrsmessungen nicht für Vergleiche mit Simulationsergebnissen konzipiert. In den siebziger Jahren wurden vereinzelt Verkehrsdaten aus Luftaufnahmen oder Induktionsschleifen aufgenommen und ausgewertet [33, 66, 90]. Treiterer [90] konnte aus Luftaufnahmen Ort–Zeit–Diagramme mit Bahnlinien der Kraftfahrzeuge gewinnen. Die Daten aus solchen Messungen eines Autobahnverkehrs waren bis vor wenigen Jahren jedoch nicht geeignet, die Korrektheit einer dynamischen Verkehrssimulation festzustellen. Erst die Notwendigkeit einer Verifikation der Simulationsmodelle hat zu geeigneteren Online–Messungen geführt, die eine umfassende Untersuchung der Verkehrsabläufe und eine Verbesserung ihrer Modellierungen ermöglichen [40, 52, 93]. Die immer komplexer werdenden Simulationsmodelle werden zur physikalischen Erklärung der in den Verkehrsmessungen identifizierbaren Phänomene entwickelt, nicht aber, um bestimmte Verkehrsaufgaben zu lösen. Die Anwendung der Modelle für eine Verkehrsaufgabe erfordert daher ein umfassendes Verständnis der Modellierung von 4 1 Einleitung Autobahnverkehr. Darüber hinaus ist die Verkehrsleittechnik meist a priori nicht Bestandteil dieser Modelle, so dass das Verhalten des gesteuerten Autobahnverkehrs mit den Simulationsmodellen nicht abgebildet wird. Für eine Steuerung der Verkehrsabläufe in einem Autobahnnetz ist es unerlässlich, neben den Verkehrsabläufen auch Verkehrsbeeinflussungen und –messungen in die Modellierung von Anfang an zu integrieren. Ebenso ist eine Integration der entsprechenden Simulation in eine Verkehrsuntersuchung oder in eine Verkehrsprognose zu berücksichtigen. Die Beurteilung von Simulationsmodellen erfordert für eine einheitliche Vergleichbarkeit der Modellierung mit anderen Modellierungen oder mit Messungen eine systematische Kopplung verschiedener Verkehrssimulationen, Verkehrsbeeinflussungen und Verkehrsmessungen. 1.2 Zielsetzung Ziel der Arbeit ist die Entwicklung einer ganzheitlichen Modellierung von Autobahnverkehr, deren Implementierung in einem einheitlichen computergestützten Simulationsmodell eine systematische Kopplung verschiedener Verkehrssimulationen, Verkehrsbeeinflussungen und Verkehrsmessungen für verschiedene Verkehrsszenarien in einem Autobahnnetz ermöglicht. Die Modellbildung von Autobahnverkehr umfasst die grundlegende Abbildung von Autobahnnetzen, Beeinflussungsmaßnahmen und Messanordnungen sowie verschiedenartige Simulationen der Verkehrsabläufe in einem Autobahnnetz. Die Simulation von Autobahnverkehr ist ein integraler und unverzichtbarer Bestandteil der Modellbildung, sie wird als Kern der Arbeit gesondert behandelt. Die vollständige Implementierung des computergestützten Modells ist nicht Bestandteil der Arbeit. Modellbildung von Autobahnverkehr Die Modellbildung eines Autobahnverkehrs ist der Prozess der Überführung vom Autobahnverkehr zum computergestützten Simulationsmodell. In der Arbeit entspricht die Überführung nicht der Entwicklung einer speziellen Modellierung zur Simulation des Autobahnverkehrs, sondern der Entwicklung einer ganzheitlichen Modellierung, die die Kombination verschiedener Verkehrsmodellierungen in einem einheitlichen Rahmen zur Lösung verschiedener Verkehrsaufgaben gestattet. Darüber hinaus werden bei der Überführung verschiedene Modellierungen von Messanordnungen und Beeinflussungsmaßnahmen als integraler Bestandteil der ganzheitlichen Modellierung des Autobahnverkehrs berücksichtigt. Dies ermöglicht sowohl die Auswertung und Darstellung von Messdaten, die Durchführung von Verkehrssimulationen und deren Vergleich mit Messdaten, als auch die Nutzung der Simulationen in Form von Verkehrsprognosen zur Steuerung von Autobahnverkehr. Die Modellbildung eines Autobahnverkehrs erfolgt in mehreren aufeinander folgenden Schritten. Der erste Schritt ist die geometrische und physikalische Beschreibung der Komponenten des Autobahnverkehrs und ihrer gegenseitigen Beziehungen. Der zweite 1.2 Zielsetzung 5 Schritt ist die Überführung der Beschreibung in eine mathematische Modellierung des Autobahnverkehrs. Der dritte Schritt ist die Implementierung der Modellierung, die das computergestützte Simulationsmodell ergibt. In der ganzheitlichen Modellierung erfolgt die Beschreibung zunächst für allgemeinen Verkehr, um eine einheitliche Grundstruktur für die Verkehrskomponenten zu schaffen. Dadurch lassen sich verschiedene Beschreibungen des Autobahnverkehrs als Spezialisierung der allgemeinen Verkehrsbeschreibung miteinander kombinieren und vergleichen. Dies gilt auch für die verschiedenen Modellierungen des Autobahnverkehrs. Die grundlegenden Komponenten zur Modellierung des Autobahnverkehrs sind das betrachtete Autobahnnetz sowie die Verkehrsabläufe, die Beeinflussungsmaßnahmen und die Verkehrsmessungen im Autobahnnetz. Das Autobahnnetz wird als ein Verkehrsgebiet mit strukturell und geometrisch konstanten Eigenschaften modelliert. Diese Modellierung, die auf der Graphentheorie basiert, bildet die Grundlage für die Modellierung der übrigen Verkehrskomponenten. Die Modellierung von Verkehrsbeeinflussungen kann sich ebenso wie die Modellierung von Verkehrsmessungen zeitlich verändern. Räumlich sind diese Modellierungen in die Struktur und die Geometrie des modellierten Autobahnnetzes einzubinden. Die Modellierungen der raum– und zeitabhängigen Verkehrsabläufe führt zur Simulation des Autobahnverkehrs. Simulation von Autobahnverkehr Eine Simulation eines Autobahnverkehrs ergibt sich aus der Implementierung der numerischen Umsetzung einer Modellierung von Verkehrsabläufen im Autobahnverkehr. Die Modellierung von Verkehrsabläufen entspricht mathematischen Bestimmungsgleichungen, die auf einem mikroskopischen, einem makroskopischen oder einem mesoskopischen Modellansatz basieren. Stellvertretend für die Vielzahl existierender Modellierungen von Verkehrsabläufen auf einer Autobahn wird in der Arbeit eine mikroskopische Modellierung entwickelt und eine makroskopische Modellierung aufgezeigt. Ein besonderer Schwerpunkt der Arbeit ist die Entwicklung einer anschaulichen mesoskopischen Modellierung, die die mikroskopische in eine makroskopische Verkehrsmodellierung einbindet. Da die drei Modellierungen die gleiche Grundstruktur besitzen und an das modellierte Autobahnnetz angepasst sind, lassen sie sich zur Lösung verschiedener Verkehrsaufgaben im einheitlichen Simulationsmodell beliebig kombinieren. Die Bestimmungsgleichungen der Verkehrsabläufe sind numerisch zu lösen. Für diese numerische Umsetzung existieren zahlreiche numerische Verfahren, wie Finite–Differenzen– oder Finite–Elemente–Verfahren, die eine zeitliche und räumliche Approximation der Bestimmungsgleichungen ermöglichen. Anhand einer einheitlichen Implementierung von drei exemplarisch gewählten numerischen Umsetzungen der mikroskopischen, makroskopischen und mesoskopischen Modellierung wird gezeigt, dass eine auf die Modellierung abgestimmte numerische Umsetzung unabhängig von der Modellierung behandelt werden kann. Dies gilt insbesondere für die im Verkehrswesen bislang unberücksichtigte Methode der finiten Elemente. 6 1 Einleitung Das einheitliche Simulationsmodell für Autobahnverkehr ermöglicht durch die Kopplung verschiedener Modellierungen von Verkehrsabläufen, Verkehrsbeeinflussungen und Verkehsmessungen in einem Autobahnnetz insbesondere eine systematische Untersuchung der Verkehrsabläufe sowie eine Prognose von Verkehrsabläufen in einer Steuerung des Autobahnverkehrs. Zuvor ist jedoch zu prüfen, inwieweit die Simulationsergebnisse die Verkehrsabläufe für eine betrachtete Verkehrsaufgabe reproduzieren können. Von wesentlicher Bedeutung für die vergleichende Bewertung von Simulationsergbnissen mit anderen Simulations– oder Messergebnissen ist die Berücksichtigung der Unterschiede in den Definitionen der Verkehrskenngrößen unterschiedlicher Verkehrsmodellierungen oder –messungen. Daher werden die unterschiedlichen Definitionen der wesentlichen Verkehrskenngrößen in der Modellbildung umfassend aufgezeigt. 1.3 Gliederung der Arbeit Die Arbeit ist entsprechend der Schritte der Modellbildung gegliedert. Sie ist in neun Kapitel aufgeteilt. In den neun Kapiteln werden die Grundlagen zur ganzheitlichen Modellierung von Autobahnverkehr geschlossen aufgezeigt. Die allgemeine Verkehrsbeschreibung erfolgt im zweiten Kapitel. Sie dient als Grundlage für die weitere Modellbildung. Beschrieben werden die wesentlichen Verkehrskomponenten. Die spezielle Beschreibung von Autobahnverkehr erfolgt im dritten Kapitel. Sie konkretisiert die allgemeine Verkehrsbeschreibung durch Überführung ihrer Komponenten in Autobahnnetze und Verkehrsabläufe von Kraftfahrzeugen sowie Beeinflussungen und Messungen des Autobahnverkehrs. Die Modellierung des Autobahnverkehrs erfolgt im dritten bis sechsten Kapitel. Im dritten Kapitel werden die Komponenten der speziellen Beschreibung mathematisch abgebildet. Dabei sind die Verkehrsbeeinflussungen und –messungen integraler Bestandteil der Modellierung. Die Modellierung der Verkehrsabläufe wird im vierten bis sechsten Kapitel bezüglich ihres Modellansatzes umfassend erläutert. Im vierten Kapitel wird eine mikroskopische, im fünften Kapitel eine makroskopische und im sechsten Kapitel eine mesoskopische Modellierung der Verkehrsabläufe eines Autobahnverkehrs dargestellt. Die numerische Umsetzung erfolgt im siebten Kapitel. Im Anschluss an eine kurze Übersicht über numerische Verfahren, die zur Umsetzung der Verkehrsmodellierungen verwendet werden können, werden anhand der in den Kapiteln vier bis sechs aufgezeigten Modellierungen drei Bespiele für die numerische Umsetzung gezeigt. Die Simulation von Autobahnverkehr erfolgt im achten Kapitel. Dabei wird die Brauchbarkeit der Modellierungen für die Simulation von Autobahnverkehr anhand einer Störungsanalyse und einem Vergleich mit real gemessenen Verkehrsdaten gezeigt. Die Zusammenfassung und der Ausblick zur Modellbildung und Simulation von Autobahnverkehr erfolgt im abschließenden neunten Kapitel. 2 Grundlagen Verkehr verhält sich nach Gesetzmäßigkeiten. Eine vollständige Beschreibung der Gesetzmäßigkeiten existert derzeit nicht, sie lassen sich lediglich durch Verkehrsuntersuchungen in ihrer Tendenz bestimmen. Für die Lösung einer Verkehrsaufgabe ist es daher wichtig, den entsprechenden Verkehr so genau wie möglich zu beschreiben. Diese spezielle Beschreibung eines Verkehrs lässt sich zweckmäßig auf der Grundlage einer allgemeinen Verkehrsbeschreibung entwickeln. So lassen sich insbesondere unterschiedliche spezielle Beschreibungen desselben Verkehrs miteinander vergleichen oder mehrere Beschreibungen verschiedenartiger Verkehre zu einer multimodalen Verkehrsbeschreibung zusammenfassen. Eine Verkehrsaufgabe besteht in der Beeinflussung von Verkehr. Die Verkehrsbeeinflussung entspricht einem Eingriff in den Verkehr. Sie kann durch politische, planerische, bauliche oder betriebliche Verkehrsmaßnahmen erfolgen. Eine sinnvolle Verkehrsbeeinflussung erfordert die Kenntnis von Zuständen und vom Verhalten des betrachteten Verkehrs. Die Verkehrszustände lassen sich mit Verkehrsmessungen erfassen. Das Verkehrsverhalten lässt sich mit Verkehrsmodellierungen abbilden. Eine Verkehrsmessung ist eine Erfassung zeitlicher und räumlicher Verläufe von Zustandsgrößen eines Verkehrs. In einer Verkehrsmessung ist eine direkte Beeinflussung der Verkehrszustände durch entsprechende Verkehrsmaßnahmen zu berücksichtigen. Sind die Maßnahmen zeitlich oder räumlich veränderlich, so sind auch die Verläufe ihrer Einflussgrößen mit geeigneten Messungen zu erfassen. Die Modellierung von Verkehrsverhalten in Form einer Verkehrssimulation ermöglicht die Untersuchung und Abbildung innerer Zusammenhänge und Prozesse im Verhalten eines Verkehrs. Die Grundlagen der Verkehrsmodellierung liegen in einer allgemeinen Verkehrsbeschreibung. Da Verkehrsmodellierungen immer problemabhängig sind, ist die allgemeine Verkehrsbeschreibung auf eine spezielle Verkehrsbeschreibung zu übertragen, die das gegebene Verkehrsproblem möglichst gut lösen kann. Verkehrsbeeinflussungen sind in der Verkehrsmodellierung abzubilden, da sich ein Eingriff in das Verkehrsverhalten auch in der Verkehrssimulation widerspiegeln muss. Ebenso ist es zweckmäßig, vorhandene Verkehrsmessungen in der Verkehrsmodellierung abzubilden. 8 2 Grundlagen Auf diese Weise lassen sich mögliche Messungen und deren Auswirkungen auf die Verkehrsbeeinflussung bereits in Simulationen untersuchen. Der Vergleich von Simulations– und Messergebnissen vereinfacht sich auf den Vergleich von simulierten und realen Verkehrsmessungen. Und schließlich lassen sich so Messergebnisse direkt in die Simulation einspeisen, wodurch sich die Verkehrsmodellierung in eine direkte Verkehrsbeeinflussungsmaßnahme, beispielsweise als Verkehrsprognose, einbinden lässt. Verkehr Eingriffe Verkehrsgrößen Beeinflussung Messergebnisse Messung Verkehrszustände Prognosen Messergebnisse Ergebnisvergleich Modellierung Verkehr Eingriff Beeinflussung Verkehrsgrößen Messergebnisse Messung Verkehrsverhalten Abbildung 2.1: Abhängigkeiten beziehungsweise Einflüsse zwischen einem Verkehr, seiner Beeinflussung, seiner Messung und seiner Modellierung In diesem Kapitel werden im ersten Abschnitt die Grundlagen zur allgemeinen Beschreibung von Verkehr aufgezeigt. Dabei werden Verkehrsgebiete, Vehikel und Verkehrsabläufe als Grundbestandteile von Verkehr beschrieben. In den beiden folgenden Abschnitten werden die Grundlagen der Verkehrsbeeinflussung und Verkehrsmessung dargestellt. Die Modellierung von Verkehr wird im folgenden Kapitel exemplarisch anhand der Modellierung von Autobahnverkehr gezeigt. 2.1 Verkehr 9 2.1 Verkehr Verkehr beschreibt Ortswechsel von Personen und Gütern mit Hilfe von Vehikeln in einem Gebiet. Ein Verkehrsgebiet ist neben den Vehikeln die Grundvoraussetzung für Verkehr. Nur in einem Gebiet kann ein Ortswechsel stattfinden. Abhängig von der Art des Verkehrs, wie beispielsweise Fußgänger–, Eisenbahn– oder Flugverkehr, können die Verkehrsgebiete sehr unterschiedlich sein. Ein Vehikel ermöglicht die Bewegung bei einem Ortswechsel. Es kann ein Fahrzeug, wie beispielsweise ein Personenkraftwagen oder ein Schiff, eine Person sowie jeder andere sich selbst bewegende Gegenstand sein. Ein Ortswechsel mit einem Vehikel erfordert die Bewegung des Vehikels. Diese Bewegung wird durch die Eigenschaften und Verhaltensweisen des Vehikels beeinflusst. Die Verhaltensweisen des Vehikels ergeben sich aus den Vehikelreaktionen auf die Beschaffenheit des Verkehrsgebiets, die Bewegungen anderer Vehikel und die betrieblichen Maßnahmen im Verkehrsgebiet. Ein Verkehrsablauf entspricht der Bewegung mehrerer Vehikel, die sich unter Berücksichtigung der betrieblichen Maßnahmen in einem Verkehrsgebiet gegenseitig beeinflussen. Die Interaktionen der Vehikel in einem Verkehrsablauf führen zu den Gesetzmäßigkeiten von Verkehr. Die Beschreibung und Untersuchung der Entstehung, des Verhaltens und der möglichen Beeinflussungen von Verkehrsabläufen ist eine der grundlegenden Aufgaben eines Verkehrsingenieurs. 2.1.1 Verkehrsgebiet Ein Verkehrsgebiet stellt ein Gebiet dar, in dem Verkehrsabläufe stattfinden können. Welche Verkehrsabläufe hierin möglich sind und wie sie sich verhalten, hängt wesentlich von der Beschaffenheit des Verkehrsgebiets ab. Eine allgemeine Beschreibung eines Verkehrsgebiets umfasst die Darstellung seiner strukturellen, geometrischen und physikalischen Eigenschaften. Strukturelle Eigenschaften In der Regel sind Verkehrsgebiete komplex strukturiert. Zur Beschreibung der strukturellen Eigenschaften eines Verkehrsgebiets ist es zweckmäßig, es in kleine, wenig komplexe Teilgebiete zu zerlegen. Die Beziehungen zwischen den Teilgebieten bilden dann die Struktur des Verkehrsgebiets. Teilgebiete und deren Beziehungen zueinander lassen sich mit einem Graph abbilden. Es gibt schlichte Graphen und bipartite Graphen. 10 2 Grundlagen Definition: Ein schlichter Graph ist ein Gebilde G, das aus einer Menge M und einer Relation R in dieser Menge besteht: mit R M M G : (M; R) (2.1) Mit einem schlichten Graph lässt sich die Struktur eines Verkehrsgebiets infolge einer Zerlegung in gleichartige Teilgebiete abbilden (Abbildung 2.2 a). Definition: Ein bipartiter Graph ist ein Gebilde G, das aus zwei Mengen M 1 und M 2 sowie aus zwei Relationen R 12 und R 21 zwischen diesen Mengen besteht: mit R 12 M 1 M 2, R 21 M 2 M 1 G : (M 1, M 2; R 12, R 21 ) (2.2) Mit einem bipartiten Graph lässt sich die Struktur eines Verkehrsgebiets infolge einer Zerlegung in zwei Mengen verschiedenartiger Teilgebiete abbilden. Dies kann sinnvoll sein, wenn beispielsweise in einem Straßenverkehrsnetz Straßen von Verkehrsknotenpunkten unterschieden werden sollen (Abbildung 2.2 b). a) a b c b) a d b e c e a a d b A d c c A d f Abbildung 2.2: a) In gleichartige Teilgebiete zerlegtes Verkehrsgebiet und zugehöriger schlichter Graph sowie b) in verschiedenartige Teilgebiete zerlegtes Verkehrsgebiet und zugehöriger bipartiter Graph Mit Hilfe der Graphentheorie ist es möglich, zahlreiche Strukturprobleme in Graphen kombinatorisch zu behandeln [10, 46, 69], die sich durch die Strukturbeschreibung eines Verkehrsgebiets mit einem Graph auf den Verkehr übertragen lassen. Für eine Vielzahl von Optimierungsaufgaben in Graphen existieren effiziente Lösungen. So gibt es beispielsweise für die Aufgabe einer Routensuche in einem Verkehrsgebiet eine Standardlösung in Form einer Kürzesten–Wege–Suche im zugehörigen Graph [80]. Geometrische Eigenschaften Im Verkehrswesen findet ein Ortswechsel in einem dreidimensionalen Raum statt. Die Beschreibung der Geometrie von Verkehrsgebieten lässt sich durch eine globales dreidimensionales Koordinatensystem in einem euklidischen Raum beschreiben. Verkehrsgebiete unterstützen die Ortswechsel mehrerer Vehikel. Da sich der Ortswechsel eines Vehikels, wie im Abschnitt 2.1.2 dargestellt, auf einer linearen Bewegungsbahn vollzieht, kann ein Verkehrsgebiet alternativ ein–, zwei– oder dreidimensional sein. Es ist zweckmäßig, hierfür ein lokales Koordinatensystem einzuführen, so dass sich die geometrische Beschreibung sowohl des Verkehrsgebiets als auch der Vehikelpositionen 2.1 Verkehr 11 vereinfacht realisieren lässt. So ist es auch möglich, mehrere Verkehrsgebiete verschiedener Dimensionen in einem dreidimensionalen euklidischen Raum zu beschreiben. xG z yG 1 xG 2 xG 2 y zG 3 3 yG 3 x Abbildung 2.3: Drei unterschiedlich dimensionale Verkehrsgebiete G 1, G 2 und G 3 in einem dreidimensionalen euklidischen Raum Die Teilgebiete, die bei der Zerlegung eines Verkehrsgebiets entstehen, sollen eine einfache Geometrie besitzen. Eine sinnvolle geometrische Beschreibung eines Teilgebiets ist eine m–dimensionale Zelle. Ausführlich werden Zellen insbesondere in [63] und [87] behandelt. Definition: Eine m–dimensionale Zelle ist ein abgeschlossener Teilraum eines n–dimensionalen euklidischen Raums mit n m, bei der jeder Punkt der Zelle eineindeutig auf einen Punkt eines m–dimensionalen konvexen Polyeders im m–dimensionalen euklidischen Raum abbildbar ist. Dies bedeutet, dass der Rand der m–dimensionalen Zelle durch eine endliche Zahl m–1–dimensionaler Zellen (Facetten) beschrieben werden kann. Für die Zerlegung eines Gebiets in Zellen existiert eine Vielzahl effektiver Verfahren zur Netzgenerierung [1, 83]. Das Ergebnis einer solchen Zellzerlegung ist ein Zellkomplex. Definition: Ein Zellkomplex K ist eine nichtleere Menge von Zellen mit folgenden Eigenschaften: 1. Die Facette einer Zelle in K ist ebenfalls eine Zelle in K. 2. Der Durchschnitt zweier Zellen in K ist entweder leer oder wieder eine Zelle in K. 3. Jeder Punkt einer Zelle aus K besitzt eine Umgebung, die mit nur endlich vielen Zellen von K gemeinsame Punkte hat. Zellkomplexe, die ausschließlich aus gleichen Zellen bestehen, bilden die strukturelle und geometrische Grundlage für zellulare Automaten [34]. Es gibt zahlreiche Verkehrmodellierungen, die auf zellularen Automaten basieren [64], sie werden jedoch in dieser Arbeit nicht weitergehend behandelt. Die Struktur eines Zellkomplexes entspricht mit seinen Zellen und deren Nachbarschaftsbeziehungen einem schlichten Graph. Werden zusätzlich zu den Zellen auch deren Facetten als eigenständige Objekte berücksichtigt, so lässt sich die Nachbarschaftsstruktur des Zellkomplexes mit einem bipartiten Graph abbilden. 12 2 Grundlagen a) b) a b Zelle Facette c d e y g h l c) a i f j k b c e g m x h l Zelle Facette f i a b c d d j k e g h f i j k m l m Abbildung 2.4: Zellkomplex eines in die Zellen a bis m zerlegten Verkehrsgebiets: a) geometrische Darstellung, b) Strukturdarstellung als schlichter Graph und c) Strukturdarstellung als bipartiter Graph Physikalische Eigenschaften Jedem Verkehrsgebiet und jedem seiner Teilgebiete können physikalische Eigenschaften zugeordnet werden. Die Eigenschaften schränken die möglichen Vehikelarten im Verkehrsgebiet ein und beeinflussen das Bewegungsverhalten der Vehikel. Die wesentlichen physikalischen Eigenschaften eines Verkehrsgebiets sind seine Materialeigenschaften. Besteht das Verkehrsgebiet aus festen Materialien, so entspricht es einer Oberfläche, auf der sich die Vehikel bewegen. Die Beschaffenheit einer solchen Oberfläche lässt sich durch eine räumliche Widerstandsverteilung beschreiben. Besteht das Verkehrsgebiet aus flüssigen oder gasförmigen Materialien, so muss es von den Vehikeln durchquert werden. Dabei sind nicht nur der Widerstand der Fluide sondern auch die Fluidströmungen zu berücksichtigen. Die Beschaffenheit eines solchen durchströmten Verkehrsgebiets lässt sich durch eine räumlich–zeitliche Kräfteverteilung beschreiben. Weitere physikalische Eigenschaften eines Verkehrsgebiets sind Einflüsse, die von außen auf die Verkehrsabläufe im Verkehrsgebiet einwirken. Hierzu zählen zum Beispiel Witterungsbedingungen, Tages– und Jahreszeiten oder Sehenswürdigkeiten. Diese Eigenschaften sind, angepasst an das Verkehrsgebiet, individuell zu beschreiben. Ein ein– oder zweidimensionales Verkehrsgebiet kann geometrische Eigenschaften besitzen, die im entsprechenden ein– oder zweidimensionalen Raum nicht beschreibbar sind. So lassen sich beispielsweise Steigungen oder Kurven in einer eindimensional beschriebenen Straße geometrisch nicht wiedergeben. Es ist zwar möglich, diese Eigenschaften durch Transformation in das globale dreidimensionale Koordinatensystem zu bestimmen, doch zweckmäßiger erscheint eine Beschreibung dieser Eigenschaften als physikalische Eigenschaften im niedrigdimensionalen Verkehrsgebiet. In der Regel genügt hierzu eine Beschreibung durch eine gerichtete räumliche Widerstandsverteilung. 2.1 Verkehr 13 a) b) c) Steigung w (x, y) y Kurvigkeit y x x x Abbildung 2.5: a) räumliche Widerstandsverteilung, b) räumliche Kräfteverteilung, c) höherdimensionale geometrische Eigenschaften in Form physikalischer Eigenschaften 2.1.2 Vehikel Nur ein Vehikel ermöglicht die Bewegung, die bei einem Ortswechsel in einem Verkehrsgebiet notwendig ist. Somit liegt die Ursache für die Entstehung und das Verhalten eines Verkehrsablaufs in den Vehikeln. Die allgemeine Beschreibung eines Vehikels umfasst die Darstellung seiner geometrischen Eigenschaften, seiner Kinematik, seiner Antriebseigenschaften und der Beeinflussung seiner Bewegung. Geometrische Eigenschaften Zur Beschreibung der geometrischen Eigenschaften eines Vehikels wird ein lokales Koordinatensystem eingeführt. Sein Ursprung liegt im Referenzpunkt des Vehikels. Dieser beschreibt die Position des Vehikels im Koordinatensystem des zugehörigen Verkehrsgebietes. In die bevorzugte Bewegungsrichtung des Vehikels zeigt eine ausgewiesene Hauptachse des lokalen Koordinatensystems. Mit ihr lässt sich insbesondere die Länge des Vehikels beschreiben. Die weiteren Außenmaße sind durch die übrigen Achsen des lokalen Koordinatensystems beschreibbar. Referenzpunkt Höhe z y x Länge za xa ya Frontrichtung Breite Abbildung 2.6: Geometrische Eigenschaften eines Vehikels im 3 Kinematik Die Kinematik eines Vehikels a wird durch die allgemeine Bewegungsgleichung seines Referenzpunktes als Massenpunkt beschrieben. Dabei wird die Position des Referenzpunktes im Verkehrsgebiet zu einem Zeitpunkt t durch einen Ortsvektor r a (t) im Koordinatensystem des Verkehrsgebiets beschrieben. In einem Zeitintervall dt bewegt 14 2 Grundlagen sich der Referenzpunkt auf seiner Bewegungsbahn s a. Die Weglänge, die er dabei zurücklegt, wird mit ds a bezeichnet. Die Geschwindigkeit des Referenzpunktes zum Zeitpunkt t wird mit v a (t) bezeichnet und entspricht der Änderung seiner Position r a (t) im Zeitintervall dt: dr a (t) v a (t) dt (2.3) Die Beschleunigung des Referenzpunktes zum Zeitpunkt t wird mit a a (t) bezeichnet und entspricht der Änderung seiner Geschwindigkeit v a (t) im Zeitintervall dt: dv a (t) a a (t) dt (2.4) Die Lage des Vehikels wird bei seiner Bewegung durch die Lage seines lokalen Koordinatensystems beschrieben. Sind seine Koordinatenrichtungen orthogonal zueinander, so entspricht das Koordinatensystem des Vehikels einem begleitenden Dreibein auf der Bewegungsbahn des Vehikels [16]. Dabei entspricht der Tangentialvektor des Dreibeins der Hauptachse des Vehikels, der Normalenvektor des Dreibeins entspricht der Breitenkoordinate des Vehikels und der Binormalenvektor des Dreibeins entspricht der Höhenkoordinate des Vehikels. b a (t) n a (t) ds a sa r a (t) t a (t) r a (t dt) 0 s a Bahnkoordinate r a (t) Ortsvektor des Referenzpunktes zur Zeit t r a (t dt) Ortsvektor zur Zeit t + dt ds a Weglänge von t bis t + dt t a (t) Tangentialvektor n a (t) Normalenvektor b a (t) Binormalenvektor Abbildung 2.7: Kinematik eines Vehikels Antriebseigenschaften Die wesentlichen Antriebseigenschaften eines Vehikels sind sein Ziel, seine Wunschgeschwindigkeit, sein Beschleunigungsvermögen, sein Wahrnehmungsbereich und der Sicherheitsabstand zum Umfeld. Je nach betrachtetem Verkehrssystem und gestellter Verkehrsaufgabe sind die Antriebseigenschaften hinsichtlich des charakteristischen Vehikelverhaltens genauer zu spezifizieren. Das Ziel eines Vehikels lässt sich konstant oder zeitabhängig als Punkt oder als Bereich im Verkehrsgebiet beschreiben. Die Wunschgeschwindigkeit, die vom Vehikel angestrebt wird, lässt sich als eine vektorielle Größe beschreiben. Sie entspricht einem Schätzwert, der durch das Beschleunigungsvermögen oder Geschwindigkeitsbeschränkungen im 2.1 Verkehr 15 Verkehrsgebiet beschränkt ist. Das Beschleunigungsvermögen des Vehikels wird insbesondere durch seine maximal mögliche Vehikelgeschwindigkeit, seine Beschleunigungs– und Bremskraft gebildet. Der Wahrnehmungsbereich und der geschwindigkeitsabhängige Bereich eines Sicherheitsabstandes lassen sich durch anisotrope Vektorfelder bezüglich des Referenzpunkts beschreiben. za y a Wunschgeschwindigkeit z Wahrnehmungsbereich xa v 0a y Zielpunkt za x Abbildung 2.8: Antriebseigenschaften eines Vehikels Beeinflussung der Vehikelbewegung Die Beeinflussung der Bewegung eines Vehikels im Verkehrsgebiet vollzieht sich einzig über seine Beschleunigung. Die Beschleunigung eines Vehikels hängt von seinem Zustand sowie der Wahrnehmung und Reaktion des Vehikels auf den Zustand seiner Umgebung ab. Der Zustand eines Vehikels a zu einem Zeitpunkt t setzt sich aus seiner Position r a (t) und seiner Geschwindigkeit v a (t) zu diesem Zeitpunkt t sowie den Antriebseigenschaften des Vehikels zusammen. Die Geschwindigkeit v a (t) und die Position r a (t) eines Vehikels a lassen sich bei Vorgabe seiner Geschwindigkeit v a (t 0 ) und seiner Position r a (t 0 ) zu einem Anfangszeitpunkt t 0 durch Integration aus der Beschleunigung a a (t) für jeden späteren Zeitpunkt t t 0 bestimmen: v a (t) v a (t 0 ) r a (t) r a (t 0 ) t a a (t) dt (2.5) t0 t v a (t) dt (2.6) t0 Ohne Einflüsse von außen wird das Vehikel von v a (t 0 ) 0 am Startpunkt s 0 auf seine Wunschgeschwindigkeit v 0a beschleunigen und sich damit auf dem kürzesten Wege zu seinem Ziel s 1 bewegen. Hierbei wird es lediglich von den Grenzwerten seiner Antriebseigenschaften eingeschränkt. 16 2 Grundlagen | v a (t) | s 1 s a (t) v t s0 t0 t1 | a a (t) | 0 a t 0 t0 t1 a max a 0 min aa t t0 t1 Abbildung 2.9: Bewegung eines Vehikels a auf seiner Bewegungsbahn ohne äußere Einflüsse Die Wahrnehmung und Reaktion eines Vehikels auf den Zustand seiner Umgebung ist ein äußerst komplexes Verhalten. Bei der Beschreibung von Verkehrsabläufen sind jedoch nur signifikante mittlere Verhaltensweisen der Vehikel von Interesse. Diese lassen sich hinreichend gut spezifizieren. Kreuzt oder berührt der Weg eines Vehikels den Weg eines anderen Vehikels, so dass ein Vehikel in den Wahrnehmungsbereich des anderen tritt, so kommt es zu einer gegenseitigen Beeinflussung. Das wahrnehmende Vehikel reagiert entsprechend seiner Reaktionseigenschaften auf das andere Vehikel. Die Reaktion erfolgt so, dass der Sicherheitsabstand des Vehikels eingehalten wird und das Ziel weiterhin bestmöglich erreicht werden kann. Die Reaktion tritt in Form von Ausweichen, Folgen, Bremsen, Beschleunigen oder ähnlichem auf. a Sicherheitsabstand von a Sicherheitsabstand von b Wahrnehmungsbereich von b y x Wahrnehmungsbereich von a b Abbildung 2.10: Beeinflussung der Vehikelbewegung: Das Vehikel a nimmt das schnellere Vehikel b wahr und bremst. Das Vehikel b nimmt das langsamere Vehikel a wahr und beschleunigt. Es ist davon auszugehen, dass ein Vehikel zu jedem Zeitpunkt jeden Gegenstand in seinem Wahrnehmungsbereich wahrnimmt und auf diesen reagiert. Die Reaktion hängt sowohl von den Eigenschaften des Gegenstands, wie beispielsweise seinem Abstand zum Vehikel oder seiner Geschwindigkeit, als auch von den Reaktionseigenschaften des Vehikels, wie beispielsweise der Reaktionszeit, ab. Die Beeinflussung der Bewegung eines Vehikels im Verkehrsgebiet spiegelt sich in seiner Beschleunigung wider. Daher muss sowohl das Antriebsverhalten als auch das Reakti- 2.1 Verkehr 17 onsverhalten formal als eine Beschleunigung abgebildet werden. Die Beschleunigung erhält somit die Form einer Funktion, die von einer Vielzahl von Zustands– und Einflussgrößen abhängig ist: a a (t) a a (r a (t), v a (t), z a (t), v 0a, t, ) (2.7) Diese Funktion stellt eine wichtige Grundlage für jede Verkehrsmodellierung dar. Die Variationen der Verkehrsmodellierungen ergeben sich durch eine unterschiedliche Anzahl beziehungsweise eine unterschiedliche Verknüpfung der einzelnen Parameter. Speziell bei der Beschreibung der Wahrnehmungs– und Reaktionseinflüsse auf ein Vehikel können sehr unterschiedliche Ansätze festgestellt werden. 2.1.3 Verkehrsablauf Ein Verkehrsablauf ist die Bewegung, die durch das Zusammenspiel der Bewegungen und der gegenseitigen Beeinflussungen mehrerer Vehikel in einem Verkehrsgebiet entsteht. Er lässt sich als eine Strömung auffassen. Im Vergleich zum Verhalten von Strömungen, die nicht aus Vehikeln bestehen, zeigt das Verhalten von Verkehrsabläufen neben vielen Gemeinsamkeiten auch deutliche Unterschiede. Das Verhalten der Verkehrsabläufe zeichnet sich durch Individualität, Anisotropie und besondere Impulseigenschaften aus. Dies beeinflusst insbesondere die Bestimmung relevanter Kenngrößen für einen Verkehrsablauf. Individualität Die Individualität der Vehikel ist ein wesentlicher Grund für das besondere Verhalten eines Verkehrsablaufs. Vehikel haben individuelle Geometrie–, Antriebs– und Reaktionseigenschaften. So bewegt sich jedes Vehikel in einem Verkehrsgebiet aufgrund seiner eigenen Antriebseigenschaften zu seinem eigenen Ziel, während “Nichtvehikel”–Teilchen sich aufgrund äußerer Antriebskräfte kollektiv verhalten. a) b) y y x x Abbildung 2.11: Ausschnitt aus a) einem Verkehrsablauf und b) einer Strömung aus Teilchen, die sich kollektiv und isotrop verhalten 18 2 Grundlagen Anisotropie Verkehrsabläufe verhalten sich anisotrop, dies liegt im richtungsabhängigen Verhalten der Vehikel begründet. Jedes Vehikel hat nicht nur unterschiedliche Abmessungen und Antriebseigenschaften in den verschiedenen Richtungen seines lokalen Koordinatensystems, sondern auch richtungsabhängige Sicherheits– und Wahrnehmungsabstände. Daraus ergibt sich ein richtungsabhängiges Verhalten aller Vehikel in einem Verkehrsablauf. Impulseigenschaften Werden die Einwirkungen auf die Beschleunigung eines Vehikels als eine Kraft aufgefasst, so ist festzustellen, dass für die gegenseitige Beeinflussung der Vehikel das Newtonsche Gesetz “actio = reactio”, wie es aus der Mechanik für die gegenseitige Krafteinwirkung von Massenpunkten bekannt ist, nicht gültig ist. Daher gilt für den Verkehr weder der Impuls– noch der Energieerhalt. Ein einfaches Beispiel macht diese Tatsache deutlich: Bewegt sich in einem eindimensionalen Gebiet ein Massenpunkt a auf einen unbeweglichen Massenpunkt b mit den gleichen Eigenschaften wie a zu, so stoßen die beiden Massenpunkte zusammen und a bleibt stehen, während b sich mit der Geschwindigkeit von a weiter bewegt. Bewegt sich dagegen in einem eindimensionalen Gebiet ein Vehikel a auf ein unbewegliches Vehikel b zu, so wird a mit einem Sicherheitsabstand hinter b zum Stehen kommen. a) b) a b v a (t 0) v b (t 0) 0 a a v a (t 1) 0 v a (t 0) b a b v b (t 0) 0 b v a (t 1) 0 v b (t 1) 0 v b (t 1) v a (t 0) Abbildung 2.12: a) Impulserhalt beim Aufeinandertreffen zweier Massenpunkte im 1 und b) kein Impluserhalt beim Aufeinandertreffen zweier Vehikel im 1 2.1.4 Kenngrößen eines Verkehrsablaufs Die Untersuchung, Planung und Steuerung von Verkehrsabläufen erfordert zweckmäßige Kenngrößen, mit denen sich das Verhalten der Verkehrsabläufe anschaulich charakterisieren lässt. Die grundlegenden Kenngrößen eines Verkehrsablaufs sind die Verkehrsdichte, die Verkehrsstärke und die mittlere Verkehrsgeschwindigkeit. Es gibt unterschiedliche Definitionen dieser Kenngrößen. Sie hängen maßgebend von der Festlegung eines geeigneten Kontrollgebiets in Raum und Zeit ab. 2.1 Verkehr 19 Räumliches Kontrollgebiet Jedem Ort r in einem Verkehrsgebiet lässt sich ein räumliches Kontrollgebiet zuordnen, das einem Teilgebiet des Verkehrsgebiets mit dem Volumen V zu einem Zeitpunkt t entspricht. Zum Zeitpunkt t befinden sich n r Vehikel im Kontrollgebiet. Vehikel zum Zeitpunkt t Geschwindigkeit eines Vehikels zum Zeitpunkt t V a va Ort r Abbildung 2.13: Räumliches Kontrollgebiet für einen Ort r Definition: In einem Verkehrsgebiet sei ein räumliches Kontrollgebiet mit dem Volumen V für einen Ort r zu einem Zeitpunkt t gegeben. Die räumliche Verkehrsdichte di r ist das Verhältnis der Anzahl n r der Vehikel im räumlichen Kontrollgebiet zum Volumen V: di r (r, t) : n r (r, V, t) V Vehikel m dim dim {1, 2, 3} (2.8) Die mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r ist das arithmetische Mittel der Geschwindigkeiten v a aller n r Vehikel a im räumlichen Kontrollgebiet: ge r (r, t) : n1 r v a (r, V, t) nr ms (2.9) a1 Nach dieser Definition wird von einem Vehikel als kleinste relevante Einheit ausgegangen. Die Größe des Vehikels wird in der Regel vernachlässigt oder für alle Vehikel im Verkehrsgebiet vereinheitlicht. Die räumliche Verkehrsdichte und die mittlere räumliche Geschwindigkeit ist ausschließlich für ein festgelegtes räumliches Kontrollgebiet definiert. Die Größe des Kontrollgebiets ist für die Bestimmung der räumlichen Verkehrsgrößen von entscheidender Bedeutung. Ist das Kontrollgebiet zu groß, so ergibt sich ein Wert für die betrachtete Verkehrsgröße im gesamten Kontrollgebiet, der eine hinreichende Beschreibung des Verkehrsgrößenverlaufs nicht zulässt (V 3 in Abbildung 2.14). Ist das Kontrollgebiet zu klein, so ergibt sich lediglich die Aussage, ob im Kontrollgebiet ein Vehikel vorhanden ist oder nicht (V 1 Abbildung 2.14). Eine Aussage über die räumliche Verkehrsdichte di r und die mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r an jedem Punkt r im Verkehrsgebiet zu jedem Zeitpunkt t ist nicht möglich. 20 2 Grundlagen t V 1 V 2 y V 3 x Abbildung 2.14: Räumliche Verkehrsdichte di r in einem Verkehrsgebiet zu einem Zeitpunkt t: Während das Kontrollgebiet V 2 für eine zweckmäßige Bestimmung von di r angemessen gewählt ist, ist V 1 zu klein und V 3 zu groß Zeitliches Kontrollgebiet Jedem Ort r in einem Verkehrsgebiet lässt sich ein zeitliches Kontrollgebiet zuordnen, das einem Zeitintervall von t bis t t in einem ebenen Schnitt A durch das Verkehrsgebiet mit einem Normalenvektor n entspricht. Im Zeitintervall von t bis t t durchqueren n z Vehikel das Kontrollgebiet. Vehikel zum Zeitpunkt t A Vehikel zum Zeitpunkt t + t n Vehikelweg von t bis t+t n va a Normalenvektor Geschwindigkeitsanteil in Normalenrichtung Ort r Abbildung 2.15: Zeitliches Kontrollgebiet für einen Ort r Definition: In einem Verkehrsgebiet sei ein zeitliches Kontrollgebiet mit dem Schnitt A, einem Normalenvektor n und einem Zeitintervall von t bis t t für einen Ort r gegeben. Die zeitliche Verkehrsstärke st z ist das Verhältnis der Anzahl n z der Vehikel im zeitlichen Kontrollgebiet zum Produkt der Schnittfläche A und der Zeitdauer t: st z (r, n, t) : n z (r, n, A, t, t) A t s Vehikel m dim 1 dim {1, 2, 3} (2.10) Die mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z ist das arithmetische Mittel vom Skalarprodukt des Normalenvektors n und des Geschwindigkeitsvektors v a aller n z Vehikel a, die das zeitliche Kontrollgebiet durchqueren: ge z (r, n, t) : n1 z v a (r, t, t) n nz a1 ms (2.11) 2.1 Verkehr 21 Das zeitliche Kontrollgebiet kann von einem Vehikel in und gegen die Richtung des Normalenvektors durchquert werden. Es ist zweckmäßig, die zeitliche Verkehrsstärke und mittlere zeitliche Geschwindigkeit nur in einer dieser beiden Richtungen zu betrachten. Die zeitliche Verkehrsstärke in Richtung des Normalenvektors wird mit st z und die zeitliche Verkehrsstärke entgegen der Richtung des Normalenvektors wird mit st z bezeichnet. Die mittlere zeitliche Geschwindigkeit in Richtung des Normalenvektors wird mit ge z und die mittlere zeitliche Geschwindigkeit entgegen der Richtung des Normalenvektors wird mit ge z bezeichnet. Die zeitliche Verkehrsstärke st z ist die Summe von st z und st z , und die mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z ist die Summe von ge z und ge z : st z st z st z ge z ge z ge z (2.12) Auch in dieser Definition wird von einem Vehikel als kleinste relevante Einheit ausgegangen. Die zeitliche Verkehrsstärke und die mittlere zeitliche Geschwindigkeit ist ausschließlich für ein festgelegtes zeitliches Kontrollgebiet definiert. Sowohl die Größe des Kontrollgebiets als auch die Dauer des Zeitintervalls ist für die Bestimmung der zeitlichen Verkehrsgrößen von entscheidender Bedeutung. Für das zeitliche Kontrollgebiet ergeben sich die gleichen Schwierigkeiten wie für die Festlegung des räumlichen Kontrollgebiets. Ist darüber hinaus das Zeitintervall zu groß, so ergibt sich ein Wert für die betrachtete Verkehrsgröße, der eine hinreichende Beschreibung des Verkehrsgrößenverlaufs über die Zeit nicht zulässt. Ist das Zeitintervall zu klein, so ergibt sich lediglich die Aussage, ob im Kontrollgebiet und im Zeitintervall ein Vehikel vorhanden ist oder nicht. Eine Aussage über die zeitliche Verkehrsstärke st z und die mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z an jedem Punkt r im Verkehrsgebiet zu jedem Zeitpunkt t ist nicht möglich. Räumliches und zeitliches Kontrollgebiet Jedem Ort r in einem Verkehrsgebiet lässt sich ein räumliches und zeitliches Kontrollgebiet zuordnen, das einem Zeitintervall von t bis t t in einem Teilgebiet des Verkehrsgebiets mit dem Volumen V entspricht. Im Zeitintervall von t bis t t bewegen sich n r z Vehikel im Kontrollgebiet. Dabei benötigt jedes Vehikel a eine Belegungstrecke r a und eine Belegungszeit t a. Vehikel zum Zeitpunkt t r a Vehikel zum Zeitpunkt t + t Vehikelweg von t bis t+t a Ort r r a Belegungsstrecke von Vehikel a im Kontrollgebiet t a Belegungszeit von Vehikel a im Kontrollgebiet (benötigte Zeit für ra) Abbildung 2.16: Räumliches und zeitliches Kontrollgebiet für einen Ort r 22 2 Grundlagen Definition: In einem Verkehrsgebiet sei ein räumliches und zeitliches Kontrollgebiet mit dem Volumen V und einem Zeitintervall von t bis t t für einen Ort r gegeben. Des Weiteren seien die Belegungstrecken r a und die Belegungszeiten t a gegeben, die jedes Vehikel a für den Aufenthalt im Kontrollgebiet während der Zeit von t bis t t benötigt. Die räumlich–zeitliche Verkehrsdichte di r z ist die Summe der Belegungszeiten t a aller n r z Vehikel a pro Zeitdauer t und Volumen V: t a (t V) nrz di r z (r, t) : a1 Vehikel m dim dim {1, 2, 3} (2.13) Die räumlich–zeitliche Verkehrsstärke st r z ist die Summe der Belegungsstrecken r a aller n r z Vehikel a pro Zeitdauer t und Volumen V: r a (t V) nrz st r z (r, t) : a1 sVehikel m dim 1 dim {1, 2, 3} (2.14) Die mittlere räumlich–zeitliche Geschwindigkeit ge r z ist das Verhältnis der Summe der Belegungszeiten t a aller n r z Vehikel a und der Summe der Belegungsstrecken r a aller n r z Vehikel a: ge r z (r, t) : r a t a nrz n rz a1 a1 ms (2.15) Ebenso wie bei der Definition der räumlichen und der zeitlichen Verkehrsgrößen wird bei dieser Definition von einem Vehikel als kleinste relevante Einheit ausgegangen. Die räumlich–zeitliche Verkehrsdichte, die räumlich–zeitliche Verkehrsstärke und die mittlere räumlich–zeitliche Verkehrsgeschwindigkeit ist ausschließlich für ein festgelegtes räumliches und zeitliches Kontrollgebiet definiert. Für das Kontrollgebiet und das Zeitintervall ergeben sich die gleichen Schwierigkeiten wie bei der Bestimmung der Kenngrößen im räumlichen Kontrollgebiet und im zeitlichen Kontrollgebiet. Darüber hinaus ist das Verhältnis vom Volumen V zum Zeitintervall t so abzustimmen, dass insbesondere die Bestimmung der mittleren räumlich–zeitlichen Geschwindigkeit ge r z nicht zu unrealistisch großen oder kleinen Werten führt. Zusammenhang zwischen den Kenngrößen Ein sinnvoller Zusammenhang zwischen den Kenngrößen lässt sich nur für gleichartige Kontrollgebiete herstellen. So gibt es in einem räumlichen Kontrollgebiet einen Zusammenhang zwischen der räumlichen Verkehrsdichte di r und der mittleren räumlichen Geschwindigkeit ge r. In einem zeitlichen Kontrollgebiet gibt es einen Zusammenhang zwischen der zeitlichen Verkehrsstärke st z und der mittleren zeitlichen Geschwindigkeit ge z. Ein Zusammenhang zwischen Verkehrsdichte, Verkehrsstärke und mittlerer Geschwindigkeit ergibt sich nur in einem räumlichen und zeitlichen Kontrollgebiet. Hier gilt der folgende Zusammenhang zwischen der räumlich–zeitlichen Verkehrsdichte di r z, der 2.1 Verkehr 23 räumlich–zeitlichen Verkehrsstärke st r z und der mittleren räumlich–zeitlichen Geschwindigkeit ge r z: st r z di r z ge r z (2.16) Weitere Kenngrößen Neben den drei grundlegenden Kenngrößen eines Verkehrsablaufs (Verkehrsdichte, Verkehrsstärke und mittlere Verkehrsgeschwindigkeit) werden weitere makroskopische Größen als stochastische Verteilungen ermittelt und verglichen. Dazu gehören unter anderem Abstands– und Zeitlückenverteilungen. 2.2 Verkehrsbeeinflussung Eine Verkehrsbeeinflussung ist eine Maßnahme, die auf Verkehrsabläufe in einem Verkehrsgebiet einwirkt. Sie dient der Erhöhung beziehungsweise der Gewährleistung der Sicherheit, Leistungsfähigkeit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit der Verkehrsabläufe. Im Verkehrswesen wird zwischen planerischen und betrieblichen Verkehrsbeeinflussungen unterschieden. Planerische Verkehrsbeeinflussung Eine planerische Verkehrsbeeinflussung ist eine siedlungsplanerische, verkehrsplanerische oder verkehrspolitische Maßnahme, die indirekt auf die Verkehrsabläufe in einem Verkehrsgebiet einwirkt. Das Ziel einer solchen Beeinflussung ist Verringerung oder Verlagerung von Verkehr im betrachteten Verkehrsgebiet. Die Erhebung von Daten, die für die planerische Verkehrsbeeinflussung notwendig sind, erfolgt in der Regel durch Messungen des Verkehrsaufkommens. Diese Messungen sind üblicherweise keine Messungen von Zustandsgrößen eines Verkehrsablaufs, sondern Messungen zur Erfassung langfristiger Verkehrsentwicklungen in einem Verkehrsgebiet. Die Verkehrsmodellierungen, die für eine planerische Verkehrsbeeinflussung notwendig sind, konzentrieren sich auf die Umlegung des Verkehrsaufkommens in einem Verkehrsgebiet. Modellierungen von Verkehrsabläufen sind in der Regel nicht erforderlich. Betriebliche Verkehrsbeeinflussung Eine betriebliche Verkehrsbeeinflussung ist eine organisatorische oder bauliche Maßnahme, die direkt auf die Verkehrsabläufe in einem Verkehrsgebiet einwirkt. Das Ziel einer solchen Beeinflussung ist eine günstige Ausnutzung des vorhandenen Verkehrsgebiets bei gegebenen Verkehrsverhältnissen. Aufgrund des direkten Eingriffs in die Verkehrsabläufe ist die Erfassung der Verläufe ihrer Zustandsgrößen für die betriebliche Verkehrsbeeinflussung notwendig. Diese Erfassung erfolgt durch Messungen von Verkehrsgrößen in den betrachteten Verkehrsabläufen. Die Messungen sind so durchzuführen, dass nicht nur die zeitlichen und räumlichen Verläufe 24 2 Grundlagen der Verkehrsgrößen bestimmt werden können, sondern auch die Wirkungen der Beeinflussungsmaßnahmen auf die Verkehrsabläufe. Bei einer verkehrsabhängigen Maßnahme spiegelt sich die Wirkung der Beeinflussung ohne zeitliche Verzögerung in der Verkehrsmessung wider. Die Verkehrsmodellierungen, die für eine betriebliche Verkehrsbeeinflussung genutzt werden, umfassen insbesondere Simulationen von Verkehrsabläufen. Sie lassen sich zum einen zur Untersuchung des Verhaltens der Verkehrsabläufe und zum anderen als kurzfristige Prognosen zukünftig auftretender Verkehrsabläufe für eine betriebliche Verkehrsbeeinflussung nutzen. Maßnahmen zur direkten Beeinflussung von Verkehrsabläufen Es gibt verschiedene Maßnahmen zur direkten Beeinflussung von Verkehrsabläufen im Zuge einer betrieblichen Verkehrsbeeinflussung. Jede dieser Maßnahmen ist an die vorgegebenen Ziele der Verkehrsbeeinflussung anzupassen. Für die Erhöhung der Sicherheit in einem Verkehrsgebiet sind Maßnahmen zur Einhaltung von ausreichenden Sicherheitsabständen zwischen den Vehikeln und Maßnahmen zur Verbesserung der Wahrnehmung von Gefahren oder Störungen notwendig. Um die Leistungsfähigkeit eines Verkehrsgebiets auszuschöpfen, sind Maßnahmen zur Homogenisierung der zugehörigen Verkehrsabläufe mit einer möglichst hohen Verkehrsdichte und einer möglichst hohen Geschwindigkeit notwendig. Bei gleichzeitiger Gewährleistung der Sicherheit ist die beeinflusste Verkehrsdichte durch die einzuhaltenden Sicherheitsabstände nach oben beschränkt. Die Umweltverträglichkeit von Verkehrsabläufen lässt sich am besten durch die Vermeidung von umweltbelastenden Vehikeln im entsprechenden Verkehrsgebiet erreichen. Solche Verkehrsmaßnahmen sind jedoch indirekte Beeinflussungen der Verkehrsabläufe. Eine direkte Beeinflussung lässt sich durch Homogenisierung der Verkehrsabläufe erreichen. Die Wirtschaftlichkeit von Verkehrsabläufen ist zum einen auf die Vehikel und zum anderen auf das Verkehrsgebiet zu beziehen. Um die Wirtschaftlichkeit des Ortswechsels eines Vehikels zu gewährleisten, sind insbesondere Maßnahmen zur Minimierung von Reisezeiten erforderlich. Um die Wirtschaftlichkeit der Verkehrsabläufe in einem Verkehrsgebiet zu gewährleisten, sind insbesondere Maßnahmen zur günstigen Ausnutzung der Gebietskapazitäten erforderlich. Statische und dynamische Verkehrsmaßnahmen Direkte Beeinflussungen von Verkehrsabläufen lassen sich aufgrund des zeitlichen Verhaltens der Beeinflussung in statische und dynamische Verkehrsmaßnahmen einteilen. 2.2 Verkehrsbeeinflussung 25 Statische Verkehrsmaßnahmen ändern ihre Beeinflussung der Verkehrsabläufe mit fortschreitender Zeit nicht. Ihr Eingriff in die Verkehrsabläufe bleibt nach ihrer einmaligen Installation unverändert. Statische Verkehrsmaßnahmen umfassen insbesondere bauliche Änderungen des Verkehrsgebiets, statische Anzeigen, wie beispielsweise Straßenverkehrsschilder, die die Verkehrsabläufe in Form eines Gebots, Verbots oder Hinweises beeinflussen, sowie feste Markierungen im Verkehrsgebiet, wie beispielsweise Fahrbahnmarkierungen einer Straße. Dynamische Verkehrsmaßnahmen ändern ihre Beeinflussung der Verkehrsabläufe mit fortschreitender Zeit. Ihr Eingriff in die Verkehrsabläufe ändert sich aufgrund kurzfristiger menschlicher Entscheidungen oder infolge eines verkehrsabhängigen beziehungsweise verkehrsunabhängigen Steuerprogramms. Dynamische Verkehrsmaßnahmen umfassen insbesondere polizeiliche Verkehrsregelungen, Tagesbaustellen, Schranken, Lichtsignalanlagen sowie alle elektronisch veränderlichen Anzeigefelder und Steuerungen im Verkehrsgebiet. Stationäre und instationäre Verkehrsmaßnahmen Direkte Beeinflussungen von Verkehrsabläufen lassen sich aufgrund ihres räumlichen Bezugs in stationäre und instationäre Verkehrsmaßnahmen einteilen. Stationäre Verkehrsmaßnahmen beeinflussen die Verkehrsabläufe in einem räumlich unveränderlichen Teilgebiet im Verkehrsgebiet. Ihr Standort ist ein unbeweglicher Punkt, ein unbeweglicher Teilschnitt oder ein unbewegliches Teilgebiet. Sie können ausschließlich kollektiv auf das Verhalten der Vehikel in den Verkehrsabläufen einwirken. Stationäre Verkehrsmaßnahmen umfassen insbesondere bauliche Änderungen des Verkehrsgebiets und jede fest installierte Beeinflussungsanlage, wie beispielsweise Schilder oder Lichtsignalanlagen. Instationäre Verkehrsmaßnahmen beeinflussen die Verkehrsabläufe in einem räumlich veränderlichen Teilgebiet im Verkehrsgebiet. Ihr Standort kann ein beweglicher Punkt, ein beweglicher Teilschnitt oder ein bewegliches Teilgebiet sein. Sie können individuell oder kollektiv auf das Verhalten der Vehikel in den Verkehrsabläufen einwirken. Individuelle instationäre Verkehrsmaßnahmen sind Beeinflussungen jedes einzelnen Vehikels in den Verkehrsabläufen. Hierzu werden in oder an jedem Vehikel Anzeigen oder Steuerungen benötigt, die eine individuelle Beeinflussung ermöglichen. Kollektive instationäre Verkehrsmaßnahmen entsprechen stationären Verkehrsmaßnahmen, deren Ort oder deren Einflussbereich verändert werden kann. 2.3 Verkehrsmessung Eine Verkehrsmessung von Verkehrsabläufen entspricht einer Erhebung von Daten dieser Verkehrsabläufe. Die Messdaten entsprechen Werten von orts– und zeitabhänigen Zustandsgrößen im entsprechenden Verkehrsgebiet. Die Messdaten ermöglichen 26 2 Grundlagen Aussagen über zeitliche und räumliche Verläufe von Verkehrsgrößen in einem Verkehrsgebiet. Die Güte der Aussagen hängt von der Brauchbarkeit der Messergebnisse für die jeweils betrachtete Verkehrsaufgabe ab. Eine vollständige Messung eines Verkehrsablaufs ist die Aufnahme aller relevanten Zustandsgrößen sämtlicher Vehikel in einem Verkehrsgebiet über die gesamte Zeitdauer der Verkehrsmessung. Für Verkehrsabläufe mit einer überschaubaren Anzahl von Vehikeln, deren Ziel bekannt ist und die von außen kontrolliert werden können, ist eine vollständige Verkehrsmessung möglich und zweckmäßig. So sind beispielsweise im Linienflug– oder Schienenverkehr alle relevanten Zustandsgrößen, die für die Kontrolle und Steuerung der Verkehrsabläufe notwendigerweise gebraucht werden, messbar. Für Verkehrsabläufe mit zahlreichen, sich individuell bewegenden Vehikeln ist eine vollständige Verkehrsmessung nicht möglich. So sind beispielsweise im Fußgänger– oder Kraftfahrzeugverkehr die relevanten Zustandsgrößen zur Beeinflussung der Vehikelbewegungen nicht eindeutig bekannt. Viele Zustandsgrößen sind aufgrund des subjektiven Verhaltens der Vehikel schwer messbar. Es bleibt zu untersuchen, inwieweit Messungen der zahlreichen individuellen Zustandsgrößen zu brauchbaren Aussagen für die Beschreibung, Untersuchung, Kontrolle und Steuerung von Verkehrsabläufen führen. Die Verkehrsmessungen sollten in jedem Fall die Bestimmung der wesentlichen Kenngrößen eines Verkehrsablaufs ermöglichen. Die Bestimmung kann mit zwei grundsätzlich verschiedenen Methoden erfolgen. Die eine Methode basiert auf der Messung von Verkehrsdaten für jedes Vehikel in einem Verkehrsablauf. Die andere Methode basiert auf der Messung von Verkehrsdaten in einem Verkehrsgebiet außerhalb der Vehikel. Kenngrößen aus Messungen von Vehikeldaten Bei der Bestimmung der wesentlichen Kenngrößen eines Verkehrsablaufs aus Messungen von Vehikeldaten sind ausreichend Messinstrumente in jedem Vehikel anzubringen, um alle erforderlichen Zustandsgrößen messen zu können. In jedem der Vehikel lassen sich so beispielsweise die Geschwindigkeit oder Werte von Größen der Antriebseigenschaften des Vehikels zu jedem Zeitpunkt der Messung bestimmen. Eine Messung der Vehikelposition im Verkehrsgebiet ist nur relativ zum Ausgangspunkt der Vehikelbewegung möglich. Das Ziel des Vehikels muss von seinem Führer explizit vor jedem Ortswechsel angegeben werden. Subjektive Zustandsgrößen, wie der Wahrnehmungs– und Sicherheitsbereich, sind schwer messbar. Um aus den gemessenen Vehikeldaten zu den wesentlichen Kenngrößen des entsprechenden Verkehrsablaufs zu gelangen, sind die einzelnen Vehikeldaten an eine zentrale Datenauswertung für das zugehörige Verkehrsgebiet zu übermitteln. Die Kenngrößen ergeben sich hier durch Mittelung der Vehikeldaten. 2.3 Verkehrsmessung 27 Die Schwierigkeit bei dieser Bestimmungsmethode ist die Messung in jedem Vehikel des betrachteten Verkehrsablaufs. Eine solche Verkehrsmessung ist selten möglich, da die notwendigen Messinstrumente fehlen oder unerwünscht sind. Insbesondere im Individualverkehr wird auf absehbare Zeit eine Messung für alle Vehikel in einem Verkehrsablauf mit einer Datenübermittlung an eine zentrale Datenauswertung nicht möglich sein. Kenngrößen aus Messungen von Verkehrsdaten im Verkehrsgebiet Bei der Bestimmung der wesentlichen Kenngrößen eines Verkehrsablaufs aus Messungen von Verkehrsdaten in einem Verkehrsgebiet werden Messinstrumente benötigt, mit denen sich die zeitlichen und räumlichen Verläufe der erforderlichen Kenngrößen bestimmen lassen. Sind die Vehikel in den Messungen identifizierbar, so kann die Position jedes Vehikels im betrachteten Verkehrsgebiet gemessen werden. Die Geschwindigkeit jedes Vehikels ergibt sich aus zwei zeitlich oder räumlich aufeinander folgende Messungen. Weitere Kenngrößen der Vehikel, wie das Ziel, der Wahrnehmungsbereich oder die Sicherheitsabstände lassen sich nur als stochastische Verteilung angeben oder schätzen, jedoch nicht messen. Diese Bestimmungsmethode bietet einen geringeren Umfang an Messergebnissen als die sehr viel aufwendigere Methode der Messung von Zustandsgrößen jedes Vehikels in einem Verkehrsablauf, dafür ist sie auf jeden Verkehrsablauf anwendbar. Darüber hinaus ist der Umfang der Messergebnisse in vielen Fällen vollkommen ausreichend, um brauchbare Aussagen zur Lösung einer Verkehrsaufgabe zu liefern. Ideal für Verkehrsmessungen in einem Verkehrsgebiet sind zeitlich und räumlich kontinuierliche Aufnahmen eines Verkehrsablaufs. Auf diese Weise entsteht eine Aufzeichnung, in der zu jedem Zeitpunkt jedes Vehikel mit seinen Kenngrößen eindeutig identifizierbar ist. Eine notwendigerweise unverzerrte, flächendeckende und zeitlich kontinuierliche Aufnahme eines Verkehrsablaufs, wie sie von Satelliten oder anderen exponiert positionierten Messeinrichtungen gewonnen werden kann, ist aufwendig und kostenintensiv. Aus diesem Grund werden üblicherweise zeitlich oder räumlich diskrete Verkehrsmessungen verwendet. Sie sind im Verkehrswesen als momentane oder lokale Verkehrsmessungen bekannt. Momentane Verkehrsmessungen Bei einer momentanen Verkehrsmessung wird die räumliche Verteilung der Vehikel im Teilgebiet eines Verkehrsgebiets zu einem Zeitpunkt t bestimmt. Dies geschieht beispielsweise durch die Aufnahme eines Fotos vom Teilgebiet zum Zeitpunkt t. Die Anzahl n der Vehikel in einem Teilgebiet mit der repräsentativen Größe V wird durch Zählung ermittelt (Abbildung 2.17 a). Das Verhältnis nV ist entsprechend der Definition (2.8) ein Maß für die räumliche Verkehrsdichte di r im Teilgebiet zum Zeitpunkt t. Wie zur Definition (2.8) erläutert, ist hierbei die repräsentative Größe V nicht eindeutig. 28 2 Grundlagen Sind die n Vehikel identifizierbar, so lässt sich mit einer zweiten, zeitlich leicht versetzten, momentanen Verkehrsmessung die Geschwindigkeit v a (t) eines Vehikels a zum Zeitpunkt t näherungsweise bestimmen (Abbildung 2.17 b). Die Geschwindigkeit entspricht hierbei dem Quotienten des Abstands r a (t t) r a (t) der Vehikelpositionen zu den beiden Messzeitpunkten und deren Differenz t. Durch Mittelung aller Geschwindigkeitsbeträge v a (t) der n Vehikel ergibt sich näherungsweise zur Definition (2.9) ein Maß für die mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r. a) b) t tt t t x y V Vehikel zur Zeit t t x y V Bahnlinien Abbildung 2.17: a) Eine momentane Verkehrsmessung zur Dichtebestimmung und b) zwei zeitversetzte momentane Messungen zur Geschwindigkeitsbestimmung Lokale Verkehrsmessungen Bei einer lokalen Verkehrsmessung wird die zeitliche Verteilung der Vehikel in einem Schnitt A durch ein Verkehrsgebiet bestimmt. Dies geschieht beispielsweise durch Verkehrsdetektoren wie Induktionsschleifen oder Radargeräte im Teilgebiet. Die Anzahl n der Vehikel in einem Zeitintervall der repräsentativen Dauer t wird durch Zählung ermittelt. Das Verhältnis nt ist entsprechend der Definition (2.10) ein Maß für die zeitliche Verkehrsstärke st z. Wie zur Definition (2.10) erläutert, sind hierbei die repräsentative Dauer t und und die repräsentative Schnittfläche A nicht eindeutig. Sind die n Vehikel identifizierbar, so lässt sich mit einer zweiten, räumlich leicht versetzten, lokalen Verkehrsmessung die Geschwindigkeit v a (t) eines Vehikels a an einem Ort r näherungsweise bestimmen (Abbildung 2.18 b). Die Geschwindigkeit entspricht hierbei dem Quotienten des Abstands (r r) r auf den beiden Messschnitten und der Differenz t der Zeitpunkte, an denen sich das Vehikel a auf den Messschnitten befindet. Durch Mittelung aller Geschwindigkeitsbeträge v a (t) der n Vehikel ergibt sich näherungsweise zur Definition (2.11) ein Maß für die mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z. 2.3 Verkehrsmessung a) 29 t A Vehikel am Ort r b) t A x x y y r r rr Bahnlinien Abbildung 2.18: a) Eine lokale Verkehrsmessung zur Verkehrsstärkebestimmung und b) zwei raumversetzte lokale Messungen zur Geschwindigkeitsbestimmung Zusammenhang zwischen den Kenngrößen lokaler und momentaner Messungen Im Verkehrswesen ist es üblich, die Verkehrsdichte mit Hilfe einer momentanen Messung und die Verkehrsstärke mit Hilfe einer lokalen Messung zu definieren. Die Verkehrsdichte entspricht so einer räumlichen Verkehrsdichte di r, und die Verkehrsstärke entspricht so einer zeitlichen Verkehrsstärke st z. Die mittlere Geschwindigkeit entspricht je nach Messung einer mittleren räumlichen Geschwindigkeit ge r oder einer mittleren zeitlichen Geschwindigkeit ge z. Ein Zusammenhang, wie zwischen den räumlich–zeitlichen Kenngrößen di r z, st r z und ge r z in Gleichung (2.16), existiert zwischen diesen Kenngrößen nicht. Eine momentane und lokale Messung, die zu Näherungen der räumlich–zeitlichen Kenngrößen di r z, st r z und ge r z führen würde, ist aufwendig zu realisieren und im Verkehrswesen nicht üblich. 30 2 Grundlagen 3 Modellierung von Autobahnverkehr Die allgemeine Verkehrsbeschreibung bildet die Grundlage zur Modellierung von Verkehr. Jede Verkehrsmodellierung wird für eine spezielle Verkehrsaufgabe entwickelt, da eine allgemeine Verkehrsaufgabe zu komplex und somit für eine praxisrelevante Anwendung unbrauchbar ist. Die spezielle Verkehrsaufgabe in dieser Arbeit ist die Modellierung von Autobahnverkehr zur Analyse von Staus oder ähnlichen Verkehrsphänomenen. Autobahnverkehr bietet sich für die Analyse von Staus oder ähnlichen Verkehrsphänomenen an, da sie in diesem vergleichsweise einfach abbildbaren Individualverkehr besonders deutlich auftreten und durch Messungen festgehalten werden können. Die Beschreibung von Autobahnverkehr ist eine Spezialisierung der allgemeinen Verkehrsbeschreibung. In der speziellen Beschreibung entspricht das Verkehrsgebiet einem Autobahnnetz und die Vehikel entsprechen Kraftfahrzeugen. Die Besonderheiten des Autobahnverkehrs spiegeln sich nicht nur in der Beschreibung des Verkehrsgebiets und der Verkehrsabläufe wider, sondern auch in der Beschreibung möglicher Verkehrsbeeinflussungen und –messungen. Auf der Grundlage der speziellen Beschreibung lässt sich ein Autobahnverkehr durch die Modellierung des Autobahnnetzes, der Verkehrsabläufe im Autobahnnetz sowie der Beeinflussungen und der Messungen des Autobahnverkehrs modellieren. Die Modellierung eines Autobahnnetzes kann als genaue Abbildung eines realen Verkehrsgebiets umgesetzt werden, da jedes reale Autobahnnetz für einen langen Zeitraum als unveränderlich konstruiert wurde. Sein Zustand ist zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort bekannt. Ein Autobahnnetz ist so zu modellieren, dass nicht nur seine strukturellen, geometrischen und physikalischen Eigenschaften korrekt abgebildet werden, sondern auch eine Modellierung von Verkehrsabläufen, Beeinflussungsmaßnahmen und Messungen hierauf aufbauend entwickelt werden kann. Die Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz kann nicht als genaue Abbildung von realen Verkehrsabläufen umgesetzt werden, da die Beschreibungsmöglichkeiten der sich ständig ändernden Zustände eines Verkehrsablaufs unzureichend sind. Die Modellierung von Verkehrsabläufen ist eine Modellvorstellung, die sich mit Messergebnissen, nicht aber mit der Realität vergleichen lässt. Es gibt mehrere solcher Modellvorstellungen, die nicht unbedingt ineinander überführbar sind. Verkehrsabläufe in 32 3 Modellierung von Autobahnverkehr einem Autobahnnetz sind daher so zu modellieren, dass eine bestimmte Verkehrsaufgabe hinreichend gelöst werden kann. Hierbei sind insbesondere die Verkehrsbeeinflussungen und die Verkehrsmessungen zu berücksichtigen. Ein Vorteil der Modellierung von Autobahnverkehr ist die Möglichkeit, Wirkungen von betrieblichen Maßnahmen zur Verkehrsbeeinflussung auf den Autobahnverkehr vor einem realen Einsatz abschätzen zu können. Bei geeigneter Modellierung des zugehörigen Autobahnnetzes lassen sich die Maßnahmen in die Modellierung abbilden. Die Auswirkungen dieser modellierten Maßnahmen hängen von der Modellierung der Verkehrsabläufe ab und zeigen nicht notwendigerweise die realen Auswirkungen der Maßnahmen. Die Modellierung von Messungen eines Autobahnverkehrs kann bei geeigneter Modellierung des zugehörigen Autobahnnetzes als genaue Abbildung einer realen Verkehrsmessung umgesetzt werden. Es ist zweckmäßig, die modellierten Verkehrsmessungen in die Modellierung der Autobahn zu integrieren. So lassen sich zum einen verkehrsabhängige Beeinflussungsmaßnahmen abbilden und zum anderen ein direkter Vergleich von Mess– und Simulationsergebnissen gewährleisten. In diesem Kapitel werden im ersten Abschnitt die Grundlagen der Beschreibung von Autobahnverkehr aufgezeigt. Dabei werden Autobahnnetze sowie Kraftfahrzeuge, Verkehrsabläufe, Verkehrsbeeinflussungen und Verkehrsmessungen in Autobahnnetzen beschrieben. Im zweiten Abschnitt wird die Modellierung von Autobahnnetzen als Umsetzung ihrer speziellen Beschreibung erläutert. Im dritten Abschnitt folgt die Modellierung von Verkehrsabläufen. Dabei werden verschiedene Modellvorstellungen aufgezeigt. Die beiden letzten Abschnitte zeigen die Integration von Verkehrsbeeinflussungen und Verkehrsmessungen in die Modellierung von Autobahnverkehr auf. 3.1 Autobahnverkehr Autobahnverkehr beschreibt Ortswechsel von Personen oder Gütern mit Hilfe von Kraftfahrzeugen in einem Autobahnnetz. Ein Autobahnnetz ist ein Verkehrsgebiet, das die Überwindung großer Distanzen für möglichst viele Kraftfahrzeuge in möglichst kurzer Zeit gewährleisten soll. Dies wird durch Vermeidung von Störungen auf die Kraftfahrzeugbewegungen mit mehrspurigen Richtungsfahrbahnen und planfreien Verkehrsknotenpunkten erreicht. Richtungsfahrbahnen ermöglichen ein schnelles Überholen langsamerer Kraftfahrzeuge und verhindern den Begegnungsfall entgegenkommender Kraftfahrzeuge. Planfreie Verkehrsknotenpunkte verhindern den Begegnungsfall kreuzender Kraftfahrzeuge. Ein Kraftfahrzeug ist ein motorisiertes Vehikel, das von einem Fahrer individuell bewegt wird. Die individuelle Bewegung wird in einem Autobahnnetz durch die Eigenschaften der Fahrbahn, die Interaktion mit anderen Kraftfahrzeugen und Verkehrsbeeinflussungen eingeschränkt. 3.1 Autobahnverkehr 33 Ein Verkehrsablauf von Kraftfahrzeugen in einem Autobahnnetz ist durch die eingeschränkten Bewegungs– und Interaktionsmöglichkeiten der Kraftfahrzeuge charakterisiert. Die Verkehrsabläufe entsprechen Verkehrsströmen, die sich auf den Fahrbahnen in eine Richtung bewegen und an den planfreien Verkehrsknotenpunkten aufgeteilt beziehungsweise zusammengeführt werden. Eine Verkehrsbeeinflussung von Autobahnverkehr dient insbesondere der Gewährleistung beziehungsweise Erhöhung der Sicherheit und der Leistungsfähigkeit von Verkehrsabläufen im zugehörigen Autobahnnetz. Hierzu werden vor allem betriebliche Verkehrsmaßnahmen durchgeführt. Eine Verkehrsmessung von Autobahnverkehr besteht üblicherweise aus lokalen Messungen der Verkehrsabläufe im zugehörigen Autobahnnetz. Mit ihnen lassen sich die Zustandsgrößen der Verkehrsabläufe zum einen für verkehrsabhängige Beeinflussungsmaßnahmen und zum anderen für den Vergleich mit Simulationsergebnissen nutzen. 3.1.1 Autobahnnetze Ein Autobahnnetz ist ein Verkehrsgebiet mit einer Netzstruktur für homogenen Verkehr. Es setzt sich aus Autobahnabschnitten und Autobahnknotenpunkten zusammen (Abbildung 3.1). Die Autobahnabschnitte dienen den Ortswechseln von Kraftfahrzeugen. Die Autobahnknotenpunkte ermöglichen die Ein– und Ausfahrt der Kraftfahrzeuge in das und aus dem Autobahnnetz sowie den Wechsel der Kraftfahrzeuge von einem Autobahnabschnitt zu einem anderen. 1 1 2 A7 A352 4 3 2 4 5 3 Burgwedel Langenhagen 7 6 8 11 12 12 14 13 13 16 15 Bremer Damm 14 17 B6 9 10 Hannover Garbsen 8 A37 10 9 6 7 11 A2 5 15 B65 18 Laatzen 16 17 18 19 20 19 20 Hannover – Nord Langenhagen – Kaltenweide Großburgwedel Flughafen Hannover Engelbostel Hannover – Kirchhorst Hannover – Herrenhausen Hannover – West Hannover – Langenhagen Hannover – Bothfeld Hannover – Buchholz Hannover – Ost Schwanenburgkreisel Hannover – Misburg Hannover – Mühlenberg Hannover – Seelhorst Hannover – Anderten Messegelände – Nord Messegelände – Süd Hannover – Süd Abbildung 3.1: Autobahn– und Schnellstraßennetz im Großraum Hannover 34 3 Modellierung von Autobahnverkehr Netzstruktur Die Struktur eines Autobahnnetzes kann auf unterschiedliche Weise beschrieben werden. Eine mögliche Beschreibung basiert auf der Aufteilung des Verkehrsgebiets in Autobahnknotenpunkte und Autobahnabschnitte, die die Autobahnknotenpunkte miteinander verbinden. Die Autobahnabschnitte sind Abschnitte ohne Ein– und Ausfahrten. Sie gewährleisten einen möglichst störungsfreien Ortswechsel der Kraftfahrzeuge durch das Autobahnnetz. Die Autobahnknotenpunkte sind Abschnitte mit Ein– und Ausfahrten. Sie vereinigen die Ein– und Ausfahrten mit den zugehörigen Autobahnbereichen zu einer Einheit. Innerhalb dieser Einheit erfolgen die Verteilungen der Kraftfahrzeugströme in die verschiedenen Richtungen. Mit einem bipartiten Graph lassen sich die Menge der Autobahnabschnitte und die Menge der Autobahnknotenpunkte sowie deren gegenseitige Nachbarschaftsbeziehungen abbilden (Abbildung 3.2). 1 1 2 Autobahnknotenpunkt “erreichbar” 3 2 3 4 Autobahnabschnitt 4 5 5 7 8 9 6 10 7 11 14 12 13 17 15 6 8 11 10 13 12 14 15 16 18 19 9 16 17 18 20 ^ 19 20 Abbildung 3.2: Autobahnknotenpunkte und sie verbindende Autobahnabschnitte im Autobahnnetz aus Abbildung 3.1 als Karte und als bipartiter Graph Eine andere Möglichkeit der Beschreibung des Autobahnnetzes priorisiert die Kraftfahrzeugströme auf den Autobahnabschnitten, die nicht durch kreuzende Kraftfahrzeuge gestört werden. Hierbei werden ausschließlich Autobahnabschnitte berücksichtigt. Autobahnknotenpunkte treten in dieser Beschreibung des Autobahnnetzes nicht auf. Die Ein– und Ausfahrten sind den Autobahnabschnitten zugeordnet. Die Struktur der Autobahnabschnitte und deren direkte Erreichbarkeitsbeziehungen lassen sich mit einem schlichten Graph beschreiben (Abbildung 3.3). Im folgenden wird die Beschreibung eines Autobahnnetzes als ein schlichter Graph aus Autobahnabschnitten verwendet. 3.1 Autobahnverkehr 35 A352 A7 A7 A2 A352 A2 B6 B65 A37 Bremer Damm A37 Autobahnabschnitt “erreichbar” B6 Bremer Damm B65 Abbildung 3.3: Autobahnabschnitte im Autobahnnetz aus Abbildung 3.1 als Karte und als schlichter Graph Autobahnabschnitt Ein Autobahnabschnitt setzt sich aus zwei Fahrbahnen zusammen, die entgegengesetzt zu durchfahren sind. Da die beiden Richtungsfahrbahnen strukturell und geometrisch nicht zusammenhängen und da die gegenseitigen Einflüsse der Verkehrsabläufe auf den beiden Fahrbahnen in der Regel vernachläßigt werden können, ist bei der Beschreibung eines Autobahnabschnitts die Beschränkung auf einen Fahrbahnabschnitt gerechtfertigt. Abbildung 3.4: Autobahnabschnitt im Bereich eines Autobahnknotenpunkts Fahrbahnabschnitt Ein Fahrbahnabschnitt besitzt einen Anfang und ein Ende. Die Kraftfahrzeuge durchfahren den Fahrbahnabschnitt vom Fahrbahnanfang auf mehreren, nebeneinander verlaufenden Fahrstreifen bis zum Fahrbahnende. Zur Beschreibung der Fahrbahngeometrie wird ein Koordinatensystem mit dem Ursprung im Fahrbahnanfang eingeführt. Sind nur die Koordinaten längs des Fahrbahnabschnitts von Interesse, so genügt ein eindimensionales Koordinatensystem in Fahrtrichtung. Soll zusätzlich die Breite der Fahrbahn berücksichtigt werden, so ist ein zweidimensionales Koordinatensystem mit einer 36 3 Modellierung von Autobahnverkehr Hauptrichtung längs der Fahrbahn und einer Richtung quer zur Fahrbahn notwendig. Es ist zweckmäßig, die Richtung quer zur Fahrbahn diskret durch die Bezeichnungen der Fahrstreifen zu beschreiben. x Abbildung 3.5: Fahrbahnabschnitt mit einer Einfahrt und einer Ausfahrt Die Anzahl der Fahrstreifen entlang des Fahrbahnabschnitts ist nicht notwendigerweise konstant. Es kann im Verlauf der Hauptkoordinatenrichtung zu Fahrbahnadditionen mit einer Vergrößerung des Fahrbahnquerschnitts oder zu Fahrstreifensubtraktionen mit einer Verringerung des Fahrbahnquerschnitts kommen. Die Fahrbahnseite, auf der die Fahrstreifen hinzukommen oder verschwinden, ist nicht festgelegt. Die Teilung einer Fahrbahn in zwei Fahrbahnen kann aufgrund geographischer Gegebenheiten oder aufgrund einer Autobahnbaustelle erforderlich sein. Hierbei verzweigt sich die Fahrbahn an einem Ort längs der Fahrtrichtung und wird an einem Ort im weiteren Verlauf der Hauptkoordinatenrichtung wieder zusammengeführt. Einfahrten lassen sich als eine Zusammenführung zweier Fahrbahnen mit anschließender Fahrstreifensubtraktion auffassen. Ausfahrten lassen sich als eine Fahrstreifenaddition mit anschließender Verzweigung der Fahrbahn auffassen. Die wesentlichen physikalischen Eigenschaften eines Fahrbahnabschnitts umfassen strecken– beziehungsweise flächenförmige, querschnittsbezogene beziehungsweise punktuelle Eigenschaften sowie äußere Einflüsse. Streckenförmige Eigenschaften sind beispielsweise Oberflächenbeschaffenheiten, Steigungen oder Kurvigkeiten. Querschnittsbezogene Eigenschaften sind beispielsweise Schlaglöcher und ähnliche Hindernisse. Äußere Einflüsse sind beispielsweise Witterungsverhältnisse. Die Einteilung eines Fahrbahnabschnitts in Fahrstreifen ist keine strukturelle, geometrische oder physikalische Eigenschaft, sondern wird als Vorschrift aufgefasst, nach der sich alle Kraftfahrzeuge auf den Fahrstreifen zu bewegen haben. Diese Vorschrift ist eine betriebliche Beeinflussung der Verkehrsabläufe auf einer Fahrbahn, die in Abschnitt 3.1.4 beschrieben wird. Autobahnknotenpunkt An einem Autobahnknotenpunkt trifft ein Autobahnabschnitt auf andere Autobahnabschnitte oder auf untergeordnete Straßen. Um die Verkehrsabläufe auf den Autobahnabschnitt nicht zu beeinträchtigen, werden die anderen Autobahn– oder Straßenabschnitte planfrei, das heißt unter oder über den Autobahnabschnitten vorbeigeführt. Beim Aufeinandertreffen auf andere Autobahnabschnitt wird den Kraftfahrzeugen im Knotenpunkt ein Wechsel der Autobahnabschnitte innerhalb eines Autobahnnetzes ermöglicht. 3.1 Autobahnverkehr 37 Beim Aufeinandertreffen auf untergeordnete Straßen wird den Kraftfahrzeugen im Knotenpunkt das Ein– oder Ausfahren in oder aus dem Autobahnnetz ermöglicht. Der Wechsel von Autobahnabschnitten erfolgt in der Regel in Autobahnkreuzen und Autobahndreiecken. An Autobahnkreuzen kreuzen sich zwei Autobahnabschnitte, an Autobahndreiecken mündet ein Autobahnabschnitt in einen anderen. In einem vollständigen Autobahnkreuz oder –dreieck ist jede Fahrbahn der beiden Autobahnabschnitte von den Kraftfahrzeugen über eine Ausfahrt, eine Rampe und eine Einfahrt von jeder anderen Fahrbahn erreichbar. In einem unvollständigen Autobahnkreuz oder –dreieck, beispielsweise der Zusammenführung zweier Autobahnabschnitte zu einem, sind einige Fahrbahnwechsel nicht möglich. a) b) c) Abbildung 3.6: Planfreie Autobahnknotenpunkte: a) vollständiges Autobahnkreuz, b) vollständiges Autobahndreieck und c) unvollständiges Autobahndreieck Der Wechsel zwischen einem Autobahnabschnitt und einer untergeordneten Straße erfolgt in einer Autobahnanschlussstelle oder am Anfang beziehungsweise am Ende eines Autobahnabschnitts. In einer Anschlussstelle ist jede Fahrbahn des Autobahnabschnitts von den Kraftfahrzeugen über eine Ausfahrt, eine Rampe und eine Einfahrt von der untergeordneten Straße ebenso erreichbar, wie die Straße von der Fahrbahn. Üblicherweise werden die Kraftfahrzeuge am Anfang eines Autobahnabschnitts über eine Zubringerfahrbahn oder Rampe aus dem untergeordneten Straßensystem in den Autobahnabschnitt geführt. Ebenso werden die Kraftfahrzeuge am Ende eines Autobahnabschnitts über eine Rampe in das untergeordnete Straßensystem abgeführt. Die Form der Autobahnknotenpunkte kann entsprechend der geometrischen Gegebenheiten, des Verkehrsaufkommens und der Rolle der Knotenpunkte im Autobahnnetz variieren. Die Rampen der Autobahnknotenpunkte können entsprechend dem Verkehrsaufkommen mit einem oder mehreren Fahrstreifen ausgebildet sein. 38 3 Modellierung von Autobahnverkehr 3.1.2 Kraftfahrzeuge Ein Kraftfahrzeug ermöglicht den individuellen Ortswechsel in zwei Richtungen. Es lässt sich von seinem Fahrer in seine Frontrichtung und entgegen seine Frontrichtung bewegen. Die dabei entstehende Bewegungsbahn kann vom Fahrer nach links oder rechts ausgelenkt werden. In einem Autobahnnetz ist die Bewegung eines Kraftfahrzeugs auf die Bewegung innerhalb eines Fahrstreifens in Fahrtrichtung der zugehörigen Fahrbahn beschränkt. Ein Kraftfahrzeug kann jedoch von einem Fahrstreifen auf einen daneben verlaufenden Fahrstreifen wechseln. Das lokale Koordinatensystem eines Kraftfahrzeugs sollte die gleiche Dimension besitzen, wie das Koordinatensystem des Fahrbahnabschnitts, auf dem es sich befindet. Häufig genügt ein eindimensionales Koordinatensystem zur Beschreibung der geometrischen Eigenschaften eines Kraftfahrzeugs, wie Länge, Wahrnehmungsabstand oder Sicherheitsabstand in Fahrtrichtung. Die Antriebseigenschaften eines Kraftfahrzeugs umfassen insbesondere die Wunschgeschwindigkeit, das maximale Beschleunigungs– und Bremsvermögen, den Wahrnehmungsbereich in Frontrichtung und den geschwindigkeitsabhängigen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug. Das Ziel eines Kraftfahrzeugs befindet sich am Ende des Fahrbahnabschnitts, wo das Autobahnnetz vom Kraftfahrzeug verlassen wird. Der Fahrbahnabschnitt kann eine Ausfahrt oder ein Teil eines Autobahnabschnitts sein. Das Ziel beschreibt somit eine Senke am Rand des Autobahnnetzes. Das Eintreten in das Autobahnnetz über eine Einfahrt oder den Anfang eines Fahrbahnabschnitts beschreibt eine Quelle. a Quelle x Antrieb : v 0 a, a min a , a max a Sichterheitsabstand Senke Ziel Wahrnehmungsbereich Abbildung 3.7: Kraftfahrzeug auf einem Fahrbahnabschnitt Die Beeinflussung der Bewegung eines Kraftfahrzeugs hängt von seinem Ziel, seinen Antriebseigenschaften und dem Verhalten der vorausfahrenden Kraftfahrzeuge ab. 3.1.3 Verkehrsabläufe Die Verkehrsabläufe in einem Autobahnnetz setzen sich aus den Verkehrsabläufen auf allen zugehörigen Fahrbahnabschnitten inklusive der Ein– und Ausfahrten zusammen. Ein Verkehrsablauf auf einem Fahrbahnabschnitt ergibt sich aus den Bewegungen und den gegenseitigen Beeinflussungen der Kraftfahrzeuge in Fahrtrichtung. Er lässt sich in einem Ort–Zeit–Diagramm darstellen. 3.1 Autobahnverkehr 39 Ort–Zeit–Diagramm In einem Ort–Zeit–Diagramm wird für jeden Zeitpunkt t innerhalb eines Zeitbereichs die Position x a (t) jedes Kraftfahrzeugs a in Fahrtrichtung des betrachteten Fahrbahnabschnitts aufgetragen. Auf diese Weise ergeben sich die Bewegungsbahnen aller Kraftfahrzeuge längs des Fahrbahnabschnitts im betrachteten Zeitbereich. Zusätzlich lässt sich die Geschwindigkeit v a (t) jedes Kraftfahrzeugs a aus dem Ort–Zeit–Diagramm ablesen. Sie entspricht der Steigung dx a (t)dt der Bewegungsbahn von a zum Zeitpunkt t. x (t) a v a (t) xa t dx a (t) tan dt t Abbildung 3.8: Ort–Zeit–Diagramm eines Verkehrsablaufs von Kraftfahrzeugen längs eines Fahrbahnabschnitts Das Kreuzen von Bewegungsbahnen im Ort–Zeit–Diagramm entspricht einem Überholmanöver. Besteht der betrachtete Fahrbahnabschnitt nur aus einem Fahrstreifen, so kreuzen sich die Bewegungsbahnen nicht. Für das Ort–Zeit–Diagramm ergibt sich eine alternative Darstellung, wenn für jeden Ort x auf einem Fahrbahnabschnitt der Zeitpunkt t aufgetragen wird, an dem sich ein Kraftfahrzeug a am Ort x befindet. Diese Darstellung wird oft in der Anwendung verwendet, um den Verkehrszustand auf dem Fahrbahnabschnitt als horizontalen Schnitt betrachten zu können. Die zeitliche Änderung des Verkehrszustands entspricht einer vertikalen Bewegung des Schnitts im Ort–Zeit–Diagramm. Kenngrößen Die grundlegenden Kenngrößen eines Autobahnverkehrs sind die Verkehrsdichte, die Verkehrsstärke und die mittlere Geschwindigkeit aller Kraftfahrzeuge auf den zugehörigen Fahrbahnabschnitten. Analog zu den Definitionen (2.8) bis (2.15) der allgemeinen Verkehrsbeschreibung gibt es unterschiedliche Definitionen dieser Kenngrößen bezogen auf das eindimensionale Verkehrsgebiet der Hauptkoordinatenrichtung eines Fahrbahnabschnitts [57]. 40 3 Modellierung von Autobahnverkehr Definition: In einem Fahrbahnabschnitt sei für einen Ort x ein räumliches Kontrollgebiet in Form einer Strecke mit der Länge x zu einem Zeitpunkt t gegeben. Die räumliche Verkehrsdichte di r ist die Anzahl n r der Kraftfahrzeuge, die sich zum Zeitpunkt t im räumlichen Kontrollgebiet befinden: di r (x, t) : kfz m n r (x, x, t) x (3.1) Die mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r ist das arithmetische Mittel der Geschwindigkeiten v a aller n r Kraftfahrzeuge im räumlichen Kontrollgebiet zum Zeitpunkt t: ge r (x, t) : n1 r v a (x, x, t) nr ms (3.2) a1 Die räumliche Verkehrsdichte di r und die mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r sind ausschließlich für den festgelegten Fahrbahnabschnitt x definiert. Entsprechend den Erläuterungen zu den Definitionen (2.8) und (2.9) darf x nicht zu klein und nicht zu groß gewählt werden. Im Ort–Zeit–Diagramm entspricht die räumliche Verkehrsdichte einem Schnitt längs der Ortsachse im Bereich von x bis x x zur Zeit t auf der Zeitachse (Abbildung 3.9). Die mittlere räumliche Geschwindigkeit entspricht dem Mittel der Geschwindigkeiten, die die Kraftfahrzeuge auf dem Schnitt von x bis x x besitzen. x (t) Geschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs zum Zeitpunkt t x x t t Abbildung 3.9: Darstellung zur Bestimmung der räumlichen Verkehrsdichte und der mittleren räumlichen Geschwindigkeit im Ort–Zeit–Diagramm Definition: In einem Fahrbahnabschnitt sei für einen Ort x ein zeitliches Kontrollgebiet in Form eines Zeitintervalls von t bis t t gegeben. Die zeitliche Verkehrsstärke st z ist die Anzahl n z der Kraftfahrzeuge, die das zeitliche Kontrollgebiet in der Zeit von t bis t t in Fahrtrichtung durchqueren: st z (x, t) : n z (x, t, t) t kfzs (3.3) 3.1 Autobahnverkehr 41 Die mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z ist das arithmetische Mittel der Geschwindigkeiten v a aller n z Kraftfahrzeuge, die das zeitliche Kontrollgebiet im Zeitintervall von t bis t t in Fahrtrichtung durchqueren: ge z (x, t) : n1 z v a (x, t, t) nz ms (3.4) a1 Die zeitliche Verkehrsstärke und die mittlere zeitliche Geschwindigkeit sind ausschließlich für das festgelegte Zeitintervall von t bis t t definiert. Entsprechend den Erläuterungen zu den Definitionen (2.10) und (2.11) darf die Zeitdauer t nicht zu klein und nicht zu groß gewählt werden. Im Ort–Zeit–Diagramm entspricht die zeitliche Verkehrsstärke einem Schnitt längs der Zeitachse im Bereich von t bis t t am Ort x auf der Ortsachse (Abbildung 3.10). Die mittlere zeitliche Geschwindigkeit entspricht dem Mittel der Geschwindigkeiten, die die Kraftfahrzeuge auf dem Schnitt im Bereich von t bis t t besitzen. x(t) Geschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs am Ort x x t t Abbildung 3.10: Darstellung zur Bestimmung der zeitlichen Verkehrsstärke und der mittleren zeitlichen Geschwindigkeit im Ort–Zeit–Diagramm Definition: In einem Fahrbahnabschnitt sei für einen Ort x ein räumliches und zeitliches Kontrollgebiet in Form einer Strecke von x bis x und eines Zeitintervalls von t bis t t gegeben. Des Weiteren seien die Belegungstrecke x a und die Belegungszeit t a gegeben, die jedes Kraftfahrzeug a für den Aufenthalt im Kontrollgebiet während der Zeit von t bis t t benötigt. Die räumlich–zeitliche Verkehrsdichte di r z ist die Summe der Belegungszeiten t a aller n r z Kraftfahrzeuge pro Zeitdauer t und Fahrbahnlänge x: t a (t x) nrz di r z (x, t) : a1 kfz m (3.5) 42 3 Modellierung von Autobahnverkehr Die räumlich–zeitliche Verkehrsstärke st r z ist die Summe der Belegungsstrecken x a aller n r z Kraftfahrzeuge a pro Zeitdauer t und Fahrbahnlänge x: x a (t x) nrz st r z (x, t) : kfzs (3.6) a1 Die mittlere räumlich–zeitliche Geschwindigkeit ge r z ist der Quotient der Summe der Belegungsstrecken x a aller n r z Kraftfahrzeuge und der Summe der Belegungszeiten t a aller n r z Kraftfahrzeuge: x a t a nrz ge r z (x, t) : a1 n rz ms (3.7) a1 Die räumlich–zeitliche Verkehrsdichte und Verkehrsstärke sowie die mittlere räumlich– zeitliche Verkehrsgeschwindigkeit sind ausschließlich für die Fahrbahnlänge x und die Zeitdauer t definiert. Entsprechend den Erläuterungen zu den Definitionen (2.13) bis (2.15) darf weder x noch t zu klein oder zu groß gewählt werden. Darüber hinaus ist das Verhältnis von x zu t so abzustimmen, dass insbesondere die Bestimmung von ge r z nicht zu unrealistisch großen oder kleinen Werten führt. x(t) x t t Abbildung 3.11: Darstellung zur Bestimmung der räumlich–zeitlichen Kenngrößen di r z, st r z und ge r z im Ort–Zeit–Diagramm Wie in der allgemeinen Verkehrsbeschreibung sind lediglich Zusammenhänge zwischen Kenngrößen in gleichartigen Kontrollgebieten zulässig. In einem räumlichen Kontrollgebiet lässt sich ein Zusammenhang zwischen di r und ge r herstellen und in einem zeitlichen Kontrollgebiet lässt sich ein Zusammenhang zwischen st z und ge z herstellen. Nur in einem räumlichen und zeitlichen Kontrollgebiet gilt der folgende Zusammenhang zwischen der räumlich–zeitlichen Verkehrsdichte di r z, der räumlich–zeitlichen Verkehrsstärke st r z und der mittleren räumlich–zeitlichen Geschwindigkeit ge r z: st r z di r z ge r z (3.8) 3.1 Autobahnverkehr 43 3.1.4 Verkehrsbeeinflussung Das Verhalten der Verkehrsabläufe in einem Autobahnnetz wird durch betriebliche Verkehrsmaßnahmen auf den zugehörigen Fahrbahnabschnitten beeinflusst. Sie lassen sich in statische und dynamische Verkehrsmaßnahmen unterscheiden. Statische Verkehrsmaßnahmen Statische Verkehrsmaßnahmen auf einem Fahrbahnabschnitt sind bauliche Maßnahmen sowie unveränderliche Fahrbahnmarkierungen und Verkehrsschilder. Bauliche Maßnahmen werden einmalig durchgeführt, um die Leistungsfähigkeit eines Fahrbahnabschnitts zu erhöhen oder wieder herzustellen. Nach der Durchführung bleiben sie unverändert. Beispiele für bauliche Maßnahmen sind Fahrbahnverbreiterungen oder Behebungen von Straßenschäden. Ihre Wirkung auf die Verkehrsabläufe kann sowohl lokal begrenzt als auch großräumig im Autobahnnetz ausgebreitet sein. Fahrbahnmarkierungen auf Autobahnnetzen werden insbesondere zu einer flächenbezogenen Kennzeichnung der Fahrstreifen verwendet. Sie erhöhen so die Sicherheit auf den Fahrbahnen. Ihre Wirkung auf die Verkehrsabläufe ist lokal begrenzt. Seltener werden Markierungen für querschnittsbezogene Hinweise, Warnungen oder Verbote verwendet. Hierzu dienen vor allem Verkehrsschilder. Verkehrsschilder sind unveränderliche Signale. Sie sind entweder neben der Fahrbahn oder an Signalbrücken über den Fahrstreifen angebracht. Hinweisschilder dienen insbesondere zur Wegweisung der Kraftfahrzeuge oder als Warnung vor Steigungen, Kurven oder ähnlichen Gefahren. Durch die zusätzlichen Informationen wird die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Kraftfahrzeuge erhöht. Verbotsschilder dienen insbesondere zur Geschwindigkeitsbeschränkung in einem Fahrbahnbereich. Verbotsschilder führen zu einer Homogenisierung der Verkehrsabläufe in den beeinflussten Fahrbahnabschnitten und somit zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Gesamtverkehrs. Fahrbahnmarkierung x Schild ËËËËËËËËËËËËË ËËËËËËËËËËËËË ËËËËËËËËËËËËË bauliche Maßnahme Schilderbrücke Geschwindigkeitsbeschränkung Abbildung 3.12: Beispiele für statische Verkehrsmaßnahmen zur Beeinflussung der Verkehrsabläufe auf einer Autobahnfahrbahn In der Regel sind die statischen Verkehrsmaßnahmen stationär. Für zeitlich befristete Verkehrsmaßnahmen können sie aber auch instätionar sein. So werden etwa für Tagesbaustellen mobile Verkehrsschilder und temporäre Fahrbahnmarkierungen verwendet. 44 3 Modellierung von Autobahnverkehr Dynamische Verkehrsmaßnahmen Dynamische Verkehrsmaßnahmen auf einem Fahrbahnabschnitt stellen im stationären Fall eine Erweiterung der statischen Verkehrsmaßnahmen dar. Die Erweiterung besteht in der Veränderlichkeit der Beeinflussungsmaßnahmen. Durch die Veränderlichkeit können die Verkehrsabläufe in einem Autobahnnetz flexibel in Abhängigkeit von ihren bisherigen Zuständen beeinflusst werden. Die stationären dynamischen Verkehrsmaßnahmen umfassen im Wesentlichen veränderliche Signale in Form von umklappbaren Verkehrsschildern oder Lichtsignalanlagen. Sie sind entweder neben der Fahrbahn oder an Signalbrücken über den Fahrstreifen angebracht. Sie bewirken eine Beeinflussung der Verkehrsabläufe hinter dem Querschnitt. Veränderliche Verkehrssignale lassen sich wie unveränderliche Verkehrssignale in Verbots– oder Hinweissignale unterscheiden. Veränderliche Verbotssignale sind beispielsweise temporäre Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Überholverbote. Sie ermöglichen eine flexible Homogenisierung von Autobahnverkehr. Veränderliche Hinweissignale sind zum Beispiel Wechselwegweisungsanlagen. Sie beeinflussen die Kraftfahrzeuge wie statische Wegweisungen. Durch mögliche Änderungen der Hinweissignale lassen sich die Verkehrsabläufe abhängig vom Verkehrszustand im Autobahnnetz auf geeigneten Wegen zu ihren Zielen führen. Gefahrenwarnanlagen sind ebenfalls veränderliche Hinweissignale, die die Kraftfahrzeuge beispielsweise vor Staus, Nebel oder Glatteis warnen. Eine Fahrstreifensignalisierung ist ein System von aufeinander folgenden Signalbrücken, mit denen sich die Verkehrsabläufe auf jedem Fahrstreifen eines Autobahnabschnitts flexibel beeinflussen lassen. Eine Fahrstreifensignalisierung ermöglicht insbesondere temporäre Fahrstreifenadditionen und –subtraktionen. Dabei wird jeder Fahrstreifen des Autobahnabschnitts durch ein Signal in Fahrtrichtung freigegeben und entgegen der Fahrtrichtung gesperrt (Abbildung 3.13). Damit sind beispielsweise wechselnde Richtungsanpassungen der Verkehrsabläufe bei Spitzenverkehrsstärken oder Umfahrungen von Störstellen auf hochbelasteten Autobahnabschnitten steuerbar [5]. Zufahrtsdosierungen an Einfahrten sind ebenfalls auf diese Weise realisierbar [24]. Diese Maßnahmen lassen sich durch temporär veränderliche Schranken unterstützen. a) b) x Störstelle x Schilderbrücke mit veränderlichen Verkehrsschildern (links für Kraftfahrzeuge von links, rechts für Kraftfahrzeuge von rechts) Abbildung 3.13: Fahrbahnsignalisierungen a) zur wechselnden Richtungsanpassung von Verkehrsabläufen und b) zur Umfahrung von Störstellen 3.1 Autobahnverkehr 45 Dynamische Verkehrsmaßnahmen können ebenso wie statische Verkehrsmaßnahmen instationär sein. Dabei ist eine mögliche Ortsänderung von kollektiven Beeinflussungsmaßnahmen weniger interessant als die individuelle Beeinflussung der Kraftfahrzeuge. Instationäre dynamische Verkehrsmaßnahmen umfassen insbesondere Verkehrsfunk– und Navigationsanlagen, die das Verhalten jedes einzelnen Kraftfahrzeugs in einem Verkehrsablauf direkt beeinflussen. Beim Verkehrsfunk wird der Fahrer eines Kraftfahrzeugs durch Hinweise von außen beeinflusst. Bei der Navigationsanlage ist eine Beeinflussung des Fahrers oder eine Steuerung des Kraftfahrzeugs von außen oder von der Navigationsanlage im Kraftfahrzeug möglich. 3.1.5 Verkehrsmessung Eine Verkehrsmessung von Autobahnverkehr entspricht einer Messung der Verkehrsabläufe auf den zugehörigen Fahrbahnabschnitten. Da sich die Verkehrsabläufe aus den individuellen Bewegungen zahlreicher Kraftfahrzeuge zusammensetzen, ist eine vollständige Messung aller Verkehrsdaten nicht möglich. Die Verkehrsmessung sollte jedoch in jedem Fall zur Bestimmung der wesentlichen Kenngrößen eines Autobahnverkehrs führen. Da derzeit nicht alle Kraftfahrzeuge über die notwendigen Messinstrumente mit einer Datenübertragung an eine zentrale Datenauswertung verfügen, sind Messungen von relevanten Zustandsgrößen jedes Kraftfahrzeugs in einem Verkehrsablauf für diese Bestimmung noch nicht geeignet. Derzeit ist nur die Aufnahme von Autobahnverkehr mit Messungen auf den zugehörigen Fahrbahnabschnitten außerhalb der Kraftfahrzeuge zweckmäßig. Hierbei wird wie für allgemeine Verkehrsabläufe zwischen momentanen und lokalen Verkehrsmessungen unterschieden. Momentane Verkehrsmessung Mit einer momentanen Verkehrsmessung eines Autobahnverkehrs wird die räumliche Verteilung der Kraftfahrzeuge in einem Fahrbahnabschnitt der Länge x zu einem Zeitpunkt t bestimmt. Das Verhältnis der dabei gezählten n Kraftfahrzeuge zur repräsentativen Länge x ist entsprechend Definition (3.1) ein Maß für die räumliche Verkehrsdichte di r. Mit einer zweiten, zeitlich ein wenig versetzten, momentanen Messung lässt sich die zugehörige mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r bestimmen. Problematisch bei einer momentanen Messung der Verkehrsabläufe auf einem Fahrbahnabschnitt ist nicht nur die Wahl der repräsentativen Länge x, sondern auch die Aufnahme der Verkehrsdaten mit einem geeigneten Messinstrument. Das Messinstrument, wie beispielsweise eine Fotokamera, muß sich an einer ausreichend hohen Position über der Fahrbahn befinden, so dass eine gleichmäßige und unverzerrte Messung möglich ist. Der hierzu erforderliche Aufwand mit den entsprechenden Kosten ist häufig nicht realisierbar. 46 3 Modellierung von Autobahnverkehr Lokale Verkehrsmessung Mit einer lokalen Messung eines Autobahnverkehrs wird die zeitliche Verteilung der Kraftfahrzeuge an einem Fahrbahnquerschnitt am Ort x in einem Zeitintervall der Dauer t bestimmt. Das Verhältnis der dabei gezählten n Kraftfahrzeuge zur Dauer t ist entsprechend Definition (3.3) ein Maß für die zeitliche Verkehrsstärke im betrachteten Zeitintervall am Ort x. Mit einer zweiten, räumlich ein wenig versetzten, lokalen Messung lässt sich die zugehörige mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z bestimmen. Problematisch bei einer lokalem Messung der Verkehrsabläufe ist die Wahl der repräsentativen Dauer t. Geeignete Messinstrumente für eine lokale Messung auf einem Fahrbahnabschnitt sind Detektoren, wie Radargeräte oder Induktionsschleifen. Jeder Detektor ist einem Fahrbahnquerschnitt zugeordnet. Auf jedem Fahrstreifen eines solchen Messquerschnitts befindet sich ein Detektor. Jeder Detektor detektiert die Kraftfahrzeuge, die ihn überqueren. x Messquerschnitt Detektor: n pkw, n lkw, v pkw, v lkw Abbildung 3.14: Lokale Verkehrsmessung von Autobahnverkehr Die derzeit gängigen Detektoren sind in der Lage, die Kraftfahrzeuge und deren Geschwindigkeiten differenziert nach Personen– und Schwerlastverkehr zu detektierten. Die Bestimmung des Unterschieds von Personen– und Schwerlastverkehr erfolgt durch Messung des Metallanteils oder des Achsabstandes jedes Kraftfahrzeugs. Es ist üblich, die gemessenen Größen als aggregierte Größen für längere Zeitintervalle vom Detektor an die angeschlossenen Datenauswertungen weiterzuleiten. Zur Beschreibung eines zeitlichen Verlaufs der zeitlichen Verkehrsstärke und der mittleren zeitlichen Geschwindigkeit an einem Fahrbahnquerschnitt sollte die Größe des Zeitintervalls nicht zu groß gewählt werden. Derzeit sind 30–Minuten–Intervalle bis 1–Minuten–Intervalle üblich. Zur Beschreibung eines räumlichen Verlaufs der Verkehrsdichte und der mittleren Geschwindigkeit auf einem Fahrbahnabschnitt sollten die Abstände zwischen den Messquerschnitten entlang des Fahrbahnabschnitts nicht zu groß gewählt werden. Abstände von unter einem Kilometer sind wünschenswert, häufig aber nicht realisierbar. Für den Vergleich der aus den lokalen Messungen gewonnenen Verkehrsdaten mit Ergebnissen aus Simulationen der entsprechenden Verkehrsabläufe ist die Aggregation der Messdaten nicht zweckmäßig. Die einzelnen Detektionen der Eigenschaften jedes Kraftfahrzeugs auf einem Fahrstreifen an einem Messquerschnitt ermöglichen eine notwendige genaue Abbildung der Verkehrsabläufe in der Simulation, wie sie mit aggregierten Größen so nicht möglich ist. Derzeit ist es äußerst schwierig, diese Einzeldaten einer Verkehrsdetektion auf einem Autobahnabschnitt für Verkehrssimulationen zu erhalten. 3.2 Modellierung von Autobahnnetzen 47 3.2 Modellierung von Autobahnnetzen Die Modellierung eines Autobahnnetzes basiert auf seiner Beschreibung. Viele Modellierungskomponenten lassen sich direkt aus einer Beschreibung wie in Abschnitt 3.1.1 übernehmen. Bei der Modellierung der strukturellen, geometrischen und physikalischen Eigenschaften eines Autobahnnetzes ist darauf zu achten, dass die Modellierung für eine gegebene Verkehrsaufgabe so einfach wie möglich und so genau wie nötig ist. 3.2.1 Modellierung der Netzstruktur Die Struktur eines Autobahnnetzes lässt sich als eine Menge von Autobahnabschnitten modellieren, die aus dem Autobahnnetz gedanklich herausgeschnitten sind. Geschnitten wird ausschließlich an Fahrbahnquerschnitten, wobei auch die Rampen der Ein– und Ausfahrten zu den Fahrbahnen zählen. Die folgenden zwei Modellierungen der Struktur eines Autobahnnetzes unterscheiden sich darin, ob Schnitte an Fahrbahnquerschnitten auf den Rampen zugelassen sind oder nicht. Netzstruktur aus Autobahnabschnitten und Autobahnknotenpunkten Wird keine Rampe in einem Autobahnnetz geschnitten, so besteht das Autobahnnetz aus Autobahnabschnitten, die ausschließlich über den Anfang und das Ende der beiden entgegengesetzt gerichteten Fahrbahnen erreichbar sind. Die Autobahnabschnitte, die keine zusätzlichen Ein– oder Ausfahrten umfassen, heißen lineare Autobahnabschnitte. Die Autobahnabschnitte, die zusätzliche Ein– oder Ausfahrten umfassen, heißen Autobahnknotenpunkte (Abbildung 3.15). Die Struktur der Modellierung eines Autobahnnetzes aus linearen Autobahnabschnitten und Autobahnknotenpunkten entspricht einem bipartiten Graph (Abschnitt 3.1.1). Rampen Fahrbahnabschnitte linearer Autobahnabschnitt ohne Ein– und Ausfahrten Schnitt Autobahnknotenpunkt Abbildung 3.15: Zwei Abschnitte aus einem Autobahnnetz, die keine Rampe der Ein– und Ausfahrten schneiden Netzstruktur aus Autobahnabschnitten Wird jede Rampe in einem Autobahnnetz geschnitten, so besteht das Autobahnnetz aus Autobahnabschnitten, die sowohl über den Anfang und das Ende der beiden entgegengesetzt gerichteten Fahrbahnen als auch über gegebenenfalls vorhandene Ein– und 48 3 Modellierung von Autobahnverkehr Ausfahrten erreichbar sind. Die Autobahnabschnitte sind über die Rampen miteinander gekoppelt. Spezielle Abschnitte für Autobahnknotenpunkte existieren in dieser Modellierung nicht (Abbildung 3.16). Die Struktur der Modellierung eines Autobahnnetzes aus Autobahnabschnitten entspricht einem schlichten Graph (Abschnitt 3.1.1). Autobahnabschnitte 2 1 Fahrbahnabschnitte Rampen Schnitt Abbildung 3.16: Zwei Abschnitte aus einem Autobahnnetz, die jede Rampe einer Ein– oder Ausfahrt schneiden Im folgenden wird die Netzstruktur betrachtet, die ausschließlich aus Autobahnabschnitten besteht, so dass für die Modellierung der geometrischen und physikalischen Eigenschaften eines Autobahnnetzes lediglich Autobahnabschnitte mit zusätzlichen Ein– und Ausfahrten abzubilden sind. Jeder Autobahnabschnitt lässt sich als Kombination zweier entgegengesetzt gerichteter Fahrbahnen modellieren. 3.2.2 Modellierung eines Fahrbahnabschnitts Ein Fahrbahnabschnitt hat in Fahrtrichtung unterschiedliche Ausprägungen, zu denen Fahrstreifenadditionen und –subtraktionen sowie Fahrbahnzusammenführungen und –verzweigungen zählen. Ein– und Ausfahrten lassen sich gemäß Abschnitt 3.1.1 als Kombination hieraus modellieren. Diese unterschiedlichen Ausprägungen werden durch eine Zellzerlegung eines Fahrbahnabschnitts in Fahrtrichtung modelliert. Die Zellen des resultierenden Zellkomplexes werden Fahrbahnsegmente genannt. Die Facetten zwischen den Zellen sind Fahrbahnquerschnitte. Die Nachbarschaftsstruktur von Segmenten und Querschnitten wird mit einem bipartiten Graph modelliert (Abbildung 3.17). A C a x B A B b E F e d c G H g f I h J K j i b L k C a D D c E d F e G f H g I h J i K j k L Abbildung 3.17: Zellzerlegung eines Fahrbahnabschnitts in Segmente (a bis k) und Querschnitte (A bis L) mit ihrer Nachbarschaftsstruktur als bipartiter Graph 3.2 Modellierung von Autobahnnetzen 49 Ein Fahrbahnsegment besteht quer zur Fahrtrichtung aus mehreren nebeneinander verlaufenden Fahrstreifen. Die Fahrstreifen sind, ausgehend von 0 für den Hauptfahrstreifen, aufsteigend numeriert (Abbildung 3.18). In Fahrtrichtung bleibt die Anzahl der Fahrstreifen innerhalb des Segments konstant. Erfolgt im Segment eine Fahrstreifenaddition oder –subtraktion, so werden die hinzukommenden oder verschwindenden Fahrstreifen als durchgängige Fahrstreifen im Segment modelliert. Ein Fahrbahnsegment ermöglicht die Modellierung flächenhafter Fahrbahneigenschaften und Zustandsgrößen im Segment. So lassen sich neben der Segmentlänge auch die Oberflächenbeschaffenheit, die Steigung, die Kurvigkeit und weitere physikalische Eigenschaften der Fahrbahn im Segment abbilden. Flächenhafte Verkehrsbeeinflussungen sind in einem Fahrbahnsegment ebenso modellierbar wie momentane Verkehrsmessungen. Ein Fahrbahnquerschnitt besteht quer zur Fahrtrichtung aus mehreren nebeneinander verlaufenden Fahrstreifen. Die Fahrstreifen sind, ausgehend von 0 für den Hauptfahrstreifen, aufsteigend numeriert (Abbildung 3.18). Sie stehen mit den entsprechenden Fahrstreifen der benachbarten Segmente in Beziehung. Ein Fahrbahnquerschnitt ermöglicht die Modellierung von Schnitteigenschaften und –zustandsgrößen am Querschnitt. So lässt sich beispielsweise die Höhe der Fahrbahn an einem Querschnitt abbilden. Querschnittsbezogene Verkehrsbeeinflussungen sind an einem Fahrbahnquerschnitt ebenso modellierbar wie lokale Verkehrsmessungen. A C a c x B a A B 1 0 1 0 0 0 D F E G f e d H I g J h i b 2 1 0 L k c C K j 2 1 0 d D 2 1 0 2 1 0 e E 1 0 1 0 G f F 1 0 2 1 0 g 2 1 0 2 1 0 b H h 2 1 0 3 2 1 0 I J i 3 2 1 0 3 2 1 0 K j 3 2 1 0 2 1 0 2 1 0 0 0 k L Abbildung 3.18: Segmente (a bis k) und Querschnitte (A bis L) eines Fahrbahnabschnitts mit Beziehungen der Fahrstreifen 3.3 Modellierung von Verkehrsabläufen In einer Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes ändern sich im Laufe der betrachten Zeit die Zustände der Verkehrsabläufe. Ein Zustand zu einem Zeitpunkt wird durch die ihn charakterisierenden Zustandsgrößen modelliert. Die Zustandsgrößen können mikroskopisch oder makroskopisch sein. 50 3 Modellierung von Autobahnverkehr Mikroskopische Zustandsgrößen sind Größen jedes einzelnen Kraftfahrzeugs, wie zum Beispiel die Kraftfahrzeugposition zu einem Zeitpunkt. Die zeitliche Änderung der Zustandsgrößen ergibt sich aus der Modellierung des Einzelverhaltens jedes Kraftfahrzeugs. Eine solche Modellierung ist eine mikroskopische Verkehrsmodellierung. Sie ermöglicht eine sehr detaillierte Darstellung des Verkehrsablaufs, mit der sich vor allem lokale Verkehrsauswirkungen einer Verkehrsbeeinflussung untersuchen lassen. Makroskopische Zustandsgrößen sind Größen der Gesamtheit aller Kraftfahrzeuge im Fahrbahnabschnitt, wie zum Beispiel die Verkehrsdichte zu einem Zeitpunkt. Die zeitliche Änderung dieser Zustandsgrößen ergibt sich aus der Modellierung des Gesamtverhaltens. Eine solche Modellierung ist eine makroskopische Verkehrsmodellierung. Sie ermöglicht eine für viele Verkehrsaufgaben hinreichend genaue Darstellung des Verkehrsablaufs, mit der sich vor allem globale Verkehrsauswirkungen einer Verkehrsmaßnahme untersuchen lassen. Da für eine Verkehrsplanung, –untersuchung oder –steuerung sowohl lokale als auch globale Auswirkungen von Verkehrsmaßnahmen zu berücksichtigen sind, erscheint ein Übergang zwischen mikroskopischen und makroskopischen Verkehrsmodellen zweckmäßig. Ein solcher Übergang sollte konsistent sein. Bestehende Verkehrsmodellierungen gewährleisten diese Konsistenz trotz der gegenseitigen Beeinflussung mikroskopischer und makroskopischer Modellansätze bei ihrer Weiterentwicklung nicht zwangsläufig. Dies ist im wesentlichen auf die Problematik einer fehlenden, allgemein eindeutigen Definition der Verkehrsdichte oder –stärke zurückzuführen. Makroskopische Modellierungen gehen grundsätzlich von einer anderen Dichtedefinition als eine mikroskopische Modellierung aus. Modellierungen, die konsistente Übergänge zwischen mikroskopischen und makroskopischen Ansätzen ermöglichen, sind mesoskopische Verkehrsmodellierungen. 3.3.1 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Eine mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz stellt die natürliche Vorgehensweise für eine Verkehrsmodellierung dar. Das Grundprinzip der zugehörigen Modellvorstellung ist die Modellierung der Verhaltensweisen von jedem einzelnen Kraftfahrzeug in einem Fahrbahnabschnitt. Jedes dieser Kraftfahrzeuge ist über einen Bezeichner identifizierbar. x x a(t) a v a(t) Abbildung 3.19: Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt 3.3 Modellierung von Verkehrsabläufen 51 Die Modellierung eines Kraftfahrzeugs in einem Fahrbahnabschnitt lässt sich entsprechend einer Beschreibung wie in Abschnitt 3.1.2 realisieren. Sie umfasst die Modellierung der Geometrie, der Kinematik und der Antriebseigenschaften des Kraftfahrzeugs sowie der Beeinflussung seiner Bewegung. Die Modellierung der Geometrie eines Kraftfahrzeugs a in einem Fahrbahnabschnitt lässt sich in der Regel auf die Länge l a von a beschränken. Der Referenzpunkt des Kraftfahrzeugs a liegt vorne. Ein eigenes Koordinatensystem für a wird nicht benötigt. Die Modellierung der Kinematik eines Kraftfahrzeugs a erfordert die Modellierung seiner Position und seiner Geschwindigkeit. Die Position des Kraftfahrzeugs a ist die Position seines Referenzpunkts im Koordinatensystem des Fahrbahnabschnitts zu einem Zeitpunkt t. In Fahrtrichtung entspricht sie der Koordinate x a (t) des Fahrbahnabschnitts, an der sich a zur Zeit t befindet. Quer zur Fahrtrichtung entspricht sie der Numerierung y a (t) des Fahrstreifens, auf dem sich a zum Zeitpunkt t befindet. Die Geschwindigkeit v a (t) von a wirkt in der Modellierung ausschließlich in Fahrtrichtung. Die Modellierung der Antriebseigenschaften eines Kraftfahrzeugs a sollte in jedem Fall die Modellierung seines Ziels und seiner Wunschgeschwindigkeit v 0a umfassen. Die Angabe eines Ziels im Autobahnnetz beeinflusst das Verhalten des Kraftfahrzeugs a im Fahrbahnbereich der Ausfahrten, da a hier gegebenenfalls den Fahrbahnabschnitt verlassen muß, um sein Ziel zu erreichen. Die Wunschgeschwindigkeit v 0a des Kraftfahrzeugs a ist durch die maximale Beschleunigung a max und die maximale Bremskraft a min begrenzt. Die Modellierung der Beeinflussung der Bewegung eines Kraftfahrzeugs a in einem Fahrbahnabschnitt erfolgt über seine Beschleunigung a a (t). Sie ergibt sich aufgrund der Wahrnehmung und Reaktion des Fahrers, die in einer mehrparametrigen Funktion a a gemäß Gleichung (2.7) modelliert werden kann. Die Anzahl der Parameter von a a (t) und deren Verknüpfungen kann in verschiedenen Modellierungen unterschiedlich ausfallen. In Kapitel 4 wird exemplarisch eine regelbasierte mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen erläutert. 3.3.2 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Eine makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz wird nicht durch die Abbildung der Verhaltensweisen jedes einzelnen Kraftfahrzeugs realisiert, sondern durch die Abbildung der Verhaltensweisen der makroskopischen Kenngrößen in den Verkehrsabläufen. Die Modellierung basiert auf der Annahme, dass alle Kraftfahrzeuge eines Verkehrsablaufs gedanklich “verflüssigt” oder “verdampft” werden, so dass sie als eine Flüssigkeit oder ein Gas modellierbar sind. Somit entspricht ein Verkehrsablauf in einer makroskopischen Modellierung einem Kontinuum, in dem die einzelnen Kraftfahrzeuge nicht identifizierbar sind. 52 3 Modellierung von Autobahnverkehr x Fahrzeuge “verflüssigen” oder “verdampfen” q (x R1 , t) v (x R1 , t) (x, t) x x R1 q (x R2 , t) v (x R2 , t) q (x ein, t) v (x ein, t) q (x aus, t) v (x aus, t) x R2 Abbildung 3.20: Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt Die wesentlichen makroskopischen Kenngrößen eines Verkehrsablaufs in einem Fahrbahnabschnitt sind die Verkehrsdichte, die Verkehrsstärke und die mittlere Geschwindigkeit. Für ein Kontinuum in einem eindimensionalen Raum lassen sich die folgenden vergleichbaren Größen definieren. Definition: Gegeben sei eine Masse m, die sich zu einem Zeitpunkt t am Ort x auf einer Strecke eines eindimensionalen Kontinuums befindet. Die Länge x der Strecke strebt gegen null. Das Verhältnis der Masse m zur Länge x heißt Dichte und wird mit (x, t) bezeichnet: (x, t) : lim m x0 x Masse m 0 (3.9) Die Masse m ist somit als Integral der Dichte über der Länge x definiert: m : (x, t) dx (3.10) x Definition: Gegeben sei der Ort x in einem eindimensionalen Kontinuum, an dem sich zu einem Zeitpunkt t eine Masse m befindet. Die zeitliche Änderung des Orts x heißt Geschwindigkeit und wird mit v (x, t) bezeichnet. v (x, t) : dx (t) dt ms v0 (3.11) Definition: An jedem Ort x in einem eindimensionalen Kontinuum gilt zu einem Zeitpunkt t die sogenannte Flussrelation. Sie definiert das Produkt der Dichte (x, t) und der Geschwindigkeit v (x, t) als einen Massenfluss, der mit q (x, t) bezeichnet wird: q (x, t) : (x, t) v (x, t) Masse s (3.12) 3.3 Modellierung von Verkehrsabläufen 53 In einer makroskopischen Verkehrsmodellierung wird die Masse als Anzahl von Kraftfahrzeugen, die Dichte als räumlich–zeitliche Verkehrsdichte di r z, der Massenfluss q als räumlich–zeitliche Verkehrsstärke st r z und die Geschwindigkeit v als mittlere räumlich– zeitliche Geschwindigkeit ge r z aufgefasst. Da Messungen für ein räumliches und zeitliches Kontrollgebiet meist nicht vorliegen, wird die Dichte oft als räumliche Verkehrsdichte di r, der Massenfluss q als zeitliche Verkehrsstärke st z und die Geschwindigkeit v als mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r oder als mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z aufgefasst. Dabei ist zu beachten, dass eine Gleichsetzung der kontinuierlichen Größen und der aus Zählungen ermittelten Verkehrsgrößen aufgrund ihrer unterschiedlichen Definitionen nicht möglich ist. Während in einem Kontinuum an jedem Ort x zu jedem Zeitpunkt t eine makroskopische Größe definiert ist, sind die Verkehrskenngrößen nur gültig für günstig gewählte Orts– und Zeitintervalle. Die Bewegung eines Verkehrsablaufs erfolgt mit Hilfe von Bestimmungsgleichungen für Flüssigkeiten oder Gase. Sie besitzen in der Regel die Form nichtlinearer partieller Differentialgleichungen und werden in Kapitel 5 exemplarisch anhand einer anschaulichen makroskopischen Modellierung erläutert. 3.3.3 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Eine mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz stellt eine Verbindung zwischen mikroskopischen und makroskopischen Modellierungen dar. Es existieren verschiedene Ansätze für eine mesoskopische Verkehrsmodellierung. Sie lassen sich in Ansätze, die einem Übergang von mikroskopischen zu makroskopischen Verkehrsmodellierungen entsprechen, und Ansätze, die einer Kopplung von mikroskopischen und makroskopischen Verkehrsmodellierungen entsprechen, unterscheiden. Übergang von mikroskopischen zu makroskopischen Verkehrsmodellierungen Ein Übergang von mikroskopischen zu makroskopischen Verkehrsmodellierungen ergibt sich durch die Entwicklung einer makroskopischen Modellierung von Verkehrsabläufen aus einer mikroskopischen Modellierung der Verkehrsabläufe. Eine sehr aufwendige Variante dieses Modellierungsansatzes ist die Modellierung der Verkehrsabläufe als stochastische Prozesse. So wie in einem Gas die Wechselwirkungen zwischen den Gasmolekülen als zufälliges Verhalten beschrieben wird, werden die Wechselwirkungen der Kraftfahrzeuge in einem Verkehrsablauf stochastisch beschrieben und in makroskopische Zustandsgrößen überführt. Dabei werden das anisotrope Verkehrsverhalten und der endliche Platzbedarf der Kraftfahrzeuge berücksichtigt. Eine weitere Variante dieses Modellierungsansatzes ist die Berücksichtigung mikroskopischer Zustandsgrößen in einer makroskopischen Modellierung. Dabei sind sowohl mikroskopische aus makroskopischen als auch makroskopische aus mikroskopischen Zustandsgrößen zu gewinnen. Eine solche Variante wird in Kapitel 6 erläutert. 54 3 Modellierung von Autobahnverkehr Kopplung von mikroskopischen und makroskopischen Verkehrsmodellierungen Die Kopplung von mikroskopischen und makroskopischen Verkehrsmodellierungen kann räumlich zwischen Fahrbahnabschnitten erfolgen, auf denen die Verkehrsabläufe entweder mikroskopisch oder aber makroskopisch modelliert sind. Es existieren Modellierungen, die in weiträumigen Verkehrsbereichen der linearen Autobahnabschnitte eine makroskopische Verkehrsmodellierung und in Übergangsbereichen der Autobahnknotenpunkte eine mikroskopische Verkehrsmodellierung verwenden. Zwischen den unterschiedlich modellierten Verkehrsgebieten sind geeignete Schnittstellen erforderlich, die einen konsistenten Übergang zwischen den verschiedenen Modellansätzen zu gewährleisten haben. mikroskopisch makroskopisch mikroskopisch x Abbildung 3.21: Prinzip der Kopplung von mikroskopischen und makroskopischen Modellierungen von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt Die Kopplung kann auch abhängig von vorgegebenen Verkehrsbedingungen zwischen mikroskopischen und makroskopischen Verkehrsmodellierungen wechseln. Es existieren Modellierungen, die in einem Zeitschritt für die Beschleunigung der Kraftfahrzeuge entweder eine mikroskopische oder eine makroskopische Modellierung unter Verwendung von Zwangsbedingungen wählen [47]. Der kontinuierliche Verlauf der makroskopischen Größen ergibt sich aus der Betrachtung eines Kraftfahrzeugs als eine stochastische Normalverteilung. mikroskopisch (x, t) makroskopisch Abbildung 3.22: Prinzip der Kopplung von mikroskopischen und makroskopischen Modellierungen von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt 3.4 Modellierung von Verkehrsbeeinflussungen 55 3.4 Modellierung von Verkehrsbeeinflussungen Die Modellierung von Beeinflussungsmaßnahmen für Verkehrsabläufe in einem Autobahnnetz lässt sich in die Modellierung von Autobahnnetzen, wie sie im Abschnitt 3.2 aufgezeigt wird, integrieren. Der Einfluss der integrierten Beeinflussungsmaßnahmen auf die mikroskopisch oder makroskopisch modellierten Verkehrsabläufe ist zu berücksichtigen. Er sollte nicht zu einer Verringerung der Sicherheit oder der Leistungsfähigkeit in den Verkehrsabläufen führen. Stationäre Beeinflussungsmaßnahmen Statische oder dynamische stationäre Beeinflussungsmaßnahmen lassen sich durch Änderung der Wunschgeschwindigkeit in Fahrbahnsegmenten, durch Senden von Informationen für die Kraftfahrer an Fahrbahnquerschnitten sowie durch Umsetzung von Fahrstreifenadditionen oder –subtraktionen in einem Fahrbahnabschnitt modellieren. Dynamische stationäre Maßnahmen lassen sich gegebenenfalls während der Bestimmung der Verkehrsabläufe ändern, wohin gegen stationäre Maßnahmen während der Bestimmung der Verkehrsabläufe unverändert bleiben. In einem Fahrbahnsegment lässt sich eine Geschwindigkeitsbeschränkung durch eine obere Schranke der Wunschgeschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge modellieren. Auf die gleiche Weise lassen sich Einflüsse durch Steigungen, Kurven, Nebel, Glatteis oder Ähnlichem modellieren. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung wird durch ein Signal an einem Fahrbahnquerschnitt eingeleitet, über ein oder mehrere Fahrbahnsegmente beibehalten und durch ein Signal an einem Fahrbahnquerschnitt wieder aufgehoben. Gefahrenhinweise werden ebenfalls durch ein Signal an einem Fahrbahnquerschnitt modelliert. Hinweissignale für Wegweisungen leiten ab dem Fahrbahnquerschnitt, an dem sie sich befinden, eine Routensuche in den Kraftfahrzeugen zu ihren Zielen im Autobahnnetz ein. Aufgrund dieser Routensuche ergibt sich die Einordnung der Kraftfahrzeuge auf den Fahrstreifen vor einer Ausfahrt. ËËËËËËË ËËËËËËË 80 x v 0 80 kmm Fahrbahnquerschnitt Fahrbahnsegment ËËËËËËËË ËËËËËËËË 7 v 0PKW 90 kmm v 0LKW 60 kmm Abbildung 3.23: Modellierung einer Geschwindigkeitsbeschränkung und einer Steigung mit Hinweissignal 56 3 Modellierung von Autobahnverkehr Bauliche oder dynamische Fahrstreifensubtraktionen lassen sich durch Entfernung oder Markierung von Fahrbahnsegmenten und –querschnitten modellieren. Das Verhalten eines Kraftfahrzeugs oder eines Verkehrsablaufs vor einem entfernten oder markierten Fahrbahnsegment entspricht dem Verhalten beim Auftreffen auf ein stehendes Kraftfahrzeug oder ein Hindernis. Das Abbremsen und der Fahrbahnwechsel sind so ohne zusätzlichen Modellierungsaufwand realisierbar, Überholverbote lassen sich auf gleiche Weise modellieren. Fahrstreifensubtraktion Fahrbahnquerschnitt Fahrbahnsegment x Abbildung 3.24: Modellierung einer baulichen oder gesteuerten Fahrstreifensubtraktion Instationäre Beeinflussungsmaßnahmen Die Modellierung instationärer statischer Beeinflussungsmaßnahmen entspricht einer räumlichen Veränderung der Maßnahmen während der Bestimmung der Verkehrsabläufe. In der Modellierung ist die Ortsänderung nur von Fahrbahnsegment zu Fahrbahnsegment möglich. Eine Änderung der Segmentgrößen während der Bestimmung der Verkehrsabläufe ist nicht zu empfehlen. Instationäre dynamische Verkehrsmaßnahmen wie Verkehrsfunk oder Navigationsgeräte liefern Informationen an einzelne Kraftfahrzeuge oder verändern ihr Verhalten direkt. Die Modellierung bezüglich dieser Maßnahmen entspricht einer Erweiterung der mikroskopischen Modellierung des Verhaltens von Kraftfahrzeugen. Wenn die Maßnahmen Auswirkungen auf das Gesamverhalten eines Verkehrsablaufs haben, so ist das Verhalten von Verkehrsabläufen in einer makroskopischen Verkehrsmodellierung zu erweitern. Maximierung der Sicherheit und der Leistungsfähigkeit in den Verkehrsabläufen Die vorrangige Aufgabe einer Verkehrsbeeinflussung ist die Maximierung der Sicherheit und die Leistungsfähigkeit der beeinflussten Verkehrsabläufe. Die Sicherheit erhöht sich, je weniger Kraftfahrzeuge sich in einem Verkehrsablauf behindern. Die Leistungsfähigkeit erhöht sich, wenn möglichst viel Kraftfahrzeuge möglichst schnell einen Fahrbahnabschnitt durchfahren. Um diese konkurrierenden Bedingungen zu erfüllen, ist es zweckmäßig, geeignete Forderungen an die Modellierung von Beeinflussungsmaßnahmen für die Verkehrsabläufe in einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn zu stellen. 3.4 Modellierung von Verkehrsbeeinflussungen 57 Die Sicherheit der Verkehrsabläufe auf einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn ist vor allem bei Störungen in einem dichten Verkehrsaufkommen gefährdet. Die Störungen führen beispielsweise zu Auffahrunfällen. Können die Störungen unterbunden werden, so sind Auffahrunfälle vermeidbar. Um dies zu erreichen, gibt es unterschiedliche Ansätze zur Verhinderung solcher Störungen in einem Fahrbahnabschnitt. Ein Ansatz besteht in der Forderung, große Geschwindigkeitsabfälle in einem dichten Verkehrsaufkommen zu minimieren. Diese Forderung kann nach Kühne [56] durch die Minimierung des Integrals der räumlichen Geschwindigkeit ge r und ihrer räumlichen Änderung ge r x für einen Fahrbahnabschnitt der Länge L modelliert werden: ge L r ge r ge r x x dx Min mit (X) X0 01 für für X 0 (3.13) 0 Die Heaviside–Funktion , die von der negativen räumlichen Änderung ge r x abhängt, stellt sicher, dass nur positive Geschwindigkeitsabfälle infolge Bremsen in Fahrtrichtung berücksichtigt werden. Mit der Forderung (3.13) lassen sich Verkehrsmaßnahmen für glatte Verkehrsabläufe ohne gravierende Störungen gewährleisten. Die Erhöhung der Leistungsfähigkeit auf einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn bedeutet vor allem die Maximierung der Fahrbahnkapazität. Diese Kapazitätsmaximierung kann nach Kühne [56] durch die Maximierung des Integrals der räumlich–zeitlichen Verkehrsstärke st r z und der räumlich–zeitlichen Geschwindigkeit ge r z für einen Fahrbahnabschnitt der Länge L modelliert werden: L st r z ge r z dx Max (3.14) 0 Die Forderung (3.14) maximiert nicht nur die Fahrbahnkapazität des Fahrbahnabschnitts, sondern auch die Reisegeschwindigkeiten der einzelnen Kraftfahrzeuge. 3.5 Modellierung von Verkehrsmessungen Die Modellierung von Messungen der Verkehrsabläufe in einem Autobahnnetz lässt sich in die Modellierung von Autobahnnetzen, wie sie in Abschnitt 3.2 aufgezeigt wird, integrieren. Da Messungen von Autobahnverkehr entsprechend Abschnitt 3.1.5 derzeit nur außerhalb der Kraftfahrzeuge auf den entsprechenden Fahrbahnabschnitten zweckmäßig erscheint, werden die zu modellierenden Verkehrsmessungen auf momentane und lokale Verkehrsmessungen beschränkt. Momentane Messungen lassen sich als Zählungen der Kraftfahrzeuge einer mikroskopischen Modellierung oder als Bestimmung der Dichte einer makroskopischen Modellierung modellieren. Die Ergebnisse der so modellierten Messungen lassen sich direkt in die 58 3 Modellierung von Autobahnverkehr Modellierung von Verkehrsbeeinflussungen als Ausgang für verkehrsabhängige Beeinflussungsmaßnahmen einbinden. Des Weiteren erlauben sie einen Eins–zu–Eins–Vergleich mit gleichartigen momentanen Messungen realer Verkehrsabläufe. Lokale Messungen lassen sich als Zählungen der Kraftfahrzeuge einer mikroskopischen Modellierung oder als Bestimmung des Massenflusses einer makroskopischen Modellierung realisieren. Die Ergebnisse der so modellierten lokalen Messungen lassen sich direkt in die Modellierung von Verkehrsbeeinflussungen als Ausgang für verkehrsabhängige Beeinflussungsmaßnahmen einbinden. Des Weiteren erlauben sie einen Eins–zu–Eins– Vergleich mit gleichartigen lokalen Messungen realer Verkehrsabläufe. 4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Eine mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes basiert auf dem Ansatz, dass ein Verkehrsablauf aus einer Menge von einzelnen Kraftfahrzeugen besteht. Jedes Kraftfahrzeug im Verkehrsablauf ist identifizierbar. Die Kenngrößen des Verkehrsablaufs sind nach einer mikroskopischen Verkehrssimulation durch Mittelung oder andere statistische Auswertungen zu bestimmen. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher mikroskopischer Modellierungen. Sie gehen auf die sogenannten Fahrzeug–Folge–Modelle zurück. Das erste dieser Modelle wurde 1950 von Reuschel [77] aus Beobachtungen von Kolonnenverkehr entwickelt. Es wurde in den folgenden Jahren unter anderem von Chandler, Herman, Montroll, Gazis, Potts und Rothery [18, 31, 32, 36] weiterentwickelt. In diesen Modellierungen ergibt sich die Beschleunigung eines Kraftfahrzeugs aus der Anpassung seiner Geschwindigkeit an die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs unter Berücksichtigung des gegenseitigen Abstands. Diese Modellierungen sind allerdings nicht in der Lage, das Verhalten von Kraftfahrzeugen ohne vorausfahrende Kraftfahrzeuge abzubilden. In den neunziger Jahren wurden die Fahrzeug–Folge–Modelle dahingehend erweitert, dass das Verhalten eines Kraftfahrzeugs auch von seinem eigenen Antrieb abhängt. Alvarez [2] modellierte diese Abhängigkeit als Anpassung der Geschwindigkeit an eine Wunschgeschwindigkeit. Bando [4] entwickelte eine Modellierung, die ausschließlich die Anpassung an eine Geschwindigkeit berücksichtigt, die vom Abstand zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug abhängt. Insbesondere Helbing [38] erweiterte die Modellierung von Bando um einen Bremsterm zur Vermeidung von Auffahrunfällen. Mit den erweiterten Fahrzeug–Folge–Modellen sind Verkehrsabläufe im freien und dichten Verkehr abbildbar. Todosiev [88] sowie Michaels und Cozan [61] untersuchten Anfang der sechziger Jahre das Wahrnehmungsvermögen eines Fahrers. Auf dieser Basis entwickelte Wiedemann [91] ein Interaktionsmodell, das algorithmisch die Wechselwirkungen von Kraftfahrzeugen abbildet. Mit Weiterentwicklungen dieses Modellansatzes ist es möglich, komplexe Verkehrsphänomene detailliert zu simulieren [27]. Der hohe Detaillierungsgrad hat jedoch zur Folge, dass nur eine relativ geringe Kraftfahrzeuganzahl simuliert werden kann. 60 4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen In diesem Kapitel wird die mikroskopische Modellierung von Autobahnverkehr anhand eines erweiterten Fahrzeug–Folge–Modells dargestellt. Das Modell zeichnet sich durch einen ingenieurmäßig regelbasierten Ansatz aus. Im Gegensatz zu bisher entwickelten mikroskopischen Modellierungen setzt es sich aus einfachen Regeln zusammen, die anschaulich aus dem Fahrverhalten eines Kraftfahrzeugführers nachvollzogen werden können. Durch einfache Änderung oder Erweiterung der Regeln kann das Modell jederzeit modifiziert werden. Im ersten Abschnitt des Kapitels werden die Bestimmungsgleichungen des regelbasierten Modells für die Bewegung jedes Kraftfahrzeugs in den Verkehrsabläufen dargestellt. Im zweiten Abschnitt wird die in der Modellierung notwendige Geschwindigkeits–Abstands–Relation näher erläutert. Im dritten Abschnitt werden die Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen beschrieben. Im vierten Abschnitt wird auf die modellierbaren Verkehrszustände eingegangen. 4.1 Bestimmungsgleichungen In einer mikroskopischen Verkehrsmodellierung ist die Bewegung eines Kraftfahrzeugs a eine spezielle Ausprägung der allgemeinen Bewegungsgleichungen (2.3) und (2.4). In Fahrtrichtung ergibt sich die zeitliche Änderung der Position x a (t) des Kraftfahrzeugs a als seine Geschwindigkeit v a (t) und die zeitliche Änderung seiner Geschwindigkeit v a (t) als seine Beschleunigung a a (t): dx a (t) v a (t) dt (4.1) dv a (t) a a (t) dt (4.2) Die zeitliche Änderung der Position y a (t) von a quer zur Fahrtrichtung entspricht einem Fahrstreifenwechsel y a (t). Die Position y a (t) wird diskret durch die Bezeichnungen der Fahrstreifen beschrieben. Daher ist die Modellierung eines Fahrstreifenwechsels als Differentialgleichung nicht möglich. Die Modellierung entspricht hier einem möglichen “Sprung” auf den linken oder den rechten Fahrstreifen innerhalb eines Zeitschritts dt: y a (t dt) y a (t) y a (t) mit y a (t) { 1, 0, 1} (4.3) Die Bestimmungsgleichungen werden im folgenden Abschnitt 4.1.1 für einen Fahrstreifen konkretisiert und im darauffolgenden Abschnitt 4.1.2 für mehrere Fahrstreifen erweitert. 4.1.1 Bestimmungsgleichungen für einen Fahrstreifen Der Einfluss auf die Beschleunigung a a (t) eines Kraftfahrzeugs a auf einem Fahrstreifen entsteht aus dem eigenen Antrieb und einem eventuell vorausfahrenden Kraftfahrzeug b (Abbildung 4.1). Der Einfluss eines weiter vorausfahrenden oder eines folgenden Kraftfahrzeugs sowie der Umgebung kann vernachlässigt werden. 4.1 Bestimmungsgleichungen 61 a b va x x la vb lb Abbildung 4.1: Kraftfahrzeuge auf einem Fahrstreifen zu einem Zeitpunkt t Ein Kraftfahrzeug a befindet sich zu einem Zeitpunkt t am Ort x a (t). Ein eventuell vorausfahrendes Kraftfahrzeug b befindet sich zum Zeitpunkt t am Ort x b (t). Der Abstand x a (t) der beiden Kraftfahrzeuge entspricht der Differenz von x a (t) und x b (t): x a (t) : x b (t) x a (t) (4.4) Die Differenz v a (t) der Geschwindigkeiten v a (t) und v b (t) wird analog definiert: v a (t) : v b (t) v a (t) (4.5) Die Beschleunigung a a (t) eines Kraftfahrzeugs a wird von seinem Fahrer mit “Gas” und “Bremse” geregelt. Diese Regelung hängt von den Eigenschaften des Fahrers und den Eigenschaften des Kraftfahrzeugs ab. Sie ist außerordentlich komplex und daher schwer formulierbar. In der hier dargestellten Modellierung wird vereinfachend davon ausgegangen, dass die Beschleunigung a a (t) mit drei Regeln abgebildet werden kann. Regel 1: Wunschgeschwindigkeit Der Fahrer des Kraftfahrzeugs a versucht, die Geschwindigkeit v a (t) seines Kraftfahrzeugs an seine Wunschgeschwindigkeit v 0a anzupassen. Die Anpassung erfolgt mit einer Anpassungszeit 0a: a 0a (t) v 0a v a (t) 0a (4.6) Regel 2: Sicherheitsabstand Der Fahrer des Kraftfahrzeugs a versucht, die Geschwindigkeit v a (t) seines Kraftfahrzeugs so anzupassen, dass ein ausreichender Sicherheitsabstand zu einem vorausfahrenden Kraftfahrzeug b erreicht wird. Für diese Regel wird eine Geschwindigkeit V sa eingeführt, die vom Abstand x a (t) der beiden Kraftfahrzeuge abhängt. Die Abhängigkeit der Geschwindigkeit V sa vom Abstand x a (t) wird durch eine sogenannte Geschwindigkeits–Abstands–Relation V sa (x a ) funktional modelliert. Ansätze hierfür werden in Abschnitt 4.2 erläutert. Die Anpassung der Geschwindigkeit v a (t) an die abstandsabhängige Geschwindigkeit V sa erfolgt mit einer Anpassungszeit sa: a s (t) a V sa (x a (t) ) v a (t) sa (4.7) 62 4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Regel 3: Bremsen Der Fahrer des Kraftfahrzeugs a versucht, die Geschwindigkeit v a (t) seines Kraftfahrzeugs an die Geschwindigkeit v b (t) eines langsamer vorausfahrenden Kraftfahrzeugs b mit der Länge l b so anzupassen, dass durch Bremsen ein Auffahrunfall vermieden wird. Die erforderliche Bremsverzögerung ist nach den kinetischen Gesetzen direkt proportional zum Quadrat der Geschwindigkeitsdifferenz v a (t) und indirekt proportional zum Abstand x a (t) der Kraftfahrzeuge a und b: aB a (t) v a (t) 2 x a (t) l b (4.8) Zusammenführung der Regeln Für die Wunschgeschwindigkeit, den Sicherheitsabstand und das Bremsen werden die Regeln zur Modellierung der Beschleunigung a a (t) eines Kraftfahrzeugs a zusammengeführt. Dabei erfolgt die Anpassung an die Wunschgeschwindigkeit v 0a nach Regel 1 nur dann, wenn die Wunschgeschwindigkeit v 0a nicht größer als die abstandsabhängige Geschwindigkeit V sa ist. Die Anpassung an die abstandsabhängige Geschwindigkeit V sa nach Regel 2 erfolgt nur dann, wenn die Wunschgeschwindigkeit v 0a größer als die abstandsabhängige Geschwindigkeit V sa ist. Das Bremsen nach Regel 3 erfolgt nur dann, wenn die Geschwindigkeit v a (t) des Kraftfahrzeugs größer als die Geschwindigkeit v b (t) des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs und größer als die abstandsabhängige Geschwindigkeit V sa ist. Die Bedingungen für die Anwendung der Regeln werden mathematisch mit Heaviside–Funktionen ( X ) formuliert: v 0a v a (t) 1 v 0a V sa (x a ) 0a V s (x a ) v a (t) a v 0a V sa (x a ) sa a a (t) v a (t) 2 x a (t) l b (4.9) ( v a (t)) v a (t) V sa (x a ) Eine Heaviside–Funktion ( X ) lässt sich als Sprungfunktion formulieren: (X) X0 01 für für X 0 (4.10) In der Heaviside–Funktion (4.10) trifft eine Bedingung X entweder zu oder nicht. Diese scharf abgegrenzte Form der Modellierung der Beschleunigung a a (t) führt in Gleichung (4.9) zu unstetigen Änderungen der Beschleunigung. Für eine Vermeidung dieses Modellcharakters lässt sich die Heaviside–Funktion auch kontinuierlich formulieren: ( X ) 1 1 tanh X 2 X mit X 1 (4.11) 4.1 Bestimmungsgleichungen 63 Gleichung (4.11) führt zu einer weicheren Form der Modellierung der Kraftfahrzeugbeschleunigung. Der Übergang von Gleichung (4.10) zu Gleichung (4.11) lässt sich als “Fuzzyfizierung” auffassen und ist alternativ mit der Fuzzy–Logik formulierbar [8]. In der Regel wird davon ausgegangen, dass die Anpassungszeiten 0a und sa gleich sind. In diesem Fall ergibt sich aus (4.9) folgende Beschleunigung: a a (t) V sa (x a ) v a (t) 0a v a (t) 2 ( v a (t)) v a (t) V sa (x a ) x a (t) l b (4.12) Die Beschleunigung nach (4.12) setzt sich aus zwei Anteilen zusammen. Der erste Anteil heißt Anpassungsterm. Der zweite Anteil heißt Bremsterm. Der Bremsterm stellt sicher, dass das betrachtete Kraftfahrzeug a stets einen Abstand zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug b einhält, der nicht kleiner als die Länge l b ist. Dies gilt auch für den Fall einer Vollbremsung beim Auffahren auf ein stehendes Kraftfahrzeug. Der Anpassungsterm stellt sicher, dass die Geschwindigkeit nicht negativ wird. Einfluss der Regeln auf die Beschleunigung Die Bedingung für Regel 1 zum Beschleunigen eines Kraftfahrzeugs a wird mit (4.10) nur dann erfüllt, wenn die Bedingungen für die Regeln 2 und 3 zum Einhalten des Sicherheitsabstands und zum Bremsen nicht erfüllt sind. Nach Regel 1 beschleunigt das Kraftfahrzeug a exponentiell auf seine Wunschgeschwindigkeit v 0a mit einer Anpassungszeit 0a (Abbildung 4.2). Bei der Modellierung wird 0a so festgelegt, dass das Kraftfahrzeug nach 20 s bis 30 s 95 % seiner Wunschgeschwindigkeit v 0a erreicht hat. Dies führt zu einer Anpassungszeit 0a von etwa 6 s bis 10 s. v a (t) v 0a 0 0a t Abbildung 4.2: Anpassung von v a (t) an v 0a Die Bedingungen für die Regeln 2 und 3 sind dann erfüllt, wenn der Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug b erreicht beziehungsweise unterschritten ist. Die Anpassung der Geschwindigkeit an die Geschwindigkeits–Abstands–Relation V sa (x a ) nach Regel 2 erfolgt unter Berücksichtigung einer Anpassungszeit sa. sa ist üblicherweise nicht größer als 0a in Regel 1. Der Proportionalitätsfaktor in Regel 3 gewichtet zum einen den Bremsterm in der Bewegungsgleichung und zum anderen das Verhältnis der 64 4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Geschwindigkeitsdifferenz v a (t) zum Abstand x a (t) im Bremsterm. Der Einfluss von wird im Folgenden anhand der Abbildungen 4.3 und 4.4 verdeutlicht. 30 s t 30 s 0 t 30 s 12 a 0 t b 100 m x 2 a 0 b 100 m x a 0 b 100 m x Abbildung 4.3: Bewegungsbahnen eines Kraftfahrzeugs a mit v a 0 110 kmh beim Auffahren auf ein stehendes Kraftfahrzeug b für unterschiedliche Faktoren Ein Kraftfahrzeug a, das mit seiner Wunschgeschwindigkeit v 0a fährt, bleibt beim Auftreffen auf ein stehendes Kraftfahrzeug b ohne Bremsregel ( 0) sehr abrupt im Abstand x a l b stehen (Abbildung 4.3). Dieses unrealistische Verhalten kann mit der Regel 3 unterbunden werden. Wird mit 12 der Abstand x a (t) doppelt gegenüber der Geschwindigkeitsdifferenz v a (t) gewichtet, so beginnt das Kraftfahrzeug a zwar schon früher an zu bremsen, der Stillstand bei x a l b wird aber auch in diesem Fall sehr plötzlich erreicht. Eine doppelte Gewichtung der Geschwindigkeitsdifferenz v a (t) mit 2 führt zu einem frühen Abbremsen. Der endgültige Abstand von x a 32 l b wird nach ungefähr zwei Minuten erreicht. 60 s t 60 s t 0 a 0 60 s 12 a b 200 m 600 m x t 0 60 s 200 m 0 200 m 600 m x t 1 a b 2 b a 600 m x 0 200 m b 600 m x Abbildung 4.4: Bewegungsbahnen eines Kraftfahrzeugs a mit v 0a 110 kmh beim Auffahren auf ein langsameres Kraftfahrzeug b mit v 0b 27 kmh 4.1 Bestimmungsgleichungen 65 Ein Kraftfahrzeug a, das mit der Wunschgeschwindigkeit v 0a auf ein langsameres Kraftfahrzeug b mit v b (t) v 0b v 0a ohne Bremsregel ( 0) auftrifft, fährt zunächst für einige Sekunden sehr dicht auf, ehe es dann den Abstand wieder vergrößert (Abbildung 4.4). Der Abstand pendelt sich nach einiger Zeit unter Anwendung der Regel 2 beim Sicherheitsabstand ein. Mit der Regel 3 verringert sich die Dauer des dichten Auffahrens. Ab einem Faktor 2 stellt sich der Abstand nahezu ohne Schwankungen auf den Sicherheitsabstand ein. 4.1.2 Bestimmungsgleichungen für mehrere Fahrstreifen Wird die Bewegung eines Kraftfahrzeugs a auf mehreren Fahrstreifen betrachtet, so sind zusätzlich zum Fahrverhalten auf dem Fahrstreifen y a (t) gegebenenfalls auch Fahrstreifenwechsel y a (t) zu modellieren. al bl val a va ar y var vbl b vb Fahrstreifen 2 Fahrstreifen 1 br vbr Fahrstreifen 0 x Abbildung 4.5: Kraftfahrzeuge auf mehreren Fahrstreifen zu einem Zeitpunkt t Der Fahrstreifenwechsel y a (t) eines Kraftfahrzeugs a auf einem Fahrstreifen y a (t) zu einem Zeitpunkt t entspricht entweder einem Überholen auf den von a linken Fahrstreifen y a (t) 1 oder einem Zurückscheren auf den von a rechten Fahrstreifen y a (t) 1. Der Fahrstreifenwechsel erfolgt, wenn der Wunsch zum Wechseln groß genug ist und auf den zu wechselnden Fahrstreifen genügend Platz für das Kraftfahrzeug a zur Verfügung steht. Für mikroskopische Verkehrsmodellierungen gibt es zahlreiche unterschiedliche Ansätze zur Modellierung eines Fahrbahnwechsels [6, 38, 91]. Hier wird ein regelbasierter Ansatz für einen Fahrstreifenwechsel y a (t) aufgezeigt. Er besteht aus einer Regel A für das Überholen und einer Regel B für das Zurückscheren. Regel A: Überholen Ein Kraftfahrzeug a vollzieht zu einem Zeitpunkt t einen Fahrstreifenwechsel y a (t) vom Fahrstreifen y a (t) zu dem von ihm links liegenden Fahrstreifen y a (t) 1, wenn die folgenden drei Bedingungen erfüllt sind: 1. Die Wunschgeschwindigkeit v 0a von a wird aufgrund des Abstands zu einem vorausfahrenden Kraftfahrzeug b auf dem Fahrstreifen y a (t) nicht erreicht: v 0a V sa x b (t) x a (t) (4.13) 66 4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen 2. Der Abstand von a zu einem vorausfahrenden Kraftfahrzeug b l auf dem linken Fahrstreifen wird mit der Geschwindigkeit v a (t) von a eingehalten: v a (t) V sa x bl (t) x a (t) (4.14) 3. Der Abstand von a zu einem folgenden Kraftfahrzeug a l auf dem linken Fahrstreifen wird mit der Geschwindigkeit v al (t) von a l eingehalten: v al (t) V sal x a (t) x al (t) (4.15) Regel B: Zurückscheren Ein Kraftfahrzeug a vollzieht zu einem Zeitpunkt t einen Fahrstreifenwechsel y a (t) vom Fahrstreifen y a (t) zu dem von ihm rechts liegenden Fahrstreifen y a (t) 1, wenn die folgenden zwei Bedingungen erfüllt sind: 1. Der Abstand von a zu einem vorausfahrenden Kraftfahrzeug b r auf dem rechten Fahrstreifen wird mit der Geschwindigkeit v a (t) von a eingehalten: v a (t) V sa x br (t) x a (t) (4.16) 2. Der Abstand von a zu einem folgenden Kraftfahrzeug a r auf dem rechten Fahrstreifen wird mit der Geschwindigkeit v ar (t) von a r eingehalten: v ar (t) V sar (x a (t) x ar (t)) (4.17) Fahrstreifenwechsel auf einem Fahrbahnabschnitt Zur Modellierung eines Fahrstreifenwechsels y a (t) eines Kraftfahrzeugs a werden die Regeln A und B zusammengeführt. Eine mögliche Modellierung dieser Zusammenführung ist folgende Kombination von Heaviside–Funktionen, angewendet auf die Bedingungen der Regeln. y a (t) y a (t) 1 y a (t) y a (t) (4.18) 0 s y a (t) v a V a x b (t) x a (t) V sa x bl (t) x a (t) v a (t) V sal x a (t) x al (t) v al (t) s s y a (t) V a x br (t) x a (t) v a (t) V ar (x a (t) x ar (t)) v ar (t) Da es sich bei den Bedingungen entweder um zustimmende oder aber ablehnende Entscheidungen zu einem Fahrstreifenwechsel handelt, ist in der mikroskopischen Modellierung ausschließlich die Heaviside–Funktion (4.10) in Form einer Sprungfunktion zu verwenden. Eine weniger scharf abgegrenzte Form der Modellierung von Fahrstreifenwechseln sollte daher nicht durch kontinuierliche Heaviside–Funktionen erreicht werden, sondern nur durch andere Kombinationen der Bedingungen. 4.1 Bestimmungsgleichungen 67 Die grundlegende Modellierung mit den Regeln A und B ist gegebenenfalls durch weitere Regeln beziehungsweise Bedingungen zu erweitern. So ist beispielsweise der Fahrstreifenwechsel eines Kraftfahrzeugs auf einen linken oder rechten Fahrstreifen nur dann möglich, wenn dieser Fahrstreifen nicht rechts vom Hauptfahrstreifen 0 oder links vom äußeren Überholfahrstreifen y max liegt: 0 y a (t) y a (t) y max (4.19) Bei drei oder mehr Fahrstreifen auf einem Fahrbahnabschnitt kann es zu Konflikten auf dem mittleren Fahrstreifen kommen, wenn sowohl vom linken als auch vom rechten Fahrstreifen ein Kraftfahrzeug auf denselben Fahrstreifen wechseln will. Eine mögliche Modellierung ist die Ergänzung der Regel A um eine weitere Bedingung, bei der der Abstand des von rechts kommenden Kraftfahrzeugs a auf das von links kommende Kraftfahrzeug eingehalten wird: x a (t) x a 2l (t) v a 2l (t) V S a 2l (4.20) Fahrstreifenwechsel an einer Einfahrt Für die Modellierung einer Einfahrt beziehungsweise einer Fahrstreifensubtraktion sind keine zusätzlichen Regeln oder Bedingungen notwendig. Durch die Einführung eines virtuellen Kraftfahrzeugs A, das am Ende des endenden Fahrstreifens steht, ist es möglich, die Regeln für einen Fahrstreifenwechsel in einem Fahrbahnabschnitt ohne Änderungen zu übernehmen. al y Fahrstreifen 1 bl val vbl a x va Fahrstreifen 0 A vA0 Einfahrt Abbildung 4.6: Modellierung eines Fahrstreifenwechsels an einer Einfahrt Fahrstreifenwechsel an einer Ausfahrt Eine Ausfahrt beziehungsweise eine Verzweigung der Fahrbahn führt ebenfalls zu Fahrstreifenwechseln. Sie werden durch ein Wegweisungssignal eingeleitet (Abbildung 4.7). Mit dem Überqueren des Fahrbahnquerschnitts, an dem sich das Signal befindet, wird in einem Kraftfahrzeug a eine Routensuche ausgelöst. Mit der Routensuche werden die Fahrstreifen bestimmt, die das Kraftfahrzeug zu seinem Ziel führen. Die übrigen Fahrstreifen werden für das Kraftfahrzeug virtuell gesperrt. Kommt das Fahrzeug in die Nähe der virtuellen Sperrung, so wird sie aufgehoben, damit das Kraftfahrzeug nicht stehenbleibt. Die Regeln für den Fahrbahnwechsel sind so zu modellieren, dass das Erreichen der Fahrstreifen zum Ziel des Kraftfahrzeugs die größte Priorität hat. 68 4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Wegweisungssignal va y A Für Kfz a virtuell gesperrt ! Fahrstreifen 1 a A x Fahrstreifen 0 Ausfahrt Abbildung 4.7: Modellierung eines Fahrstreifenwechsels an einer Ausfahrt Fahrstreifenwechsel an einer Engstelle Eine Engstelle lässt sich wie eine Einfahrt modellieren. Mit einem stehenden virtuellen Kraftfahrzeug A wird der Anfang der Engstelle abgebildet. Im weiteren Verlauf der Engstelle ist die Bedingung (4.19) einzuhalten, wobei y max die Anzahl der befahrbaren Fahrstreifen im Engstellenbereich ist. a y va bl val Fahrstreifen 1 A Fahrstreifen 0 x Abbildung 4.8: Modellierung eines Fahrstreifenwechsels an einer Engstelle 4.2 Geschwindigkeits–Abstands–Relation Eine Geschwindigkeits–Abstands–Relation bildet die Abhängigkeit der Geschwindigkeit V sa vom Abstand x a (t) zwischen zwei Kraftfahrzeugen a und b ab. Sie wird als eine monoton steigende Funktion V sa (x a ) modelliert, die Werte zwischen null und der Wunschgeschwindigkeit v 0a annehmen kann. Für einen Abstand x a (t), der kleiner als die Länge l b des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs b ist, muss die Geschwindigkeit V sa null sein. Ist das vorausfahrende Kraftfahrzeug b nicht vorhanden oder weit entfernt, so ist die Geschwindigkeit V sa v 0a . v 0 a V sa (x a ) monoton steigend 0 lb x a Abbildung 4.9: Charakteristischer Verlauf von V sa (x a ) Die Abhängigkeit der Geschwindigkeit V sa von Abstand zu einem vorausfahrenden Kraftfahrzeug b ist für jedes Kraftfahrzeug a aufgrund der Fahrzeugeigenschaften und 4.2 Geschwindigkeits–Abstands–Relation 69 des individuellen Fahrerverhaltens unterschiedlich. Da die Werte für das Einhalten eines Sicherheitsabstands praktisch nicht messbar sind, lässt sich die Geschwindigkeits–Abstands–Relation V sa (x a ) nur hypothetisch angeben. In der Literatur sind mehrere Ansätze für V sa (x a ) veröffentlicht [4, 38]. Im Folgenden werden einige erläutert. Linearer Ansatz Der einfachste Ansatz für die Geschwindigkeits–Abstands–Relation ist eine lineare Beziehung für den Bereich von 0 bis v 0a. Er basiert auf einer Regel, bei der der zeitliche Sicherheitsabstand T a zwischen a und b konstant ist: V sa (x a ) Min v 0a, Max 0, x a (t) l b Ta (4.21) In Abbildung 4.10 a ist der Ansatz (4.21) für T a 2 s dargestellt. Ansatz nach Bando Ein Ansatz nach Bando und seinen Mitarbeitern [4] führt zu einer Geschwindigkeits–Abstands–Relation V sa (x a ) ohne Unstetigkeiten im Funktionsverlauf. Eine Variation dieses Ansatzes verwendet den normierten Abstand (x a (t) l b ) S a : V sa (x a ) v 0a tanh (x a (t) l b ) S a 2 tanh 2 1 tanh 2 (4.22) In Abbildung 4.10 b ist der Ansatz (4.22) für S a 20 m dargestellt. Ansätze aus Geschwindigkeits–Dichte–Relationen Die Geschwindigkeits–Abstands–Relation V sa (x a ) lässt sich auch aus einer Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () für eine makroskopische Verkehrsmodellierung entwikkeln (Abschnitt 5.2). Dabei wird angenommen, dass die Dichte dem Kehrwert des Abstands x a zweier aufeinander folgender Kraftfahrzeuge näherungsweise entspricht: 1x a (4.23) Wird statt der Dichte der Kehrwert des Abstands 1x a an die Geschwindigkeits–Dichte–Relation übergeben, so ergibt sich eine Geschwindigkeits–Abstands–Relation: V sa (x a ) V (1x a ) (4.24) Aufgrund der großen Anzahl unterschiedlich entwickelter Geschwindigkeits–Dichte– Relationen ergeben sich zahlreiche Geschwindigkeits–Abstands–Relationen. In den Abbildungen 4.10 c bis 4.10 f sind Ansätze aus polynominalen (quadratischen), potentiellen und exponentiellen Geschwindigkeits–Dichte–Relationen sowie aus einer Geschwindigkeits–Dichte–Relation nach Helbing / Treiber mit den in Abschnitt 5.2 gewählten Parametern dargestellt. 70 4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen a) b) V sa (x a ) V sa (x a ) v 0a v 0a x a 0 lb c) 0 lb x a d) V s a (x a ) V sa (x a ) v 0a v 0a 0 lb x a e) 0 lb x a f) V sa (x a ) V sa (x a ) v 0a 0 lb v 0a x a 0 lb x a Abbildung 4.10: Geschwindigkeits–Abstands–Relationen mit v 0a 110 kmh und l b 6.25 m: a) linear, b) nach Bando, c) quadratisches V (1x a ), d) potentielles V (1x a ), e) exponentielles V (1x a ) und f) V (1x a ) nach Helbing / Treiber Vergleich unterschiedlicher Geschwindigkeits–Abstands–Relationen Die in der Abbildung 4.10 gezeigten Geschwindigkeits–Abstands–Relationen V sa (x a ) gehen alle von der gleichen Wunschgeschwindigkeit v 0a und der gleichen Länge l b des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs aus. Sie erfüllen alle die Bedingung des monoton steigenden Funktionsverlaufs. Die Verläufe von V sa (x a ) unterscheiden sich in ihrer Steigung und der Form der Übergänge vom Stehen des betrachteten Kraftfahrzeugs zu seinem beeinflussten Fahren sowie von seinem beeinflussten Fahren zu seinem freien Fahren. Die Steigung lässt sich in jedem Ansatz durch einen Parameter beliebig verändern. Die Form der Übergänge ist ein spezielles Charakteristikum jeder Geschwindigkeits–Abstands–Relation und lässt sich durch Parameter kaum verändern. Da die Geschwindigkeits–Abstands–Relation in den Bestimmungsgleichungen eines Kraftfahrzeugs eine maßgebende Rolle spielt, ist die Wahl einer geeigneten Geschwindigkeits–Abstands–Relation von wesentlicher Bedeutung für die mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen. 4.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen 71 4.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen Die mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz basiert auf der Abbildung von zeitlichen Änderungen der Zustandsgrößen der Kraftfahrzeuge. Die Modellierung benötigt daher einen Anfangszustand zu einem Zeitpunkt t t 0, ab dem die zeitlichen Änderungen beschrieben werden können. Für die Eigenschaften und Zustandsgrößen der Kraftfahrzeuge, die für den Anfangszustand erzeugt und im Autobahnnetz verteilt werden, sind Anfangsbedingungen einzuhalten. Die Ein– und Ausfahrten bilden die Ränder eines Autobahnnetzes. Über diese Ränder fahren während der Zeit t t 0 Kraftfahrzeuge in einen Fahrbahnabschnitt des Autobahnnetzes hinein oder aus einem Fahrbahnabschnitt des Autobahnnetzes heraus. In der Modellierung fehlen für die einfahrenden Kraftfahrzeuge die folgenden Kraftfahrzeuge und für die ausfahrenden Kraftfahrzeuge die vorausfahrenden Kraftfahrzeuge, so dass in den Randbereichen eine Berechnung der Bestimmungsgleichungen (4.1) bis (4.2) nicht möglich ist. Für die Eigenschaften und Zustandsgrößen der Kraftfahrzeuge, die die Ränder eines Autobahnnetz überqueren, sind Randbedingungen einzuhalten. In der vorgestellten Verkehrsmodellierung ist das Autobahnnetz in mehrere Fahrbahnabschnitte unterteilt. Jeder Fahrbahnabschnitt hat an seinem Anfang und an seinem Ende einen Rand. Die Ränder zwischen zwei aufeinander folgenden Fahrbahnabschnitten bilden einen Übergang. Für die Eigenschaften und Zustandsgrößen der Kraftfahrzeuge, die einen Übergäng überqueren, sind Übergangsbedingungen einzuhalten. Die Übergangsbedingungen entsprechen für jeden Fahrbahnabschnitt im Autobahnnetz Randbedingungen mit der zusätzlichen Einschränkung, dass sich keine Inkonsistenzen in den Verkehrsabläufen am Übergang einstellen dürfen. x (t) Fahrbahnabschnitt n Modellierungsbereich Anfangsbedingungen x R2 (Kfz zum Zeitpunkt t0) x Ü x Randbedingungen x R1 (Kfz am Rand xR1 oder xR2) Fahrbahnabschnitt m t t0 Übergangsbedingungen (Kfz am Übergang xÜ) Abbildung 4.11: Ort–Zeit–Diagramm mit einem Modellierungsbereich für zwei Fahrbahnabschnitte sowie den zugehörigen Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen einer mikroskopischen Modellierung 72 4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen 4.3.1 Anfangsbedingungen Die Anfangsbedingungen legen den Verkehrszustand im Autobahnnetz zum Zeitpunkt t t 0 fest. Zu diesem Zeitpunkt müssen die n Kraftfahrzeuge a im Autobahnnetz so verteilt sein, dass der Abstand x a (t 0 ) zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug b größer als die Länge l b von b ist: x a (t 0 ) x b (t 0 ) x a (t 0 ) l b a, b 1, , n (4.25) Die geometrischen und physikalischen Eigenschaften sowie die Geschwindigkeit v a (t 0 ) der n Kraftfahrzeuge zum Anfangszeitpunkt t 0 sind beliebig festzulegen, solange die Eigenschaften und die Geschwindigkeit ihren Gültigkeitsbereich nicht verletzen. Beispielsweise ist die Nichtnegativität von v a (t 0 ) zu gewährleisten: v a (t 0 ) 0 a 1, , n (4.26) Da die zeitlichen Änderungen der mikroskopischen Zustandsgrößen nur zwischen zwei unmittelbar aufeinander folgenden Modellzuständen zu bestimmen ist, sind frühere Zeitpunkte als t 0 nicht zu berücksichtigen. 4.3.2 Randbedingungen Die Randbedingungen legen die Verkehrszustände an den Rändern eines Fahrbahnabschnitts während der betrachteten Zeitdauer mit t t 0 fest. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, die Randbedingungen zu modellieren. Im Folgenden werden zwei Ansätze aufgezeigt. Ein erster Ansatz modelliert die Randbedingungen ausschließlich auf dem betrachteten Rand. Ein zweiter Ansatz modelliert die Randbedingungen im Randbereich. Randbedingungen auf dem Rand Bei der Modellierung der Randbedingungen auf einem Rand R eines Fahrbahnabschnitts mit der Ortskoordinate x R werden die Werte der Eigenschaften und Zustandsgrößen festgelegt, die zu einem Zeitpunkt t t 0 von einem ein– oder einem ausfahrenden Kraftfahrzeug a bei x a (t) x R angenommen werden müssen. Ein Kraftfahrzeug a ist für den Fahrbahnabschnitt neu zu generieren, wenn es zum Zeitpunkt t t 0 bei x a (t) x R in den Fahrbahnabschnitt einfährt. Die geometrischen und physikalischen Eigenschaften sowie die meisten Zustandsgrößen von a können beliebig festgelegt werden. Der Zeitpunkt t der Einfahrt vom Kraftfahrzeug a muss so gewählt werden, dass sein Abstand x a (t) zu einem vorausfahrenden Kraftfahrzeug b größer als die Länge l b von b ist: x a (t) x b (t) x a (t) l b tt0 x a (t) x R (4.27) Darüber hinaus ist die Festlegung der Geschwindigkeit v R (t) für einfahrende Kraftfahrzeuge bei x a (t) x R zum Zeitpunkt t t 0 erforderlich, um einen Fahrstreifenwechsel 4.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen 73 für jedes Kraftfahrzeug im Fahrbahnabschnitt nach den Regeln A und B modellieren zu können (Abbildung 4.12 a). Ein Kraftfahrzeug a ist für den Fahrbahnabschnitt zu zerstören, wenn es zum Zeitpunkt t t 0 aus dem Fahrbahnabschnitt ausfährt. Es überquert den Rand R entweder mit gleichbleibender Geschwindigkeit oder mit einer beschränkten Geschwindigkeit v R (t), die auf dem Rand bei x a (t) x R festgelegt ist (Abbildung 4.12 b). In beiden Fällen wird die Beschleunigung a a (t) des ausfahrenden Kraftfahrzeugs a unmittelbar vor dem Rand modifiziert: a a (t) V sa (x R ) v a (t) V sa (x R ) v a (t) a (4.28) V sa (x R ) v a (t) V sa (x R ) v a (t) a (v R (t) v a (t)) 2 v a (t) v R (t) v a (t) V sa (x R ) x R (t) a a (t) (4.29) Die Gleichung (4.28) entspricht dem ersten Fall. Hat das Kraftfahrzeug a einen Abstand x R (t) zum Rand R mit der Geschwindigkeit v a V sa (x R ) erreicht, dann fährt es mit der erreichten Geschwindigkeit ohne Beschleunigung weiter und passiert den Rand R. Die Gleichung (4.29) entspricht dem zweiten Fall. Sie unterschiedet sich von der Gleichung (4.28) durch den Bremsterm. Hat das Kraftfahrzeug a einen Abstand x R (t) zum Rand R mit der Geschwindigkeit v a (t) V sa (x R ) erreicht und ist diese Geschwindigkeit größer als die vorgegebene Geschwindigkeit v R (t), bremst das Kraftfahrzeug und passiert den Rand R mit der vorgegebenen Geschwindigkeit v R (t). a) RB v R2 (t) v R1 (t) v R0 (t) Rand b) bl a b br xR x y al a y ar x v R2 (t) v R1 (t) v R0 (t) xR RB Rand Abbildung 4.12: Randbedingungen für ein einfahrendes beziehungsweise ausfahrendes Kraftfahrzeug a in Form von einzuhaltenden Randgeschwindigkeiten v R (t). Dieser Modellierungsansatz der Randbedingungen bietet sich besonders dann an, wenn die Randbedingungen in Form von Daten aus lokalen Verkehrsmessungen in die Modellierung eingebracht werden sollen. Die Randbedingungen auf den Rand beziehen sich wie die lokalen Verkehrsmessungen ausschließlich auf einen Fahrbahnquerschnitt. 74 4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Randbedingungen im Randbereich Bei der Modellierung der Randbedingungen im Randbereich eines Fahrbahnabschnitts werden virtuelle Kraftfahrzeuge auf der Seite des Randes modelliert, die nicht zum Fahrbahnabschnitt gehört. Die virtuellen Kraftfahrzeuge bilden die Randbedingungen für die Kraftfahrzeuge im Fahrbahnabschnitt. Ein einfahrendes Kraftfahrzeug a, das zum Zeitpunkt t t 0 den Rand R bei x a (t) x R erreichen soll, wird zuvor in einem festgelegten Abstand vor dem Rand R als virtuelles Kraftfahrzeug neu generiert. Es fährt entsprechend den vorgegebenen Randbedingungen auf den Rand R zu. Erreicht es den Rand R bei x a (t) x R, so ist es nicht mehr virtuell und kann sich mit den Kraftfahrzeugen im Fahrbahnabschnitt und den virtuell folgenden Kraftfahrzeugen außerhalb des Fahrbahnabschnitts gemäß den Bestimmungsgleichungen (4.1) bis (4.3) bewegen (Abbildung 4.13 a). Ein ausfahrendes Kraftfahrzeug a, das zum Zeitpunkt t t 0 den Rand R bei x a (t) x R erreicht, wird direkt nach dem Überqueren des Randes zu einem virtuellen Kraftfahrzeug. Es fährt entsprechend den vorgegebenen Randbedingungen hinter dem Rand R weiter. Überquert das nachfolgende Kraftfahrzeug den Rand R, so wird das virtuelle Kraftfahrzeug a zerstört. Ein ausfahrendes Kraftfahrzeug im Fahrbahnabschitt kann sich mit den Kraftfahrzeugen im Fahrbahnabschnitt und den virtuell vorausfahrenden Kraftfahrzeugen außerhalb des Fahrbahnabschnitts gemäß den Bestimmungsgleichungen (4.1) bis (4.3) bewegen (Abbildung 4.13 b). a) RB b) al bl a Rand bl al b ar br xR RB x y b a y ar x br xR Rand Abbildung 4.13: Randbedingungen für ein einfahrendes und ein ausfahrendes Kraftfahrzeug a zu einem Zeitpunkt t in Form von virtuellen Kraftfahrzeugen außerhalb des Fahrbahnabschnitts. Dieser Modellierungsansatz der Randbedingungen bietet sich nicht an, wenn die Randbedingungen in Form von Daten aus lokalen Verkehrsmessungen in die Modellierung eingebracht werden sollen. Die Randbedingungen im Randbereich beziehen sich auf einen Fahrbahnabschnitt, während sich die lokalen Verkehrsmessungen ausschließlich auf einen Fahrbahnquerschnitt beziehen. Der Aufwand, die virtuellen Kraftfahrzeuge genau so zu modellieren, dass sie auf dem Rand mit den lokal gemessenen Daten übereinstimmen, ist viel höher, als die Randbedingungen auf dem Rand zu modellieren. 4.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen 75 4.3.3 Übergangsbedingungen Die Übergangsbedingungen legen die Verkehrszustände an den Übergängen zwischen aufeinander folgenden Fahrbahnabschnitten während der betrachteten Zeitdauer t t 0 fest. Die Übergangsbedingungen entsprechen für jeweils einen der Fahrbahnabschnitte den in Abschnitt 4.3.2 dargestellten Randbedingungen. Bei der Modellierung dieser Randbedingungen für den Übergangsrand bei x Ü zwischen den Fahrbahnabschnitten ist sicherzustellen, dass die Verkehrsabläufe bei x Ü nicht inkonsitent werden. Analog zu den Randbedingungen lassen sich die Übergangsbedingungen entweder auf dem Rand oder im Randbereich des Übergangs modellieren. Übergangsbedingungen auf dem Rand Bei der Modellierung der Übergangsbedingungen auf dem Rand Ü zwischen aufeinander folgenden Fahrbahnabschnitten mit der Ortskoordinate x Ü werden Werte festgelegt, die zu einem Zeitpunkt t t 0 von einem Kraftfahrzeug a bei x a (t) x Ü eingehalten werden müssen. Die Werte sind so zu wählen, dass sie sowohl den Randbedingungen am Rand des Fahrbahnabschnitts entsprechen, aus dem das Kraftfahrzeug a herausfährt, als auch den Randbedingungen am Rand des Fahrbahnabschnitts entsprechen, in das das Kraftfahrzeug a hineinfährt. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die Verläufe der Zustandsgrößen des Kraftfahrzeugs bei x Ü konsistent bleiben. Die Vorgabe von Werten auf dem Übergangsrand ist zwar formal korrekt, doch in der Bewegung der Kraftfahrzeuge über diesen Rand können sich unrealistische Sprünge oder Knicke ergeben. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass sich flächenhaftes Verkehrsverhalten auf der Fahrbahn nicht auf einen Fahrbahnquerschnitt projizieren lässt. Dieser Modellierungsansatz von Übergangsbedingungen ist daher für die mikroskopische Verkehrsmodellierung unbrauchbar. Übergangsbedingungen im Randbereich Bei der Modellierung der Übergangsbedingungen im Randbereich aufeinander folgender Fahrbahnabschnitte werden für jeden Fahrbahnabschnitt virtuelle Kraftfahrzeuge auf der Seite des Übergangs modelliert, die nicht zum Fahrbahnabschnitt gehört. Die virtuellen Kraftfahrzeuge sind die Randbedingungen für die ein– und ausfahrenden Kraftfahrzeuge. Der Übergang zwischen den aufeinander folgenden Fahrbahnabschnitten ist in diesem Modellierungsansatz der Übergangsbedingungen a priori konsistent. Die virtuellen Kraftfahrzeuge eines Fahrbahnabschnitts, aus dem die Kraftfahrzeuge herausfahren, entsprechen den einfahrenden Kraftfahrzeugen der folgenden Fahrbahnabschnitte und die virtuellen Kraftfahrzeuge eines Fahrbahnabschnitts, in den die Kraftfahrzeuge hineinfahren, entsprechen den ausfahrenden Kraftfahrzeugen der vorherigen Fahrbahnabschnitte. Dieser Modellierungsansatz von Übergangsbedingungen ist daher für die mikroskopische Verkehrsmodellierung gut geeignet. 76 4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen 4.4 Verkehrszustände Die Verkehrszustände, die sich aus der mikroskopischen Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn ergeben, sind auf ihre Korrektheit zu prüfen. Ein Verkehrszustand ist korrekt modelliert, wenn er einer analytischen Lösung der mikroskopischen Bestimmungsgleichungen entspricht. Für einen in der Praxis auftretenden Verkehrszustand existiert jedoch keine analytische Lösung der mikroskopischen Bestimmungsgleichungen. Derzeit gibt es zwei Möglichkeiten, die mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen zu bewerten. Eine Möglichkeit ist die Bestimmung der Stabilität einer mikroskopischen Modellierung für einen hypothetischen Gleichgewichtszustand. Im Bereich der auftretenden Instabilitäten in der Modellierung ergeben sich Phänomene, die auf real beobachtbare Verkehrsphänomene deuten. Die Untersuchung dieser Phänomene ermöglicht eine qualitative Bewertung der mikroskopischen Modellierung. Die Phämonene lassen sich derzeit jedoch nicht analytisch darstellen, sondern erfordern Simulationen mit der numerischen Umsetzung der Modellierung. Dadurch ist lediglich eine indirekte qualitative Bewertung einer mikroskopischen Verkehrsmodellierung möglich. Eine zweite Möglichkeit ist der Vergleich von Kenngrößen mikroskopisch modellierter Verkehrsabläufe mit Kenngrößen, die sich aus einer entsprechenden Verkehrsmessung ergeben. Dies führt zu einer quantitativen Bewertung der Modellierung. Die Bestimmung der Kenngrößen mikroskopisch modellierter Verkehrsabläufe erfordert nicht nur die Simulationen mit der numerischen Umsetzung der Modellierung, sondern auch eine Simulation der Modellierung von Verkehrsmessungen. Dadurch ist lediglich eine indirekte quantitative Bewertung einer mikroskopischen Verkehrsmodellierung möglich. Gleichgewichtszustand Ein Verkehrszustand im Fahrbahnabschnitt einer Autobahn heißt Gleichgewichtszustand, wenn alle Kraftfahrzeuge die gleichen Eigenschaften besitzen und mit der gleichen Geschwindigkeit fahren. Der Abstand zweier aufeinander folgender Kraftfahrzeuge ändert sich nicht. Es können zwei verschiedene Formen des Gleichgewichtszustands auftreten: 1. Jedes Kraftfahrzeug a fährt mit der Wunschgeschwindigkeit v 0. Die Abstände zwischen aufeinander folgenden Kraftfahrzeugen können verschieden sein: vavv0 x a l v T (4.30) 2. Jedes Kraftfahrzeug a fährt mit einer Geschwindigkeit v, die kleiner ist als die Wunschgeschwindigkeit v 0. Dann sind die Abstände zwischen aufeinander folgenden Kraftfahrzeugen gleich: vavv0 x a l v T (4.31) 4.4 Verkehrszustände 77 Im Gleichgewichtszustand bewegt sich ein Kraftfahrzeug entweder genau mit dem Sicherheitsabstand (Fall 2) oder mit einem größeren Abstand (Fall 1) zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug. Ein kleinerer Abstand als der Sicherheitsabstand wird von einem Kraftfahrzeug im Gleichgewichtszustand nicht erreicht, so dass für den Gleichgewichtszustand der Bremsterm vernachlässigt werden kann. Die gleichbleibende Geschwindigkeit v jedes Kraftfahrzeugs im Gleichgewichtszustand entspricht genau der mittleren Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (x). Stabilität Ein Gleichgewichtszustand heißt stabil, wenn kleine Störungen des Gleichgewichtszustands mit zunehmender Zeit nicht anwachsen. Andernfalls heißt der Gleichgewichtszustand instabil. Die Stabilität kann auf der Grundlage einer linearen Stabilitätsanalyse analytisch bestimmt werden. Dabei wird eine Fourier–Analyse für die Bestimmungsgleichungen mit kleinen sinusförmigen Störungen im Gleichgewichtszustand durchgeführt. Die lineare Störungsanalyse liefert für die mikroskopische Modellierung der Verkehrsabläufe auf einem Fahrstreifen im Fahrbahnabschnitt eine Stabilitätsbedingung. Danach ist die Stabilität eines Gleichgewichtszustands gewährleistet, wenn die Ableitung der Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (x) nach dem Abstand x nicht größer als der Kehrwert der doppelten Anpassungszeit ist: dV s (x g ) 1 dx 2 (4.32) Bei ruhenden Verkehrsabläufen ist die Geschwindigkeit v eines Kraftfahrzeugs null. Bei freien Verkehrsabläufen ist die Geschwindigkeit v gleich der Wunschgeschwindigkeit v 0. In beiden Fällen ist die Ableitung der Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (x) null. Die Stabilitätsbedingung (4.32) ist erfüllt. Daher sind Gleichgewichtszustände für ruhende und freie Verkehrsabläufe stabil. Bei dichten Verkehrsabläufen kann die Ableitung der Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (x) nach dem Abstand x bis auf über 1 (2 ) anwachsen. In diesem Fall sind Gleichgewichtszustände im Verkehrsablauf nicht stabil. Instabilitäten, die in mikroskopisch modellierten Verkehrsabläufen auftreten können, deuten auf Verkehrsphänomene, wie Staus oder Stop–and–Go–Wellen hin. Damit ergibt sich die Vermutung, das Staus nicht aufgrund von Hindernissen wie Baustellen, Unfälle, Einfahrten oder Ausfahrten entstehen, sondern durch kleine Störungen in den Verkehrsabläufen. Die quantitative Bewertung beispielsweise der Form oder des Verhaltens der Instabilitäten lässt sich derzeit nur durch Simulationen einer numerischen Umsetzung der Modellierung verdeutlichen. Die Numerik beeinflusst die Stabilität der simulierten Verkehrszustände wesentlich. Daher wird in Kapitel 8 für die mikroskopische Verkehrsmodellierung eine numerische Störungsanalyse durchgeführt. 78 4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Kenngrößen Die Kenngrößen eines Verkehrsablaufs ermöglichen eine quantitative Bewertung der Verkehrszustände. Die quantitative Bewertung ist abhängig von der Güte der Kenngrößen. Die Kenngrößen von Verkehrsabläufen, die mikroskopisch modelliert wurden, lassen sich erst im Anschluss an die Modellierung aus den Zustandsgrößen der Kraftfahrzeuge bestimmen. Die Kenngrößen, wie die Verkehrsdichte, die Verkehrsstärke und die mittlere Geschwindigkeit, sind analog zu Verkehrsmessungen durch Zählungen vieler mikroskopischer Kraftfahrzeuggrößen zu ermitteln. Daher bietet sich eine Modellierung von Verkehrsmessungen in der mikroskopischen Verkehrsmodellierung an. Entsprechend dem gewählten Kontrollgebiet lassen sich räumliche Verkehrsdichten und mittlere räumliche Geschwindigkeiten, zeitliche Verkehrsstärken und mittlere zeitliche Geschwindigkeiten oder räumlich–zeitliche Verkehrsdichten, räumlich–zeitliche Verkehrsstärken und mittlere räumlich–zeitliche Geschwindigkeiten ermitteln. Diese Kenngrößen lassen sich direkt mit den Kenngrößen einer Verkehrsmessung vergleichen. 5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Eine makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes basiert auf dem Ansatz, dass ein Verkehrsablauf eine kontinuierliche Einheit von “verflüssigten” oder “verdampften” Kraftfahrzeugen bildet. Ein Kraftfahrzeug im Verkehrsablauf ist dabei nicht identifizierbar. Die Kenngrößen des Verkehrsablaufs sind zugleich die Zustandsgrößen der makroskopischen Verkehrsmodellierung. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher makroskopischer Verkehrsmodellierungen. Sie gehen auf die erste Modellierung von 1955 nach Lighthill und Whitham [58, 59] sowie Richards [78] zurück. Ihr Modellansatz ergibt sich aus der Analogie von kinematischen Wellen in der Flussbewegung langer Flüsse [58] zu kinematischen Wellen auf langen überfüllten Straßen [59]. Er entspricht einer Kontinuitätsgleichung, bei der die Geschwindigkeit eine dichteabhängige Gleichgewichtsgeschwindigkeit ist. Hilliges [44] hat 1995 zusätzlich zur Kontinuitätsgleichung eine Bewegungsgleichung formuliert, die eine zeitlich verzögerte Anpassung der Geschwindigkeit an die Gleichgewichtsgeschwindigkeit beschreibt. Die Bestimmungsgleichungen erlauben eine robuste und schnelle Simulation von Verkehrsabläufen in großräumigen Verkehrsgebieten. Bereits 1971 hat Payne in [72] eine Bewegungsgleichung in Analogie zur Eulergleichung einer reibungsfreien Fluidströmung formuliert. Neben einer Geschwindigkeitsanpassung, wie bei der Modellierung von Hilliges, wird dabei ein Verkehrsdruck berücksichtigt. Er bewirkt ein zusätzliches Abbremsen bei zunehmender Verkehrsdichte. Cremer [22] und Papageorgiou [70] haben die numerische Umsetzung der Modellierung verbessert und zu einem Prognosewerkzeug weiterentwickelt. Kühne [54] hat Anfang der neunziger Jahre vorgeschlagen, die Verkehrsabläufe auf einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn wie eine Flachwassergleichung für einen Kanal zu modellieren. Dadurch wird in die Bewegungsgleichung zusätzlich Viskosität aufgenommen, so dass sie die Form einer Navier–Stokes–Gleichung erhält. Kerner und Konhäuser [51] haben diese Modellierung numerisch umgesetzt. 80 5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen In diesem Kapitel wird die makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in Autobahnnetzen exemplarisch an einem Ansatz erläutert, der die typische Form einer Navier– Stokes–Gleichung besitzt. Im ersten Abschnitt werden die Bestimmungsgleichungen für die Bewegung eines Verkehrsablaufs erst für einen und dann für mehrere Fahrstreifen dargestellt. Im zweiten Abschnitt wird die in der Modellierung notwendige Geschwindigkeits–Dichte–Relation näher erläutert. Im dritten Abschnitt werden die Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen für makroskopische Verkehrsmodellierungen beschrieben. Im vierten Abschnitt wird auf die modellierbaren Verkehrszustände eingegangen. 5.1 Bestimmungsgleichungen In einer makroskopischen Verkehrsmodellierung werden die Verhaltensweisen eines Verkehrsablaufs auf einem Fahrstreifen im Fahrbahnabschnitt einer Autobahn als eindimensionales Kontinuum abgebildet. Die Bewegung im Kontinuum eines Fahrstreifens lässt sich mit Hilfe von partiellen Differentialgleichungen beschreiben. Die Bewegung zwischen den Kontinuen der Fahrstreifen lässt sich mit Hilfe von Massenänderungen in den Kontinuen beschreiben. Die partiellen Differentialgleichungen bilden die Bestimmungsgleichungen des kontinuierlichen Verkehrsablaufs auf einem Fahrstreifen. Die Bestimmungsgleichungen umfassen eine Kontinuitätsgleichung und zumindest eine Bewegungsgleichung. Die Kontinuitätsgleichung gewährleistet den Erhalt der Masse eines kontinuierlichen Verkehrsablaufs beziehungsweise den Erhalt der Kraftfahrzeuge auf dem Fahrstreifen. Die Bewegungsgleichung beschreibt die Beschleunigung des Verkehrsablaufs. Die Bestimmungsgleichungen werden im folgenden Abschnitt 5.1.1 für einen Fahrbahnabschnitt mit einen Fahrstreifen konkretisiert und im darauf folgenden Abschnitt 5.1.2 für einen Fahrbahnabschnitt mit mehreren Fahrstreifen erweitert. 5.1.1 Bestimmungsgleichungen für einen Fahrstreifen Wird die Bewegung eines Verkehrsablaufs auf einem Fahrstreifen betrachtet, so sind für diesen Fahrstreifen die kontinuierlichen Verläufe der Zustandsgrößen Dichte und Geschwindigkeit zu modellieren. Sie beziehen sich auf die Fahrtrichtung x des Fahrstreifens und die Zeit t. (x, t) v (x, t) x x t t x Abbildung 5.1: Kontinuierlicher Verkehrsablauf auf einem Fahrstreifen 5.1 Bestimmungsgleichungen 81 Kontinuitätsgleichung Die Kontinuitätsgleichung beschreibt die zeitliche Änderung der Dichte (x, t), die ohne zusätzliche Zu– oder Abflüsse der partiellen räumlichen Änderung des Massenflusses q (x, t) entspricht: (x, t) q (x, t) 0 x t (5.1) Da der Massenfluss q (x, t) nach Definition (3.12) das Produkt der Dichte (x, t) 0 und der Geschwindigkeit v (x, t) 0 ist, lässt sich die Kontinuitätsgleichung auch als lokale und konvektive Änderung der Dichte (x, t) modellieren: (x, t) (x, t) v (x, t) v (x, t) (x, t) x x t (5.2) Die Gleichung (5.2) zeigt, dass die Dichte eines bewegten Punkts im Kontinuum zeitlich mit ddt zunimmt, wenn die Geschwindigkeit räumlich abnimmt, und umgekehrt. Bewegungsgleichung Die Bewegungsgleichung beschreibt die lokale und konvektive Änderung der Geschwindigkeit v (x, t). Sie entspricht einer Beschleunigungskraft a (x, t), die auf den Verkehrsablauf am Ort x zur Zeit t einwirkt: v (x, t) v (x, t) v (x, t) a (x, t) x t (5.3) Die Beschleunigungskraft a (x, t) lässt sich als Anpassung der Geschwindigkeit v (x, t) an eine Geschwindigkeit V modellieren, die von der Dichte (x, t) abhängt. Die Abhängigkeit der Geschwindigkeit V von der Dichte (x, t) wird durch eine sogenannte Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () funktional modelliert. Ansätze hierfür werden in Abschnitt 5.2 erläutert. Die Anpassung der Geschwindigkeit v an die dichteabhängige Geschwindigkeit V erfolgt mit einer Anpassungszeit : v (x, t) v (x, t) V () v (x, t) v (x, t) x t (5.4) Bewegungsgleichung mit Druckterm Der Anpassungsterm auf der rechten Seite der Gleichung (5.4) kann in Analogie zu den Bestimmungsgleichungen einer reibungsfreien Fluidströmung um einen Druckterm erweitert werden [72]. Mit der Erweiterung erhält die Bewegungsgleichung die Form einer Eulergleichung [19, 94]: v (x, t) v (x, t) V v (x, t) p (x, t) v (x, t) 1 x t (x, t) x (5.5) Der Druckterm bewirkt eine Verzögerung des Verkehrsablaufs bei einer Erhöhung des Drucks und eine Beschleunigung des Verkehrsablaufs bei einer Verringerung des Drucks. 82 5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Der Druck p (x, t) wird proportional zur Dichte (x, t) und zum Quadrat einer Ausbreitungsgeschwindigkeit c angenommen: p (x, t) c 2 (x, t) (5.6) Bewegungsgleichung mit Druck– und Viskositätsterm Der Anpassungsterm auf der rechten Seite der Gleichung (5.5) kann in Analogie zu einer Flachwassergleichung um eine Viskositätsterm erweitert werden [54]. Mit der Erweiterung erhält die Bewegungsgleichung die Form einer Navier–Stokes–Gleichung [19, 94]: 2 v (x, t) v (x, t) V v (x, t) 1 p (x, t) v (x, t) v (x, t) x t (x, t) x (x, t) x 2 (5.7) Der Viskositätsterm in Form einer zweiten räumlichen Ableitung der Geschwindigkeit v (x, t) ist mit der dynamischen Viskosität gewichtet. 5.1.2 Bestimmungsgleichungen für mehrere Fahrstreifen Wird die Bewegung eines Verkehrsablaufs auf mehreren Fahrstreifen betrachtet, so sind für jeden Fahrstreifen die kontinuierlichen Verläufe der Zustandsgrößen, wie Dichte oder Geschwindigkeit, zu modellieren. 21 0 0 1 2 y y x x v0 x v1 v2 y 2 1 2 0 1 0 Abbildung 5.2: Kontinuierlicher Verkehrsablauf auf mehreren Fahrstreifen zu einem Zeitpunkt t Aufgrund von Fahrstreifenwechseln der Kraftfahrzeuge in einem Fahrbahnabschnitt kommt es zum Austausch von Masse zwischen den zugehörigen Fahrstreifen. Die Massenänderungen, die sich daraus für einen Fahrstreifen y ergeben, werden als Terme für die Massenzunahme m y (x, t) und die Massenabnahme m y (x, t) am Ort x zur Zeit t zur Kontinuitätsgleichung für den Fahrstreifen y hinzugefügt: y (x, t) q y (x, t) m y (x, t) m y (x, t) x t (5.8) Die Massenänderungen können räumlich konstant oder räumlich variabel modelliert werden. 5.1 Bestimmungsgleichungen 83 Räumlich konstante Massenänderung Eine räumlich konstante Massenänderung m y i (x, t) auf einem Fahrstreifen y erfolgt im zeitlich unveränderlichen Ortsbereich i einer Quelle oder einer Senke. Über eine Quelle fließt Masse in den Fahrstreifen und über eine Senke fließt Masse aus dem Fahrstreifen. Der Ortsbereich i einer Quelle oder einer Senke hat die Länge x i und einen Referenzpunkt x i in seiner Mitte. Mehrere Ortsbereiche können sich überlagern, so dass sich die Massenänderung m Massenänderungen y (x, t) aus der Summe aller n m y i (x, t) am Ort x auf dem Fahrstreifen y zum Zeitpunkt t zusammensetzt: m y (x, t) n m y (x, t) m (x, t) yi n my i (x, t) i0 (5.9) i0 So ist beispielsweise in Abbildung 5.3 die Massenzunahme m 0 (x, t) am Ort x zur Zeit t auf dem Fahrstreifen 0 die Summe aus den Massenzunahmen m 0,1 (x, t) und m 0,2 (x, t) der Quellen 1 und 2. Die Massenabnahme m 0 (x, t) ist null. ÍÍ ÍÍÍÍ ÍÍ ÍÍÍÍÍÍ ÍÍÍÍ m 0,1(x, t) x 0 y Senke 0 x0 x m 0,2(x, t) Fahrstreifen 1 Fahrstreifen 0 Quelle 1 Quelle 2 x1 x x2 Abbildung 5.3: Räumlich konstante Massenänderung am Ort x zum Zeitpunkt t aufgrund einer Senke 0 und zweier Quellen 1 und 2. Die Massenänderung m y i (x, t) wird als räumliche Verteilung des zu– oder abfließenden Massenflusses q y i (x, t) im Ortsbereich i modelliert. Dabei können verschiedene Verteilungen verwendet werden. Typische Verteilungen sind die Rechteck–, Dreieck– oder Normalverteilung. Die Rechtecksverteilung springt bei x x i x i 2 von null auf den Wert q y i (x, t) x i, bleibt konstant, bis sie bei x x i x i 2 wieder auf null springt (Abbildung 5.4 a): m y i (x, t) q (x, t) yi x i 0 falls x i x x i x i (5.10) sonst Die Dreiecksverteilung steigt linear von null bei x x i x i 2 bis auf ihr Maximum bei x i an, bevor sie dann wieder linear auf null bei x x i x i 2 abfällt (Abbildung 5.4 b): m y i (x, t) q (x, t) yi 4 x 2i q y i (x, t) 4 x 2i 0 xi x x i 2 falls x i x xi x i 2 falls x i x x i sonst x i xxi 2 x i 2 (5.11) 84 5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Die Normalverteilung hat ihr Maximum bei x i und fällt zu beiden Seiten so ab, dass sich die Wendepunkte an den Orten x i x i 4 und x i x i 4 befinden (Abbildung 5.4 c): m y i (x, t) exp 1 2 x 4 i 2 q (x, t) yi xxi x i 4 2 (5.12) Die Sprünge in der Rechtecksverteilung können zu unrealistischen Störungen im Verkehrsablauf führen. Derartige Störungen treten bei einer Dreiecksverteilung nicht auf. Die Normalverteilung ist nicht auf einen vorgegebenen Ortsbereich begrenzt. a) b) m y i (x, t) xi x i 2 x i x x i i 2 c) m y i (x, t) xi x i 2 x i x x i i 2 m y i (x, t) xi x i 2 x i x x i i 2 Abbildung 5.4: Massenzunahme m y i (x, t) in einem Ortsbereich i von x i x i 2 bis x i x i 2 eines Fahrstreifens y in Form einer a) Rechtecksverteilung, b) Dreiecksverteilung und c) Normalverteilung des Massenflusses q y i (x, t). Räumlich variable Massenänderung Eine räumlich variable Massenänderung auf einem Fahrstreifen ist eine Massenänderung, die im Laufe der Zeit an beliebigen Orten auftreten kann. Dabei setzt sich die Massenzunahme m y (x, t) am Ort x auf einem Fahrstreifen y zur Zeit t aus der Massenzunahme m y1 , y (x, t) vom rechten Fahrstreifen y–1 und der Massenzunahme m y1 , y (x, t) vom linken Fahrstreifen y+1 zusammen: m y (x, t) m y1 , y (x, t) m y1 , y (x, t) (5.13) Die Massenabnahme m y (x, t) am Ort x auf einem Fahrstreifen y zur Zeit t setzt sich aus der Massenabnahme m y , y1 (x, t) zum rechten Fahrstreifen y–1 und der Massenab nahme m y , y1 (x, t) zum linken Fahrstreifen y+1 zusammen: m y (x, t) m y , y1 (x, t) m y , y1 (x, t) (5.14) Die räumlich variable Massenänderung m y (x, t) wird als zeitliche Verteilung der zu– oder abfließenden Dichte y (x, t) modelliert. Dabei wird vereinfachend eine Rechtecksverteilung mit einer Dauer t y, y1 oder t y1, y analog zur Gleichung (5.10) gewählt: m y1 , y (x, t) y (x, t) t y1 , y m y1 , y (x, t) y (x, t) t y , y1 (5.15) 5.1 Bestimmungsgleichungen 85 Massenänderung aufgrund von Fahrstreifenwechseln Fahrstreifenwechsel in einem kontinuierlichen Verkehrsablauf lassen sich mit einer räumlich variablen Massenänderung modellieren. Dabei ergibt sich für einen Fahrstreifen y im betrachteten Fahrbahnabschnitt mit den Gleichungen (5.8) und (5.13) bis (5.15) die folgende erweiterte Kontinuitätsgleichung: y (x, t) q y (x, t) y (x, t) y (x, t) y (x, t) y (x, t) x t t y1 , y t y1 , y t y , y1 t y , y1 (5.16) Die Terme der rechten Seite in Gleichung (5.16) sind die Massenzunahmen m y1 , y (x, t) und m y1 , y (x, t) durch Fahrstreifenwechsel vom rechten beziehungsweise linken Fahrstreifen sowie die Massenabnahmen m y , y1 (x, t) und m y , y1 (x, t) durch Fahrstreifenwechsel zum rechten beziehungsweise linken Fahrstreifen. m 2,1 m 1, 2 Fahrstreifen 2 Fahrstreifen 1 y m 1, 0 m 0,1 Fahrstreifen 0 xw x Abbildung 5.5: Fahrstreifenwechsel am Ort x x w auf einem Fahrstreifen y 1 zu einem Zeitpunkt t in Form einer räumlich variablen Massenänderung Die Dauer der zeitlichen Verteilung hängt von den Dichten zweier benachbarter Fahrstreifen ab. Übersteigt die Differenz der beiden Dichten einen Grenzwert, beginnt der Massenaustausch vom Fahrstreifen mit höherer Dichte zum Fahrstreifen mit niedrigerer Dichte. Wird der Grenzwert für die Dichtedifferenz unterschritten, so endet der Massenaustausch. Der Grenzwert kann ebenso wie die Größe der auszutauschenden Dichte y (x, t) lediglich geschätzt oder empirisch ermittelt werden. In [84] wird ein Ansatz für eine Massenabnahme von einem Fahrstreifen y auf den linken Fahrstreifen y+1 beziehungsweise rechten Fahrstreifen y–1 verwendet. Er stimmt mit einem Ansatz überein [86], der auf Daten einer der wenigen empirischen Untersuchungen für einen Fahrbahnabschnitt mit zwei Fahrstreifen basiert: y (x, t) y (x, t) g y (x, t) y max t y , y1 1 y1 (x, t) 1 y1 max 2 (5.17) In Gleichung (5.17) ist die Dauer t y , y1 der zeitlichen Rechtecksverteilung unbegrenzt. Die Verteilung entspricht somit einer Rate, die ständig auf die Verkehrsabläufe des Fahrstreifens y einwirkt. Der empirisch ermittelte Faktor g 75 für eine Massenabnahme nach links unterscheidet sich von dem Faktor g 28 für eine Massenabnahme nach rechts. In [84] werden die Exponenten 1 0 und 2 8 verwendet. 86 5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Massenänderung an einer Einfahrt Eine Einfahrt beziehungsweise eine Fahrstreifensubtraktion lässt sich mit einer räumlich variablen oder einer räumlich konstanten Massenänderung modellieren. Bei der Modellierung mit einer räumlich variablen Massenänderung erfolgt der Massenaustausch zwischen den Fahrstreifen der Einfahrt und den Fahrstreifen des Fahrbahnabschnitts wie bei einem Fahrstreifenwechsel auf dem Fahrbahnabschnitt. Die Massenzunahme am Fahrstreifenanfang sowie das Stehenbleiben am Fahrstreifenende der Einfahrt wird über Randbedingungen modelliert. Randbedingungen für die makroskopische Verkehrsmodellierung werden in Abschnitt 5.3 erläutert. Fahrstreifen 1 y m 0,1 x Ri v vRi m Einfahrt, 0 m 1, 0 Hauptfahrstreifen 0 v0 Einfahrt x i Abbildung 5.6: Räumlich variable Massenänderung an einer Einfahrt i zwischen den Fahrstreifen im Einfädelungsbereich x i und der Vorgabe von Randbedingungen am Fahrstreifenanfang und –ende der Einfahrt Bei der Modellierung mit einer räumlich konstanten Massenänderung erfolgt der Zuwachs der Masse im Einfädelungsbereich durch Vorgabe der räumlichen Verteilung eines Massenflusses in diesem Bereich während des betrachteten Zeitraums. Eine Einfahrt i erfordert die folgende Erweiterung der Kontinuitätsgleichung für den Hauptfahrstreifen y: y (x, t) q y (x, t) m (x, t) yi x t (5.18) Zur Modellierung der Massenzunahme m y i (x, t) hat sich eine Dreiecksverteilung (5.11) bewährt. Massenänderung an einer Ausfahrt Eine Ausfahrt aus einem Fahrbahnabschnitt lässt sich mit einer räumlich konstanten Massenänderung modellieren. Dabei erfolgt die Massenabnahme im Ausfädelungsbereich der Ausfahrt durch Vorgabe der räumlichen Verteilung eines Massenflusses in diesem Bereich während des betrachteten Zeitraums. Eine Ausfahrt i erfordert die folgende Erweiterung der Kontinuitätsgleichung für den Hauptfahrstreifen y: y (x, t) q y (x, t) m y i (x, t) x t (5.19) Zur Modellierung der Massenabnahme m y i (x, t) hat sich auch hier eine Dreiecksverteilung (5.11) bewährt. 5.1 Bestimmungsgleichungen 87 Massenänderung an einer Engstelle Eine Engstelle auf einem Fahrbahnabschnitt lässt sich durch die Änderung der räumlich konstanten Massenänderungen modellieren. In einem Abschnitt von mehreren hundert Metern vor der Engstelle erfolgt ein erhöhter Massenaustausch von den gesperrten zu den übrigen Fahrstreifen. Im Bereich der Engstelle werden alle Massenänderungen zu oder von den gesperrten Fahrstreifen zu null. Es gibt hier keine Massenänderungen zu den gesperrten Fahrstreifen. y m 1,0 0 m 1,0 m 0,1 0 m 1,0 m 0, 1 Fahrstreifen 1 m 0, 1 Fahrstreifen 0 x Abbildung 5.7: Verkehrsabläufe an einer Engstelle als Einschränkungen der räumlich veränderlichen Massenänderung vor, im und hinter dem Engstellenbereich 5.2 Geschwindigkeits–Dichte–Relation Die Abhängigkeit der Geschwindigkeit V von der Dichte (x, t) eines Verkehrsablaufs im Fahrbahnabschnitt einer Autobahn wird mit Hilfe einer monoton fallenden Funktion V () modelliert, die Werte zwischen null und der mittleren Wunschgeschwindigkeit v 0 aller Kraftfahrzeuge im Verkehrsablauf annehmen kann. Bei der maximal möglichen Dichte max stehen die Kraftfahrzeuge Stoßstange an Stoßstange (Abbildung 5.8 a). Das Produkt der Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () mit der entsprechenden Dichte (x, t) bildet eine funktionale Abhängigkeit eines Massenflusses Q von der Dichte (x, t): Q () V () (5.20) Die Massenfluss–Dichte–Relation Q () ist im Verkehrswesen als Fundamentaldiagramm bekannt. Sie steigt von Q (0) 0 an und sinkt wieder auf Q ( max ) 0 ab. Der Verlauf der Massenfluss–Dichte–Relation zwischen diesen beiden charakteristischen Punkten ist meist so modelliert, dass sich ein Maximum für Q () ergibt (Abbildung 5.8 b). a) v 0 V () monoton fallend 0 Q () b) max 0 max Abbildung 5.8: Charakteristischer Verlauf der a) Geschwindigkeits–Dichte–Relation und b) der Massenfluss–Dichte–Relation (Fundamentaldiagramm) 88 5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Die Abhängigkeit der Geschwindigkeit V von der Dichte (x, t) an einem Ort x in Fahrtrichtung des betrachteten Fahrbahnabschnitts zur Zeit t ist aufgrund des individuellen Verhaltens der Verkehrsabläufe und zahlreichen äußeren Einflüssen unterschiedlich. Da die Werte für den Zusammenhang von Geschwindigkeit und Dichte praktisch nicht messbar sind, lässt sich die Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () nur hypothetisch angeben. In der Literatur ist eine Vielzahl von Ansätzen für V () veröffentlicht [22, 41, 45, 51, 54]. Im Folgenden wird eine Auswahl vorgestellt. Polynomiale Ansätze Die einfachsten Ansätze für die Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () sind lineare, quadratische oder kubische Polynome. Sie sind durch die Parameter v 0 und max sowie durch den Polynomgrad eindeutig festgelegt: lineare Geschwindigkeits–Dichte–Relation: V () : v 0 1 max quadratische Geschwindigkeits–Dichte–Relation: 2 0 V () : v 1 max V () v 0 Q () max kubische Geschwindigkeits–Dichte–Relation: V () : v 0 1 3max 2 2 max Abbildung 5.9: V () und Q (), linear ( 3 ), quadratisch ( max ) und kubisch ( ) Potenzielle und exponentielle Ansätze Für die Geschwindigkeits–Dichte–Relation V() werden beispielsweise in [22, 51, 54] Potenzfunktionen oder in [45] Exponentialfunktionen verwendet. Sie besitzen neben den Parametern v 0 und max zwei zusätzliche Parameter (Abbildung 5.10). Ansatz nach Helbing / Treiber Auf der Grundlage der kinetischen Gastheorie und der stochastischen Prozesse hat Helbing und Treiber [41] einen makroskopischen Modellierungsansatz hergeleitet. Hierfür ergibt sich eine Geschwindigkeits–Dichte–Relation V (), die neben den Parametern v 0 und max einen zusätzlichen Parameter T besitzt, der einen zeitlichen Sicherheitsabstand zwischen zwei Fahrzeugen darstellt (Abbildung 5.11). 5.2 Geschwindigkeits–Dichte–Relation 89 V () potenzielle Gleichgewichtsgeschwindigkeit: 1 max l V () : v 0 m v 0 (5.21) l 2.05, m 21.11 max Q () exponentielle Gleichgewichtsgeschwindigkeit: V () : v 0 a max 1 exp b max 1 (5.22) a 0.2, b 0.005 max Abbildung 5.10: V () und Q (), potenziell ( ) und exponentiell ( Gleichgewichtsgeschwindigkeit nach Helbing und Treiber: ~ 2 V () : V 0 2v ~2 V 14 V0 ~ V A( max) (1 max) T A() A() A 0 A tanh A 0 0.008 , A 0.01 , 2 1 (5.23) ) V () v 0 max 2 Q () c 1 c 2.7 max 0.1 max max Abbildung 5.11: V () und Q () nach Helbing und Treiber Vergleich unterschiedlicher Geschwindigkeits–Dichte–Relationen Die in den Abbildungen 5.9 bis 5.11 gezeigten Geschwindigkeits–Dichte–Relationen V () gehen von der gleichen mittleren Wunschgeschwindigkeit v 0 und der gleichen maximalen Dichte max aus. Sie erfüllen die Bedingung des monoton fallenden Funktionsverlaufs. Die zugehörigen Massenfluss–Dichte–Relationen Q () zeigen gravierende Abweichungen. Da die Geschwindigkeits–Dichte–Relation in der Bewegungsgleichung eine maßgebende Rolle spielt, ist die Wahl einer geeigneten Geschwindigkeits–Dichte–Relation von wesentlicher Bedeutung für die makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen. 90 5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen 5.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen Die makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz benötigt wie die mikroskopische Modellierung Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen, um die Zustandsgrößen an den Grenzen des Modellbereichs beschreiben zu können. Die Bedingungen beziehen sich auf die Bestimmungsgleichungen der kontinuierlich abgebildeten Verkehrsabläufe. Daher sind die Anfangsbedingungen zum Anfangszeitpunkt t 0 an jedem Ort x des betrachteten Fahrbahnabschnitts und die Rand– beziehungsweise Übergangsbedingungen zu jedem Zeitpunkt t auf dem entsprechenden Rand beziehungsweise Übergang vorzugeben. x (t) Modellierungsbereich Fahrbahnabschnitt n Anfangsbedingungen x R2 (Zustandsgrößen zur Zeit t0) x Ü x Randbedingungen (Zustandsgrößen am Rand xR1 oder xR2) x R1 t Fahrbahnabschnitt m Übergangsbedingungen (Zustandsgrößen am Übergang xÜ) t0 Abbildung 5.12: Ort–Zeit–Diagramm mit einem Modellierungsbereich für zwei Fahrbahnabschnitte sowie den zugehörigen Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen einer makroskopischen Modellierung 5.3.1 Anfangsbedingungen Die Anfangsbedingungen legen den Verkehrszustand im Autobahnnetz zum Zeitpunkt t t 0 fest. Zu diesem Zeitpunkt sind an jedem Ort x des Fahrbahnabschnitts die Dichte (x, t 0 ) positiv und die Geschwindigkeit v (x, t 0 ) nicht negativ festzulegen: (x, t 0 ) 0 (x) 0 , v (x, t 0 ) v 0 (x) 0 (5.24) Da die zeitlichen Änderungen der makroskopischen Zustandsgrößen nur zwischen zwei unmittelbar aufeinander folgenden Modellzuständen zu bestimmen ist, sind frühere Zeitpunkte als t 0 nicht zu berücksichtigen. 5.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen 91 5.3.2 Randbedingungen Die Randbedingungen legen die Verkehrszustände an den Rändern eines Fahrbahnabschnitts während der betrachteten Zeitdauer mit t t 0 fest. Die Festlegung muss so erfolgen, dass die Randbedingungen mit den makroskopischen Bestimmungsgleichungen der Verkehrsabläufe im Fahrbahnabschnitt zu jedem Zeitpunkt verträglich sind. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, die Randbedingungen zu modellieren. Analog zur mikroskopischen Modellierung in Abschnitt 4.3.2 werden zwei Ansätze für die makroskopische Modellierung aufgezeigt. Im ersten Ansatz werden die Randbedingungen auf dem betrachteten Rand modelliert, im zweiten Ansatz werden die Randbedingungen im Randbereich, der nicht mehr zum Fahrbahnabschnitt gehört, modelliert. Randbedingungen auf dem Rand Bei der Modellierung der Randbedingungen auf einem Rand R eines Fahrbahnabschnitts mit der Ortskoordinate x R werden Werte festgelegt, die zu einem Zeitpunkt t t 0 eingehalten werden müssen. Die Werte können für verschiedene Verkehrssituationen und verschiedene makroskopische Modellierungen unterschiedlich formuliert sein. Typische Formulierungen sind Dirichletsche oder von Neumannsche Randbedingungen. Die Dirichletschen Randbedingungen geben für eine Zustandsgröße z an einem Rand R bei x R eine zeitabhängige Funktion vor: z (x R , t) z R (t) (5.25) Die von Neumannschen Randbedingungen geben für die räumliche Ableitung einer Zustandsgröße an einem Rand bei x R eine zeitabhängige Funktion vor: z (x R , t) z R (t) x (5.26) Am Anfang oder an einer Einfahrt eines Fahrbahnabschnitts gelangt Masse in den Fahrbahnabschnitt, wenn sie nicht durch einen Stau oder andere Hindernisse im Randbereich daran gehindert wird. Die Dichte (x R1, t) und die Geschwindigkeit v (x R1, t) der zu einem Zeitpunkt t t 0 am Rand bei x R1 eintretenden Masse ist vorzugeben. Die gegebene Dichte R1 (t) darf nicht negativ werden und eine maximale Dichte max nicht überschreiten. Die maximale Dichte max entspricht dem Kehrwert der mittleren Länge l aller Kraftfahrzeuge im Fahrbahnabschnitt. Die gegebene Geschwindigkeit v R1 (t) darf nicht negativ sein. Die Vorgaben lassen sich mit Dirichletschen Randbedingungen modellieren (Abbildung 5.13): (x R1 , t) R1 (t) v (x R1 , t) v R1 (t) 0 0 R1 (t) max 1l (5.27) (5.28) Aufgrund der Flussrelation (3.12) ist durch die Randbedingungen (5.27) und (5.28) auch der Massenfluss q (x R1, t) R1 (t) v R1 (t) auf dem Rand festgelegt. 92 5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Kann aufgrund eines Staus oder anderer Hindernisse keine Masse bei x R1 zum Zeitpunkt t in den Fahrbahnabschnitt zufließen, so werden die Randbedingungen bei x R1 durch die Zustandsgrößen innerhalb des Fahrbahnabschnitts stark beeinflusst. Ein starre Vorgabe der Dichte und der Geschwindigkeit durch Dirichletsche Randbedingungen ist dann nicht möglich. Dagegen kann eine von Neumannsche Randbedingung beispielsweise für die Geschwindigkeitsänderung v R1 (t) vorgegeben werden. Es ist offensichtlich, dass sich die Form der Randbedingungen während einer Bestimmung der Verkehrsabläufe ändern kann. Am Ende oder an einer Ausfahrt eines Fahrbahnabschnitts fließt Masse über den Rand aus dem Fahrbahnabschnitt heraus. Die Geschwindigkeit v (x R2, t) der Massenabnahme zum Zeitpunkt t bei x R2 ist entweder durch eine Dirichletsche Randbedingung (5.29) festgelegt oder durch eine von Neumannsche Randbedingung (5.30) gleichbleibend: v (x R2, t) v R2 (t) 0 (5.29) dv (x R2, t) v R2 (t) 0 dt (5.30) Die Dichte (x R2, t) der Massenabnahme zu einem Zeitpunkt t t 0 am Rand bei x R2 darf nicht mit einer Randbedingung festgelegt werden. Sie wird aus der Kontinuitätsgleichung bestimmt. R2 R1 R0 a) y RB xR Rand t y v R2 v R1 v R0 t v R2 v R1 v R0 t y x xR b) y x Rand RB y Abbildung 5.13: Randbedingungen für den a) Anfang und b) das Ende eines Fahrbahnabschnitts in Form vorgegebener Dichten R (t) und Geschwindigkeiten v R (t) Dieser Modellierungsansatz der Randbedingungen bietet sich besonders dann an, wenn die Randbedingungen in Form von Daten aus lokalen Verkehrsmessungen in die Modellierung eingebracht werden sollen. Die Randbedingungen auf den Rand beziehen sich wie die lokalen Verkehrsmessungen ausschließlich auf einen Fahrbahnquerschnitt. 5.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen 93 Randbedingungen im Randbereich Bei der Modellierung der Randbedingungen im Randbereich eines Fahrbahnabschnitts werden virtuelle Verläufe der Zustandsgrößen auf der Seite des Randes modelliert, die nicht zum Fahrbahnabschnitt gehört. Die virtuellen Verläufe der Zustandsgrößen bilden die Randbedingungen für die Zustandsgrößen im Fahrbahnabschnitt. Die räumliche Ausdehnung der virtuellen Verläufe ist abhängig vom Ansatz und von der numerischen Umsetzung der makroskopischen Modellierung. Die Bewegung der Verkehrsabläufe in den Randbereichen des Fahrbahnabschnitts kann gemäß der Kontinuitätsgleichung und der Bewegungsgleichung erfolgen. a) R2 y Rand x RB R1 v R2 R0 y x v R1 v R0 y x v R2 v R1 v R0 x xR b) xR RB y Rand y x Abbildung 5.14: Randbedingungen für a) den Anfang und b) das Ende eines Fahrbahnabschnitts zu einem Zeitpunkt t in Form von virtuellen Verläufen der Zustandsgrößen außerhalb des Fahrbahnabschnitts. Dieser Modellierungsansatz der Randbedingungen bietet sich nicht an, wenn die Randbedingungen in Form von Daten aus lokalen Verkehrsmessungen in die Modellierung eingebracht werden sollen. Die Randbedingungen im Randbereich beziehen sich auf einen Fahrbahnabschnitt während sich die lokalen Verkehrsmessungen ausschließlich auf einen Fahrbahnquerschnitt, beziehen. Der Aufwand, die virtuellen Verläufe genau so zu modellieren, dass sie auf dem Rand mit den lokal gemessenen Daten übereinstimmen, ist viel höher, als die Randbedingungen auf dem Rand zu modellieren. 5.3.3 Übergangsbedingungen Die Übergangsbedingungen legen die Verkehrszustände an den Übergängen zwischen aufeinander folgenden Fahrbahnabschnitten während der betrachteten Zeitdauer t t 0 fest. Die Übergangsbedingungen entsprechen für jeweils einen der Fahrbahnabschnitte Randbedingungen, wie sie im Abschnitt 5.3.2 dargestellt wurden. Bei der Modellierung dieser Randbedingungen für den Übergangsrand bei x Ü zwischen den Fahrbahnab- 94 5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen schnitten ist sicherzustellen, dass die Verkehrsabläufe bei x Ü nicht gestört werden. Analog zu den Randbedingungen lassen sich die Übergangsbedingungen entweder auf dem Rand oder aber im Randbereich des Übergangs zwischen den aufeinander folgenden Fahrbahnabschnitten modellieren. Der Modellierungsansatz von Übergangsbedingungen auf dem Rand aufeinander folgender Fahrbahnabschnitte erfolgt durch die Vorgabe von Werten für die Zustandsgrößen auf dem Übergangsrand. Diese Vorgabe ist zwar formal korrekt, doch in den räumlichen Verläufen der Zustandsgrößen über diesen Rand können sich unrealistische Sprünge oder Knicke ergeben. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass sich flächenhaftes Verkehrsverhalten auf der Fahrbahn nicht auf einen Fahrbahnquerschnitt projizieren lässt. Dieser Modellierungsansatz von Übergangsbedingungen ist daher für die makroskopische Verkehrsmodellierung unbrauchbar. Der Modellierungsansatz von Übergangsbedingungen im Randbereich aufeinander folgender Fahrbahnabschnitte erfolgt durch Vorgabe von virtuellen Verläufen der Zustandsgrößen für jeden Fahrbahnabschnitt auf der Seite des Übergangsrands, die nicht zum Fahrbahnabschnitt gehört. Der Übergang zwischen den aufeinander folgenden Fahrbahnabschnitten ist a priori konsistent. Dieser Modellierungsansatz von Übergangsbedingungen ist daher für die makroskopische Verkehrsmodellierung gut geeignet. 5.4 Verkehrszustände Die Verkehrszustände, die sich aus der makroskopischen Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn ergeben, sind auf ihre Korrektheit zu prüfen. Eine qualitative Bewertung der Verkehrszustände erfolgt analog zur mikroskopischen Modellierung auf der Basis einer linearen Stabilitätsanalyse für einen Gleichgewichtszustand. Eine quantitative Bewertung ist mit Hilfe der Kenngrößen der Verkehrsabläufe möglich. Gleichgewichtszustand Ein Verkehrszustand im Fahrbahnabschnitt einer Autobahn heißt Gleichgewichtszustand, wenn sich die Geschwindigkeit im gesamten Fahrbahnabschnitt zeitlich und räumlich nicht ändert. Dadurch vereinfachen sich die Kontinuitätsgleichung (5.2) und die Bewegungsgleichung (5.4), (5.5) beziehungsweise (5.7) wie folgt: (x, t) (x, t) v 0 x t (5.31) V () v 1 p (x, t) (x, t) x (5.32) Für die vereinfachten Bestimmungsgleichungen (5.31) und (5.32) lässt sich nur mit Hilfe zusätzlicher Annahmen eine analytische Lösung finden. Mit der Annahme, dass die 5.4 Verkehrszustände 95 Dichte sich zeitlich nicht ändert und der Druck durch die Gleichung (5.6) mit einer konstanten Ausbreitungsgeschwindigkeit c modelliert wird, ergibt sich folgende Lösung: v V () (5.33) Im Gleichgewichtszustand entspricht die Geschwindigkeit v an einem Ort im Fahrbahnabschnitt zu jedem Zeitpunkt genau der Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () für eine zeitlich unveränderliche Dichte 0 (x). Stabilität Die Stabilität des Gleichgewichtszustands kann für einen Fahrstreifen in einem Fahrbahnabschnitt auf der Grundlage einer linearen Stabilitätsanalyse analytisch bestimmt werden. Dabei werden die Dichte und die Geschwindigkeit in der Kontinuitäts– und der Bewegungsgleichung der makroskopischen Verkehrsmodellierung um eine sehr kleine Störung erweitert. Die Störung hat die Form einer Sinusschwingung mit der Wellenzahl 2 L, wobei L die Länge des Fahrbahnabschnitts ist. Die lineare Stabilitätsanalyse liefert für die makroskopische Modellierung der Verkehrsabläufe im Gleichgewichtszustand eine Stabilitätsbedingung. Für die Kontinuitätsgleichung (5.2) und die Bewegungsgleichung (5.7) mit Berücksichtigung von Viskosität ist die Stabilität des Gleichgewichtszustands gewährleistet, wenn die folgende Stabilitätsbedingung erfüllt ist [50]: dV () c d 1 2 L 2 (5.34) Bei ruhenden Verkehrsabläufen ist die Geschwindigkeit v null. Bei freien Verkehrsabläufen ist die Geschwindigkeit v gleich der mittleren Wunschgeschwindigkeit v 0. In beiden Fällen ist die Ableitung der Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () null. Die Stabilitätsbedingung ist erfüllt. Daher sind Gleichgewichtszustände für ruhende und freie Verkehrsabläufe stabil. Bei weder ruhenden noch freien Verkehrsabläufen kann die Ableitung der Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () nach der Dichte soweit anwachsen, dass die Bedingung (5.34) nicht erfüllt ist. In diesem Fall sind Gleichgewichtszustände im Verkehrsablauf nicht stabil. Instabilitäten, die in den makroskopisch modellierten Verkehrsabläufen auftreten können, lassen sich als Verkehrsphänomene, wie Staus oder Stop–and–Go–Wellen, interpretieren. Die quantitative Bewertung, beispielsweise der Form oder des Verhaltens der Instabilitäten lässt sich durch Simulationen einer numerischen Umsetzung der Modellierung verdeutlichen. Die Numerik beeinflusst die Stabilität der simulierten Verkehrszustände wesentlich. Daher wird in Kapitel 8 für die makroskopische Verkehrsmodellierung eine numerische Störungsanalyse durchgeführt. 96 5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Kenngrößen Die Kenngrößen eines Verkehrsablaufs, wie die Verkehrsdichte, die Verkehrsstärke und die mittlere Geschwindigkeit, ermöglichen eine quantitative Bewertung der Verkehrszustände. Die quantitative Bewertung ist abhängig von der Güte der Kenngrößen. Die Kenngrößen eines Verkehrsablaufs lassen sich direkt mit den Zustandsgrößen einer makroskopischen Verkehrsmodellierung vergleichen. Bei einem Vergleich der makroskopisch modellierten Zustandsgrößen mit den Kenngrößen eines Verkehrsablaufs ergibt sich jedoch das Problem, dass zwar die Zustandsgrößen der Modellierung für jeden Ort zu jedem Zeitpunkt eindeutig definiert sind, die entsprechenden Kenngrößen der Verkehrsabläufe aber nur für günstig gewählte Zeit– und Ortsintervalle gültig sind. Aus diesem Grund sollte eine quantitative Bewertung einer makroskopischen Verkehrsmodellierung weniger auf den genauen Werten der Kenngrößen, als vielmehr auf den Größenordnungen der Kenngrößen basieren. Im Gegensatz zu den Zusammenhängen der Kenngrößen, die sich aus realen oder mikroskopisch modellierten Verkehrsmessungen ergeben, lassen sich die Zusammenhänge der Zustandsgrößen einer makroskopischen Verkehrsmodellierung analytisch untersuchen, da die Zusammenhänge durch die Bestimmungsgleichungen der makroskopischen Verkehrsmodellierung mathematisch exakt festgelegt sind. 6 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Eine mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt einer Autobahn stellt eine Verbindung zwischen mikroskopischen und makroskopischen Modellierungen der Verkehrsabläufe dar. Die Verbindung kann ein Übergang von einer mikroskopischen Modellierung zu einer makroskopischen Modellierung der gleichen Verkehrsabläufe sein, oder sie kann eine Kopplung aus mikroskopischen Modellierungen und makroskopischen Modellierungen von Verkehrsabläufen sein. In diesem Kapitel wird eine mesoskopische Modellierung als Übergang von einer mikroskopischen zu einer makroskopischen Modellierung betrachtet. Eine derartige mesoskopische Modellierung wurde 1971 von Prigogine [74] entwickelt. Sein Modellansatz basiert auf der Beschreibung eines Verkehrsablaufs als eine kompressible Gasströmung in Form eines stochastischen Prozesses [37]. Mit Hilfe der Boltzmanngleichung [9] lässt sich die mikroskopische Beschreibung vieler einzelner Gasmoleküle auf eine makroskopische Beschreibung der entsprechenden Gasströmung überführen. Phillips [73] und Paveri–Fontana [71] haben diese Modellierung in den siebziger Jahren weiterentwickelt. Helbing [38] führte 1997 eine dritte Bestimmungsgleichung für die zeitliche Änderung der Geschwindigkeitsvarianz ein. Darüber hinaus berücksichtigte er das anisotrope Verhalten, den endlichen Platzbedarf und das vorausschauende Fahren der Kraftfahrzeuge. Die sehr umfangreiche Modellierung lässt sich mit vereinfachenden Annahmen auf die Bestimmungsgleichungen (5.1) und (5.5) zurückführen [41]. Der Übergang von einer mikroskopischen zu einer makroskopischen Verkehrsmodellierung mit der Theorie stochastischer Prozesse ist sehr aufwendig. In diesem Kapitel wird daher eine alternative Möglichkeit gezeigt. Dabei entspricht die mesoskopische Verkehrsmodellierung der Integration einer mikroskopischen in eine makroskopische Modellierung. Die Integration zeichnet sich durch einen ingenieurmäßigen Ansatz aus: Zum einen entspricht die mikroskopische Modellierung der bereits aus dem vierten Kapitel bekannten, regelbasierten Modellierung, und zum anderen ist die Integration der individuellen Verhaltensweisen einzelner Kraftfahrzeuge in die makroskopischen Verkehrsabläufe anschaulich darstellbar. Die mesoskopische Verkehrsmodellierung ist eine 98 6 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen regelbasierte Modellierung, die sich durch einfache Regeländerungen erweitern lässt. Im ersten Abschnitt dieses Kapitels sind die notwendigen Bestimmungsgleichungen gezeigt. Im zweiten Abschnitt wird auf die modellierbaren Verkehrszustände eingegangen. 6.1 Bestimmungsgleichungen In der hier vorgestellten mesoskopischen Verkehrsmodellierung werden die Verhaltensweisen von einem Verkehrsablauf in einem Fahrbahnabschnitt als ein Kontinuum abgebildet. Analog zur makroskopischen Modellierung wird die Bewegung im Kontinuum mit Hilfe von kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen beschrieben. Die Bestimmungsgleichungen der mesoskopischen Modellierung umfassen neben der Kontinuitätsgleichung und einer Bewegungsgleichung eine Abstands–Dichte–Relation. Die Abstands– Dichte–Relation stellt einen Zusammenhang zwischen dem Abstand zweier aufeinander folgender Kraftfahrzeuge und der Dichte im Verkehrsablauf her. Die Bestimmungsgleichungen werden im Abschnitt 6.1.1 für einen Fahrstreifen dargestellt und im Abschnitt 6.1.2 für mehrere Fahrstreifen erweitert. Die Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen der mesoskopischen Verkehrsmodellierung lassen sich wie die Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen einer makroskopischen Verkehrsmodellierung modellieren. 6.1.1 Bestimmungsgleichungen für einen Fahrstreifen Wird die Bewegung eines Verkehrsablaufs auf einem Fahrstreifen betrachtet, so sind für diesen Fahrstreifen die kontinuierlichen Verläufe der Zustandsgrößen Dichte, Geschwindigkeit und Abstand zu modellieren. Sie beziehen sich auf die Fahrtrichtung x des Fahrstreifens und die Zeit t. (x, t) s (x, t) v (x, t) x x x t t t x Abbildung 6.1: Kontinuierlicher Verkehrsablauf auf einem Fahrstreifen Der Abstand wird mit einer Abstands–Dichte–Relation in Abhängigkeit vom Verlauf der Dichte im Fahrbahnabschnitt bestimmt. Die Dichte wird mit der Kontinuitätsgleichung bestimmt. Die Geschwindigkeit wird mit einer Bewegungsgleichung bestimmt. Abstands–Dichte–Relation Die Abstands–Dichte–Relation stellt einen Zusammenhang zwischen dem Abstand zweier aufeinander folgender Kraftfahrzeuge in einer mikroskopischen Modellierung des Verkehrsablaufs und der Dichte in einer makroskopischen Modellierung des Verkehrs- 6.1 Bestimmungsgleichungen 99 ablaufs her. In einer mikroskopischen Modellierung des Verkehrsablaufs ist der Abstand zwischen zwei Kraftfahrzeugen die Differenz ihrer Positionen im Fahrbahnabschnitt. Befindet sich zu einem Zeitpunkt t ein Kraftfahrzeug a am Ort x, dann befindet sich das vorausfahrende Kraftfahrzeug b im Abstand s am Ort x s (Abbildung 6.2). va x x vb a b 1 xs x x Abbildung 6.2: Abhängigkeit zwischen dem Abstand s zweier hintereinander fahrender Kraftfahrzeuge und der Dichte In einer makroskopischen Modellierung des Verkehrsablaufs lässt sich der Abstand s mit Hilfe der Definition von Masse in einem eindimensionalen Kontinuum formulieren. Nach (3.10) ist die Masse das Integral der Dichte über die Länge eines Ortsbereichs. Die Masse wird in einer makroskopischen Verkehrsmodellierung als Anzahl von Kraftfahrzeugen aufgefasst. Die Anzahl der Kraftfahrzeuge im Ortsbereich von x bis x s ist eins. Somit lässt sich der Abstand s zwischen den Kraftfahrzeugen durch die Bedingung bestimmen, dass das Integral der Dichte über den Bereich von x bis x s eins ist: s (x , t) d 1 0, s0 (6.1) 0 Die Bestimmungsgleichung (6.1) besitzt eine eindeutige Lösung. Daher ist an jedem Ort x im Fahrbahnabschnitt zu einem Zeitpunkt t der Funktion (x, t) für die Dichte eindeutig eine Funktion s (x, t) für den Abstand zugeordnet. Ist die Dichte im Bereich von x bis x s konstant, dann ist der Abstand s 1. Kontinuitätsgleichung Die Kontinuitätsgleichung der mesoskopischen Modellierung entspricht der Kontinuitätsgleichung (5.1) einer makroskopischen Modellierung: q 0 x t (6.2) Sie gewährleistet den Erhalt der Masse im Verkehrsablauf auf dem Fahrstreifen eines Fahrbahnabschnitts. Mit der Definition (3.12) des Massenflusses q v lässt sich die Kontinuitätsgleichung als lokale und konvektive Änderung der Dichte formulieren: v v x x t (6.3) 100 6 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Es lässt sich zeigen, dass die Kontinuitätsgleichung konsistent zur Abstands–Dichte–Relation ist. Hierzu wird die zeitliche Änderung des Abstands s von einem Kraftfahrzeug am Ort x zu einem Kraftfahrzeug am Ort x s betrachtet. Sie entspricht der Differenz der Geschwindigkeiten von den Kraftfahrzeugen an den Orten x und x s: ds v (x s, t) v (x, t) dt (6.4) Die substantielle Ableitung dsdt lässt sich mit (4.1) als Summe eines lokalen und eines konvektiven Anteils darstellen: ds s dx s s v s x t t dt dt x (6.5) Die Substitution von (6.5) liefert eine partielle Differentialgleichung für den Abstand s (x, t): s v s v (x s, t) v (x, t) x t (6.6) Die Ableitung st und sx lassen sich aus der Abstands–Dichte–Relation (6.1) bestimmen. Hierzu werden die Dichte und die Geschwindigkeit v am Ort x in eine Taylor–Reihe entwickelt: (x , t) n0 n n n! x n v (x , t) n0 n nv n! x n (6.7) Die Substitution der Taylor–Reihe für die Dichte in die Abstands–Dichte–Relation (6.1) führt nach Integration zu folgender Gleichung: n1 s n n1 1 n! x n1 (6.8) Die partiellen Ableitungen der Gleichung (6.8) nach x und t liefern folgende Ausdrücke für die Ableitungen sx und st: s 1 x N s 1 t N N n0 n1 n1 sn n n! x n s n n1 n! t x n1 sn n n! x n (6.9) (6.10) (6.11) 6.1 Bestimmungsgleichungen 101 Die Ausdrücke (6.9), (6.10) und (6.11) werden in die Abstandsgleichung (6.6) eingesetzt. Nach Multiplikation mit –N ergibt sich folgende Gleichung: n1 sn n! n1 v n t x n1 x n n1 s n n v n! x n n0 s n n 0 n! x n (6.12) Durch Umformung dieser Gleichung nach Potenzen von s und durch Anwendung der binomischen Formeln für die Ableitungen des Produktes v folgt: n1 s n n1 ( v) 0 x n! x n1 t (6.13) Gilt die Kontinuitätsgleichung (6.2), so ist auch die Gleichung (6.13) für beliebige Potenzen s n erfüllt. Bewegungsgleichung In einer mikroskopischen Modellierung ist die zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit v gleich der Beschleunigung a (x, t) eines Kraftfahrzeugs am Ort x zum Zeitpunkt t: dv a (x, t) dt (6.14) Die substantielle Ableitung dvdt lässt sich mit (4.1) als Summe eines lokalen und eines konvektiven Anteils darstellen: dv v dx v v v v x t t dt dt x (6.15) Die Substitution von (6.15) liefert eine partielle Differentialgleichung für die Geschwindigkeit v (x, t): v v v a (x, t) x t (6.16) Die Beschleunigung a (x, t) setzt sich nach Gleichung (4.12) aus einem Anpassungsterm und einem Bremsterm zusammen. Der Anpassungsterm stellt die Anpassung der Geschwindigkeit v an eine abstandsabhängige Geschwindigkeit V s (s) über eine Anpassungszeit dar. Der Bremsterm dient der Vermeidung von Auffahrunfällen: V s (s) v (x, t) (v (x s, t) v (x, t)) 2 (v (x, t) v (x s, t)) sl v (x, t) V s (s) a (x, t) (6.17) 102 6 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen Die Geschwindigkeitsdifferenz v (x s, t) v (x, t) des Bremsterms lässt sich durch s vx approximieren: a (x, t) V s (s) v (x, t) s 2 v s l x 2 s v v (x, t) V s (s) (6.18) x Die Geschwindigkeit V s (s) in Abhängigkeit vom Abstand s entspricht der Geschwindigkeit V sa (x a ) in Abhängigkeit vom Abstand x a (t) x b (t) x a (t) zwischen einem Kraftfahrzeug a und dem vorausfahrenden Kraftfahrzeug b. Die Geschwindigkeits–Abstands–Relation V sa (x a ) ist in Abschnitt 4.2 erläutert. 6.1.2 Bestimmungsgleichungen für mehrere Fahrstreifen Die Bewegung eines Verkehrsablaufs in einem Fahrbahnabschnitt mit mehreren Fahrstreifen wird analog zur makroskopischen Modellierung durch mehrere Bestimmungsgleichungen für die kontinuierlichen Verläufe der Zustandsgrößen auf jedem Fahrstreifen des Fahrbahnabschnitts modelliert (Abbildung 5.2). Aufgrund von Fahrstreifenwechseln der Kraftfahrzeuge in einem Fahrbahnabschnitt kommt es zum Austausch von Masse zwischen den zugehörigen Fahrstreifen. Die Massenänderungen, die sich daraus für eine Fahrstreifen y ergeben, werden wie in Abschnitt 5.1.2 als erweiterte Kontinuitätsgleichung (5.8) für den Fahrstreifen y modelliert: y (x, t) q y (x, t) m y (x, t) m y (x, t) x t (6.19) Die Massenänderung m y (x, t) ist wie in Abschnitt 5.1.2 entweder eine räumlich konstante Massenänderung (5.9) oder eine räumlich variable Massenänderung (5.15). Räumlich konstante Massenänderung Eine räumlich konstante Massenänderung auf einem Fahrstreifen y wird durch eine räumliche Verteilung von zu– oder abnehmenden Massenfluss q y (x, t) an einem festen Ort x auf dem Fahrstreifen y modelliert. Die räumlich konstante Massenänderung ermöglicht die Modellierung von Verkehrsabläufen an Ein– und Ausfahrten. Räumlich variable Massenänderung Eine räumlich variable Massenänderung auf einem Fahrstreifen y wird durch eine zeitliche Verteilung von zu– oder abnehmender Dichte y (x, t) modelliert. Die räumlich variable Massenänderung ermöglicht die Modellierung von Verkehrsabläufen bei Fahrstreifenwechseln im Fahrbahnabschnitt oder an Einfahrten und Engstellen. Ein Fahrstreifenwechsel im Fahrbahnabschnitt wird beispielsweise wie in der Gleichung (5.16) der makroskopischen Modellierung formuliert: y (x, t) q y (x, t) y (x, t) y (x, t) y (x, t) y (x, t) x t t y1 , y t y1 , y t y , y1 t y , y1 (6.20) 6.1 Bestimmungsgleichungen 103 Die zeitliche Verteilung einer räumlich variablen Massenänderung wird vereinfachend als Rechteckverteilung modelliert. Die Dauer t y1 , y2 der zeitlichen Verteilung für eine Massenänderung von einem Fahrstreifen y1 zu einem Fahrstreifen y2 muss nicht wie in der makroskopischen Modellierung geschätzt oder empirisch ermittelt werden. Durch die Berücksichtigung des Abstands in der mesoskopischen Modellierung ist es möglich, wie in der Gleichung (4.18) der mikroskopischen Modellierung die Bedingungen für einen Fahrstreifenwechsel zu jedem Zeitpunkt t durch eine Regel A für das Überholen und eine Regel B für das Zurückscheren zu modellieren. Für die Regeln A und B ist sowohl der Abstand in Fahrtrichtung zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug als auch der Abstand entgegen der Fahrtrichtung zum nachfolgenden Kraftfahrzeug erforderlich. Der Abstand s y (x, t) in Fahrtrichtung an einem Ort x auf dem Fahrstreifen y zu einem Zeitpunkt t entspricht dem Abstand s y (x, t). Der Abstand s y (x, t) gegen die Fahrtrichtung am Ort x auf dem Fahrstreifen y zum Zeitpunkt t ist dadurch bestimmt, dass das Integral der Dichte über den Bereich von x s y bis x eins ist: xs y x (, t) d 1 (, t) d 1 (6.21) xs y x Regel A: Überholen Zu einem Zeitpunkt t erfolgt an einem Ort x eine Massenabnahme vom Fahrstreifen y zu dem von ihm linken Fahrstreifen y+1, wenn die folgenden drei Bedingungen erfüllt sind: 1. Die mittlere Wunschgeschwindigkeit v 0y auf dem Fahrstreifen y wird aufgrund des Abstands s y in Fahrtrichtung nicht erreicht: v 0y V sy s y (6.22) 2. Der Abstand s y1 (x, t) in Fahrtrichtung auf dem linken Fahrstreifen wird mit der Geschwindigkeit v y (x, t) sicher eingehalten: v y (x, t) V sy s y1 (6.23) 3. Der Abstand s y1 gegen die Fahrtrichtung auf dem linken Fahrstreifen wird mit der Geschwindigkeit v y1 (x, t) sicher eingehalten: v y1 (x, t) V sy1 s y1 (6.24) Regel B: Zurückscheren Zu einem Zeitpunkt t erfolgt an einem Ort x eine Massenabnahme vom Fahrstreifen y zu dem von ihm rechten Fahrstreifen y–1, wenn die folgenden zwei Bedingungen erfüllt sind: 104 6 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen 1. Der Abstand s y1 in Fahrtrichtung auf dem rechten Fahrstreifen wird mit der Geschwindigkeit v y (x, t) sicher eingehalten: v y (x, t) V sy s y1 (6.25) 2. Der Abstand s y1 gegen die Fahrtrichtung auf dem rechten Fahrstreifen wird mit der Geschwindigkeit v y1 (x, t) sicher eingehalten: v y1 (x, t) V sy1 s y1 (6.26) Anwendung der Regeln Werden die Regeln A oder B zu einem Zeitpunkt t wirksam, beginnt die zeitliche Verteilung, und werden die Bedingungen zu einem späteren Zeitpunkt unwirksam, endet die zeitliche Verteilung. Der Kehrwert der Dauer t y , y1 für die Massenabnahme von einem Fahrstreifen y zum linken Fahrstreifen y+1 beziehungsweise rechten Fahrstreifen y–1 wird durch Anwendung von Heaviside–Funktionen auf die Regel A beziehungsweise auf die Regel B modelliert: 1t y , y1 v 0 V sy s y s V sy s y1 v y V y1 s y1 v y1 s 1t y , y1 V sy s y1 v y V y1 s y1 v y1 (6.27) (6.28) Wird die Heaviside–Funktion als Sprungfunktion (4.10) formuliert, so ergibt sich eine Rechteckverteilung für die zeitliche Verteilung der Massenänderung. Die Massenänderung findet entweder mit einer zu– beziehungsweise abnehmenden Dichte y (x, t) statt oder sie findet nicht statt. Diese scharf abgegrenzte Form der Modellierung eines Verkehrsablaufs auf einem Fahrstreifen führt zu unstetigen Änderungen der Beschleunigung a y (x, t). Soll dieser Modellcharakter vermieden werden, so lässt sich die Heaviside–Funktion als kontinuierliche Funktion im Sinne einer “Fuzzyfizierung” formulieren. Dadurch lassen sich die räumlich variablen Massenänderungen weicher als mit den harten Bedingungen einer Sprungfunktion formulieren. 6.2 Verkehrszustände Die Verkehrszustände, die sich aus der mesoskopischen Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn ergeben, sind auf ihre Korrektheit zu prüfen. Eine qualitative Bewertung der Verkehrszustände erfolgt analog zur mikroskopischen und makroskopischen Modellierung auf der Basis einer Stabilitätsanalyse für einen Gleichgewichtszustand. Eine quantitative Bewertung ist mit Hilfe der Kenngrößen der Verkehrsabläufe möglich. 6.2 Verkehrszustände 105 Gleichgewichtszustand Ein Verkehrszustand in einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn heißt Gleichgewichtszustand, wenn sich die Geschwindigkeit im gesamten Fahrbahnabschnitt zeitlich und räumlich nicht ändert. Für diesen Fall ergeben sich folgende Lösungen der Bestimmungsgleichungen (6.1), (6.2) und (6.16) mit der Beschleunigung (6.18) auf einem Fahrstreifen im Fahrbahnabschnitt: v (x, t) v 0 V s (s) (6.29) (x, t) 0 (x v 0 t) (6.30) s (x, t) s 0 (x v 0 t) (6.31) s0 0 (x ) d 1 (6.32) 0 Es können zwei verschiedene Formen des Gleichgewichtszustands auftreten: 1. Die Geschwindigkeit v 0 ist an jedem Ort des Fahrbahnabschnitts gleich der mittleren Wunschgeschwindigkeit v 0. Die Abstände s 0 können verschieden sein: v0v0 s0 lv0T (6.33) 2. Die Geschwindigkeit v 0 ist kleiner als die mittlere Wunschgeschwindigkeit v 0. Dann sind die Abstände s 0 an jedem Ort des Fahrbahnabschnitts gleich und die Dichte 0 ist der konstante Kehrwert des Abstands s 0: v0v0 s0 lv0T 0 1 s 0 (6.34) Im Gleichgewichtszustand ist der Abstand s des betrachteten Verkehrsablaufs entweder größer (Fall1) oder gleich (Fall 2) dem Sicherheitsabstand. Ein kleinerer Abstand als der Sicherheitsabstand wird im Gleichgewichtszustand nicht erreicht, so dass für den Gleichgewichtszustand der Bremsterm vernachlässigt werden kann. Die gleichbleibende Geschwindigkeit v des Verkehrsablaufs im Gleichgewichtszustand entspricht genau der mittleren Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (x). Stabilität Ein Gleichgewichtszustand heißt stabil, wenn kleine Störungen des Gleichgewichtszustands mit zunehmender Zeit nicht anwachsen. Andernfalls heißt der Gleichgewichtszustand instabil. Die Stabilität kann auf der Grundlage einer linearen Stabilitätsanalyse analytisch bestimmt werden. Die lineare Stabilitätsanalyse liefert für die mesoskopische Modellierung der Verkehrsabläufe auf einem Fahrstreifen im Fahrbahnabschnitt eine Stabilitätsbedingung. Danach ist die Stabilität eines Gleichgewichtszustands gewährlei- 106 6 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen stet, wenn die Ableitung der Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (s) nach dem Abstand s nicht größer als der Kehrwert der doppelten Anpassungszeit ist: dV s (s) 1 2 ds (6.35) Die Stabilitätsbedingung (6.35) für den Gleichgewichtszustand in der mesoskopischen Verkehrsmodellierung ist identisch mit der Stabilitätsbedingung (4.32) für den Gleichgewichtszustand in der mikroskopischen Verkehrsmodellierung. Demnach sind die Gleichgewichtszustände für ruhende und freie Verkehrsabläufe stabil. Für dichte Verkehrsabläufe, wo die Ableitung der Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (s) nach dem Abstand s bis auf über 1 (2 ) anwachsen kann, sind die Gleichgewichtszustände nicht stabil. Instabilitäten, die in mesoskopisch modellierten Verkehrsabläufen auftreten können, deuten auf Verkehrsphänomene wie Staus oder Stop–and–Go–Wellen hin. Die quantitative Bewertung beispielsweise der Form oder des Verhaltens der Instabilitäten lässt sich durch Simulationen einer numerischen Umsetzung der Modellierung verdeutlichen. Die Numerik beeinflusst die Stabilität der simulierten Verkehrszustände wesentlich. Daher wird in Kapitel 8 auch für die mesoskopische Verkehrsmodellierung eine numerische Störungsanalyse durchgeführt. Kenngrößen Die Kenngrößen eines Verkehrsablaufs wie die Verkehrsdichte, die Verkehrsstärke und die mittlere Geschwindigkeit, ermöglichen eine quantitative Bewertung der Verkehrszustände. Die quantitative Bewertung ist abhängig von der Güte der Kenngrößen. Die Kenngrößen eines Verkehrsablaufs lassen sich direkt mit den Zustandsgrößen einer mesoskopischen Verkehrsmodellierung vergleichen. Bei einem Vergleich der mesoskopisch modellierten Zustandsgrößen mit den Kenngrößen eines Verkehrsablaufs ergibt sich jedoch wie für die makroskopische Verkehrsmodellierung das Problem, dass zwar die Zustandsgrößen der Modellierung für jeden Ort zu jedem Zeitpunkt eindeutig definiert sind, die entsprechenden Kenngrößen der Verkehrsabläufe aber nur für günstig gewählte Zeit– und Ortsintervalle gültig sind. Aus diesem Grund sollte eine quantitative Bewertung einer mesoskopischen Verkehrsmodellierung weniger auf den genauen Werten der Kenngrößen, als vielmehr auf den Größenordnungen der Kenngrößen basieren. Im Gegensatz zu den Zusammenhängen der Kenngrößen, die sich aus realen oder mikroskopisch modellierten Verkehrsmessungen ergeben, lassen sich die Zusammenhänge der Zustandsgrößen einer mesoskopischen Verkehrsmodellierung analytisch untersuchen, da sie durch die Bestimmungsgleichungen der mesoskopischen Verkehrsmodellierung mathematisch exakt festgelegt sind. 7 Numerische Umsetzung Die Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes hat zu nichtlinearen Differentialgleichungen mit entsprechenden Anfangs– und Randbedingungen geführt. Diese Anfangs– und Randwertaufgaben besitzen für praktische Anwendungsfälle keine analytische Lösung. Eine Approximation einer Lösung kann mit numerischen Verfahren bestimmt werden. Es gibt eine Vielzahl verschiedener numerischer Verfahren, um die Lösung von Anfangs– und Randwertaufgaben zu approximieren. Die Verfahren sind nicht beliebig wählbar, sondern müssen der jeweiligen Modellierung so angepasst sein, dass sie die Modellgleichungen konsistent wiedergeben. Es ist aber auch nicht so, dass nur eine numerische Umsetzung für eine Modellierung geeignet ist. Vielmehr lässt sich eine Modellierung beispielsweise mit einem Finite–Differenzen–Verfahren, einem Finite–Elemente–Verfahren oder einem Verfahren auf Basis zellularer Automaten in gleicher Qualität lösen. Um festzustellen, ob ein numerisches Verfahren für eine Verkehrsaufgabe geeignet ist, muss das numerische Verfahren implementiert werden. Die Anwendung einer solchen Implementierung auf Verkehrsabläufe wird als Simulation der Verkehrsabläufe bezeichnet. Mit einer Verkehrssimulation lässt sich das Verhalten einer numerischen Umsetzung auf eine kleine Störung in einem Gleichgewichtszustand eines Verkehrsablaufs quantitativ bestimmen. Diese Untersuchung erfolgt analog zu einer analytischen Stabilitätsanalyse mit einer numerischen Störungsanalyse. Mit einem Vergleich von Ergebnissen einer Verkehrssimulation mit Ergebnissen einer Verkehrsmessung lässt sich untersuchen, ob Verkehrsphänomene, die in der Messung zu beobachten sind, in der Modellierung der Verkehrsabläufe und ihrer numerischen Umsetzung reproduziert werden können. Im ersten Abschnitt dieses Kapitels werden Grundlagen zur numerischen Umsetzung von Verkehrsmodellierungen dargestellt. Dabei wird auf unterschiedliche numerische Verfahren eingegangen. In den darauf folgenden drei Abschnitten werden anhand von Beispielen die numerischen Umsetzungen mikroskopischer, makroskopischer und mesoskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen auf einem Fahrbahnabschnitt in einem Autobahnnetz dargestellt. Die Anzahl der Fahrstreifen im Fahrbahnabschnitt wird dabei auf einen beschränkt. Numerische Störungsanalysen und Vergleiche von Simulations– und Messergebnissen werden in Kapitel 8 beschrieben. 108 7 Numerische Umsetzung 7.1 Grundlagen Die numerische Umsetzung einer Modellierung von Verkehrsabläufen entspricht einer Überführung der kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen der Modellierung in diskrete Bestimmungsgleichungen. Hierzu wird eine geeignete Diskretisierung der Zeit und des Raums durchgeführt. Auf der Grundlage dieser Diskretisierung lässt sich eine numerische Approximation der kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen durchführen. Sie liefert die diskreten Bestimmungsgleichungen. Durch eine Implementierung der diskreten Bestimmungsgleichungen ergibt sich die Simulation, mit der sich Vergleichs– und Prognoserechnungen durchführen lassen. Im Folgenden wird aufbauend auf den kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen die Diskretisierung der Zeit und des Raums erläutert. Anschließend werden numerische Verfahren aufgezeigt, die die kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen zeitlich beziehungsweise räumlich approximieren. 7.1.1 Diskretisierung Die Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes führt in der Regel zu kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen mit entsprechenden Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen. Im vierten, fünften und sechsten Kapitel sind kontinuierliche Bestimmungsgleichungen für mikroskopische, makroskopische und mesoskopische Verkehrsmodellierungen aufgezeigt. Die kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen (4.1) bis (4.2) der mikroskopischen Verkehrsmodellierung sind zeitabhängige gewöhnliche Differentialgleichungen, die für jedes Kraftfahrzeug im betrachteten Verkehrsablauf zu lösen sind. Die Bestimmung der Zustandsgrößen eines Kraftfahrzeugs zu einem Zeitpunkt erfordert eine zeitliche Diskretisierung. Zu den Zustandsgrößen gehört die Position des Kraftfahrzeugs. Sie kann bei der numerischen Umsetzung kontinuierlich im Fahrbahnabschnitt abgebildet werden und erfordert daher nicht notwendigerweise eine räumliche Diskretisierung. Die kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen (5.2) und (5.3) der makroskopischen Verkehrsmodellierung sowie die kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen (6.2) und (6.16) der mesoskopischen Verkehrsmodellierung sind zeit– und ortsabhängige partielle Differentialgleichungen, die für den betrachteten Verkehrsablauf zu lösen sind. Die Bestimmung der Zustandsgrößen eines Verkehrsablaufs zu einem Zeitpunkt an einem Ort erfordert eine zeitliche und räumliche Diskretisierung. 7.1 Grundlagen 109 Zeitliche Diskretisierung Die zeitliche Diskretisierung erfolgt durch Unterteilung des Zeitraums ab einem Anfangszeitpunkt t 0 in i 1, 2, Zeitintervalle der Länge t i. Dabei entstehen Zeitpunkte t i vom Zeitpunkt t 0 bis zum Ende des betrachteten Zeitraums. t t0 Unterteilung in Zeitintervalle 0 1 2 i–2 i–1 i i+1 t t t t 1 0 t 1 t 2 t 2 t t i1 i2 t i1 t i t i1 i t i1 Abbildung 7.3: Diskretisierung der Zeit Räumlich Diskretisierung Die räumliche Diskretisierung eines Fahrbahnabschnitts mit der Länge L erfolgt gemäß Abschnitt 3.2 durch Zerlegung des Abschnitts in n Segmente j 1, 2, der Länge x j und n+1 Querschnitte x j vom Anfang x 0 bis zum Ende x n des Fahrbahnabschnitts. (x, t) v (x, t) L Unterteilung in Segmente 0 1 1 x 1 x0 2 x 2 x1 ËËË ËËË j–1 j–1 j j j+1 ËËË ËËË 2 j–2 j+1 x2 x j1 x j x j1 x j2 x j1 x j x j1 n–2 n–1 n–1 n n x n1 x n x n2 x n1 x n Abbildung 7.1: Diskretisierung eines Fahrbahnabschnitts Für den diskretisierten Lösungsraum werden die zu bestimmenden Zustandsgrößen als Unbekannte eingeführt und in Form eines Zustandsvektors u ij dargestellt. Der hochgestellte Index i kennzeichnet den Zeitpunkt des Zustandsvektors u. Der tiefgestellte Index j kennzeichnet entweder das Segment oder den Querschnitt für den Zustandsvektor u. 7.1.2 Numerische Verfahren Auf der Grundlage der Diskretisierung des Lösungsraums werden diskrete Bestimmungsgleichungen für die unbekannten Zustandsgrößen mit Hilfe numerischer Verfahren aufgestellt. Es existieren zahlreiche numerische Verfahren, die zu einer zeitlichen und räumlichen Approximation entsprechender Differentialgleichungen führen. Ein umfangreicher 110 7 Numerische Umsetzung Überblick über numerische Verfahren ist zum Beispiel in [28] oder [60] aufgezeigt. Die Anwendung dieser Verfahren kann lediglich exemplarisch in den Abschnitten 7.2, 7.3 und 7.4 für die mikroskopische, makroskopische und mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt einer Autobahn gezeigt werden. Zeitliche Approximation Die zeitlichen Approximation der Bestimmungsgleichungen wird in der Regel mit Zeitschrittverfahren durchgeführt. Die Zeitschrittverfahren berechnen die unbekannten Zustandsgrößen der entsprechenden Differentialgleichungen sukzessive Zeitschritt für Zeitschritt. Zeitschrittverfahren werden in explizite und implizite Verfahren sowie in Mehrschritt– und Einschrittverfahren unterschieden: Explizite Zeitschrittverfahren berechnen die unbekannten Zustandsgrößen u i1 zu einem Zeitpunkt t i1 nur aus den bekannten Zustandsgrößen u in zu vergangenen Zeitpunkten t in (n 0, 1, 2, ). Dadurch reduziert sich das Lösen der Differentialgleichungen auf die Auswertung eines Differentialausdrucks. Implizite Zeitschrittverfahren berechnen die unbekannten Zustandsgrößen u i1 zu einem Zeitpunkt t i1 sowohl aus den bekannten Zustandsgrößen u in zu vergangenen Zeitpunkten t in (n 0, 1, 2, ) als auch aus den unbekannten Zustandsgrößen u i1 zum Zeitpunkt t i1. Implizite Zeitschrittverfahren erfordern die Lösung eines Differentialgleichungssystems. Einschrittverfahren berechnen die unbekannten Zustandsgrößen u i1 zu einem Zeitpunkt t i1 im expliziten Fall ausschließlich aus den bekannten Zustandsgrößen u i zum Zeitpunkt t i. Im impliziten Fall werden zusätzlich die unbekannten Zustandsgrößen u i1 zum Zeitpunkt t i1 berücksichtigt. Zu den Einschrittverfahren zählen insbesondere Euler–Verfahren, Runge–Kutta–Verfahren oder Taylor–Verfahren. Mehrschrittverfahren berechnen die unbekannten Zustandsgrößen u i1 zu einem Zeitpunkt t i1 im expliziten Fall aus den bekannten Zustandsgrößen u in zu weiter zurückliegenden Zeitpunkten t in (n 0, 1, 2, ). Im impliziten Fall werden zusätzlich die unbekannten Zustandsgrößen u i1 zum Zeitpunkt t i1 berücksichtigt. Zu den Mehrschrittverfahren zählen insbesondere numerische Integrationen oder Leap– Frog–Verfahren. Im Abschnitt 7.2 werden für die numerische Umsetzung der mikroskopischen Verkehrsmodellierung explizite Einschrittverfahren erläutert. Diese Zeitschrittverfahren lassen sich nicht nur auf die mikroskopische Verkehrsmodellierung, sondern auch auf die makroskopische Verkehrsmodellierung in Abschnitt 7.3 und die mesoskopische Verkehrsmodellierung in Abschnitt 7.4 anwenden. Implizite Einschrittverfahren sind für Verkehrsmodellierungen anwendbar, sie werden im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht berücksichtigt. 7.1 Grundlagen 111 Räumliche Approximation Die räumliche Diskretisierung erfolgt in der Regel mit den Methoden der finiten Volumen, der finiten Differenzen oder der finiten Elemente: Bei der Methode der finiten Volumen wird der Verlauf der unbekannten Zustandsgrößen durch stückweise konstante Funktionen auf Teilvolumen ersetzt. Zwischen benachbarten Teilvolumen wird für jede Zustandsgröße eine Bilanzgleichung aufgestellt. Sie basiert auf den Erhaltungssätzen für die entsprechende Zustandsgröße. 1 2 x x ËËËË x0 x1 x2 u (x) u2 u1 i–1 i i+1 x x x x i2 u i1 x i1 ui xi ËËËË x i1 n–1 n x x x n2 u n1 u i1 x n1 xn un x Abbildung 7.2: Prinzip der Methode der finiten Volumen Für Verkehrsabläufe gilt zwar der Massenerhalt beziehungsweise der Erhalt der Vehikelanzahl, aber kein Impuls– oder Energieerhalt (siehe Abschnitt 2.1.3). Daher ist die Methode der finiten Volumen zur Modellierung von Verkehrsabläufen nicht geeignet. Bei der Methode der finiten Differenzen wird der Verlauf der unbekannten Zustandsgrößen für Werte an diskreten Punkten auf einem Gitter bestimmt. Zwischen benachbarten Gitterpunkten werden die Differentialquotienten durch entsprechende Differenzenquotienten ersetzt. Üblicherweise entsprechen auch Zeitschrittverfahren einem Finite–Differenzen–Verfahren. 1 2 x x x0 x1 u (x) u1 u 0 ËËËË x2 u2 i–1 i i+1 x x x x i2 u i2 x i1 u i1 xi ËËËË x i1 n–1 n x x x n2 x n1 xn un ui u i1 u n2 Abbildung 7.3: Prinzip der Methode der finiten Differenzen u n1 x 112 7 Numerische Umsetzung In der numerischen Umsetzung einer Modellierung von Verkehrsabläufen in einem eindimensionalen Verkehrsgebiet eines Fahrbahn– oder Fahrstreifenabschnitts entsprechen die Gitterpunkte den Fahrbahnquerschnitten. Bisher wird nahezu ausschließlich die Methode der finiten Differenzen zur numerischen Umsetzung von Verkehrsmodellierungen verwendet. Bei der Methode der finiten Elemente wird der Verlauf der unbekannten Zustandsgrößen durch einfache Funktionen approximiert. Für diese Funktionen wird gefordert, dass sie so nahe wie möglich an den tatsächlichen Verlauf herankommen. 1 2 x x x0 x1 u (x) u1 u 0 ËËËË ËËËË x2 u2 i–1 i i+1 x x x x i2 u i2 x i1 u i1 xi ËËËË ËËËË x i1 n–1 n x x x n2 x n1 xn un ui u i1 u n2 u n1 x Abbildung 7.4: Prinzip der Methode der finiten Elemente In der numerischen Umsetzung einer Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt bietet es sich an, die Approximationsfunktionen stückweise auf die Fahrbahnsegmente zu begrenzen. Die Methode der finiten Elemente wird exemplarisch im Abschnitt 7.3 zur räumlichen Approximation der Bestimmungsgleichungen in der makroskopischen Verkehrsmodellierung erläutert. Die Methode der finiten Differenzen wird exemplarisch im Abschnitt 7.4 zur räumlichen Approximation der Bestimmungsgleichungen in der mesoskopischen Verkehrsmodellierung erläutert. 7.2 Numerische Umsetzung mikroskopischer Modellierungen Die numerische Umsetzung mikroskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes wird anhand von Zeitschrittverfahren zur Lösung der mikroskopischen Verkehrsmodellierung in Kapitel 4 erläutert. Die Verkehrsmodellierung entspricht einem Anfangswertproblem für jedes Kraftfahrzeug im betrachten Fahrbahnabschnitt. Sie umfasst für ein Kraftfahrzeug a die gewöhnlichen Differentialgleichungen (4.1) und (4.2) für die zeitliche Änderung seiner Position, für die zeitliche Änderung seiner Geschwindigkeit sowie die Beschleunigungsgleichung (4.9): dx a (t) v a (t) dt (7.1) 7.2 Numerische Umsetzung mikroskopischer Modellierungen 113 dv a (t) a a (t) dt (7.2) v 0a v a (t) 1 v 0a V sa (x a ) 0a V s (x a ) v a (t) a v 0a V sa (x a ) sa a a (t) v a (t) 2 x a (t) l b (7.3) ( v a (t)) v a (t) V sa (x a ) Zur Modellierung eines Verkehrsablaufs im Fahrbahnabschnitt wird nicht nur ein Kraftfahrzeug betrachtet, sondern die Interaktion aller Kraftfahrzeuge im Verkehrsablauf, so dass ein System gekoppelter gewöhnlicher Differentialgleichungen für alle Kraftfahrzeuge entsteht. 7.2.1 Explizite Zeitschrittverfahren Explizite Zeitschrittverfahren sind für die numerische Lösung von zeitabhängigen gewöhnlichen Differentialgleichungen geeignet. Zahlreiche explizite Zeitschrittverfahren stehen in einer standardisierten Form zur Verfügung. Zur Anwendung der Zeitschrittverfahren werden die Differentialgleichungen (7.1) bis (7.3) für ein Kraftfahrzeug a allgemein formuliert: du(t) F (u (t)) dt u (t) x a (t) mit v a (t) T u (t 0 ) u 0 F (u (t)) v a (t) (7.4) a a (t) T Zur Lösung dieses Anfangswertproblems wird die Zeit wie in Abschnitt 7.1.1 diskretisiert. Die numerische Näherung der zeitlichen Ableitung des Zustandsvektor u im Zeitintervall von t i bis t i t i basiert auf einer Taylorreihenentwicklung der gesuchten Lösung u i1: du (t i ) (t i ) 2 d 2 u (t i ) (t i ) 3 d 3 u (t i ) dt 2 3! dt 2 dt 3 . i (t i ) 2 .. i (t i ) 3 u i1 u i t i u u (u i ) (3) 2 3! u (t i1 ) u (t i ) t i (7.5) Dabei wird vorausgesetzt, dass die Taylorreihe gegen die exakte Lösung u i1 konvergiert. Die Ableitungen mit einer höheren Ordnung als die Ordnung der Differentialgleichung sind unbekannt. Daher wird die Taylorreihe vor dem Term mit der Ableitung der Differentialgleichungsordnung abgebrochen und um einen Korrekturterm k erweitert. ~ i1 Somit lautet die zeitliche Approximation der numerischen Lösung u für Differentialgleichungen erster Ordnung: ~ u i1 uik (7.6) 114 7 Numerische Umsetzung Explizites Euler–Verfahren Der Korrekturterm k in der Gleichung (7.6) ist eine Näherung für den Rest der Taylorreihe. Die einfachste Näherung ist die Beschreibung von k durch den nächsten Term der Taylorreihe. Dieser entspricht dem Differenzenquotient t i F (t i, u i ). Es ergibt sich das klassische explizite Euler–Verfahren: ~ u i1 u i t i F (t i, u i ) (7.7) Grafisch entspricht der Korrekturterm k der Tangentensteigung von u im Punkt (t i, u i ). u u i1 ~ i1 u ui exakte Lösung t i t i, u i k k t i F t i, u i t i, u i t i t i1 Abbildung 7.5: Prinzip des expliziten Euler–Verfahrens ~ i1 und dem tatsächlichen Zustandsvektor Zwischen dem berechneten Zustandsvektor u i1 i1 u zum Zeitpunkt t ergibt sich ein Fehler. Dieser lokale Approximationsfehler ist umso größer, je steiler die exakte Lösung im Zeitintervall anwächst. Die Fehlerordnung des lokalen Approximationsfehlers entspricht der Ordnung des ersten nicht berücksichtigten Terms in der Taylorreihe. Für das explizite Euler–Verfahren ist sie quadratisch: ~ u i1 u (t i1) O (t i ) 2 (7.8) Der Approximationsfehler wächst bei weiteren Zeitschritten (n 1), da dann die ~ in fehlerhaften Werte F (u ) benutzt werden. Für das explizite Euler–Verfahren ist die Fehlerordnung dieses globalen Approximationsfehlers linear [15]: ~ u in u (t in) O (t i ) n 2, 3, (7.9) Der Approximationsfehler eines Zeitschrittverfahrens lässt sich verringern, indem entweder die Zeitschrittlänge verringert oder die Fehlerordnung erhöht wird. Explizites Runge–Kutta–Verfahren Eine Erhöhung der Fehlerordnung des Approximationsfehlers läßt sich in einem expliziten Runge–Kutta–Verfahren erreichen. In diesem Verfahren wird der Korrekturterm k durch eine Linearkombination von beliebig vielen Steigungen k j beschrieben: k 1 k 1 2 k 2 3 k 3 (7.10) 7.2 Numerische Umsetzung mikroskopischer Modellierungen 115 Die Steigungen k j werden nach folgendem Konstruktionsschema bestimmt: k 1 t i F (t i k 2 t iF , ui ) (t 2 t , u 21 k 1 i i i ) k 3 t F (t 3 t , u 31 k 1 32 k 2 ) i i i i (7.11) Die Konstanten j, jk und j in den Gleichungen (7.10) und (7.11) sind so zu bestimmen, dass die numerische Lösung mit möglichst wenig Steigungsberechnungen der Taylorreihe bis zu einer möglichst hohen Ordnung entspricht. Die Bestimmung erfolgt durch Koeffizientenvergleich des numerischen Ansatzes mit der Taylorreihe. Für das klassische explizite Runge–Kutta–Verfahren ergibt sich: u i1 u i k 1 6 k 2 3 k 3 3 k 4 6 k 1 t i F (t i k 2 t , ui (t t k 3 t F (t i t 2 , u i k 2 2 ) i i 2 ) i iF (7.12) , u k 1 2 ) i i k 4 t i F (t i t i , ui k3 ) Grafisch entsprechen die Korrekturterme k 1, k 2, k 3 und k 4 den Tangentensteigungen der exakten Lösung in den Punkten (t i, u i ), (t i t i2, u i k 1), (t i t i2, u i k 2) und (t i1, u i k 3). uik3 ~ i1 u u i k 2 2 u i k 1 2 ui u k4 t i t i, u i k 3 k3 t i, u i exakte Lösung k2 k1 t i t i 2 ti t i1 Abbildung 7.6: Prinzip des klassischen expliziten Runge–Kutta–Verfahrens Für das klassische explizite Runge–Kutta–Verfahren ist die Fehlerordnung des lokalen Approximationsfehlers fünf und des globalen Approximationsfehlers vier: ~ i1 u (t i1) O (t i ) ~ in u (t in) O (t i ) u u 5 4 (7.13) n 2, 3, (7.14) Daher wird das klassische Runge–Kutta–Verfahren auch als Runge–Kutta–Verfahren vierter Ordnung bezeichnet. 116 7 Numerische Umsetzung 7.2.2 Approximationsfehler In den expliziten Zeitschrittverfahren kann aufgrund einer hohen Geschwindigkeit v ia eines Kraftfahrzeugs a in einem Zeitschritt i der Approximationsfehler für seine Position i1 so groß werden, dass der Abstand x i1 x i1 zum vorausfahrenden x i1 a a b xa Kraftfahrzeug b kleiner als die Länge l b von b wird. Ebenso kann aufgrund einer hohen Beschleunigung a ia des Kraftfahrzeugs a im Zeitschritt i der Approximationsfehler für seine Geschwindigkeit v i1 so groß werden, dass sie negativ wird. Beide Verkehrszua stände sind in der mikroskopischen Modellierung ausgeschlossen. In der numerischen Umsetzung der Modellierung kann die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten dieser Zustände verringert werden, indem die Länge des Zeitintervalls t i verkürzt wird. Das Euler– und das Runge–Kutta–Verfahren sind konsistent. Das heißt, der Approximationsfehler dieser numerischen Verfahren wird mit kleineren Zeitschritten geringer. Die Intervalllänge t i kann einmalig für den gesamten Simulationszeitraum oder unterschiedlich von Zeitschritt zu Zeitschritt mit einer der in Abschnitt 7.2.3 dargestellten Schrittweitensteuerungen verkürzt werden. Die Zeitintervalle eines Verfahrens können nicht unendlich klein gewählt werden, so dass das Auftreten von zu kleinen Abständen oder negativen Geschwindigkeiten eines Kraftfahrzeugs durch Verkürzung der Zeitintervalle nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Eine pragmatischer Ansatz zur Vermeidung von zu kleinen Abständen oder negativen Geschwindigkeiten ergibt sich, wenn beim Auftreten dieser Verkehrszustände die Position des Kraftfahrzeugs auf den Abstand zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug beziehungsweise seine Geschwindigkeit auf null gesetzt wird (Abbildung 7.7). va v ia v i1 a 0 i1 v~ a t i, v ia exakte Lösung gewählte Lösung ti t i1 t i1, v ia t i a ia Lösung des Zeitschrittverfahrens Abbildung 7.7: Pragmatischer Ansatz zur Vermeidung negativer Geschwindigkeii1 i1 ten: Setzen der berechneten Geschwindigkeit v~ a 0 auf v~ a 0. 7.2.3 Schrittweitensteuerung Bisher wurde von konstanten Zeitintervallen für den gesamten Simulationszeitraum ausgegangen. Dies erscheint angesichts von Bereichen, in denen zeitliche Änderungen der Zustandsgrößen relativ gleichförmig bleiben, neben Bereichen, in denen größere zeitliche Änderungen auftreten, nicht sinnvoll. Mit einer Schrittweitensteuerung lässt sich die Länge eines Zeitschritts in Abhängigkeit von den zuvor berechneten Zustandsgrößen ver- 7.2 Numerische Umsetzung mikroskopischer Modellierungen 117 ändern, so dass die Effizienz des Verfahrens erhöht wird. Schrittweitensteuerungen sind nicht auf zeitliche Schrittweiten beschränkt, sondern können auch zur Steuerung von räumlichen Schrittweiten verwendet werden. Es gibt Schrittweitensteuerungen, die auf das jeweilige Verfahren abgestimmt sind, und es gibt Schrittweitensteuerungen, die die Schrittweiten den zu simulierenden physikalischen Eigenschaften anpassen. Im Abschnitt 7.3 wird eine geschwindigkeitsabhängige Schrittweitensteuerung erläutert. Das Ziel einer verfahrensabhängigen Schrittweitensteuerung ist die Bestimmung einer möglichst langen Schrittweite zum nächsten Zeitpunkt, die gleichzeitig den Approximationsfehler innerhalb eines vom Anwender tolerierten Bereichs belässt. Eine Methode zur Bestimmung solcher Schrittweiten ist es, den gerade durchgeführten Berechnungsschritt erneut mit zwei halben Schrittweiten zu wiederholen und die Differenz zwischen den beiden Ergebnissen zu bestimmen. Ist die Differenz größer als ein tolerierter Fehler , so wird diese Methode solange für eine neue halbe Schrittweite wiederholt, bis die Differenz kleiner als ist. Ist die Differenz halb so klein wie , so wird die Schrittweite verdoppelt. Eine weitere Methode stellen die sogenannten eingebetteten Verfahren dar. Zu ihnen zählt das klassische Fehlberg–Verfahren [29]. In einem eingebetteten Verfahren werden in einem Berechnungsschritt zwei aufeinander abgestimmte Runge–Kutta–Verfahren mit unterschiedlicher Ordnung durchgeführt. Das Ergebnis des Verfahrens höherer Ordnung q ist die numerische Lösung der Zustandsgrößen. Das Ergebnis des Verfahrens niedriger Ordnung p wird zur Berechnung der Länge der nächsten Schrittweite verwendet. Die Konstanten j, jk und j in eingebetteten Verfahren höherer Ordnungen sind nur noch mit Computer–Algebra–Systemen berechenbar. Dafür ist es mit solchen Verfahren gelungen, die Zustandsgrößen für einen beliebigen Ort oder Zeitpunkt zu bestimmen [17]. 7.3 Numerische Umsetzung makroskopischer Modellierungen Die numerische Umsetzung der makroskopischen Modellierungen von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes wird in diesem Abschnitt exemplarisch anhand eines Finite–Elemente–Verfahrens zur Lösung der makroskopischen Verkehrsmodellierung in Kapitel 5 erläutert. Die Modellierung entspricht einem Anfangsrandwertproblem. Sie umfasst neben den Anfangs– und Randbedingungen die Kontinuitätsgleichung (5.2) und die Bewegungsgleichung (5.7) in Form einer Navier–Stokes–Gleichung: (x, t) (x, t) v (x, t) v (x, t) (x, t) 0 x x t (7.15) v (x, t) v (x, t) p (x, t) V v (x, t) 2 v (x, t) v (x, t) 1 x t (x, t) x (x, t) x2 (7.16) Die makroskopische Modellierung besteht aus zeit– und ortsabhängigen partiellen Differentialgleichungen. Für die numerische Approximation mit dem Finite–Elemente–Verfahren werden die partiellen Differentialgleichungen in einer Matrixschreibweise dargestellt. 118 7 Numerische Umsetzung Matrixschreibweise Die Matrixschreibweise der kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen der makroskopischen Verkehrsmodellierung besteht aus einem Term mit der zeitlichen Ableitung des Zustandstandsvektors u, einem Transport– und Druckterm mit der räumlichen Ableitung erster Ordnung von u, einem Diffusionsterm mit der räumlichen Ableitung zweiter Ordnung von u und einem Term einwirkender Kräfte in Form eines Vektors f. u A u B 2 u f x t x 2 (x, t) u (x, t) v (x, t) (7.17) v A c 2 v 0 0 B 0 0 f 1 (V () v) Der Zustandsvektor u umfasst die Zustandsgrößen (x, t) und v (x, t). Die Matrizen A und B repräsentieren die Vorfaktoren für den Transport– und Druckterm sowie den Diffusionsterm. Der Vektor f beschreibt den Anpassungsterm der Verkehrsmodellierung. 7.3.1 Ansatzfunktionen Der erste Schritt der numerischen Approximation besteht aus der Überführung des unendlichen Raums der Lösungsfunktionen in einen endlichen Teilraum. Dieser Teilraum wird durch N Ansatzfunktionen i (x) als Basis aufgespannt. Die numerische Lösung ~ u (x, t) lässt sich als Linearkombination mit den Ansatzfunktionen i (x) und den diskreten Zustandsvektoren c i (t) darstellen: i (t) c i (t) v (t) i c i (t) i (x) N ~ u (x, t) u (x, t) i1 (7.18) Wird die exakte Lösung u (x, t) in den Differentialgleichungen (7.17) durch die numeri~ sche Lösung u (x, t) ersetzt, ergibt sich: c i (t)t i (x) A c i (t)x i (x) B N i1 N N i1 i1 2 c i (t) i (x) x 2 f (7.19) Die Ansatzfunktionen i (x) hängen nur von x ab. Sie lassen sich aus der zeitlichen Ableitung herausziehen. Die Zustandsvektoren c i (t) hängen nur von t ab. Sie lassen sich aus den räumlichen Ableitungen herausziehen: i (x) cti (t) A xi (x) c i (t) B x 2i (x) c i (t) f N N N i1 i1 i1 2 (7.20) Als Basis des endlichen Teilraums müssen die Ansatzfunktionen i (x) linear unabhängig sein. Des Weiteren müssen sie die gegebenen Randbedingungen erfüllen. Prinzipiell ist die räumliche Ausdehnung einer Ansatzfunktion über das betrachtete Gebiet beliebig. Für Finite–Elemente–Verfahren werden die Ansatzfunktionen jedoch stückweise definiert, so 7.3 Numerische Umsetzung makroskopischer Modellierungen 119 dass das betrachtete Gebiet implizit in Teilgebiete aufgeteilt wird. Ein Teilgebiet als kompakte Menge [43] mit den darauf definierten Ansatzfunktionen ist ein finites Element. Im Fahrbahnabschnitt entspricht ein Teilgebiet einem Fahrbahnsegment. Der Fahrbahnquerschnitt zwischen zwei eindimensionalen Fahrbahnsegmenten k und k–1 wird als gemeinsamer (Rand–) Knoten x i der entsprechenden finiten Elemente bezeichnet. Mit Hilfe von N Knoten x i lassen sich N Ansatzfunktionen i (x) als stückweise lineare Interpolationspolynome zwischen den Knoten definieren. Klassisch sind Lagrangesche Interpolationspolynome ersten Grades für ein Element k (Abbildung 7.8 a): x x 1k(x) x i1 x i1 i 2k(x) x x xi i1 x i (7.21) Als lineare Ansatzfunktion i (x) ergibt sich für einen Knoten x i dementsprechend: x x i1 x i x i1 für x i1 x x i x i1 x x i1 x i für x i x x i1 0 sonst i (x) (7.22) Jede Ansatzfunktion i (x) ist für einen Knoten x i gleich eins, in den Elementen k–1 und k fällt sie linear zu den Nachbarknoten x i1 und x i1 bis auf null ab und für das restliche Gebiet wird sie zu null (Abbildung 7.8 b). Die räumliche Ableitung erster Ordnung einer linearen Ansatzfunktion i (x) ist im Element k–1 positiv konstant und im Element k mit dem gleichen Betrag negativ konstant, ansonsten ist sie null (Abbildung 7.8 c): 1 x i x i1 für x i1 x x i 1 x i1 x i für x i x x i1 0 sonst i (x) x (7.23) Ableitung höherer Ordnung von einer linearen Ansatzfunktion i (x) ist null. a) 1k (x) 2k (x) 1 b) 1 i k i+1 c) i (x) 1/ (k–1) 1 i–1 k–1 i k i+1 i–1 i (x) x k–1 i i+1 1/k Abbildung 7.8: Darstellung linearer Ansatzfunktionen für ein Element ( 1k (x), 2k (x)) und für einen Knoten i (x) sowie deren räumliche Ableitungen i (x)x. 120 7 Numerische Umsetzung 7.3.2 Standard–Galerkin–Verfahren Die Gleichung (7.20) ist lediglich eine Näherung der Ausgangsgleichung (7.17). Die Lösung von (7.20) entspricht daher nicht der exakten Lösung. Die Abweichung der beiden ~ Gleichungen wird Defekt oder Residuum genannt und mit d (u) bezeichnet: c i (t) i (x) i (x) d (u) i (x) A c i (t) B c i (t) f x t x 2 N N N i1 i1 i1 ~ 2 (7.24) ~ Das Ziel von numerischen Verfahren, die diesen Defekt nutzen, ist es, d (u) zu minimieren. Ein solches Verfahren ist das Standard–Galerkin–Verfahren. Es minimiert den Defekt durch die Bedingung, dass der Defekt im endlichen Teilraum der Näherung nicht auftritt. Die numerische Lösung ist dann für den endlichen Lösungsraum exakt, so dass der Defekt nur im unendlichen Raum existiert. Der Defekt muss hierzu im unendlichen Raum orthogonal zu den Ansatzfunktionen sein, die den endlichen Teilraum aufspannen. Die Orthogonalität ist gegeben, wenn das Skalarprodukt des Defekts und der Ansatzfunktionen j (x) mit j 1,..., N zu null wird. Für reellwertige stetige Funktionen ist das Skalarprodukt als Integral des Produkts aus dem Defekt und den Ansatzfunktionen über das betrachtete Gebiet (den Fahrbahnabschnitt) definiert: (x) d (u) dx 0 L ~ (7.25) j 0 Der Viskositätsterm in (7.24) enthält eine zweite räumliche Ableitung der Ansatzfunktion i (x). Bei linearen Ansatzfunktionen i (x) verschwindet dieser Term. Um den Anteil des Viskositätsterms in Standard–Galerkin–Verfahren trotzdem mit linearen Ansatzfunktionen berücksichtigen zu können, wird er partiell integriert: L N 0 i1 L N 2 i (x) i (x) B (x) c (t) dx B j (x) c i (t) j i 2 x x i1 L N 0 i1 0 i (x) j (x) B c i (t) dx x x (7.26) Die Auswertung des Randintegrals in (7.26) unter Berücksichtigung von (7.18) zeigt, dass das Randintegral die von Neumannschen Randbedingungen u 0 (t) und u L (t) an den Randknoten des Fahrbahnabschnitts bei 0 und L in das Verfahren einbindet: N B i1 L i (x) u h(x, t) j (x) c i (t) B j (x) x x 0 B u L(t) für j L B u 0(t) für j 0 (7.27) 0 0 sonst L Für alle Knoten im Inneren des Fahrbahnabschnitts ist das Randintegral null. 7.3 Numerische Umsetzung makroskopischer Modellierungen 121 7.3.3 Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahren Das Standard–Galerkin–Verfahren neigt dazu, physikalisch unrealistische Schwingungen in der Lösung zu produzieren. Durch Kombination mit einem Verfahren, das die Lösung glättet, wird versucht, die unerwünschten Schwingungen zu unterdrücken. Auf diese Weise entsteht ein Petrov–Galerkin–Verfahren, in dem ein Upwinding–Koeffizient den Anteil des glättenden Verfahrens zum Standard–Galerkin–Verfahren gewichtet [62]: I (x) A x(x) d (u) dx 0 L j ~ (7.28) j 0 Im glättenden Verfahren wird die Orthogonalität vom Defekt mit einer Vektorfunktion gebildet. Im Standard–Galerkin–Verfahren (7.25) wird die Orthogonalität vom Defekt mit den skalaren Ansatzfunktionen gebildet. Um die Kombination im Petrov–Galerkin–Verfahren durchführen zu können, müssen die skalaren Ansatzfunktionen ebenfalls in eine Vektorform gebracht werden. Daher werden in Gleichung (7.28) die skalaren Ansatzfunktionen j (x) jeweils mit einer zweidimensionalen Einheitsmatrix I multipliziert. Upwinding–Koeffizient Ein optimaler Upwinding–Koeffizient opt konnte für matrixförmige Vorfaktoren A und B in Vektorgleichungen wie (7.17) bisher nicht gefunden werden. Anders sieht es für eine Gleichung mit skalarwertigen Unbekannten u aus: u a u b 2 u f x t x 2 (7.29) Für eine solche Skalargleichung ist ein optimaler Upwinding–Koeffizient opt bezüglich einer mit x äquidistant diskretisierten Strecke herleitbar und beweisbar [20]: opt opt x mit 2 |a| opt coth ( | Pe | ) 1 | Pe | (7.30) Die Peclet–Zahl Pe ist ein Kriterium für die Stabilität der numerischen Berechnung einer Transportgleichung. Sie beschreibt das Verhältnis der Advektion a zur Diffusion b bezogen auf die Elementlänge x: Pe a x (7.31) b In einem mehrdimensionalen Gebiet werden die skalaren Größen a und b zu Vektoren a und b bezogen auf die skalare Zustandsgröße u. Zur Berechnung der Element–Peclet– Zahlen und der entsprechenden Upwinding–Koeffizienten hat sich die Repräsentation der Vektoren durch Skalare in Form der euklidischen Vektornorm 2 bewährt [95]: a a 2 : a l2 M l1 b b 2 : bl2 M l1 (7.32) 122 7 Numerische Umsetzung Die makroskopische Verkehrsmodellierung besteht aus zwei Gleichungen. Bei zwei Gleichungen ergeben sich für die Skalare a und b in Gleichung (7.29) die Matrizen A und B bezogen auf die vektorielle Unbekannte u. Somit werden skalare Größen gesucht, die die Matrizen A und B sinnvoll repräsentieren. Die naheliegende Verwendung der Spektralnorm 2 hat sich als ungeeignet erwiesen. Die Wahl des Spektralradius [43] (betragsmäßig größter Eigenwert) hat dagegen in numerischen Simulationen zu guten Ergebnissen geführt. Der Grund hierfür könnte in der Analogie zur Berechnung der Charakteristik der Gleichungen liegen [94]. Einen Beweis gibt es jedoch nicht. In der Verkehrsmodellierung ergeben sich für die Matrizen A und B die skalaren Größen a v c 0 und b : A B v c 2 v 0 0 0 1vc , 2vc (7.33) 1 , 20 Damit lässt sich, eingesetzt in Gleichung (7.30), der Upwinding–Koeffizient bestimmen: coth (| Pe |) 1 | Pe | x Pe 2 (v c) (v c) x (7.34) Der Upwinding–Koeffizient wird in das Gleichungssystem des Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahrens (7.28) eingesetzt. Das Gleichungssystem lässt sich mit einem expliziten Zeitschrittverfahren mit einer geschwindigkeitsabhängigen Schrittweitensteuerung lösen. 7.3.4 Lösung des Gleichungssystems Das Upwinding–Petrov–Galerkin–Verfahren (7.28) entspricht mit linearen Ansatzfunktionen einem Gleichungssystem der Form: c dx A dx x t A dx B dx A dx c x x x x x f dx Af dx x N I j i j i i i1 N i i j 2 j i j i i1 (7.35) j j N B i1 L i j ci x 0 Das Gleichungssystem (7.35) ist so sortiert, dass die ausschließlich zeitabhängigen . Größen c i (t) und c i (t) c i (t)t mit ausschließlich ortsabhängigen Vorfaktoren multipliziert werden. Die Vorfaktoren bestehen aus einem Galerkin– und einem Petrov–Anteil. 7.3 Numerische Umsetzung makroskopischer Modellierungen 123 Die Integrale der Ansatzfunktionen und ihre räumlichen Ableitungen sind für den eindimensionalen Fahrbahnabschnitt analytisch berechenbar. Für ein Element im Inneren des Fahrbahnabschnitts mit den Knoten a und e sowie der Länge x x e x a ergibt sich: . x 2 I I A A I 2I A A 6 2 c. a ce f Af x Af 2 f A A 1 B B 1 2 A A x 2 B B x 2 A2 A2 2 A A2 ca ce (7.36) Die Tatsache, dass sich die Zustandsgrößen sehr viel langsamer als ihre zeitlichen Ableitungen ändern, rechtfertigt die Annahme, dass nur die zeitlichen Ableitungen unbekannt . sind. Mit dieser Annahme ergibt sich eine Elementgleichung für die Unbekannten c i mit dem zweiten und dritten Term der Gleichung (7.36) als rechte Seite. Das globale Gesamtsystem für den Fahrbahnabschnitt ergibt sich durch Kombination dieser Elementgleichungen mit einer Inzidenzmatrix für die topologischen Abhängigkeiten der Elemente. Jedes Element hängt über seine Knoten mit seinen Nachbarelementen zusammen: . Mcr mit M x 6 4I I I 4I I A I 2 I I I I 4I A A A (7.37) A A A A Die Lösung des Gleichungssystems (7.37) kann entweder durch die Bildung der inversen Matrix M 1 oder die Verwendung eines Gleichungslösers erfolgen. Die Verwendung eines iterativen Gleichungslösers ist nicht ratsam, da das hinreichende Kriterium für die Konvergenz eines solchen Verfahrens (Diagonaldominanz) nicht erfüllt sein muss: mm ijii 1 mm jiii 1 ji i, j 1,..., N (7.38) ji Mit einem genügend kleinen Zeitschritt lässt sich jedoch die Matrix M auf eine Diagonalmatrix reduzieren, indem die Nebendiagonalen für den vorhergehenden Zeitpunkt berechnet und von der rechten Seite subtrahiert werden: 4I x 6 . 4I c r . c alt (7.39) 4I Es ergibt sich ein Gleichungssystem für die zeitliche Ableitung der Zustandsgrößen, das sich mit einem expliziten Zeitschrittverfahren wie in Abschnitt 7.2 bestimmen lässt. 124 7 Numerische Umsetzung 7.3.5 Geschwindigkeitsabhängige Schrittweitensteuerung Bei der Lösung des globalen Gleichungssystems mit einem expliziten Zeitschrittverfahren ist die Stabilität der räumlichen und zeitlichen Approximation zu gewährleisten. Die Stabilität ist gewährleistet, wenn das Courant–Kriterium eingehalten wird [30]: C v t 1 x (7.40) Das Courant–Kriterium (7.40) fordert, dass jedes Ortsintervall x stets größer sein muss als das Produkt der aktuellen Geschwindigkeit v und des gewählten Zeitintervalls t. Das Verhältnis von v und t zu x wird als Courantzahl bezeichnet. Im Falle der makroskopischen Verkehrsmodellierung wird eine Schrittweitensteuerung verwendet, die die Länge t i eines Zeitintervalls der berechneten Geschwindigkeit anpasst. Dabei wird das Intervall t i für den nächsten Zeitschritt i so bestimmt, dass das Courant–Kriterium (7.40) für jedes Segment k im Fahrbahnabschnitt erfüllt ist. Ist in einem Element k das Verhältnis seiner Länge x k zur Geschwindigkeit v ik kleiner als das Zeitintervall t i, so muss t i verringert werden. 7.4 Numerische Umsetzung mesoskopischer Modellierungen Die numerische Umsetzung mesoskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes wird in diesem Abschnitt exemplarisch anhand eines Finite–Differenzen–Verfahrens zur Lösung der mesoskopischen Verkehrsmodellierung in Kapitel 6 erläutert. Die Verkehrsmodellierung entspricht einem Anfangsrandwertproblem. Sie umfasst neben den Anfangs– und Randbedingungen gemäß Abschnitt 5.3 die Abstands–Dichte–Relation (6.1), die Kontinuitätsgleichung (6.2) und die Bewegungsgleichung (6.16) mit (6.18): s (x , t) d 1 (7.41) 0 v v x x t (7.42) v v v V s (s) v s 2 v x t s l x 2 s v v V s (s) x (7.43) Mit der Abstands–Dichte–Relation (7.41) lässt sich der Abstand s (x, t) bestimmen. Die Bestimmung entspricht der Lösung einer Integralgleichung. Die Kontinuitätsgleichung (7.42) und die Bewegungsgleichung (7.43) sind zeit– und ortsabhängige partielle Differentialgleichungen. Sie werden räumlich mit einem Finite–Differenzen–Verfahren und zeitlich mit einem standardisierten Zeitschrittverfahren gelöst. 7.4 Numerische Umsetzung mesoskopischer Modellierungen 125 Für die räumliche Approximation wird der Fahrbahnabschnitt in m gleich große Fahrbahnsegmente mit der Länge x diskretisiert. Die Diskretisierung führt zu n= m+1 Fahrbahnquerschnitten an den Enden der Segmente. An jedem Querschnitt j mit der Koordinate x j werden in einem Zeitschritt i der Abstand s ij, die Dichte ij und die Geschwindigkeit v ij eingeführt. Für die zeitliche Approximation wird die Zeit entsprechend Abschnitt 7.1.1 diskretisiert. Die räumliche Diskretisierung kann nicht nur im Finite–Differenzen–Verfahren für die Kontinuitäts– und Bewegungsgleichung genutzt werden, sondern auch bei der Bestimmung des Abstands mit Hilfe der Integralgleichung (7.41). 7.4.1 Bestimmung des Abstands Die Bestimmung des Abstands s ij an einem Querschnitt j erfolgt innerhalb eines Zeitschritts i mit Hilfe der Abstands–Dichte–Relation (7.41). In der Abstands–Dichte–Relation ist das Integral der Dichte über den Bereich von x j bis x j s ij eins. Zur Bestimmung des Integrals wird der Verlauf der Dichte zwischen den Querschnitten des Fahrbahnabschnitts benötigt. Innerhalb eines Segments wird die Dichte linear interpoliert. (x) ij1 ij i j1 ij2 xj x j1 ij4 s 1 x j1 ij3 x j2 x j3 x j4 x s ij Abbildung 7.9: Integral der Dichte über dem Bereich von x j bis x j s ij auf dem diskretisierten Fahrbahnabschnitt Das Integral der Dichte in einem Segment von x j bis x j1 ergibt nach der Trapezregel: x j1 (, t) d x2 ( i j i j1) (7.44) xj Das Integral der Dichte in einem Segment von x j bis zu einem beliebigen Ort x j s ergibt sich nach folgender quadratischer Gleichung: x js xj 2 (, t) d s j s ( ij1 ij ) 2 x (7.45) 126 7 Numerische Umsetzung Das Integral der Dichte über den Bereich von x j bis x j s ij ergibt sich aus der Summe von k { 0, 1, 2, } Integralen über ein komplettes Segment gemäß (7.44) und dem Integral über einen Teil s des letzten Segments gemäß (7.45): x 2 jk ( il il1) s ij 2sx2 ( ij1 ij ) 1 jkn (7.46) lj Die Bestimmung der Anzahl k der komplett integrierten Segmente ergibt sich aus folgender Bedingung: x 2 jk jk1 il il1 1 x2 lj il il1 jkn (7.47) lj Die Lösung der quadratischen Gleichung (7.46) für s 0 ist: s i k 2 i 2 x k 2 ( i ik) k1 1 x 2 il il1 k (7.48) lj Der Abstand s ij ergibt sich aus der Länge der k komplett integrierten Segmente und der Länge s: s ij k x s (7.49) Die Bestimmung des Abstands s ij setzt nach (7.46) und (7.49) voraus, dass j k n ist. Für den Sonderfall j k n wird in der Berechnung der Länge s angenommen, dass ik1 ik ist. Der Abstand s ij am Ort x i ist für eine segmentweise lineare Dichte exakt. 7.4.2 Kontinuitätsgleichung Die Kontinuitätsgleichung (7.42) für einen Querschnitt j in einem Zeitschritt i lautet: ij t v i j ij x i j v ij (7.50) x Die räumliche Approximation mit der Methode der finiten Differenzen ergibt sich, indem ihre Differentialquotienten durch entsprechende Differenzenquotienten ersetzt werden. Für die Ableitung ij x auf der linken Seite der Kontinuitätsgleichung wird eine Rückwärtsdifferenz gewählt, da die räumliche Dichteänderung mit der Geschwindigkeit v ij 0 entgegen der Fahrtrichtung transportiert wird. Für die Ableitung v ij x auf der rechten Seite wird eine Vorwärtsdifferenz gewählt, da die räumliche Geschwindigkeitsänderung aus der Geschwindigkeitsdifferenz eines Kraftfahrzeugs und des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs resultiert: ij t v i j ij ij1 x i j v ij1 v ij x (7.51) 7.4 Numerische Umsetzung mesoskopischer Modellierungen 127 Die zeitliche Änderung der Dichte ij am Querschnitt j im Zeitschritt i wird in einem standardisierten Zeitschrittverfahren bestimmt. Ist das Zeitschrittverfahren beispielsweise ein explizites Euler–Verfahren, so wird die Ableitung ij t durch eine Vorwärtsdifferenz approximiert: ij1 ij t x v ij ij1 ij v ij1 (7.52) Da in einem expliziten Zeitschrittverfahren die Segmentlänge x und der Zeitintervall t nicht unabhängig voneinander sind, ist die numerische Stabilität des expliziten Verfahrens durch das Einhalten des Courant–Kriterium (7.40) an jedem Querschnitt j in jedem Zeitschritt i zu gewährleisten. 7.4.3 Bewegungsgleichung Die Bewegungsgleichung (7.43) für einen Querschnitt j in einem Zeitschritt i lautet: 2 V s(s ij ) v ij s ij 2 v ij i v ij i vj i s j x v ij Vs(s ij ) (7.53) x t s j l x v ij v ij Für die Ableitung v ij x auf der linken Seite der Bewegungsgleichung wird eine Rückwärtsdifferenz gewählt, da die räumliche Geschwindigkeitsänderung mit der Geschwindigkeit v ij 0 entgegen der Fahrtrichtung transportiert wird. Für die Ableitung v ij x auf der rechten Seite wird eine Vorwärtsdifferenz gewählt, da die räumliche Geschwindigkeitsänderung im Bremsterm aus der Geschwindigkeitsdifferenz eines Kraftfahrzeugs und des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs resultiert: v ij t v ij v ij v ij1 x 2 V s (s ij ) v ij s ij 2 v ij1 v ij i x s jl i v ij1 v ij i s j v j V s (s ij ) x (7.54) Die zeitliche Änderung der Geschwindigkeit v ij am Querschnitt j im Zeitschritt i wird in einem standardisierten Zeitschrittverfahren bestimmt. Ist das Zeitschrittverfahren beispielsweise ein explizites Euler–Verfahren, so wird die Ableitung v ij t durch eine Vorwärtsdifferenz approximiert: v i j1 v i t j v ij t (7.55) Die numerische Stabilität eines expliziten Zeitschrittverfahrens ist gewährleistet, wenn das Courant–Kriterium (7.40) an jedem Querschnitt j in jedem Zeitschritt i erfüllt ist. 128 7 Numerische Umsetzung 7.4.4 Numerische Diffusion Die diskreten Bestimmungsgleichungen für die Dichte und die Geschwindigkeit mit den gewählten Vorwärts– und Rückwärtsdifferenzen führen zu numerischer Diffusion. Um dies zu zeigen, werden die Dichte und die Geschwindigkeit an den Fahrbahnquerschnitten j+1 und j–1 als Taylor–Reihe dargestellt: i j1 v i j1 ij 2 i 3 i 2 j 3 j x x j x x 6 x 3 2 x 2 v ij 2 i 3 i 2 j 3 j x x v j x x 6 x 3 2 x 2 (7.56) (7.57) Die Substitution der Taylorreihen in die Bestimmungsgleichungen (7.52) und (7.54) führen zur Kontinuitätsgleichung und Bewegungsgleichung mit zusätzlichen Diffusionstermen: ij t v i j i 2 ij i 2 v ij 2 x vj j O x 2 2 x x 2 x x ij i j v ij 2 V s(s ij ) v ij s ij 2 v ij i vj i B x t s j l x v ij (7.58) v ij s ij i x vj i 2 sjl 2 v ij x 2 v ij B O x 2 2 x (7.59) i v ij x 2 v ij B s j v ij V s(s ij ) 2 x 2 x Die Diffusionsterme sind proportional zur Segmentlänge x und zu den zweiten Ableitungen der Dichte oder der Geschwindigkeit. Die numerische Diffusion ist um so geringer, je kleiner x gewählt wird. 8 Simulation von Autobahnverkehr Eine Simulation von Verkehrsabläufen in den Fahrbahnabschnitten eines Autobahnnetzes ergibt sich durch die Implementierung der numerischen Umsetzung einer Modellierung der Verkehrsabläufe. Die Simulation unterstützt den Verkehrsingenieur bei Untersuchungen von Verkehrssituationen im Autobahnnetz und der Entwicklung von Handlungsempfehlungen für verkehrsabhängige Beeinflussungen von Verkehrsabläufen. Inwieweit eine Simulation des Verkehrsverhaltens korrekt beziehungsweise für eine Verkehrsaufgabe geeignet ist, lässt sich durch eine qualitative und eine quantitative Untersuchung der Simulation ermitteln. In der qualitativen Untersuchung einer Simulation von Verkehrsabläufen wird geprüft, inwieweit mit der zugehörigen Verkehrsmodellierung typische Verkehrssituationen wiedergegeben werden können. Hierzu wird in einer idealisierten Testkonfiguration das Verhalten der Simulation auf Störungen bei unterschiedlichen Verkehrsdichten betrachtet. Diese Störungsanalyse dient neben der Identifikation von Verkehrsphänomenen insbesondere dem Vergleich von Einflüssen unterschiedlicher Parameter der Bestimmungsgleichungen und ihrer numerischen Umsetzung. In der quantitativen Untersuchung einer Simulation von Verkehrsabläufen werden Simulationsergebnisse mit entsprechenden Messergebnissen verglichen. Der Vergleich dient zur Prüfung der Korrektheit der Beschreibung, der Modellierung und der numerischen Umsetzung der zugehörigen Verkehrsmodellierung. Ist es durch Änderungen der Modellparameter nicht möglich, die Kenngrößen der Simulationsergebinsse mit den Kenngrößen korrekter Messergebnisse in Einklang zu bringen, so ist gegebenenfalls die numerische Umsetzung, die mathematische Modellierung oder die Beschreibung der Verkehrsmodellierung zu ändern. Im ersten Abschnitt dieses Kapitels werden die in den vorherigen Kapiteln erläuterten mikro–, makro– und mesoskopischen Verkehrsmodellierungen sowie deren numerische Umsetzung anhand einer Störungsanaylse der entsprechenden Simulationen untersucht. Im zweiten Abschnitt erfolgt ein Vergleich von Simulationsergebnissen der makroskopischen und mesoskopischen Modellierung mit den Ergebnissen aus Messungen von Verkehrsabläufen auf einem Fahrbahnabschnitt der Bundesautobahn A5 bei Frankfurt am Main, die auch in einem vor kurzem abgeschlossenen Projekt verwendet wurden [26]. 130 8 Simulation von Autobahnverkehr 8.1 Störungsanalyse Die Störungsanalyse einer Simulation von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes entspricht einer Untersuchung der Auswirkungen einer kleinen Störung auf einem ungestörten Verkehrszustand in den Verkehrsabläufen. Ein ungestörter Verkehrszustand ist der Gleichgewichtszustand der mikroskopischen, makroskopischen oder mesoskopischen Verkehrsmodellierung, wie er in den Abschnitten 4.4, 5.4 und 6.2 erläutert wurde. Für einen Gleichgewichtszustand lässt sich eine analytische Lösung bestimmen. Die numerische Bestimmung dieser Lösung muss zu einer Simulation genau dieses Zustands führen. Eine kleine Störung in einem Verkehrsablauf kann eine lokale oder eine globale Störung sein. Eine lokale Störung verändert die Zustandsgrößen des Verkehrsablaufs in einem räumlich begrenzten Bereich des Fahrbahnabschnitts. Eine globale Störung verändert die Zustandsgrößen des Verkehrsablaufs über den gesamten Fahrbahnabschnitt. Für die Untersuchung der in den Kapiteln 4, 5 und 6 beschriebenen Verkehrsmodellierungen wird eine Störungsanalyse der entsprechenden Simulationen anhand einer Testkonfiguration durchgeführt. 8.1.1 Testkonfiguration Die Testkonfiguration ist eine Kreisringfahrbahn mit einem Fahrstreifen, auf die nacheinander Verkehrsabläufe mit unterschiedlich vielen Kraftfahrzeugen beziehungsweise unterschiedlich hohen Gesamtdichten aufgebracht werden. Der Anfangszustand der Verkehrsabläufe ist der Gleichgewichtszustand der untersuchten Verkehrsmodellierung ohne Störung oder mit einer lokalen beziehungsweise globalen Störung. x0 a) v0 0 b) x0xn v0 0 c) v0 0 L xn (x, 0) v (x, 0) x (x, 0) v (x, 0) x (x, 0) v (x, 0) x Abbildung 8.1: Anfangszustand für die Störungsanalyse eines makroskopisch modellierten Verkehrsablaufs auf einer Ringfahrbahn a) ohne Störung, b) mit einer lokalen Störung und c) mit einer globalen Störung 8.1 Störungsanalyse 131 Diese Testkonfiguration tritt in der Realität nicht auf, sie ist jedoch ideal für eine qualitative Untersuchung. Ihre Ringstruktur bietet den Vorteil, keine Randbedingungen in der Modellierung berücksichtigen zu müssen. Randbedingungen beeinflussen den Verkehrsablauf in einem Fahrbahnabschnitt. Durch die Ringstruktur kann das Verhalten der simulierten Verkehrsabläufe ohne ungewollte Einflüsse von außen untersucht werden. Anfangszustand Der Anfangszustand der Störungsanalyse wird durch Anfangsbedingungen festgelegt. Für eine makroskopische oder mesoskopische Verkehrssimulation wird die Dichte (x, t 0) an jedem Ort x der Ringfahrbahn zum Anfangszeitpunkt t 0 vorgegeben. Für eine mikroskopische Verkehrssimulation wird die Position x a (t 0) jedes Kraftfahrzeugs a auf der Ringfahrbahn zum Anfangszeitpunkt t 0 vorgegeben. Die Position x a (t 0) eines Kraftfahrzeugs a ergibt sich aus dem Integral der Dichte (x, t 0) über den Abstand von einem Kraftfahrzeug 0 am Ort x 0 (t 0) bis zum Kraftfahrzeug a: x a (t 0) a ( x, t 0) dx (8.1) x 0 (t 0) Die Anfangsbedingungen für die Dichten (x, t 0) unterscheiden sich entsprechend der gewählten Störung. Sie entsprechen ohne Störung (Abbildung 8.1 a) einer homogenen Dichteverteilung im Ring mit der Gesamtdichte : (x, t 0) (8.2) Eine lokale Störung (Abbildung 8.1 b) entspricht einer homogenen Dichteverteilung mit einer kontinuierlichen Dichteänderung im begrenzten Bereich um einen Ort x st. Die Amplitude 10 kfzkm der x st 100 m breiten Dichteänderung teilt sich in einen w 33.3 m breiten positiven und einen w 66.7 m breiten negativen Anteil: 2x x st x2 w x x st x2 2 (x, t 0) cosh w cosh w w st st (8.3) Eine globale Störung (Abbildung 8.1 c) entspricht einer sinusförmigen Dichteverteilung um die Gesamtdichte mit einer Amplitude von 2 kfzkm: (x, t 0) sin (2 x L) (8.4) Die Geschwindigkeit v (x, t 0) an jedem Ort x der Ringfahrbahn zum Anfangszeitpunkt t 0 ist in einer makroskopischen Verkehrssimulation die Geschwindigkeit V, die sich aus einer Geschwindigkeits–Dichte–Relation für die Dichte (x, t 0) ergibt: v (x, t 0) V (x, t 0) (8.5) 132 8 Simulation von Autobahnverkehr In einer mesoskopischen Verkehrssimulation ist die Geschwindigkeit v (x, t 0) die Geschwindigkeit V s, die sich aus einer Geschwindigkeits–Abstands–Relation für den Abstand s (x, t 0) nach Gleichung (6.1) ergibt: v (x, t 0) V ss (x, t 0) (8.6) In einer mikroskopischen Verkehrssimulation ist die Geschwindigkeit v a (t 0) eines Kraftfahrzeugs a auf der Ringfahrbahn zum Anfangszeitpunkt t 0 die Geschwindigkeit V s, die sich aus einer für alle Kraftfahrzeuge gleichen Geschwindigkeits–Abstands–Relation für den Abstand x a (t 0) x b (t 0) x a (t 0) zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug b ergibt: v a (t 0) Vs x a (t 0) (8.7) Für jede Simulation einer Testkonfiguration bezüglich einer Anfangsbedingung wird die Gesamtdichte von zunächst 10 kfzkm bis auf 60 kfzkm erhöht. Dies entspricht 100 bis 600 Kraftfahrzeugen auf einer 10 km langen Ringfahrbahn. 8.1.2 Mikroskopische Verkehrsmodellierung Die Untersuchung mikroskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes mit Hilfe einer Störungsanalyse wird exemplarisch anhand von Berechnungen der Testkonfiguration mit einem mikroskopischen Simulationsprogramm durchgeführt. Das Simulationsprogramm ergibt sich aus der Implementierung der numerischen Umsetzung der Bestimmungsgleichungen (4.1), (4.2) und (4.9) mit einem expliziten Euler–Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.2. Die Testkonfiguration wird für ungestörte Verkehrsabläufe und lokal gestörte Verkehrsabläufe untersucht. Simulation ungestörter Verkehrsabläufe Mit der mikroskopischen Simulation von Verkehrsabläufen, die sich aus einem ungestörten Anfangszustand entwickeln, wird geprüft, ob der Gleichgewichtszustand der mikroskopischen Verkehrsmodellierung korrekt simuliert werden kann. Der Gleichgewichtszustand ist korrekt wiedergegeben, wenn sich der ungestörte Anfangszustand in der Simulation für einen beliebig langen Simulationszeitraum nicht ändert. Die Testkonfiguration wird mit dem mikroskopischen Simulationsprogramm für die Anfangsbedingungen (8.1), (8.2) und (8.7) berechnet. Dabei zeigen sich mit einer beliebigen Wahl der Modellparameter für unterschiedlich viele Kraftfahrzeuge auf der Ringfahrbahn keine Änderungen im Zustand des simulierten Verkehrsablaufs. Die numerische Umsetzung der mikroskopischen Bestimmungsgleichungen durch das Euler–Zeitschrittverfahren und ihre Implementierung liefert die erwartete Lösung. Für den Fall des Gleichgewichtszustands ist die numerische und programmtechnische Umsetzung korrekt. 8.1 Störungsanalyse 133 Simulation lokal gestörter Verkehrsabläufe Mit der mikroskopischen Simulation von Verkehrsabläufen, die sich aus einem lokal gestörten Anfangszustand entwickeln, lässt sich das Verhalten der Kraftfahrzeuge als direkte Reaktion auf eine lokale Störung untersuchen. Die Testkonfiguration wird mit dem mikroskopischen Simulationsprogramm für 100 bis 600 Kraftfahrzeuge auf der Ringfahrbahn mit einem Umfang von L 10 km über eine halbe Stunde berechnet. Hierzu werden die Anfangsbedingungen (8.1), (8.3) und (8.7) sowie folgende Modellparameter berücksichtigt: Dauer eines Zeitschritts: t 0.1 s Länge eines Kraftfahrzeugs l 6.25 m mittlere Wunschgeschwindigkeit: v 0 110 kmh Anpassungszeit an v 0: 08s Geschwindigkeits–Abstands–Relation: V s (x a ) nach Gleichung (4.21) Anpassungszeit an V s (x a ): s8s Proportionalitätsfaktor im Bremsterm: 12 (8.8) Das simulierte Verhalten der Verkehrsabläufe lässt sich für mikroskopische Verkehrsmodellierungen durch die Bewegungslinien der Kraftfahrzeuge in einem Ort–Zeit–Diagramm darstellen. In Abbildung 8.2 sind die Ort–Zeit–Diagramme für 100 bis 600 Kraftfahrzeuge auf der Ringfahrbahn dargestellt. Bei bis zu 150 Kraftfahrzeugen auf der Ringfahrbahn ändert sich der Anfangszustand des Verkehrsablaufs nicht (Abbildung 8.2 a). Die Kraftfahrzeuge fahren in großen Abständen zueinander mit der Wunschgeschwindigkeit v 0. Der Zustand dieses freien Verkehrsablaufs entspricht dem Gleichgewichtszustand der mikroskopischen Modellierung. Bei ungefähr 200 Kraftfahrzeugen auf der Ringfahrbahn entsteht aus der Störung ein Stau (Abbildung 8.2 b). Er besteht aus einem schmalen Bereich mit vielen direkt hintereinander stehenden Kraftfahrzeugen und einem breiter werdenden Bereich mit wenigen Kraftfahrzeugen. Der schmale Staubereich bewegt sich mit einer nahezu konstanten Geschwindigkeit gegen die Fahrtrichtung. Bei mehr als 250 Kraftfahrzeugen auf der Ringfahrbahn entstehen aus der Störung zahlreiche aufeinander folgende kurze Staus (Abbildung 8.2 c, d). Ein Kraftfahrzeug muss daher mehrmals nacheinander stehen bleiben und beschleunigen. Diese kurzen Staus lassen sich als Stop–and–Go–Wellen interpretieren. Bei ungefähr 500 Kraftfahrzeugen auf der Ringfahrbahn entsteht aus der Störung ein breiter Stau (Abbildung 8.2 e) und bei mehr als 500 Kraftfahrzeugen entstehen aus der Störung unzählige unterschiedliche kurze und breite Staus (Abbildung 8.2 f). Alle entstandenen Verkehrsphänomene lösen sich bei Simulationszeiten von über einer halben Stunde nicht auf. Sie erreichen vielmehr einen Zustand, der sich unverändert mit gleichbleibender Geschwindigkeit gegen die Fahrtrichtung bewegt. 134 8 Simulation von Autobahnverkehr 100 Kraftfahrzeuge b) 200 Kraftfahrzeuge 30 30 25 25 20 20 t [min] t [min] a) 15 10 5 15 10 5 0 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 x [km] 300 Kraftfahrzeuge d) 400 Kraftfahrzeuge 30 30 25 25 20 20 t [min] t [min] c) 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 x [km] 15 10 15 10 5 5 0 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 x [km] 500 Kraftfahrzeuge f) 600 Kraftfahrzeuge 30 30 25 25 20 20 t [min] t [min] e) 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 x [km] 15 10 5 15 10 5 0 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 x [km] 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 x [km] Abbildung 8.2: Bewegungslinien von jedem zehnten Kraftfahrzeug auf der Ringfahrbahn in der mikroskopischen Simulation für die Testkonfiguration mit den Modellparametern nach (8.8) 8.1 Störungsanalyse 135 Die Anpassungszeit s hat einen Einfluss auf die Ausprägung der Verkehrsphänomene. Eine längere Anpassung an die Geschwindigkeits–Abstands–Relation führt zur Verzögerung in der Entstehung und der Bewegung der Verkehrsphänomene. Dies wird im Vergleich der Ergebnisse aus Simulationen derselben Testkonfiguration mit unterschiedlichen Anpassungszeiten von s 2 s bis s 8 s deutlich. Bei einer längeren Anpassungszeit ist die Geschwindigkeit eines Staus langsamer und der Stau ist breiter. Darüber hinaus entstehen die Stop–and–Go–Wellen langsamer und weniger zahlreich. 25 25 20 20 t [min] b) 30 t [min] a) 30 15 10 5 15 10 5 0 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 x [km] 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 x [km] Abbildung 8.3: Vergleich unterschiedlicher Anpassungszeiten in der mikroskopischen Simulation: Bewegungslinien jedes zehnten von 300 Kraftfahrzeugen mit s 4 s (a) und s 8 s (b) sowie den übrigen Modellparametern nach (8.8) Die Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (x a ) beeinflusst das Entstehen von Verkehrsphänomenen. Dies wird im Vergleich der Ergebnisse aus Simulationen derselben Testkonfiguration mit unterschiedlichen Ansätzen für V s (x a ) deutlich. Der lineare Ansatz (4.21) hat zu den bereits beobachteten Verkehrsphänomenen geführt (Abbildung 8.2). Ansätze, die auf Geschwindigkeits–Dichte–Relationen (4.24) aufbauen, können aufgrund der großen Vielfalt der Formulierungen zu völlig unterschiedlichen Verkehrsphänomenen führen. Wird zum Beispiel der Ansatz nach Helbing und Treiber (5.23) gewählt, ändern sich im Gegensatz zum linearen Ansatz (4.21) die Gesamtdichten, bei denen bestimmte Verkehrsphänomene entstehen (Abbildung 8.4). Mit dem Ansatz (5.23) tritt der freie Verkehrsablauf bei bis zu 150 Kraftfahrzeugen und der Stau bei etwa 200 Kraftfahrzeugen auf der Ringfahrbahn noch analog zum linearen Ansatz auf. Bei 300 Kraftfahrzeugen hat sich jedoch bereits ein breiter Stau gebildet, während die mit dem linearen Ansatz zahlreich entstandenen Stop–and–Go–Wellen kaum vorhanden sind. Bereits bei 400 Kraftfahrzeugen entsteht eine Kombination von Verkehrsphänomenen, die mit dem linearen Ansatz erst ab 600 Kraftfahrzeugen entstehen. Solche Unterschiede in der Entstehung der Verkehrsphänomene lassen sich schon bei Änderungen von Parametern einer Geschwindigkeits–Abstands–Relation beobachten. 136 8 Simulation von Autobahnverkehr 100 Kraftfahrzeuge b) 200 Kraftfahrzeuge 30 30 25 25 20 20 t [min] t [min] a) 15 10 5 15 10 5 0 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 x [km] 300 Kraftfahrzeuge d) 400 Kraftfahrzeuge 30 30 25 25 20 20 t [min] t [min] c) 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 x [km] 15 10 15 10 5 5 0 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 x [km] 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 x [km] Abbildung 8.4: Bewegungslinien von jedem zehnten Kraftfahrzeug auf der Ringfahrbahn für die Testkonfiguration mit der Geschwindigkeits–Abstands–Relation V sa (x a ) V (1x a ) nach (5.23) und den übrigen Modellparametern nach (8.8) Die Länge t der Zeitintervalle beeinflusst die Ausprägung der Verkehrsphänomene. So treten bei längeren Zeitintervallen mehr kurze Stauwellen auf. Dies liegt in der Behandlung des Approximationsfehlers im expliziten Zeitschrittverfahren begründet. Bei großen Zeitintervallen ist der Approximationsfehler groß und die in Abschnitt 7.2.2 beschriebene Fehlerbehandlung zur Vermeidung negativer Geschwindigkeiten wird oft wirksam. Durch die vielen Stopps der Kraftfahrzeuge entstehen zahlreiche Stauwellen. Der Einfluss des Proportionalitätsfaktors im Bremsterm wurde bereits im Abschnitt 4.1.1 erläutert. Der Einfluss der Heaviside–Funktion wurde durch ihre Anwendung sowohl in Form einer Sprungfunktion (4.10) als auch in Form einer kontinuierlichen Übergangsfunktion (4.11) getestet. Für die Testkonfiguration mit den ansonst gleichen Modellparametern ergaben sich keine nennenswerte Unterschiede. 8.1 Störungsanalyse 137 Beurteilung Die Störungsanalyse für die mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes hat gezeigt, dass die numerische Umsetzung der mikroskopischen Bestimmungsgleichungen (4.1), (4.2) und (4.9) mit einem expliziten Euler–Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.2 in der Lage ist, Verkehrsphänomene wiederzugeben. Aus einer lokalen Störung konnten bei entsprechender Anzahl der Kraftfahrzeuge auf der Ringfahrbahn bewegte Staus, Stop–and–Go–Wellen und breite Staus simuliert werden. Die numerische und programmtechnische Umsetzung mit einem expliziten Zeitschrittverfahren ist im Gleichgewichtszustand eines mikroskopischen Verkehrsablaufs korrekt. Aussagen über ihre Korrektheit für die übrigen Zustände des Verkehrsablaufs können nicht getroffen werden. Der entscheidende Parameter der mikroskopischen Verkehrsmodellierungen ist die Geschwindigkeits–Abstands–Relation. Während die übrigen Parameter für die quantitative Ausprägung eines eventuell auftretenden Verkehrsphänomens wichtig sind, kann mit der Geschwindigkeits–Abstands–Relation das Auftreten der Verkehrsphänomene selbst beeinflusst werden. Die quantitative Ausprägung eines Verkehrsphänomens kann aufgrund der fehlenden analytischen Lösung nicht bestimmt werden. 8.1.3 Makroskopische Verkehrsmodellierung Die Untersuchung makroskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes mit Hilfe einer Störungsanalyse wird exemplarisch anhand von Berechnungen der Testkonfiguration mit einem makroskopischen Simulationsprogramm durchgeführt. Das Simulationsprogramm ergibt sich aus der Implementierung der numerischen Umsetzung der Bestimmungsgleichungen (5.2) und (5.7) mit einem Finite–Elemente–Verfahren und einem geschwindigkeitsabhängigen Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.3. Das Finite–Elemente–Verfahren ist ein Upwind–Petrov– Galerkin–Verfahren. Die Testkonfiguration wird für ungestörte, lokal gestörte und global gestörte Verkehrsabläufe untersucht. Simulation ungestörter Verkehrsabläufe Zur Simulation ungestörter Verkehrsabläufe wird die Testkonfiguration mit dem makroskopischen Simulationsprogramm für die Anfangsbedingungen (8.1), (8.2) und (8.5) berechnet. Dabei zeigen sich mit einer beliebigen Wahl der Modellparameter für unterschiedliche Gesamtdichten keine Änderungen im Zustand des simulierten Verkehrsablaufs. Die numerische Umsetzung der makroskopischen Bestimmungsgleichungen durch das Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahren, das Zeitschrittverfahren und ihre Implementierung liefert die erwartete Lösung. Für den Fall des Gleichgewichtszustands ist die numerische und programmtechnische Umsetzung korrekt. 138 8 Simulation von Autobahnverkehr Simulation lokal gestörter Verkehrsabläufe Zur Simulation lokal gestörter Verkehrsabläufe wird die Testkonfiguration mit dem makroskopischen Simulationsprogramm für Gesamtdichten von 10 kfzkm bis auf 60 kfzkm auf der Ringfahrbahn mit einem Umfang von L 30 km für eine halbe Stunde berechnet. Hierzu werden die Anfangsbedingungen (8.3) und (8.5) sowie folgende Modellparameter berücksichtigt: Länge eines Fahrbahnsegments: x 20 m maximal mögliche Verkehrsdichte: max 175 kfzkm mittlere Wunschgeschwindigkeit: v 0 130 kmh Geschwindigkeits–Dichte–Relation: V () nach Gleichung (5.22) Anpassungszeit: 6s Ausbreitungsgeschwindigkeit: c 0 13 ms Viskositätskonstante: 60 ms (8.9) Die Länge t der Zeitintervalle ergibt sich aus der geschwindigkeitsabhängigen Zeitschrittsteuerung. Die Intervalle unterscheiden sich somit in jedem Zeitschritt. Sie halten in jedem Fall das Courant–Kriterium (7.40) der Stabilität ein. Die Modellparameter stimmen prinzipiell mit den Parametern der in [51] beschriebenen Simulationen von Kerner und Konhäuser überein. Kerner und Konhäuser verwenden zur numerischen Umsetzung derselben mathematischen Modellierung abweichend ein Finite–Differenzen–Verfahren und ein implizites Eulerverfahren in Form eines Keller– Box–Schemas [49]. Ihre Ergebnisse können mit dem Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahren und dem expliziten zeitschrittgesteuerten Euler–Verfahren reproduziert werden. Bei der Simulation treten außer den in der Modellierung begründeten Stop–and–Go–Wellen im Bereich mittlerer Dichten keine Oszillationen mit dem Upwind–Petrov–Galerkin– Verfahren auf. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass die steilen Gradienten beispielsweise für einen Staufront numerisch schwer zu beherrschen sind. Der Ausgleich zwischen dem zu Schwingung neigenden Galerkin–Anteil und dem glättenden Anteil ist daher für die untersuchte makroskopische Modellierung gelungen. Das simulierte Verhalten der Verkehrsabläufe bei einer gegebenen Gesamtdichte auf der Ringfahrbahn lässt sich für makroskopische Verkehrsmodellierungen durch den Verlauf einer Kenngröße in einem Ort–Zeit–Diagramm darstellen. In den Abbildungen 8.5 bis 8.8 sind die Ort–Zeit–Diagramme mit zweidimensionalen Verläufen der Dichte und der Geschwindigkeit für Gesamtdichten von 10 kfzkm bis 60 kfzkm auf der Ringfahrbahn dargestellt. Um einen Eindruck von der Größenordnung der genauen Verläufe zu bekommen, sind in den Abbildung 8.5 bis 8.8 zusätzlich räumliche Schnitte zu ausgewählten Zeitpunkten dargestellt. 8.1 Störungsanalyse 139 Bei geringen Dichten 15 kfzkm sowie bei hohen Dichten 60 kfzkm verschwindet die Störung bereits nach wenigen Minuten (Abbildung 8.5). Der Verkehrsablauf befindet sich in seinem Gleichgewichtszustand mit den konstanten Größen und v V () über den gesamten Fahrbahnabschnitt. 150 [kfzkm] [kfzkm] 100 50 t [min] 0 0 10 20 x [km] x [km] 30 Abbildung 8.5: Dichteverlauf der makroskopischen Simulation für die Testkonfiguration mit den Modellparametern nach (8.9) bei 10 kfzkm Bei geringen mittleren Dichten um 25 kfzkm entsteht aus der Störung ein Stau (Abbildung 8.6). Er besteht aus einem schmalen Bereich sehr hoher Dichte, einem breiter werdenden Bereich niedriger Dichte und einem Übergangsbereich zum unbeeinflussten Verkehrsablauf der Dichte . Die entsprechende Geschwindigkeit ist im Stau fast null. Der Stau bewegt sich in Fahrtrichtung. a) b) t x c) [kfzkm] 150 100 50 0 0 10 20 x [km] v [kmh] v t x 100 50 0 0 10 20 x [km] [kfzkm] 150 100 50 0 30 0 10 20 x [km] 30 v [kmh] 100 50 0 30 0 10 20 x [km] 30 Abbildung 8.6: Dichte und Geschwindigkeit der makroskopischen Simulation bei 25 kfzkm: zeitlicher Verlauf (a), zur Zeit t 3 min (b) und t 11 min (c) 140 8 Simulation von Autobahnverkehr Bei mittleren Dichten zwischen 35 kfzkm und 50 kfzkm entsteht aus der Störung ein Bereich, in dem der Verkehrsablauf instabil wird (Abbildungen 8.7). Dieser instabile Bereich, der sich im Laufe der Simulation über die gesamte Ringfahrbahn ausbreitet, lässt sich als Stop–and–Go–Wellen interpretieren. Bei höheren mittleren Dichten entstehen die Wellen regelmäßiger als bei niedrigeren mittleren Dichten. a) b) c) x [kfzkm] 150 100 50 0 0 10 20 x [km] v [kmh] 150 100 50 0 30 0 10 20 x [km] x [kfzkm] 150 100 50 0 0 10 20 x [km] v [kmh] 150 100 50 0 30 0 10 20 x [km] t t 30 30 Abbildung 8.7: Dichte der makroskopischen Simulation bei 37.5 kfzkm und 50 kfzkm: zeitlicher Verlauf (a), zur Zeit t 11 min (b) und t 30 min (c) Bei hohen mittleren Dichten um 56 kfzkm entsteht aus der Störung ein breiter Stau (Abbildung 8.8). Er besitzt einen Bereich konstanter niedriger Dichte in Fahrtrichtung gefolgt von einem Bereich sehr hoher Dichte . Beide Bereiche, beziehungsweise Schichten, werden im Laufe der Zeit breiter. a) b) t x [kfzkm] 150 100 50 0 0 10 20 x [km] c) [kfzkm] 150 100 50 0 30 0 10 20 x [km] 30 Abbildung 8.8: Dichte der makroskopischen Simulation bei 56.25 kfzkm: zeitlicher Verlauf (a), zum Zeitpunkt t 11 min (b) und t 30 min (c) Die entstandenen Phänomene lösen sich nicht auf, sondern erreichen einen Zustand, der sich unverändert mit gleichbleibender Geschwindigkeit gegen die Fahrtrichtung bewegt. 8.1 Störungsanalyse 141 Die Viskosität hat einen glättenden Einfluss auf die makroskopische Modellierung. Dies wird im Vergleich der Ergebnisse aus Simulationen derselben Testkonfiguration mit unterschiedlichen Viskositätskonstanten von 60 ms auf 10 ms deutlich. Die Staus (Abbildung 8.9 a) und breiten Staus (Abbildung 8.9 c) sind mit 10 ms schmaler und steiler als mit 60 ms. Sie entstehen früher, so dass bei einer geringen Viskosität häufiger Staus auftreten. Die Anzahl auftretender Stop–and–Go–Wellen (Abbildung 8.9 b) bei mittleren Dichten ist bei einer geringeren Viskosität sehr viel größer. Mit einer Verringerung der Viskositätskonstante auf 0 werden bei der Entstehung der Verkehrsphänomene die Gradienten so steil, dass die Simulation abbricht. Der Grund hierfür ist der, dass sich in den Zustandsverläufen ein Sprung bildet. Unstetige Funktionen gehören nicht zum Wertebereich von kontinuierlichen Modellierungen und erzeugen daher Fehler. Mathematische Modellierungen ohne Diffusionsanteile sind aus diesem Grund mit dem Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahren numerisch nicht umsetzbar. a) b) c) t t x x x t t x t x t x Abbildung 8.9: Vergleich unterschiedlicher Viskosität: Dichteverläufe von 25 kfzkm (a), 50 kfzkm (b) und 56.25 kfzkm (c) jeweils für 60 ms (oben) und 10 ms (unten) bei 6 s. Die Anpassungszeit hat einen verzögernden Einfluss auf die makroskopische Modellierung. Eine längere Anpassung der Geschwindigkeit v an die Geschwindigkeits–Dichte– Relation führt zur Verzögerung in der Entstehung von Verkehrsphänomenen. Dies wird im Vergleich der Ergebnisse aus Simulationen derselben Testkonfiguration mit unterschiedlichen Anpassungszeiten von 6 s auf 35 s deutlich. Die Entwicklung eines Staus (Abbildung 8.10 a) und eines breiten Staus (Abbildung 8.10 c) beginnt bei einer längeren Anpassungszeit später. Die bei mittleren Dichten entstehenden Stop–and–Go– Wellen (Abbildung 8.10 b) sind breiter und haben weichere Übergänge. 142 8 Simulation von Autobahnverkehr a) b) c) t t x x x t x t t x t x Abbildung 8.10: Vergleich unterschiedlicher Anpassungszeiten: Dichteverläufe von 25 kfzkm (a), 37.5 kfzkm (b) und 56.25 kfzkm (c) jeweils für 6 s (oben) und 35 s (unten) bei 60 ms. Die Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () beeinflusst das Entstehen der Verkehrsphänomene. Dies wird im Vergleich der Ergebnisse aus Simulationen derselben Testkonfiguration mit unterschiedlichen Ansätzen für V () deutlich. Polynominale Ansätze führen in vielen Fällen zu unbefriedigenden Ergebnissen. Wesentliche Verkehrsphänomene treten gar nicht oder erst bei unrealistisch hohen Dichten auf. Potenzielle und exponentielle Ansätze haben zusätzlich zu max und v 0 zwei weitere Parameter. Bei geeigneter Wahl der Parameter ergeben sich die bereits beobachteten Verkehrsphänomene (Abbildung 8.11 oben). Der Ansatz nach Helbing und Treiber (5.23) hat zusätzlich zu max und v 0 fünf weitere Parameter. Mit der exemplarischen Wahl von T 2 s, A 0 0.008, A 0.02, c 0.27 max und 0.05 max ändern sich im Gegensatz zum exponentiellen Ansatz (5.22) die Gesamtdichten, bei denen die betrachteten Verkehrsphänomene entstehen (Abbildung 8.11 unten). Solche Unterschiede in der Ausprägung der Verkehrsphänomene lassen sich auch bereits bei Änderungen der Parameter einer Geschwindigkeits–Dichte–Relation beobachten. Die Länge x der Segmente beeinflusst die Ausprägung der entstehenden Verkehrsphänomene. So können beim Auftreten einer Staufront mit längeren Segmenten unnatürliche Oszillationen am oberen oder am unteren Ende der Staufront entstehen. Diese Oszillationen sind auf den Approximationsfehler, der durch die Segmentlänge x hervorgerufen wird, zurückzuführen. Bei kleineren Segmentlängen x treten keine Oszillationen auf. 8.1 Störungsanalyse 143 a) b) c) t t x t x x t x t x t x Abbildung 8.11: Vergleich unterschiedlicher Geschwindigkeits–Dichte–Relationen: Dichteverläufe von 25 kfzkm (a), 37.5 kfzkm (b) und 50 kfzkm (c) für die exponentielle Geschwindigkeits–Dichte–Relation (oben) und die Geschwindigkeits–Dichte–Relation nach Helbing und Treiber (unten). Simulation global gestörter Verkehrsabläufe Mit der makroskopischen Simulation von Verkehrsabläufen, die sich aus einem global gestörten Anfangszustand entwickeln, lässt sich das Verhalten der anfänglich nahezu homogenen Verkehrsabläufe simulieren und untersuchen, aus dem sich nach längerer Zeit scheinbar unbegründet Verkehrsphänomene bilden können. Zu diesen Verkehrsphänomenen zählt beispielsweise der sogenannte “Stau aus dem Nichts”. Die Testkonfiguration wird mit dem makroskopischen Simulationsprogramm für Gesamtdichten von 10 kfzkm bis auf 60 kfzkm auf der Ringfahrbahn mit einem Umfang von L 20 km über drei Stunden berechnet. Hierzu werden die Anfangsbedingungen (8.4) und (8.5) sowie folgende Modellparameter berücksichtigt: Länge eines Fahrbahnsegments: x 100 m maximal mögliche Verkehrsdichte: max 160 kfzkm mittlere Wunschgeschwindigkeit: v 0 110 kmh Geschwindigkeits–Dichte–Relation: V () nach Gleichung (5.22) Anpassungszeit: 35 s Ausbreitungsgeschwindigkeit: c 0 13 ms Viskositätskonstante: 35 ms Die Länge t der Zeitintervalle ergibt sich aus der Zeitschrittsteuerung. (8.10) 144 8 Simulation von Autobahnverkehr Die Ergebnisse der Simulation der Testkonfiguration mit diesen Parametern sind für verschiedene Gesamtdichten in Abbildung 8.12 dargestellt. Sie zeigen bei ähnlichen Gesamtdichten bis auf eine Verzögerung in ihrer Entstehung qualitativ dieselben Verkehrsphänomene wie bei einer lokalen Störung: Bei den Gesamtdichten 10 kfzkm und 20 kfzkm klingt die Anfangsstörung mit der Zeit ab. Bei der Gesamtdichte 30 kfzkm entwickelt sich aus der Anfangsstörung ein Stau, der sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit gegen die Fahrtrichtung stationär bewegt. Bei der Gesamtdichte 40 kfzkm entwickelt sich aus der Anfangsstörung ein breiter und ein schmaler Stau, die sich zunächst mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegen und dann zu einem Stau vereinigen. Für etwas andere Gesamtdichten als 40 kfzkm können auch Stop–and–Go–Wellen simuliert werden. Bei der Gesamtdichte 50 kfzkm entwickelt sich aus der Anfangsstörung ein breiter Stau mit einem Niveau hoher Dichte und einem vorangehenden Niveau niedriger Dichte. Bei der Gesamtdichte 60 kfzkm klingt die Anfangsstörung schnell ab. a) b) c) t t x x d) x e) f) t x t t x t x Abbildung 8.12: Dichteverläufe der makroskopischen Simulation für die Testkonfiguration mit den Modellparametern nach (8.10) bei 10, 20, 30 kfzkm (a bis c) und 40, 50, 60 kfzkm (d bis f). Die Verkehrsphänomene treten bei ähnlichen Gesamtdichten sowohl mit einer lokalen als auch mit einer globalen Anfangsstörung auf. Aus einer globalen Anfangsstörung entsteht nach einiger Zeit von etwa 10 bis 30 min mindestens eine lokale Störung, die sich entsprechend der Gesamtdichte zu einem Verkehrsphänomen ausweitet. Die Testkonfiguration mit derselben Anfangsbedingung und ähnlichen Parametern wurde in [26] auch mit anderen makroskopischen Verkehrsmodellierungen simuliert. Alle zeigten bei gleichen Gesamtdichten qualitativ dieselben Verkehrsphänomene. Makroskopische 8.1 Störungsanalyse 145 Verkehrsmodellierungen eignen sich somit generell für die Simulation von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt einer Autobahn. Die quantitativen Unterschiede zwischen den unterschiedlichen makroskopischen Modellierungen sind signifikant. Ohne analytische Lösung lässt sich nicht sagen, welche quantitative Ausprägung die beste ist. Beurteilung Die Störungsanalyse für die makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt einer Autobahn hat gezeigt, dass die numerische Umsetzung der makroskopischen Bestimmungsgleichungen (5.2) und (5.7) mit einem Finite–Elemente– Verfahren und einem geschwindigkeitsabhängigen Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.3 in der Lage ist, Verkehrsphänomene wiederzugeben. Sowohl aus einer lokalen Störung als auch aus einer globalen Störung konnten bei entsprechenden Gesamtdichten bewegte Staus, Stop–and–Go–Wellen und breite Staus simuliert werden. Die numerische und programmtechnische Umsetzung mit dem Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahren und der geschwindigkeitsabhängigen Zeitschrittsteuerung ist im Gleichgewichtszustand eines Verkehrsablaufs korrekt. Ihre Korrektheit für die übrigen Zustände eines Verkehrsablaufs ist aufgrund eines Vergleichs mit einer anderen numerischen Umsetzung in [51], die zu den gleichen Ergebnissen führt, anzunehmen. Der entscheidende Parameter der makroskopischen Verkehrsmodellierungen ist die Geschwindigkeits–Dichte–Relation. Während die übrigen Parameter für die quantitative Ausprägung eines eventuell auftretenden Verkehrsphänomens wichtig sind, kann mit der Geschwindigkeits–Dichte–Relation das Auftreten der Verkehrsphänomene selbst beeinflusst werden. Die quantitative Ausprägung eines Verkehrsphänomens kann aufgrund der fehlenden analytischen Lösung nicht bestimmt werden. 8.1.4 Mesoskopische Verkehrsmodellierung Die Untersuchung mesoskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes mit Hilfe einer Störungsanalyse wird exemplarisch anhand von Berechnungen der Testkonfiguration mit einem mesoskopischen Simulationsprogramm durchgeführt. Das Simulationsprogramm ergibt sich aus der Implementierung der numerischen Umsetzung der Bestimmungsgleichungen (6.1), (6.3), (6.16) und (6.17) mit einem Finite–Differenzen–Verfahren und einem expliziten Euler–Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.4. Die Testkonfiguration wird für ungestörte Verkehrsabläufe und global gestörte Verkehrsabläufe untersucht. Simulation ungestörter Verkehrsabläufe Zur Simulation ungestörter Verkehrsabläufe wird die Testkonfiguration mit dem mesoskopischen Simulationsprogramm für die Anfangsbedingungen (8.1), (8.2) und (8.6) berechnet. Dabei zeigen sich mit einer beliebigen Wahl der Modellparameter für 146 8 Simulation von Autobahnverkehr unterschiedliche Gesamtdichten keine Änderungen im Zustand des simulierten Verkehrsablaufs. Die numerische Umsetzung der mesoskopischen Bestimmungsgleichungen durch das Finite–Differenzen–Verfahren, das Euler–Zeitschrittverfahren und ihre Implementierung liefert die erwartete Lösung. Für den Fall des Gleichgewichtszustands ist die numerische und programmtechnische Umsetzung korrekt. Simulation global gestörter Verkehrsabläufe Zur Simulation global gestörter Verkehrsabläufe wird die Testkonfiguration mit dem mesoskopischen Simulationsprogramm für Gesamtdichten von 10 kfzkm bis auf 60 kfzkm auf der Ringfahrbahn mit einem Umfang von L 20 km über drei Stunden berechnet. Hierzu werden die Anfangsbedingungen (8.1), (8.4) und (8.6) sowie folgende Modellparameter berücksichtigt: Dauer eines Zeitschritts: t 1 s Länge eines Fahrbahnsegments: x 100 m Länge eines Kraftfahrzeugs l 6.25 m mittlere Wunschgeschwindigkeit: v 0 110 kmh Geschwindigkeits–Abstands–Relation: V s (s) nach (4.21) mit T 1.2 s Anpassungszeit: 8s Proportionalitätsfaktor im Bremsterm: 12 (8.11) Das simulierte Verhalten der Verkehrsabläufe bei einer gegebenen Gesamtdichte auf der Ringfahrbahn lässt sich für mesoskopische Verkehrsmodellierungen durch den Verlauf einer Kenngröße in einem Ort–Zeit–Diagramm darstellen. In Abbildung 8.13 sind die Ort–Zeit–Diagramme mit Dichteverläufen für Gesamtdichten von 10 kfzkm bis 60 kfzkm auf der Ringfahrbahn dargestellt. Die mesoskopische Verkehrsmodellierung stellt eine Verbindung zwischen einer mikroskopischen und einer makroskopischen Modellierung her. Um die Verläufe mit den Bewegungslinien in Abschnitt 8.1.2 und den Dichteverläufen in Abschnitt 8.1.3 qualitativ vergleichen zu können, wird die Dichte als ebener Farbverlauf dargestellt. Bei geringen Dichten 15 kfzkm und bei hohen Dichten 65 kfzkm verschwindet die Störung bereits nach wenigen Minuten (Abbildung 8.13 a und f). Der Verkehrsablauf befindet sich in seinem Gleichgewichtszustand mit den konstanten Größen s 1 und v V s (s) über den gesamten Fahrbahnabschnitt. Bei geringen mittleren Dichten um 25 kfzkm entsteht aus der Störung ein Stau, der sich mit konstanter Geschwindigkeit gegen die Fahrtrichtung bewegt (Abbildung 8.13 b). Bei mittleren Dichten zwischen 30 kfzkm und 50 kfzkm entstehen aus der Störung Stop–and–Go–Wellen (Abbildung 8.13 c bis e). Bei höheren mittleren Dichten entstehen die Wellen später, regelmäßiger und zahlreicher als bei niedrigeren mittleren Dichten. Breite Staus können bei der Wahl der Modellparameter nach (8.11) nicht beobachtet werden. 8.1 Störungsanalyse 147 = 10 kfz/km a) = 24 kfz/km b) 150 150 120 120 90 90 t [min] 180 t [min] 180 60 30 0 60 30 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 x [km] = 30 kfz/km c) 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 x [km] = 40 kfz/km d) 150 150 120 120 90 90 t [min] 180 t [min] 180 60 30 0 60 30 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 x [km] = 50 kfz/km e) 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 x [km] = 60 kfz/km f) 150 150 120 120 90 90 t [min] 180 t [min] 180 60 30 0 60 30 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 x [km] [kfzkm] 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 x [km] 160 Abbildung 8.13: Dichteverläufe der mesoskopischen Simulation für die Testkonfiguration mit den Modellparametern nach (8.11) 148 8 Simulation von Autobahnverkehr Die Anpassungszeit, der Proportionalitätsfaktor im Bremsterm und die Heaviside–Funktion beeinflussen die Ausprägung der Verkehrsphänomene. Ihr Einfluss in der mesoskopischen Simulation ist qualitativ der gleiche wie bei der mikroskopischen Simulation. Dies wird an der ähnlichen Ausprägung der Verkehrsphänomene in Abbildung (8.2) und (8.13) deutlich. Sowohl in der mikroskopischen als auch in der mesoskopischen Simulation tritt der freie Verkehrsablauf bei Dichte von 15 kfzkm (150 Kraftfahrzeuge auf 10 km) auf. Der einzelne bewegte Stau entsteht bei einer Dichte von 22 kfzkm. Die Stauwellen bei mittleren Dichten sind in der Regel schmal und zahlreich. Die Geschwindigkeit der Stauwellen ist in beiden Simulationen ungefähr gleich. Signifikante Unterschiede ergeben sich bei hohen mittleren Dichten von 60 kfzkm. Während in der mikroskopischen Simulation viele unterschiedliche Verkehrsphänomene auftreten, wirkt sich die Störung in der mesoskopischen Simulation nicht auf den Verkehrsablauf aus. Dies ist in der glättenden Eigenschaft kontinuierlicher Modellierungen begründet. Die Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (s) beeinflusst das Entstehen der Verkehrsphänomene. Dies wird durch eine erneute Simulation der Testkonfiguration mit den Modellparametern (8.11) und einem Ansatz für V s (s) aus der Geschwindigkeits–Dichte– Relation nach Helbing und Treiber (5.23) deutlich (Abbildung 8.14). Die Verkehrsphänomene ergeben sich bei anderen Gesamtdichten und unterscheiden sich in ihrer Ausprägung stark von den Verkehrsabläufen in Abbildung 8.13. Bei Gesamtdichten von 20 kfzkm klingt die Anfangsstörung mit der Zeit ab (Abbildung 8.14 a und b). Erst bei der Gesamtdichte 30 kfzkm entwickelt sich aus der Anfangsstörung ein gleichförmig bewegter Stau (Abbildung 8.14 c). Bei der Gesamtdichte 40 kfzkm entstehen Stop–and–Go–Wellen (Abbildung 8.14 d). Bei einer Gesamtdichte von etwa 50 kfzkm entsteht sich aus der Anfangsstörung ein breiter Stau (Abbildung 8.14 e). Bei der Gesamtdichte 60 kfzkm klingt die Anfangsstörung ab (Abbildung 8.14 f). Dieses Verhalten der mesoskopisch simulierten Verkehrsabläufe bei unterschiedlichen Gesamtdichten entspricht qualitativ dem Verhalten der makroskopisch simulierten Verkehrsabläufe für die gleiche Testkonfiguration mit denselben Anfangsdichten (8.4) in Abbildung 8.12. Die Staus, die Stop–and–Go–Wellen und die breiten Staus entstehen bei ungefähr der gleichen Gesamtdichte, zur selben Zeit mit einer ähnlichen Ausdehnung und der gleichen Geschwindigkeit von v stau 13.5 kmh. Die Länge t der Zeitintervalle hat keinen wesentlichen Einfluss auf die mesoskopische Simulation. Dagegen hat die Segmentlänge x einen erheblichen Einfluss auf die mesoskopische Simulation. Je kleiner die Segmentlänge x ist, desto mehr Oszillationen treten auf. Viele Amplituden dieser Oszillationen wachsen soweit an, dass die Simulation abgebrochen wird. Je größer die Segmentlänge x ist, desto weniger Verkehrsphänomene treten auf. Der Einfluss der Segmentlänge auf die mesoskopische Simulation liegt in der numerischen Diffusion des Finite–Differenzen–Verfahrens begründet (Abschnitt 7.4.4). Die numerische Diffusion glättet die Verläufe der Kenngrößen. 8.1 Störungsanalyse 149 = 10 kfz/km a) = 20 kfz/km b) 150 150 120 120 90 90 t [min] 180 t [min] 180 60 30 0 60 30 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 x [km] = 30 kfz/km c) 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 x [km] = 40 kfz/km d) 150 150 120 120 90 90 t [min] 180 t [min] 180 60 30 0 60 30 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 x [km] = 50 Kfz/km e) 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 x [km] = 60 Kfz/km f) 150 150 120 120 90 90 t [min] 180 t [min] 180 60 30 0 60 30 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 x [km] [kfzkm] 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 x [km] 160 Abbildung 8.14: Dichteverläufe der mesoskopischen Simulation für die Testkonfiguration mit den Modellparametern nach (8.11) und V s (s) V (1s) nach (5.23) 150 8 Simulation von Autobahnverkehr Beurteilung Die Störungsanalyse für die mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes hat gezeigt, dass die numerische Umsetzung der mesoskopischen Bestimmungsgleichungen (6.1), (6.3), (6.16) und (6.17) mit einem Finite–Differenzen–Verfahren und einem Euler–Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.3 in der Lage ist, Verkehrsphänomene wiederzugeben. Aus der globalen Störung konnten bei entsprechenden Gesamtdichten bewegte Staus, Stop–and–Go–Wellen und breite Staus simuliert werden. Die Ausprägung der Verkehrsphänomene ist sowohl mit mikroskopischen als auch makroskopischen Simulationen vergleichbar. Die numerische und programmtechnische Umsetzung mit dem Finite–Differenzen–Verfahren und einem expliziten Zeitschrittverfahren ist im Gleichgewichtszustand eines mesoskopischen Verkehrsablaufs korrekt. Aussagen über ihre Korrektheit für die übrigen Zustände des Verkehrsablaufs können nicht getroffen werden. Der entscheidende Parameter der mesoskopischen Verkehrsmodellierungen ist die Geschwindigkeits–Abstands–Relation. Während die übrigen Parameter für die quantitative Ausprägung eines eventuell auftretenden Verkehrsphänomens wichtig sind, kann mit der Geschwindigkeits–Abstands–Relation das Auftreten der Verkehrsphänomene selbst beeinflusst werden. Die quantitative Ausprägung eines Verkehrsphänomens kann aufgrund der fehlenden analytischen Lösung nicht bestimmt werden. 8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen Der Vergleich von Simulations– und Messergebnissen für ausgewählte Verkehrsabläufe im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes gibt Aufschluss darüber, inwieweit eine Verkehrsmodellierung in der Lage ist, Verkehrsphänomene wiederzugeben, die in einer Messung des Verkehrsablaufs identifizierbar sind. Der Vergleich erfordert die Festlegung eines geeigneten Untersuchungsraums einschließlich der Spezifikation von Anfangs– und Randbedingungen sowie der Wahl geeigneter Modellparameter. Einen geeigneten Untersuchungsraum bildet ein Fahrbahnabschnitt der Bundesautobahn A5 nordwestlich von Frankfurt. Die hierfür zur Verfügung stehenden Messdaten ermöglichen die Identifikation zahlreicher Verkehrsphänomene. Anhand von zwei Verkehrsszenarien werden die Messergebnisse mit den Ergebnissen entsprechender makroskopischer und mesoskopischer Simulationen verglichen. Die Messdaten von der A5 ermöglichen weder die Identifikation einzelner Kraftfahrzeuge in einem Fahrbahnabschnitt noch die Erfassung von mikroskopischen Werten einzelner Kraftfahrzeuge an einem Messquerschnitt. Ein Vergleich dieser Messdaten mit den Ergebnissen einer mikroskopischen Verkehrssimulation ist daher nicht zweckmäßig. Messdaten, die einen Vergleich mit mikroskopisch simulierten Verkehrsabläufen ermöglicht hätten, standen für diese Arbeit nicht zur Verfügung. 8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen 151 8.2.1 Verkehrsmessung Messungen von Autobahnverkehr, deren Ergebnisse mit den Ergebnissen einer Verkehrssimulation verglichen werden sollen, erfordern einen Fahrbahnabschnitt mit Messeinrichtungen, die eine möglichst hohe Auflösung der räumlichen und zeitlichen Verkehrsabläufe erlauben. Ein geeigneter Fahrbahnabschnitt befindet sich auf der Bundesautobahn A5 nordwestlich von Frankfurt im Bereich der Verkehrsbeeinflussungsanlage A5 Frankfurt–Friedberg [3]. Mit Genehmigung des Hessischen Landesamts für Straßen– und Verkehrswesen hat die Verkehrsleitzentrale Rüsselsheim umfassende Messdaten dieses Fahrbahnabschnitts zur Verfügung gestellt. Datenerfassung Die Datenerfassung besteht aus Messungen im Zeitraum vom 1.1.2001 bis zum 4.2.2001 auf dem 30 km langen Fahrbahnabschnitt, der durchgehend mit drei Fahrstreifen ausgebaut ist. Die Datenerfassung erfolgt durch lokale Messungen an insgesamt 30 Messquerschnitten, die im Abstand zwischen 400 m und 2 km angeordnet sind. Jeder Messquerschnitt enthält für jede der drei Fahrstreifen genau einen Detektor. Mit den Detektoren lassen sich 1–Minuten–Daten für die Anzahl und die mittlere Geschwindigkeit der detektierten Personen– und Lastkraftwagen ermitteln. 1–Minuten–Daten sind Daten, die in einem Messintervall von einer Minute detektiert und gemittelt für diese Minute zur verfügung gestellt werden. Die Beeinflussungsmaßnahmen der Verkehrsbeeinflussungsanlage A5 Frankfurt–Friedberg werden für den Vergleich von Mess– und Simulationsergebnissen nicht erfasst. Datenauswertung Für den Vergleich von Mess– und Simulationsergebnissen werden aus den lokal gemessenen 1–Minuten–Daten die zeitlichen Kenngrößen der Verkehrsabläufe bestimmt. Ein Detektor auf einem Messquerschnitt i und einem Fahrstreifen j erfasst zu Lkw einem Zeitpunkt t die Anzahl der Kraftfahrzeuge n i j (t) n Pkw i j (t) n i j (t) und deren mittlere Geschwindigkeit g i j (t) während des Zeitintervalls t 1 min. Fahrstreifen j2 j1 j0 Messquerschnitt i Detektor ij Detektordaten Lkw n Pkw i j (t) , n i j (t) , g i j (t) Abbildung 8.15: Messdaten an einem Messquerschnitt mit drei Detektoren Aus diesen lokalen Messgrößen lassen sich die zeitliche Verkehrsstärke st z (x i, t) und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit g z (x i, t) am Ort x i des Messquerschnitt i zum Zeitpunkt t bestimmen. Die zeitliche Verkehrsstärke st z (x i, t) am Messquerschnitt i zum Zeitpunkt 152 8 Simulation von Autobahnverkehr t entspricht dem Mittelwert aller im Zeitintervall t detektierten Kraftfahrzeuge über die J Fahrstreifen von i: st z (x i, t) st i (t) 1 J J1 n i j (t) (8.12) t j0 Die zeitliche mittlere Geschwindigkeit g z (x i, t) am Messquerschnitt i zum Zeitpunkt t entspricht dem harmonischen Mittel [12] der mittleren Geschwindigkeiten g i j (t) auf den J Fahrstreifen von i: 1 g z (x i, t) J1 j0 1 st i j (t) (8.13) g i j (t) st i (t) Die Werte für die zeitliche Verkehrsstärke st z (x, t) und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit g z (x, t) an einem Ort x zwischen den Messquerschnitten werden durch lineare Interpolation bestimmt. Die Auswertung der erfassten Verkehrsdaten ermöglicht die Identifikation von Verkehrsphänomenen. Zwei der beobachteten Verkehrsphänomene sind ein ortsfester und ein bewegter Stau. Sie werden im Folgenden anhand zweier Verkehrsszenarien untersucht. Verkehrsszenario 1 Der Untersuchungsraum des ersten Verkehrsszenarios besteht aus einem 8.6 km langen Fahrbahnabschnitt im Bereich der Streckenkilometer von 485.0 bis 472.42 km und dem dreistündigen Zeitraum von 13 bis 16 Uhr am 27.1.2001 (Abbildung 8.16). Etwa in der Mitte des Fahrbahnabschnitts liegt das Autobahnkreuz Bad Homburg. Die Ein– und Ausfahrt des Autobahnkreuzes werden bei der Modellbildung berücksichtigt. AK Bad Homburg 0.0 0.9 2.1 2.8 3.3 3.7 4.3 4.9 6.1 7.3 8.6 x [km] Abbildung 8.16: Verkehrsszenario 1: Fahrbahnabschnitt Im Verkehrsszenario 1 wird die Bildung und Auflösung eines ortsfesten Staus betrachtet, der aus einem Unfall direkt hinter dem Fahrbahnabschnitt resultiert. Abbildung 8.17 zeigt Farbdiagramme für die zeitliche Verkehrsstärke und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit in Abhängigkeit von Ort und Zeit, die sich aus der Auswertung der lokalen Messdaten für dieses Verkehrsszenario ergeben. Die lineare Interpolation der aufbereiteten Messdaten zwischen den Messquerschnitten führt zu treppenhaften Verläufen in den Diagrammen. 8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen 153 180 min 150 min 120 min 90 min 60 min 30 min 0 min 0 0.9 2.1 3.3 st z [kfzh] 0 4.9 6.1 7.3 8.6 x [km] 2500 0 0.9 2.1 3.3 g z [kmh] 0 4.9 6.1 7.3 8.6 x [km] 125 Abbildung 8.17: Verkehrsszenario 1: Zeitliche Verkehrsstärke st z und zeitliche mittlere Geschwindigkeit g z aus der Verkehrsmessung In großen Bereichen des Untersuchungsraums herrscht freier Verkehr mit einer zeitlichen Verkehrsstärke von etwa 1000 kfzh und einer zeitlichen mittleren Geschwindigkeit von etwa 120 kmh. Die Staubildung ist durch einen breiten dreiecksförmigen Staubereich niedriger Geschwindigkeiten von weniger als 15 kmh gekennzeichnet. Die Staufront, an der die Kraftfahrzeuge in den Stau gelangen, bewegt sich gegen die Fahrtrichtung mit einer Geschwindigkeit von etwa 3.5 kmh. Die maximale Länge des Staus beträgt etwa 4.5 km bis 5 km. Die Stauauflösung ist durch einen schmalen dreiecksförmigen Übergangsbereich mit höheren Verkehrsstärken von etwa 1500 kfzh bis 1750 kfzh und geringen Geschwindigkeiten von 30 kmh bis 45 kmh gekennzeichnet. Diese Staufront bewegt sich in Fahrtrichtung mit einer Geschwindigkeit von etwa 13.5 kmh bis 15 kmh. Der Einfluss des Autobahnkreuzes auf die Verkehrsstärke und die mittlere Geschwindigkeit ist gering. Die Messdaten für das Verkehrsszenario 1 sind so aufzubereiten, dass sie für die Verkehrssimulationen als Anfangs– und Randbedingungen einsetzbar und für Vergleichszwecke geeignet sind. Die Anfangsbedingungen der Verkehrssimulationen umfassen die räumlichen Verläufe der Dichte (x, t 0 ) und der Geschwindigkeit v (x, t 0 ) über den Fahrbahnabschnitt zum Anfangszeitpunkt t 0. Die Geschwindigkeit v (x, t 0 ) ergibt sich aus einer Zuordnung der zeitlichen mittleren Geschwindigkeit g z (x, t 0 ) und die Dichte (x, t 0 ) ergibt sich aus einer Zuordnung des Verhältnisses der zeitlichen Verkehrsstärke st z (x, t 0 ) zur zeitlichen mittleren Geschwindigkeit g z (x, t 0 ): v (x, t 0 ) g z (x, t 0 ) (8.14) st z (x, t 0 ) g z (x, t 0 ) (8.15) (x, t 0 ) 154 8 Simulation von Autobahnverkehr Diese Zuordnungen sind nicht korrekt, da am Ort x v (x, t 0 ) und (x, t 0 ) genau zum Zeitpunkt t 0 definiert sind, während g z (x, t 0 ) und st z (x, t 0 ) nur für ein geeignetes Zeitintervall von t 0 bis t 0 t definiert sind. Darüber hinaus erfolgt in der zweiten Zuordnung (8.15) die unzulässige Bestimmung einer zeitlichen Verkehrsdichte. Aufgrund fehlender Alternativen wird die Zuordnung dennoch angewendet. Die aus der Aufbereitung resultierenden Anfangsbedingungen repräsentieren einen homogenen Verkehrszustand. (x, t 0) [kfzkm] 125 100 75 50 25 0 0 0.9 2.1 3.3 4.9 6.1 7.3 8.6 x [km] v (x, t 0) [kmh] 160 120 80 40 0 0 0.9 2.1 3.3 4.9 6.1 7.3 8.6 x [km] Abbildung 8.18: Verkehrsszenario 1: Räumliche Verläufe der Anfangsbedingungen Die Randbedingungen der Verkehrssimulationen umfassen die zeitlichen Verläufe der Dichte (0, t) am Anfang des Fahrbahnabschnitts sowie der Geschwindigkeiten v (0, t) und v (8.6 km, t) an beiden Rändern des Fahrbahnabschnitts. Der Dichte (0, t) wird das Verhältnis st z (0, t) g z (0, t) und den Geschwindigkeiten v (0, t) beziehungsweise v (8.6 km, t) werden die zeitlichen Geschwindigkeiten g z (0, t) beziehungsweise g z (8.6 km, t) zugeordnet. Die Randbedingungen am Anfang des Fahrbahnabschnitts bei x 0 repräsentieren einen freien Verkehrsablauf. Die Randbedingungen am Ende des Fahrbahnabschnitts bei x 8.6 km repräsentieren einen etwa einstündigen Stau mit einer halbstündigen Auflösungszeit. 125 100 75 50 25 0 (0, t) [kfzkm] v (x, t) [kmh] 160 x0 120 80 x 8.6 km 40 0 0 30 60 90 120 150 180 t [min] 0 30 60 90 120 150 180 t [min] Abbildung 8.19: Verkehrsszenario 1: Zeitliche Verläufe der Randbedingungen 8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen 155 Die über die Einfahrt und Ausfahrt des Autobahnkreuzes Bad Homburg ein– und ausfahrenden Kraftfahrzeuge sind in der Simulation als zu– und abnehmende Massen zu berücksichtigen. Sie werden als räumlich konstante Massenänderung mit einer Rechtecksverteilung im Bereich der Ein– und Ausfahrt modelliert. Die hierzu notwendigen zeitlichen Verläufe der Massenflüsse q (x ein , t) und q (x aus , t) ergeben sich durch Zuordnung der an der Ein– und Ausfahrt ermittelten zeitlichen Verkehrsstärken q ein z (t) aus und q z (t). Die Verkehrsstärke auf der Einfahrt schwankt um den mittleren Wert von etwa 250 kfzh. Die Verkehrsstärke auf der Ausfahrt schwankt stärker um den mittleren Wert von etwa 300 kfzh. 750 500 250 0 –250 –500 –750 q (3.7 km, t) [kfzh] 0 30 60 750 500 250 0 –250 –500 –750 90 120 150 180 t [min] q (4.3 km, t) [kfzh] 0 30 60 90 120 150 180 t [min] Abbildung 8.20: Verkehrsszenario 1: Zeitliche Verläufe der Verkehrsstärken an der Ausfahrt und der Einfahrt des Autobahnkreuzes Bad Homburg Verkehrsszenario 2 Der Untersuchungsbereich des zweiten Verkehrsszenarios besteht aus einem 6.3 km langen Fahrbahnabschnitt im Bereich der Streckenkilometer von 488.0 bis 481.7 km und einem viertelstündigen Zeitraum von 16.25 Uhr bis 16.40 Uhr am 16.1.2001 (Abbildung 8.21). Die Verkehrsstrecke enthält keine Ein– oder Ausfahrten. 0.0 1.1 2.0 3.0 3.9 5.1 5.8 6.3 x [km] Abbildung 8.21: Verkehrsszenario 2: Fahrbahnabschnitt Im Verkehrsszenario 2 wird ein bewegter Stau betrachtet, der innerhalb einer komplexen Verkehrssituation nach mehreren Unfällen aufgetreten ist. Abbildung 8.22 zeigt die Farbdiagramme für die Verkehrsdichte und die mittlere Geschwindigkeit in Abhängigkeit von Ort und Zeit, die sich aus der Auswertung der Messdaten für dieses Verkehrsszenario ergeben. Die lineare Interpolation der aufbereiteten Messdaten führt bei schmalen bewegten Staus zu lückenhaften farblichen Abstufungen in den Diagrammen. 156 8 Simulation von Autobahnverkehr 15 min 10 min 5 min 0 min 0 1.1 2 3 3.9 5.1 6.3 x [km] st z [kfzh] 0 0 1.1 2 3 ge z [kmh] 0 2500 3.9 5.1 6.3 x [km] 125 Abbildung 8.22: Verkehrsszenario 2: Zeitliche Verkehrsstärke q z und zeitliche mittlere Geschwindigkeit g z aus der Verkehrsmessung In großen Bereichen des Untersuchungsraums herrschen eine zeitliche Verkehrsstärke von etwa 1500 kfzh bis 2000 kfzh und eine zeitliche mittlere Geschwindigkeit von etwa 60 kmh bis 90 kmh. Zum Anfangszeitpunkt tritt am Ende des Fahrbahnabschnitts eine Stauwelle mit einer Wellengeschwindigkeit von ungefähr 20 kmh ein. Die Stauwellenbreite lässt sich aus den lückenhaften Messdaten nicht zuverlässig abschätzen. Im Stauwellenbereich beträgt die zeitliche Verkehrsstärke etwa 500 kfzh und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit liegt ungefähr zwischen 16 kmh und 18 kmh. Neben dieser Stauwelle treten nach 7 min am Ende des Fahrbahnabschnitts weitere Staubereiche auf. Die Anfangsbedingungen der Verkehrssimulationen umfassen die räumlichen Verläufe der Dichte (x, t 0 ) und der Geschwindigkeit v (x, t 0 ) über den Fahrbahnabschnitt zum Anfangszeitpunkt t 0 (Abbildung 8.23). Die beiden Verläufe scheinen im Staubereich am Ende des Fahrbahnabschnitts nicht verträglich zu sein. Bei signifikant abnehmender Geschwindigkeit im Stau wäre zu erwarten, dass die Dichte signifikant zunimmt. 125 100 75 50 25 0 (x, t 0) [kfzkm] v (x, t 0) [kmh] 160 120 80 40 0 0 1.1 2 3 3.9 5.1 6.3 x [km] 0 1.1 2 3 3.9 5.1 6.3 x [km] Abbildung 8.23: Verkehrsszenario 2: Räumliche Verläufe der Anfangsbedingungen 8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen 157 Die Randbedingungen der Verkehrssimulationen umfassen die zeitlichen Verläufe der Dichte (0, t) am Anfang des Fahrbahnabschnitts sowie der Geschwindigkeiten v (0, t) und v (6.3 km, t) an beiden Rändern des Fahrbahnabschnitts. Die Randbedingungen am Anfang des Fahrbahnabschnitts bei x 0 repräsentieren einen gleichförmigen Verkehrsablauf. Die Randbedingungen am Ende des Fahrbahnabschnitts bei x 6.3 km repräsentieren einen gestörten Verkehrsablauf mit Staubildungen. 125 100 75 50 25 0 (0, t) [kfzkm] v (x, t) [kmh] 160 120 x0 80 40 x 6.3 km 0 0 2 4 6 8 10 12 14 t [min] 0 2 4 6 8 10 12 14 t [min] Abbildung 8.24: Verkehrsszenario 2: Zeitliche Verläufe der Randbedingungen 8.2.2 Makroskopische Verkehrsmodellierung Die Untersuchung makroskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes über Vergleiche mit gemessenen Verkehrsdaten wird exemplarisch anhand von Berechnungen der zwei Verkehrsszenarien mit einem makroskopischen Simulationsprogramm durchgeführt. Das Simulationsprogramm ergibt sich aus der Implementierung der numerischen Umsetzung der Bestimmungsgleichungen (5.2) und (5.7) mit dem Finite–Elemente–Verfahren und dem geschwindigkeitsabhängigen Zeitschrittverfahren in Abschnitt 7.3. Verkehrsszenario 1 Das Verkehrsszenario 1 wird mit dem makroskopischen Simulationsprogramm unter Verwendung folgender Modellparameter berechnet: Länge eines Fahrbahnsegments x 100 m maximal mögliche Verkehrsdichte: max 135 kfzkm mittlere Wunschgeschwindigkeit: v 0 125 kmh Geschwindigkeits–Dichte–Relation: V () nach Gleichung (5.22) Anpassungszeit: 35 s Ausbreitungsgeschwindigkeit: c 0 13 ms Viskositätskonstante: 60 ms (8.16) Die Länge t der Zeitintervalle ergibt sich aus der Zeitschrittsteuerung in Abschnitt 7.3.5. 158 8 Simulation von Autobahnverkehr Der Vergleich des simulierten Verkehrsablaufs mit dem Verkehrsablauf, der aus Messungen gewonnen wurde, zeigt eine große Übereinstimmung der relevanten Kenngrößen. Dies wird beim Vergleich der Farbdiagramme für den Massenfluss und die Geschwindigkeit in Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.25) mit den Farbdiagrammen für die zeitliche Verkehrsstärke und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit in Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.17) deutlich. 180 min 150 min 120 min 90 min 60 min 30 min 0 min 0 0.9 2.1 3.3 q [kfzh] 0 4.9 6.1 7.3 8.6 x [km] 2500 0 0.9 2.1 3.3 v [kmh] 0 4.9 6.1 7.3 8.6 x [km] 125 Abbildung 8.25: Verkehrsszenario 1: Massenfluss q und Geschwindigkeit v aus der makroskopischen Verkehrssimulation Die Bildung und Auflösung des ortsfesten Staus ist im simulierten Verkehrsablauf deutlich zu erkennen. Im Bereich des freien Verkehrs stellt sich näherungsweise der makroskopische Gleichgewichtszustand mit der Geschwindigkeits–Dichte–Relation (5.22), einem Massenfluss von etwa 1000 kfzh und einer Geschwindigkeit von etwa 110 kmh ein. Der Stau bildet sich gegen die Fahrtrichtung mit einer Geschwindigkeit von etwa 4.3 kmh. Im Stau liegen die Geschwindigkeiten bei unter 8 kmh. Die maximale Länge des Staus beträgt 5 km. Die Stauauflösung ist durch einen schmalen dreiecksförmigen Übergangsbereich mit einer ausgeprägten separaten Stauwelle gekennzeichnet, die ähnliche signifikante Verkehrsgrößen wie der Staubereich besitzt. Bei der Stauauflösung bewegt sich die Staufront des Staubereichs mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 kmh. Die separate Stauwelle im Übergangsbereich bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 15 kmh. In der Verkehrssimulation löst sich der ortsfeste Stau ungefähr so schnell auf wie in der Verkehrsmessung. Die Übereinstimmung der Kenngrößen aus der Simulation und aus der Messung lässt sich durch einen Vergleich der Zeitreihen des simulierten Massenflusses q (x, t) mit der zeitlichen Verkehrsstärke st z (x, t) und der simulierten Geschwindigkeit v (x, t) mit der zeitlichen mittleren Geschwindigkeit g z (x, t) an einem ausgewählten Ort x 6.1 km verdeutlichen (Abbildung 8.26). 8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen 2500 2000 1500 1000 500 0 159 q (6.1 km, t) [kfzh] v (6.1 km, t) [kmh] 160 120 80 40 0 0 30 60 90 120 150 180 t [min] 0 30 60 90 120 150 180 t [min] Abbildung 8.26: Verkehrsszenario 1: Zeitreihen der makroskopisch simulierten Kenngrößen q (x, t) und v (x, t) ( ) bei x 6.1 km im Vergleich zu den entsprechenden Messreihen der zeitlichen Kenngrößen st z (x, t) und g z (x, t) ( ). Aus dem zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeiten ist zu erkennen, dass die Zeiträume des Staubereichs bis auf die nachfolgende Stauwelle qualitativ sehr gut übereinstimmen. Quantitativ tritt der Stau in der Simulation jedoch später als in der Messung auf und löst sich früher wieder auf. Der Übergangsbereich vom Staubereich zum freien Verkehrsablauf ist durch eine ausgeprägte separate Stauwelle gekennzeichnet. Die Geschwindigkeit steigt im Übergangsbereich zunächst von 8 kmh stetig auf 55 kmh, fällt dann durch die Stauwelle schnell auf 15 kmh ab, ehe sie auf 120 kmh ansteigt. Die Stauwelle spiegelt sich auch in der Verkehrsstärke wider. Die maximalen Massenflüsse und Verkehrsstärken bei der Stauauflösung stimmen mit etwa 1750 Fzh überein. Verkehrsszenario 2 Das Verkehrsszenario 2 wird mit dem makroskopischen Simulationsprogramm unter Verwendung folgender Modellparameter berechnet: Länge eines Fahrbahnsegments x 100 m maximal mögliche Verkehrsdichte: max 135 kfzkm mittlere Wunschgeschwindigkeit: v 0 120 kmh Geschwindigkeits–Dichte–Relation: V () nach Gleichung (5.22) Anpassungszeit: 8s Ausbreitungsgeschwindigkeit: c 0 14 ms Viskositätskonstante: 80 ms (8.17) Die Länge t der Zeitintervalle ergibt sich aus der geschwindigkeitsabhängigen Zeitschrittsteuerung in Abschnitt 7.3.5. Der Vergleich des simulierten Verkehrsablaufs mit dem Verkehrsablauf, der aus Messungen gewonnen wurde, zeigt eine große Übereinstimmung der relevanten Kenngrößen. Dies wird beim Vergleich der Farbdiagramme für den Massenfluss und die 160 8 Simulation von Autobahnverkehr Geschwindigkeit in Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.27) mit den Farbdiagrammen für die zeitliche Verkehrsstärke und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit in Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.17) deutlich. 15 min 10 min 5 min 0 min 0 0.9 2.1 3.3 q [kfzh] 0 4.9 6.1 7.3 8.6 x [km] 2500 0 0.9 2.1 3.3 v [kmh] 0 4.9 6.1 7.3 8.6 x [km] 125 Abbildung 8.27: Verkehrsszenario 2: Massenfluss q und Geschwindigkeit v aus der makroskopischen Verkehrssimulation Im Bereich des freien Verkehrs stellt sich näherungsweise der makroskopische Gleichgewichtszustand mit der Geschwindigkeits–Dichte–Relation (5.22), einem Massenfluss von etwa 1700 kfzh und einer Geschwindigkeit von etwa 90 kmh ein. Der Stau bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 18 kmh, seine Breite variiert von 600 m bis 700 m. Die Geschwindigkeit im Stau liegt bei etwa 5 kmh. Der zugehörige Massenfluss mit etwa 460 kfzh ist höher als in den Messdaten. Die Stauwelle nimmt zum Anfangszeitpunkt der Simulation am Ende des Fahrbahnabschnitts eine eigenartige Form an, die auf die unrealistische Anfangsbedingung für die Verkehrsdichte zurückzuführen und nach etwa 2 min abgeklungen ist. Neben der dominanten Stauwelle tritt nach 11 min am Ende des Fahrbahnabschnitts ein weiterer Staubereich auf. Die Übereinstimmung der Kenngrößen aus der Simulation und aus der Messung lässt sich durch einen Vergleich der Zeitreihen des simulierten Massenflusses q (x, t) mit der zeitlichen Verkehrsstärke st z (x, t) und der simulierten Geschwindigkeit v (x, t) mit der zeitlichen mittleren Geschwindigkeit g z (x, t) an einem ausgewählten Ort x 3 km verdeutlichen (Abbildung 8.28). Dabei stimmt das zeitliche Auftreten des Staubereichs in den Geschwindigkeiten überein. Die Geschwindigkeiten der Verkehrssimulation liegen jedoch außerhalb des Staubereichs mit etwa 96 kmh über und innerhalb des Staubereichs mit etwa 7 kmh unter den zeitlich mittleren Geschwindigkeiten der Verkehrsmessung. Im simulierten Massenfluss und in der zeitlichen Verkehrsstärke stimmen Breite und Tiefe des Staubereichs überein. 8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen 161 q (3 km, t) [kfzh] 2500 2000 1500 1000 500 0 v (3 km, t) [kmh] 160 120 80 40 0 0 2 4 6 8 10 12 14 t [min] 0 2 4 6 8 10 12 14 t [min] Abbildung 8.28: Verkehrsszenario 2: Zeitreihen der makroskopisch simulierten Kenngrößen q (x, t) und v (x, t) ( ) bei x 3 km im Vergleich zu den entsprechenden Messreihen der zeitlichen Kenngrößen st z (x, t) und g z (x, t) ( ). Beurteilung Der Vergleich der Simulationsergebnisse mit den aus Messungen identifizierbaren Verkehrsszenarien hat gezeigt, dass die numerische Umsetzung der makroskopischen Bestimmungsgleichungen (5.2) und (5.7) mit einem Finite–Elemente–Verfahren und einem geschwindigkeitsabhängigen Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.3 in der Lage ist, die Verkehrsszenarien qualitativ und quantitativ wiederzugeben. Sowohl der ortsfeste Stau im ersten Verkehrsszenario als auch der bewegte Stau im zweiten Verkehrsszenario konnten mit der makroskopischen Modellierung reproduziert werden. Von wesentlicher Bedeutung für die quantitative Beurteilung sind die Geschwindigkeit der Staufront beziehungsweise der Stauwelle, die Stauwellenbreite, die Geschwindigkeiten im Staubereich und der Massenfluss aus dem Staubereich heraus. Die Geschwindigkeit der Staufront im ersten Szenario war in der Simulation geringfügig zu schnell, die Geschwindigkeit und die Breite der Stauwelle im zweiten Szenario stimmte mit den Messdaten überein. Die Geschwindigkeiten im Staubereich waren in der Simulation deutlich geringer als in den Messdaten, was jedoch auf Probleme bei der Messung niedriger Geschwindigkeiten in einem stehenden Verkehr zurückzuführen ist. Der Massenfluss beim Austritt der Kraftfahrzeuge aus dem Staubereich ist in der Simulation und der Messung identisch. Die Simulationen der makroskopischen Verkehrsmodellierung reagieren äußerst sensitiv auf Änderungen der Modellparameter. Kleine Änderungen beispielsweise der Anpassungszeit oder der Geschwindigkeits–Dichte–Relation führen zu großen Änderungen in der Entstehung und Ausprägung des ortsfesten und des bewegten Staus. Es ist festzustellen, dass für eine Vergleichbarkeit mit den Messdaten die Parameterwahl zur makroskopischen Simulation des ersten Szenarios nicht auf die Parameterwahl zur makroskopischen Simulation des zweiten Szenarios übertragen werden kann. 162 8 Simulation von Autobahnverkehr 8.2.3 Mesoskopische Verkehrsmodellierung Der Vergleich mesoskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen mit gemessenen Verkehrsdaten wird exemplarisch anhand von Berechnungen der zwei Verkehrsszenarien mit einem mesoskopischen Simulationsprogramm durchgeführt. Das Simulationsprogramm ergibt sich aus der Implementierung der numerischen Umsetzung der Bestimmungsgleichungen (6.1), (6.3), (6.16) und (6.17) mit einem Finite–Differenzen– Verfahren und einem expliziten Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.4. Verkehrsszenario 1 Das Verkehrsszenario 1 wird mit dem mesoskopischen Simulationsprogramm unter Verwendung folgender Modellparameter berechnet: Dauer eines Zeitschritts: t 1 s Länge eines Fahrbahnsegments x 100 m maximal mögliche Verkehrsdichte: max 135 kfzkm mittlere Wunschgeschwindigkeit: v 0 125 kmh Geschwindigkeits–Abstands–Relation: V s (s) nach Gleichung (5.23) Anpassungszeit: 4s Proportionalitätsfaktor im Bremsterm: 12 (8.18) Der Vergleich des simulierten Verkehrsablaufs mit dem Verkehrsablauf, der aus Messungen gewonnen wurde, stimmt in den relevanten Kenngrößen überein. Dies wird beim Vergleich der Farbdiagramme für den Massenfluss und die Geschwindigkeit in Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.29) mit den Farbdiagrammen für die zeitliche Verkehrsstärke und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit (Abbildung 8.17) deutlich. 180 min 150 min 120 min 90 min 60 min 30 min 0 min 0 0.9 2.1 3.3 q [kfzh] 0 4.9 6.1 7.3 8.6 x [km] 2500 0 0.9 2.1 3.3 v [kmh] 0 4.9 6.1 7.3 8.6 x [km] 125 Abbildung 8.29: Verkehrsszenario 1: Massenfluss q und Geschwindigkeit v aus der mesoskopischen Verkehrssimulation 8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen 163 Die Bildung und Auflösung des ortsfesten Staus ist im simulierten Verkehrsablauf deutlich zu erkennen. Im Bereich des freien Verkehrs stellt sich näherungsweise der mesoskopische Gleichgewichtszustand mit der Geschwindigkeits–Abstands–Relation nach (5.23), einem Massenfluss von etwa 1100 kfzh und einer Geschwindigkeit von etwa 120 kmh ein. Der Stau bildet sich gegen die Fahrtrichtung mit einer Geschwindigkeit von etwa 3.5 kmh. Im Stau liegen die Geschwindigkeiten bei unter 10 kmh. Die maximale Länge des Staus beträgt 4.6 km. Die Stauauflösung ist durch einen schmalen dreiecksförmigen Übergangsbereich mit einer Geschwindigkeit von mehr als 65 kmh und einem Massenfluss bis etwa 2000 kfzh gekennzeichnet. Sie bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 13.8 kmh. Die Stauauflösung erfolgt in der Verkehrssimulation ein wenig schneller als in der Verkehrsmessung. Die Übereinstimmung der Kenngrößen aus der Simulation und aus der Messung lässt sich durch einen Vergleich der Zeitreihen des simulierten Massenflusses q (x, t) mit der zeitlichen Verkehrsstärke st z (x, t) und der simulierten Geschwindigkeit v (x, t) mit der zeitlichen mittleren Geschwindigkeit g z (x, t) an einem ausgewählten Ort x 6.1 km verdeutlichen (Abbildung 8.30). 2500 2000 1500 1000 500 0 q (6.1 km, t) [kfzh] v (6.1 km, t) [kmh] 160 120 80 40 0 0 30 60 90 120 150 180 t [min] 0 30 60 90 120 150 180 t [min] Abbildung 8.30: Verkehrsszenario 1: Zeitreihen der mesoskopisch simulierten Kenngrößen q (x, t) und v (x, t) ( ) bei x 6.1 km im Vergleich zu den entsprechenden Messreihen der zeitlichen Kenngrößen st z (x, t) und g z (x, t) ( ). Aus dem zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeiten ist zu erkennen, dass die Zeiträume des Staubereichs qualitativ und quantitativ sehr gut übereinstimmen. Lediglich an der Staufront bei der Stauauflösung ergeben sich geringfügige Unterschiede. Während die Geschwindigkeit in der Verkehrssimulation beim Übergang vom Stau zum freien Verkehrsablauf zwischen 10 kmh und 120 kmh für 7 min einen Wert von etwa 65 kmh annimmt, stellt sich in der Verkehrsmessung für 10 min eine mittlere Geschwindigkeit von etwa 40 kmh ein. Bei der Stauauflösung liegt der Massenfluss der Verkehrssimulation mit etwa 2000 Fzh deutlich über der maximalen zeitlichen Verkehrsstärke der Verkehrsmessung mit etwa 1750 Fzh. 164 8 Simulation von Autobahnverkehr Verkehrsszenario 2 Das Verkehrsszenario 2 wird mit dem mesoskopischen Simulationsprogramm unter Verwendung folgender Modellparameter berechnet: Dauer eines Zeitschritts: t 1 s Länge eines Fahrbahnsegments x 100 m maximal mögliche Verkehrsdichte: max 135 kfzkm mittlere Wunschgeschwindigkeit: v 0 125 kmh Geschwindigkeits–Abstands–Relation: V s (s) nach Gleichung (5.23) Anpassungszeit: 6s Proportionalitätsfaktor im Bremsterm: 12 (8.19) Der Vergleich des simulierten Verkehrsablaufs mit dem Verkehrsablauf, der aus Messungen gewonnen wurde, zeigt eine große Übereinstimmung der relevanten Kenngrößen. Dies wird beim Vergleich der Farbdiagramme für den Massenfluss und die Geschwindigkeit in Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.31) mit den Farbdiagramme für die zeitliche Verkehrsstärke und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit in Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.17) deutlich. 15 min 10 min 5 min 0 min 0 0.9 2.1 3.3 q [kfzh] 0 4.9 6.1 7.3 8.6 x [km] 2500 0 0.9 2.1 3.3 v [kmh] 0 4.9 6.1 7.3 8.6 x [km] 125 Abbildung 8.31: Verkehrsszenario 2: Massenfluss q und Geschwindigkeit v aus der mesoskopischen Verkehrssimulation Im freien Verkehr stellt sich näherungsweise der mesoskopische Gleichgewichtszustand mit der Geschwindigkeits–Abstands–Relation nach (5.23), einem Massenfluss von etwa 1550 kfzh und einer Geschwindigkeit von etwa 80 kmh ein. Der Stau bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 18.5 kmh. Seine Breite variiert von 400 m bis 700 m. Die Geschwindigkeit im Stau liegt bei etwa 16 kmh und der Massenfluss bei etwa 900 kfzh. Die eigenartige Form der Stauwelle ist auch in der mesoskopischen Simulation 8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen 165 zu erkennen. Sie klingt nach etwa 3 min ab. Neben der dominanten Stauwelle treten nach 7 min am Ende des Fahrbahnabschnitts zwei weitere Stauwellen auf. Die Übereinstimmung der Kenngrößen aus der Simulation und aus der Messung lässt sich durch einen Vergleich der Zeitreihen des simulierten Massenflusses q (x, t) mit der zeitlichen Verkehrsstärke st z (x, t) und der simulierten Geschwindigkeit v (x, t) mit der zeitlichen mittleren Geschwindigkeit g z (x, t) an einem ausgewählten Ort x 3 km verdeutlichen (Abbildung 8.32). q (3 km, t) [kfzh] 2500 2000 1500 1000 500 0 v (3 km, t) [kmh] 160 120 80 40 0 0 2 4 6 8 10 12 14 t [min] 0 2 4 6 8 10 12 14 t [min] Abbildung 8.32: Verkehrsszenario 2: Zeitreihen der mesoskopisch simulierten Kenngrößen q (x, t) und v (x, t) ( ) bei x 3 km im Vergleich zu den entsprechenden Messreihen der zeitlichen Kenngrößen st z (x, t) und g z (x, t) ( ). Das zeitliche Auftreten des Staubereichs stimmt in den Geschwindigkeiten überein. Die Geschwindigkeiten der Verkehrssimulation liegen jedoch außerhalb des Staubereichs mit etwa 96 kmh über und innerhalb des Staubereichs mit etwa 7 kmh unter den zeitlich mittleren Geschwindigkeiten der Verkehrsmessung. Beurteilung Der Vergleich der Simulationsergebnisse mit den aus Messungen identifizierbaren Verkehrsszenarien hat gezeigt, dass die numerische Umsetzung der mesoskopischen Bestimmungsgleichungen (6.1), (6.3), (6.16) und (6.17) mit einem Finite–Differenzen– Verfahren und einem expliziten Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.4 in der Lage ist, die Verkehrsszenarien qualitativ und quantitativ wiederzugeben. Sowohl der ortsfeste Stau im ersten Verkehrsszenario als auch der bewegte Stau im zweiten Verkehrsszenario konnten mit der mesoskopischen Modellierung reproduziert werden. Von wesentlicher Bedeutung für die quantitative Beurteilung sind die Geschwindigkeit der Staufront beziehungsweise der Stauwelle, die Stauwellenbreite, die Geschwindigkeiten im Staubereich und der Massenfluss aus dem Staubereich heraus. Die Geschwindigkeiten der Staufront im ersten Szenario und der Stauwelle im zweiten Szenario stimmen ebenso mit den Messdaten überein, wie die die Breite der Stauwelle. Die Geschwindigkei- 166 8 Simulation von Autobahnverkehr ten im Staubereich entsprechen den Messdaten. Der Massenfluss beim Austritt der Kraftfahrzeuge aus dem Staubereich ist in der Simulation und der Messung identisch. Die Simulationen der mesoskopischen Verkehrsmodellierung reagieren äußerst sensitiv auf Änderungen der Modellparameter. Kleine Änderungen beispielsweise der Anpassungszeit oder der Geschwindigkeits–Abstands–Relation führen zu großen Änderungen in der Entstehung und Ausprägung des ortsfesten und des bewegten Staus. Es ist festzustellen, dass für eine Vergleichbarkeit mit den Messdaten die Parameterwahl zur mesoskopischen Simulation des ersten Szenarios nicht auf die Parameterwahl zur mesoskopischen Simulation des zweiten Szenarios übertragen werden kann. 8.3 Simulationen zur Verkehrsuntersuchung und Verkehrsprognose Das Ziel einer Simulation von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes ist die Untersuchung vom Verhalten der Verkehrsabläufe oder die kurzfristige Prognose zukünftig auftretender Verkehrsabläufe. Um dieses Ziel erreichen zu können, muss die Simulation für die entsprechende Verkehrsaufgabe geeignet sein. Allgemeine Eignung der Verkehrssimulationen Die allgemeine Eignung der betrachteten mikroskopischen, makroskopischen und mesoskopischen Verkehrssimulation wurde in der Störungsanalyse und dem Vergleich von Simulations– und Messergebnissen untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass die gewählten numerischen Umsetzungen der Modellierungen typische Verkehrsphänomene wie Staus oder Stop–and–Go–Wellen qualitativ und im Vergleich mit Messdaten auch quantitativ wiedergeben konnten. In der Störungsanalyse hat sich die mesoskopische Verkehrsmodellierung als Verbindung zwischen mikroskopischen und makroskopischen Modellierungen erwiesen. Die mikroskopischen Modellierungen neigen zur Bildung vieler unterschiedlicher kurzer Staus und die makroskopischen Modellierungen neigen zur Bildung unterschiedlicher breiter Verkehrsphänomene mit glatten Übergängen. Mit der mesoskopischen Modellierung lassen sich bei geeigneter Wahl der Geschwindigkeits–Abstands–Relation beide Verhaltensweisen reproduzieren. Die Geschwindigkeits–Abstands–Relation beziehungsweise die Geschwindigkeits–Dichte–Relation hat sich als entscheidender Parameter in allen drei Modellierungen für die Entstehung von Verkehrsphänomenen herausgestellt. Diese Relation, die gemeinsam mit der Anpassungszeit den Antrieb der Kraftfahrzeuge beziehungsweise der Verkehrsabläufe darstellt, ist bisher lediglich hypothetisch bestimmbar und sollte bei weiteren Untersuchungen und Weiterentwicklungen der Verkehrsmodellierungen besonders berücksichtigt werden. In den Vergleichen von Simulations– und Messergebnissen hat sich die Geschwindigkeits–Abstands–Relation beziehungsweise die Geschwindigkeits–Dichte–Relation als entscheidender Parameter herausgestellt. Dies ist von besonderen Interesse, da sich die 8.3 Simulationen zur Verkehrsuntersuchung und Verkehrsprognose 167 Simulationen bei der Reproduktion der in den Messdaten identifizierten Verkehrsszenarien als äußerst sensitiv auf Veränderungen der Modellparameter herausgestellt haben. Eine Wahl der Parameter einer Modellierung, die zu einer qualitativen und quantitativen Reproduktion eines Verkehrsszenarios führen, lässt sich nicht auf dieselbe Simulation eines anderen Verkehrsszenarios oder auf andere, unterschiedliche Simulationen desselben Verkehrsszenarios übertragen. Bei der Übertragung sind meist Änderungen an ein oder zwei Parametern (meist in der Geschwindigkeits–Abstands–Relation oder der Geschwindigkeits–Dichte–Relation) erforderlich. Grundsätzlich eignen sich die mikroskopischen, makroskopischen und mesoskopischen Modellierungen zur Simulation von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes. Sie können Verhaltensweisen in einem Autobahnverkehr reproduzieren. Dies lässt darauf schließen, dass die Beschreibungen und Modellierungen des Autobahnverkehrs sowie die numerischen Umsetzungen dieser Modellierungen korrekt sind. Da das erwartete Verkehrsverhalten nicht auf einer analytischen Lösung sondern auf Beobachtungen und Messungen der Verkehrsabläufe eines beliebigen Autobahnabschnitts beruhen, die eine vollständige und fehlerfreie Verkehrsbeschreibung nicht gewährleisten können, lassen sich über die Genauigkeit der Beschreibung, der Modellierung und der numerischen Umsetzung, auf der eine Verkehrssimulation basiert, keine präzisen Aussagen treffen. Für die weitere Entwicklung von Modellierungen der Verkehrsabläufe auf einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn sind daher Verkehrsmessungen unter Laborbedingungen notwendig, um zuverlässige Vergleichswerte berücksichtigen zu können. Simulationen zur Verkehrsuntersuchung Die Untersuchung von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes dient zur Lösung einer speziellen Verkehrsaufgabe, wie der Beeinflussung der Verkehrsabläufe. Simulationen der Verkehrsabläufe im Fahrbahnabschnitt sind zweckmäßig, um das komplexe Verhalten der Verkehrsabläufe einschätzen zu können. Das dabei verwendete Simulationsprogramm ist der Verkehrsaufgabe so anzupassen, dass das Verhalten der simulierten Verkehrsabläufe Rückschlüsse zur Lösung der speziellen Verkehrsaufgabe zulässt. Da es eine allgemeingültige Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes derzeit nicht gibt, sollte kein beliebiges Simulationsprogramm eingesetzt werden, sondern die Verkehrsbeschreibung, die Verkehrsmodellierung und die numerische Umsetzung einer Simulation auf die Verkehrsaufgabe abgestimmt werden. Die Abstimmung erfordert einerseits ein umfassendes Verständnis der Verkehrsmodellierung, sie führt andererseits zu einer besseren Kenntnis der betrachteten Verkehrsabläufe und somit zu effizienteren Maßnahmen einer verkehrsabhängigen Beeinflussung. 168 8 Simulation von Autobahnverkehr Simulationen zur Verkehrsprognose In der Regel besteht eine Verkehrsaufgabe in der Beeinflussung eines Verkehrs. Eine direkte Beeinflussungsmaßnahme erfordert die Kenntnis vom Zustand der zu beeinflussenden Verkehrsabläufe und die Kenntnis vom Verhalten der beeinflussten Verkehrsabläufe. Der Zustand der Verkehrsabläufe lässt sich durch Messungen der Verkehrsabläufe bestimmen. Über das Verhalten dieser Verkehrsabläufe können Verkehrsprognosen Auskunft geben. Für solche Verkehrsprognosen sind Verkehrssimulationen unerlässlich. Verkehrssimulationen können zur Prognose nur eingesetzt werden, wenn die simulierten Verkehrsabläufe zu brauchbaren Beeinflussungsmaßnahmen führen. Das heißt, die Simulationen müssen die Verkehrsabläufe nicht notwendigerweise exakt abbilden, aber sie müssen in der Lage sein, mögliche Alternativen der kommenden Verkehrsabläufe so zu simulieren, dass sie die Entscheidung für eine verkehrsabhängige Beeinflussungmaßnahme stützen. Je nachdem, welche Prognosen für eine Verkehrsbeeinflussung erforderlich sind, sind zum einen die Verkehrsmessungen entsprechend zu installieren und zum anderen die Beschreibung der Verkehrsabläufe, die Modellierung der Verkehrsabläufe sowie ihre numerische Umsetzung anzupassen. Mikroskopische Modellierungen ermöglichen detaillierte Vorhersagen über das Verhalten einzelner Kraftfahrzeuge in den Verkehrsabläufen. Makroskopische Modellierungen ermöglichen ganzheitliche Vorhersagen über Verkehrsphänomene in den Verkehrsabläufen. Die Integration einer Verkehrssimulation in eine Beeinflussung von Verkehrsabläufen erfordert die Abbildung der Verkehrsabläufe, der Beeinflussungmaßnahmen und der Verkehrsmessungen in der zugehörigen Verkehrsmodellierung. Die Verkehrsmodellierung ist so zu entwickeln, dass damit eine gestellte Verkehrsaufgabe gelöst werden kann. 9 Zusammenfassung Die Anwendung von Verkehrsmodellen zur Simulation von Autobahnverkehr für die Lösung einer Verkehrsaufgabe erfordert ein umfassendes Verständnis der Modellierung von Verkehrsabläufen. Die Grundlagen für eine ganzheitliche Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz wurden in der Arbeit ingenieurgerecht formuliert. Der Prozess der ganzheitlichen Modellierung ergibt sich aus den aufeinander folgenden Kapiteln: In Kapitel 2 wurde eine allgemeine Verkehrsbeschreibung als Grundlage der Modellbildung entwickelt. In Kapitel 3 folgte eine spezielle Beschreibung und die Modellierung von Autobahnverkehr. In den Kapiteln 4 bis 6 wurden die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Abbildung von Verkehrsabläufen auf Autobahnen aufgezeigt. In Kapitel 7 wurden die entwickelten Modellierungen numerisch umgesetzt und in Kapitel 8 wurden Simulationen von Autobahnverkehr untersucht, die durch eine Implementierung der numerischen Umsetzungen entstanden sind. Die Grundlage der Modellbildung bestand aus einer allgemeinen Beschreibung von Verkehr. In Anlehnung an eine objektorientierte Analyse wurden die Komponenten eines Verkehrs – das Verkehrsgebiet und die Vehikel – mit ihren strukturellen, geometrischen und physikalischen Eigenschaften grundlegend beschrieben. Die Zusammenhänge zwischen den Komponenten bilden die Verkehrsabläufe, für die die grundlegenden Verkehrskenngrößen allgemein definiert wurden. Wesentlich bei der allgemeinen Verkehrsbeschreibung war die Berücksichtigung von Verkehrsbeeinflussungen und –messungen als Verkehrskomponenten. Sie sind in einer Verkehrsmodellierung abzubilden. Ebenso ist die Modellierung in das Gesamtsystem von Verkehr, Beeinflussung und Messung zu integrieren, um sie als Simulation im Verkehr anwenden zu können. Mit der allgemeinen Verkehrsbeschreibung als Grundlage der Modellbildung konnte ein umfassendes Verständnis von Verkehr gewonnen werden. Darüber hinaus lässt sich eine Kopplung und eine Wiederverwendung spezieller Verkehrsbeschreibungen basierend auf der allgemeinen Beschreibung erreichen. Die spezielle Beschreibung von Autobahnverkehr auf der Grundlage einer allgemeinen Verkehrsbeschreibung hat zu einer umfassenden Darstellung der wesentlichen Komponenten eines Autobahnverkehrs geführt. Bei der Beschreibung des Autobahnnetzes sowie der Kraftfahrzeuge, der Verkehrsabläufe, der Verkehrsbeeinflussung und der 170 9 Zusammenfassung Verkehrsmessung im Autobahnnetz konnten ihre Eigenschaften und Zusammenhänge deutlicher als in bisherigen Autobahnmodellen herausgearbeitet werden. Die Integration von Beeinflussungen und Messungen in die Beschreibung von Autobahnverkehr ermöglichte ihre implizite Berücksichtigung in der folgenden Modellierung von Autobahnverkehr. Die Modellierung von Autobahnverkehr ließ sich in die Grundlagen für die Autobahnnetze, Verkehrsbeeinflussungen und Verkehrsmessungen sowie in unterschiedliche Abbildungen der Verkehrsabläufe in den Autobahnnetzen aufteilen. Das Wesentliche bei der Modellierung eines Autobahnnetzes ist die Abbildung seiner Netzstruktur. Sie wurde in Autobahnabschnitte mit zwei Fahrbahnabschnitten zerlegt, die wiederum in Fahrbahnsegmente und Fahrbahnquerschnitte unterteilt wurden. Die Zusammenhänge zwischen Autobahnabschnitten, Fahrbahnabschnitten, Fahrbahnsegmenten und –querschnitten wurden mit Hilfe unterschiedlicher Graphen abgebildet, wodurch standardisierte Algorithmen zur schnellen Suche in den Strukturen verwendet werden können. Da direkte Beeinflussungsmaßnahmen und Messungen eines Autobahnverkehrs ebenso wie das Autobahnnetz jederzeit bekannt sind, konnten die Grundlagen zur Integration von Beeinflussungsmaßnahmen und Messungen in die Modellierung eines Autobahnnetzes, angepasst an die Fahrbahnsegmente und –querschnitte, gezeigt werden. Die Verkehrsabläufe in den Fahrbahnabschnitten eines Autobahnnetzes lassen sich mikroskopisch, makroskopisch oder mesoskopisch abbilden. In der Arbeit wurde für jede der drei Betrachtungsweisen eine Modellierung gezeigt. Die mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen auf einem Fahrbahnabschnitt entspricht der Grundversion einer regelbasierten Modellierung, die jederzeit durch Regeländerungen oder –erweiterungen modifiziert werden kann. Im Gegensatz zu den vorhandenen mikroskopischen Modellierungen zeichnet sich die gezeigte Modellierung durch anschauliche Regeln aus, die aus dem Fahrverhalten eines Kraftfahrzeugführers nachvollzogen werden können. Diese Regeln beschreiben das Beschleunigungs– oder Bremsverhalten eines Kraftfahrzeugs. In der Grundversion sind sie durch Sprungfunktionen miteinander kombiniert. Diese Regeln lassen sich jedoch auch durch beliebige kontinuierliche Übergänge wie Fuzzy–Regelungen abbilden. Der Antrieb eines Kraftfahrzeugs wird wesentlich von einer Geschwindigkeits–Abstands–Relation beeinflusst. Im Gegensatz zu den meisten Veröffentlichungen mikroskopischer Verkehrsmodellierungen wurden die Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen der Modellierung dargestellt und alternative Modellierungen diskutiert. Die Kenngrößen der mikroskopisch modellierten Verkehrsabläufe sind wie bei Verkehrsmessungen durch Zählung zu gewinnen und erfordern somit die aufgezeigte Integration von Verkehrsmessungen in die Modellierung. Die makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt entspricht einem System aus einer Kontinuitäts– und Navier–Stokes–ähnlichen Bewegungsgleichung. Fahrstreifenwechsel werden durch räumlich konstante oder variable 171 Massenänderung abgebildet. Die Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen der Modellierung wurden dargestellt und alternative Modellierungen diskutiert. Die Kenngrößen der makroskopisch modellierten Verkehrsabläufe entsprechen den Zustandsgrößen der Modellierung. Sie sind aufgrund unterschiedlicher Definitionen nur indirekt mit Verkehrskenngrößen aus Verkehrsmessungen vergleichbar. Die mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen auf einem Fahrbahnabschnitt entspricht einer makroskopischen Modellierung, in die die zuvor aufgezeigte mikroskopische Modellierung integriert ist. Die Integration erfolgte über eine zusätzliche Gleichung für einen Zusammenhang der makroskopischen Dichte und des mikroskopischen Abstands. Dieser neuartige Übergang der mikroskopischen Modellierung zu einer makroskopischen Modellierung von Verkehrsabläufen auf einem Fahrbahnabschnitt ist konsistent und anschaulicher als die Übergänge auf Basis der Theorie der stochastischen Prozesse. Mit Hilfe der leicht modifizierbaren Regeln der mikroskopischen Modellierung lassen sich unter anderem Fahrstreifenwechsel zeitlich nachvollziehbar begrenzen. Die numerische Umsetzung einer Verkehrsmodellierung ist nicht Teil der Modellierung und kann daher verschiedenen numerischen Verfahren angepasst werden. In der Arbeit wurden exemplarisch für die mikroskopische, die makroskopische und die mesoskopische Modellierung jeweils eine numerische Umsetzung gezeigt. Insbesondere konnte gezeigt werden, dass die Methode der finiten Elemente erfolgreich auf die makroskopische Verkehrsmodellierung angewendet werden kann. Durch die Implementierung einer numerischen Umsetzung ergibt sich ein Programm, mit dem Simulationen von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz durchgeführt werden können. Die Simulationsprogramme aus den numerischen Umsetzungen der mikroskopischen, makroskopischen und mesoskopischen Modellierung wurden in einer Störungsanalyse und einem Vergleich der Ergebnisse aus Simulationen und Detektormessungen auf ihre Brauchbarkeit untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass sowohl die mikroskopische, als auch die makroskopische und mesoskopische Simulation in der Lage sind, typische Verkehrsphänomene wie Staus oder Stop–and–Go–Wellen qualitativ und im Vergleich mit Messdaten quantitativ wiederzugeben. Die Simulationen reagierten besonders sensitiv auf Änderungen der Modellparameter. Die Festlegung der Parameter für die Simulation eines Verkehrsszenarios lässt sich nicht auf die Simulation eines anderen Verkehrsszenarios übertragen. Verkehrsphänomene, die bei einem festgelegten Parametersatz auftreten, können bei einer kleinen Parameteränderung anders ausgeprägt oder verschwunden sein. Als entscheidender Parameter hat sich die hypothetische Form der Geschwindigkeits–Abstands–Relation beziehungsweise der Geschwindigkeits–Dichte–Relation im Anpassungsterm als Antriebskraft der Verkehrsabläufe herausgestellt. Bei geeigneter Wahl der Geschwindigkeits–Abstands–Relation zeigte sich die mesoskopische Verkehrsmodellierung in den Simulationsergebnissen als konsistente Verbindung zwischen mikroskopischen und makroskopischen Verkehrsmodellierungen. 172 9 Zusammenfassung Ausblick Mit dieser Arbeit sind die wesentlichen Grundlagen für die Entwicklung eines Programmsystems geschaffen, das einen einheitlichen Rahmen für eine vergleichende Beurteilung und eine systematische Kopplung von Verkehrsmessungen und Verkehrssimulationen unter besonderer Berücksichtigung von Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen darstellt. Die modellierten Komponenten für die Autobahnnetze, die Verkehrsabläufe auf den Autobahnnetzen sowie die Messung, die Steuerung und die Simulation der Verkehrsabläufe sind in ein solches Programmsystem zu übernehmen. Die Programmentwicklung sollte die aufgezeigte objektorientierte Grundlage fortsetzen, so dass eine einfache Erweiterbarkeit der Funktionalität und eine einfache Einbindung verschiedenartiger Simulationsverfahren möglich ist. Mit einem derartigen Programmsystem können dynamische Verkehrsprognosen für Autobahnen systematisch untersucht und verglichen werden. Die in dieser Arbeit gezeigten Grundlagen ermöglichen die programmtechnische Umsetzung eines Autobahnnetzes mit heterogen modellierten Verkehrsabläufen. So können unterschiedliche Fahrbahnabschnitte des Autobahnnetzes mit unterschiedlichen mikroskopisch, makroskopisch oder mesoskopisch modellierten Verkehrsabläufen entwickelt und zu einem Verkehrsgebiet zusammengefügt werden. Dabei ist der Übergang von einem Fahrbahnabschnitt zu einem anschließenden Fahrbahnabschnitt mit geeigneten Übergangsbedingungen konsistent abzubilden. Die Modellierungen zur Reproduktion von Verkehrsabläufen auf Autobahnen erfordert für jede Verkehrssimulation eine geeignete Festlegung aller maßgebenden Modellparameter. Besonders der Anpassungsterm mit der Geschwindigkeits–Abstands–Relation beziehungsweise der Geschwindigkeits–Dichte–Relation als treibende Kraft des Verkehrsablaufs muss korrekt festgelegt sein. Außer theoretisch abschätzbaren Gültigkeitsbereichen und Erfahrungswerten stehen keine Verfahren zur Bestimmung dieser Parameter aus Verkehrsmessungen zur Verfügung. Eine systematische Untersuchung des quantitativen Einflusses der maßgebenden Parameter an nachvollziehbaren Referenzszenarien und die Entwicklung von Vorgehensweisen zur Bestimmung dieser Parameter aus Verkehrsmessungen sind erforderlich. Für ein nachvollziehbares Referenzszenario sind geeignete Verkehrsmessungen erforderlich. Diese Verkehrsmessungen müssen Laborcharakter besitzen, um konkrete Aussagen über beobachtete Verkehrsphänomene treffen und diese Verkehrsphänomene anschließend in Simulationen exakt wiedergeben zu können. Solche Messungen von “Laborversuchen” sind zeit– und kostenintensiv. Sie sind im Sinne einer genauen Modellierung von Verkehrsabläufen auf Autobahnen jedoch unerlässlich. Literatur [1] Abramowski, S.; Müller, H. (1991): Geometrisches Modellieren. Band 75 Reihe Informatik, BI–Wissenschaftsverlag, Mannhein, Japan, Wien, Zürich [2] Alvarez, A.; Brey, J.J.; Casado, J.M. (1990): A simulation model for traffic flow with passing. Transportation Research B 24, 193–202 [3] Amt für Straßen– und Verkehrswesen Frankfurt (1995): Verkehrsbeeinflussungsanlage A5 Frankfurt–Friedberg. Broschüre, Frankfurt am Main [4] Bando, M.; Hasebe, K.; Nakayama, A.; Shibata, A.; Sugiyama, Y. (1995): Dynamical model of traffic congestion and numerical simulation. Physical Review E 51, 1035–1042 [5] Behrendt, J.; Krell, K. (1988): Fahrstreifensignalisierung . In: Lapierre, R.; Steierwald, G. (Hrsg.) Verkehrsleittechnik für den Straßenverkehr, Band II, 177–210, Springer, Berlin [6] Benz, T. (1993): The microscopic traffic simulator AS (Autobahn Simulator). In: Pave, A., ed.: Modelling and Simulation 1993, 486–489. Society for Computer Simulation International, Ghent, Belgium [7] Biham, O.; Middleton, A.A.; Levine, D. (1992): Self–organization and a dynamical transition in traffic–flow models. Physical Rewiew A 46, 6124–6127 [8] Böhme, G. (1993): Fuzzy–Logik. Springer, Berlin, Heidelberg [9] Boltzmann, L. (1964): Lectures on Gas Theory. University of California, Berkley [10] Brandstädt, A. (1994): Graphen und Algorithmen. Teubner, Stuttgart [11] Brilon, W.; Wu, N. (1998): Evaluation of Cellular Automata for Freeways and Urban Streets. In: Tagungsband zum Ergebnis–Workshop Verkehr und Mobilität – Verhalten Simulation Umwelt, Schriftreihe Stadt Region Land, Heft 66, ISB RWTH Aachen [12] Bronstein, I.N.; Semendjajew, K.A. (1983): Taschenbuch der Mathematik. BSB B.G. Teubner, Leipzig [13] Bundesverkehrsministerium (1995): Verkehr in Zahlen 1995. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Abteilung Verkehr, Berlin 174 Literatur [14] Bundesministerium für Verkehr, Bau– und Wohnungswesen (2000): Integrierte Verkehrspolitik: Unser Konzept für eine mobile Zukunft – Verkehrsbericht 2000. Bundesministerium für Verkehr, Bau– und Wohnungswesen, Berlin [15] Burg, K.; Haf, H.; Wille, F. (1993): Höhere Mathematik für Ingenieure. Band III: Gewöhnliche Differentialgleichungen, Distributionen, Integraltransformationen. 3. Auflage, Teubner, Stuttgart [16] Burg, K.; Haf, H.; Wille, F. (1997): Höhere Mathematik für Ingenieure. Band IV: Vektoranalysis und Funktionentheorie. 2. Auflage, Teubner, Stuttgart [17] Calvo, M.; Montijano, J.L; Rández, L. (1990): A new embedded pair of Runge–Kutta– Formulas of order 5 and 6. Computers Mathematic Applications 20, 15–24 [18] Chandler, R.E.; Herman, R.; Montroll, E.W. (1958): Traffic dynamics: Studies in car following. Operations Research 6, 165–184 [19] Chorin, A. J.; Marsden, J. E. (1990): A Mathematical Introduction to Fluid Mechanics. 2. Auflage, Springer, New York, Berlin, Heidelberg [20] Christine, I.; Griffiths, G.F.; Mitchell, A.R.; Zienkiewicz, O.C. (1976): Finite element methods for second order differential equations with significant first derivatives. International Journal of Numerical Methods in Engineering 10, 1389–1396 [21] Chung, T.J. (1982): Finite Elemente in der Strömungsmechanik. Hanser, München [22] Cremer, M. (1979): Der Verkehrsfluß auf Schnellstraßen. Modelle, Überwachung, Regelung. Springer, Berlin [23] Cremer, M.; Ludwig, J. (1986): A fast simulation model for traffic flow on the basis of Boolean operations. Mathematical Comput. Simulation 28, 297ff [24] Cremer, M.; Fleischmann, S. (1987): Entwicklung eines regelungstechnischen Konzepts zum verkehrsabhängigen Einsatz von Wechselverkehrszeichen und Zufahrtsdosierungen in Schnellstraßennetzen. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 505, Bundesminister für Verkehr, Bonn [25] Daganzo, C.F. (1994): The cell transmission model: A dynamic representation of highway traffic consistent with the hydrodynamic theory. Transportation Research B 28(4), 269–287 [26] Damrath, R.; Rose, M. (2002): Dynamische Verkehrsprognosen auf der Basis makroskopischer Modellansätze. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 854, Bundesministerium für Verkehr, Bau– und Wohnungswesen, Bonn [27] Diekamp, R. (1995): Entwicklung eines fahrzeugorientierten Verkehrssimulationsprogramms . Diss. Institut für Kraftfahrwesen, Aachen 175 [28] Engeln–Müllges, G.; Reuter, F. (1996): Numerik–Algorithmen: Entscheidungshilfe zur Auswahl und Nutzung. 8. Auflage, VDI–Verlag [29] Fehlberg, E. (1970): Klassische Runge–Kutta–Formeln fünfter und siebter Ordnung mit Schrittweiten–Kontrolle. Computing 4, 184 [30] Ferziger, J.H.; Peric, M. (1999): Computational Methods for Fluid Dynamics. Springer, Berlin [31] Gazis, D.C.; Herman, R.; Potts, R.B. (1959): Car–following theory of steady–state traffic flow. Operations Research 7, 499–505 [32] Gazis, D.C.; Herman, R.; Rothery R.W. (1961): Nonlinear follow the leader models of traffic flow. Operations Research 9, 545–567 [33] Gazis, D.C.; Knapp, C.H. (1971): On–line estimation of traffic densities from time– series of flow and speed data. Transportation Science 5(3), 283–301 [34] Gerhardt, M.; Schuster, H. (1995): Das digitale Universum. Zelluläre Automaten als Modelle der Natur. Vieweg Verlag, Braunschweig, Wiesbaden [35] Goering, H.; Roos, H.–G.; Tobiska, L. (1989): Finite–Elemente–Methode. Deutsche Taschenbücher 68, Harri Deutsch Thun, Frankfurt am Main [36] Greenberg, H. (1959): An analysis of traffic flow. Operations Research 7, 79–85 [37] Helbing, D. (1995): Quantitative Sociodynamics: Stochastic Methods and Models of Social Interaction Processes. Kluwer Academic Publishers, Dirdrecht, Boston, London [38] Helbing, D. (1997): Verkehrsdynamik . Springer, Berlin, Heidelberg [39] Helbing, D.; Schreckenberg, M. (1999): Cellular automata simulating experimental properties of traffic flow. Physical Rewiew E 59, R2505–R2508 [40] Helbing, D.; Treiber, M. (1999): Macroscopic simulation of widely scattered synchronized traffic states. Journal of Physics A: Math. Gen. 32, L17–L23 [41] Helbing, D.; Treiber, M. (1999): Derivation, Properties, and Simulation of a Gas–Kinetic–Based, Non–Local Traffic Model. Physical Review E 59, 239–253 [42] Helbing, D.; Treiber, M. (1999): Numerical Simulation of Macroscopic Traffic Equations. Computing in Science and Engineering 5, 89–99 [43] Heuser, H. (1992): Funktionalanalysis . 3. Auflage, Teubner, Stuttgart [44] Hilliges, M. (1995): Ein phänomenologisches Modell des dynamischen Verkehrsflusses in Schnellstraßennetzen. Dissertation, Universität Stuttgart, Shaker, Aachen 176 Literatur [45] Hoffmann, G.; Glatz, M. (1999): Simulationsuntersuchungen Eignungstest Autobahnverkehrsmodelle – Schlußbericht. Hoffmann Leichter / Beratende Ingenieure, Falkensee [46] Jungnickel, D. (1994): Graphen, Netzwerke und Algorithmen. 3. Auflage, BI–Wissenschaftsverlag, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich [47] Kates, R. (1998): Einsatz der mesoskopischen Verkehrsflußsimulationen für praktische Anwendungen. 7. Aachener Kolloquium Fahrzeug– und Motortechnik 1998 [48] Keizer, J. (1987): Statistical Thermodynamics of Nonequilibrium Processes. Springer, New York, Berlin, Heidelberg [49] Keller, H.B. (1974): Accurate Difference Methods for Nonlinear Two–Point Boundary Value Problems. SIAM J. 11, 305–320 [50] Kerner, B.S.; Konhäuser, P. (1993): Cluster effect in initially homogeneous traffic flow. Physical Review E 48, R2335–2338 [51] Kerner, B.S.; Konhäuser, P.; Schilke, M. (1996): A New Approach to Problems of Traffic Flow Theory. In: Lessort, J.–B. (ed.): Transportation and Traffic Theory, Pergamon, 119–147 [52] Kerner, B.S. (1999): The physics of traffic. PhysicsWorld 12(8), 25–30 [53] Kerner, B.S.; Aleksic, M.; Rehborn, H.; Haug, A. (2000): Methods for the tracing and prediction of traffic flow patterns in the congested regime. In: Proceedings of 7th ITS World Congress on Intelligent Transport Systems, Turin [54] Kühne, R.D. (1991): Traffic pattern in unstable traffic flow on freeways. In: Brannolte, U. (ld.): Highway Capacity and Level of Service, Balkema, Rotterdam, 211–225 [55] Kühne, R.D. (1991): Macroscopic Simulation Model for Freeway Traffic with Jams and Stop–and–Go–Waves. In: Nelson, B.L.; Kelton, W.D.; Clark, G.M. (eds.): Proceedings of the 1991 Winter Simulation Conference [56] Kühne, R.D.; Hilliges, M.; Langbein–Euchner, K.; Koch, N. (1995): Model based optimization of traffic control systems. In: Pahl, P.J.; Werner, H. (eds.): Proceedings of the 6th International Conference on Computing in Civil Engineering in Berlin, A.A. Balkema, Rotterdam, 1431–1438 [57] Leutzbach, W. (1972): Einführung in die Theorie des Verkehrsflusses . Springer, Berlin, Heildelberg [58] Lighthill, M.J.; Whitham G.B. (1955): On kinematic waves: I. Flood movement in long rivers. Proceedings of the Royal Society A 299, 281–3176 [59] Lighthill, M.J.; Whitham G.B. (1955): On kinematic waves: II. A theory of traffic on long crowded roads. Proceedings of the Royal Society A 299, 317–345 177 [60] Malcherek, A. (1999): Physik und Numerik der Fließgewässer. Version 3.0, Bundesamt für Wasserbau, Außenstelle Küste, Hamburg [61] Michaels, R.M.; Cozan, L.W. (1962): Perceptual and field factors causing lateral displacement. Highway Research Record 25, 1–13 [62] Milbradt, P. (1995): Zur mathematischen Modellierung großräumiger Wellen– und Strömungsvorgänge . Diss. Institut für Bauinformatik, Universität Hannover [63] Milbradt, P. (2001): Algorithmische Geometrie in der Bauinformatik. Habil. Institut für Bauinformatik, Universität Hannover [64] Nagel, K. Schreckenberg, M. (1992): A cellular automaton model for freeway traffic. Journal de Physique I France 2, 2221–2229 [65] Nagel, K. (1995): High–Speed Microsimulations of Traffic Flow. Diss., Universität Köln [66] Nahi, N.E.; Trivedi, A.N. (1973): Recursive estimation of traffic variables: Section density and average speed. Transportation Science 7(3), 269–286 [67] Nelson, P. (1995): A kinetic model of vehicular traffic and its associated bimodal equilibrium solutions. Transport Theory and Statistical Physics 24, 383–409 [68] Newell, G.F. (1961): Nonlinear effects in the dynamics of car following. Operation Research 9, 209–229 [69] Pahl, P.J.; Damrath, R. (2000): Mathematische Grundlagen der Ingenieurinformatik. Springer, Berlin, Heidelberg, New York [70] Papageorgiou, M. (1983): Applications of automatic control concepts to traffic flow modeling and control. Springer, Berlin [71] Paveri–Fontana, S. L. (1975): On Boltzmann–like treatments for traffic flow. A critical review of the basic model and an alternative proposal for dilute traffic analysis. Transportation Research 9, 225–235 [72] Payne, H.J. (1971): Models of freeway traffic and control. In: Bekey, G.A. (ed.) Mathematical Model of Public Systems, Volume 1, 51–61. Simulation Council, La Jolla, CA. [73] Phillips, W.F. (1979): A kinematic model for traffic flow with continuum implications. Transportation Planning and Technology 5, 131–138 [74] Prigogine, I.; Herman, R. (1971): Kinematic Theory of Vehicular Traffic. Elsevier, New York [75] PTV (1992): Benutzerhandbuch VISUM–IV, Version 4.23: Interaktive Netzbearbeitung und Umlegung. PTV System GmbH, Karlsruhe 178 Literatur [76] Rekersbrink, A. (1994): Verkehrsflußsimulation mit Hilfe der Fuzzy–Logic und einem Konzept potentieller Kollisionszeiten. Diss. Universität Karlsruhe [77] Reuschel, A. (1950): Fahrzeugbewegungen in der Kolonne bei gleichförmig beschleunigtem oder verzögertem Leitfahrzeug. Zeitschrift des Österreichischen Ingenieur und Architektur Vereines 95, 59–62, 73–77 [78] Richards, P.I. (1956): Schock waves on the highway. Operations Research 4, 42–51 [79] Rickert, M. (1994): Simulation von Zellularautomaten–Modellen für Mehrspurverkehr. Zentrum für Paralleles Rechnen, Universität Köln [80] Rose, M. (1996): Kritische Analyse von Routensuchverfahren. Institut für Verkehrswirtschaft, Straßenwesen und Städtebau, Universität Hannover [81] Schüler, T. (1998): Ein integriertes Netz– und Modal–Split–Modell als objektorientiertes System. Diss. Universität Hannover [82] Schütt, H. (1990): Entwicklung und Erprobung eines sehr schnellen bitorientierten Verkehrssimulationssystems für Straßennetze. Diss. TU Hamburg–Harburg [83] Schwöppe, A. Lippert, C. (1997): Die konvexe Zelle als Basiskomponente in Modellvorstellungen des Ingenieurwesens. In: Hauser, M; Katranuschkov, P. (Hrsg.) 9. Forum Bauinformatik, Forschungsberichte VDI, Reihe 4 Nr. 140, VDI–Verlag, Düsseldorf [84] Shvetsov, V.; Helbing, D. (1999): Macroscopic dynamics of multi–lane traffic. Physical Review E 59, 6328–6338 [85] Smulders, S. (1989): Control of Freeway Traffic Flow. Diss. University of Twente, Leiden, The Netherlands [86] Sparmann, U., Hrsg. (1978): Spurwechselvorgänge auf zweispurigen BAB–Richtungsfahrbahnen . Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 263, Bundesministerium für Verkehr, Abt. Straßenbau, Bonn–Bad Godesberg [87] Stöcker, R.; Zieschang, H. (1994): Algebraische Topologie. Teubner, Stuttgart [88] Todosiev, E.P. (1963): The Action–Point Model of the Driver–Vehicle System. Technical Report 202A–3. Ohio State University, Columbus, Ohio [89] Treiber, M.; Henneke, A.; Helbing, D. (1999): Derivation, Properties and Simulation of a Gas–Kinetic–Based, Non–Local Traffic Model. Physical Review E 39, 239–253 [90] Treiterer, J. et al. (1970): Investigation of Traffic Dynamics by Aerial Photogrammetric Techniques. Interim Report EEs 278–3. Ohio State University, Columbus, Ohio [91] Wiedemann, R. (1974): Simulation des Straßenverkehrsflusses. Heft 8 der Schriftenreihe des Institut für Verkehrswesen, Universität Karlsruhe 179 [92] Wiedemann, R.; Schwerdtfeger, T. (1987): Makroskopisches Simulationsmodell für Schnellstraßennetze mit Berücksichtigung von Einzelfahrzeugen. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 500, Bundesministerium für Verkehr, Abteilung Straßenbau, Bonn–Bad Godesberg [93] Wolf, D.E.; Schreckenberg, M. (Eds.) (1998): Traffic and Granular Flow ’97. Springer, Singapore [94] Zielke W. (1990): Strömungsmechanik für Bauingenieure. Vorlesung Teil II. Kapitel 8.31, Institut für Strömungsmechanik, Hannover [95] Zienkiewicz, O.C.; Taylor, R.L. (2000): The Finite Element Method. Fifth Edition, Butterworth–Heinemann, Oxford [96] (1994): EMME/2 User Manual, Les Conseillers INRO. Montreal, Quebec, Kanada