Modellbildung und Simulation von Autobahnverkehr

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Modellbildung und Simulation
von Autobahnverkehr
Von dem Fachbereich Bauingenieur- und Vermessungswesen
der Universität Hannover
zur Erlangung des Grades
Doktor-Ingenieur
genehmigte Dissertation
von
Dipl.-Ing. Martin Rose
geboren am 19.11.1969 in Lingen (Ems)
2003
Referent:
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Damrath
Korreferent:
Prof. Dr.-Ing. Bernhard Friedrich
Tag der Promotion: 27.06.2003
Organisation und Verwaltung:
Institut für Bauinformatik
Universität Hannover
Callinstrasse 34
D-30167 Hannover
Telefon: +49 (0)511/762-5981
Telefax: +49 (0)511/762-4756
URL: http://www.bauinf.uni-hannover.de
Martin Rose
Hornemannweg 10
30167 Hannover
Alle Rechte, auch das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne
Genehmigung des Autors ist es nicht gestattet, dieses Buch ganz oder teilweise
auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder in
elektronischen Medien zu speichern.
Kurzfassung
Es wird eine ganzheitliche Modellierung von Autobahnverkehr entwickelt, deren
Implementierung in einem einheitlichen, computergestützten Simulationsmodell eine
vergleichende Beurteilung und eine systematische Kopplung verschiedener Verkehrssimulationen, Verkehrsbeeinflussungen, Verkehrsmessungen und Verkehrsszenarien in
einem Autobahnnetz ermöglicht.
Die ganzheitliche Modellbildung von Autobahnverkehr entspricht einer grundlegenden
Abbildung von Autobahnnetzen, Beeinflussungsmaßnahmen, Messanordnungen und
unterschiedlichen Simulationen von Verkehrsabläufen. Die relevanten Komponenten der
Autobahnnetze und deren gegenseitige Abhängigkeiten werden derart abgebildet, dass
sich hierin die Modellierung von Beeinflussungs–, Mess– und Verkehrsablaufskomponenten entsprechend einer gegebenen Problemstellung integrieren lässt.
Die Simulation von Verkehsabläufen erfolgt auf Basis einer mikro–, makro– oder
mesoskopischen Modellierung der Verkehrsabläufe. In der Arbeit wird eine mikroskopische Modellierung entwickelt, die sich durch anschauliche Regeln auszeichnet. Die in der
Arbeit verwendete makroskopische Modellierung besteht aus Navier–Stokes–ähnlichen
Gleichungen. Durch Integration des gezeigten mikroskopischen Modellansatzes in eine
makroskopische Modellierung entsteht eine neuartige, regelbasierte mesoskopische
Modellierung. Die drei Modellierungen der Verkehrsabläufe werden mit verschiedenen
Verfahren numerisch umgesetzt. Dabei kann insbesondere die Methode der finiten
Elemente erfolgreich auf die makroskopische Modellierung angewendet werden.
Die Simulationsprogramme, die durch Implementierung der numerischen Umsetzungen
entstehen, werden in einer Störungsanalyse und einem Ergebnisvergleich mit Detektordaten auf ihre Brauchbarkeit untersucht. Dabei zeigt sich, dass sowohl die mikroskopische, als auch die makro– und mesoskopische Simulation in der Lage ist, typische
Verkehrsphänomene wie Staus oder Stop–and–Go–Wellen wiederzugeben. Bei geeigneter Wahl der Geschwindigkeits–Abstands–Relation erweist sich die mesoskopische
Simulation als konsistente Verbindung zwischen mikro– und makroskopischen Simulationen. Die Geschwindigkeits–Abstands–Relation beziehungsweise die Geschwindigkeits–
Dichte–Relation der Verkehrsabläufe ist der entscheidene Parameter der derzeitigen
Simulationen, die äußerst sensitiv auf Änderungen dieses Parameters reagieren.
II
Kurzfassung
Abstract
This dissertation develops an integrated modelling of freeway traffic, whose implementation in an uniform computer–aided simulation model allows a comparative evaluation and
a systematic coupling of several traffic simulations, traffic interferences, traffic measurements and traffic scenarios.
The integrated modelling of freeway traffic is a basic mapping of freeway nets, interference
measures, measurement set–ups and different simulations of traffic flow. Relevant
components of the freeway nets and their interdependences are mapped, so that the
modelling of components for the interferences, measurements and traffic flows can be
integrated in this mapping.
The simulation of traffic flow, commonly, bases on a microscopic, macroscopic or
mesoscopic modelling of the traffic flow. This dissertation develops a microscopic
modelling featuring descriptive rules. The microscopic modelling in this dissertation
consists of Navier–Stokes–like equations. With an integration of the shown microscopic
model in a macroscopic modelling a novel rule–based mesoscopic modelling is
developed. The three modellings of traffic flow are numerically approximated by different
numerical methods. In doing so the finite element method, in particular, can successfully
be applied to the macroscopic modelling.
The simulation programmes, which evolve from implementations of the numerical
approximations, are verified for usefulness in a disturbance analysis and a comparison of
simulation results with detector data. Thus, it turns out that both, the microscopic and the
macroscopic simulation, are able to reproduce typical traffic phenomena like traffic jams
or stop–and–go waves. With a suitable choice of the speed–distance–relation the
mesoscopic simulation proves a consistent link between microscopic and macroscopic
simulations. The speed–distance–relation respectively the speed–density–relation is the
decisive parameter of the shown simulations, that react very sensitively to changes of this
parameter.
Schlüsselwörter: Verkehrsmodellierung, Verkehrssimulation, Autobahnverkehr
Keywords: traffic modelling, traffic simulation, freeway traffic
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand in den Jahren von 1997 bis 2003 im Rahmen meiner
Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bauinformatik der Universität
Hannover unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Rudolf Damrath.
Bereits während meiner studentischen Mitarbeiterzeit in der Gründungsphase des
Instituts weckte und unterstützte Prof. Damrath mein Interesse für die computergestützte
Modellierung sowie für Strukturen und Abläufe im Bauingenieurwesen. Er erkannte früh
das Potential der Bauinformatik im Verkehrswesen und bestärkte mich bei der
Erschließung dieses interessanten Themas. Während unserer langen und intensiven
Zusammenarbeit konnte ich viel von seinem grundlegenden Denken und Arbeiten lernen.
Hierzu zählte insbesondere seine immer wieder verblüffende Fähigkeit, jeden noch so
komplexen Sachverhalt sehr klar und präzise darzustellen, um so zu überraschend
einfachen Lösungen zu gelangen. Prof. Damrath gab mir für meine Arbeit große
Freiräume sowie einen persönlichen und fachlichen Rückhalt. Dabei nahm er sich
ungewöhnlich viel Zeit für anregende, umfassende und erkenntnisreiche Gespräche. Für
diese wunderbare und ausgesprochen lehrreiche Zusammenarbeit werde ich Prof.
Damrath immer dankbar sein.
Ich danke Prof. Dr.-Ing. Bernhard Friedrich, dem Leiter des Instituts für Verkehrswirtschaft, Straßenwesen und Städtebau der Universität Hannover, für sein reges Interesse,
die aufschlussreichen Gespräche und die Übernahme des Korreferates. Sein Vorgänger,
Prof. Dr.-Ing. Robert Schnüll, gab mir in meiner Studienzeit umfassende Einblicke in die
ganzheitliche Verkehrsplanung. Hierfür und für die spontane Unterstützung bei meinem
Stipendiumsantrag danke ich ihm. Bei Dr.-Ing. Hans–Martin Heck bedanke ich mich
herzlich für sein stetes Interesse an meinen Arbeiten und seine hilfreichen Hinweise auf
mögliche neue Aufgaben.
Ein besonderer Dank gebührt meinem Kollegen Dr.-Ing. habil. Peter Milbradt. Er hat mich
mit seinem ausgezeichneten fachlichen Wissen, insbesondere in den Bereichen der
numerischen Methoden und der Strömungsmechanik, in unzähligen Gesprächen immer
wieder vorangetrieben. Mein Kollege Dipl.-Ing. Axel Schwöppe hat diese Arbeit äußerst
gewissenhaft inhaltlich korrigiert und damit zu einem noch besseren Verständnis der
Arbeit beigetragen. Ich danke ihm für diese freundschaftliche Unterstützung.
IV
Vorwort
All meinen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich am Institut für Bauinformatik der
Universität Hannover zusammen sein durfte, danke ich ganz herzlich für die langjährige
Zusammenarbeit, die vielen anregenden Gespräche und den Spaß, der in den
vergangenen Jahren nicht zu kurz kam. Es war und ist mir eine große Freude, in diesem
Institut zu arbeiten.
Ich danke auch der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die meine Arbeit in
Form eines Dissertations-Stipendiums im Bereich des Verkehrswesens gefördert hat.
Schließlich danke ich meiner Familie von ganzem Herzen für ihr Verständnis und ihre
uneingeschränkte Unterstützung. Sie hat mir den notwendigen privaten Rückhalt
gegeben und somit einen wesentlichen Rahmen zum Gelingen dieser Arbeit geschaffen.
Hannover, im November 2003
Martin Rose
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.1 Gegenwärtiger Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.2 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
1.3 Gliederung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2.1 Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.1.1 Verkehrsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.1.2 Vehikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
2.1.3 Verkehrsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
2.1.4 Kenngrößen eines Verkehrsablaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
2.2 Verkehrsbeeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
2.3 Verkehrsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
3 Modellierung von Autobahnverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
3.1 Autobahnverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
3.1.1 Autobahnnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
3.1.2 Kraftfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
3.1.3 Verkehrsabläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
3.1.4 Verkehrsbeeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
3.1.5 Verkehrsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
3.2 Modellierung von Autobahnnetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
3.2.1 Modellierung der Netzstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
3.2.2 Modellierung eines Fahrbahnabschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
VI
Inhalt
3.3 Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
3.3.1 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . .
50
3.3.2 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . .
51
3.3.3 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . .
53
3.4 Modellierung von Verkehrsbeeinflussungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
3.5 Modellierung von Verkehrsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
4.1 Bestimmungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
4.1.1 Bestimmungsgleichungen für einen Fahrstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
4.1.2 Bestimmungsgleichungen für mehrere Fahrstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
4.2 Geschwindigkeits–Abstands–Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
4.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
4.3.1 Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
4.3.2 Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
4.3.3 Übergangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
4.4 Verkehrszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
5.1 Bestimmungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
5.1.1 Bestimmungsgleichungen für einen Fahrstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
5.1.2 Bestimmungsgleichungen für mehrere Fahrstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
5.2 Geschwindigkeits–Dichte–Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
5.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
5.3.1 Anfangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
5.3.2 Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
5.3.3 Übergangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
5.4 Verkehrszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
VII
6 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
6.1 Bestimmungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
6.1.1 Bestimmungsgleichungen für einen Fahrstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
6.1.2 Bestimmungsgleichungen für mehrere Fahrstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
6.2 Verkehrszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
7 Numerische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
7.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
7.1.1 Diskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
7.1.2 Numerische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
7.2 Numerische Umsetzung mikroskopischer Modellierungen . . . . . . . . . . . . . . . 112
7.2.1 Explizite Zeitschrittverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
7.2.2 Approximationsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
7.2.3 Schrittweitensteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
7.3 Numerische Umsetzung makroskopischer Modellierungen . . . . . . . . . . . . . . . 117
7.3.1 Ansatzfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
7.3.2 Standard–Galerkin–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
7.3.3 Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
7.3.4 Lösung des Gleichungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
7.3.5 Geschwindigkeitsabhängige Schrittweitensteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . 124
7.4 Numerische Umsetzung mesoskopischer Modellierungen . . . . . . . . . . . . . . . 124
7.4.1 Bestimmung des Abstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
7.4.2 Kontinuitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
7.4.3 Bewegungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
7.4.4 Numerische Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
VIII
Inhalt
8 Simulation von Autobahnverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
8.1 Störungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
8.1.1 Testkonfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
8.1.2 Mikroskopische Verkehrsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
8.1.3 Makroskopische Verkehrsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
8.1.4 Mesoskopische Verkehrsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
8.2.1 Verkehrsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
8.2.2 Makroskopische Verkehrsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
8.2.3 Mesoskopische Verkehrsmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
8.3 Simulationen zur Verkehrsuntersuchung und Verkehrsprognose . . . . . . . . . . 166
9 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
1 Einleitung
Sichere, leistungsfähige und umweltverträgliche Verkehrssysteme sind ein wesentlicher
Bestandteil einer modernen Infrastruktur von Städten, Regionen und Ländern. Die in den
letzten Jahren stark angestiegene Mobilität im Personen– und Güterverkehr hat die
Sicherheit, Leistungsfähigkeit und Umweltverträglichkeit der Verkehrssysteme nachhaltig
beeinträchtigt. In Regionen mit hoher Verkehrsdichte führen bereits lokale Störungen zu
großräumigen Verkehrsbehinderungen und Umweltbelastungen. Zur Lösung der bestehenden Probleme ist eine ganzheitliche Verkehrsplanung mit dem Ziel der bestmöglichen
Nutzung der bestehenden Verkehrsarten, Verkehrsmittel und Verkehrsnetze erforderlich.
Eine wesentliche Bedeutung für den Personen– und Güterverkehr haben Autobahnnetze.
Sie bieten den Verkehrsteilnehmern eine individuelle und schnelle Verbindung zwischen
weit entfernten Orten. Die Bundesautobahnen bewältigen 25 % der Gesamtleistungen,
obwohl sie nur 5 % der Gesamtlänge öffentlicher Straßen in Deutschland ausmachen
[13]. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anzahl der Kraftfahrzeuge in Deutschland zwischen 1991 und 1998 um 14.2 % auf 49.2 Mio. angewachsen ist [14]. Die weiterhin steigende Mobilität führt zu höheren Verkehrsbelastungen im gesamten Autobahnnetz.
Um die Sicherheit und die Qualität der Verkehrsabläufe auf den Autobahnen zu
gewährleisten, sind Störungen in den Verkehrsabläufen zu vermeiden. In der ganzheitlichen Verkehrsplanung wird dies insbesondere durch eine Verkehrsleittechnik zur
Steuerung der Verkehrsabläufe erreicht. Für eine Vielzahl von Maßnahmen der
Verkehrsleittechnik reicht es nicht aus, lediglich den aktuellen Verkehrszustand mit Hilfe
von Messungen zu erfassen. Es sind Prognosen über das Verhalten zukünftiger
Verkehrsabläufe erforderlich, um möglichst wirkungsvolle Steuerungen zu gewährleisten.
Lang– und kurzfristige Verkehrsprognosen lassen sich durch Mustererkennungen in den
Verkehrsabläufen gewinnen [53]. Zur Vermeidung der Störungen im Autobahnverkehr
reichen kurzfristige Prognosen von unter einer halben Stunde aus. Kurzfristige
Verkehrsprognosen lassen sich auch mit Simulationen der Verkehrsabläufe gewinnen.
Die Grundlage für Simulationen von Verkehrsabläufen bilden Verkehrsmodellierungen.
Zur Modellierung von Verkehrsabläufen auf einer Autobahn wurden bereits in den
fünfziger Jahren Modelle entwickelt und in der Folgezeit erweitert. Anfang der neunziger
Jahre zeigte sich ein großer Schub in der Entwicklung dieser Modelle. Dies hatte zwei
2
1 Einleitung
wesentliche Gründe. Zum einen ermöglichte die gestiegene Leistung der zur Verfügung
stehenden Computer eine umfangreiche und schnelle Simulation von Verkehrsabläufen
in größeren Gebieten. Zum anderen ist für die Forschung, die sich mit der Behandlung
komplexer Systeme beschäftigte, der Verkehr zu einem wesentlichen Anwendungsgebiet
für ihre Verfahren, wie etwa der Theorie stochastischer Prozesse [37] oder dem Verfahren
der zellularen Automaten [65], geworden.
1.1 Gegenwärtiger Stand
Seit Anfang der fünfziger Jahre hat eine Vielzahl von Wissenschaftlern umfassend an der
Entwicklung von Verkehrsmodellen gearbeitet. Dabei entstanden zahlreiche Modelle zur
analytischen Berechnung und zur Simulation von Autobahnverkehr. Die Modelle zur
analytischen Berechnung von Autobahnverkehr berechnen einen Verkehrszustand.
Hierzu zählen insbesondere Verkehrsumlegungsmodelle [75, 81, 96]. Diese statischen
Modelle dienen dem Entwurf von Verkehrsanlagen. Modelle zur Simulation von
Autobahnverkehr berechnen die Zustandsänderungen der Verkehrsabläufe eines
Autobahnverkehrs über einen längeren Zeitraum. Diese dynamischen Modelle, die sich
zur Prognose von Verkehrsabläufen nutzen lassen, werden in dieser Arbeit betrachtet.
Einen umfassenden Überblick über die zahlreichen Verkehrsmodelle zur Simulation von
Autobahnverkehr liefert Helbing [38]. Die Modelle lassen sich prinzipiell in mikroskopische, makroskopische und mesoskopische Modellierungen klassifizieren.
Mikroskopische Modellierungen bilden die Verkehrsabläufe auf einer Autobahn als eine
Menge einzelner Kraftfahrzeuge mit ihren gegenseitigen Interaktionen ab. Sie lassen sich
auf das Modell von Reuschel [77] zurückführen, mit dem das Aufeinanderfolgen der
Kraftfahrzeuge in einem Kolonnenverkehr untersucht wurde. Es entstanden zahlreiche
Weiterentwicklungen dieser Fahrzeug–Folge–Modelle von Chandler, Herman, Montroll,
Gazis, Potts, Rothery, Newell und anderen [18, 31, 32, 36, 68]. Ein sehr detailliertes
Fahrzeug–Folge–Modell von Wiedemann [91] wird bis heute von seinen ehemaligen
Mitarbeitern weiterentwickelt [6, 76]. Andere, wie zum Beispiel Alvarez oder Bando [2, 4],
haben in den neunziger Jahren alternative Fahrzeug–Folge–Modelle entwickelt. Angeregt durch ein bitorientiertes Modell von Cremer, Ludwig und Schütt [23, 82] hat Nagel
zusammen mit Schreckenberg die Theorie der zellularen Automaten in die Mikrosimulation von Autobahnverkehr eingeführt [64, 65]. Diese Theorie wird derzeit vermehrt
angewendet, um besonders schnelle Verkehrssimulationen zu realisieren [7, 11, 39, 79].
Makroskopische Modellierungen bilden die Verkehrsabläufe auf einer Autobahn analog
zu einer kontinuierlichen Fluidströmung ab. Sie lassen sich auf die Modelle von Lighthill
und Whitham [59] sowie Richards [78] zurückführen, mit denen der dichte Verkehr auf
einer Autobahn untersucht wurde. Basierend auf diesem Ansatz wurden die makroskopischen Modellierungen unter anderem von Payne [72], Pagageorgiou [70], Cremer [22],
1.1 Gegenwärtiger Stand
3
Smulders [85], Kühne [54, 55], Kerner und Konhäuser [50, 51], Daganzo [25] und Hilliges
[44] entwickelt.
Mesoskopische Verkehrsmodellierungen stellen eine Verbindung zwischen mikroskopischen und makroskopischen Modellierungen von Verkehrsabläufen einer Autobahn her.
Die Verbindung kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Eine Möglichkeit ist die
räumliche oder verkehrsabhängige Kopplung von mikroskopischen und makroskopischen Modellierungen. Hierzu zählen beispielsweise die Modelle von Wiedemann und
Schwerdtfeger [92] sowie von Kates [47]. Eine weitere Möglichkeit für eine Verbindung
mikroskopischer und makroskopischer Verkehrsmodellierungen ist die Entwicklung eines
makroskopischen Modells aus einer mikroskopischen Betrachtungsweise. Prigogine
legte mit seinem gaskinetischen Verkehrsmodell [74] den Grundstein zu makroskopischen Modellen, die die Interaktionen der einzelnen Kraftfahrzeuge im Verkehrsablauf
wie bei einem Gas berücksichtigen. Insbesondere Paveri–Fontana [71], Phillips [73],
Nelson [67] und Helbing [38, 41, 84] haben diesen Modellansatz weiterentwickelt.
Die Brauchbarkeit einer Modellierung zur Simulation von Autobahnverkehr kann nur
durch Vergleiche mit anderen Modellierungen oder mit Verkehrsmessungen beurteilt
werden, da eine geschlossene analytische Lösung für das Verhalten real auftretender
Verkehrsabläufe nicht existiert. Vergleiche von unterschiedlichen Modellierungen wurden
bislang weitestgehend auf Ergebnisvergleiche unterschiedlicher Simulationsprogramme
beschränkt. Ein solcher Vergleich ist beispielsweise in [45] veröffentlicht. Ein umfassender
Vergleich makroskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen auf einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn unter Berücksichtigung der mathematischen Modellansätze,
der numerischen Umsetzung und der Simulationsergebnisse für ausgewählte Verkehrsszenarien wurde vor kurzem in [26] aufgezeigt. Vergleiche von Verkehrsmodellierungen
mit Verkehrsmessungen sind nur dann sinnvoll, wenn die gemessenen Verkehrsdaten für
einen solchen Vergleich geeignet sind. Bisher wurden die Verkehrsmessungen nicht für
Vergleiche mit Simulationsergebnissen konzipiert. In den siebziger Jahren wurden
vereinzelt Verkehrsdaten aus Luftaufnahmen oder Induktionsschleifen aufgenommen
und ausgewertet [33, 66, 90]. Treiterer [90] konnte aus Luftaufnahmen Ort–Zeit–Diagramme mit Bahnlinien der Kraftfahrzeuge gewinnen. Die Daten aus solchen Messungen eines
Autobahnverkehrs waren bis vor wenigen Jahren jedoch nicht geeignet, die Korrektheit
einer dynamischen Verkehrssimulation festzustellen. Erst die Notwendigkeit einer
Verifikation der Simulationsmodelle hat zu geeigneteren Online–Messungen geführt, die
eine umfassende Untersuchung der Verkehrsabläufe und eine Verbesserung ihrer
Modellierungen ermöglichen [40, 52, 93].
Die immer komplexer werdenden Simulationsmodelle werden zur physikalischen
Erklärung der in den Verkehrsmessungen identifizierbaren Phänomene entwickelt, nicht
aber, um bestimmte Verkehrsaufgaben zu lösen. Die Anwendung der Modelle für eine
Verkehrsaufgabe erfordert daher ein umfassendes Verständnis der Modellierung von
4
1 Einleitung
Autobahnverkehr. Darüber hinaus ist die Verkehrsleittechnik meist a priori nicht
Bestandteil dieser Modelle, so dass das Verhalten des gesteuerten Autobahnverkehrs mit
den Simulationsmodellen nicht abgebildet wird. Für eine Steuerung der Verkehrsabläufe
in einem Autobahnnetz ist es unerlässlich, neben den Verkehrsabläufen auch Verkehrsbeeinflussungen und –messungen in die Modellierung von Anfang an zu integrieren.
Ebenso ist eine Integration der entsprechenden Simulation in eine Verkehrsuntersuchung
oder in eine Verkehrsprognose zu berücksichtigen. Die Beurteilung von Simulationsmodellen erfordert für eine einheitliche Vergleichbarkeit der Modellierung mit anderen
Modellierungen oder mit Messungen eine systematische Kopplung verschiedener
Verkehrssimulationen, Verkehrsbeeinflussungen und Verkehrsmessungen.
1.2 Zielsetzung
Ziel der Arbeit ist die Entwicklung einer ganzheitlichen Modellierung von Autobahnverkehr, deren Implementierung in einem einheitlichen computergestützten Simulationsmodell eine systematische Kopplung verschiedener Verkehrssimulationen, Verkehrsbeeinflussungen und Verkehrsmessungen für verschiedene Verkehrsszenarien in einem
Autobahnnetz ermöglicht. Die Modellbildung von Autobahnverkehr umfasst die grundlegende Abbildung von Autobahnnetzen, Beeinflussungsmaßnahmen und Messanordnungen sowie verschiedenartige Simulationen der Verkehrsabläufe in einem Autobahnnetz.
Die Simulation von Autobahnverkehr ist ein integraler und unverzichtbarer Bestandteil der
Modellbildung, sie wird als Kern der Arbeit gesondert behandelt. Die vollständige
Implementierung des computergestützten Modells ist nicht Bestandteil der Arbeit.
Modellbildung von Autobahnverkehr
Die Modellbildung eines Autobahnverkehrs ist der Prozess der Überführung vom
Autobahnverkehr zum computergestützten Simulationsmodell. In der Arbeit entspricht die
Überführung nicht der Entwicklung einer speziellen Modellierung zur Simulation des
Autobahnverkehrs, sondern der Entwicklung einer ganzheitlichen Modellierung, die die
Kombination verschiedener Verkehrsmodellierungen in einem einheitlichen Rahmen zur
Lösung verschiedener Verkehrsaufgaben gestattet. Darüber hinaus werden bei der
Überführung verschiedene Modellierungen von Messanordnungen und Beeinflussungsmaßnahmen als integraler Bestandteil der ganzheitlichen Modellierung des Autobahnverkehrs berücksichtigt. Dies ermöglicht sowohl die Auswertung und Darstellung von
Messdaten, die Durchführung von Verkehrssimulationen und deren Vergleich mit
Messdaten, als auch die Nutzung der Simulationen in Form von Verkehrsprognosen zur
Steuerung von Autobahnverkehr.
Die Modellbildung eines Autobahnverkehrs erfolgt in mehreren aufeinander folgenden
Schritten. Der erste Schritt ist die geometrische und physikalische Beschreibung der
Komponenten des Autobahnverkehrs und ihrer gegenseitigen Beziehungen. Der zweite
1.2 Zielsetzung
5
Schritt ist die Überführung der Beschreibung in eine mathematische Modellierung des
Autobahnverkehrs. Der dritte Schritt ist die Implementierung der Modellierung, die das
computergestützte Simulationsmodell ergibt. In der ganzheitlichen Modellierung erfolgt
die Beschreibung zunächst für allgemeinen Verkehr, um eine einheitliche Grundstruktur
für die Verkehrskomponenten zu schaffen. Dadurch lassen sich verschiedene Beschreibungen des Autobahnverkehrs als Spezialisierung der allgemeinen Verkehrsbeschreibung miteinander kombinieren und vergleichen. Dies gilt auch für die verschiedenen
Modellierungen des Autobahnverkehrs. Die grundlegenden Komponenten zur Modellierung des Autobahnverkehrs sind das betrachtete Autobahnnetz sowie die Verkehrsabläufe, die Beeinflussungsmaßnahmen und die Verkehrsmessungen im Autobahnnetz. Das
Autobahnnetz wird als ein Verkehrsgebiet mit strukturell und geometrisch konstanten
Eigenschaften modelliert. Diese Modellierung, die auf der Graphentheorie basiert, bildet
die Grundlage für die Modellierung der übrigen Verkehrskomponenten. Die Modellierung
von Verkehrsbeeinflussungen kann sich ebenso wie die Modellierung von Verkehrsmessungen zeitlich verändern. Räumlich sind diese Modellierungen in die Struktur und die
Geometrie des modellierten Autobahnnetzes einzubinden. Die Modellierungen der raum–
und zeitabhängigen Verkehrsabläufe führt zur Simulation des Autobahnverkehrs.
Simulation von Autobahnverkehr
Eine Simulation eines Autobahnverkehrs ergibt sich aus der Implementierung der
numerischen Umsetzung einer Modellierung von Verkehrsabläufen im Autobahnverkehr.
Die Modellierung von Verkehrsabläufen entspricht mathematischen Bestimmungsgleichungen, die auf einem mikroskopischen, einem makroskopischen oder einem mesoskopischen Modellansatz basieren. Stellvertretend für die Vielzahl existierender Modellierungen von Verkehrsabläufen auf einer Autobahn wird in der Arbeit eine mikroskopische
Modellierung entwickelt und eine makroskopische Modellierung aufgezeigt. Ein besonderer Schwerpunkt der Arbeit ist die Entwicklung einer anschaulichen mesoskopischen
Modellierung, die die mikroskopische in eine makroskopische Verkehrsmodellierung
einbindet. Da die drei Modellierungen die gleiche Grundstruktur besitzen und an das
modellierte Autobahnnetz angepasst sind, lassen sie sich zur Lösung verschiedener
Verkehrsaufgaben im einheitlichen Simulationsmodell beliebig kombinieren.
Die Bestimmungsgleichungen der Verkehrsabläufe sind numerisch zu lösen. Für diese
numerische Umsetzung existieren zahlreiche numerische Verfahren, wie Finite–Differenzen– oder Finite–Elemente–Verfahren, die eine zeitliche und räumliche Approximation
der Bestimmungsgleichungen ermöglichen. Anhand einer einheitlichen Implementierung
von drei exemplarisch gewählten numerischen Umsetzungen der mikroskopischen,
makroskopischen und mesoskopischen Modellierung wird gezeigt, dass eine auf die
Modellierung abgestimmte numerische Umsetzung unabhängig von der Modellierung
behandelt werden kann. Dies gilt insbesondere für die im Verkehrswesen bislang
unberücksichtigte Methode der finiten Elemente.
6
1 Einleitung
Das einheitliche Simulationsmodell für Autobahnverkehr ermöglicht durch die Kopplung
verschiedener Modellierungen von Verkehrsabläufen, Verkehrsbeeinflussungen und
Verkehsmessungen in einem Autobahnnetz insbesondere eine systematische Untersuchung der Verkehrsabläufe sowie eine Prognose von Verkehrsabläufen in einer
Steuerung des Autobahnverkehrs. Zuvor ist jedoch zu prüfen, inwieweit die Simulationsergebnisse die Verkehrsabläufe für eine betrachtete Verkehrsaufgabe reproduzieren
können. Von wesentlicher Bedeutung für die vergleichende Bewertung von Simulationsergbnissen mit anderen Simulations– oder Messergebnissen ist die Berücksichtigung der
Unterschiede in den Definitionen der Verkehrskenngrößen unterschiedlicher Verkehrsmodellierungen oder –messungen. Daher werden die unterschiedlichen Definitionen der
wesentlichen Verkehrskenngrößen in der Modellbildung umfassend aufgezeigt.
1.3 Gliederung der Arbeit
Die Arbeit ist entsprechend der Schritte der Modellbildung gegliedert. Sie ist in neun
Kapitel aufgeteilt. In den neun Kapiteln werden die Grundlagen zur ganzheitlichen
Modellierung von Autobahnverkehr geschlossen aufgezeigt.
Die allgemeine Verkehrsbeschreibung erfolgt im zweiten Kapitel. Sie dient als Grundlage
für die weitere Modellbildung. Beschrieben werden die wesentlichen Verkehrskomponenten. Die spezielle Beschreibung von Autobahnverkehr erfolgt im dritten Kapitel. Sie
konkretisiert die allgemeine Verkehrsbeschreibung durch Überführung ihrer Komponenten in Autobahnnetze und Verkehrsabläufe von Kraftfahrzeugen sowie Beeinflussungen
und Messungen des Autobahnverkehrs.
Die Modellierung des Autobahnverkehrs erfolgt im dritten bis sechsten Kapitel. Im dritten
Kapitel werden die Komponenten der speziellen Beschreibung mathematisch abgebildet.
Dabei sind die Verkehrsbeeinflussungen und –messungen integraler Bestandteil der
Modellierung. Die Modellierung der Verkehrsabläufe wird im vierten bis sechsten Kapitel
bezüglich ihres Modellansatzes umfassend erläutert. Im vierten Kapitel wird eine
mikroskopische, im fünften Kapitel eine makroskopische und im sechsten Kapitel eine
mesoskopische Modellierung der Verkehrsabläufe eines Autobahnverkehrs dargestellt.
Die numerische Umsetzung erfolgt im siebten Kapitel. Im Anschluss an eine kurze
Übersicht über numerische Verfahren, die zur Umsetzung der Verkehrsmodellierungen
verwendet werden können, werden anhand der in den Kapiteln vier bis sechs
aufgezeigten Modellierungen drei Bespiele für die numerische Umsetzung gezeigt.
Die Simulation von Autobahnverkehr erfolgt im achten Kapitel. Dabei wird die
Brauchbarkeit der Modellierungen für die Simulation von Autobahnverkehr anhand einer
Störungsanalyse und einem Vergleich mit real gemessenen Verkehrsdaten gezeigt.
Die Zusammenfassung und der Ausblick zur Modellbildung und Simulation von
Autobahnverkehr erfolgt im abschließenden neunten Kapitel.
2 Grundlagen
Verkehr verhält sich nach Gesetzmäßigkeiten. Eine vollständige Beschreibung der
Gesetzmäßigkeiten existert derzeit nicht, sie lassen sich lediglich durch Verkehrsuntersuchungen in ihrer Tendenz bestimmen. Für die Lösung einer Verkehrsaufgabe ist es daher
wichtig, den entsprechenden Verkehr so genau wie möglich zu beschreiben. Diese
spezielle Beschreibung eines Verkehrs lässt sich zweckmäßig auf der Grundlage einer
allgemeinen Verkehrsbeschreibung entwickeln. So lassen sich insbesondere unterschiedliche spezielle Beschreibungen desselben Verkehrs miteinander vergleichen oder
mehrere Beschreibungen verschiedenartiger Verkehre zu einer multimodalen Verkehrsbeschreibung zusammenfassen.
Eine Verkehrsaufgabe besteht in der Beeinflussung von Verkehr. Die Verkehrsbeeinflussung entspricht einem Eingriff in den Verkehr. Sie kann durch politische, planerische,
bauliche oder betriebliche Verkehrsmaßnahmen erfolgen. Eine sinnvolle Verkehrsbeeinflussung erfordert die Kenntnis von Zuständen und vom Verhalten des betrachteten
Verkehrs. Die Verkehrszustände lassen sich mit Verkehrsmessungen erfassen. Das
Verkehrsverhalten lässt sich mit Verkehrsmodellierungen abbilden.
Eine Verkehrsmessung ist eine Erfassung zeitlicher und räumlicher Verläufe von
Zustandsgrößen eines Verkehrs. In einer Verkehrsmessung ist eine direkte Beeinflussung
der Verkehrszustände durch entsprechende Verkehrsmaßnahmen zu berücksichtigen.
Sind die Maßnahmen zeitlich oder räumlich veränderlich, so sind auch die Verläufe ihrer
Einflussgrößen mit geeigneten Messungen zu erfassen.
Die Modellierung von Verkehrsverhalten in Form einer Verkehrssimulation ermöglicht die
Untersuchung und Abbildung innerer Zusammenhänge und Prozesse im Verhalten eines
Verkehrs. Die Grundlagen der Verkehrsmodellierung liegen in einer allgemeinen
Verkehrsbeschreibung. Da Verkehrsmodellierungen immer problemabhängig sind, ist die
allgemeine Verkehrsbeschreibung auf eine spezielle Verkehrsbeschreibung zu übertragen, die das gegebene Verkehrsproblem möglichst gut lösen kann. Verkehrsbeeinflussungen sind in der Verkehrsmodellierung abzubilden, da sich ein Eingriff in das
Verkehrsverhalten auch in der Verkehrssimulation widerspiegeln muss. Ebenso ist es
zweckmäßig, vorhandene Verkehrsmessungen in der Verkehrsmodellierung abzubilden.
8
2 Grundlagen
Auf diese Weise lassen sich mögliche Messungen und deren Auswirkungen auf die
Verkehrsbeeinflussung bereits in Simulationen untersuchen. Der Vergleich von Simulations– und Messergebnissen vereinfacht sich auf den Vergleich von simulierten und
realen Verkehrsmessungen. Und schließlich lassen sich so Messergebnisse direkt in die
Simulation einspeisen, wodurch sich die Verkehrsmodellierung in eine direkte Verkehrsbeeinflussungsmaßnahme, beispielsweise als Verkehrsprognose, einbinden lässt.
Verkehr
Eingriffe
Verkehrsgrößen
Beeinflussung
Messergebnisse
Messung
Verkehrszustände
Prognosen
Messergebnisse
Ergebnisvergleich
Modellierung
Verkehr
Eingriff
Beeinflussung
Verkehrsgrößen
Messergebnisse
Messung
Verkehrsverhalten
Abbildung 2.1: Abhängigkeiten beziehungsweise Einflüsse zwischen einem Verkehr, seiner Beeinflussung, seiner Messung und seiner Modellierung
In diesem Kapitel werden im ersten Abschnitt die Grundlagen zur allgemeinen
Beschreibung von Verkehr aufgezeigt. Dabei werden Verkehrsgebiete, Vehikel und
Verkehrsabläufe als Grundbestandteile von Verkehr beschrieben. In den beiden
folgenden Abschnitten werden die Grundlagen der Verkehrsbeeinflussung und Verkehrsmessung dargestellt. Die Modellierung von Verkehr wird im folgenden Kapitel exemplarisch anhand der Modellierung von Autobahnverkehr gezeigt.
2.1 Verkehr
9
2.1 Verkehr
Verkehr beschreibt Ortswechsel von Personen und Gütern mit Hilfe von Vehikeln in einem
Gebiet.
Ein Verkehrsgebiet ist neben den Vehikeln die Grundvoraussetzung für Verkehr. Nur in
einem Gebiet kann ein Ortswechsel stattfinden. Abhängig von der Art des Verkehrs, wie
beispielsweise Fußgänger–, Eisenbahn– oder Flugverkehr, können die Verkehrsgebiete
sehr unterschiedlich sein.
Ein Vehikel ermöglicht die Bewegung bei einem Ortswechsel. Es kann ein Fahrzeug, wie
beispielsweise ein Personenkraftwagen oder ein Schiff, eine Person sowie jeder andere
sich selbst bewegende Gegenstand sein. Ein Ortswechsel mit einem Vehikel erfordert die
Bewegung des Vehikels. Diese Bewegung wird durch die Eigenschaften und Verhaltensweisen des Vehikels beeinflusst. Die Verhaltensweisen des Vehikels ergeben sich aus
den Vehikelreaktionen auf die Beschaffenheit des Verkehrsgebiets, die Bewegungen
anderer Vehikel und die betrieblichen Maßnahmen im Verkehrsgebiet.
Ein Verkehrsablauf entspricht der Bewegung mehrerer Vehikel, die sich unter Berücksichtigung der betrieblichen Maßnahmen in einem Verkehrsgebiet gegenseitig beeinflussen.
Die Interaktionen der Vehikel in einem Verkehrsablauf führen zu den Gesetzmäßigkeiten
von Verkehr. Die Beschreibung und Untersuchung der Entstehung, des Verhaltens und
der möglichen Beeinflussungen von Verkehrsabläufen ist eine der grundlegenden
Aufgaben eines Verkehrsingenieurs.
2.1.1 Verkehrsgebiet
Ein Verkehrsgebiet stellt ein Gebiet dar, in dem Verkehrsabläufe stattfinden können.
Welche Verkehrsabläufe hierin möglich sind und wie sie sich verhalten, hängt wesentlich
von der Beschaffenheit des Verkehrsgebiets ab. Eine allgemeine Beschreibung eines
Verkehrsgebiets umfasst die Darstellung seiner strukturellen, geometrischen und
physikalischen Eigenschaften.
Strukturelle Eigenschaften
In der Regel sind Verkehrsgebiete komplex strukturiert. Zur Beschreibung der strukturellen Eigenschaften eines Verkehrsgebiets ist es zweckmäßig, es in kleine, wenig komplexe
Teilgebiete zu zerlegen. Die Beziehungen zwischen den Teilgebieten bilden dann die
Struktur des Verkehrsgebiets. Teilgebiete und deren Beziehungen zueinander lassen sich
mit einem Graph abbilden. Es gibt schlichte Graphen und bipartite Graphen.
10
2 Grundlagen
Definition: Ein schlichter Graph ist ein Gebilde G, das aus einer Menge M und einer
Relation R in dieser Menge besteht:
mit R M M
G : (M; R)
(2.1)
Mit einem schlichten Graph lässt sich die Struktur eines Verkehrsgebiets infolge einer
Zerlegung in gleichartige Teilgebiete abbilden (Abbildung 2.2 a).
Definition: Ein bipartiter Graph ist ein Gebilde G, das aus zwei Mengen M 1 und M 2 sowie
aus zwei Relationen R 12 und R 21 zwischen diesen Mengen besteht:
mit R 12 M 1 M 2, R 21 M 2 M 1
G : (M 1, M 2; R 12, R 21 )
(2.2)
Mit einem bipartiten Graph lässt sich die Struktur eines Verkehrsgebiets infolge einer
Zerlegung in zwei Mengen verschiedenartiger Teilgebiete abbilden. Dies kann sinnvoll
sein, wenn beispielsweise in einem Straßenverkehrsnetz Straßen von Verkehrsknotenpunkten unterschieden werden sollen (Abbildung 2.2 b).
a)
a
b
c
b)
a
d
b
e
c
e
a
a
d
b
A
d
c
c
A
d
f
Abbildung 2.2: a) In gleichartige Teilgebiete zerlegtes Verkehrsgebiet und zugehöriger schlichter Graph sowie b) in verschiedenartige Teilgebiete zerlegtes Verkehrsgebiet und zugehöriger bipartiter Graph
Mit Hilfe der Graphentheorie ist es möglich, zahlreiche Strukturprobleme in Graphen
kombinatorisch zu behandeln [10, 46, 69], die sich durch die Strukturbeschreibung eines
Verkehrsgebiets mit einem Graph auf den Verkehr übertragen lassen. Für eine Vielzahl
von Optimierungsaufgaben in Graphen existieren effiziente Lösungen. So gibt es
beispielsweise für die Aufgabe einer Routensuche in einem Verkehrsgebiet eine
Standardlösung in Form einer Kürzesten–Wege–Suche im zugehörigen Graph [80].
Geometrische Eigenschaften
Im Verkehrswesen findet ein Ortswechsel in einem dreidimensionalen Raum statt. Die
Beschreibung der Geometrie von Verkehrsgebieten lässt sich durch eine globales
dreidimensionales Koordinatensystem in einem euklidischen Raum beschreiben.
Verkehrsgebiete unterstützen die Ortswechsel mehrerer Vehikel. Da sich der Ortswechsel
eines Vehikels, wie im Abschnitt 2.1.2 dargestellt, auf einer linearen Bewegungsbahn
vollzieht, kann ein Verkehrsgebiet alternativ ein–, zwei– oder dreidimensional sein. Es ist
zweckmäßig, hierfür ein lokales Koordinatensystem einzuführen, so dass sich die
geometrische Beschreibung sowohl des Verkehrsgebiets als auch der Vehikelpositionen
2.1 Verkehr
11
vereinfacht realisieren lässt. So ist es auch möglich, mehrere Verkehrsgebiete verschiedener Dimensionen in einem dreidimensionalen euklidischen Raum zu beschreiben.
xG
z
yG
1
xG
2
xG
2
y
zG
3
3
yG
3
x
Abbildung 2.3: Drei unterschiedlich dimensionale Verkehrsgebiete G 1, G 2 und G 3
in einem dreidimensionalen euklidischen Raum
Die Teilgebiete, die bei der Zerlegung eines Verkehrsgebiets entstehen, sollen eine
einfache Geometrie besitzen. Eine sinnvolle geometrische Beschreibung eines Teilgebiets ist eine m–dimensionale Zelle. Ausführlich werden Zellen insbesondere in [63] und
[87] behandelt.
Definition: Eine m–dimensionale Zelle ist ein abgeschlossener Teilraum eines n–dimensionalen euklidischen Raums mit n m, bei der jeder Punkt der Zelle eineindeutig auf
einen Punkt eines m–dimensionalen konvexen Polyeders im m–dimensionalen euklidischen Raum abbildbar ist. Dies bedeutet, dass der Rand der m–dimensionalen Zelle
durch eine endliche Zahl m–1–dimensionaler Zellen (Facetten) beschrieben werden
kann.
Für die Zerlegung eines Gebiets in Zellen existiert eine Vielzahl effektiver Verfahren zur
Netzgenerierung [1, 83]. Das Ergebnis einer solchen Zellzerlegung ist ein Zellkomplex.
Definition: Ein Zellkomplex K ist eine nichtleere Menge von Zellen mit folgenden
Eigenschaften:
1. Die Facette einer Zelle in K ist ebenfalls eine Zelle in K.
2. Der Durchschnitt zweier Zellen in K ist entweder leer oder wieder eine Zelle in K.
3. Jeder Punkt einer Zelle aus K besitzt eine Umgebung, die mit nur endlich vielen Zellen
von K gemeinsame Punkte hat.
Zellkomplexe, die ausschließlich aus gleichen Zellen bestehen, bilden die strukturelle und
geometrische Grundlage für zellulare Automaten [34]. Es gibt zahlreiche Verkehrmodellierungen, die auf zellularen Automaten basieren [64], sie werden jedoch in dieser Arbeit
nicht weitergehend behandelt.
Die Struktur eines Zellkomplexes entspricht mit seinen Zellen und deren Nachbarschaftsbeziehungen einem schlichten Graph. Werden zusätzlich zu den Zellen auch deren
Facetten als eigenständige Objekte berücksichtigt, so lässt sich die Nachbarschaftsstruktur des Zellkomplexes mit einem bipartiten Graph abbilden.
12
2 Grundlagen
a)
b)
a
b
Zelle
Facette
c
d
e
y
g h
l
c)
a
i
f
j
k
b
c
e
g
m
x
h
l
Zelle
Facette
f
i
a
b
c
d
d
j
k
e
g
h
f
i
j
k
m
l
m
Abbildung 2.4: Zellkomplex eines in die Zellen a bis m zerlegten Verkehrsgebiets:
a) geometrische Darstellung, b) Strukturdarstellung als schlichter Graph und c)
Strukturdarstellung als bipartiter Graph
Physikalische Eigenschaften
Jedem Verkehrsgebiet und jedem seiner Teilgebiete können physikalische Eigenschaften
zugeordnet werden. Die Eigenschaften schränken die möglichen Vehikelarten im
Verkehrsgebiet ein und beeinflussen das Bewegungsverhalten der Vehikel.
Die wesentlichen physikalischen Eigenschaften eines Verkehrsgebiets sind seine
Materialeigenschaften. Besteht das Verkehrsgebiet aus festen Materialien, so entspricht
es einer Oberfläche, auf der sich die Vehikel bewegen. Die Beschaffenheit einer solchen
Oberfläche lässt sich durch eine räumliche Widerstandsverteilung beschreiben. Besteht
das Verkehrsgebiet aus flüssigen oder gasförmigen Materialien, so muss es von den
Vehikeln durchquert werden. Dabei sind nicht nur der Widerstand der Fluide sondern auch
die Fluidströmungen zu berücksichtigen. Die Beschaffenheit eines solchen durchströmten Verkehrsgebiets lässt sich durch eine räumlich–zeitliche Kräfteverteilung beschreiben.
Weitere physikalische Eigenschaften eines Verkehrsgebiets sind Einflüsse, die von
außen auf die Verkehrsabläufe im Verkehrsgebiet einwirken. Hierzu zählen zum Beispiel
Witterungsbedingungen, Tages– und Jahreszeiten oder Sehenswürdigkeiten. Diese
Eigenschaften sind, angepasst an das Verkehrsgebiet, individuell zu beschreiben.
Ein ein– oder zweidimensionales Verkehrsgebiet kann geometrische Eigenschaften
besitzen, die im entsprechenden ein– oder zweidimensionalen Raum nicht beschreibbar
sind. So lassen sich beispielsweise Steigungen oder Kurven in einer eindimensional
beschriebenen Straße geometrisch nicht wiedergeben. Es ist zwar möglich, diese
Eigenschaften durch Transformation in das globale dreidimensionale Koordinatensystem
zu bestimmen, doch zweckmäßiger erscheint eine Beschreibung dieser Eigenschaften
als physikalische Eigenschaften im niedrigdimensionalen Verkehrsgebiet. In der Regel
genügt hierzu eine Beschreibung durch eine gerichtete räumliche Widerstandsverteilung.
2.1 Verkehr
13
a)
b)
c)
Steigung
w (x, y)
y
Kurvigkeit
y
x
x
x
Abbildung 2.5: a) räumliche Widerstandsverteilung, b) räumliche Kräfteverteilung,
c) höherdimensionale geometrische Eigenschaften in Form physikalischer Eigenschaften
2.1.2 Vehikel
Nur ein Vehikel ermöglicht die Bewegung, die bei einem Ortswechsel in einem
Verkehrsgebiet notwendig ist. Somit liegt die Ursache für die Entstehung und das
Verhalten eines Verkehrsablaufs in den Vehikeln. Die allgemeine Beschreibung eines
Vehikels umfasst die Darstellung seiner geometrischen Eigenschaften, seiner Kinematik,
seiner Antriebseigenschaften und der Beeinflussung seiner Bewegung.
Geometrische Eigenschaften
Zur Beschreibung der geometrischen Eigenschaften eines Vehikels wird ein lokales
Koordinatensystem eingeführt. Sein Ursprung liegt im Referenzpunkt des Vehikels.
Dieser beschreibt die Position des Vehikels im Koordinatensystem des zugehörigen
Verkehrsgebietes. In die bevorzugte Bewegungsrichtung des Vehikels zeigt eine
ausgewiesene Hauptachse des lokalen Koordinatensystems. Mit ihr lässt sich insbesondere die Länge des Vehikels beschreiben. Die weiteren Außenmaße sind durch die
übrigen Achsen des lokalen Koordinatensystems beschreibbar.
Referenzpunkt
Höhe
z
y
x
Länge
za
xa
ya
Frontrichtung
Breite
Abbildung 2.6: Geometrische Eigenschaften eines Vehikels im 3
Kinematik
Die Kinematik eines Vehikels a wird durch die allgemeine Bewegungsgleichung seines
Referenzpunktes als Massenpunkt beschrieben. Dabei wird die Position des Referenzpunktes im Verkehrsgebiet zu einem Zeitpunkt t durch einen Ortsvektor r a (t) im
Koordinatensystem des Verkehrsgebiets beschrieben. In einem Zeitintervall dt bewegt
14
2 Grundlagen
sich der Referenzpunkt auf seiner Bewegungsbahn s a. Die Weglänge, die er dabei
zurücklegt, wird mit ds a bezeichnet. Die Geschwindigkeit des Referenzpunktes zum
Zeitpunkt t wird mit v a (t) bezeichnet und entspricht der Änderung seiner Position r a (t)
im Zeitintervall dt:
dr a (t)
v a (t)
dt
(2.3)
Die Beschleunigung des Referenzpunktes zum Zeitpunkt t wird mit a a (t) bezeichnet und
entspricht der Änderung seiner Geschwindigkeit v a (t) im Zeitintervall dt:
dv a (t)
a a (t)
dt
(2.4)
Die Lage des Vehikels wird bei seiner Bewegung durch die Lage seines lokalen Koordinatensystems beschrieben. Sind seine Koordinatenrichtungen orthogonal zueinander, so
entspricht das Koordinatensystem des Vehikels einem begleitenden Dreibein auf der Bewegungsbahn des Vehikels [16]. Dabei entspricht der Tangentialvektor des Dreibeins der
Hauptachse des Vehikels, der Normalenvektor des Dreibeins entspricht der Breitenkoordinate des Vehikels und der Binormalenvektor des Dreibeins entspricht der Höhenkoordinate des Vehikels.
b a (t)
n a (t)
ds a
sa
r a (t)
t a (t)
r a (t dt)
0
s a Bahnkoordinate
r a (t) Ortsvektor des
Referenzpunktes zur Zeit t
r a (t dt) Ortsvektor zur Zeit t + dt
ds a Weglänge von t bis t + dt
t a (t) Tangentialvektor
n a (t) Normalenvektor
b a (t) Binormalenvektor
Abbildung 2.7: Kinematik eines Vehikels
Antriebseigenschaften
Die wesentlichen Antriebseigenschaften eines Vehikels sind sein Ziel, seine Wunschgeschwindigkeit, sein Beschleunigungsvermögen, sein Wahrnehmungsbereich und der
Sicherheitsabstand zum Umfeld. Je nach betrachtetem Verkehrssystem und gestellter
Verkehrsaufgabe sind die Antriebseigenschaften hinsichtlich des charakteristischen
Vehikelverhaltens genauer zu spezifizieren.
Das Ziel eines Vehikels lässt sich konstant oder zeitabhängig als Punkt oder als Bereich
im Verkehrsgebiet beschreiben. Die Wunschgeschwindigkeit, die vom Vehikel angestrebt
wird, lässt sich als eine vektorielle Größe beschreiben. Sie entspricht einem Schätzwert,
der durch das Beschleunigungsvermögen oder Geschwindigkeitsbeschränkungen im
2.1 Verkehr
15
Verkehrsgebiet beschränkt ist. Das Beschleunigungsvermögen des Vehikels wird
insbesondere durch seine maximal mögliche Vehikelgeschwindigkeit, seine Beschleunigungs– und Bremskraft gebildet. Der Wahrnehmungsbereich und der geschwindigkeitsabhängige Bereich eines Sicherheitsabstandes lassen sich durch anisotrope Vektorfelder
bezüglich des Referenzpunkts beschreiben.
za y
a
Wunschgeschwindigkeit
z
Wahrnehmungsbereich
xa
v 0a
y
Zielpunkt
za
x
Abbildung 2.8: Antriebseigenschaften eines Vehikels
Beeinflussung der Vehikelbewegung
Die Beeinflussung der Bewegung eines Vehikels im Verkehrsgebiet vollzieht sich einzig
über seine Beschleunigung. Die Beschleunigung eines Vehikels hängt von seinem Zustand sowie der Wahrnehmung und Reaktion des Vehikels auf den Zustand seiner Umgebung ab.
Der Zustand eines Vehikels a zu einem Zeitpunkt t setzt sich aus seiner Position r a (t) und
seiner Geschwindigkeit v a (t) zu diesem Zeitpunkt t sowie den Antriebseigenschaften des
Vehikels zusammen. Die Geschwindigkeit v a (t) und die Position r a (t) eines Vehikels a
lassen sich bei Vorgabe seiner Geschwindigkeit v a (t 0 ) und seiner Position r a (t 0 ) zu einem Anfangszeitpunkt t 0 durch Integration aus der Beschleunigung a a (t) für jeden späteren Zeitpunkt t t 0 bestimmen:
v a (t) v a (t 0 ) r a (t) r a (t 0 ) t
a a (t) dt
(2.5)
t0
t
v a (t) dt
(2.6)
t0
Ohne Einflüsse von außen wird das Vehikel von v a (t 0 ) 0 am Startpunkt s 0 auf seine
Wunschgeschwindigkeit v 0a beschleunigen und sich damit auf dem kürzesten Wege zu
seinem Ziel s 1 bewegen. Hierbei wird es lediglich von den Grenzwerten seiner Antriebseigenschaften eingeschränkt.
16
2 Grundlagen
| v a (t) |
s 1 s a (t)
v
t
s0
t0
t1
| a a (t) |
0
a
t
0
t0
t1
a max
a
0
min
aa
t
t0
t1
Abbildung 2.9: Bewegung eines Vehikels a auf seiner Bewegungsbahn ohne
äußere Einflüsse
Die Wahrnehmung und Reaktion eines Vehikels auf den Zustand seiner Umgebung ist ein
äußerst komplexes Verhalten. Bei der Beschreibung von Verkehrsabläufen sind jedoch
nur signifikante mittlere Verhaltensweisen der Vehikel von Interesse. Diese lassen sich
hinreichend gut spezifizieren.
Kreuzt oder berührt der Weg eines Vehikels den Weg eines anderen Vehikels, so dass ein
Vehikel in den Wahrnehmungsbereich des anderen tritt, so kommt es zu einer
gegenseitigen Beeinflussung. Das wahrnehmende Vehikel reagiert entsprechend seiner
Reaktionseigenschaften auf das andere Vehikel. Die Reaktion erfolgt so, dass der
Sicherheitsabstand des Vehikels eingehalten wird und das Ziel weiterhin bestmöglich
erreicht werden kann. Die Reaktion tritt in Form von Ausweichen, Folgen, Bremsen,
Beschleunigen oder ähnlichem auf.
a
Sicherheitsabstand von a
Sicherheitsabstand von b
Wahrnehmungsbereich
von b
y
x
Wahrnehmungsbereich
von a
b
Abbildung 2.10: Beeinflussung der Vehikelbewegung: Das Vehikel a nimmt das
schnellere Vehikel b wahr und bremst. Das Vehikel b nimmt das langsamere Vehikel
a wahr und beschleunigt.
Es ist davon auszugehen, dass ein Vehikel zu jedem Zeitpunkt jeden Gegenstand in seinem Wahrnehmungsbereich wahrnimmt und auf diesen reagiert. Die Reaktion hängt sowohl von den Eigenschaften des Gegenstands, wie beispielsweise seinem Abstand zum
Vehikel oder seiner Geschwindigkeit, als auch von den Reaktionseigenschaften des Vehikels, wie beispielsweise der Reaktionszeit, ab.
Die Beeinflussung der Bewegung eines Vehikels im Verkehrsgebiet spiegelt sich in seiner
Beschleunigung wider. Daher muss sowohl das Antriebsverhalten als auch das Reakti-
2.1 Verkehr
17
onsverhalten formal als eine Beschleunigung abgebildet werden. Die Beschleunigung erhält somit die Form einer Funktion, die von einer Vielzahl von Zustands– und Einflussgrößen abhängig ist:
a a (t) a a (r a (t), v a (t), z a (t), v 0a, t, )
(2.7)
Diese Funktion stellt eine wichtige Grundlage für jede Verkehrsmodellierung dar. Die
Variationen der Verkehrsmodellierungen ergeben sich durch eine unterschiedliche
Anzahl beziehungsweise eine unterschiedliche Verknüpfung der einzelnen Parameter.
Speziell bei der Beschreibung der Wahrnehmungs– und Reaktionseinflüsse auf ein
Vehikel können sehr unterschiedliche Ansätze festgestellt werden.
2.1.3 Verkehrsablauf
Ein Verkehrsablauf ist die Bewegung, die durch das Zusammenspiel der Bewegungen
und der gegenseitigen Beeinflussungen mehrerer Vehikel in einem Verkehrsgebiet
entsteht. Er lässt sich als eine Strömung auffassen. Im Vergleich zum Verhalten von
Strömungen, die nicht aus Vehikeln bestehen, zeigt das Verhalten von Verkehrsabläufen
neben vielen Gemeinsamkeiten auch deutliche Unterschiede. Das Verhalten der
Verkehrsabläufe zeichnet sich durch Individualität, Anisotropie und besondere Impulseigenschaften aus. Dies beeinflusst insbesondere die Bestimmung relevanter Kenngrößen für einen Verkehrsablauf.
Individualität
Die Individualität der Vehikel ist ein wesentlicher Grund für das besondere Verhalten eines
Verkehrsablaufs. Vehikel haben individuelle Geometrie–, Antriebs– und Reaktionseigenschaften. So bewegt sich jedes Vehikel in einem Verkehrsgebiet aufgrund seiner eigenen
Antriebseigenschaften zu seinem eigenen Ziel, während “Nichtvehikel”–Teilchen sich
aufgrund äußerer Antriebskräfte kollektiv verhalten.
a)
b)
y
y
x
x
Abbildung 2.11: Ausschnitt aus a) einem Verkehrsablauf und b) einer Strömung aus
Teilchen, die sich kollektiv und isotrop verhalten
18
2 Grundlagen
Anisotropie
Verkehrsabläufe verhalten sich anisotrop, dies liegt im richtungsabhängigen Verhalten
der Vehikel begründet. Jedes Vehikel hat nicht nur unterschiedliche Abmessungen und
Antriebseigenschaften in den verschiedenen Richtungen seines lokalen Koordinatensystems, sondern auch richtungsabhängige Sicherheits– und Wahrnehmungsabstände.
Daraus ergibt sich ein richtungsabhängiges Verhalten aller Vehikel in einem Verkehrsablauf.
Impulseigenschaften
Werden die Einwirkungen auf die Beschleunigung eines Vehikels als eine Kraft
aufgefasst, so ist festzustellen, dass für die gegenseitige Beeinflussung der Vehikel das
Newtonsche Gesetz “actio = reactio”, wie es aus der Mechanik für die gegenseitige
Krafteinwirkung von Massenpunkten bekannt ist, nicht gültig ist. Daher gilt für den Verkehr
weder der Impuls– noch der Energieerhalt.
Ein einfaches Beispiel macht diese Tatsache deutlich: Bewegt sich in einem eindimensionalen Gebiet ein Massenpunkt a auf einen unbeweglichen Massenpunkt b mit den
gleichen Eigenschaften wie a zu, so stoßen die beiden Massenpunkte zusammen und a
bleibt stehen, während b sich mit der Geschwindigkeit von a weiter bewegt. Bewegt sich
dagegen in einem eindimensionalen Gebiet ein Vehikel a auf ein unbewegliches Vehikel
b zu, so wird a mit einem Sicherheitsabstand hinter b zum Stehen kommen.
a)
b)
a
b
v a (t 0)
v b (t 0) 0
a
a
v a (t 1) 0
v a (t 0)
b
a
b
v b (t 0) 0
b
v a (t 1) 0
v b (t 1) 0
v b (t 1) v a (t 0)
Abbildung 2.12: a) Impulserhalt beim Aufeinandertreffen zweier Massenpunkte im
1 und b) kein Impluserhalt beim Aufeinandertreffen zweier Vehikel im 1
2.1.4 Kenngrößen eines Verkehrsablaufs
Die Untersuchung, Planung und Steuerung von Verkehrsabläufen erfordert zweckmäßige
Kenngrößen, mit denen sich das Verhalten der Verkehrsabläufe anschaulich charakterisieren lässt. Die grundlegenden Kenngrößen eines Verkehrsablaufs sind die Verkehrsdichte, die Verkehrsstärke und die mittlere Verkehrsgeschwindigkeit. Es gibt unterschiedliche Definitionen dieser Kenngrößen. Sie hängen maßgebend von der Festlegung eines
geeigneten Kontrollgebiets in Raum und Zeit ab.
2.1 Verkehr
19
Räumliches Kontrollgebiet
Jedem Ort r in einem Verkehrsgebiet lässt sich ein räumliches Kontrollgebiet zuordnen,
das einem Teilgebiet des Verkehrsgebiets mit dem Volumen V zu einem Zeitpunkt t
entspricht. Zum Zeitpunkt t befinden sich n r Vehikel im Kontrollgebiet.
Vehikel zum Zeitpunkt t
Geschwindigkeit eines
Vehikels zum Zeitpunkt t
V
a
va
Ort r
Abbildung 2.13: Räumliches Kontrollgebiet für einen Ort r
Definition: In einem Verkehrsgebiet sei ein räumliches Kontrollgebiet mit dem Volumen
V für einen Ort r zu einem Zeitpunkt t gegeben. Die räumliche Verkehrsdichte di r ist das
Verhältnis der Anzahl n r der Vehikel im räumlichen Kontrollgebiet zum Volumen V:
di r (r, t) :
n r (r, V, t)
V
Vehikel
m
dim
dim {1, 2, 3}
(2.8)
Die mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r ist das arithmetische Mittel der Geschwindigkeiten v a aller n r Vehikel a im räumlichen Kontrollgebiet:
ge r (r, t) : n1
r
v a (r, V, t)
nr
ms
(2.9)
a1
Nach dieser Definition wird von einem Vehikel als kleinste relevante Einheit ausgegangen.
Die Größe des Vehikels wird in der Regel vernachlässigt oder für alle Vehikel im
Verkehrsgebiet vereinheitlicht. Die räumliche Verkehrsdichte und die mittlere räumliche
Geschwindigkeit ist ausschließlich für ein festgelegtes räumliches Kontrollgebiet definiert.
Die Größe des Kontrollgebiets ist für die Bestimmung der räumlichen Verkehrsgrößen von
entscheidender Bedeutung. Ist das Kontrollgebiet zu groß, so ergibt sich ein Wert für die
betrachtete Verkehrsgröße im gesamten Kontrollgebiet, der eine hinreichende Beschreibung des Verkehrsgrößenverlaufs nicht zulässt (V 3 in Abbildung 2.14). Ist das
Kontrollgebiet zu klein, so ergibt sich lediglich die Aussage, ob im Kontrollgebiet ein
Vehikel vorhanden ist oder nicht (V 1 Abbildung 2.14). Eine Aussage über die räumliche
Verkehrsdichte di r und die mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r an jedem Punkt r im
Verkehrsgebiet zu jedem Zeitpunkt t ist nicht möglich.
20
2 Grundlagen
t
V 1
V 2
y
V 3
x
Abbildung 2.14: Räumliche Verkehrsdichte di r in einem Verkehrsgebiet zu einem
Zeitpunkt t: Während das Kontrollgebiet V 2 für eine zweckmäßige Bestimmung
von di r angemessen gewählt ist, ist V 1 zu klein und V 3 zu groß
Zeitliches Kontrollgebiet
Jedem Ort r in einem Verkehrsgebiet lässt sich ein zeitliches Kontrollgebiet zuordnen, das
einem Zeitintervall von t bis t t in einem ebenen Schnitt A durch das Verkehrsgebiet
mit einem Normalenvektor n entspricht. Im Zeitintervall von t bis t t durchqueren n z
Vehikel das Kontrollgebiet.
Vehikel zum Zeitpunkt t
A
Vehikel zum Zeitpunkt t + t
n
Vehikelweg von t bis t+t
n
va
a
Normalenvektor
Geschwindigkeitsanteil
in Normalenrichtung
Ort r
Abbildung 2.15: Zeitliches Kontrollgebiet für einen Ort r
Definition: In einem Verkehrsgebiet sei ein zeitliches Kontrollgebiet mit dem Schnitt A,
einem Normalenvektor n und einem Zeitintervall von t bis t t für einen Ort r gegeben.
Die zeitliche Verkehrsstärke st z ist das Verhältnis der Anzahl n z der Vehikel im zeitlichen
Kontrollgebiet zum Produkt der Schnittfläche A und der Zeitdauer t:
st z (r, n, t) :
n z (r, n, A, t, t)
A t
s Vehikel
m
dim 1
dim {1, 2, 3}
(2.10)
Die mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z ist das arithmetische Mittel vom Skalarprodukt
des Normalenvektors n und des Geschwindigkeitsvektors v a aller n z Vehikel a, die das
zeitliche Kontrollgebiet durchqueren:
ge z (r, n, t) : n1
z
v a (r, t, t) n
nz
a1
ms
(2.11)
2.1 Verkehr
21
Das zeitliche Kontrollgebiet kann von einem Vehikel in und gegen die Richtung des
Normalenvektors durchquert werden. Es ist zweckmäßig, die zeitliche Verkehrsstärke
und mittlere zeitliche Geschwindigkeit nur in einer dieser beiden Richtungen zu
betrachten. Die zeitliche Verkehrsstärke in Richtung des Normalenvektors wird mit st z
und die zeitliche Verkehrsstärke entgegen der Richtung des Normalenvektors wird mit
st z bezeichnet. Die mittlere zeitliche Geschwindigkeit in Richtung des Normalenvektors
wird mit ge z und die mittlere zeitliche Geschwindigkeit entgegen der Richtung des
Normalenvektors wird mit ge z bezeichnet. Die zeitliche Verkehrsstärke st z ist die
Summe von st z und st z , und die mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z ist die Summe
von ge z und ge z :
st z st z st z
ge z ge z ge z
(2.12)
Auch in dieser Definition wird von einem Vehikel als kleinste relevante Einheit
ausgegangen. Die zeitliche Verkehrsstärke und die mittlere zeitliche Geschwindigkeit ist
ausschließlich für ein festgelegtes zeitliches Kontrollgebiet definiert. Sowohl die Größe
des Kontrollgebiets als auch die Dauer des Zeitintervalls ist für die Bestimmung der
zeitlichen Verkehrsgrößen von entscheidender Bedeutung. Für das zeitliche Kontrollgebiet ergeben sich die gleichen Schwierigkeiten wie für die Festlegung des räumlichen
Kontrollgebiets. Ist darüber hinaus das Zeitintervall zu groß, so ergibt sich ein Wert für die
betrachtete Verkehrsgröße, der eine hinreichende Beschreibung des Verkehrsgrößenverlaufs über die Zeit nicht zulässt. Ist das Zeitintervall zu klein, so ergibt sich lediglich die
Aussage, ob im Kontrollgebiet und im Zeitintervall ein Vehikel vorhanden ist oder nicht.
Eine Aussage über die zeitliche Verkehrsstärke st z und die mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z an jedem Punkt r im Verkehrsgebiet zu jedem Zeitpunkt t ist nicht möglich.
Räumliches und zeitliches Kontrollgebiet
Jedem Ort r in einem Verkehrsgebiet lässt sich ein räumliches und zeitliches
Kontrollgebiet zuordnen, das einem Zeitintervall von t bis t t in einem Teilgebiet des
Verkehrsgebiets mit dem Volumen V entspricht. Im Zeitintervall von t bis t t bewegen
sich n r z Vehikel im Kontrollgebiet. Dabei benötigt jedes Vehikel a eine Belegungstrecke
r a und eine Belegungszeit t a.
Vehikel zum Zeitpunkt t
r a
Vehikel zum Zeitpunkt t + t
Vehikelweg von t bis t+t
a
Ort r
r a Belegungsstrecke von
Vehikel a im Kontrollgebiet
t a Belegungszeit von
Vehikel a im Kontrollgebiet
(benötigte Zeit für ra)
Abbildung 2.16: Räumliches und zeitliches Kontrollgebiet für einen Ort r
22
2 Grundlagen
Definition: In einem Verkehrsgebiet sei ein räumliches und zeitliches Kontrollgebiet mit
dem Volumen V und einem Zeitintervall von t bis t t für einen Ort r gegeben. Des
Weiteren seien die Belegungstrecken r a und die Belegungszeiten t a gegeben, die
jedes Vehikel a für den Aufenthalt im Kontrollgebiet während der Zeit von t bis t t
benötigt. Die räumlich–zeitliche Verkehrsdichte di r z ist die Summe der Belegungszeiten
t a aller n r z Vehikel a pro Zeitdauer t und Volumen V:
t a (t V)
nrz
di r z (r, t) :
a1
Vehikel
m
dim
dim {1, 2, 3}
(2.13)
Die räumlich–zeitliche Verkehrsstärke st r z ist die Summe der Belegungsstrecken r a
aller n r z Vehikel a pro Zeitdauer t und Volumen V:
r a (t V)
nrz
st r z (r, t) :
a1
sVehikel
m
dim 1
dim {1, 2, 3}
(2.14)
Die mittlere räumlich–zeitliche Geschwindigkeit ge r z ist das Verhältnis der Summe der
Belegungszeiten t a aller n r z Vehikel a und der Summe der Belegungsstrecken r a aller
n r z Vehikel a:
ge r z (r, t) :
r a t a
nrz
n rz
a1
a1
ms
(2.15)
Ebenso wie bei der Definition der räumlichen und der zeitlichen Verkehrsgrößen wird bei
dieser Definition von einem Vehikel als kleinste relevante Einheit ausgegangen. Die
räumlich–zeitliche Verkehrsdichte, die räumlich–zeitliche Verkehrsstärke und die mittlere
räumlich–zeitliche Verkehrsgeschwindigkeit ist ausschließlich für ein festgelegtes räumliches und zeitliches Kontrollgebiet definiert. Für das Kontrollgebiet und das Zeitintervall
ergeben sich die gleichen Schwierigkeiten wie bei der Bestimmung der Kenngrößen im
räumlichen Kontrollgebiet und im zeitlichen Kontrollgebiet. Darüber hinaus ist das
Verhältnis vom Volumen V zum Zeitintervall t so abzustimmen, dass insbesondere die
Bestimmung der mittleren räumlich–zeitlichen Geschwindigkeit ge r z nicht zu unrealistisch großen oder kleinen Werten führt.
Zusammenhang zwischen den Kenngrößen
Ein sinnvoller Zusammenhang zwischen den Kenngrößen lässt sich nur für gleichartige
Kontrollgebiete herstellen. So gibt es in einem räumlichen Kontrollgebiet einen
Zusammenhang zwischen der räumlichen Verkehrsdichte di r und der mittleren räumlichen Geschwindigkeit ge r. In einem zeitlichen Kontrollgebiet gibt es einen Zusammenhang zwischen der zeitlichen Verkehrsstärke st z und der mittleren zeitlichen Geschwindigkeit ge z. Ein Zusammenhang zwischen Verkehrsdichte, Verkehrsstärke und mittlerer
Geschwindigkeit ergibt sich nur in einem räumlichen und zeitlichen Kontrollgebiet. Hier gilt
der folgende Zusammenhang zwischen der räumlich–zeitlichen Verkehrsdichte di r z, der
2.1 Verkehr
23
räumlich–zeitlichen Verkehrsstärke st r z und der mittleren räumlich–zeitlichen Geschwindigkeit ge r z:
st r z di r z ge r z
(2.16)
Weitere Kenngrößen
Neben den drei grundlegenden Kenngrößen eines Verkehrsablaufs (Verkehrsdichte,
Verkehrsstärke und mittlere Verkehrsgeschwindigkeit) werden weitere makroskopische
Größen als stochastische Verteilungen ermittelt und verglichen. Dazu gehören unter
anderem Abstands– und Zeitlückenverteilungen.
2.2 Verkehrsbeeinflussung
Eine Verkehrsbeeinflussung ist eine Maßnahme, die auf Verkehrsabläufe in einem Verkehrsgebiet einwirkt. Sie dient der Erhöhung beziehungsweise der Gewährleistung der
Sicherheit, Leistungsfähigkeit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit der Verkehrsabläufe. Im Verkehrswesen wird zwischen planerischen und betrieblichen Verkehrsbeeinflussungen unterschieden.
Planerische Verkehrsbeeinflussung
Eine planerische Verkehrsbeeinflussung ist eine siedlungsplanerische, verkehrsplanerische oder verkehrspolitische Maßnahme, die indirekt auf die Verkehrsabläufe in einem
Verkehrsgebiet einwirkt. Das Ziel einer solchen Beeinflussung ist Verringerung oder Verlagerung von Verkehr im betrachteten Verkehrsgebiet.
Die Erhebung von Daten, die für die planerische Verkehrsbeeinflussung notwendig sind,
erfolgt in der Regel durch Messungen des Verkehrsaufkommens. Diese Messungen sind
üblicherweise keine Messungen von Zustandsgrößen eines Verkehrsablaufs, sondern
Messungen zur Erfassung langfristiger Verkehrsentwicklungen in einem Verkehrsgebiet.
Die Verkehrsmodellierungen, die für eine planerische Verkehrsbeeinflussung notwendig
sind, konzentrieren sich auf die Umlegung des Verkehrsaufkommens in einem Verkehrsgebiet. Modellierungen von Verkehrsabläufen sind in der Regel nicht erforderlich.
Betriebliche Verkehrsbeeinflussung
Eine betriebliche Verkehrsbeeinflussung ist eine organisatorische oder bauliche Maßnahme, die direkt auf die Verkehrsabläufe in einem Verkehrsgebiet einwirkt. Das Ziel einer
solchen Beeinflussung ist eine günstige Ausnutzung des vorhandenen Verkehrsgebiets
bei gegebenen Verkehrsverhältnissen.
Aufgrund des direkten Eingriffs in die Verkehrsabläufe ist die Erfassung der Verläufe ihrer
Zustandsgrößen für die betriebliche Verkehrsbeeinflussung notwendig. Diese Erfassung
erfolgt durch Messungen von Verkehrsgrößen in den betrachteten Verkehrsabläufen. Die
Messungen sind so durchzuführen, dass nicht nur die zeitlichen und räumlichen Verläufe
24
2 Grundlagen
der Verkehrsgrößen bestimmt werden können, sondern auch die Wirkungen der Beeinflussungsmaßnahmen auf die Verkehrsabläufe. Bei einer verkehrsabhängigen Maßnahme spiegelt sich die Wirkung der Beeinflussung ohne zeitliche Verzögerung in der Verkehrsmessung wider.
Die Verkehrsmodellierungen, die für eine betriebliche Verkehrsbeeinflussung genutzt
werden, umfassen insbesondere Simulationen von Verkehrsabläufen. Sie lassen sich
zum einen zur Untersuchung des Verhaltens der Verkehrsabläufe und zum anderen als
kurzfristige Prognosen zukünftig auftretender Verkehrsabläufe für eine betriebliche Verkehrsbeeinflussung nutzen.
Maßnahmen zur direkten Beeinflussung von Verkehrsabläufen
Es gibt verschiedene Maßnahmen zur direkten Beeinflussung von Verkehrsabläufen im
Zuge einer betrieblichen Verkehrsbeeinflussung. Jede dieser Maßnahmen ist an die vorgegebenen Ziele der Verkehrsbeeinflussung anzupassen.
Für die Erhöhung der Sicherheit in einem Verkehrsgebiet sind Maßnahmen zur Einhaltung von ausreichenden Sicherheitsabständen zwischen den Vehikeln und Maßnahmen zur Verbesserung der Wahrnehmung von Gefahren oder Störungen notwendig.
Um die Leistungsfähigkeit eines Verkehrsgebiets auszuschöpfen, sind Maßnahmen
zur Homogenisierung der zugehörigen Verkehrsabläufe mit einer möglichst hohen Verkehrsdichte und einer möglichst hohen Geschwindigkeit notwendig. Bei gleichzeitiger
Gewährleistung der Sicherheit ist die beeinflusste Verkehrsdichte durch die einzuhaltenden Sicherheitsabstände nach oben beschränkt.
Die Umweltverträglichkeit von Verkehrsabläufen lässt sich am besten durch die Vermeidung von umweltbelastenden Vehikeln im entsprechenden Verkehrsgebiet erreichen. Solche Verkehrsmaßnahmen sind jedoch indirekte Beeinflussungen der
Verkehrsabläufe. Eine direkte Beeinflussung lässt sich durch Homogenisierung der
Verkehrsabläufe erreichen.
Die Wirtschaftlichkeit von Verkehrsabläufen ist zum einen auf die Vehikel und zum anderen auf das Verkehrsgebiet zu beziehen. Um die Wirtschaftlichkeit des Ortswechsels
eines Vehikels zu gewährleisten, sind insbesondere Maßnahmen zur Minimierung von
Reisezeiten erforderlich. Um die Wirtschaftlichkeit der Verkehrsabläufe in einem Verkehrsgebiet zu gewährleisten, sind insbesondere Maßnahmen zur günstigen Ausnutzung der Gebietskapazitäten erforderlich.
Statische und dynamische Verkehrsmaßnahmen
Direkte Beeinflussungen von Verkehrsabläufen lassen sich aufgrund des zeitlichen
Verhaltens der Beeinflussung in statische und dynamische Verkehrsmaßnahmen
einteilen.
2.2 Verkehrsbeeinflussung
25
Statische Verkehrsmaßnahmen ändern ihre Beeinflussung der Verkehrsabläufe mit
fortschreitender Zeit nicht. Ihr Eingriff in die Verkehrsabläufe bleibt nach ihrer einmaligen
Installation unverändert. Statische Verkehrsmaßnahmen umfassen insbesondere bauliche Änderungen des Verkehrsgebiets, statische Anzeigen, wie beispielsweise Straßenverkehrsschilder, die die Verkehrsabläufe in Form eines Gebots, Verbots oder Hinweises
beeinflussen, sowie feste Markierungen im Verkehrsgebiet, wie beispielsweise Fahrbahnmarkierungen einer Straße.
Dynamische Verkehrsmaßnahmen ändern ihre Beeinflussung der Verkehrsabläufe mit
fortschreitender Zeit. Ihr Eingriff in die Verkehrsabläufe ändert sich aufgrund kurzfristiger
menschlicher Entscheidungen oder infolge eines verkehrsabhängigen beziehungsweise
verkehrsunabhängigen Steuerprogramms. Dynamische Verkehrsmaßnahmen umfassen
insbesondere polizeiliche Verkehrsregelungen, Tagesbaustellen, Schranken, Lichtsignalanlagen sowie alle elektronisch veränderlichen Anzeigefelder und Steuerungen im
Verkehrsgebiet.
Stationäre und instationäre Verkehrsmaßnahmen
Direkte Beeinflussungen von Verkehrsabläufen lassen sich aufgrund ihres räumlichen
Bezugs in stationäre und instationäre Verkehrsmaßnahmen einteilen.
Stationäre Verkehrsmaßnahmen beeinflussen die Verkehrsabläufe in einem räumlich
unveränderlichen Teilgebiet im Verkehrsgebiet. Ihr Standort ist ein unbeweglicher Punkt,
ein unbeweglicher Teilschnitt oder ein unbewegliches Teilgebiet. Sie können ausschließlich kollektiv auf das Verhalten der Vehikel in den Verkehrsabläufen einwirken. Stationäre
Verkehrsmaßnahmen umfassen insbesondere bauliche Änderungen des Verkehrsgebiets und jede fest installierte Beeinflussungsanlage, wie beispielsweise Schilder oder
Lichtsignalanlagen.
Instationäre Verkehrsmaßnahmen beeinflussen die Verkehrsabläufe in einem räumlich
veränderlichen Teilgebiet im Verkehrsgebiet. Ihr Standort kann ein beweglicher Punkt, ein
beweglicher Teilschnitt oder ein bewegliches Teilgebiet sein. Sie können individuell oder
kollektiv auf das Verhalten der Vehikel in den Verkehrsabläufen einwirken. Individuelle
instationäre Verkehrsmaßnahmen sind Beeinflussungen jedes einzelnen Vehikels in den
Verkehrsabläufen. Hierzu werden in oder an jedem Vehikel Anzeigen oder Steuerungen
benötigt, die eine individuelle Beeinflussung ermöglichen. Kollektive instationäre
Verkehrsmaßnahmen entsprechen stationären Verkehrsmaßnahmen, deren Ort oder
deren Einflussbereich verändert werden kann.
2.3 Verkehrsmessung
Eine Verkehrsmessung von Verkehrsabläufen entspricht einer Erhebung von Daten
dieser Verkehrsabläufe. Die Messdaten entsprechen Werten von orts– und zeitabhänigen
Zustandsgrößen im entsprechenden Verkehrsgebiet. Die Messdaten ermöglichen
26
2 Grundlagen
Aussagen über zeitliche und räumliche Verläufe von Verkehrsgrößen in einem Verkehrsgebiet. Die Güte der Aussagen hängt von der Brauchbarkeit der Messergebnisse für die
jeweils betrachtete Verkehrsaufgabe ab. Eine vollständige Messung eines Verkehrsablaufs ist die Aufnahme aller relevanten Zustandsgrößen sämtlicher Vehikel in einem
Verkehrsgebiet über die gesamte Zeitdauer der Verkehrsmessung.
Für Verkehrsabläufe mit einer überschaubaren Anzahl von Vehikeln, deren Ziel bekannt
ist und die von außen kontrolliert werden können, ist eine vollständige Verkehrsmessung
möglich und zweckmäßig. So sind beispielsweise im Linienflug– oder Schienenverkehr
alle relevanten Zustandsgrößen, die für die Kontrolle und Steuerung der Verkehrsabläufe
notwendigerweise gebraucht werden, messbar.
Für Verkehrsabläufe mit zahlreichen, sich individuell bewegenden Vehikeln ist eine
vollständige Verkehrsmessung nicht möglich. So sind beispielsweise im Fußgänger– oder
Kraftfahrzeugverkehr die relevanten Zustandsgrößen zur Beeinflussung der Vehikelbewegungen nicht eindeutig bekannt. Viele Zustandsgrößen sind aufgrund des subjektiven
Verhaltens der Vehikel schwer messbar. Es bleibt zu untersuchen, inwieweit Messungen
der zahlreichen individuellen Zustandsgrößen zu brauchbaren Aussagen für die
Beschreibung, Untersuchung, Kontrolle und Steuerung von Verkehrsabläufen führen.
Die Verkehrsmessungen sollten in jedem Fall die Bestimmung der wesentlichen
Kenngrößen eines Verkehrsablaufs ermöglichen. Die Bestimmung kann mit zwei
grundsätzlich verschiedenen Methoden erfolgen. Die eine Methode basiert auf der
Messung von Verkehrsdaten für jedes Vehikel in einem Verkehrsablauf. Die andere
Methode basiert auf der Messung von Verkehrsdaten in einem Verkehrsgebiet außerhalb
der Vehikel.
Kenngrößen aus Messungen von Vehikeldaten
Bei der Bestimmung der wesentlichen Kenngrößen eines Verkehrsablaufs aus Messungen von Vehikeldaten sind ausreichend Messinstrumente in jedem Vehikel anzubringen,
um alle erforderlichen Zustandsgrößen messen zu können. In jedem der Vehikel lassen
sich so beispielsweise die Geschwindigkeit oder Werte von Größen der Antriebseigenschaften des Vehikels zu jedem Zeitpunkt der Messung bestimmen. Eine Messung der
Vehikelposition im Verkehrsgebiet ist nur relativ zum Ausgangspunkt der Vehikelbewegung möglich. Das Ziel des Vehikels muss von seinem Führer explizit vor jedem
Ortswechsel angegeben werden. Subjektive Zustandsgrößen, wie der Wahrnehmungs–
und Sicherheitsbereich, sind schwer messbar.
Um aus den gemessenen Vehikeldaten zu den wesentlichen Kenngrößen des entsprechenden Verkehrsablaufs zu gelangen, sind die einzelnen Vehikeldaten an eine zentrale
Datenauswertung für das zugehörige Verkehrsgebiet zu übermitteln. Die Kenngrößen
ergeben sich hier durch Mittelung der Vehikeldaten.
2.3 Verkehrsmessung
27
Die Schwierigkeit bei dieser Bestimmungsmethode ist die Messung in jedem Vehikel des
betrachteten Verkehrsablaufs. Eine solche Verkehrsmessung ist selten möglich, da die
notwendigen Messinstrumente fehlen oder unerwünscht sind. Insbesondere im Individualverkehr wird auf absehbare Zeit eine Messung für alle Vehikel in einem Verkehrsablauf mit einer Datenübermittlung an eine zentrale Datenauswertung nicht möglich sein.
Kenngrößen aus Messungen von Verkehrsdaten im Verkehrsgebiet
Bei der Bestimmung der wesentlichen Kenngrößen eines Verkehrsablaufs aus Messungen von Verkehrsdaten in einem Verkehrsgebiet werden Messinstrumente benötigt, mit
denen sich die zeitlichen und räumlichen Verläufe der erforderlichen Kenngrößen
bestimmen lassen. Sind die Vehikel in den Messungen identifizierbar, so kann die Position
jedes Vehikels im betrachteten Verkehrsgebiet gemessen werden. Die Geschwindigkeit
jedes Vehikels ergibt sich aus zwei zeitlich oder räumlich aufeinander folgende
Messungen. Weitere Kenngrößen der Vehikel, wie das Ziel, der Wahrnehmungsbereich
oder die Sicherheitsabstände lassen sich nur als stochastische Verteilung angeben oder
schätzen, jedoch nicht messen.
Diese Bestimmungsmethode bietet einen geringeren Umfang an Messergebnissen als
die sehr viel aufwendigere Methode der Messung von Zustandsgrößen jedes Vehikels in
einem Verkehrsablauf, dafür ist sie auf jeden Verkehrsablauf anwendbar. Darüber hinaus
ist der Umfang der Messergebnisse in vielen Fällen vollkommen ausreichend, um
brauchbare Aussagen zur Lösung einer Verkehrsaufgabe zu liefern.
Ideal für Verkehrsmessungen in einem Verkehrsgebiet sind zeitlich und räumlich
kontinuierliche Aufnahmen eines Verkehrsablaufs. Auf diese Weise entsteht eine
Aufzeichnung, in der zu jedem Zeitpunkt jedes Vehikel mit seinen Kenngrößen eindeutig
identifizierbar ist. Eine notwendigerweise unverzerrte, flächendeckende und zeitlich
kontinuierliche Aufnahme eines Verkehrsablaufs, wie sie von Satelliten oder anderen
exponiert positionierten Messeinrichtungen gewonnen werden kann, ist aufwendig und
kostenintensiv. Aus diesem Grund werden üblicherweise zeitlich oder räumlich diskrete
Verkehrsmessungen verwendet. Sie sind im Verkehrswesen als momentane oder lokale
Verkehrsmessungen bekannt.
Momentane Verkehrsmessungen
Bei einer momentanen Verkehrsmessung wird die räumliche Verteilung der Vehikel im
Teilgebiet eines Verkehrsgebiets zu einem Zeitpunkt t bestimmt. Dies geschieht beispielsweise durch die Aufnahme eines Fotos vom Teilgebiet zum Zeitpunkt t.
Die Anzahl n der Vehikel in einem Teilgebiet mit der repräsentativen Größe V wird durch
Zählung ermittelt (Abbildung 2.17 a). Das Verhältnis nV ist entsprechend der Definition
(2.8) ein Maß für die räumliche Verkehrsdichte di r im Teilgebiet zum Zeitpunkt t. Wie zur
Definition (2.8) erläutert, ist hierbei die repräsentative Größe V nicht eindeutig.
28
2 Grundlagen
Sind die n Vehikel identifizierbar, so lässt sich mit einer zweiten, zeitlich leicht versetzten,
momentanen Verkehrsmessung die Geschwindigkeit v a (t) eines Vehikels a zum Zeitpunkt t näherungsweise bestimmen (Abbildung 2.17 b). Die Geschwindigkeit entspricht
hierbei dem Quotienten des Abstands r a (t t) r a (t) der Vehikelpositionen zu den
beiden Messzeitpunkten und deren Differenz t. Durch Mittelung aller Geschwindigkeitsbeträge v a (t) der n Vehikel ergibt sich näherungsweise zur Definition (2.9) ein Maß für
die mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r.
a)
b)
t
tt
t
t
x
y
V
Vehikel
zur Zeit t
t
x
y
V
Bahnlinien
Abbildung 2.17: a) Eine momentane Verkehrsmessung zur Dichtebestimmung und
b) zwei zeitversetzte momentane Messungen zur Geschwindigkeitsbestimmung
Lokale Verkehrsmessungen
Bei einer lokalen Verkehrsmessung wird die zeitliche Verteilung der Vehikel in einem
Schnitt A durch ein Verkehrsgebiet bestimmt. Dies geschieht beispielsweise durch Verkehrsdetektoren wie Induktionsschleifen oder Radargeräte im Teilgebiet.
Die Anzahl n der Vehikel in einem Zeitintervall der repräsentativen Dauer t wird durch
Zählung ermittelt. Das Verhältnis nt ist entsprechend der Definition (2.10) ein Maß für
die zeitliche Verkehrsstärke st z. Wie zur Definition (2.10) erläutert, sind hierbei die repräsentative Dauer t und und die repräsentative Schnittfläche A nicht eindeutig.
Sind die n Vehikel identifizierbar, so lässt sich mit einer zweiten, räumlich leicht versetzten,
lokalen Verkehrsmessung die Geschwindigkeit v a (t) eines Vehikels a an einem Ort r näherungsweise bestimmen (Abbildung 2.18 b). Die Geschwindigkeit entspricht hierbei dem
Quotienten des Abstands (r r) r auf den beiden Messschnitten und der Differenz
t der Zeitpunkte, an denen sich das Vehikel a auf den Messschnitten befindet. Durch
Mittelung aller Geschwindigkeitsbeträge v a (t) der n Vehikel ergibt sich näherungsweise
zur Definition (2.11) ein Maß für die mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z.
2.3 Verkehrsmessung
a)
29
t
A
Vehikel
am Ort r
b)
t
A
x
x
y
y
r
r
rr
Bahnlinien
Abbildung 2.18: a) Eine lokale Verkehrsmessung zur Verkehrsstärkebestimmung
und b) zwei raumversetzte lokale Messungen zur Geschwindigkeitsbestimmung
Zusammenhang zwischen den Kenngrößen lokaler und momentaner Messungen
Im Verkehrswesen ist es üblich, die Verkehrsdichte mit Hilfe einer momentanen Messung
und die Verkehrsstärke mit Hilfe einer lokalen Messung zu definieren. Die Verkehrsdichte
entspricht so einer räumlichen Verkehrsdichte di r, und die Verkehrsstärke entspricht so
einer zeitlichen Verkehrsstärke st z. Die mittlere Geschwindigkeit entspricht je nach
Messung einer mittleren räumlichen Geschwindigkeit ge r oder einer mittleren zeitlichen
Geschwindigkeit ge z. Ein Zusammenhang, wie zwischen den räumlich–zeitlichen
Kenngrößen di r z, st r z und ge r z in Gleichung (2.16), existiert zwischen diesen
Kenngrößen nicht. Eine momentane und lokale Messung, die zu Näherungen der
räumlich–zeitlichen Kenngrößen di r z, st r z und ge r z führen würde, ist aufwendig zu
realisieren und im Verkehrswesen nicht üblich.
30
2 Grundlagen
3 Modellierung von Autobahnverkehr
Die allgemeine Verkehrsbeschreibung bildet die Grundlage zur Modellierung von Verkehr.
Jede Verkehrsmodellierung wird für eine spezielle Verkehrsaufgabe entwickelt, da eine
allgemeine Verkehrsaufgabe zu komplex und somit für eine praxisrelevante Anwendung
unbrauchbar ist. Die spezielle Verkehrsaufgabe in dieser Arbeit ist die Modellierung von
Autobahnverkehr zur Analyse von Staus oder ähnlichen Verkehrsphänomenen. Autobahnverkehr bietet sich für die Analyse von Staus oder ähnlichen Verkehrsphänomenen
an, da sie in diesem vergleichsweise einfach abbildbaren Individualverkehr besonders
deutlich auftreten und durch Messungen festgehalten werden können.
Die Beschreibung von Autobahnverkehr ist eine Spezialisierung der allgemeinen Verkehrsbeschreibung. In der speziellen Beschreibung entspricht das Verkehrsgebiet einem
Autobahnnetz und die Vehikel entsprechen Kraftfahrzeugen. Die Besonderheiten des
Autobahnverkehrs spiegeln sich nicht nur in der Beschreibung des Verkehrsgebiets und
der Verkehrsabläufe wider, sondern auch in der Beschreibung möglicher Verkehrsbeeinflussungen und –messungen. Auf der Grundlage der speziellen Beschreibung lässt sich
ein Autobahnverkehr durch die Modellierung des Autobahnnetzes, der Verkehrsabläufe
im Autobahnnetz sowie der Beeinflussungen und der Messungen des Autobahnverkehrs
modellieren.
Die Modellierung eines Autobahnnetzes kann als genaue Abbildung eines realen Verkehrsgebiets umgesetzt werden, da jedes reale Autobahnnetz für einen langen Zeitraum
als unveränderlich konstruiert wurde. Sein Zustand ist zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort
bekannt. Ein Autobahnnetz ist so zu modellieren, dass nicht nur seine strukturellen, geometrischen und physikalischen Eigenschaften korrekt abgebildet werden, sondern auch
eine Modellierung von Verkehrsabläufen, Beeinflussungsmaßnahmen und Messungen
hierauf aufbauend entwickelt werden kann.
Die Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz kann nicht als genaue
Abbildung von realen Verkehrsabläufen umgesetzt werden, da die Beschreibungsmöglichkeiten der sich ständig ändernden Zustände eines Verkehrsablaufs unzureichend
sind. Die Modellierung von Verkehrsabläufen ist eine Modellvorstellung, die sich mit
Messergebnissen, nicht aber mit der Realität vergleichen lässt. Es gibt mehrere solcher
Modellvorstellungen, die nicht unbedingt ineinander überführbar sind. Verkehrsabläufe in
32
3 Modellierung von Autobahnverkehr
einem Autobahnnetz sind daher so zu modellieren, dass eine bestimmte Verkehrsaufgabe hinreichend gelöst werden kann. Hierbei sind insbesondere die Verkehrsbeeinflussungen und die Verkehrsmessungen zu berücksichtigen.
Ein Vorteil der Modellierung von Autobahnverkehr ist die Möglichkeit, Wirkungen von betrieblichen Maßnahmen zur Verkehrsbeeinflussung auf den Autobahnverkehr vor einem
realen Einsatz abschätzen zu können. Bei geeigneter Modellierung des zugehörigen
Autobahnnetzes lassen sich die Maßnahmen in die Modellierung abbilden. Die Auswirkungen dieser modellierten Maßnahmen hängen von der Modellierung der Verkehrsabläufe ab und zeigen nicht notwendigerweise die realen Auswirkungen der Maßnahmen.
Die Modellierung von Messungen eines Autobahnverkehrs kann bei geeigneter Modellierung des zugehörigen Autobahnnetzes als genaue Abbildung einer realen Verkehrsmessung umgesetzt werden. Es ist zweckmäßig, die modellierten Verkehrsmessungen in die
Modellierung der Autobahn zu integrieren. So lassen sich zum einen verkehrsabhängige
Beeinflussungsmaßnahmen abbilden und zum anderen ein direkter Vergleich von Mess–
und Simulationsergebnissen gewährleisten.
In diesem Kapitel werden im ersten Abschnitt die Grundlagen der Beschreibung von Autobahnverkehr aufgezeigt. Dabei werden Autobahnnetze sowie Kraftfahrzeuge, Verkehrsabläufe, Verkehrsbeeinflussungen und Verkehrsmessungen in Autobahnnetzen beschrieben. Im zweiten Abschnitt wird die Modellierung von Autobahnnetzen als
Umsetzung ihrer speziellen Beschreibung erläutert. Im dritten Abschnitt folgt die Modellierung von Verkehrsabläufen. Dabei werden verschiedene Modellvorstellungen aufgezeigt.
Die beiden letzten Abschnitte zeigen die Integration von Verkehrsbeeinflussungen und
Verkehrsmessungen in die Modellierung von Autobahnverkehr auf.
3.1 Autobahnverkehr
Autobahnverkehr beschreibt Ortswechsel von Personen oder Gütern mit Hilfe von Kraftfahrzeugen in einem Autobahnnetz.
Ein Autobahnnetz ist ein Verkehrsgebiet, das die Überwindung großer Distanzen für möglichst viele Kraftfahrzeuge in möglichst kurzer Zeit gewährleisten soll. Dies wird durch Vermeidung von Störungen auf die Kraftfahrzeugbewegungen mit mehrspurigen Richtungsfahrbahnen und planfreien Verkehrsknotenpunkten erreicht. Richtungsfahrbahnen
ermöglichen ein schnelles Überholen langsamerer Kraftfahrzeuge und verhindern den
Begegnungsfall entgegenkommender Kraftfahrzeuge. Planfreie Verkehrsknotenpunkte
verhindern den Begegnungsfall kreuzender Kraftfahrzeuge.
Ein Kraftfahrzeug ist ein motorisiertes Vehikel, das von einem Fahrer individuell bewegt
wird. Die individuelle Bewegung wird in einem Autobahnnetz durch die Eigenschaften der
Fahrbahn, die Interaktion mit anderen Kraftfahrzeugen und Verkehrsbeeinflussungen eingeschränkt.
3.1 Autobahnverkehr
33
Ein Verkehrsablauf von Kraftfahrzeugen in einem Autobahnnetz ist durch die eingeschränkten Bewegungs– und Interaktionsmöglichkeiten der Kraftfahrzeuge charakterisiert. Die Verkehrsabläufe entsprechen Verkehrsströmen, die sich auf den Fahrbahnen
in eine Richtung bewegen und an den planfreien Verkehrsknotenpunkten aufgeteilt beziehungsweise zusammengeführt werden.
Eine Verkehrsbeeinflussung von Autobahnverkehr dient insbesondere der Gewährleistung beziehungsweise Erhöhung der Sicherheit und der Leistungsfähigkeit von
Verkehrsabläufen im zugehörigen Autobahnnetz. Hierzu werden vor allem betriebliche
Verkehrsmaßnahmen durchgeführt.
Eine Verkehrsmessung von Autobahnverkehr besteht üblicherweise aus lokalen Messungen der Verkehrsabläufe im zugehörigen Autobahnnetz. Mit ihnen lassen sich die Zustandsgrößen der Verkehrsabläufe zum einen für verkehrsabhängige Beeinflussungsmaßnahmen und zum anderen für den Vergleich mit Simulationsergebnissen nutzen.
3.1.1 Autobahnnetze
Ein Autobahnnetz ist ein Verkehrsgebiet mit einer Netzstruktur für homogenen Verkehr.
Es setzt sich aus Autobahnabschnitten und Autobahnknotenpunkten zusammen (Abbildung 3.1). Die Autobahnabschnitte dienen den Ortswechseln von Kraftfahrzeugen. Die
Autobahnknotenpunkte ermöglichen die Ein– und Ausfahrt der Kraftfahrzeuge in das und
aus dem Autobahnnetz sowie den Wechsel der Kraftfahrzeuge von einem Autobahnabschnitt zu einem anderen.
1
1
2
A7
A352
4
3
2
4
5
3
Burgwedel
Langenhagen
7
6
8
11
12
12
14
13
13
16
15
Bremer Damm
14
17
B6
9
10
Hannover
Garbsen
8
A37
10
9
6
7
11
A2
5
15
B65
18
Laatzen
16
17
18
19
20
19
20
Hannover – Nord
Langenhagen – Kaltenweide
Großburgwedel
Flughafen Hannover
Engelbostel
Hannover – Kirchhorst
Hannover – Herrenhausen
Hannover – West
Hannover – Langenhagen
Hannover – Bothfeld
Hannover – Buchholz
Hannover – Ost
Schwanenburgkreisel
Hannover – Misburg
Hannover – Mühlenberg
Hannover – Seelhorst
Hannover – Anderten
Messegelände – Nord
Messegelände – Süd
Hannover – Süd
Abbildung 3.1: Autobahn– und Schnellstraßennetz im Großraum Hannover
34
3 Modellierung von Autobahnverkehr
Netzstruktur
Die Struktur eines Autobahnnetzes kann auf unterschiedliche Weise beschrieben werden. Eine mögliche Beschreibung basiert auf der Aufteilung des Verkehrsgebiets in Autobahnknotenpunkte und Autobahnabschnitte, die die Autobahnknotenpunkte miteinander
verbinden. Die Autobahnabschnitte sind Abschnitte ohne Ein– und Ausfahrten. Sie gewährleisten einen möglichst störungsfreien Ortswechsel der Kraftfahrzeuge durch das
Autobahnnetz. Die Autobahnknotenpunkte sind Abschnitte mit Ein– und Ausfahrten. Sie
vereinigen die Ein– und Ausfahrten mit den zugehörigen Autobahnbereichen zu einer Einheit. Innerhalb dieser Einheit erfolgen die Verteilungen der Kraftfahrzeugströme in die verschiedenen Richtungen. Mit einem bipartiten Graph lassen sich die Menge der Autobahnabschnitte und die Menge der Autobahnknotenpunkte sowie deren gegenseitige
Nachbarschaftsbeziehungen abbilden (Abbildung 3.2).
1
1
2
Autobahnknotenpunkt
“erreichbar”
3
2
3
4
Autobahnabschnitt
4
5
5
7
8
9
6
10
7
11
14
12
13
17
15
6
8
11
10
13
12
14
15
16
18
19
9
16
17
18
20
^
19
20
Abbildung 3.2: Autobahnknotenpunkte und sie verbindende Autobahnabschnitte
im Autobahnnetz aus Abbildung 3.1 als Karte und als bipartiter Graph
Eine andere Möglichkeit der Beschreibung des Autobahnnetzes priorisiert die Kraftfahrzeugströme auf den Autobahnabschnitten, die nicht durch kreuzende Kraftfahrzeuge gestört werden. Hierbei werden ausschließlich Autobahnabschnitte berücksichtigt. Autobahnknotenpunkte treten in dieser Beschreibung des Autobahnnetzes nicht auf. Die Ein–
und Ausfahrten sind den Autobahnabschnitten zugeordnet. Die Struktur der Autobahnabschnitte und deren direkte Erreichbarkeitsbeziehungen lassen sich mit einem schlichten Graph beschreiben (Abbildung 3.3).
Im folgenden wird die Beschreibung eines Autobahnnetzes als ein schlichter Graph aus
Autobahnabschnitten verwendet.
3.1 Autobahnverkehr
35
A352
A7
A7
A2
A352
A2
B6
B65
A37
Bremer
Damm
A37
Autobahnabschnitt
“erreichbar”
B6
Bremer
Damm
B65
Abbildung 3.3: Autobahnabschnitte im Autobahnnetz aus Abbildung 3.1 als Karte
und als schlichter Graph
Autobahnabschnitt
Ein Autobahnabschnitt setzt sich aus zwei Fahrbahnen zusammen, die entgegengesetzt
zu durchfahren sind. Da die beiden Richtungsfahrbahnen strukturell und geometrisch
nicht zusammenhängen und da die gegenseitigen Einflüsse der Verkehrsabläufe auf den
beiden Fahrbahnen in der Regel vernachläßigt werden können, ist bei der Beschreibung
eines Autobahnabschnitts die Beschränkung auf einen Fahrbahnabschnitt gerechtfertigt.
Abbildung 3.4: Autobahnabschnitt im Bereich eines Autobahnknotenpunkts
Fahrbahnabschnitt
Ein Fahrbahnabschnitt besitzt einen Anfang und ein Ende. Die Kraftfahrzeuge durchfahren den Fahrbahnabschnitt vom Fahrbahnanfang auf mehreren, nebeneinander verlaufenden Fahrstreifen bis zum Fahrbahnende. Zur Beschreibung der Fahrbahngeometrie
wird ein Koordinatensystem mit dem Ursprung im Fahrbahnanfang eingeführt. Sind nur
die Koordinaten längs des Fahrbahnabschnitts von Interesse, so genügt ein eindimensionales Koordinatensystem in Fahrtrichtung. Soll zusätzlich die Breite der Fahrbahn
berücksichtigt werden, so ist ein zweidimensionales Koordinatensystem mit einer
36
3 Modellierung von Autobahnverkehr
Hauptrichtung längs der Fahrbahn und einer Richtung quer zur Fahrbahn notwendig. Es
ist zweckmäßig, die Richtung quer zur Fahrbahn diskret durch die Bezeichnungen der
Fahrstreifen zu beschreiben.
x
Abbildung 3.5: Fahrbahnabschnitt mit einer Einfahrt und einer Ausfahrt
Die Anzahl der Fahrstreifen entlang des Fahrbahnabschnitts ist nicht notwendigerweise
konstant. Es kann im Verlauf der Hauptkoordinatenrichtung zu Fahrbahnadditionen mit
einer Vergrößerung des Fahrbahnquerschnitts oder zu Fahrstreifensubtraktionen mit einer Verringerung des Fahrbahnquerschnitts kommen. Die Fahrbahnseite, auf der die
Fahrstreifen hinzukommen oder verschwinden, ist nicht festgelegt.
Die Teilung einer Fahrbahn in zwei Fahrbahnen kann aufgrund geographischer Gegebenheiten oder aufgrund einer Autobahnbaustelle erforderlich sein. Hierbei verzweigt sich die
Fahrbahn an einem Ort längs der Fahrtrichtung und wird an einem Ort im weiteren Verlauf
der Hauptkoordinatenrichtung wieder zusammengeführt. Einfahrten lassen sich als eine
Zusammenführung zweier Fahrbahnen mit anschließender Fahrstreifensubtraktion auffassen. Ausfahrten lassen sich als eine Fahrstreifenaddition mit anschließender Verzweigung der Fahrbahn auffassen.
Die wesentlichen physikalischen Eigenschaften eines Fahrbahnabschnitts umfassen
strecken– beziehungsweise flächenförmige, querschnittsbezogene beziehungsweise
punktuelle Eigenschaften sowie äußere Einflüsse. Streckenförmige Eigenschaften sind
beispielsweise Oberflächenbeschaffenheiten, Steigungen oder Kurvigkeiten. Querschnittsbezogene Eigenschaften sind beispielsweise Schlaglöcher und ähnliche Hindernisse. Äußere Einflüsse sind beispielsweise Witterungsverhältnisse.
Die Einteilung eines Fahrbahnabschnitts in Fahrstreifen ist keine strukturelle, geometrische oder physikalische Eigenschaft, sondern wird als Vorschrift aufgefasst, nach der sich
alle Kraftfahrzeuge auf den Fahrstreifen zu bewegen haben. Diese Vorschrift ist eine betriebliche Beeinflussung der Verkehrsabläufe auf einer Fahrbahn, die in Abschnitt 3.1.4
beschrieben wird.
Autobahnknotenpunkt
An einem Autobahnknotenpunkt trifft ein Autobahnabschnitt auf andere Autobahnabschnitte oder auf untergeordnete Straßen. Um die Verkehrsabläufe auf den Autobahnabschnitt nicht zu beeinträchtigen, werden die anderen Autobahn– oder Straßenabschnitte
planfrei, das heißt unter oder über den Autobahnabschnitten vorbeigeführt. Beim
Aufeinandertreffen auf andere Autobahnabschnitt wird den Kraftfahrzeugen im Knotenpunkt ein Wechsel der Autobahnabschnitte innerhalb eines Autobahnnetzes ermöglicht.
3.1 Autobahnverkehr
37
Beim Aufeinandertreffen auf untergeordnete Straßen wird den Kraftfahrzeugen im
Knotenpunkt das Ein– oder Ausfahren in oder aus dem Autobahnnetz ermöglicht.
Der Wechsel von Autobahnabschnitten erfolgt in der Regel in Autobahnkreuzen und
Autobahndreiecken. An Autobahnkreuzen kreuzen sich zwei Autobahnabschnitte, an
Autobahndreiecken mündet ein Autobahnabschnitt in einen anderen. In einem vollständigen Autobahnkreuz oder –dreieck ist jede Fahrbahn der beiden Autobahnabschnitte von
den Kraftfahrzeugen über eine Ausfahrt, eine Rampe und eine Einfahrt von jeder anderen
Fahrbahn erreichbar. In einem unvollständigen Autobahnkreuz oder –dreieck, beispielsweise der Zusammenführung zweier Autobahnabschnitte zu einem, sind einige
Fahrbahnwechsel nicht möglich.
a)
b)
c)
Abbildung 3.6: Planfreie Autobahnknotenpunkte: a) vollständiges Autobahnkreuz,
b) vollständiges Autobahndreieck und c) unvollständiges Autobahndreieck
Der Wechsel zwischen einem Autobahnabschnitt und einer untergeordneten Straße
erfolgt in einer Autobahnanschlussstelle oder am Anfang beziehungsweise am Ende
eines Autobahnabschnitts. In einer Anschlussstelle ist jede Fahrbahn des Autobahnabschnitts von den Kraftfahrzeugen über eine Ausfahrt, eine Rampe und eine Einfahrt von
der untergeordneten Straße ebenso erreichbar, wie die Straße von der Fahrbahn.
Üblicherweise werden die Kraftfahrzeuge am Anfang eines Autobahnabschnitts über eine
Zubringerfahrbahn oder Rampe aus dem untergeordneten Straßensystem in den
Autobahnabschnitt geführt. Ebenso werden die Kraftfahrzeuge am Ende eines Autobahnabschnitts über eine Rampe in das untergeordnete Straßensystem abgeführt.
Die Form der Autobahnknotenpunkte kann entsprechend der geometrischen Gegebenheiten, des Verkehrsaufkommens und der Rolle der Knotenpunkte im Autobahnnetz
variieren. Die Rampen der Autobahnknotenpunkte können entsprechend dem Verkehrsaufkommen mit einem oder mehreren Fahrstreifen ausgebildet sein.
38
3 Modellierung von Autobahnverkehr
3.1.2 Kraftfahrzeuge
Ein Kraftfahrzeug ermöglicht den individuellen Ortswechsel in zwei Richtungen. Es lässt
sich von seinem Fahrer in seine Frontrichtung und entgegen seine Frontrichtung bewegen. Die dabei entstehende Bewegungsbahn kann vom Fahrer nach links oder rechts
ausgelenkt werden. In einem Autobahnnetz ist die Bewegung eines Kraftfahrzeugs auf die
Bewegung innerhalb eines Fahrstreifens in Fahrtrichtung der zugehörigen Fahrbahn beschränkt. Ein Kraftfahrzeug kann jedoch von einem Fahrstreifen auf einen daneben verlaufenden Fahrstreifen wechseln.
Das lokale Koordinatensystem eines Kraftfahrzeugs sollte die gleiche Dimension besitzen, wie das Koordinatensystem des Fahrbahnabschnitts, auf dem es sich befindet. Häufig genügt ein eindimensionales Koordinatensystem zur Beschreibung der geometrischen
Eigenschaften eines Kraftfahrzeugs, wie Länge, Wahrnehmungsabstand oder Sicherheitsabstand in Fahrtrichtung.
Die Antriebseigenschaften eines Kraftfahrzeugs umfassen insbesondere die Wunschgeschwindigkeit, das maximale Beschleunigungs– und Bremsvermögen, den Wahrnehmungsbereich in Frontrichtung und den geschwindigkeitsabhängigen Sicherheitsabstand
zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug.
Das Ziel eines Kraftfahrzeugs befindet sich am Ende des Fahrbahnabschnitts, wo das
Autobahnnetz vom Kraftfahrzeug verlassen wird. Der Fahrbahnabschnitt kann eine Ausfahrt oder ein Teil eines Autobahnabschnitts sein. Das Ziel beschreibt somit eine Senke
am Rand des Autobahnnetzes. Das Eintreten in das Autobahnnetz über eine Einfahrt oder
den Anfang eines Fahrbahnabschnitts beschreibt eine Quelle.
a
Quelle
x
Antrieb : v
0
a,
a
min
a ,
a
max
a
Sichterheitsabstand
Senke
Ziel
Wahrnehmungsbereich
Abbildung 3.7: Kraftfahrzeug auf einem Fahrbahnabschnitt
Die Beeinflussung der Bewegung eines Kraftfahrzeugs hängt von seinem Ziel, seinen Antriebseigenschaften und dem Verhalten der vorausfahrenden Kraftfahrzeuge ab.
3.1.3 Verkehrsabläufe
Die Verkehrsabläufe in einem Autobahnnetz setzen sich aus den Verkehrsabläufen auf
allen zugehörigen Fahrbahnabschnitten inklusive der Ein– und Ausfahrten zusammen.
Ein Verkehrsablauf auf einem Fahrbahnabschnitt ergibt sich aus den Bewegungen und
den gegenseitigen Beeinflussungen der Kraftfahrzeuge in Fahrtrichtung. Er lässt sich in
einem Ort–Zeit–Diagramm darstellen.
3.1 Autobahnverkehr
39
Ort–Zeit–Diagramm
In einem Ort–Zeit–Diagramm wird für jeden Zeitpunkt t innerhalb eines Zeitbereichs die
Position x a (t) jedes Kraftfahrzeugs a in Fahrtrichtung des betrachteten Fahrbahnabschnitts aufgetragen. Auf diese Weise ergeben sich die Bewegungsbahnen aller Kraftfahrzeuge längs des Fahrbahnabschnitts im betrachteten Zeitbereich. Zusätzlich lässt
sich die Geschwindigkeit v a (t) jedes Kraftfahrzeugs a aus dem Ort–Zeit–Diagramm ablesen. Sie entspricht der Steigung dx a (t)dt der Bewegungsbahn von a zum Zeitpunkt t.
x (t)
a
v a (t) xa
t
dx a (t)
tan dt
t
Abbildung 3.8: Ort–Zeit–Diagramm eines Verkehrsablaufs von Kraftfahrzeugen
längs eines Fahrbahnabschnitts
Das Kreuzen von Bewegungsbahnen im Ort–Zeit–Diagramm entspricht einem Überholmanöver. Besteht der betrachtete Fahrbahnabschnitt nur aus einem Fahrstreifen, so
kreuzen sich die Bewegungsbahnen nicht.
Für das Ort–Zeit–Diagramm ergibt sich eine alternative Darstellung, wenn für jeden Ort
x auf einem Fahrbahnabschnitt der Zeitpunkt t aufgetragen wird, an dem sich ein Kraftfahrzeug a am Ort x befindet. Diese Darstellung wird oft in der Anwendung verwendet, um
den Verkehrszustand auf dem Fahrbahnabschnitt als horizontalen Schnitt betrachten zu
können. Die zeitliche Änderung des Verkehrszustands entspricht einer vertikalen Bewegung des Schnitts im Ort–Zeit–Diagramm.
Kenngrößen
Die grundlegenden Kenngrößen eines Autobahnverkehrs sind die Verkehrsdichte, die
Verkehrsstärke und die mittlere Geschwindigkeit aller Kraftfahrzeuge auf den zugehörigen Fahrbahnabschnitten. Analog zu den Definitionen (2.8) bis (2.15) der allgemeinen
Verkehrsbeschreibung gibt es unterschiedliche Definitionen dieser Kenngrößen bezogen
auf das eindimensionale Verkehrsgebiet der Hauptkoordinatenrichtung eines Fahrbahnabschnitts [57].
40
3 Modellierung von Autobahnverkehr
Definition: In einem Fahrbahnabschnitt sei für einen Ort x ein räumliches Kontrollgebiet
in Form einer Strecke mit der Länge x zu einem Zeitpunkt t gegeben. Die räumliche
Verkehrsdichte di r ist die Anzahl n r der Kraftfahrzeuge, die sich zum Zeitpunkt t im
räumlichen Kontrollgebiet befinden:
di r (x, t) :
kfz
m
n r (x, x, t)
x
(3.1)
Die mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r ist das arithmetische Mittel der Geschwindigkeiten v a aller n r Kraftfahrzeuge im räumlichen Kontrollgebiet zum Zeitpunkt t:
ge r (x, t) : n1
r
v a (x, x, t)
nr
ms
(3.2)
a1
Die räumliche Verkehrsdichte di r und die mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r sind
ausschließlich für den festgelegten Fahrbahnabschnitt x definiert. Entsprechend den
Erläuterungen zu den Definitionen (2.8) und (2.9) darf x nicht zu klein und nicht zu groß
gewählt werden. Im Ort–Zeit–Diagramm entspricht die räumliche Verkehrsdichte einem
Schnitt längs der Ortsachse im Bereich von x bis x x zur Zeit t auf der Zeitachse
(Abbildung 3.9). Die mittlere räumliche Geschwindigkeit entspricht dem Mittel der
Geschwindigkeiten, die die Kraftfahrzeuge auf dem Schnitt von x bis x x besitzen.
x (t)
Geschwindigkeit eines
Kraftfahrzeugs zum
Zeitpunkt t
x
x
t
t
Abbildung 3.9: Darstellung zur Bestimmung der räumlichen Verkehrsdichte und der
mittleren räumlichen Geschwindigkeit im Ort–Zeit–Diagramm
Definition: In einem Fahrbahnabschnitt sei für einen Ort x ein zeitliches Kontrollgebiet in
Form eines Zeitintervalls von t bis t t gegeben. Die zeitliche Verkehrsstärke st z ist die
Anzahl n z der Kraftfahrzeuge, die das zeitliche Kontrollgebiet in der Zeit von t bis t t
in Fahrtrichtung durchqueren:
st z (x, t) :
n z (x, t, t)
t
kfzs
(3.3)
3.1 Autobahnverkehr
41
Die mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z ist das arithmetische Mittel der Geschwindigkeiten v a aller n z Kraftfahrzeuge, die das zeitliche Kontrollgebiet im Zeitintervall von t bis
t t in Fahrtrichtung durchqueren:
ge z (x, t) : n1
z
v a (x, t, t)
nz
ms
(3.4)
a1
Die zeitliche Verkehrsstärke und die mittlere zeitliche Geschwindigkeit sind ausschließlich
für das festgelegte Zeitintervall von t bis t t definiert. Entsprechend den Erläuterungen
zu den Definitionen (2.10) und (2.11) darf die Zeitdauer t nicht zu klein und nicht zu groß
gewählt werden. Im Ort–Zeit–Diagramm entspricht die zeitliche Verkehrsstärke einem
Schnitt längs der Zeitachse im Bereich von t bis t t am Ort x auf der Ortsachse
(Abbildung 3.10). Die mittlere zeitliche Geschwindigkeit entspricht dem Mittel der
Geschwindigkeiten, die die Kraftfahrzeuge auf dem Schnitt im Bereich von t bis t t
besitzen.
x(t)
Geschwindigkeit eines
Kraftfahrzeugs am Ort x
x
t
t
Abbildung 3.10: Darstellung zur Bestimmung der zeitlichen Verkehrsstärke und der
mittleren zeitlichen Geschwindigkeit im Ort–Zeit–Diagramm
Definition: In einem Fahrbahnabschnitt sei für einen Ort x ein räumliches und zeitliches
Kontrollgebiet in Form einer Strecke von x bis x und eines Zeitintervalls von t bis t t
gegeben. Des Weiteren seien die Belegungstrecke x a und die Belegungszeit t a
gegeben, die jedes Kraftfahrzeug a für den Aufenthalt im Kontrollgebiet während der Zeit
von t bis t t benötigt. Die räumlich–zeitliche Verkehrsdichte di r z ist die Summe der
Belegungszeiten t a aller n r z Kraftfahrzeuge pro Zeitdauer t und Fahrbahnlänge x:
t a (t x)
nrz
di r z (x, t) :
a1
kfz
m
(3.5)
42
3 Modellierung von Autobahnverkehr
Die räumlich–zeitliche Verkehrsstärke st r z ist die Summe der Belegungsstrecken x a
aller n r z Kraftfahrzeuge a pro Zeitdauer t und Fahrbahnlänge x:
x a (t x)
nrz
st r z (x, t) :
kfzs
(3.6)
a1
Die mittlere räumlich–zeitliche Geschwindigkeit ge r z ist der Quotient der Summe der
Belegungsstrecken x a aller n r z Kraftfahrzeuge und der Summe der Belegungszeiten
t a aller n r z Kraftfahrzeuge:
x a t a
nrz
ge r z (x, t) :
a1
n rz
ms
(3.7)
a1
Die räumlich–zeitliche Verkehrsdichte und Verkehrsstärke sowie die mittlere räumlich–
zeitliche Verkehrsgeschwindigkeit sind ausschließlich für die Fahrbahnlänge x und die
Zeitdauer t definiert. Entsprechend den Erläuterungen zu den Definitionen (2.13) bis
(2.15) darf weder x noch t zu klein oder zu groß gewählt werden. Darüber hinaus ist
das Verhältnis von x zu t so abzustimmen, dass insbesondere die Bestimmung von
ge r z nicht zu unrealistisch großen oder kleinen Werten führt.
x(t)
x
t
t
Abbildung 3.11: Darstellung zur Bestimmung der räumlich–zeitlichen Kenngrößen
di r z, st r z und ge r z im Ort–Zeit–Diagramm
Wie in der allgemeinen Verkehrsbeschreibung sind lediglich Zusammenhänge zwischen
Kenngrößen in gleichartigen Kontrollgebieten zulässig. In einem räumlichen Kontrollgebiet lässt sich ein Zusammenhang zwischen di r und ge r herstellen und in einem zeitlichen
Kontrollgebiet lässt sich ein Zusammenhang zwischen st z und ge z herstellen. Nur in
einem räumlichen und zeitlichen Kontrollgebiet gilt der folgende Zusammenhang
zwischen der räumlich–zeitlichen Verkehrsdichte di r z, der räumlich–zeitlichen Verkehrsstärke st r z und der mittleren räumlich–zeitlichen Geschwindigkeit ge r z:
st r z di r z ge r z
(3.8)
3.1 Autobahnverkehr
43
3.1.4 Verkehrsbeeinflussung
Das Verhalten der Verkehrsabläufe in einem Autobahnnetz wird durch betriebliche Verkehrsmaßnahmen auf den zugehörigen Fahrbahnabschnitten beeinflusst. Sie lassen sich
in statische und dynamische Verkehrsmaßnahmen unterscheiden.
Statische Verkehrsmaßnahmen
Statische Verkehrsmaßnahmen auf einem Fahrbahnabschnitt sind bauliche Maßnahmen
sowie unveränderliche Fahrbahnmarkierungen und Verkehrsschilder.
Bauliche Maßnahmen werden einmalig durchgeführt, um die Leistungsfähigkeit eines
Fahrbahnabschnitts zu erhöhen oder wieder herzustellen. Nach der Durchführung bleiben sie unverändert. Beispiele für bauliche Maßnahmen sind Fahrbahnverbreiterungen
oder Behebungen von Straßenschäden. Ihre Wirkung auf die Verkehrsabläufe kann sowohl lokal begrenzt als auch großräumig im Autobahnnetz ausgebreitet sein.
Fahrbahnmarkierungen auf Autobahnnetzen werden insbesondere zu einer flächenbezogenen Kennzeichnung der Fahrstreifen verwendet. Sie erhöhen so die Sicherheit auf den
Fahrbahnen. Ihre Wirkung auf die Verkehrsabläufe ist lokal begrenzt. Seltener werden
Markierungen für querschnittsbezogene Hinweise, Warnungen oder Verbote verwendet.
Hierzu dienen vor allem Verkehrsschilder.
Verkehrsschilder sind unveränderliche Signale. Sie sind entweder neben der Fahrbahn
oder an Signalbrücken über den Fahrstreifen angebracht. Hinweisschilder dienen insbesondere zur Wegweisung der Kraftfahrzeuge oder als Warnung vor Steigungen, Kurven
oder ähnlichen Gefahren. Durch die zusätzlichen Informationen wird die Sicherheit und
Wirtschaftlichkeit der Kraftfahrzeuge erhöht. Verbotsschilder dienen insbesondere zur
Geschwindigkeitsbeschränkung in einem Fahrbahnbereich. Verbotsschilder führen zu einer Homogenisierung der Verkehrsabläufe in den beeinflussten Fahrbahnabschnitten
und somit zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Gesamtverkehrs.
Fahrbahnmarkierung
x
Schild
ËËËËËËËËËËËËË
ËËËËËËËËËËËËË
ËËËËËËËËËËËËË
bauliche Maßnahme
Schilderbrücke
Geschwindigkeitsbeschränkung
Abbildung 3.12: Beispiele für statische Verkehrsmaßnahmen zur Beeinflussung
der Verkehrsabläufe auf einer Autobahnfahrbahn
In der Regel sind die statischen Verkehrsmaßnahmen stationär. Für zeitlich befristete Verkehrsmaßnahmen können sie aber auch instätionar sein. So werden etwa für Tagesbaustellen mobile Verkehrsschilder und temporäre Fahrbahnmarkierungen verwendet.
44
3 Modellierung von Autobahnverkehr
Dynamische Verkehrsmaßnahmen
Dynamische Verkehrsmaßnahmen auf einem Fahrbahnabschnitt stellen im stationären
Fall eine Erweiterung der statischen Verkehrsmaßnahmen dar. Die Erweiterung besteht
in der Veränderlichkeit der Beeinflussungsmaßnahmen. Durch die Veränderlichkeit können die Verkehrsabläufe in einem Autobahnnetz flexibel in Abhängigkeit von ihren bisherigen Zuständen beeinflusst werden.
Die stationären dynamischen Verkehrsmaßnahmen umfassen im Wesentlichen veränderliche Signale in Form von umklappbaren Verkehrsschildern oder Lichtsignalanlagen.
Sie sind entweder neben der Fahrbahn oder an Signalbrücken über den Fahrstreifen angebracht. Sie bewirken eine Beeinflussung der Verkehrsabläufe hinter dem Querschnitt.
Veränderliche Verkehrssignale lassen sich wie unveränderliche Verkehrssignale in Verbots– oder Hinweissignale unterscheiden. Veränderliche Verbotssignale sind beispielsweise temporäre Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Überholverbote. Sie ermöglichen eine flexible Homogenisierung von Autobahnverkehr. Veränderliche Hinweissignale
sind zum Beispiel Wechselwegweisungsanlagen. Sie beeinflussen die Kraftfahrzeuge wie
statische Wegweisungen. Durch mögliche Änderungen der Hinweissignale lassen sich
die Verkehrsabläufe abhängig vom Verkehrszustand im Autobahnnetz auf geeigneten
Wegen zu ihren Zielen führen. Gefahrenwarnanlagen sind ebenfalls veränderliche Hinweissignale, die die Kraftfahrzeuge beispielsweise vor Staus, Nebel oder Glatteis warnen.
Eine Fahrstreifensignalisierung ist ein System von aufeinander folgenden Signalbrücken,
mit denen sich die Verkehrsabläufe auf jedem Fahrstreifen eines Autobahnabschnitts flexibel beeinflussen lassen. Eine Fahrstreifensignalisierung ermöglicht insbesondere temporäre Fahrstreifenadditionen und –subtraktionen. Dabei wird jeder Fahrstreifen des Autobahnabschnitts durch ein Signal in Fahrtrichtung freigegeben und entgegen der
Fahrtrichtung gesperrt (Abbildung 3.13). Damit sind beispielsweise wechselnde Richtungsanpassungen der Verkehrsabläufe bei Spitzenverkehrsstärken oder Umfahrungen von Störstellen auf hochbelasteten Autobahnabschnitten steuerbar [5]. Zufahrtsdosierungen an Einfahrten sind ebenfalls auf diese Weise realisierbar [24]. Diese
Maßnahmen lassen sich durch temporär veränderliche Schranken unterstützen.
a)
b)
x
Störstelle
x
Schilderbrücke mit veränderlichen Verkehrsschildern
(links für Kraftfahrzeuge von links, rechts für Kraftfahrzeuge von rechts)
Abbildung 3.13: Fahrbahnsignalisierungen a) zur wechselnden Richtungsanpassung von Verkehrsabläufen und b) zur Umfahrung von Störstellen
3.1 Autobahnverkehr
45
Dynamische Verkehrsmaßnahmen können ebenso wie statische Verkehrsmaßnahmen
instationär sein. Dabei ist eine mögliche Ortsänderung von kollektiven Beeinflussungsmaßnahmen weniger interessant als die individuelle Beeinflussung der Kraftfahrzeuge.
Instationäre dynamische Verkehrsmaßnahmen umfassen insbesondere Verkehrsfunk–
und Navigationsanlagen, die das Verhalten jedes einzelnen Kraftfahrzeugs in einem Verkehrsablauf direkt beeinflussen. Beim Verkehrsfunk wird der Fahrer eines Kraftfahrzeugs
durch Hinweise von außen beeinflusst. Bei der Navigationsanlage ist eine Beeinflussung
des Fahrers oder eine Steuerung des Kraftfahrzeugs von außen oder von der Navigationsanlage im Kraftfahrzeug möglich.
3.1.5 Verkehrsmessung
Eine Verkehrsmessung von Autobahnverkehr entspricht einer Messung der Verkehrsabläufe auf den zugehörigen Fahrbahnabschnitten. Da sich die Verkehrsabläufe aus den
individuellen Bewegungen zahlreicher Kraftfahrzeuge zusammensetzen, ist eine vollständige Messung aller Verkehrsdaten nicht möglich. Die Verkehrsmessung sollte jedoch
in jedem Fall zur Bestimmung der wesentlichen Kenngrößen eines Autobahnverkehrs
führen. Da derzeit nicht alle Kraftfahrzeuge über die notwendigen Messinstrumente mit
einer Datenübertragung an eine zentrale Datenauswertung verfügen, sind Messungen
von relevanten Zustandsgrößen jedes Kraftfahrzeugs in einem Verkehrsablauf für diese
Bestimmung noch nicht geeignet. Derzeit ist nur die Aufnahme von Autobahnverkehr mit
Messungen auf den zugehörigen Fahrbahnabschnitten außerhalb der Kraftfahrzeuge
zweckmäßig. Hierbei wird wie für allgemeine Verkehrsabläufe zwischen momentanen
und lokalen Verkehrsmessungen unterschieden.
Momentane Verkehrsmessung
Mit einer momentanen Verkehrsmessung eines Autobahnverkehrs wird die räumliche
Verteilung der Kraftfahrzeuge in einem Fahrbahnabschnitt der Länge x zu einem Zeitpunkt t bestimmt. Das Verhältnis der dabei gezählten n Kraftfahrzeuge zur repräsentativen Länge x ist entsprechend Definition (3.1) ein Maß für die räumliche Verkehrsdichte
di r. Mit einer zweiten, zeitlich ein wenig versetzten, momentanen Messung lässt sich die
zugehörige mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r bestimmen.
Problematisch bei einer momentanen Messung der Verkehrsabläufe auf einem Fahrbahnabschnitt ist nicht nur die Wahl der repräsentativen Länge x, sondern auch die Aufnahme der Verkehrsdaten mit einem geeigneten Messinstrument. Das Messinstrument,
wie beispielsweise eine Fotokamera, muß sich an einer ausreichend hohen Position über
der Fahrbahn befinden, so dass eine gleichmäßige und unverzerrte Messung möglich ist.
Der hierzu erforderliche Aufwand mit den entsprechenden Kosten ist häufig nicht realisierbar.
46
3 Modellierung von Autobahnverkehr
Lokale Verkehrsmessung
Mit einer lokalen Messung eines Autobahnverkehrs wird die zeitliche Verteilung der Kraftfahrzeuge an einem Fahrbahnquerschnitt am Ort x in einem Zeitintervall der Dauer t bestimmt. Das Verhältnis der dabei gezählten n Kraftfahrzeuge zur Dauer t ist entsprechend Definition (3.3) ein Maß für die zeitliche Verkehrsstärke im betrachteten Zeitintervall
am Ort x. Mit einer zweiten, räumlich ein wenig versetzten, lokalen Messung lässt sich
die zugehörige mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z bestimmen. Problematisch bei einer lokalem Messung der Verkehrsabläufe ist die Wahl der repräsentativen Dauer t.
Geeignete Messinstrumente für eine lokale Messung auf einem Fahrbahnabschnitt sind
Detektoren, wie Radargeräte oder Induktionsschleifen. Jeder Detektor ist einem Fahrbahnquerschnitt zugeordnet. Auf jedem Fahrstreifen eines solchen Messquerschnitts befindet sich ein Detektor. Jeder Detektor detektiert die Kraftfahrzeuge, die ihn überqueren.
x
Messquerschnitt
Detektor: n pkw, n lkw, v pkw, v lkw
Abbildung 3.14: Lokale Verkehrsmessung von Autobahnverkehr
Die derzeit gängigen Detektoren sind in der Lage, die Kraftfahrzeuge und deren Geschwindigkeiten differenziert nach Personen– und Schwerlastverkehr zu detektierten. Die
Bestimmung des Unterschieds von Personen– und Schwerlastverkehr erfolgt durch Messung des Metallanteils oder des Achsabstandes jedes Kraftfahrzeugs.
Es ist üblich, die gemessenen Größen als aggregierte Größen für längere Zeitintervalle
vom Detektor an die angeschlossenen Datenauswertungen weiterzuleiten. Zur Beschreibung eines zeitlichen Verlaufs der zeitlichen Verkehrsstärke und der mittleren zeitlichen
Geschwindigkeit an einem Fahrbahnquerschnitt sollte die Größe des Zeitintervalls nicht
zu groß gewählt werden. Derzeit sind 30–Minuten–Intervalle bis 1–Minuten–Intervalle
üblich. Zur Beschreibung eines räumlichen Verlaufs der Verkehrsdichte und der mittleren
Geschwindigkeit auf einem Fahrbahnabschnitt sollten die Abstände zwischen den Messquerschnitten entlang des Fahrbahnabschnitts nicht zu groß gewählt werden. Abstände
von unter einem Kilometer sind wünschenswert, häufig aber nicht realisierbar.
Für den Vergleich der aus den lokalen Messungen gewonnenen Verkehrsdaten mit Ergebnissen aus Simulationen der entsprechenden Verkehrsabläufe ist die Aggregation der
Messdaten nicht zweckmäßig. Die einzelnen Detektionen der Eigenschaften jedes Kraftfahrzeugs auf einem Fahrstreifen an einem Messquerschnitt ermöglichen eine notwendige genaue Abbildung der Verkehrsabläufe in der Simulation, wie sie mit aggregierten Größen so nicht möglich ist. Derzeit ist es äußerst schwierig, diese Einzeldaten einer
Verkehrsdetektion auf einem Autobahnabschnitt für Verkehrssimulationen zu erhalten.
3.2 Modellierung von Autobahnnetzen
47
3.2 Modellierung von Autobahnnetzen
Die Modellierung eines Autobahnnetzes basiert auf seiner Beschreibung. Viele Modellierungskomponenten lassen sich direkt aus einer Beschreibung wie in Abschnitt 3.1.1
übernehmen. Bei der Modellierung der strukturellen, geometrischen und physikalischen
Eigenschaften eines Autobahnnetzes ist darauf zu achten, dass die Modellierung für eine
gegebene Verkehrsaufgabe so einfach wie möglich und so genau wie nötig ist.
3.2.1 Modellierung der Netzstruktur
Die Struktur eines Autobahnnetzes lässt sich als eine Menge von Autobahnabschnitten
modellieren, die aus dem Autobahnnetz gedanklich herausgeschnitten sind. Geschnitten
wird ausschließlich an Fahrbahnquerschnitten, wobei auch die Rampen der Ein– und
Ausfahrten zu den Fahrbahnen zählen. Die folgenden zwei Modellierungen der Struktur
eines Autobahnnetzes unterscheiden sich darin, ob Schnitte an Fahrbahnquerschnitten
auf den Rampen zugelassen sind oder nicht.
Netzstruktur aus Autobahnabschnitten und Autobahnknotenpunkten
Wird keine Rampe in einem Autobahnnetz geschnitten, so besteht das Autobahnnetz aus
Autobahnabschnitten, die ausschließlich über den Anfang und das Ende der beiden
entgegengesetzt gerichteten Fahrbahnen erreichbar sind. Die Autobahnabschnitte, die
keine zusätzlichen Ein– oder Ausfahrten umfassen, heißen lineare Autobahnabschnitte.
Die Autobahnabschnitte, die zusätzliche Ein– oder Ausfahrten umfassen, heißen
Autobahnknotenpunkte (Abbildung 3.15). Die Struktur der Modellierung eines Autobahnnetzes aus linearen Autobahnabschnitten und Autobahnknotenpunkten entspricht einem
bipartiten Graph (Abschnitt 3.1.1).
Rampen
Fahrbahnabschnitte
linearer Autobahnabschnitt
ohne Ein– und Ausfahrten
Schnitt
Autobahnknotenpunkt
Abbildung 3.15: Zwei Abschnitte aus einem Autobahnnetz, die keine Rampe der
Ein– und Ausfahrten schneiden
Netzstruktur aus Autobahnabschnitten
Wird jede Rampe in einem Autobahnnetz geschnitten, so besteht das Autobahnnetz aus
Autobahnabschnitten, die sowohl über den Anfang und das Ende der beiden entgegengesetzt gerichteten Fahrbahnen als auch über gegebenenfalls vorhandene Ein– und
48
3 Modellierung von Autobahnverkehr
Ausfahrten erreichbar sind. Die Autobahnabschnitte sind über die Rampen miteinander
gekoppelt. Spezielle Abschnitte für Autobahnknotenpunkte existieren in dieser Modellierung nicht (Abbildung 3.16). Die Struktur der Modellierung eines Autobahnnetzes aus
Autobahnabschnitten entspricht einem schlichten Graph (Abschnitt 3.1.1).
Autobahnabschnitte
2
1
Fahrbahnabschnitte
Rampen
Schnitt
Abbildung 3.16: Zwei Abschnitte aus einem Autobahnnetz, die jede Rampe einer
Ein– oder Ausfahrt schneiden
Im folgenden wird die Netzstruktur betrachtet, die ausschließlich aus Autobahnabschnitten besteht, so dass für die Modellierung der geometrischen und physikalischen
Eigenschaften eines Autobahnnetzes lediglich Autobahnabschnitte mit zusätzlichen Ein–
und Ausfahrten abzubilden sind. Jeder Autobahnabschnitt lässt sich als Kombination
zweier entgegengesetzt gerichteter Fahrbahnen modellieren.
3.2.2 Modellierung eines Fahrbahnabschnitts
Ein Fahrbahnabschnitt hat in Fahrtrichtung unterschiedliche Ausprägungen, zu denen
Fahrstreifenadditionen und –subtraktionen sowie Fahrbahnzusammenführungen und
–verzweigungen zählen. Ein– und Ausfahrten lassen sich gemäß Abschnitt 3.1.1 als
Kombination hieraus modellieren. Diese unterschiedlichen Ausprägungen werden durch
eine Zellzerlegung eines Fahrbahnabschnitts in Fahrtrichtung modelliert. Die Zellen des
resultierenden Zellkomplexes werden Fahrbahnsegmente genannt. Die Facetten zwischen den Zellen sind Fahrbahnquerschnitte. Die Nachbarschaftsstruktur von Segmenten und Querschnitten wird mit einem bipartiten Graph modelliert (Abbildung 3.17).
A
C
a
x
B
A
B
b
E
F
e
d
c
G
H
g
f
I
h
J
K
j
i
b
L
k
C
a
D
D
c
E
d
F
e
G
f
H
g
I
h
J
i
K
j
k
L
Abbildung 3.17: Zellzerlegung eines Fahrbahnabschnitts in Segmente (a bis k) und
Querschnitte (A bis L) mit ihrer Nachbarschaftsstruktur als bipartiter Graph
3.2 Modellierung von Autobahnnetzen
49
Ein Fahrbahnsegment besteht quer zur Fahrtrichtung aus mehreren nebeneinander
verlaufenden Fahrstreifen. Die Fahrstreifen sind, ausgehend von 0 für den Hauptfahrstreifen, aufsteigend numeriert (Abbildung 3.18). In Fahrtrichtung bleibt die Anzahl der
Fahrstreifen innerhalb des Segments konstant. Erfolgt im Segment eine Fahrstreifenaddition oder –subtraktion, so werden die hinzukommenden oder verschwindenden
Fahrstreifen als durchgängige Fahrstreifen im Segment modelliert. Ein Fahrbahnsegment
ermöglicht die Modellierung flächenhafter Fahrbahneigenschaften und Zustandsgrößen
im Segment. So lassen sich neben der Segmentlänge auch die Oberflächenbeschaffenheit, die Steigung, die Kurvigkeit und weitere physikalische Eigenschaften der Fahrbahn
im Segment abbilden. Flächenhafte Verkehrsbeeinflussungen sind in einem Fahrbahnsegment ebenso modellierbar wie momentane Verkehrsmessungen.
Ein Fahrbahnquerschnitt besteht quer zur Fahrtrichtung aus mehreren nebeneinander
verlaufenden Fahrstreifen. Die Fahrstreifen sind, ausgehend von 0 für den Hauptfahrstreifen, aufsteigend numeriert (Abbildung 3.18). Sie stehen mit den entsprechenden
Fahrstreifen der benachbarten Segmente in Beziehung. Ein Fahrbahnquerschnitt
ermöglicht die Modellierung von Schnitteigenschaften und –zustandsgrößen am Querschnitt. So lässt sich beispielsweise die Höhe der Fahrbahn an einem Querschnitt
abbilden. Querschnittsbezogene Verkehrsbeeinflussungen sind an einem Fahrbahnquerschnitt ebenso modellierbar wie lokale Verkehrsmessungen.
A
C
a
c
x
B
a
A
B
1
0
1
0
0
0
D
F
E
G
f
e
d
H
I
g
J
h
i
b
2
1
0
L
k
c
C
K
j
2
1
0
d
D
2
1
0
2
1
0
e
E
1
0
1
0
G
f
F
1
0
2
1
0
g
2
1
0
2
1
0
b
H
h
2
1
0
3
2
1
0
I
J
i
3
2
1
0
3
2
1
0
K
j
3
2
1
0
2
1
0
2
1
0
0
0
k
L
Abbildung 3.18: Segmente (a bis k) und Querschnitte (A bis L) eines Fahrbahnabschnitts mit Beziehungen der Fahrstreifen
3.3 Modellierung von Verkehrsabläufen
In einer Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes
ändern sich im Laufe der betrachten Zeit die Zustände der Verkehrsabläufe. Ein Zustand
zu einem Zeitpunkt wird durch die ihn charakterisierenden Zustandsgrößen modelliert.
Die Zustandsgrößen können mikroskopisch oder makroskopisch sein.
50
3 Modellierung von Autobahnverkehr
Mikroskopische Zustandsgrößen sind Größen jedes einzelnen Kraftfahrzeugs, wie zum
Beispiel die Kraftfahrzeugposition zu einem Zeitpunkt. Die zeitliche Änderung der Zustandsgrößen ergibt sich aus der Modellierung des Einzelverhaltens jedes Kraftfahrzeugs. Eine solche Modellierung ist eine mikroskopische Verkehrsmodellierung. Sie ermöglicht eine sehr detaillierte Darstellung des Verkehrsablaufs, mit der sich vor allem
lokale Verkehrsauswirkungen einer Verkehrsbeeinflussung untersuchen lassen.
Makroskopische Zustandsgrößen sind Größen der Gesamtheit aller Kraftfahrzeuge im
Fahrbahnabschnitt, wie zum Beispiel die Verkehrsdichte zu einem Zeitpunkt. Die zeitliche
Änderung dieser Zustandsgrößen ergibt sich aus der Modellierung des Gesamtverhaltens. Eine solche Modellierung ist eine makroskopische Verkehrsmodellierung. Sie ermöglicht eine für viele Verkehrsaufgaben hinreichend genaue Darstellung des Verkehrsablaufs, mit der sich vor allem globale Verkehrsauswirkungen einer Verkehrsmaßnahme
untersuchen lassen.
Da für eine Verkehrsplanung, –untersuchung oder –steuerung sowohl lokale als auch
globale Auswirkungen von Verkehrsmaßnahmen zu berücksichtigen sind, erscheint ein
Übergang zwischen mikroskopischen und makroskopischen Verkehrsmodellen zweckmäßig. Ein solcher Übergang sollte konsistent sein. Bestehende Verkehrsmodellierungen
gewährleisten diese Konsistenz trotz der gegenseitigen Beeinflussung mikroskopischer
und makroskopischer Modellansätze bei ihrer Weiterentwicklung nicht zwangsläufig. Dies
ist im wesentlichen auf die Problematik einer fehlenden, allgemein eindeutigen Definition
der Verkehrsdichte oder –stärke zurückzuführen. Makroskopische Modellierungen gehen
grundsätzlich von einer anderen Dichtedefinition als eine mikroskopische Modellierung
aus. Modellierungen, die konsistente Übergänge zwischen mikroskopischen und
makroskopischen Ansätzen ermöglichen, sind mesoskopische Verkehrsmodellierungen.
3.3.1 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Eine mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz stellt die
natürliche Vorgehensweise für eine Verkehrsmodellierung dar. Das Grundprinzip der zugehörigen Modellvorstellung ist die Modellierung der Verhaltensweisen von jedem einzelnen Kraftfahrzeug in einem Fahrbahnabschnitt. Jedes dieser Kraftfahrzeuge ist über einen Bezeichner identifizierbar.
x
x a(t)
a
v a(t)
Abbildung 3.19: Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem
Fahrbahnabschnitt
3.3 Modellierung von Verkehrsabläufen
51
Die Modellierung eines Kraftfahrzeugs in einem Fahrbahnabschnitt lässt sich entsprechend einer Beschreibung wie in Abschnitt 3.1.2 realisieren. Sie umfasst die Modellierung
der Geometrie, der Kinematik und der Antriebseigenschaften des Kraftfahrzeugs sowie
der Beeinflussung seiner Bewegung.
Die Modellierung der Geometrie eines Kraftfahrzeugs a in einem Fahrbahnabschnitt lässt
sich in der Regel auf die Länge l a von a beschränken. Der Referenzpunkt des Kraftfahrzeugs a liegt vorne. Ein eigenes Koordinatensystem für a wird nicht benötigt.
Die Modellierung der Kinematik eines Kraftfahrzeugs a erfordert die Modellierung seiner
Position und seiner Geschwindigkeit. Die Position des Kraftfahrzeugs a ist die Position
seines Referenzpunkts im Koordinatensystem des Fahrbahnabschnitts zu einem Zeitpunkt t. In Fahrtrichtung entspricht sie der Koordinate x a (t) des Fahrbahnabschnitts, an
der sich a zur Zeit t befindet. Quer zur Fahrtrichtung entspricht sie der Numerierung y a (t)
des Fahrstreifens, auf dem sich a zum Zeitpunkt t befindet. Die Geschwindigkeit v a (t) von
a wirkt in der Modellierung ausschließlich in Fahrtrichtung.
Die Modellierung der Antriebseigenschaften eines Kraftfahrzeugs a sollte in jedem Fall die
Modellierung seines Ziels und seiner Wunschgeschwindigkeit v 0a umfassen. Die Angabe
eines Ziels im Autobahnnetz beeinflusst das Verhalten des Kraftfahrzeugs a im Fahrbahnbereich der Ausfahrten, da a hier gegebenenfalls den Fahrbahnabschnitt verlassen muß,
um sein Ziel zu erreichen. Die Wunschgeschwindigkeit v 0a des Kraftfahrzeugs a ist durch
die maximale Beschleunigung a max und die maximale Bremskraft a min begrenzt.
Die Modellierung der Beeinflussung der Bewegung eines Kraftfahrzeugs a in einem Fahrbahnabschnitt erfolgt über seine Beschleunigung a a (t). Sie ergibt sich aufgrund der
Wahrnehmung und Reaktion des Fahrers, die in einer mehrparametrigen Funktion a a gemäß Gleichung (2.7) modelliert werden kann. Die Anzahl der Parameter von a a (t) und
deren Verknüpfungen kann in verschiedenen Modellierungen unterschiedlich ausfallen.
In Kapitel 4 wird exemplarisch eine regelbasierte mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen erläutert.
3.3.2 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Eine makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz wird
nicht durch die Abbildung der Verhaltensweisen jedes einzelnen Kraftfahrzeugs realisiert,
sondern durch die Abbildung der Verhaltensweisen der makroskopischen Kenngrößen in
den Verkehrsabläufen. Die Modellierung basiert auf der Annahme, dass alle Kraftfahrzeuge eines Verkehrsablaufs gedanklich “verflüssigt” oder “verdampft” werden, so dass sie
als eine Flüssigkeit oder ein Gas modellierbar sind. Somit entspricht ein Verkehrsablauf
in einer makroskopischen Modellierung einem Kontinuum, in dem die einzelnen Kraftfahrzeuge nicht identifizierbar sind.
52
3 Modellierung von Autobahnverkehr
x
Fahrzeuge “verflüssigen” oder “verdampfen”
q (x R1 , t)
v (x R1 , t)
(x, t)
x
x R1
q (x R2 , t)
v (x R2 , t)
q (x ein, t)
v (x ein, t)
q (x aus, t)
v (x aus, t)
x R2
Abbildung 3.20: Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem
Fahrbahnabschnitt
Die wesentlichen makroskopischen Kenngrößen eines Verkehrsablaufs in einem Fahrbahnabschnitt sind die Verkehrsdichte, die Verkehrsstärke und die mittlere Geschwindigkeit. Für ein Kontinuum in einem eindimensionalen Raum lassen sich die folgenden vergleichbaren Größen definieren.
Definition: Gegeben sei eine Masse m, die sich zu einem Zeitpunkt t am Ort x auf einer
Strecke eines eindimensionalen Kontinuums befindet. Die Länge x der Strecke strebt
gegen null. Das Verhältnis der Masse m zur Länge x heißt Dichte und wird mit (x, t)
bezeichnet:
(x, t) : lim m
x0 x
Masse
m
0
(3.9)
Die Masse m ist somit als Integral der Dichte über der Länge x definiert:
m :
(x, t) dx
(3.10)
x
Definition: Gegeben sei der Ort x in einem eindimensionalen Kontinuum, an dem sich zu
einem Zeitpunkt t eine Masse m befindet. Die zeitliche Änderung des Orts x heißt
Geschwindigkeit und wird mit v (x, t) bezeichnet.
v (x, t) :
dx (t)
dt
ms
v0
(3.11)
Definition: An jedem Ort x in einem eindimensionalen Kontinuum gilt zu einem Zeitpunkt
t die sogenannte Flussrelation. Sie definiert das Produkt der Dichte (x, t) und der
Geschwindigkeit v (x, t) als einen Massenfluss, der mit q (x, t) bezeichnet wird:
q (x, t) : (x, t) v (x, t)
Masse
s
(3.12)
3.3 Modellierung von Verkehrsabläufen
53
In einer makroskopischen Verkehrsmodellierung wird die Masse als Anzahl von Kraftfahrzeugen, die Dichte als räumlich–zeitliche Verkehrsdichte di r z, der Massenfluss q als
räumlich–zeitliche Verkehrsstärke st r z und die Geschwindigkeit v als mittlere räumlich–
zeitliche Geschwindigkeit ge r z aufgefasst. Da Messungen für ein räumliches und zeitliches Kontrollgebiet meist nicht vorliegen, wird die Dichte oft als räumliche Verkehrsdichte di r, der Massenfluss q als zeitliche Verkehrsstärke st z und die Geschwindigkeit v als
mittlere räumliche Geschwindigkeit ge r oder als mittlere zeitliche Geschwindigkeit ge z
aufgefasst. Dabei ist zu beachten, dass eine Gleichsetzung der kontinuierlichen Größen
und der aus Zählungen ermittelten Verkehrsgrößen aufgrund ihrer unterschiedlichen Definitionen nicht möglich ist. Während in einem Kontinuum an jedem Ort x zu jedem Zeitpunkt t eine makroskopische Größe definiert ist, sind die Verkehrskenngrößen nur gültig
für günstig gewählte Orts– und Zeitintervalle.
Die Bewegung eines Verkehrsablaufs erfolgt mit Hilfe von Bestimmungsgleichungen für
Flüssigkeiten oder Gase. Sie besitzen in der Regel die Form nichtlinearer partieller Differentialgleichungen und werden in Kapitel 5 exemplarisch anhand einer anschaulichen
makroskopischen Modellierung erläutert.
3.3.3 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Eine mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz stellt
eine Verbindung zwischen mikroskopischen und makroskopischen Modellierungen dar.
Es existieren verschiedene Ansätze für eine mesoskopische Verkehrsmodellierung. Sie
lassen sich in Ansätze, die einem Übergang von mikroskopischen zu makroskopischen
Verkehrsmodellierungen entsprechen, und Ansätze, die einer Kopplung von mikroskopischen und makroskopischen Verkehrsmodellierungen entsprechen, unterscheiden.
Übergang von mikroskopischen zu makroskopischen Verkehrsmodellierungen
Ein Übergang von mikroskopischen zu makroskopischen Verkehrsmodellierungen ergibt
sich durch die Entwicklung einer makroskopischen Modellierung von Verkehrsabläufen
aus einer mikroskopischen Modellierung der Verkehrsabläufe.
Eine sehr aufwendige Variante dieses Modellierungsansatzes ist die Modellierung der
Verkehrsabläufe als stochastische Prozesse. So wie in einem Gas die Wechselwirkungen
zwischen den Gasmolekülen als zufälliges Verhalten beschrieben wird, werden die
Wechselwirkungen der Kraftfahrzeuge in einem Verkehrsablauf stochastisch beschrieben und in makroskopische Zustandsgrößen überführt. Dabei werden das anisotrope
Verkehrsverhalten und der endliche Platzbedarf der Kraftfahrzeuge berücksichtigt.
Eine weitere Variante dieses Modellierungsansatzes ist die Berücksichtigung mikroskopischer Zustandsgrößen in einer makroskopischen Modellierung. Dabei sind sowohl
mikroskopische aus makroskopischen als auch makroskopische aus mikroskopischen
Zustandsgrößen zu gewinnen. Eine solche Variante wird in Kapitel 6 erläutert.
54
3 Modellierung von Autobahnverkehr
Kopplung von mikroskopischen und makroskopischen Verkehrsmodellierungen
Die Kopplung von mikroskopischen und makroskopischen Verkehrsmodellierungen kann
räumlich zwischen Fahrbahnabschnitten erfolgen, auf denen die Verkehrsabläufe entweder mikroskopisch oder aber makroskopisch modelliert sind. Es existieren Modellierungen, die in weiträumigen Verkehrsbereichen der linearen Autobahnabschnitte eine
makroskopische Verkehrsmodellierung und in Übergangsbereichen der Autobahnknotenpunkte eine mikroskopische Verkehrsmodellierung verwenden. Zwischen den unterschiedlich modellierten Verkehrsgebieten sind geeignete Schnittstellen erforderlich, die
einen konsistenten Übergang zwischen den verschiedenen Modellansätzen zu gewährleisten haben.
mikroskopisch
makroskopisch
mikroskopisch
x
Abbildung 3.21: Prinzip der Kopplung von mikroskopischen und makroskopischen
Modellierungen von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt
Die Kopplung kann auch abhängig von vorgegebenen Verkehrsbedingungen zwischen
mikroskopischen und makroskopischen Verkehrsmodellierungen wechseln. Es existieren
Modellierungen, die in einem Zeitschritt für die Beschleunigung der Kraftfahrzeuge entweder eine mikroskopische oder eine makroskopische Modellierung unter Verwendung
von Zwangsbedingungen wählen [47]. Der kontinuierliche Verlauf der makroskopischen
Größen ergibt sich aus der Betrachtung eines Kraftfahrzeugs als eine stochastische
Normalverteilung.
mikroskopisch
(x, t)
makroskopisch
Abbildung 3.22: Prinzip der Kopplung von mikroskopischen und makroskopischen
Modellierungen von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt
3.4 Modellierung von Verkehrsbeeinflussungen
55
3.4 Modellierung von Verkehrsbeeinflussungen
Die Modellierung von Beeinflussungsmaßnahmen für Verkehrsabläufe in einem Autobahnnetz lässt sich in die Modellierung von Autobahnnetzen, wie sie im Abschnitt 3.2
aufgezeigt wird, integrieren. Der Einfluss der integrierten Beeinflussungsmaßnahmen auf
die mikroskopisch oder makroskopisch modellierten Verkehrsabläufe ist zu berücksichtigen. Er sollte nicht zu einer Verringerung der Sicherheit oder der Leistungsfähigkeit in den
Verkehrsabläufen führen.
Stationäre Beeinflussungsmaßnahmen
Statische oder dynamische stationäre Beeinflussungsmaßnahmen lassen sich durch
Änderung der Wunschgeschwindigkeit in Fahrbahnsegmenten, durch Senden von
Informationen für die Kraftfahrer an Fahrbahnquerschnitten sowie durch Umsetzung von
Fahrstreifenadditionen oder –subtraktionen in einem Fahrbahnabschnitt modellieren.
Dynamische stationäre Maßnahmen lassen sich gegebenenfalls während der Bestimmung der Verkehrsabläufe ändern, wohin gegen stationäre Maßnahmen während der
Bestimmung der Verkehrsabläufe unverändert bleiben.
In einem Fahrbahnsegment lässt sich eine Geschwindigkeitsbeschränkung durch eine
obere Schranke der Wunschgeschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge modellieren. Auf die
gleiche Weise lassen sich Einflüsse durch Steigungen, Kurven, Nebel, Glatteis oder
Ähnlichem modellieren. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung wird durch ein Signal an
einem Fahrbahnquerschnitt eingeleitet, über ein oder mehrere Fahrbahnsegmente
beibehalten und durch ein Signal an einem Fahrbahnquerschnitt wieder aufgehoben.
Gefahrenhinweise werden ebenfalls durch ein Signal an einem Fahrbahnquerschnitt
modelliert.
Hinweissignale für Wegweisungen leiten ab dem Fahrbahnquerschnitt, an dem sie sich
befinden, eine Routensuche in den Kraftfahrzeugen zu ihren Zielen im Autobahnnetz ein.
Aufgrund dieser Routensuche ergibt sich die Einordnung der Kraftfahrzeuge auf den
Fahrstreifen vor einer Ausfahrt.
ËËËËËËË
ËËËËËËË
80
x
v 0 80 kmm
Fahrbahnquerschnitt
Fahrbahnsegment
ËËËËËËËË
ËËËËËËËË
7
v 0PKW 90 kmm
v 0LKW 60 kmm
Abbildung 3.23: Modellierung einer Geschwindigkeitsbeschränkung und einer
Steigung mit Hinweissignal
56
3 Modellierung von Autobahnverkehr
Bauliche oder dynamische Fahrstreifensubtraktionen lassen sich durch Entfernung oder
Markierung von Fahrbahnsegmenten und –querschnitten modellieren. Das Verhalten
eines Kraftfahrzeugs oder eines Verkehrsablaufs vor einem entfernten oder markierten
Fahrbahnsegment entspricht dem Verhalten beim Auftreffen auf ein stehendes Kraftfahrzeug oder ein Hindernis. Das Abbremsen und der Fahrbahnwechsel sind so ohne
zusätzlichen Modellierungsaufwand realisierbar, Überholverbote lassen sich auf gleiche
Weise modellieren.
Fahrstreifensubtraktion
Fahrbahnquerschnitt
Fahrbahnsegment
x
Abbildung 3.24: Modellierung einer baulichen oder gesteuerten Fahrstreifensubtraktion
Instationäre Beeinflussungsmaßnahmen
Die Modellierung instationärer statischer Beeinflussungsmaßnahmen entspricht einer
räumlichen Veränderung der Maßnahmen während der Bestimmung der Verkehrsabläufe. In der Modellierung ist die Ortsänderung nur von Fahrbahnsegment zu
Fahrbahnsegment möglich. Eine Änderung der Segmentgrößen während der Bestimmung der Verkehrsabläufe ist nicht zu empfehlen.
Instationäre dynamische Verkehrsmaßnahmen wie Verkehrsfunk oder Navigationsgeräte
liefern Informationen an einzelne Kraftfahrzeuge oder verändern ihr Verhalten direkt. Die
Modellierung bezüglich dieser Maßnahmen entspricht einer Erweiterung der mikroskopischen Modellierung des Verhaltens von Kraftfahrzeugen. Wenn die Maßnahmen
Auswirkungen auf das Gesamverhalten eines Verkehrsablaufs haben, so ist das
Verhalten von Verkehrsabläufen in einer makroskopischen Verkehrsmodellierung zu
erweitern.
Maximierung der Sicherheit und der Leistungsfähigkeit in den Verkehrsabläufen
Die vorrangige Aufgabe einer Verkehrsbeeinflussung ist die Maximierung der Sicherheit
und die Leistungsfähigkeit der beeinflussten Verkehrsabläufe. Die Sicherheit erhöht sich,
je weniger Kraftfahrzeuge sich in einem Verkehrsablauf behindern. Die Leistungsfähigkeit
erhöht sich, wenn möglichst viel Kraftfahrzeuge möglichst schnell einen Fahrbahnabschnitt durchfahren. Um diese konkurrierenden Bedingungen zu erfüllen, ist es
zweckmäßig, geeignete Forderungen an die Modellierung von Beeinflussungsmaßnahmen für die Verkehrsabläufe in einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn zu stellen.
3.4 Modellierung von Verkehrsbeeinflussungen
57
Die Sicherheit der Verkehrsabläufe auf einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn ist vor
allem bei Störungen in einem dichten Verkehrsaufkommen gefährdet. Die Störungen
führen beispielsweise zu Auffahrunfällen. Können die Störungen unterbunden werden, so
sind Auffahrunfälle vermeidbar. Um dies zu erreichen, gibt es unterschiedliche Ansätze
zur Verhinderung solcher Störungen in einem Fahrbahnabschnitt. Ein Ansatz besteht in
der Forderung, große Geschwindigkeitsabfälle in einem dichten Verkehrsaufkommen zu
minimieren. Diese Forderung kann nach Kühne [56] durch die Minimierung des Integrals
der räumlichen Geschwindigkeit ge r und ihrer räumlichen Änderung ge r x für einen
Fahrbahnabschnitt der Länge L modelliert werden:
ge
L
r
ge r
ge r
x
x
dx Min
mit
(X) X0
01 für
für X 0
(3.13)
0
Die Heaviside–Funktion , die von der negativen räumlichen Änderung ge r x abhängt, stellt sicher, dass nur positive Geschwindigkeitsabfälle infolge Bremsen in Fahrtrichtung berücksichtigt werden. Mit der Forderung (3.13) lassen sich Verkehrsmaßnahmen für glatte Verkehrsabläufe ohne gravierende Störungen gewährleisten.
Die Erhöhung der Leistungsfähigkeit auf einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn bedeutet vor allem die Maximierung der Fahrbahnkapazität. Diese Kapazitätsmaximierung
kann nach Kühne [56] durch die Maximierung des Integrals der räumlich–zeitlichen Verkehrsstärke st r z und der räumlich–zeitlichen Geschwindigkeit ge r z für einen Fahrbahnabschnitt der Länge L modelliert werden:
L
st
r z ge r z dx
Max
(3.14)
0
Die Forderung (3.14) maximiert nicht nur die Fahrbahnkapazität des Fahrbahnabschnitts,
sondern auch die Reisegeschwindigkeiten der einzelnen Kraftfahrzeuge.
3.5 Modellierung von Verkehrsmessungen
Die Modellierung von Messungen der Verkehrsabläufe in einem Autobahnnetz lässt sich
in die Modellierung von Autobahnnetzen, wie sie in Abschnitt 3.2 aufgezeigt wird,
integrieren. Da Messungen von Autobahnverkehr entsprechend Abschnitt 3.1.5 derzeit
nur außerhalb der Kraftfahrzeuge auf den entsprechenden Fahrbahnabschnitten
zweckmäßig erscheint, werden die zu modellierenden Verkehrsmessungen auf momentane und lokale Verkehrsmessungen beschränkt.
Momentane Messungen lassen sich als Zählungen der Kraftfahrzeuge einer mikroskopischen Modellierung oder als Bestimmung der Dichte einer makroskopischen Modellierung modellieren. Die Ergebnisse der so modellierten Messungen lassen sich direkt in die
58
3 Modellierung von Autobahnverkehr
Modellierung von Verkehrsbeeinflussungen als Ausgang für verkehrsabhängige Beeinflussungsmaßnahmen einbinden. Des Weiteren erlauben sie einen Eins–zu–Eins–Vergleich mit gleichartigen momentanen Messungen realer Verkehrsabläufe.
Lokale Messungen lassen sich als Zählungen der Kraftfahrzeuge einer mikroskopischen
Modellierung oder als Bestimmung des Massenflusses einer makroskopischen Modellierung realisieren. Die Ergebnisse der so modellierten lokalen Messungen lassen sich direkt
in die Modellierung von Verkehrsbeeinflussungen als Ausgang für verkehrsabhängige
Beeinflussungsmaßnahmen einbinden. Des Weiteren erlauben sie einen Eins–zu–Eins–
Vergleich mit gleichartigen lokalen Messungen realer Verkehrsabläufe.
4 Mikroskopische Modellierung von
Verkehrsabläufen
Eine mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines
Autobahnnetzes basiert auf dem Ansatz, dass ein Verkehrsablauf aus einer Menge von
einzelnen Kraftfahrzeugen besteht. Jedes Kraftfahrzeug im Verkehrsablauf ist identifizierbar. Die Kenngrößen des Verkehrsablaufs sind nach einer mikroskopischen Verkehrssimulation durch Mittelung oder andere statistische Auswertungen zu bestimmen.
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher mikroskopischer Modellierungen. Sie gehen auf die
sogenannten Fahrzeug–Folge–Modelle zurück. Das erste dieser Modelle wurde 1950
von Reuschel [77] aus Beobachtungen von Kolonnenverkehr entwickelt. Es wurde in den
folgenden Jahren unter anderem von Chandler, Herman, Montroll, Gazis, Potts und
Rothery [18, 31, 32, 36] weiterentwickelt. In diesen Modellierungen ergibt sich die
Beschleunigung eines Kraftfahrzeugs aus der Anpassung seiner Geschwindigkeit an die
Geschwindigkeit des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs unter Berücksichtigung des
gegenseitigen Abstands. Diese Modellierungen sind allerdings nicht in der Lage, das
Verhalten von Kraftfahrzeugen ohne vorausfahrende Kraftfahrzeuge abzubilden.
In den neunziger Jahren wurden die Fahrzeug–Folge–Modelle dahingehend erweitert,
dass das Verhalten eines Kraftfahrzeugs auch von seinem eigenen Antrieb abhängt.
Alvarez [2] modellierte diese Abhängigkeit als Anpassung der Geschwindigkeit an eine
Wunschgeschwindigkeit. Bando [4] entwickelte eine Modellierung, die ausschließlich die
Anpassung an eine Geschwindigkeit berücksichtigt, die vom Abstand zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug abhängt. Insbesondere Helbing [38] erweiterte die Modellierung von
Bando um einen Bremsterm zur Vermeidung von Auffahrunfällen. Mit den erweiterten
Fahrzeug–Folge–Modellen sind Verkehrsabläufe im freien und dichten Verkehr abbildbar.
Todosiev [88] sowie Michaels und Cozan [61] untersuchten Anfang der sechziger Jahre
das Wahrnehmungsvermögen eines Fahrers. Auf dieser Basis entwickelte Wiedemann
[91] ein Interaktionsmodell, das algorithmisch die Wechselwirkungen von Kraftfahrzeugen abbildet. Mit Weiterentwicklungen dieses Modellansatzes ist es möglich, komplexe
Verkehrsphänomene detailliert zu simulieren [27]. Der hohe Detaillierungsgrad hat jedoch
zur Folge, dass nur eine relativ geringe Kraftfahrzeuganzahl simuliert werden kann.
60
4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
In diesem Kapitel wird die mikroskopische Modellierung von Autobahnverkehr anhand
eines erweiterten Fahrzeug–Folge–Modells dargestellt. Das Modell zeichnet sich durch
einen ingenieurmäßig regelbasierten Ansatz aus. Im Gegensatz zu bisher entwickelten
mikroskopischen Modellierungen setzt es sich aus einfachen Regeln zusammen, die
anschaulich aus dem Fahrverhalten eines Kraftfahrzeugführers nachvollzogen werden
können. Durch einfache Änderung oder Erweiterung der Regeln kann das Modell jederzeit
modifiziert werden. Im ersten Abschnitt des Kapitels werden die Bestimmungsgleichungen des regelbasierten Modells für die Bewegung jedes Kraftfahrzeugs in den Verkehrsabläufen dargestellt. Im zweiten Abschnitt wird die in der Modellierung notwendige
Geschwindigkeits–Abstands–Relation näher erläutert. Im dritten Abschnitt werden die
Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen beschrieben. Im vierten Abschnitt wird auf
die modellierbaren Verkehrszustände eingegangen.
4.1 Bestimmungsgleichungen
In einer mikroskopischen Verkehrsmodellierung ist die Bewegung eines Kraftfahrzeugs
a eine spezielle Ausprägung der allgemeinen Bewegungsgleichungen (2.3) und (2.4). In
Fahrtrichtung ergibt sich die zeitliche Änderung der Position x a (t) des Kraftfahrzeugs a
als seine Geschwindigkeit v a (t) und die zeitliche Änderung seiner Geschwindigkeit v a (t)
als seine Beschleunigung a a (t):
dx a (t)
v a (t)
dt
(4.1)
dv a (t)
a a (t)
dt
(4.2)
Die zeitliche Änderung der Position y a (t) von a quer zur Fahrtrichtung entspricht einem
Fahrstreifenwechsel y a (t). Die Position y a (t) wird diskret durch die Bezeichnungen der
Fahrstreifen beschrieben. Daher ist die Modellierung eines Fahrstreifenwechsels als
Differentialgleichung nicht möglich. Die Modellierung entspricht hier einem möglichen
“Sprung” auf den linken oder den rechten Fahrstreifen innerhalb eines Zeitschritts dt:
y a (t dt) y a (t) y a (t)
mit y a (t) { 1, 0, 1}
(4.3)
Die Bestimmungsgleichungen werden im folgenden Abschnitt 4.1.1 für einen Fahrstreifen
konkretisiert und im darauffolgenden Abschnitt 4.1.2 für mehrere Fahrstreifen erweitert.
4.1.1 Bestimmungsgleichungen für einen Fahrstreifen
Der Einfluss auf die Beschleunigung a a (t) eines Kraftfahrzeugs a auf einem Fahrstreifen
entsteht aus dem eigenen Antrieb und einem eventuell vorausfahrenden Kraftfahrzeug
b (Abbildung 4.1). Der Einfluss eines weiter vorausfahrenden oder eines folgenden
Kraftfahrzeugs sowie der Umgebung kann vernachlässigt werden.
4.1 Bestimmungsgleichungen
61
a
b
va
x
x
la
vb
lb
Abbildung 4.1: Kraftfahrzeuge auf einem Fahrstreifen zu einem Zeitpunkt t
Ein Kraftfahrzeug a befindet sich zu einem Zeitpunkt t am Ort x a (t). Ein eventuell
vorausfahrendes Kraftfahrzeug b befindet sich zum Zeitpunkt t am Ort x b (t). Der Abstand
x a (t) der beiden Kraftfahrzeuge entspricht der Differenz von x a (t) und x b (t):
x a (t) : x b (t) x a (t)
(4.4)
Die Differenz v a (t) der Geschwindigkeiten v a (t) und v b (t) wird analog definiert:
v a (t) : v b (t) v a (t)
(4.5)
Die Beschleunigung a a (t) eines Kraftfahrzeugs a wird von seinem Fahrer mit “Gas” und
“Bremse” geregelt. Diese Regelung hängt von den Eigenschaften des Fahrers und den
Eigenschaften des Kraftfahrzeugs ab. Sie ist außerordentlich komplex und daher schwer
formulierbar. In der hier dargestellten Modellierung wird vereinfachend davon ausgegangen, dass die Beschleunigung a a (t) mit drei Regeln abgebildet werden kann.
Regel 1: Wunschgeschwindigkeit
Der Fahrer des Kraftfahrzeugs a versucht, die Geschwindigkeit v a (t) seines Kraftfahrzeugs an seine Wunschgeschwindigkeit v 0a anzupassen. Die Anpassung erfolgt mit einer
Anpassungszeit 0a:
a 0a (t) v 0a v a (t)
0a
(4.6)
Regel 2: Sicherheitsabstand
Der Fahrer des Kraftfahrzeugs a versucht, die Geschwindigkeit v a (t) seines Kraftfahrzeugs so anzupassen, dass ein ausreichender Sicherheitsabstand zu einem vorausfahrenden Kraftfahrzeug b erreicht wird. Für diese Regel wird eine Geschwindigkeit V sa
eingeführt, die vom Abstand x a (t) der beiden Kraftfahrzeuge abhängt. Die Abhängigkeit
der Geschwindigkeit V sa vom Abstand x a (t) wird durch eine sogenannte Geschwindigkeits–Abstands–Relation V sa (x a ) funktional modelliert. Ansätze hierfür werden in
Abschnitt 4.2 erläutert. Die Anpassung der Geschwindigkeit v a (t) an die abstandsabhängige Geschwindigkeit V sa erfolgt mit einer Anpassungszeit sa:
a
s (t)
a
V sa (x a (t) ) v a (t)
sa
(4.7)
62
4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Regel 3: Bremsen
Der Fahrer des Kraftfahrzeugs a versucht, die Geschwindigkeit v a (t) seines Kraftfahrzeugs an die Geschwindigkeit v b (t) eines langsamer vorausfahrenden Kraftfahrzeugs b
mit der Länge l b so anzupassen, dass durch Bremsen ein Auffahrunfall vermieden wird.
Die erforderliche Bremsverzögerung ist nach den kinetischen Gesetzen direkt proportional zum Quadrat der Geschwindigkeitsdifferenz v a (t) und indirekt proportional zum
Abstand x a (t) der Kraftfahrzeuge a und b:
aB
a (t) v a (t) 2
x a (t) l b
(4.8)
Zusammenführung der Regeln
Für die Wunschgeschwindigkeit, den Sicherheitsabstand und das Bremsen werden die
Regeln zur Modellierung der Beschleunigung a a (t) eines Kraftfahrzeugs a zusammengeführt. Dabei erfolgt die Anpassung an die Wunschgeschwindigkeit v 0a nach Regel 1 nur
dann, wenn die Wunschgeschwindigkeit v 0a nicht größer als die abstandsabhängige
Geschwindigkeit V sa ist. Die Anpassung an die abstandsabhängige Geschwindigkeit V sa
nach Regel 2 erfolgt nur dann, wenn die Wunschgeschwindigkeit v 0a größer als die
abstandsabhängige Geschwindigkeit V sa ist. Das Bremsen nach Regel 3 erfolgt nur dann,
wenn die Geschwindigkeit v a (t) des Kraftfahrzeugs größer als die Geschwindigkeit v b (t)
des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs und größer als die abstandsabhängige Geschwindigkeit V sa ist. Die Bedingungen für die Anwendung der Regeln werden mathematisch mit
Heaviside–Funktionen ( X ) formuliert:
v 0a v a (t)
1 v 0a V sa (x a )
0a
V s (x a ) v a (t)
a
v 0a V sa (x a ) sa
a a (t) v a (t) 2
x a (t) l b
(4.9)
( v a (t)) v a (t) V sa (x a )
Eine Heaviside–Funktion ( X ) lässt sich als Sprungfunktion formulieren:
(X)
X0
01 für
für X 0
(4.10)
In der Heaviside–Funktion (4.10) trifft eine Bedingung X entweder zu oder nicht. Diese
scharf abgegrenzte Form der Modellierung der Beschleunigung a a (t) führt in Gleichung
(4.9) zu unstetigen Änderungen der Beschleunigung. Für eine Vermeidung dieses
Modellcharakters lässt sich die Heaviside–Funktion auch kontinuierlich formulieren:
( X ) 1 1 tanh X
2
X
mit X 1
(4.11)
4.1 Bestimmungsgleichungen
63
Gleichung (4.11) führt zu einer weicheren Form der Modellierung der Kraftfahrzeugbeschleunigung. Der Übergang von Gleichung (4.10) zu Gleichung (4.11) lässt sich als
“Fuzzyfizierung” auffassen und ist alternativ mit der Fuzzy–Logik formulierbar [8].
In der Regel wird davon ausgegangen, dass die Anpassungszeiten 0a und sa gleich sind.
In diesem Fall ergibt sich aus (4.9) folgende Beschleunigung:
a a (t) V sa (x a ) v a (t)
0a
v a (t) 2
( v a (t)) v a (t) V sa (x a )
x a (t) l b
(4.12)
Die Beschleunigung nach (4.12) setzt sich aus zwei Anteilen zusammen. Der erste Anteil
heißt Anpassungsterm. Der zweite Anteil heißt Bremsterm. Der Bremsterm stellt sicher,
dass das betrachtete Kraftfahrzeug a stets einen Abstand zum vorausfahrenden
Kraftfahrzeug b einhält, der nicht kleiner als die Länge l b ist. Dies gilt auch für den Fall
einer Vollbremsung beim Auffahren auf ein stehendes Kraftfahrzeug. Der Anpassungsterm stellt sicher, dass die Geschwindigkeit nicht negativ wird.
Einfluss der Regeln auf die Beschleunigung
Die Bedingung für Regel 1 zum Beschleunigen eines Kraftfahrzeugs a wird mit (4.10) nur
dann erfüllt, wenn die Bedingungen für die Regeln 2 und 3 zum Einhalten des
Sicherheitsabstands und zum Bremsen nicht erfüllt sind. Nach Regel 1 beschleunigt das
Kraftfahrzeug a exponentiell auf seine Wunschgeschwindigkeit v 0a mit einer Anpassungszeit 0a (Abbildung 4.2). Bei der Modellierung wird 0a so festgelegt, dass das Kraftfahrzeug
nach 20 s bis 30 s 95 % seiner Wunschgeschwindigkeit v 0a erreicht hat. Dies führt zu
einer Anpassungszeit 0a von etwa 6 s bis 10 s.
v a (t)
v 0a
0
0a
t
Abbildung 4.2: Anpassung von v a (t) an v 0a
Die Bedingungen für die Regeln 2 und 3 sind dann erfüllt, wenn der Sicherheitsabstand
zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug b erreicht beziehungsweise unterschritten ist. Die
Anpassung der Geschwindigkeit an die Geschwindigkeits–Abstands–Relation V sa (x a )
nach Regel 2 erfolgt unter Berücksichtigung einer Anpassungszeit sa. sa ist üblicherweise nicht größer als 0a in Regel 1. Der Proportionalitätsfaktor in Regel 3 gewichtet zum
einen den Bremsterm in der Bewegungsgleichung und zum anderen das Verhältnis der
64
4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Geschwindigkeitsdifferenz v a (t) zum Abstand x a (t) im Bremsterm. Der Einfluss von
wird im Folgenden anhand der Abbildungen 4.3 und 4.4 verdeutlicht.
30 s
t
30 s
0
t
30 s
12
a
0
t
b
100 m
x
2
a
0
b
100 m
x
a
0
b
100 m
x
Abbildung 4.3: Bewegungsbahnen eines Kraftfahrzeugs a mit v a 0 110 kmh
beim Auffahren auf ein stehendes Kraftfahrzeug b für unterschiedliche Faktoren Ein Kraftfahrzeug a, das mit seiner Wunschgeschwindigkeit v 0a fährt, bleibt beim
Auftreffen auf ein stehendes Kraftfahrzeug b ohne Bremsregel ( 0) sehr abrupt im
Abstand x a l b stehen (Abbildung 4.3). Dieses unrealistische Verhalten kann mit der
Regel 3 unterbunden werden. Wird mit 12 der Abstand x a (t) doppelt gegenüber
der Geschwindigkeitsdifferenz v a (t) gewichtet, so beginnt das Kraftfahrzeug a zwar
schon früher an zu bremsen, der Stillstand bei x a l b wird aber auch in diesem Fall
sehr plötzlich erreicht. Eine doppelte Gewichtung der Geschwindigkeitsdifferenz v a (t)
mit 2 führt zu einem frühen Abbremsen. Der endgültige Abstand von
x a 32 l b wird nach ungefähr zwei Minuten erreicht.
60 s
t
60 s
t
0
a
0
60 s
12
a
b
200 m
600 m
x
t
0
60 s
200 m
0
200 m
600 m
x
t
1
a
b
2
b
a
600 m
x
0
200 m
b
600 m
x
Abbildung 4.4: Bewegungsbahnen eines Kraftfahrzeugs a mit v 0a 110 kmh
beim Auffahren auf ein langsameres Kraftfahrzeug b mit v 0b 27 kmh
4.1 Bestimmungsgleichungen
65
Ein Kraftfahrzeug a, das mit der Wunschgeschwindigkeit v 0a auf ein langsameres
Kraftfahrzeug b mit v b (t) v 0b v 0a ohne Bremsregel ( 0) auftrifft, fährt zunächst für
einige Sekunden sehr dicht auf, ehe es dann den Abstand wieder vergrößert (Abbildung
4.4). Der Abstand pendelt sich nach einiger Zeit unter Anwendung der Regel 2 beim
Sicherheitsabstand ein. Mit der Regel 3 verringert sich die Dauer des dichten Auffahrens.
Ab einem Faktor 2 stellt sich der Abstand nahezu ohne Schwankungen auf den
Sicherheitsabstand ein.
4.1.2 Bestimmungsgleichungen für mehrere Fahrstreifen
Wird die Bewegung eines Kraftfahrzeugs a auf mehreren Fahrstreifen betrachtet, so sind
zusätzlich zum Fahrverhalten auf dem Fahrstreifen y a (t) gegebenenfalls auch Fahrstreifenwechsel y a (t) zu modellieren.
al
bl
val
a
va
ar
y
var
vbl
b
vb
Fahrstreifen 2
Fahrstreifen 1
br
vbr
Fahrstreifen 0
x
Abbildung 4.5: Kraftfahrzeuge auf mehreren Fahrstreifen zu einem Zeitpunkt t
Der Fahrstreifenwechsel y a (t) eines Kraftfahrzeugs a auf einem Fahrstreifen y a (t) zu
einem Zeitpunkt t entspricht entweder einem Überholen auf den von a linken Fahrstreifen
y a (t) 1 oder einem Zurückscheren auf den von a rechten Fahrstreifen y a (t) 1. Der
Fahrstreifenwechsel erfolgt, wenn der Wunsch zum Wechseln groß genug ist und auf den
zu wechselnden Fahrstreifen genügend Platz für das Kraftfahrzeug a zur Verfügung steht.
Für mikroskopische Verkehrsmodellierungen gibt es zahlreiche unterschiedliche Ansätze
zur Modellierung eines Fahrbahnwechsels [6, 38, 91]. Hier wird ein regelbasierter Ansatz
für einen Fahrstreifenwechsel y a (t) aufgezeigt. Er besteht aus einer Regel A für das
Überholen und einer Regel B für das Zurückscheren.
Regel A: Überholen
Ein Kraftfahrzeug a vollzieht zu einem Zeitpunkt t einen Fahrstreifenwechsel y a (t) vom
Fahrstreifen y a (t) zu dem von ihm links liegenden Fahrstreifen y a (t) 1, wenn die
folgenden drei Bedingungen erfüllt sind:
1. Die Wunschgeschwindigkeit v 0a von a wird aufgrund des Abstands zu einem vorausfahrenden Kraftfahrzeug b auf dem Fahrstreifen y a (t) nicht erreicht:
v 0a V sa x b (t) x a (t)
(4.13)
66
4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
2. Der Abstand von a zu einem vorausfahrenden Kraftfahrzeug b l auf dem linken Fahrstreifen wird mit der Geschwindigkeit v a (t) von a eingehalten:
v a (t) V sa x bl (t) x a (t)
(4.14)
3. Der Abstand von a zu einem folgenden Kraftfahrzeug a l auf dem linken Fahrstreifen
wird mit der Geschwindigkeit v al (t) von a l eingehalten:
v al (t) V sal x a (t) x al (t)
(4.15)
Regel B: Zurückscheren
Ein Kraftfahrzeug a vollzieht zu einem Zeitpunkt t einen Fahrstreifenwechsel y a (t) vom
Fahrstreifen y a (t) zu dem von ihm rechts liegenden Fahrstreifen y a (t) 1, wenn die
folgenden zwei Bedingungen erfüllt sind:
1. Der Abstand von a zu einem vorausfahrenden Kraftfahrzeug b r auf dem rechten Fahrstreifen wird mit der Geschwindigkeit v a (t) von a eingehalten:
v a (t) V sa x br (t) x a (t)
(4.16)
2. Der Abstand von a zu einem folgenden Kraftfahrzeug a r auf dem rechten Fahrstreifen
wird mit der Geschwindigkeit v ar (t) von a r eingehalten:
v ar (t) V sar (x a (t) x ar (t))
(4.17)
Fahrstreifenwechsel auf einem Fahrbahnabschnitt
Zur Modellierung eines Fahrstreifenwechsels y a (t) eines Kraftfahrzeugs a werden die
Regeln A und B zusammengeführt. Eine mögliche Modellierung dieser Zusammenführung ist folgende Kombination von Heaviside–Funktionen, angewendet auf die Bedingungen der Regeln.
y a (t) y a (t) 1 y a (t) y a (t)
(4.18)
0
s
y a (t) v a V a x b (t) x a (t) V sa x bl (t) x a (t) v a (t) V sal x a (t) x al (t) v al (t)
s
s
y a (t) V a x br (t) x a (t) v a (t) V ar (x a (t) x ar (t)) v ar (t)
Da es sich bei den Bedingungen entweder um zustimmende oder aber ablehnende
Entscheidungen zu einem Fahrstreifenwechsel handelt, ist in der mikroskopischen
Modellierung ausschließlich die Heaviside–Funktion (4.10) in Form einer Sprungfunktion
zu verwenden. Eine weniger scharf abgegrenzte Form der Modellierung von Fahrstreifenwechseln sollte daher nicht durch kontinuierliche Heaviside–Funktionen erreicht werden,
sondern nur durch andere Kombinationen der Bedingungen.
4.1 Bestimmungsgleichungen
67
Die grundlegende Modellierung mit den Regeln A und B ist gegebenenfalls durch weitere
Regeln beziehungsweise Bedingungen zu erweitern. So ist beispielsweise der Fahrstreifenwechsel eines Kraftfahrzeugs auf einen linken oder rechten Fahrstreifen nur dann
möglich, wenn dieser Fahrstreifen nicht rechts vom Hauptfahrstreifen 0 oder links vom
äußeren Überholfahrstreifen y max liegt:
0 y a (t) y a (t) y max
(4.19)
Bei drei oder mehr Fahrstreifen auf einem Fahrbahnabschnitt kann es zu Konflikten auf
dem mittleren Fahrstreifen kommen, wenn sowohl vom linken als auch vom rechten
Fahrstreifen ein Kraftfahrzeug auf denselben Fahrstreifen wechseln will. Eine mögliche
Modellierung ist die Ergänzung der Regel A um eine weitere Bedingung, bei der der
Abstand des von rechts kommenden Kraftfahrzeugs a auf das von links kommende
Kraftfahrzeug eingehalten wird:
x a (t) x a 2l (t) v a 2l (t) V S
a 2l
(4.20)
Fahrstreifenwechsel an einer Einfahrt
Für die Modellierung einer Einfahrt beziehungsweise einer Fahrstreifensubtraktion sind
keine zusätzlichen Regeln oder Bedingungen notwendig. Durch die Einführung eines
virtuellen Kraftfahrzeugs A, das am Ende des endenden Fahrstreifens steht, ist es
möglich, die Regeln für einen Fahrstreifenwechsel in einem Fahrbahnabschnitt ohne
Änderungen zu übernehmen.
al
y
Fahrstreifen 1
bl
val
vbl
a
x
va
Fahrstreifen 0
A
vA0
Einfahrt
Abbildung 4.6: Modellierung eines Fahrstreifenwechsels an einer Einfahrt
Fahrstreifenwechsel an einer Ausfahrt
Eine Ausfahrt beziehungsweise eine Verzweigung der Fahrbahn führt ebenfalls zu
Fahrstreifenwechseln. Sie werden durch ein Wegweisungssignal eingeleitet (Abbildung
4.7). Mit dem Überqueren des Fahrbahnquerschnitts, an dem sich das Signal befindet,
wird in einem Kraftfahrzeug a eine Routensuche ausgelöst. Mit der Routensuche werden
die Fahrstreifen bestimmt, die das Kraftfahrzeug zu seinem Ziel führen. Die übrigen
Fahrstreifen werden für das Kraftfahrzeug virtuell gesperrt. Kommt das Fahrzeug in die
Nähe der virtuellen Sperrung, so wird sie aufgehoben, damit das Kraftfahrzeug nicht
stehenbleibt. Die Regeln für den Fahrbahnwechsel sind so zu modellieren, dass das
Erreichen der Fahrstreifen zum Ziel des Kraftfahrzeugs die größte Priorität hat.
68
4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Wegweisungssignal
va
y
A
Für Kfz a virtuell gesperrt ! Fahrstreifen 1
a
A
x
Fahrstreifen 0
Ausfahrt
Abbildung 4.7: Modellierung eines Fahrstreifenwechsels an einer Ausfahrt
Fahrstreifenwechsel an einer Engstelle
Eine Engstelle lässt sich wie eine Einfahrt modellieren. Mit einem stehenden virtuellen
Kraftfahrzeug A wird der Anfang der Engstelle abgebildet. Im weiteren Verlauf der
Engstelle ist die Bedingung (4.19) einzuhalten, wobei y max die Anzahl der befahrbaren
Fahrstreifen im Engstellenbereich ist.
a
y
va
bl
val
Fahrstreifen 1
A
Fahrstreifen 0
x
Abbildung 4.8: Modellierung eines Fahrstreifenwechsels an einer Engstelle
4.2 Geschwindigkeits–Abstands–Relation
Eine Geschwindigkeits–Abstands–Relation bildet die Abhängigkeit der Geschwindigkeit
V sa vom Abstand x a (t) zwischen zwei Kraftfahrzeugen a und b ab. Sie wird als eine
monoton steigende Funktion V sa (x a ) modelliert, die Werte zwischen null und der
Wunschgeschwindigkeit v 0a annehmen kann. Für einen Abstand x a (t), der kleiner als
die Länge l b des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs b ist, muss die Geschwindigkeit V sa null
sein. Ist das vorausfahrende Kraftfahrzeug b nicht vorhanden oder weit entfernt, so ist die
Geschwindigkeit V sa v 0a .
v
0
a
V sa (x a )
monoton
steigend
0
lb
x a
Abbildung 4.9: Charakteristischer Verlauf von V sa (x a )
Die Abhängigkeit der Geschwindigkeit V sa von Abstand zu einem vorausfahrenden
Kraftfahrzeug b ist für jedes Kraftfahrzeug a aufgrund der Fahrzeugeigenschaften und
4.2 Geschwindigkeits–Abstands–Relation
69
des individuellen Fahrerverhaltens unterschiedlich. Da die Werte für das Einhalten eines
Sicherheitsabstands praktisch nicht messbar sind, lässt sich die Geschwindigkeits–Abstands–Relation V sa (x a ) nur hypothetisch angeben. In der Literatur sind mehrere
Ansätze für V sa (x a ) veröffentlicht [4, 38]. Im Folgenden werden einige erläutert.
Linearer Ansatz
Der einfachste Ansatz für die Geschwindigkeits–Abstands–Relation ist eine lineare
Beziehung für den Bereich von 0 bis v 0a. Er basiert auf einer Regel, bei der der zeitliche
Sicherheitsabstand T a zwischen a und b konstant ist:
V sa (x a ) Min v 0a, Max 0,
x a (t) l b
Ta
(4.21)
In Abbildung 4.10 a ist der Ansatz (4.21) für T a 2 s dargestellt.
Ansatz nach Bando
Ein Ansatz nach Bando und seinen Mitarbeitern [4] führt zu einer Geschwindigkeits–Abstands–Relation V sa (x a ) ohne Unstetigkeiten im Funktionsverlauf. Eine Variation dieses Ansatzes verwendet den normierten Abstand (x a (t) l b ) S a :
V sa (x a ) v 0a
tanh (x a (t) l b ) S a 2 tanh 2
1 tanh 2
(4.22)
In Abbildung 4.10 b ist der Ansatz (4.22) für S a 20 m dargestellt.
Ansätze aus Geschwindigkeits–Dichte–Relationen
Die Geschwindigkeits–Abstands–Relation V sa (x a ) lässt sich auch aus einer Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () für eine makroskopische Verkehrsmodellierung entwikkeln (Abschnitt 5.2). Dabei wird angenommen, dass die Dichte dem Kehrwert des Abstands x a zweier aufeinander folgender Kraftfahrzeuge näherungsweise entspricht:
1x a
(4.23)
Wird statt der Dichte der Kehrwert des Abstands 1x a an die Geschwindigkeits–Dichte–Relation übergeben, so ergibt sich eine Geschwindigkeits–Abstands–Relation:
V sa (x a ) V (1x a )
(4.24)
Aufgrund der großen Anzahl unterschiedlich entwickelter Geschwindigkeits–Dichte–
Relationen ergeben sich zahlreiche Geschwindigkeits–Abstands–Relationen. In den Abbildungen 4.10 c bis 4.10 f sind Ansätze aus polynominalen (quadratischen), potentiellen
und exponentiellen Geschwindigkeits–Dichte–Relationen sowie aus einer Geschwindigkeits–Dichte–Relation nach Helbing / Treiber mit den in Abschnitt 5.2 gewählten Parametern dargestellt.
70
4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
a)
b)
V sa (x a )
V sa (x a )
v 0a
v 0a
x a
0 lb
c)
0 lb
x a
d)
V
s
a (x a )
V sa (x a )
v 0a
v 0a
0 lb
x a
e)
0 lb
x a
f)
V sa (x a )
V sa (x a )
v 0a
0 lb
v 0a
x a
0 lb
x a
Abbildung 4.10: Geschwindigkeits–Abstands–Relationen mit v 0a 110 kmh und
l b 6.25 m: a) linear, b) nach Bando, c) quadratisches V (1x a ), d) potentielles
V (1x a ), e) exponentielles V (1x a ) und f) V (1x a ) nach Helbing / Treiber
Vergleich unterschiedlicher Geschwindigkeits–Abstands–Relationen
Die in der Abbildung 4.10 gezeigten Geschwindigkeits–Abstands–Relationen V sa (x a )
gehen alle von der gleichen Wunschgeschwindigkeit v 0a und der gleichen Länge l b des
vorausfahrenden Kraftfahrzeugs aus. Sie erfüllen alle die Bedingung des monoton steigenden Funktionsverlaufs. Die Verläufe von V sa (x a ) unterscheiden sich in ihrer Steigung und der Form der Übergänge vom Stehen des betrachteten Kraftfahrzeugs zu seinem beeinflussten Fahren sowie von seinem beeinflussten Fahren zu seinem freien
Fahren. Die Steigung lässt sich in jedem Ansatz durch einen Parameter beliebig verändern. Die Form der Übergänge ist ein spezielles Charakteristikum jeder Geschwindigkeits–Abstands–Relation und lässt sich durch Parameter kaum verändern. Da die Geschwindigkeits–Abstands–Relation
in
den
Bestimmungsgleichungen
eines
Kraftfahrzeugs eine maßgebende Rolle spielt, ist die Wahl einer geeigneten Geschwindigkeits–Abstands–Relation von wesentlicher Bedeutung für die mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen.
4.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen
71
4.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen
Die mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz basiert
auf der Abbildung von zeitlichen Änderungen der Zustandsgrößen der Kraftfahrzeuge.
Die Modellierung benötigt daher einen Anfangszustand zu einem Zeitpunkt t t 0, ab
dem die zeitlichen Änderungen beschrieben werden können. Für die Eigenschaften und
Zustandsgrößen der Kraftfahrzeuge, die für den Anfangszustand erzeugt und im
Autobahnnetz verteilt werden, sind Anfangsbedingungen einzuhalten.
Die Ein– und Ausfahrten bilden die Ränder eines Autobahnnetzes. Über diese Ränder
fahren während der Zeit t t 0 Kraftfahrzeuge in einen Fahrbahnabschnitt des
Autobahnnetzes hinein oder aus einem Fahrbahnabschnitt des Autobahnnetzes heraus.
In der Modellierung fehlen für die einfahrenden Kraftfahrzeuge die folgenden Kraftfahrzeuge und für die ausfahrenden Kraftfahrzeuge die vorausfahrenden Kraftfahrzeuge, so
dass in den Randbereichen eine Berechnung der Bestimmungsgleichungen (4.1) bis (4.2)
nicht möglich ist. Für die Eigenschaften und Zustandsgrößen der Kraftfahrzeuge, die die
Ränder eines Autobahnnetz überqueren, sind Randbedingungen einzuhalten.
In der vorgestellten Verkehrsmodellierung ist das Autobahnnetz in mehrere Fahrbahnabschnitte unterteilt. Jeder Fahrbahnabschnitt hat an seinem Anfang und an seinem Ende
einen Rand. Die Ränder zwischen zwei aufeinander folgenden Fahrbahnabschnitten
bilden einen Übergang. Für die Eigenschaften und Zustandsgrößen der Kraftfahrzeuge,
die einen Übergäng überqueren, sind Übergangsbedingungen einzuhalten. Die Übergangsbedingungen entsprechen für jeden Fahrbahnabschnitt im Autobahnnetz Randbedingungen mit der zusätzlichen Einschränkung, dass sich keine Inkonsistenzen in den
Verkehrsabläufen am Übergang einstellen dürfen.
x (t)
Fahrbahnabschnitt n
Modellierungsbereich
Anfangsbedingungen
x R2
(Kfz zum Zeitpunkt t0)
x Ü x
Randbedingungen
x R1
(Kfz am Rand xR1 oder xR2)
Fahrbahnabschnitt m
t
t0
Übergangsbedingungen
(Kfz am Übergang xÜ)
Abbildung 4.11: Ort–Zeit–Diagramm mit einem Modellierungsbereich für zwei
Fahrbahnabschnitte sowie den zugehörigen Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen einer mikroskopischen Modellierung
72
4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
4.3.1 Anfangsbedingungen
Die Anfangsbedingungen legen den Verkehrszustand im Autobahnnetz zum Zeitpunkt
t t 0 fest. Zu diesem Zeitpunkt müssen die n Kraftfahrzeuge a im Autobahnnetz so
verteilt sein, dass der Abstand x a (t 0 ) zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug b größer als
die Länge l b von b ist:
x a (t 0 ) x b (t 0 ) x a (t 0 ) l b
a, b 1, , n
(4.25)
Die geometrischen und physikalischen Eigenschaften sowie die Geschwindigkeit v a (t 0 )
der n Kraftfahrzeuge zum Anfangszeitpunkt t 0 sind beliebig festzulegen, solange die
Eigenschaften und die Geschwindigkeit ihren Gültigkeitsbereich nicht verletzen. Beispielsweise ist die Nichtnegativität von v a (t 0 ) zu gewährleisten:
v a (t 0 ) 0
a 1, , n
(4.26)
Da die zeitlichen Änderungen der mikroskopischen Zustandsgrößen nur zwischen zwei
unmittelbar aufeinander folgenden Modellzuständen zu bestimmen ist, sind frühere
Zeitpunkte als t 0 nicht zu berücksichtigen.
4.3.2 Randbedingungen
Die Randbedingungen legen die Verkehrszustände an den Rändern eines Fahrbahnabschnitts während der betrachteten Zeitdauer mit t t 0 fest. Es gibt unterschiedliche
Möglichkeiten, die Randbedingungen zu modellieren. Im Folgenden werden zwei Ansätze
aufgezeigt. Ein erster Ansatz modelliert die Randbedingungen ausschließlich auf dem
betrachteten Rand. Ein zweiter Ansatz modelliert die Randbedingungen im Randbereich.
Randbedingungen auf dem Rand
Bei der Modellierung der Randbedingungen auf einem Rand R eines Fahrbahnabschnitts
mit der Ortskoordinate x R werden die Werte der Eigenschaften und Zustandsgrößen
festgelegt, die zu einem Zeitpunkt t t 0 von einem ein– oder einem ausfahrenden
Kraftfahrzeug a bei x a (t) x R angenommen werden müssen.
Ein Kraftfahrzeug a ist für den Fahrbahnabschnitt neu zu generieren, wenn es zum
Zeitpunkt t t 0 bei x a (t) x R in den Fahrbahnabschnitt einfährt. Die geometrischen
und physikalischen Eigenschaften sowie die meisten Zustandsgrößen von a können
beliebig festgelegt werden. Der Zeitpunkt t der Einfahrt vom Kraftfahrzeug a muss so
gewählt werden, dass sein Abstand x a (t) zu einem vorausfahrenden Kraftfahrzeug b
größer als die Länge l b von b ist:
x a (t) x b (t) x a (t) l b
tt0
x a (t) x R
(4.27)
Darüber hinaus ist die Festlegung der Geschwindigkeit v R (t) für einfahrende Kraftfahrzeuge bei x a (t) x R zum Zeitpunkt t t 0 erforderlich, um einen Fahrstreifenwechsel
4.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen
73
für jedes Kraftfahrzeug im Fahrbahnabschnitt nach den Regeln A und B modellieren zu
können (Abbildung 4.12 a).
Ein Kraftfahrzeug a ist für den Fahrbahnabschnitt zu zerstören, wenn es zum Zeitpunkt
t t 0 aus dem Fahrbahnabschnitt ausfährt. Es überquert den Rand R entweder mit
gleichbleibender Geschwindigkeit oder mit einer beschränkten Geschwindigkeit v R (t),
die auf dem Rand bei x a (t) x R festgelegt ist (Abbildung 4.12 b). In beiden Fällen wird
die Beschleunigung a a (t) des ausfahrenden Kraftfahrzeugs a unmittelbar vor dem Rand
modifiziert:
a a (t) V sa (x R ) v a (t)
V sa (x R ) v a (t)
a
(4.28)
V sa (x R ) v a (t)
V sa (x R ) v a (t)
a
(v R (t) v a (t)) 2
v a (t) v R (t) v a (t) V sa (x R )
x R (t)
a a (t) (4.29)
Die Gleichung (4.28) entspricht dem ersten Fall. Hat das Kraftfahrzeug a einen Abstand
x R (t) zum Rand R mit der Geschwindigkeit v a V sa (x R ) erreicht, dann fährt es mit
der erreichten Geschwindigkeit ohne Beschleunigung weiter und passiert den Rand R.
Die Gleichung (4.29) entspricht dem zweiten Fall. Sie unterschiedet sich von der
Gleichung (4.28) durch den Bremsterm. Hat das Kraftfahrzeug a einen Abstand x R (t)
zum Rand R mit der Geschwindigkeit v a (t) V sa (x R ) erreicht und ist diese
Geschwindigkeit größer als die vorgegebene Geschwindigkeit v R (t), bremst das
Kraftfahrzeug und passiert den Rand R mit der vorgegebenen Geschwindigkeit v R (t).
a)
RB
v R2 (t)
v R1 (t)
v R0 (t)
Rand
b)
bl
a
b
br
xR x
y
al
a
y
ar
x
v R2 (t)
v R1 (t)
v R0 (t)
xR
RB
Rand
Abbildung 4.12: Randbedingungen für ein einfahrendes beziehungsweise ausfahrendes Kraftfahrzeug a in Form von einzuhaltenden Randgeschwindigkeiten v R (t).
Dieser Modellierungsansatz der Randbedingungen bietet sich besonders dann an, wenn
die Randbedingungen in Form von Daten aus lokalen Verkehrsmessungen in die
Modellierung eingebracht werden sollen. Die Randbedingungen auf den Rand beziehen
sich wie die lokalen Verkehrsmessungen ausschließlich auf einen Fahrbahnquerschnitt.
74
4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Randbedingungen im Randbereich
Bei der Modellierung der Randbedingungen im Randbereich eines Fahrbahnabschnitts
werden virtuelle Kraftfahrzeuge auf der Seite des Randes modelliert, die nicht zum
Fahrbahnabschnitt gehört. Die virtuellen Kraftfahrzeuge bilden die Randbedingungen für
die Kraftfahrzeuge im Fahrbahnabschnitt.
Ein einfahrendes Kraftfahrzeug a, das zum Zeitpunkt t t 0 den Rand R bei x a (t) x R
erreichen soll, wird zuvor in einem festgelegten Abstand vor dem Rand R als virtuelles
Kraftfahrzeug neu generiert. Es fährt entsprechend den vorgegebenen Randbedingungen auf den Rand R zu. Erreicht es den Rand R bei x a (t) x R, so ist es nicht mehr virtuell
und kann sich mit den Kraftfahrzeugen im Fahrbahnabschnitt und den virtuell folgenden
Kraftfahrzeugen außerhalb des Fahrbahnabschnitts gemäß den Bestimmungsgleichungen (4.1) bis (4.3) bewegen (Abbildung 4.13 a).
Ein ausfahrendes Kraftfahrzeug a, das zum Zeitpunkt t t 0 den Rand R bei x a (t) x R
erreicht, wird direkt nach dem Überqueren des Randes zu einem virtuellen Kraftfahrzeug.
Es fährt entsprechend den vorgegebenen Randbedingungen hinter dem Rand R weiter.
Überquert das nachfolgende Kraftfahrzeug den Rand R, so wird das virtuelle Kraftfahrzeug a zerstört. Ein ausfahrendes Kraftfahrzeug im Fahrbahnabschitt kann sich mit den
Kraftfahrzeugen im Fahrbahnabschnitt und den virtuell vorausfahrenden Kraftfahrzeugen
außerhalb des Fahrbahnabschnitts gemäß den Bestimmungsgleichungen (4.1) bis (4.3)
bewegen (Abbildung 4.13 b).
a)
RB
b)
al
bl
a
Rand
bl
al
b
ar
br
xR
RB
x
y
b
a
y
ar
x
br
xR
Rand
Abbildung 4.13: Randbedingungen für ein einfahrendes und ein ausfahrendes
Kraftfahrzeug a zu einem Zeitpunkt t in Form von virtuellen Kraftfahrzeugen außerhalb des Fahrbahnabschnitts.
Dieser Modellierungsansatz der Randbedingungen bietet sich nicht an, wenn die
Randbedingungen in Form von Daten aus lokalen Verkehrsmessungen in die Modellierung eingebracht werden sollen. Die Randbedingungen im Randbereich beziehen sich
auf einen Fahrbahnabschnitt, während sich die lokalen Verkehrsmessungen ausschließlich auf einen Fahrbahnquerschnitt beziehen. Der Aufwand, die virtuellen Kraftfahrzeuge
genau so zu modellieren, dass sie auf dem Rand mit den lokal gemessenen Daten
übereinstimmen, ist viel höher, als die Randbedingungen auf dem Rand zu modellieren.
4.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen
75
4.3.3 Übergangsbedingungen
Die Übergangsbedingungen legen die Verkehrszustände an den Übergängen zwischen
aufeinander folgenden Fahrbahnabschnitten während der betrachteten Zeitdauer t t 0
fest. Die Übergangsbedingungen entsprechen für jeweils einen der Fahrbahnabschnitte
den in Abschnitt 4.3.2 dargestellten Randbedingungen. Bei der Modellierung dieser
Randbedingungen für den Übergangsrand bei x Ü zwischen den Fahrbahnabschnitten ist
sicherzustellen, dass die Verkehrsabläufe bei x Ü nicht inkonsitent werden. Analog zu den
Randbedingungen lassen sich die Übergangsbedingungen entweder auf dem Rand oder
im Randbereich des Übergangs modellieren.
Übergangsbedingungen auf dem Rand
Bei der Modellierung der Übergangsbedingungen auf dem Rand Ü zwischen aufeinander
folgenden Fahrbahnabschnitten mit der Ortskoordinate x Ü werden Werte festgelegt, die
zu einem Zeitpunkt t t 0 von einem Kraftfahrzeug a bei x a (t) x Ü eingehalten werden
müssen. Die Werte sind so zu wählen, dass sie sowohl den Randbedingungen am Rand
des Fahrbahnabschnitts entsprechen, aus dem das Kraftfahrzeug a herausfährt, als auch
den Randbedingungen am Rand des Fahrbahnabschnitts entsprechen, in das das
Kraftfahrzeug a hineinfährt. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die Verläufe der
Zustandsgrößen des Kraftfahrzeugs bei x Ü konsistent bleiben.
Die Vorgabe von Werten auf dem Übergangsrand ist zwar formal korrekt, doch in der
Bewegung der Kraftfahrzeuge über diesen Rand können sich unrealistische Sprünge
oder Knicke ergeben. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass sich flächenhaftes
Verkehrsverhalten auf der Fahrbahn nicht auf einen Fahrbahnquerschnitt projizieren
lässt. Dieser Modellierungsansatz von Übergangsbedingungen ist daher für die
mikroskopische Verkehrsmodellierung unbrauchbar.
Übergangsbedingungen im Randbereich
Bei der Modellierung der Übergangsbedingungen im Randbereich aufeinander folgender
Fahrbahnabschnitte werden für jeden Fahrbahnabschnitt virtuelle Kraftfahrzeuge auf der
Seite des Übergangs modelliert, die nicht zum Fahrbahnabschnitt gehört. Die virtuellen
Kraftfahrzeuge sind die Randbedingungen für die ein– und ausfahrenden Kraftfahrzeuge.
Der Übergang zwischen den aufeinander folgenden Fahrbahnabschnitten ist in diesem
Modellierungsansatz der Übergangsbedingungen a priori konsistent. Die virtuellen
Kraftfahrzeuge eines Fahrbahnabschnitts, aus dem die Kraftfahrzeuge herausfahren,
entsprechen den einfahrenden Kraftfahrzeugen der folgenden Fahrbahnabschnitte und
die virtuellen Kraftfahrzeuge eines Fahrbahnabschnitts, in den die Kraftfahrzeuge
hineinfahren, entsprechen den ausfahrenden Kraftfahrzeugen der vorherigen Fahrbahnabschnitte. Dieser Modellierungsansatz von Übergangsbedingungen ist daher für die
mikroskopische Verkehrsmodellierung gut geeignet.
76
4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
4.4 Verkehrszustände
Die Verkehrszustände, die sich aus der mikroskopischen Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn ergeben, sind auf ihre Korrektheit
zu prüfen. Ein Verkehrszustand ist korrekt modelliert, wenn er einer analytischen Lösung
der mikroskopischen Bestimmungsgleichungen entspricht. Für einen in der Praxis
auftretenden Verkehrszustand existiert jedoch keine analytische Lösung der mikroskopischen Bestimmungsgleichungen. Derzeit gibt es zwei Möglichkeiten, die mikroskopische
Modellierung von Verkehrsabläufen zu bewerten.
Eine Möglichkeit ist die Bestimmung der Stabilität einer mikroskopischen Modellierung für
einen hypothetischen Gleichgewichtszustand. Im Bereich der auftretenden Instabilitäten
in der Modellierung ergeben sich Phänomene, die auf real beobachtbare Verkehrsphänomene deuten. Die Untersuchung dieser Phänomene ermöglicht eine qualitative
Bewertung der mikroskopischen Modellierung. Die Phämonene lassen sich derzeit
jedoch nicht analytisch darstellen, sondern erfordern Simulationen mit der numerischen
Umsetzung der Modellierung. Dadurch ist lediglich eine indirekte qualitative Bewertung
einer mikroskopischen Verkehrsmodellierung möglich.
Eine zweite Möglichkeit ist der Vergleich von Kenngrößen mikroskopisch modellierter
Verkehrsabläufe mit Kenngrößen, die sich aus einer entsprechenden Verkehrsmessung
ergeben. Dies führt zu einer quantitativen Bewertung der Modellierung. Die Bestimmung
der Kenngrößen mikroskopisch modellierter Verkehrsabläufe erfordert nicht nur die
Simulationen mit der numerischen Umsetzung der Modellierung, sondern auch eine
Simulation der Modellierung von Verkehrsmessungen. Dadurch ist lediglich eine indirekte
quantitative Bewertung einer mikroskopischen Verkehrsmodellierung möglich.
Gleichgewichtszustand
Ein Verkehrszustand im Fahrbahnabschnitt einer Autobahn heißt Gleichgewichtszustand, wenn alle Kraftfahrzeuge die gleichen Eigenschaften besitzen und mit der gleichen
Geschwindigkeit fahren. Der Abstand zweier aufeinander folgender Kraftfahrzeuge
ändert sich nicht. Es können zwei verschiedene Formen des Gleichgewichtszustands
auftreten:
1. Jedes Kraftfahrzeug a fährt mit der Wunschgeschwindigkeit v 0. Die Abstände zwischen aufeinander folgenden Kraftfahrzeugen können verschieden sein:
vavv0
x a l v T
(4.30)
2. Jedes Kraftfahrzeug a fährt mit einer Geschwindigkeit v, die kleiner ist als die Wunschgeschwindigkeit v 0. Dann sind die Abstände zwischen aufeinander folgenden Kraftfahrzeugen gleich:
vavv0
x a l v T
(4.31)
4.4 Verkehrszustände
77
Im Gleichgewichtszustand bewegt sich ein Kraftfahrzeug entweder genau mit dem
Sicherheitsabstand (Fall 2) oder mit einem größeren Abstand (Fall 1) zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug. Ein kleinerer Abstand als der Sicherheitsabstand wird von einem
Kraftfahrzeug im Gleichgewichtszustand nicht erreicht, so dass für den Gleichgewichtszustand der Bremsterm vernachlässigt werden kann. Die gleichbleibende Geschwindigkeit
v jedes Kraftfahrzeugs im Gleichgewichtszustand entspricht genau der mittleren
Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (x).
Stabilität
Ein Gleichgewichtszustand heißt stabil, wenn kleine Störungen des Gleichgewichtszustands mit zunehmender Zeit nicht anwachsen. Andernfalls heißt der Gleichgewichtszustand instabil. Die Stabilität kann auf der Grundlage einer linearen Stabilitätsanalyse
analytisch bestimmt werden. Dabei wird eine Fourier–Analyse für die Bestimmungsgleichungen mit kleinen sinusförmigen Störungen im Gleichgewichtszustand durchgeführt.
Die lineare Störungsanalyse liefert für die mikroskopische Modellierung der Verkehrsabläufe auf einem Fahrstreifen im Fahrbahnabschnitt eine Stabilitätsbedingung. Danach
ist die Stabilität eines Gleichgewichtszustands gewährleistet, wenn die Ableitung der
Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (x) nach dem Abstand x nicht größer als der
Kehrwert der doppelten Anpassungszeit ist:
dV s (x g )
1
dx
2
(4.32)
Bei ruhenden Verkehrsabläufen ist die Geschwindigkeit v eines Kraftfahrzeugs null. Bei
freien Verkehrsabläufen ist die Geschwindigkeit v gleich der Wunschgeschwindigkeit v 0.
In beiden Fällen ist die Ableitung der Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (x) null.
Die Stabilitätsbedingung (4.32) ist erfüllt. Daher sind Gleichgewichtszustände für ruhende
und freie Verkehrsabläufe stabil. Bei dichten Verkehrsabläufen kann die Ableitung der
Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (x) nach dem Abstand x bis auf über
1 (2 ) anwachsen. In diesem Fall sind Gleichgewichtszustände im Verkehrsablauf nicht
stabil.
Instabilitäten, die in mikroskopisch modellierten Verkehrsabläufen auftreten können,
deuten auf Verkehrsphänomene, wie Staus oder Stop–and–Go–Wellen hin. Damit ergibt
sich die Vermutung, das Staus nicht aufgrund von Hindernissen wie Baustellen, Unfälle,
Einfahrten oder Ausfahrten entstehen, sondern durch kleine Störungen in den Verkehrsabläufen. Die quantitative Bewertung beispielsweise der Form oder des Verhaltens der
Instabilitäten lässt sich derzeit nur durch Simulationen einer numerischen Umsetzung der
Modellierung verdeutlichen. Die Numerik beeinflusst die Stabilität der simulierten
Verkehrszustände wesentlich. Daher wird in Kapitel 8 für die mikroskopische Verkehrsmodellierung eine numerische Störungsanalyse durchgeführt.
78
4 Mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Kenngrößen
Die Kenngrößen eines Verkehrsablaufs ermöglichen eine quantitative Bewertung der
Verkehrszustände. Die quantitative Bewertung ist abhängig von der Güte der Kenngrößen. Die Kenngrößen von Verkehrsabläufen, die mikroskopisch modelliert wurden,
lassen sich erst im Anschluss an die Modellierung aus den Zustandsgrößen der
Kraftfahrzeuge bestimmen.
Die Kenngrößen, wie die Verkehrsdichte, die Verkehrsstärke und die mittlere Geschwindigkeit, sind analog zu Verkehrsmessungen durch Zählungen vieler mikroskopischer
Kraftfahrzeuggrößen zu ermitteln. Daher bietet sich eine Modellierung von Verkehrsmessungen in der mikroskopischen Verkehrsmodellierung an. Entsprechend dem
gewählten Kontrollgebiet lassen sich räumliche Verkehrsdichten und mittlere räumliche
Geschwindigkeiten, zeitliche Verkehrsstärken und mittlere zeitliche Geschwindigkeiten
oder räumlich–zeitliche Verkehrsdichten, räumlich–zeitliche Verkehrsstärken und mittlere
räumlich–zeitliche Geschwindigkeiten ermitteln. Diese Kenngrößen lassen sich direkt mit
den Kenngrößen einer Verkehrsmessung vergleichen.
5 Makroskopische Modellierung von
Verkehrsabläufen
Eine makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines
Autobahnnetzes basiert auf dem Ansatz, dass ein Verkehrsablauf eine kontinuierliche
Einheit von “verflüssigten” oder “verdampften” Kraftfahrzeugen bildet. Ein Kraftfahrzeug
im Verkehrsablauf ist dabei nicht identifizierbar. Die Kenngrößen des Verkehrsablaufs
sind zugleich die Zustandsgrößen der makroskopischen Verkehrsmodellierung.
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher makroskopischer Verkehrsmodellierungen. Sie
gehen auf die erste Modellierung von 1955 nach Lighthill und Whitham [58, 59] sowie
Richards [78] zurück. Ihr Modellansatz ergibt sich aus der Analogie von kinematischen
Wellen in der Flussbewegung langer Flüsse [58] zu kinematischen Wellen auf langen
überfüllten Straßen [59]. Er entspricht einer Kontinuitätsgleichung, bei der die Geschwindigkeit eine dichteabhängige Gleichgewichtsgeschwindigkeit ist.
Hilliges [44] hat 1995 zusätzlich zur Kontinuitätsgleichung eine Bewegungsgleichung
formuliert, die eine zeitlich verzögerte Anpassung der Geschwindigkeit an die Gleichgewichtsgeschwindigkeit beschreibt. Die Bestimmungsgleichungen erlauben eine robuste
und schnelle Simulation von Verkehrsabläufen in großräumigen Verkehrsgebieten.
Bereits 1971 hat Payne in [72] eine Bewegungsgleichung in Analogie zur Eulergleichung
einer reibungsfreien Fluidströmung formuliert. Neben einer Geschwindigkeitsanpassung,
wie bei der Modellierung von Hilliges, wird dabei ein Verkehrsdruck berücksichtigt. Er
bewirkt ein zusätzliches Abbremsen bei zunehmender Verkehrsdichte. Cremer [22] und
Papageorgiou [70] haben die numerische Umsetzung der Modellierung verbessert und
zu einem Prognosewerkzeug weiterentwickelt.
Kühne [54] hat Anfang der neunziger Jahre vorgeschlagen, die Verkehrsabläufe auf
einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn wie eine Flachwassergleichung für einen Kanal
zu modellieren. Dadurch wird in die Bewegungsgleichung zusätzlich Viskosität aufgenommen, so dass sie die Form einer Navier–Stokes–Gleichung erhält. Kerner und Konhäuser
[51] haben diese Modellierung numerisch umgesetzt.
80
5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
In diesem Kapitel wird die makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in Autobahnnetzen exemplarisch an einem Ansatz erläutert, der die typische Form einer Navier–
Stokes–Gleichung besitzt. Im ersten Abschnitt werden die Bestimmungsgleichungen für
die Bewegung eines Verkehrsablaufs erst für einen und dann für mehrere Fahrstreifen
dargestellt. Im zweiten Abschnitt wird die in der Modellierung notwendige Geschwindigkeits–Dichte–Relation näher erläutert. Im dritten Abschnitt werden die Anfangs–, Rand–
und Übergangsbedingungen für makroskopische Verkehrsmodellierungen beschrieben.
Im vierten Abschnitt wird auf die modellierbaren Verkehrszustände eingegangen.
5.1 Bestimmungsgleichungen
In einer makroskopischen Verkehrsmodellierung werden die Verhaltensweisen eines
Verkehrsablaufs auf einem Fahrstreifen im Fahrbahnabschnitt einer Autobahn als
eindimensionales Kontinuum abgebildet. Die Bewegung im Kontinuum eines Fahrstreifens lässt sich mit Hilfe von partiellen Differentialgleichungen beschreiben. Die Bewegung
zwischen den Kontinuen der Fahrstreifen lässt sich mit Hilfe von Massenänderungen in
den Kontinuen beschreiben. Die partiellen Differentialgleichungen bilden die Bestimmungsgleichungen des kontinuierlichen Verkehrsablaufs auf einem Fahrstreifen. Die
Bestimmungsgleichungen umfassen eine Kontinuitätsgleichung und zumindest eine
Bewegungsgleichung. Die Kontinuitätsgleichung gewährleistet den Erhalt der Masse
eines kontinuierlichen Verkehrsablaufs beziehungsweise den Erhalt der Kraftfahrzeuge
auf dem Fahrstreifen. Die Bewegungsgleichung beschreibt die Beschleunigung des
Verkehrsablaufs.
Die Bestimmungsgleichungen werden im folgenden Abschnitt 5.1.1 für einen Fahrbahnabschnitt mit einen Fahrstreifen konkretisiert und im darauf folgenden Abschnitt 5.1.2 für
einen Fahrbahnabschnitt mit mehreren Fahrstreifen erweitert.
5.1.1 Bestimmungsgleichungen für einen Fahrstreifen
Wird die Bewegung eines Verkehrsablaufs auf einem Fahrstreifen betrachtet, so sind für
diesen Fahrstreifen die kontinuierlichen Verläufe der Zustandsgrößen Dichte und
Geschwindigkeit zu modellieren. Sie beziehen sich auf die Fahrtrichtung x des
Fahrstreifens und die Zeit t.
(x, t)
v (x, t)
x
x
t
t
x
Abbildung 5.1: Kontinuierlicher Verkehrsablauf auf einem Fahrstreifen
5.1 Bestimmungsgleichungen
81
Kontinuitätsgleichung
Die Kontinuitätsgleichung beschreibt die zeitliche Änderung der Dichte (x, t), die ohne
zusätzliche Zu– oder Abflüsse der partiellen räumlichen Änderung des Massenflusses
q (x, t) entspricht:
(x, t) q (x, t)
0
x
t
(5.1)
Da der Massenfluss q (x, t) nach Definition (3.12) das Produkt der Dichte (x, t) 0 und
der Geschwindigkeit v (x, t) 0 ist, lässt sich die Kontinuitätsgleichung auch als lokale
und konvektive Änderung der Dichte (x, t) modellieren:
(x, t)
(x, t)
v (x, t)
v (x, t)
(x, t)
x
x
t
(5.2)
Die Gleichung (5.2) zeigt, dass die Dichte eines bewegten Punkts im Kontinuum zeitlich
mit ddt zunimmt, wenn die Geschwindigkeit räumlich abnimmt, und umgekehrt.
Bewegungsgleichung
Die Bewegungsgleichung beschreibt die lokale und konvektive Änderung der Geschwindigkeit v (x, t). Sie entspricht einer Beschleunigungskraft a (x, t), die auf den Verkehrsablauf am Ort x zur Zeit t einwirkt:
v (x, t)
v (x, t)
v (x, t)
a (x, t)
x
t
(5.3)
Die Beschleunigungskraft a (x, t) lässt sich als Anpassung der Geschwindigkeit v (x, t) an
eine Geschwindigkeit V modellieren, die von der Dichte (x, t) abhängt. Die Abhängigkeit
der Geschwindigkeit V von der Dichte (x, t) wird durch eine sogenannte Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () funktional modelliert. Ansätze hierfür werden in Abschnitt 5.2
erläutert. Die Anpassung der Geschwindigkeit v an die dichteabhängige Geschwindigkeit
V erfolgt mit einer Anpassungszeit :
v (x, t)
v (x, t)
V () v (x, t)
v (x, t)
x
t
(5.4)
Bewegungsgleichung mit Druckterm
Der Anpassungsterm auf der rechten Seite der Gleichung (5.4) kann in Analogie zu den
Bestimmungsgleichungen einer reibungsfreien Fluidströmung um einen Druckterm
erweitert werden [72]. Mit der Erweiterung erhält die Bewegungsgleichung die Form einer
Eulergleichung [19, 94]:
v (x, t)
v (x, t)
V v (x, t)
p (x, t)
v (x, t)
1
x
t
(x, t) x
(5.5)
Der Druckterm bewirkt eine Verzögerung des Verkehrsablaufs bei einer Erhöhung des
Drucks und eine Beschleunigung des Verkehrsablaufs bei einer Verringerung des Drucks.
82
5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Der Druck p (x, t) wird proportional zur Dichte (x, t) und zum Quadrat einer
Ausbreitungsgeschwindigkeit c angenommen:
p (x, t) c 2 (x, t)
(5.6)
Bewegungsgleichung mit Druck– und Viskositätsterm
Der Anpassungsterm auf der rechten Seite der Gleichung (5.5) kann in Analogie zu einer
Flachwassergleichung um eine Viskositätsterm erweitert werden [54]. Mit der Erweiterung
erhält die Bewegungsgleichung die Form einer Navier–Stokes–Gleichung [19, 94]:
2
v (x, t)
v (x, t)
V v (x, t)
1 p (x, t) v (x, t)
v (x, t)
x
t
(x, t) x
(x, t) x 2
(5.7)
Der Viskositätsterm in Form einer zweiten räumlichen Ableitung der Geschwindigkeit
v (x, t) ist mit der dynamischen Viskosität gewichtet.
5.1.2 Bestimmungsgleichungen für mehrere Fahrstreifen
Wird die Bewegung eines Verkehrsablaufs auf mehreren Fahrstreifen betrachtet, so sind
für jeden Fahrstreifen die kontinuierlichen Verläufe der Zustandsgrößen, wie Dichte oder
Geschwindigkeit, zu modellieren.
21
0
0
1
2
y
y
x
x
v0
x
v1
v2
y
2
1
2
0
1
0
Abbildung 5.2: Kontinuierlicher Verkehrsablauf auf mehreren Fahrstreifen zu
einem Zeitpunkt t
Aufgrund von Fahrstreifenwechseln der Kraftfahrzeuge in einem Fahrbahnabschnitt
kommt es zum Austausch von Masse zwischen den zugehörigen Fahrstreifen. Die
Massenänderungen, die sich daraus für einen Fahrstreifen y ergeben, werden als Terme
für die Massenzunahme m y (x, t) und die Massenabnahme m y (x, t) am Ort x zur Zeit t
zur Kontinuitätsgleichung für den Fahrstreifen y hinzugefügt:
y (x, t) q y (x, t)
m
y (x, t) m y (x, t)
x
t
(5.8)
Die Massenänderungen können räumlich konstant oder räumlich variabel modelliert
werden.
5.1 Bestimmungsgleichungen
83
Räumlich konstante Massenänderung
Eine räumlich konstante Massenänderung m y i (x, t) auf einem Fahrstreifen y erfolgt im
zeitlich unveränderlichen Ortsbereich i einer Quelle oder einer Senke. Über eine Quelle
fließt Masse in den Fahrstreifen und über eine Senke fließt Masse aus dem Fahrstreifen.
Der Ortsbereich i einer Quelle oder einer Senke hat die Länge x i und einen
Referenzpunkt x i in seiner Mitte. Mehrere Ortsbereiche können sich überlagern, so dass
sich die Massenänderung m Massenänderungen
y (x, t) aus der Summe aller n
m y i (x, t) am Ort x auf dem Fahrstreifen y zum Zeitpunkt t zusammensetzt:
m
y (x, t)
n
m
y (x, t)
m
(x, t)
yi
n
my i (x, t)
i0
(5.9)
i0
So ist beispielsweise in Abbildung 5.3 die Massenzunahme m 0 (x, t) am Ort x zur Zeit t
auf dem Fahrstreifen 0 die Summe aus den Massenzunahmen m 0,1 (x, t) und m 0,2 (x, t)
der Quellen 1 und 2. Die Massenabnahme m 0 (x, t) ist null.
ÍÍ
ÍÍÍÍ
ÍÍ
ÍÍÍÍÍÍ
ÍÍÍÍ
m
0,1(x, t)
x 0
y
Senke 0
x0
x
m
0,2(x, t)
Fahrstreifen 1
Fahrstreifen 0
Quelle 1 Quelle 2
x1 x x2
Abbildung 5.3: Räumlich konstante Massenänderung am Ort x zum Zeitpunkt t aufgrund einer Senke 0 und zweier Quellen 1 und 2.
Die Massenänderung m y i (x, t) wird als räumliche Verteilung des zu– oder abfließenden
Massenflusses q y i (x, t) im Ortsbereich i modelliert. Dabei können verschiedene
Verteilungen verwendet werden. Typische Verteilungen sind die Rechteck–, Dreieck–
oder Normalverteilung. Die Rechtecksverteilung springt bei x x i x i 2 von null auf
den Wert q y i (x, t) x i, bleibt konstant, bis sie bei x x i x i 2 wieder auf null
springt (Abbildung 5.4 a):
m
y i (x, t) q
(x, t)
yi
x i
0
falls x i x x i x i
(5.10)
sonst
Die Dreiecksverteilung steigt linear von null bei x x i x i 2 bis auf ihr Maximum bei
x i an, bevor sie dann wieder linear auf null bei x x i x i 2 abfällt (Abbildung 5.4 b):
m
y i (x, t) q
(x, t)
yi
4
x 2i
q
y i (x, t)
4
x 2i
0
xi x x i
2
falls x i x xi x i
2
falls x i x x i sonst
x i
xxi
2
x i
2
(5.11)
84
5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Die Normalverteilung hat ihr Maximum bei x i und fällt zu beiden Seiten so ab, dass sich
die Wendepunkte an den Orten x i x i 4 und x i x i 4 befinden (Abbildung 5.4 c):
m
y i (x, t)
exp 1
2 x 4
i
2
q
(x, t)
yi
xxi
x i 4
2
(5.12)
Die Sprünge in der Rechtecksverteilung können zu unrealistischen Störungen im
Verkehrsablauf führen. Derartige Störungen treten bei einer Dreiecksverteilung nicht auf.
Die Normalverteilung ist nicht auf einen vorgegebenen Ortsbereich begrenzt.
a)
b)
m
y i (x, t)
xi
x i
2
x i x x i
i
2
c)
m
y i (x, t)
xi
x i
2
x i x x i
i
2
m
y i (x, t)
xi
x i
2
x i x x i
i
2
Abbildung 5.4: Massenzunahme m y i (x, t) in einem Ortsbereich i von x i x i 2
bis x i x i 2 eines Fahrstreifens y in Form einer a) Rechtecksverteilung, b) Dreiecksverteilung und c) Normalverteilung des Massenflusses q y i (x, t).
Räumlich variable Massenänderung
Eine räumlich variable Massenänderung auf einem Fahrstreifen ist eine Massenänderung, die im Laufe der Zeit an beliebigen Orten auftreten kann. Dabei setzt sich die
Massenzunahme m y (x, t) am Ort x auf einem Fahrstreifen y zur Zeit t aus der
Massenzunahme m y1 , y (x, t) vom rechten Fahrstreifen y–1 und der Massenzunahme
m
y1 , y (x, t) vom linken Fahrstreifen y+1 zusammen:
m
y (x, t) m y1 , y (x, t) m y1 , y (x, t)
(5.13)
Die Massenabnahme m y (x, t) am Ort x auf einem Fahrstreifen y zur Zeit t setzt sich aus
der Massenabnahme m y , y1 (x, t) zum rechten Fahrstreifen y–1 und der Massenab
nahme m y , y1 (x, t) zum linken Fahrstreifen y+1 zusammen:
m
y (x, t) m y , y1 (x, t) m y , y1 (x, t)
(5.14)
Die räumlich variable Massenänderung m y (x, t) wird als zeitliche Verteilung der zu– oder
abfließenden Dichte y (x, t) modelliert. Dabei wird vereinfachend eine Rechtecksverteilung mit einer Dauer t y, y1 oder t y1, y analog zur Gleichung (5.10) gewählt:
m
y1 , y (x, t) y (x, t)
t y1 , y
m
y1 , y (x, t) y (x, t)
t y , y1
(5.15)
5.1 Bestimmungsgleichungen
85
Massenänderung aufgrund von Fahrstreifenwechseln
Fahrstreifenwechsel in einem kontinuierlichen Verkehrsablauf lassen sich mit einer
räumlich variablen Massenänderung modellieren. Dabei ergibt sich für einen Fahrstreifen
y im betrachteten Fahrbahnabschnitt mit den Gleichungen (5.8) und (5.13) bis (5.15) die
folgende erweiterte Kontinuitätsgleichung:
y (x, t) q y (x, t)
y (x, t)
y (x, t)
y (x, t)
y (x, t)
x
t
t y1 , y
t y1 , y
t y , y1
t y , y1
(5.16)
Die Terme der rechten Seite in Gleichung (5.16) sind die Massenzunahmen m y1 , y (x, t)
und m y1 , y (x, t) durch Fahrstreifenwechsel vom rechten beziehungsweise linken
Fahrstreifen sowie die Massenabnahmen m y , y1 (x, t) und m y , y1 (x, t) durch Fahrstreifenwechsel zum rechten beziehungsweise linken Fahrstreifen.
m
2,1
m
1, 2
Fahrstreifen 2
Fahrstreifen 1
y
m
1, 0
m
0,1
Fahrstreifen 0
xw
x
Abbildung 5.5: Fahrstreifenwechsel am Ort x x w auf einem Fahrstreifen y 1
zu einem Zeitpunkt t in Form einer räumlich variablen Massenänderung
Die Dauer der zeitlichen Verteilung hängt von den Dichten zweier benachbarter
Fahrstreifen ab. Übersteigt die Differenz der beiden Dichten einen Grenzwert, beginnt der
Massenaustausch vom Fahrstreifen mit höherer Dichte zum Fahrstreifen mit niedrigerer
Dichte. Wird der Grenzwert für die Dichtedifferenz unterschritten, so endet der
Massenaustausch. Der Grenzwert kann ebenso wie die Größe der auszutauschenden
Dichte y (x, t) lediglich geschätzt oder empirisch ermittelt werden.
In [84] wird ein Ansatz für eine Massenabnahme von einem Fahrstreifen y auf den linken
Fahrstreifen y+1 beziehungsweise rechten Fahrstreifen y–1 verwendet. Er stimmt mit
einem Ansatz überein [86], der auf Daten einer der wenigen empirischen Untersuchungen für einen Fahrbahnabschnitt mit zwei Fahrstreifen basiert:
y (x, t)
y (x, t)
g y (x, t) y max
t y , y1
1
y1 (x, t)
1 y1 max
2
(5.17)
In Gleichung (5.17) ist die Dauer t y , y1 der zeitlichen Rechtecksverteilung unbegrenzt.
Die Verteilung entspricht somit einer Rate, die ständig auf die Verkehrsabläufe des
Fahrstreifens y einwirkt. Der empirisch ermittelte Faktor g 75 für eine Massenabnahme nach links unterscheidet sich von dem Faktor g 28 für eine Massenabnahme
nach rechts. In [84] werden die Exponenten 1 0 und 2 8 verwendet.
86
5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Massenänderung an einer Einfahrt
Eine Einfahrt beziehungsweise eine Fahrstreifensubtraktion lässt sich mit einer räumlich
variablen oder einer räumlich konstanten Massenänderung modellieren.
Bei der Modellierung mit einer räumlich variablen Massenänderung erfolgt der
Massenaustausch zwischen den Fahrstreifen der Einfahrt und den Fahrstreifen des
Fahrbahnabschnitts wie bei einem Fahrstreifenwechsel auf dem Fahrbahnabschnitt. Die
Massenzunahme am Fahrstreifenanfang sowie das Stehenbleiben am Fahrstreifenende
der Einfahrt wird über Randbedingungen modelliert. Randbedingungen für die makroskopische Verkehrsmodellierung werden in Abschnitt 5.3 erläutert.
Fahrstreifen 1
y
m
0,1
x
Ri
v vRi
m
Einfahrt, 0
m
1, 0
Hauptfahrstreifen 0
v0
Einfahrt
x i
Abbildung 5.6: Räumlich variable Massenänderung an einer Einfahrt i zwischen
den Fahrstreifen im Einfädelungsbereich x i und der Vorgabe von Randbedingungen am Fahrstreifenanfang und –ende der Einfahrt
Bei der Modellierung mit einer räumlich konstanten Massenänderung erfolgt der Zuwachs
der Masse im Einfädelungsbereich durch Vorgabe der räumlichen Verteilung eines
Massenflusses in diesem Bereich während des betrachteten Zeitraums. Eine Einfahrt i
erfordert die folgende Erweiterung der Kontinuitätsgleichung für den Hauptfahrstreifen y:
y (x, t) q y (x, t)
m
(x, t)
yi
x
t
(5.18)
Zur Modellierung der Massenzunahme m y i (x, t) hat sich eine Dreiecksverteilung (5.11)
bewährt.
Massenänderung an einer Ausfahrt
Eine Ausfahrt aus einem Fahrbahnabschnitt lässt sich mit einer räumlich konstanten
Massenänderung modellieren. Dabei erfolgt die Massenabnahme im Ausfädelungsbereich der Ausfahrt durch Vorgabe der räumlichen Verteilung eines Massenflusses in
diesem Bereich während des betrachteten Zeitraums. Eine Ausfahrt i erfordert die
folgende Erweiterung der Kontinuitätsgleichung für den Hauptfahrstreifen y:
y (x, t) q y (x, t)
m
y i (x, t)
x
t
(5.19)
Zur Modellierung der Massenabnahme m y i (x, t) hat sich auch hier eine Dreiecksverteilung (5.11) bewährt.
5.1 Bestimmungsgleichungen
87
Massenänderung an einer Engstelle
Eine Engstelle auf einem Fahrbahnabschnitt lässt sich durch die Änderung der räumlich
konstanten Massenänderungen modellieren. In einem Abschnitt von mehreren hundert
Metern vor der Engstelle erfolgt ein erhöhter Massenaustausch von den gesperrten zu
den übrigen Fahrstreifen. Im Bereich der Engstelle werden alle Massenänderungen zu
oder von den gesperrten Fahrstreifen zu null. Es gibt hier keine Massenänderungen zu
den gesperrten Fahrstreifen.
y
m
1,0 0
m
1,0 m 0,1 0
m
1,0
m
0, 1
Fahrstreifen 1
m
0, 1
Fahrstreifen 0
x
Abbildung 5.7: Verkehrsabläufe an einer Engstelle als Einschränkungen der räumlich veränderlichen Massenänderung vor, im und hinter dem Engstellenbereich
5.2 Geschwindigkeits–Dichte–Relation
Die Abhängigkeit der Geschwindigkeit V von der Dichte (x, t) eines Verkehrsablaufs im
Fahrbahnabschnitt einer Autobahn wird mit Hilfe einer monoton fallenden Funktion V ()
modelliert, die Werte zwischen null und der mittleren Wunschgeschwindigkeit v 0 aller
Kraftfahrzeuge im Verkehrsablauf annehmen kann. Bei der maximal möglichen Dichte
max stehen die Kraftfahrzeuge Stoßstange an Stoßstange (Abbildung 5.8 a).
Das Produkt der Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () mit der entsprechenden Dichte
(x, t) bildet eine funktionale Abhängigkeit eines Massenflusses Q von der Dichte (x, t):
Q () V ()
(5.20)
Die Massenfluss–Dichte–Relation Q () ist im Verkehrswesen als Fundamentaldiagramm bekannt. Sie steigt von Q (0) 0 an und sinkt wieder auf Q ( max ) 0 ab. Der
Verlauf der Massenfluss–Dichte–Relation zwischen diesen beiden charakteristischen
Punkten ist meist so modelliert, dass sich ein Maximum für Q () ergibt (Abbildung 5.8 b).
a)
v
0
V ()
monoton
fallend
0
Q ()
b)
max
0
max
Abbildung 5.8: Charakteristischer Verlauf der a) Geschwindigkeits–Dichte–Relation und b) der Massenfluss–Dichte–Relation (Fundamentaldiagramm)
88
5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Die Abhängigkeit der Geschwindigkeit V von der Dichte (x, t) an einem Ort x in Fahrtrichtung des betrachteten Fahrbahnabschnitts zur Zeit t ist aufgrund des individuellen Verhaltens der Verkehrsabläufe und zahlreichen äußeren Einflüssen unterschiedlich. Da die
Werte für den Zusammenhang von Geschwindigkeit und Dichte praktisch nicht messbar
sind, lässt sich die Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () nur hypothetisch angeben.
In der Literatur ist eine Vielzahl von Ansätzen für V () veröffentlicht [22, 41, 45, 51, 54].
Im Folgenden wird eine Auswahl vorgestellt.
Polynomiale Ansätze
Die einfachsten Ansätze für die Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () sind lineare,
quadratische oder kubische Polynome. Sie sind durch die Parameter v 0 und max sowie
durch den Polynomgrad eindeutig festgelegt:
lineare Geschwindigkeits–Dichte–Relation:
V () : v 0 1 max
quadratische Geschwindigkeits–Dichte–Relation:
2
0
V () : v 1 max
V ()
v
0
Q ()
max
kubische Geschwindigkeits–Dichte–Relation:
V () : v
0
1 3max 2
2 max
Abbildung 5.9: V () und Q (), linear (
3
), quadratisch (
max
) und kubisch (
)
Potenzielle und exponentielle Ansätze
Für die Geschwindigkeits–Dichte–Relation V() werden beispielsweise in [22, 51, 54] Potenzfunktionen oder in [45] Exponentialfunktionen verwendet. Sie besitzen neben den Parametern v 0 und max zwei zusätzliche Parameter (Abbildung 5.10).
Ansatz nach Helbing / Treiber
Auf der Grundlage der kinetischen Gastheorie und der stochastischen Prozesse hat Helbing und Treiber [41] einen makroskopischen Modellierungsansatz hergeleitet. Hierfür ergibt sich eine Geschwindigkeits–Dichte–Relation V (), die neben den Parametern v 0
und max einen zusätzlichen Parameter T besitzt, der einen zeitlichen Sicherheitsabstand
zwischen zwei Fahrzeugen darstellt (Abbildung 5.11).
5.2 Geschwindigkeits–Dichte–Relation
89
V ()
potenzielle Gleichgewichtsgeschwindigkeit:
1 max l
V () : v
0
m
v
0
(5.21)
l 2.05, m 21.11
max
Q ()
exponentielle Gleichgewichtsgeschwindigkeit:
V () : v 0
a max
1 exp
b max
1
(5.22)
a 0.2, b 0.005
max
Abbildung 5.10: V () und Q (), potenziell (
) und exponentiell (
Gleichgewichtsgeschwindigkeit
nach Helbing und Treiber:
~
2
V () : V 0 2v
~2
V 14
V0
~
V
A( max) (1 max)
T
A()
A() A 0 A tanh
A 0 0.008 ,
A 0.01 ,
2
1 (5.23)
)
V ()
v
0
max
2
Q ()
c
1
c 2.7 max
0.1 max
max
Abbildung 5.11: V () und Q () nach Helbing und Treiber
Vergleich unterschiedlicher Geschwindigkeits–Dichte–Relationen
Die in den Abbildungen 5.9 bis 5.11 gezeigten Geschwindigkeits–Dichte–Relationen V ()
gehen von der gleichen mittleren Wunschgeschwindigkeit v 0 und der gleichen maximalen
Dichte max aus. Sie erfüllen die Bedingung des monoton fallenden Funktionsverlaufs.
Die zugehörigen Massenfluss–Dichte–Relationen Q () zeigen gravierende Abweichungen. Da die Geschwindigkeits–Dichte–Relation in der Bewegungsgleichung eine maßgebende Rolle spielt, ist die Wahl einer geeigneten Geschwindigkeits–Dichte–Relation von
wesentlicher Bedeutung für die makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen.
90
5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
5.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen
Die makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz benötigt
wie die mikroskopische Modellierung Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen, um
die Zustandsgrößen an den Grenzen des Modellbereichs beschreiben zu können. Die
Bedingungen beziehen sich auf die Bestimmungsgleichungen der kontinuierlich abgebildeten Verkehrsabläufe. Daher sind die Anfangsbedingungen zum Anfangszeitpunkt t 0 an
jedem Ort x des betrachteten Fahrbahnabschnitts und die Rand– beziehungsweise
Übergangsbedingungen zu jedem Zeitpunkt t auf dem entsprechenden Rand beziehungsweise Übergang vorzugeben.
x (t)
Modellierungsbereich
Fahrbahnabschnitt n
Anfangsbedingungen
x R2
(Zustandsgrößen zur Zeit t0)
x Ü x
Randbedingungen
(Zustandsgrößen am
Rand xR1 oder xR2)
x R1
t
Fahrbahnabschnitt m
Übergangsbedingungen
(Zustandsgrößen am
Übergang xÜ)
t0
Abbildung 5.12: Ort–Zeit–Diagramm mit einem Modellierungsbereich für zwei
Fahrbahnabschnitte sowie den zugehörigen Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen einer makroskopischen Modellierung
5.3.1 Anfangsbedingungen
Die Anfangsbedingungen legen den Verkehrszustand im Autobahnnetz zum Zeitpunkt
t t 0 fest. Zu diesem Zeitpunkt sind an jedem Ort x des Fahrbahnabschnitts die Dichte
(x, t 0 ) positiv und die Geschwindigkeit v (x, t 0 ) nicht negativ festzulegen:
(x, t 0 ) 0 (x) 0 ,
v (x, t 0 ) v 0 (x) 0
(5.24)
Da die zeitlichen Änderungen der makroskopischen Zustandsgrößen nur zwischen zwei
unmittelbar aufeinander folgenden Modellzuständen zu bestimmen ist, sind frühere
Zeitpunkte als t 0 nicht zu berücksichtigen.
5.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen
91
5.3.2 Randbedingungen
Die Randbedingungen legen die Verkehrszustände an den Rändern eines Fahrbahnabschnitts während der betrachteten Zeitdauer mit t t 0 fest. Die Festlegung muss so
erfolgen, dass die Randbedingungen mit den makroskopischen Bestimmungsgleichungen der Verkehrsabläufe im Fahrbahnabschnitt zu jedem Zeitpunkt verträglich sind.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, die Randbedingungen zu modellieren. Analog zur
mikroskopischen Modellierung in Abschnitt 4.3.2 werden zwei Ansätze für die makroskopische Modellierung aufgezeigt. Im ersten Ansatz werden die Randbedingungen auf dem
betrachteten Rand modelliert, im zweiten Ansatz werden die Randbedingungen im
Randbereich, der nicht mehr zum Fahrbahnabschnitt gehört, modelliert.
Randbedingungen auf dem Rand
Bei der Modellierung der Randbedingungen auf einem Rand R eines Fahrbahnabschnitts
mit der Ortskoordinate x R werden Werte festgelegt, die zu einem Zeitpunkt t t 0
eingehalten werden müssen. Die Werte können für verschiedene Verkehrssituationen
und verschiedene makroskopische Modellierungen unterschiedlich formuliert sein.
Typische Formulierungen sind Dirichletsche oder von Neumannsche Randbedingungen.
Die Dirichletschen Randbedingungen geben für eine Zustandsgröße z an einem Rand R
bei x R eine zeitabhängige Funktion vor:
z (x R , t) z R (t)
(5.25)
Die von Neumannschen Randbedingungen geben für die räumliche Ableitung einer
Zustandsgröße an einem Rand bei x R eine zeitabhängige Funktion vor:
z (x R , t)
z R (t)
x
(5.26)
Am Anfang oder an einer Einfahrt eines Fahrbahnabschnitts gelangt Masse in den
Fahrbahnabschnitt, wenn sie nicht durch einen Stau oder andere Hindernisse im
Randbereich daran gehindert wird. Die Dichte (x R1, t) und die Geschwindigkeit
v (x R1, t) der zu einem Zeitpunkt t t 0 am Rand bei x R1 eintretenden Masse ist
vorzugeben. Die gegebene Dichte R1 (t) darf nicht negativ werden und eine maximale
Dichte max nicht überschreiten. Die maximale Dichte max entspricht dem Kehrwert der
mittleren Länge l aller Kraftfahrzeuge im Fahrbahnabschnitt. Die gegebene Geschwindigkeit v R1 (t) darf nicht negativ sein. Die Vorgaben lassen sich mit Dirichletschen
Randbedingungen modellieren (Abbildung 5.13):
(x R1 , t) R1 (t)
v (x R1 , t) v R1 (t) 0
0 R1 (t) max 1l
(5.27)
(5.28)
Aufgrund der Flussrelation (3.12) ist durch die Randbedingungen (5.27) und (5.28) auch
der Massenfluss q (x R1, t) R1 (t) v R1 (t) auf dem Rand festgelegt.
92
5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Kann aufgrund eines Staus oder anderer Hindernisse keine Masse bei x R1 zum Zeitpunkt
t in den Fahrbahnabschnitt zufließen, so werden die Randbedingungen bei x R1 durch die
Zustandsgrößen innerhalb des Fahrbahnabschnitts stark beeinflusst. Ein starre Vorgabe
der Dichte und der Geschwindigkeit durch Dirichletsche Randbedingungen ist dann nicht
möglich. Dagegen kann eine von Neumannsche Randbedingung beispielsweise für die
Geschwindigkeitsänderung v R1 (t) vorgegeben werden. Es ist offensichtlich, dass sich
die Form der Randbedingungen während einer Bestimmung der Verkehrsabläufe ändern
kann.
Am Ende oder an einer Ausfahrt eines Fahrbahnabschnitts fließt Masse über den Rand
aus dem Fahrbahnabschnitt heraus. Die Geschwindigkeit v (x R2, t) der Massenabnahme
zum Zeitpunkt t bei x R2 ist entweder durch eine Dirichletsche Randbedingung (5.29)
festgelegt oder durch eine von Neumannsche Randbedingung (5.30) gleichbleibend:
v (x R2, t) v R2 (t) 0
(5.29)
dv (x R2, t)
v R2 (t) 0
dt
(5.30)
Die Dichte (x R2, t) der Massenabnahme zu einem Zeitpunkt t t 0 am Rand bei x R2
darf nicht mit einer Randbedingung festgelegt werden. Sie wird aus der Kontinuitätsgleichung bestimmt.
R2
R1
R0
a)
y
RB
xR
Rand
t
y
v R2
v R1
v R0
t
v R2
v R1
v R0
t
y
x
xR
b)
y
x
Rand
RB
y
Abbildung 5.13: Randbedingungen für den a) Anfang und b) das Ende eines Fahrbahnabschnitts in Form vorgegebener Dichten R (t) und Geschwindigkeiten v R (t)
Dieser Modellierungsansatz der Randbedingungen bietet sich besonders dann an, wenn
die Randbedingungen in Form von Daten aus lokalen Verkehrsmessungen in die
Modellierung eingebracht werden sollen. Die Randbedingungen auf den Rand beziehen
sich wie die lokalen Verkehrsmessungen ausschließlich auf einen Fahrbahnquerschnitt.
5.3 Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen
93
Randbedingungen im Randbereich
Bei der Modellierung der Randbedingungen im Randbereich eines Fahrbahnabschnitts
werden virtuelle Verläufe der Zustandsgrößen auf der Seite des Randes modelliert, die
nicht zum Fahrbahnabschnitt gehört. Die virtuellen Verläufe der Zustandsgrößen bilden
die Randbedingungen für die Zustandsgrößen im Fahrbahnabschnitt.
Die räumliche Ausdehnung der virtuellen Verläufe ist abhängig vom Ansatz und von der
numerischen Umsetzung der makroskopischen Modellierung. Die Bewegung der
Verkehrsabläufe in den Randbereichen des Fahrbahnabschnitts kann gemäß der
Kontinuitätsgleichung und der Bewegungsgleichung erfolgen.
a)
R2
y
Rand
x
RB
R1
v R2
R0
y
x
v R1
v R0
y
x
v R2
v R1
v R0
x
xR
b)
xR
RB
y
Rand
y
x
Abbildung 5.14: Randbedingungen für a) den Anfang und b) das Ende eines Fahrbahnabschnitts zu einem Zeitpunkt t in Form von virtuellen Verläufen der Zustandsgrößen außerhalb des Fahrbahnabschnitts.
Dieser Modellierungsansatz der Randbedingungen bietet sich nicht an, wenn die
Randbedingungen in Form von Daten aus lokalen Verkehrsmessungen in die Modellierung eingebracht werden sollen. Die Randbedingungen im Randbereich beziehen sich
auf einen Fahrbahnabschnitt während sich die lokalen Verkehrsmessungen ausschließlich auf einen Fahrbahnquerschnitt, beziehen. Der Aufwand, die virtuellen Verläufe genau
so zu modellieren, dass sie auf dem Rand mit den lokal gemessenen Daten
übereinstimmen, ist viel höher, als die Randbedingungen auf dem Rand zu modellieren.
5.3.3 Übergangsbedingungen
Die Übergangsbedingungen legen die Verkehrszustände an den Übergängen zwischen
aufeinander folgenden Fahrbahnabschnitten während der betrachteten Zeitdauer t t 0
fest. Die Übergangsbedingungen entsprechen für jeweils einen der Fahrbahnabschnitte
Randbedingungen, wie sie im Abschnitt 5.3.2 dargestellt wurden. Bei der Modellierung
dieser Randbedingungen für den Übergangsrand bei x Ü zwischen den Fahrbahnab-
94
5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
schnitten ist sicherzustellen, dass die Verkehrsabläufe bei x Ü nicht gestört werden.
Analog zu den Randbedingungen lassen sich die Übergangsbedingungen entweder auf
dem Rand oder aber im Randbereich des Übergangs zwischen den aufeinander
folgenden Fahrbahnabschnitten modellieren.
Der Modellierungsansatz von Übergangsbedingungen auf dem Rand aufeinander
folgender Fahrbahnabschnitte erfolgt durch die Vorgabe von Werten für die Zustandsgrößen auf dem Übergangsrand. Diese Vorgabe ist zwar formal korrekt, doch in den
räumlichen Verläufen der Zustandsgrößen über diesen Rand können sich unrealistische
Sprünge oder Knicke ergeben. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass sich
flächenhaftes Verkehrsverhalten auf der Fahrbahn nicht auf einen Fahrbahnquerschnitt
projizieren lässt. Dieser Modellierungsansatz von Übergangsbedingungen ist daher für
die makroskopische Verkehrsmodellierung unbrauchbar.
Der Modellierungsansatz von Übergangsbedingungen im Randbereich aufeinander
folgender Fahrbahnabschnitte erfolgt durch Vorgabe von virtuellen Verläufen der
Zustandsgrößen für jeden Fahrbahnabschnitt auf der Seite des Übergangsrands, die
nicht zum Fahrbahnabschnitt gehört. Der Übergang zwischen den aufeinander folgenden
Fahrbahnabschnitten ist a priori konsistent. Dieser Modellierungsansatz von Übergangsbedingungen ist daher für die makroskopische Verkehrsmodellierung gut geeignet.
5.4 Verkehrszustände
Die Verkehrszustände, die sich aus der makroskopischen Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn ergeben, sind auf ihre Korrektheit
zu prüfen. Eine qualitative Bewertung der Verkehrszustände erfolgt analog zur
mikroskopischen Modellierung auf der Basis einer linearen Stabilitätsanalyse für einen
Gleichgewichtszustand. Eine quantitative Bewertung ist mit Hilfe der Kenngrößen der
Verkehrsabläufe möglich.
Gleichgewichtszustand
Ein Verkehrszustand im Fahrbahnabschnitt einer Autobahn heißt Gleichgewichtszustand, wenn sich die Geschwindigkeit im gesamten Fahrbahnabschnitt zeitlich und
räumlich nicht ändert. Dadurch vereinfachen sich die Kontinuitätsgleichung (5.2) und die
Bewegungsgleichung (5.4), (5.5) beziehungsweise (5.7) wie folgt:
(x, t)
(x, t)
v
0
x
t
(5.31)
V () v
1 p (x, t)
(x, t) x
(5.32)
Für die vereinfachten Bestimmungsgleichungen (5.31) und (5.32) lässt sich nur mit Hilfe
zusätzlicher Annahmen eine analytische Lösung finden. Mit der Annahme, dass die
5.4 Verkehrszustände
95
Dichte sich zeitlich nicht ändert und der Druck durch die Gleichung (5.6) mit einer
konstanten Ausbreitungsgeschwindigkeit c modelliert wird, ergibt sich folgende Lösung:
v V ()
(5.33)
Im Gleichgewichtszustand entspricht die Geschwindigkeit v an einem Ort im Fahrbahnabschnitt zu jedem Zeitpunkt genau der Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () für eine
zeitlich unveränderliche Dichte 0 (x).
Stabilität
Die Stabilität des Gleichgewichtszustands kann für einen Fahrstreifen in einem
Fahrbahnabschnitt auf der Grundlage einer linearen Stabilitätsanalyse analytisch
bestimmt werden. Dabei werden die Dichte und die Geschwindigkeit in der Kontinuitäts–
und der Bewegungsgleichung der makroskopischen Verkehrsmodellierung um eine sehr
kleine Störung erweitert. Die Störung hat die Form einer Sinusschwingung mit der
Wellenzahl 2 L, wobei L die Länge des Fahrbahnabschnitts ist. Die lineare
Stabilitätsanalyse liefert für die makroskopische Modellierung der Verkehrsabläufe im
Gleichgewichtszustand eine Stabilitätsbedingung.
Für die Kontinuitätsgleichung (5.2) und die Bewegungsgleichung (5.7) mit Berücksichtigung von Viskosität ist die Stabilität des Gleichgewichtszustands gewährleistet, wenn die
folgende Stabilitätsbedingung erfüllt ist [50]:
dV ()
c
d
1 2
L
2
(5.34)
Bei ruhenden Verkehrsabläufen ist die Geschwindigkeit v null. Bei freien Verkehrsabläufen ist die Geschwindigkeit v gleich der mittleren Wunschgeschwindigkeit v 0. In beiden
Fällen ist die Ableitung der Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () null. Die Stabilitätsbedingung ist erfüllt. Daher sind Gleichgewichtszustände für ruhende und freie
Verkehrsabläufe stabil. Bei weder ruhenden noch freien Verkehrsabläufen kann die
Ableitung der Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () nach der Dichte soweit
anwachsen, dass die Bedingung (5.34) nicht erfüllt ist. In diesem Fall sind Gleichgewichtszustände im Verkehrsablauf nicht stabil.
Instabilitäten, die in den makroskopisch modellierten Verkehrsabläufen auftreten können,
lassen sich als Verkehrsphänomene, wie Staus oder Stop–and–Go–Wellen, interpretieren. Die quantitative Bewertung, beispielsweise der Form oder des Verhaltens der
Instabilitäten lässt sich durch Simulationen einer numerischen Umsetzung der Modellierung verdeutlichen. Die Numerik beeinflusst die Stabilität der simulierten Verkehrszustände wesentlich. Daher wird in Kapitel 8 für die makroskopische Verkehrsmodellierung
eine numerische Störungsanalyse durchgeführt.
96
5 Makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Kenngrößen
Die Kenngrößen eines Verkehrsablaufs, wie die Verkehrsdichte, die Verkehrsstärke und
die mittlere Geschwindigkeit, ermöglichen eine quantitative Bewertung der Verkehrszustände. Die quantitative Bewertung ist abhängig von der Güte der Kenngrößen. Die
Kenngrößen eines Verkehrsablaufs lassen sich direkt mit den Zustandsgrößen einer
makroskopischen Verkehrsmodellierung vergleichen.
Bei einem Vergleich der makroskopisch modellierten Zustandsgrößen mit den Kenngrößen eines Verkehrsablaufs ergibt sich jedoch das Problem, dass zwar die Zustandsgrößen der Modellierung für jeden Ort zu jedem Zeitpunkt eindeutig definiert sind, die
entsprechenden Kenngrößen der Verkehrsabläufe aber nur für günstig gewählte Zeit–
und Ortsintervalle gültig sind. Aus diesem Grund sollte eine quantitative Bewertung einer
makroskopischen Verkehrsmodellierung weniger auf den genauen Werten der Kenngrößen, als vielmehr auf den Größenordnungen der Kenngrößen basieren.
Im Gegensatz zu den Zusammenhängen der Kenngrößen, die sich aus realen oder
mikroskopisch modellierten Verkehrsmessungen ergeben, lassen sich die Zusammenhänge der Zustandsgrößen einer makroskopischen Verkehrsmodellierung analytisch
untersuchen, da die Zusammenhänge durch die Bestimmungsgleichungen der makroskopischen Verkehrsmodellierung mathematisch exakt festgelegt sind.
6 Mesoskopische Modellierung von
Verkehrsabläufen
Eine mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt einer
Autobahn stellt eine Verbindung zwischen mikroskopischen und makroskopischen
Modellierungen der Verkehrsabläufe dar. Die Verbindung kann ein Übergang von einer
mikroskopischen Modellierung zu einer makroskopischen Modellierung der gleichen
Verkehrsabläufe sein, oder sie kann eine Kopplung aus mikroskopischen Modellierungen
und makroskopischen Modellierungen von Verkehrsabläufen sein.
In diesem Kapitel wird eine mesoskopische Modellierung als Übergang von einer
mikroskopischen zu einer makroskopischen Modellierung betrachtet. Eine derartige
mesoskopische Modellierung wurde 1971 von Prigogine [74] entwickelt. Sein Modellansatz basiert auf der Beschreibung eines Verkehrsablaufs als eine kompressible
Gasströmung in Form eines stochastischen Prozesses [37]. Mit Hilfe der Boltzmanngleichung [9] lässt sich die mikroskopische Beschreibung vieler einzelner Gasmoleküle auf
eine makroskopische Beschreibung der entsprechenden Gasströmung überführen.
Phillips [73] und Paveri–Fontana [71] haben diese Modellierung in den siebziger Jahren
weiterentwickelt. Helbing [38] führte 1997 eine dritte Bestimmungsgleichung für die
zeitliche Änderung der Geschwindigkeitsvarianz ein. Darüber hinaus berücksichtigte er
das anisotrope Verhalten, den endlichen Platzbedarf und das vorausschauende Fahren
der Kraftfahrzeuge. Die sehr umfangreiche Modellierung lässt sich mit vereinfachenden
Annahmen auf die Bestimmungsgleichungen (5.1) und (5.5) zurückführen [41].
Der Übergang von einer mikroskopischen zu einer makroskopischen Verkehrsmodellierung mit der Theorie stochastischer Prozesse ist sehr aufwendig. In diesem Kapitel wird
daher eine alternative Möglichkeit gezeigt. Dabei entspricht die mesoskopische
Verkehrsmodellierung der Integration einer mikroskopischen in eine makroskopische
Modellierung. Die Integration zeichnet sich durch einen ingenieurmäßigen Ansatz aus:
Zum einen entspricht die mikroskopische Modellierung der bereits aus dem vierten Kapitel
bekannten, regelbasierten Modellierung, und zum anderen ist die Integration der
individuellen Verhaltensweisen einzelner Kraftfahrzeuge in die makroskopischen Verkehrsabläufe anschaulich darstellbar. Die mesoskopische Verkehrsmodellierung ist eine
98
6 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
regelbasierte Modellierung, die sich durch einfache Regeländerungen erweitern lässt. Im
ersten Abschnitt dieses Kapitels sind die notwendigen Bestimmungsgleichungen gezeigt.
Im zweiten Abschnitt wird auf die modellierbaren Verkehrszustände eingegangen.
6.1 Bestimmungsgleichungen
In der hier vorgestellten mesoskopischen Verkehrsmodellierung werden die Verhaltensweisen von einem Verkehrsablauf in einem Fahrbahnabschnitt als ein Kontinuum
abgebildet. Analog zur makroskopischen Modellierung wird die Bewegung im Kontinuum
mit Hilfe von kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen beschrieben. Die Bestimmungsgleichungen der mesoskopischen Modellierung umfassen neben der Kontinuitätsgleichung und einer Bewegungsgleichung eine Abstands–Dichte–Relation. Die Abstands–
Dichte–Relation stellt einen Zusammenhang zwischen dem Abstand zweier aufeinander
folgender Kraftfahrzeuge und der Dichte im Verkehrsablauf her. Die Bestimmungsgleichungen werden im Abschnitt 6.1.1 für einen Fahrstreifen dargestellt und im Abschnitt
6.1.2 für mehrere Fahrstreifen erweitert. Die Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen der mesoskopischen Verkehrsmodellierung lassen sich wie die Anfangs–, Rand– und
Übergangsbedingungen einer makroskopischen Verkehrsmodellierung modellieren.
6.1.1 Bestimmungsgleichungen für einen Fahrstreifen
Wird die Bewegung eines Verkehrsablaufs auf einem Fahrstreifen betrachtet, so sind für
diesen Fahrstreifen die kontinuierlichen Verläufe der Zustandsgrößen Dichte, Geschwindigkeit und Abstand zu modellieren. Sie beziehen sich auf die Fahrtrichtung x des
Fahrstreifens und die Zeit t.
(x, t)
s (x, t)
v (x, t)
x
x
x
t
t
t
x
Abbildung 6.1: Kontinuierlicher Verkehrsablauf auf einem Fahrstreifen
Der Abstand wird mit einer Abstands–Dichte–Relation in Abhängigkeit vom Verlauf der
Dichte im Fahrbahnabschnitt bestimmt. Die Dichte wird mit der Kontinuitätsgleichung
bestimmt. Die Geschwindigkeit wird mit einer Bewegungsgleichung bestimmt.
Abstands–Dichte–Relation
Die Abstands–Dichte–Relation stellt einen Zusammenhang zwischen dem Abstand
zweier aufeinander folgender Kraftfahrzeuge in einer mikroskopischen Modellierung des
Verkehrsablaufs und der Dichte in einer makroskopischen Modellierung des Verkehrs-
6.1 Bestimmungsgleichungen
99
ablaufs her. In einer mikroskopischen Modellierung des Verkehrsablaufs ist der Abstand
zwischen zwei Kraftfahrzeugen die Differenz ihrer Positionen im Fahrbahnabschnitt.
Befindet sich zu einem Zeitpunkt t ein Kraftfahrzeug a am Ort x, dann befindet sich das
vorausfahrende Kraftfahrzeug b im Abstand s am Ort x s (Abbildung 6.2).
va
x
x
vb
a
b
1
xs
x
x
Abbildung 6.2: Abhängigkeit zwischen dem Abstand s zweier hintereinander fahrender Kraftfahrzeuge und der Dichte In einer makroskopischen Modellierung des Verkehrsablaufs lässt sich der Abstand s mit
Hilfe der Definition von Masse in einem eindimensionalen Kontinuum formulieren. Nach
(3.10) ist die Masse das Integral der Dichte über die Länge eines Ortsbereichs. Die
Masse wird in einer makroskopischen Verkehrsmodellierung als Anzahl von Kraftfahrzeugen aufgefasst. Die Anzahl der Kraftfahrzeuge im Ortsbereich von x bis x s ist eins.
Somit lässt sich der Abstand s zwischen den Kraftfahrzeugen durch die Bedingung
bestimmen, dass das Integral der Dichte über den Bereich von x bis x s eins ist:
s
(x , t) d 1
0,
s0
(6.1)
0
Die Bestimmungsgleichung (6.1) besitzt eine eindeutige Lösung. Daher ist an jedem Ort
x im Fahrbahnabschnitt zu einem Zeitpunkt t der Funktion (x, t) für die Dichte eindeutig
eine Funktion s (x, t) für den Abstand zugeordnet. Ist die Dichte im Bereich von x bis x s
konstant, dann ist der Abstand s 1.
Kontinuitätsgleichung
Die Kontinuitätsgleichung der mesoskopischen Modellierung entspricht der Kontinuitätsgleichung (5.1) einer makroskopischen Modellierung:
q
0
x
t
(6.2)
Sie gewährleistet den Erhalt der Masse im Verkehrsablauf auf dem Fahrstreifen eines
Fahrbahnabschnitts. Mit der Definition (3.12) des Massenflusses q v lässt sich die
Kontinuitätsgleichung als lokale und konvektive Änderung der Dichte formulieren:
v
v
x
x
t
(6.3)
100
6 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Es lässt sich zeigen, dass die Kontinuitätsgleichung konsistent zur Abstands–Dichte–Relation ist. Hierzu wird die zeitliche Änderung des Abstands s von einem Kraftfahrzeug am
Ort x zu einem Kraftfahrzeug am Ort x s betrachtet. Sie entspricht der Differenz der
Geschwindigkeiten von den Kraftfahrzeugen an den Orten x und x s:
ds v (x s, t) v (x, t)
dt
(6.4)
Die substantielle Ableitung dsdt lässt sich mit (4.1) als Summe eines lokalen und eines
konvektiven Anteils darstellen:
ds s dx s s v s
x
t
t
dt
dt x
(6.5)
Die Substitution von (6.5) liefert eine partielle Differentialgleichung für den Abstand
s (x, t):
s v s v (x s, t) v (x, t)
x
t
(6.6)
Die Ableitung st und sx lassen sich aus der Abstands–Dichte–Relation (6.1)
bestimmen. Hierzu werden die Dichte und die Geschwindigkeit v am Ort x in eine
Taylor–Reihe entwickelt:
(x , t) n0
n n
n! x n
v (x , t) n0
n nv
n! x n
(6.7)
Die Substitution der Taylor–Reihe für die Dichte in die Abstands–Dichte–Relation (6.1)
führt nach Integration zu folgender Gleichung:
n1
s n n1 1
n! x n1
(6.8)
Die partiellen Ableitungen der Gleichung (6.8) nach x und t liefern folgende Ausdrücke für
die Ableitungen sx und st:
s 1
x
N
s 1
t
N
N
n0
n1
n1
sn n
n! x n
s n n1 n! t x n1
sn n
n! x n
(6.9)
(6.10)
(6.11)
6.1 Bestimmungsgleichungen
101
Die Ausdrücke (6.9), (6.10) und (6.11) werden in die Abstandsgleichung (6.6) eingesetzt.
Nach Multiplikation mit –N ergibt sich folgende Gleichung:
n1
sn
n!
n1 v n t x n1
x n
n1
s n n v
n! x n
n0
s n n 0
n! x n (6.12)
Durch Umformung dieser Gleichung nach Potenzen von s und durch Anwendung der
binomischen Formeln für die Ableitungen des Produktes v folgt:
n1
s n n1 ( v) 0
x
n! x n1 t
(6.13)
Gilt die Kontinuitätsgleichung (6.2), so ist auch die Gleichung (6.13) für beliebige
Potenzen s n erfüllt.
Bewegungsgleichung
In einer mikroskopischen Modellierung ist die zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit v
gleich der Beschleunigung a (x, t) eines Kraftfahrzeugs am Ort x zum Zeitpunkt t:
dv a (x, t)
dt
(6.14)
Die substantielle Ableitung dvdt lässt sich mit (4.1) als Summe eines lokalen und eines
konvektiven Anteils darstellen:
dv v dx v v v v
x
t
t
dt
dt x
(6.15)
Die Substitution von (6.15) liefert eine partielle Differentialgleichung für die Geschwindigkeit v (x, t):
v v v a (x, t)
x
t
(6.16)
Die Beschleunigung a (x, t) setzt sich nach Gleichung (4.12) aus einem Anpassungsterm
und einem Bremsterm zusammen. Der Anpassungsterm stellt die Anpassung der
Geschwindigkeit v an eine abstandsabhängige Geschwindigkeit V s (s) über eine
Anpassungszeit dar. Der Bremsterm dient der Vermeidung von Auffahrunfällen:
V s (s) v (x, t)
(v (x s, t) v (x, t)) 2
(v (x, t) v (x s, t))
sl
v (x, t) V s (s)
a (x, t) (6.17)
102
6 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
Die Geschwindigkeitsdifferenz v (x s, t) v (x, t) des Bremsterms lässt sich durch
s vx approximieren:
a (x, t) V s (s) v (x, t)
s 2 v
s l x
2
s v v (x, t) V s (s) (6.18)
x
Die Geschwindigkeit V s (s) in Abhängigkeit vom Abstand s entspricht der Geschwindigkeit V sa (x a ) in Abhängigkeit vom Abstand x a (t) x b (t) x a (t) zwischen einem
Kraftfahrzeug a und dem vorausfahrenden Kraftfahrzeug b. Die Geschwindigkeits–Abstands–Relation V sa (x a ) ist in Abschnitt 4.2 erläutert.
6.1.2 Bestimmungsgleichungen für mehrere Fahrstreifen
Die Bewegung eines Verkehrsablaufs in einem Fahrbahnabschnitt mit mehreren
Fahrstreifen wird analog zur makroskopischen Modellierung durch mehrere Bestimmungsgleichungen für die kontinuierlichen Verläufe der Zustandsgrößen auf jedem
Fahrstreifen des Fahrbahnabschnitts modelliert (Abbildung 5.2).
Aufgrund von Fahrstreifenwechseln der Kraftfahrzeuge in einem Fahrbahnabschnitt
kommt es zum Austausch von Masse zwischen den zugehörigen Fahrstreifen. Die
Massenänderungen, die sich daraus für eine Fahrstreifen y ergeben, werden wie in
Abschnitt 5.1.2 als erweiterte Kontinuitätsgleichung (5.8) für den Fahrstreifen y modelliert:
y (x, t) q y (x, t)
m
y (x, t) m y (x, t)
x
t
(6.19)
Die Massenänderung m y (x, t) ist wie in Abschnitt 5.1.2 entweder eine räumlich konstante
Massenänderung (5.9) oder eine räumlich variable Massenänderung (5.15).
Räumlich konstante Massenänderung
Eine räumlich konstante Massenänderung auf einem Fahrstreifen y wird durch eine
räumliche Verteilung von zu– oder abnehmenden Massenfluss q y (x, t) an einem festen
Ort x auf dem Fahrstreifen y modelliert. Die räumlich konstante Massenänderung
ermöglicht die Modellierung von Verkehrsabläufen an Ein– und Ausfahrten.
Räumlich variable Massenänderung
Eine räumlich variable Massenänderung auf einem Fahrstreifen y wird durch eine zeitliche
Verteilung von zu– oder abnehmender Dichte y (x, t) modelliert. Die räumlich variable
Massenänderung ermöglicht die Modellierung von Verkehrsabläufen bei Fahrstreifenwechseln im Fahrbahnabschnitt oder an Einfahrten und Engstellen. Ein Fahrstreifenwechsel im Fahrbahnabschnitt wird beispielsweise wie in der Gleichung (5.16) der
makroskopischen Modellierung formuliert:
y (x, t) q y (x, t)
y (x, t)
y (x, t)
y (x, t)
y (x, t)
x
t
t y1 , y
t y1 , y
t y , y1
t y , y1
(6.20)
6.1 Bestimmungsgleichungen
103
Die zeitliche Verteilung einer räumlich variablen Massenänderung wird vereinfachend als
Rechteckverteilung modelliert. Die Dauer t y1 , y2 der zeitlichen Verteilung für eine
Massenänderung von einem Fahrstreifen y1 zu einem Fahrstreifen y2 muss nicht wie in
der makroskopischen Modellierung geschätzt oder empirisch ermittelt werden.
Durch die Berücksichtigung des Abstands in der mesoskopischen Modellierung ist es
möglich, wie in der Gleichung (4.18) der mikroskopischen Modellierung die Bedingungen
für einen Fahrstreifenwechsel zu jedem Zeitpunkt t durch eine Regel A für das Überholen
und eine Regel B für das Zurückscheren zu modellieren.
Für die Regeln A und B ist sowohl der Abstand in Fahrtrichtung zum vorausfahrenden
Kraftfahrzeug als auch der Abstand entgegen der Fahrtrichtung zum nachfolgenden
Kraftfahrzeug erforderlich. Der Abstand s y (x, t) in Fahrtrichtung an einem Ort x auf dem
Fahrstreifen y zu einem Zeitpunkt t entspricht dem Abstand s y (x, t). Der Abstand s y (x, t)
gegen die Fahrtrichtung am Ort x auf dem Fahrstreifen y zum Zeitpunkt t ist dadurch
bestimmt, dass das Integral der Dichte über den Bereich von x s y bis x eins ist:
xs y
x
(, t) d 1
(, t) d 1
(6.21)
xs y
x
Regel A: Überholen
Zu einem Zeitpunkt t erfolgt an einem Ort x eine Massenabnahme vom Fahrstreifen y zu
dem von ihm linken Fahrstreifen y+1, wenn die folgenden drei Bedingungen erfüllt sind:
1. Die mittlere Wunschgeschwindigkeit v 0y auf dem Fahrstreifen y wird aufgrund des Abstands s y in Fahrtrichtung nicht erreicht:
v 0y V sy s
y (6.22)
2. Der Abstand s y1 (x, t) in Fahrtrichtung auf dem linken Fahrstreifen wird mit der Geschwindigkeit v y (x, t) sicher eingehalten:
v y (x, t) V sy s y1
(6.23)
3. Der Abstand s y1 gegen die Fahrtrichtung auf dem linken Fahrstreifen wird mit der
Geschwindigkeit v y1 (x, t) sicher eingehalten:
v y1 (x, t) V sy1 s y1
(6.24)
Regel B: Zurückscheren
Zu einem Zeitpunkt t erfolgt an einem Ort x eine Massenabnahme vom Fahrstreifen y zu
dem von ihm rechten Fahrstreifen y–1, wenn die folgenden zwei Bedingungen erfüllt sind:
104
6 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
1. Der Abstand s y1 in Fahrtrichtung auf dem rechten Fahrstreifen wird mit der Geschwindigkeit v y (x, t) sicher eingehalten:
v y (x, t) V sy s y1
(6.25)
2. Der Abstand s y1 gegen die Fahrtrichtung auf dem rechten Fahrstreifen wird mit der
Geschwindigkeit v y1 (x, t) sicher eingehalten:
v y1 (x, t) V sy1 s y1
(6.26)
Anwendung der Regeln
Werden die Regeln A oder B zu einem Zeitpunkt t wirksam, beginnt die zeitliche
Verteilung, und werden die Bedingungen zu einem späteren Zeitpunkt unwirksam, endet
die zeitliche Verteilung. Der Kehrwert der Dauer t y , y1 für die Massenabnahme von
einem Fahrstreifen y zum linken Fahrstreifen y+1 beziehungsweise rechten Fahrstreifen
y–1 wird durch Anwendung von Heaviside–Funktionen auf die Regel A beziehungsweise
auf die Regel B modelliert:
1t y , y1 v 0 V sy s y s
V sy s y1 v y V y1 s y1 v y1
s
1t y , y1 V sy s
y1 v y V y1 s y1 v y1
(6.27)
(6.28)
Wird die Heaviside–Funktion als Sprungfunktion (4.10) formuliert, so ergibt sich eine
Rechteckverteilung für die zeitliche Verteilung der Massenänderung. Die Massenänderung findet entweder mit einer zu– beziehungsweise abnehmenden Dichte y (x, t) statt
oder sie findet nicht statt. Diese scharf abgegrenzte Form der Modellierung eines
Verkehrsablaufs auf einem Fahrstreifen führt zu unstetigen Änderungen der Beschleunigung a y (x, t). Soll dieser Modellcharakter vermieden werden, so lässt sich die
Heaviside–Funktion als kontinuierliche Funktion im Sinne einer “Fuzzyfizierung” formulieren. Dadurch lassen sich die räumlich variablen Massenänderungen weicher als mit den
harten Bedingungen einer Sprungfunktion formulieren.
6.2 Verkehrszustände
Die Verkehrszustände, die sich aus der mesoskopischen Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn ergeben, sind auf ihre Korrektheit
zu prüfen. Eine qualitative Bewertung der Verkehrszustände erfolgt analog zur
mikroskopischen und makroskopischen Modellierung auf der Basis einer Stabilitätsanalyse für einen Gleichgewichtszustand. Eine quantitative Bewertung ist mit Hilfe der
Kenngrößen der Verkehrsabläufe möglich.
6.2 Verkehrszustände
105
Gleichgewichtszustand
Ein Verkehrszustand in einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn heißt Gleichgewichtszustand, wenn sich die Geschwindigkeit im gesamten Fahrbahnabschnitt zeitlich und
räumlich nicht ändert. Für diesen Fall ergeben sich folgende Lösungen der Bestimmungsgleichungen (6.1), (6.2) und (6.16) mit der Beschleunigung (6.18) auf einem Fahrstreifen
im Fahrbahnabschnitt:
v (x, t) v 0 V s (s)
(6.29)
(x, t) 0 (x v 0 t)
(6.30)
s (x, t) s 0 (x v 0 t)
(6.31)
s0
0 (x )
d 1
(6.32)
0
Es können zwei verschiedene Formen des Gleichgewichtszustands auftreten:
1. Die Geschwindigkeit v 0 ist an jedem Ort des Fahrbahnabschnitts gleich der mittleren
Wunschgeschwindigkeit v 0. Die Abstände s 0 können verschieden sein:
v0v0
s0 lv0T
(6.33)
2. Die Geschwindigkeit v 0 ist kleiner als die mittlere Wunschgeschwindigkeit v 0. Dann
sind die Abstände s 0 an jedem Ort des Fahrbahnabschnitts gleich und die Dichte 0
ist der konstante Kehrwert des Abstands s 0:
v0v0
s0 lv0T
0 1 s 0
(6.34)
Im Gleichgewichtszustand ist der Abstand s des betrachteten Verkehrsablaufs entweder
größer (Fall1) oder gleich (Fall 2) dem Sicherheitsabstand. Ein kleinerer Abstand als der
Sicherheitsabstand wird im Gleichgewichtszustand nicht erreicht, so dass für den
Gleichgewichtszustand der Bremsterm vernachlässigt werden kann. Die gleichbleibende
Geschwindigkeit v des Verkehrsablaufs im Gleichgewichtszustand entspricht genau der
mittleren Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (x).
Stabilität
Ein Gleichgewichtszustand heißt stabil, wenn kleine Störungen des Gleichgewichtszustands mit zunehmender Zeit nicht anwachsen. Andernfalls heißt der Gleichgewichtszustand instabil. Die Stabilität kann auf der Grundlage einer linearen Stabilitätsanalyse
analytisch bestimmt werden. Die lineare Stabilitätsanalyse liefert für die mesoskopische
Modellierung der Verkehrsabläufe auf einem Fahrstreifen im Fahrbahnabschnitt eine
Stabilitätsbedingung. Danach ist die Stabilität eines Gleichgewichtszustands gewährlei-
106
6 Mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen
stet, wenn die Ableitung der Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (s) nach dem
Abstand s nicht größer als der Kehrwert der doppelten Anpassungszeit ist:
dV s (s)
1
2
ds
(6.35)
Die Stabilitätsbedingung (6.35) für den Gleichgewichtszustand in der mesoskopischen
Verkehrsmodellierung ist identisch mit der Stabilitätsbedingung (4.32) für den Gleichgewichtszustand in der mikroskopischen Verkehrsmodellierung. Demnach sind die Gleichgewichtszustände für ruhende und freie Verkehrsabläufe stabil. Für dichte Verkehrsabläufe, wo die Ableitung der Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (s) nach dem
Abstand s bis auf über 1 (2 ) anwachsen kann, sind die Gleichgewichtszustände nicht
stabil.
Instabilitäten, die in mesoskopisch modellierten Verkehrsabläufen auftreten können,
deuten auf Verkehrsphänomene wie Staus oder Stop–and–Go–Wellen hin. Die quantitative Bewertung beispielsweise der Form oder des Verhaltens der Instabilitäten lässt sich
durch Simulationen einer numerischen Umsetzung der Modellierung verdeutlichen. Die
Numerik beeinflusst die Stabilität der simulierten Verkehrszustände wesentlich. Daher
wird in Kapitel 8 auch für die mesoskopische Verkehrsmodellierung eine numerische
Störungsanalyse durchgeführt.
Kenngrößen
Die Kenngrößen eines Verkehrsablaufs wie die Verkehrsdichte, die Verkehrsstärke und
die mittlere Geschwindigkeit, ermöglichen eine quantitative Bewertung der Verkehrszustände. Die quantitative Bewertung ist abhängig von der Güte der Kenngrößen. Die
Kenngrößen eines Verkehrsablaufs lassen sich direkt mit den Zustandsgrößen einer
mesoskopischen Verkehrsmodellierung vergleichen.
Bei einem Vergleich der mesoskopisch modellierten Zustandsgrößen mit den Kenngrößen eines Verkehrsablaufs ergibt sich jedoch wie für die makroskopische Verkehrsmodellierung das Problem, dass zwar die Zustandsgrößen der Modellierung für jeden Ort zu
jedem Zeitpunkt eindeutig definiert sind, die entsprechenden Kenngrößen der Verkehrsabläufe aber nur für günstig gewählte Zeit– und Ortsintervalle gültig sind. Aus diesem
Grund sollte eine quantitative Bewertung einer mesoskopischen Verkehrsmodellierung
weniger auf den genauen Werten der Kenngrößen, als vielmehr auf den Größenordnungen der Kenngrößen basieren.
Im Gegensatz zu den Zusammenhängen der Kenngrößen, die sich aus realen oder
mikroskopisch modellierten Verkehrsmessungen ergeben, lassen sich die Zusammenhänge der Zustandsgrößen einer mesoskopischen Verkehrsmodellierung analytisch
untersuchen, da sie durch die Bestimmungsgleichungen der mesoskopischen Verkehrsmodellierung mathematisch exakt festgelegt sind.
7 Numerische Umsetzung
Die Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes hat
zu nichtlinearen Differentialgleichungen mit entsprechenden Anfangs– und Randbedingungen geführt. Diese Anfangs– und Randwertaufgaben besitzen für praktische Anwendungsfälle keine analytische Lösung. Eine Approximation einer Lösung kann mit numerischen Verfahren bestimmt werden.
Es gibt eine Vielzahl verschiedener numerischer Verfahren, um die Lösung von Anfangs–
und Randwertaufgaben zu approximieren. Die Verfahren sind nicht beliebig wählbar, sondern müssen der jeweiligen Modellierung so angepasst sein, dass sie die Modellgleichungen konsistent wiedergeben. Es ist aber auch nicht so, dass nur eine numerische Umsetzung für eine Modellierung geeignet ist. Vielmehr lässt sich eine Modellierung
beispielsweise mit einem Finite–Differenzen–Verfahren, einem Finite–Elemente–Verfahren oder einem Verfahren auf Basis zellularer Automaten in gleicher Qualität lösen. Um
festzustellen, ob ein numerisches Verfahren für eine Verkehrsaufgabe geeignet ist, muss
das numerische Verfahren implementiert werden. Die Anwendung einer solchen Implementierung auf Verkehrsabläufe wird als Simulation der Verkehrsabläufe bezeichnet.
Mit einer Verkehrssimulation lässt sich das Verhalten einer numerischen Umsetzung auf
eine kleine Störung in einem Gleichgewichtszustand eines Verkehrsablaufs quantitativ
bestimmen. Diese Untersuchung erfolgt analog zu einer analytischen Stabilitätsanalyse
mit einer numerischen Störungsanalyse. Mit einem Vergleich von Ergebnissen einer Verkehrssimulation mit Ergebnissen einer Verkehrsmessung lässt sich untersuchen, ob Verkehrsphänomene, die in der Messung zu beobachten sind, in der Modellierung der
Verkehrsabläufe und ihrer numerischen Umsetzung reproduziert werden können.
Im ersten Abschnitt dieses Kapitels werden Grundlagen zur numerischen Umsetzung von
Verkehrsmodellierungen dargestellt. Dabei wird auf unterschiedliche numerische Verfahren eingegangen. In den darauf folgenden drei Abschnitten werden anhand von Beispielen die numerischen Umsetzungen mikroskopischer, makroskopischer und mesoskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen auf einem Fahrbahnabschnitt in einem
Autobahnnetz dargestellt. Die Anzahl der Fahrstreifen im Fahrbahnabschnitt wird dabei
auf einen beschränkt. Numerische Störungsanalysen und Vergleiche von Simulations–
und Messergebnissen werden in Kapitel 8 beschrieben.
108
7 Numerische Umsetzung
7.1 Grundlagen
Die numerische Umsetzung einer Modellierung von Verkehrsabläufen entspricht einer
Überführung der kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen der Modellierung in diskrete
Bestimmungsgleichungen. Hierzu wird eine geeignete Diskretisierung der Zeit und des
Raums durchgeführt. Auf der Grundlage dieser Diskretisierung lässt sich eine numerische
Approximation der kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen durchführen. Sie liefert die
diskreten Bestimmungsgleichungen. Durch eine Implementierung der diskreten Bestimmungsgleichungen ergibt sich die Simulation, mit der sich Vergleichs– und Prognoserechnungen durchführen lassen.
Im Folgenden wird aufbauend auf den kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen die Diskretisierung der Zeit und des Raums erläutert. Anschließend werden numerische Verfahren aufgezeigt, die die kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen zeitlich beziehungsweise räumlich approximieren.
7.1.1 Diskretisierung
Die Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes
führt in der Regel zu kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen mit entsprechenden Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen. Im vierten, fünften und sechsten Kapitel sind
kontinuierliche Bestimmungsgleichungen für mikroskopische, makroskopische und
mesoskopische Verkehrsmodellierungen aufgezeigt.
Die kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen (4.1) bis (4.2) der mikroskopischen Verkehrsmodellierung sind zeitabhängige gewöhnliche Differentialgleichungen, die für jedes
Kraftfahrzeug im betrachteten Verkehrsablauf zu lösen sind. Die Bestimmung der Zustandsgrößen eines Kraftfahrzeugs zu einem Zeitpunkt erfordert eine zeitliche Diskretisierung. Zu den Zustandsgrößen gehört die Position des Kraftfahrzeugs. Sie kann bei der
numerischen Umsetzung kontinuierlich im Fahrbahnabschnitt abgebildet werden und erfordert daher nicht notwendigerweise eine räumliche Diskretisierung.
Die kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen (5.2) und (5.3) der makroskopischen Verkehrsmodellierung sowie die kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen (6.2) und (6.16)
der mesoskopischen Verkehrsmodellierung sind zeit– und ortsabhängige partielle Differentialgleichungen, die für den betrachteten Verkehrsablauf zu lösen sind. Die Bestimmung der Zustandsgrößen eines Verkehrsablaufs zu einem Zeitpunkt an einem Ort erfordert eine zeitliche und räumliche Diskretisierung.
7.1 Grundlagen
109
Zeitliche Diskretisierung
Die zeitliche Diskretisierung erfolgt durch Unterteilung des Zeitraums ab einem Anfangszeitpunkt t 0 in i 1, 2, Zeitintervalle der Länge t i. Dabei entstehen Zeitpunkte t i vom
Zeitpunkt t 0 bis zum Ende des betrachteten Zeitraums.
t
t0
Unterteilung in Zeitintervalle
0
1
2
i–2
i–1
i
i+1
t
t
t
t
1
0
t
1
t
2
t
2
t
t
i1
i2
t
i1
t
i
t
i1
i
t i1
Abbildung 7.3: Diskretisierung der Zeit
Räumlich Diskretisierung
Die räumliche Diskretisierung eines Fahrbahnabschnitts mit der Länge L erfolgt gemäß
Abschnitt 3.2 durch Zerlegung des Abschnitts in n Segmente j 1, 2, der Länge x j
und n+1 Querschnitte x j vom Anfang x 0 bis zum Ende x n des Fahrbahnabschnitts.
(x, t) v (x, t)
L
Unterteilung in Segmente
0
1
1
x 1
x0
2
x 2
x1
ËËË
ËËË
j–1
j–1
j
j
j+1
ËËË
ËËË
2
j–2
j+1
x2
x j1 x j
x j1
x j2 x j1 x j
x j1
n–2
n–1
n–1
n
n
x n1 x n
x n2 x n1 x n
Abbildung 7.1: Diskretisierung eines Fahrbahnabschnitts
Für den diskretisierten Lösungsraum werden die zu bestimmenden Zustandsgrößen als
Unbekannte eingeführt und in Form eines Zustandsvektors u ij dargestellt. Der hochgestellte Index i kennzeichnet den Zeitpunkt des Zustandsvektors u. Der tiefgestellte Index
j kennzeichnet entweder das Segment oder den Querschnitt für den Zustandsvektor u.
7.1.2 Numerische Verfahren
Auf der Grundlage der Diskretisierung des Lösungsraums werden diskrete Bestimmungsgleichungen für die unbekannten Zustandsgrößen mit Hilfe numerischer Verfahren aufgestellt. Es existieren zahlreiche numerische Verfahren, die zu einer zeitlichen und räumlichen Approximation entsprechender Differentialgleichungen führen. Ein umfangreicher
110
7 Numerische Umsetzung
Überblick über numerische Verfahren ist zum Beispiel in [28] oder [60] aufgezeigt. Die Anwendung dieser Verfahren kann lediglich exemplarisch in den Abschnitten 7.2, 7.3 und 7.4
für die mikroskopische, makroskopische und mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt einer Autobahn gezeigt werden.
Zeitliche Approximation
Die zeitlichen Approximation der Bestimmungsgleichungen wird in der Regel mit Zeitschrittverfahren durchgeführt. Die Zeitschrittverfahren berechnen die unbekannten Zustandsgrößen der entsprechenden Differentialgleichungen sukzessive Zeitschritt für
Zeitschritt. Zeitschrittverfahren werden in explizite und implizite Verfahren sowie in Mehrschritt– und Einschrittverfahren unterschieden:
Explizite Zeitschrittverfahren berechnen die unbekannten Zustandsgrößen u i1 zu
einem Zeitpunkt t i1 nur aus den bekannten Zustandsgrößen u in zu vergangenen
Zeitpunkten t in (n 0, 1, 2, ). Dadurch reduziert sich das Lösen der Differentialgleichungen auf die Auswertung eines Differentialausdrucks.
Implizite Zeitschrittverfahren berechnen die unbekannten Zustandsgrößen u i1 zu
einem Zeitpunkt t i1 sowohl aus den bekannten Zustandsgrößen u in zu vergangenen Zeitpunkten t in (n 0, 1, 2, ) als auch aus den unbekannten Zustandsgrößen
u i1 zum Zeitpunkt t i1. Implizite Zeitschrittverfahren erfordern die Lösung eines
Differentialgleichungssystems.
Einschrittverfahren berechnen die unbekannten Zustandsgrößen u i1 zu einem Zeitpunkt t i1 im expliziten Fall ausschließlich aus den bekannten Zustandsgrößen u i
zum Zeitpunkt t i. Im impliziten Fall werden zusätzlich die unbekannten Zustandsgrößen u i1 zum Zeitpunkt t i1 berücksichtigt. Zu den Einschrittverfahren zählen insbesondere Euler–Verfahren, Runge–Kutta–Verfahren oder Taylor–Verfahren.
Mehrschrittverfahren berechnen die unbekannten Zustandsgrößen u i1 zu einem
Zeitpunkt t i1 im expliziten Fall aus den bekannten Zustandsgrößen u in zu weiter
zurückliegenden Zeitpunkten t in (n 0, 1, 2, ). Im impliziten Fall werden zusätzlich
die unbekannten Zustandsgrößen u i1 zum Zeitpunkt t i1 berücksichtigt. Zu den
Mehrschrittverfahren zählen insbesondere numerische Integrationen oder Leap–
Frog–Verfahren.
Im Abschnitt 7.2 werden für die numerische Umsetzung der mikroskopischen Verkehrsmodellierung explizite Einschrittverfahren erläutert. Diese Zeitschrittverfahren lassen sich
nicht nur auf die mikroskopische Verkehrsmodellierung, sondern auch auf die makroskopische Verkehrsmodellierung in Abschnitt 7.3 und die mesoskopische Verkehrsmodellierung in Abschnitt 7.4 anwenden. Implizite Einschrittverfahren sind für Verkehrsmodellierungen anwendbar, sie werden im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht berücksichtigt.
7.1 Grundlagen
111
Räumliche Approximation
Die räumliche Diskretisierung erfolgt in der Regel mit den Methoden der finiten Volumen,
der finiten Differenzen oder der finiten Elemente:
Bei der Methode der finiten Volumen wird der Verlauf der unbekannten Zustandsgrößen durch stückweise konstante Funktionen auf Teilvolumen ersetzt. Zwischen benachbarten Teilvolumen wird für jede Zustandsgröße eine Bilanzgleichung aufgestellt.
Sie basiert auf den Erhaltungssätzen für die entsprechende Zustandsgröße.
1
2
x
x
ËËËË
x0
x1
x2
u (x)
u2
u1
i–1
i
i+1
x
x
x
x i2
u i1
x i1
ui
xi
ËËËË
x i1
n–1
n
x
x
x n2
u n1
u i1
x n1
xn
un
x
Abbildung 7.2: Prinzip der Methode der finiten Volumen
Für Verkehrsabläufe gilt zwar der Massenerhalt beziehungsweise der Erhalt der Vehikelanzahl, aber kein Impuls– oder Energieerhalt (siehe Abschnitt 2.1.3). Daher ist die
Methode der finiten Volumen zur Modellierung von Verkehrsabläufen nicht geeignet.
Bei der Methode der finiten Differenzen wird der Verlauf der unbekannten Zustandsgrößen für Werte an diskreten Punkten auf einem Gitter bestimmt. Zwischen benachbarten Gitterpunkten werden die Differentialquotienten durch entsprechende Differenzenquotienten ersetzt. Üblicherweise entsprechen auch Zeitschrittverfahren einem
Finite–Differenzen–Verfahren.
1
2
x
x
x0
x1
u (x)
u1
u
0
ËËËË
x2
u2
i–1
i
i+1
x
x
x
x i2
u i2
x i1
u i1
xi
ËËËË
x i1
n–1
n
x
x
x n2
x n1
xn
un
ui
u i1
u n2
Abbildung 7.3: Prinzip der Methode der finiten Differenzen
u n1
x
112
7 Numerische Umsetzung
In der numerischen Umsetzung einer Modellierung von Verkehrsabläufen in einem eindimensionalen Verkehrsgebiet eines Fahrbahn– oder Fahrstreifenabschnitts entsprechen die Gitterpunkte den Fahrbahnquerschnitten. Bisher wird nahezu ausschließlich
die Methode der finiten Differenzen zur numerischen Umsetzung von Verkehrsmodellierungen verwendet.
Bei der Methode der finiten Elemente wird der Verlauf der unbekannten Zustandsgrößen durch einfache Funktionen approximiert. Für diese Funktionen wird gefordert,
dass sie so nahe wie möglich an den tatsächlichen Verlauf herankommen.
1
2
x
x
x0
x1
u (x)
u1
u
0
ËËËË
ËËËË
x2
u2
i–1
i
i+1
x
x
x
x i2
u i2
x i1
u i1
xi
ËËËË
ËËËË
x i1
n–1
n
x
x
x n2
x n1
xn
un
ui
u i1
u n2
u n1
x
Abbildung 7.4: Prinzip der Methode der finiten Elemente
In der numerischen Umsetzung einer Modellierung von Verkehrsabläufen in einem
Fahrbahnabschnitt bietet es sich an, die Approximationsfunktionen stückweise auf die
Fahrbahnsegmente zu begrenzen.
Die Methode der finiten Elemente wird exemplarisch im Abschnitt 7.3 zur räumlichen Approximation der Bestimmungsgleichungen in der makroskopischen Verkehrsmodellierung erläutert. Die Methode der finiten Differenzen wird exemplarisch im Abschnitt 7.4 zur
räumlichen Approximation der Bestimmungsgleichungen in der mesoskopischen Verkehrsmodellierung erläutert.
7.2 Numerische Umsetzung mikroskopischer Modellierungen
Die numerische Umsetzung mikroskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen im
Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes wird anhand von Zeitschrittverfahren zur
Lösung der mikroskopischen Verkehrsmodellierung in Kapitel 4 erläutert. Die Verkehrsmodellierung entspricht einem Anfangswertproblem für jedes Kraftfahrzeug im betrachten Fahrbahnabschnitt. Sie umfasst für ein Kraftfahrzeug a die gewöhnlichen Differentialgleichungen (4.1) und (4.2) für die zeitliche Änderung seiner Position, für die zeitliche
Änderung seiner Geschwindigkeit sowie die Beschleunigungsgleichung (4.9):
dx a (t)
v a (t)
dt
(7.1)
7.2 Numerische Umsetzung mikroskopischer Modellierungen
113
dv a (t)
a a (t)
dt
(7.2)
v 0a v a (t)
1 v 0a V sa (x a ) 0a
V s (x a ) v a (t)
a
v 0a V sa (x a ) sa
a a (t) v a (t) 2
x a (t) l b
(7.3)
( v a (t)) v a (t) V sa (x a )
Zur Modellierung eines Verkehrsablaufs im Fahrbahnabschnitt wird nicht nur ein Kraftfahrzeug betrachtet, sondern die Interaktion aller Kraftfahrzeuge im Verkehrsablauf, so
dass ein System gekoppelter gewöhnlicher Differentialgleichungen für alle Kraftfahrzeuge entsteht.
7.2.1 Explizite Zeitschrittverfahren
Explizite Zeitschrittverfahren sind für die numerische Lösung von zeitabhängigen gewöhnlichen Differentialgleichungen geeignet. Zahlreiche explizite Zeitschrittverfahren
stehen in einer standardisierten Form zur Verfügung. Zur Anwendung der Zeitschrittverfahren werden die Differentialgleichungen (7.1) bis (7.3) für ein Kraftfahrzeug a allgemein
formuliert:
du(t)
F (u (t))
dt
u (t) x a (t)
mit
v a (t)
T
u (t 0 ) u 0
F (u (t)) v a (t)
(7.4)
a a (t)
T
Zur Lösung dieses Anfangswertproblems wird die Zeit wie in Abschnitt 7.1.1 diskretisiert.
Die numerische Näherung der zeitlichen Ableitung des Zustandsvektor u im Zeitintervall
von t i bis t i t i basiert auf einer Taylorreihenentwicklung der gesuchten Lösung u i1:
du (t i ) (t i ) 2 d 2 u (t i ) (t i ) 3 d 3 u (t i )
dt
2
3!
dt 2
dt 3
. i
(t i ) 2 .. i
(t i ) 3
u i1 u i t i u u (u i ) (3) 2
3!
u (t i1 ) u (t i ) t i
(7.5)
Dabei wird vorausgesetzt, dass die Taylorreihe gegen die exakte Lösung u i1
konvergiert. Die Ableitungen mit einer höheren Ordnung als die Ordnung der Differentialgleichung sind unbekannt. Daher wird die Taylorreihe vor dem Term mit der Ableitung der
Differentialgleichungsordnung abgebrochen und um einen Korrekturterm k erweitert.
~ i1
Somit lautet die zeitliche Approximation der numerischen Lösung u
für Differentialgleichungen erster Ordnung:
~
u
i1
uik
(7.6)
114
7 Numerische Umsetzung
Explizites Euler–Verfahren
Der Korrekturterm k in der Gleichung (7.6) ist eine Näherung für den Rest der Taylorreihe.
Die einfachste Näherung ist die Beschreibung von k durch den nächsten Term der Taylorreihe. Dieser entspricht dem Differenzenquotient t i F (t i, u i ). Es ergibt sich das klassische explizite Euler–Verfahren:
~
u
i1
u i t i F (t i, u i )
(7.7)
Grafisch entspricht der Korrekturterm k der Tangentensteigung von u im Punkt (t i, u i ).
u
u i1
~
i1
u
ui
exakte Lösung
t i t i, u i k k t i F t i, u i t i, u i t
i
t
i1
Abbildung 7.5: Prinzip des expliziten Euler–Verfahrens
~
i1
und dem tatsächlichen Zustandsvektor
Zwischen dem berechneten Zustandsvektor u
i1
i1
u
zum Zeitpunkt t
ergibt sich ein Fehler. Dieser lokale Approximationsfehler ist
umso größer, je steiler die exakte Lösung im Zeitintervall anwächst. Die Fehlerordnung
des lokalen Approximationsfehlers entspricht der Ordnung des ersten nicht berücksichtigten Terms in der Taylorreihe. Für das explizite Euler–Verfahren ist sie quadratisch:
~
u
i1
u (t i1) O (t i )
2
(7.8)
Der Approximationsfehler wächst bei weiteren Zeitschritten (n 1), da dann die
~ in
fehlerhaften Werte F (u
) benutzt werden. Für das explizite Euler–Verfahren ist die
Fehlerordnung dieses globalen Approximationsfehlers linear [15]:
~
u
in
u (t in) O (t i )
n 2, 3, (7.9)
Der Approximationsfehler eines Zeitschrittverfahrens lässt sich verringern, indem entweder die Zeitschrittlänge verringert oder die Fehlerordnung erhöht wird.
Explizites Runge–Kutta–Verfahren
Eine Erhöhung der Fehlerordnung des Approximationsfehlers läßt sich in einem expliziten
Runge–Kutta–Verfahren erreichen. In diesem Verfahren wird der Korrekturterm k durch
eine Linearkombination von beliebig vielen Steigungen k j beschrieben:
k 1 k 1 2 k 2 3 k 3 (7.10)
7.2 Numerische Umsetzung mikroskopischer Modellierungen
115
Die Steigungen k j werden nach folgendem Konstruktionsschema bestimmt:
k 1 t i F (t i
k 2 t
iF
, ui
)
(t 2 t , u 21 k 1
i
i
i
)
k 3 t F (t 3 t , u 31 k 1 32 k 2 )
i
i
i
i
(7.11)
Die Konstanten j, jk und j in den Gleichungen (7.10) und (7.11) sind so zu bestimmen, dass die numerische Lösung mit möglichst wenig Steigungsberechnungen der Taylorreihe bis zu einer möglichst hohen Ordnung entspricht. Die Bestimmung erfolgt durch
Koeffizientenvergleich des numerischen Ansatzes mit der Taylorreihe. Für das klassische
explizite Runge–Kutta–Verfahren ergibt sich:
u i1 u i k 1 6 k 2 3 k 3 3 k 4 6
k 1 t i F (t i
k 2 t
, ui
(t
t
k 3 t F (t
i
t 2 , u i k 2 2 )
i
i 2
)
i
iF
(7.12)
, u k 1 2 )
i
i
k 4 t i F (t i t i
, ui k3
)
Grafisch entsprechen die Korrekturterme k 1, k 2, k 3 und k 4 den Tangentensteigungen
der exakten Lösung in den Punkten (t i, u i ), (t i t i2, u i k 1), (t i t i2, u i k 2)
und (t i1, u i k 3).
uik3
~ i1
u
u i k 2 2
u i k 1 2
ui
u
k4
t i t i, u i k 3 k3
t i, u i exakte Lösung
k2
k1
t i t i 2
ti
t i1
Abbildung 7.6: Prinzip des klassischen expliziten Runge–Kutta–Verfahrens
Für das klassische explizite Runge–Kutta–Verfahren ist die Fehlerordnung des lokalen
Approximationsfehlers fünf und des globalen Approximationsfehlers vier:
~
i1
u (t i1) O (t i )
~
in
u (t in) O (t i )
u
u
5
4
(7.13)
n 2, 3, (7.14)
Daher wird das klassische Runge–Kutta–Verfahren auch als Runge–Kutta–Verfahren
vierter Ordnung bezeichnet.
116
7 Numerische Umsetzung
7.2.2 Approximationsfehler
In den expliziten Zeitschrittverfahren kann aufgrund einer hohen Geschwindigkeit v ia
eines Kraftfahrzeugs a in einem Zeitschritt i der Approximationsfehler für seine Position
i1
so groß werden, dass der Abstand x i1
x i1
zum vorausfahrenden
x i1
a
a
b xa
Kraftfahrzeug b kleiner als die Länge l b von b wird. Ebenso kann aufgrund einer hohen
Beschleunigung a ia des Kraftfahrzeugs a im Zeitschritt i der Approximationsfehler für
seine Geschwindigkeit v i1
so groß werden, dass sie negativ wird. Beide Verkehrszua
stände sind in der mikroskopischen Modellierung ausgeschlossen.
In der numerischen Umsetzung der Modellierung kann die Wahrscheinlichkeit für das
Auftreten dieser Zustände verringert werden, indem die Länge des Zeitintervalls t i
verkürzt wird. Das Euler– und das Runge–Kutta–Verfahren sind konsistent. Das heißt, der
Approximationsfehler dieser numerischen Verfahren wird mit kleineren Zeitschritten
geringer. Die Intervalllänge t i kann einmalig für den gesamten Simulationszeitraum oder
unterschiedlich von Zeitschritt zu Zeitschritt mit einer der in Abschnitt 7.2.3 dargestellten
Schrittweitensteuerungen verkürzt werden.
Die Zeitintervalle eines Verfahrens können nicht unendlich klein gewählt werden, so dass
das Auftreten von zu kleinen Abständen oder negativen Geschwindigkeiten eines
Kraftfahrzeugs durch Verkürzung der Zeitintervalle nicht vollständig ausgeschlossen
werden kann. Eine pragmatischer Ansatz zur Vermeidung von zu kleinen Abständen oder
negativen Geschwindigkeiten ergibt sich, wenn beim Auftreten dieser Verkehrszustände
die Position des Kraftfahrzeugs auf den Abstand zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug
beziehungsweise seine Geschwindigkeit auf null gesetzt wird (Abbildung 7.7).
va
v ia
v i1
a
0
i1
v~ a
t i, v ia exakte Lösung
gewählte Lösung
ti
t i1
t i1, v ia t i a ia Lösung des
Zeitschrittverfahrens
Abbildung 7.7: Pragmatischer Ansatz zur Vermeidung negativer Geschwindigkeii1
i1
ten: Setzen der berechneten Geschwindigkeit v~ a 0 auf v~ a 0.
7.2.3 Schrittweitensteuerung
Bisher wurde von konstanten Zeitintervallen für den gesamten Simulationszeitraum ausgegangen. Dies erscheint angesichts von Bereichen, in denen zeitliche Änderungen der
Zustandsgrößen relativ gleichförmig bleiben, neben Bereichen, in denen größere zeitliche
Änderungen auftreten, nicht sinnvoll. Mit einer Schrittweitensteuerung lässt sich die
Länge eines Zeitschritts in Abhängigkeit von den zuvor berechneten Zustandsgrößen ver-
7.2 Numerische Umsetzung mikroskopischer Modellierungen
117
ändern, so dass die Effizienz des Verfahrens erhöht wird. Schrittweitensteuerungen sind
nicht auf zeitliche Schrittweiten beschränkt, sondern können auch zur Steuerung von
räumlichen Schrittweiten verwendet werden. Es gibt Schrittweitensteuerungen, die auf
das jeweilige Verfahren abgestimmt sind, und es gibt Schrittweitensteuerungen, die die
Schrittweiten den zu simulierenden physikalischen Eigenschaften anpassen. Im Abschnitt 7.3 wird eine geschwindigkeitsabhängige Schrittweitensteuerung erläutert.
Das Ziel einer verfahrensabhängigen Schrittweitensteuerung ist die Bestimmung einer
möglichst langen Schrittweite zum nächsten Zeitpunkt, die gleichzeitig den Approximationsfehler innerhalb eines vom Anwender tolerierten Bereichs belässt. Eine Methode zur
Bestimmung solcher Schrittweiten ist es, den gerade durchgeführten Berechnungsschritt
erneut mit zwei halben Schrittweiten zu wiederholen und die Differenz zwischen den beiden Ergebnissen zu bestimmen. Ist die Differenz größer als ein tolerierter Fehler , so wird
diese Methode solange für eine neue halbe Schrittweite wiederholt, bis die Differenz kleiner als ist. Ist die Differenz halb so klein wie , so wird die Schrittweite verdoppelt.
Eine weitere Methode stellen die sogenannten eingebetteten Verfahren dar. Zu ihnen
zählt das klassische Fehlberg–Verfahren [29]. In einem eingebetteten Verfahren werden
in einem Berechnungsschritt zwei aufeinander abgestimmte Runge–Kutta–Verfahren mit
unterschiedlicher Ordnung durchgeführt. Das Ergebnis des Verfahrens höherer Ordnung
q ist die numerische Lösung der Zustandsgrößen. Das Ergebnis des Verfahrens niedriger
Ordnung p wird zur Berechnung der Länge der nächsten Schrittweite verwendet. Die Konstanten j, jk und j in eingebetteten Verfahren höherer Ordnungen sind nur noch mit
Computer–Algebra–Systemen berechenbar. Dafür ist es mit solchen Verfahren gelungen,
die Zustandsgrößen für einen beliebigen Ort oder Zeitpunkt zu bestimmen [17].
7.3 Numerische Umsetzung makroskopischer Modellierungen
Die numerische Umsetzung der makroskopischen Modellierungen von Verkehrsabläufen
im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes wird in diesem Abschnitt exemplarisch anhand eines Finite–Elemente–Verfahrens zur Lösung der makroskopischen Verkehrsmodellierung in Kapitel 5 erläutert. Die Modellierung entspricht einem Anfangsrandwertproblem. Sie umfasst neben den Anfangs– und Randbedingungen die Kontinuitätsgleichung
(5.2) und die Bewegungsgleichung (5.7) in Form einer Navier–Stokes–Gleichung:
(x, t)
(x, t)
v (x, t)
v (x, t)
(x, t)
0
x
x
t
(7.15)
v (x, t)
v (x, t)
p (x, t)
V v (x, t)
2 v (x, t)
v (x, t)
1
x
t
(x, t) x
(x, t) x2
(7.16)
Die makroskopische Modellierung besteht aus zeit– und ortsabhängigen partiellen Differentialgleichungen. Für die numerische Approximation mit dem Finite–Elemente–Verfahren werden die partiellen Differentialgleichungen in einer Matrixschreibweise dargestellt.
118
7 Numerische Umsetzung
Matrixschreibweise
Die Matrixschreibweise der kontinuierlichen Bestimmungsgleichungen der makroskopischen Verkehrsmodellierung besteht aus einem Term mit der zeitlichen Ableitung des
Zustandstandsvektors u, einem Transport– und Druckterm mit der räumlichen Ableitung
erster Ordnung von u, einem Diffusionsterm mit der räumlichen Ableitung zweiter Ordnung von u und einem Term einwirkender Kräfte in Form eines Vektors f.
u A u B 2 u f
x
t
x 2
(x, t)
u (x, t) v (x, t)
(7.17)
v A c 2 v
0 0
B 0 0
f 1 (V () v)
Der Zustandsvektor u umfasst die Zustandsgrößen (x, t) und v (x, t). Die Matrizen A und
B repräsentieren die Vorfaktoren für den Transport– und Druckterm sowie den Diffusionsterm. Der Vektor f beschreibt den Anpassungsterm der Verkehrsmodellierung.
7.3.1 Ansatzfunktionen
Der erste Schritt der numerischen Approximation besteht aus der Überführung des unendlichen Raums der Lösungsfunktionen in einen endlichen Teilraum. Dieser Teilraum
wird durch N Ansatzfunktionen i (x) als Basis aufgespannt. Die numerische Lösung
~
u (x, t) lässt sich als Linearkombination mit den Ansatzfunktionen i (x) und den diskreten
Zustandsvektoren c i (t) darstellen:
i (t)
c i (t) v (t)
i
c i (t) i (x)
N
~
u (x, t) u (x, t) i1
(7.18)
Wird die exakte Lösung u (x, t) in den Differentialgleichungen (7.17) durch die numeri~
sche Lösung u (x, t) ersetzt, ergibt sich:
c i (t)t i (x) A c i (t)x i (x) B N
i1
N
N
i1
i1
2 c
i (t) i (x)
x 2
f
(7.19)
Die Ansatzfunktionen i (x) hängen nur von x ab. Sie lassen sich aus der zeitlichen Ableitung herausziehen. Die Zustandsvektoren c i (t) hängen nur von t ab. Sie lassen sich aus
den räumlichen Ableitungen herausziehen:
i (x) cti (t) A xi (x) c i (t) B x 2i (x) c i (t) f
N
N
N
i1
i1
i1
2
(7.20)
Als Basis des endlichen Teilraums müssen die Ansatzfunktionen i (x) linear unabhängig
sein. Des Weiteren müssen sie die gegebenen Randbedingungen erfüllen. Prinzipiell ist
die räumliche Ausdehnung einer Ansatzfunktion über das betrachtete Gebiet beliebig. Für
Finite–Elemente–Verfahren werden die Ansatzfunktionen jedoch stückweise definiert, so
7.3 Numerische Umsetzung makroskopischer Modellierungen
119
dass das betrachtete Gebiet implizit in Teilgebiete aufgeteilt wird. Ein Teilgebiet als kompakte Menge [43] mit den darauf definierten Ansatzfunktionen ist ein finites Element. Im
Fahrbahnabschnitt entspricht ein Teilgebiet einem Fahrbahnsegment. Der Fahrbahnquerschnitt zwischen zwei eindimensionalen Fahrbahnsegmenten k und k–1 wird als gemeinsamer (Rand–) Knoten x i der entsprechenden finiten Elemente bezeichnet. Mit Hilfe
von N Knoten x i lassen sich N Ansatzfunktionen i (x) als stückweise lineare Interpolationspolynome zwischen den Knoten definieren. Klassisch sind Lagrangesche Interpolationspolynome ersten Grades für ein Element k (Abbildung 7.8 a):
x
x
1k(x) x i1 x
i1
i
2k(x) x
x xi
i1 x i
(7.21)
Als lineare Ansatzfunktion i (x) ergibt sich für einen Knoten x i dementsprechend:
x x i1
x i x i1 für x i1 x x i
x i1 x
x i1 x i für x i x x i1
0
sonst
i (x) (7.22)
Jede Ansatzfunktion i (x) ist für einen Knoten x i gleich eins, in den Elementen k–1 und
k fällt sie linear zu den Nachbarknoten x i1 und x i1 bis auf null ab und für das restliche
Gebiet wird sie zu null (Abbildung 7.8 b). Die räumliche Ableitung erster Ordnung einer
linearen Ansatzfunktion i (x) ist im Element k–1 positiv konstant und im Element k mit
dem gleichen Betrag negativ konstant, ansonsten ist sie null (Abbildung 7.8 c):
1
x i x i1 für x i1 x x i
1
x i1 x i für x i x x i1
0
sonst
i (x)
x
(7.23)
Ableitung höherer Ordnung von einer linearen Ansatzfunktion i (x) ist null.
a)
1k (x) 2k (x)
1
b)
1
i
k
i+1
c)
i (x)
1/ (k–1)
1
i–1
k–1
i
k
i+1
i–1
i (x)
x
k–1
i
i+1
1/k
Abbildung 7.8: Darstellung linearer Ansatzfunktionen für ein Element ( 1k (x),
2k (x)) und für einen Knoten i (x) sowie deren räumliche Ableitungen i (x)x.
120
7 Numerische Umsetzung
7.3.2 Standard–Galerkin–Verfahren
Die Gleichung (7.20) ist lediglich eine Näherung der Ausgangsgleichung (7.17). Die Lösung von (7.20) entspricht daher nicht der exakten Lösung. Die Abweichung der beiden
~
Gleichungen wird Defekt oder Residuum genannt und mit d (u) bezeichnet:
c i (t)
i (x)
i (x)
d (u) i (x)
A
c i (t) B
c i (t) f
x
t
x 2
N
N
N
i1
i1
i1
~
2
(7.24)
~
Das Ziel von numerischen Verfahren, die diesen Defekt nutzen, ist es, d (u) zu minimieren. Ein solches Verfahren ist das Standard–Galerkin–Verfahren. Es minimiert den Defekt
durch die Bedingung, dass der Defekt im endlichen Teilraum der Näherung nicht auftritt.
Die numerische Lösung ist dann für den endlichen Lösungsraum exakt, so dass der Defekt nur im unendlichen Raum existiert. Der Defekt muss hierzu im unendlichen Raum orthogonal zu den Ansatzfunktionen sein, die den endlichen Teilraum aufspannen. Die Orthogonalität ist gegeben, wenn das Skalarprodukt des Defekts und der Ansatzfunktionen
j (x) mit j 1,..., N zu null wird. Für reellwertige stetige Funktionen ist das Skalarprodukt
als Integral des Produkts aus dem Defekt und den Ansatzfunktionen über das betrachtete
Gebiet (den Fahrbahnabschnitt) definiert:
(x) d (u) dx 0
L
~
(7.25)
j
0
Der Viskositätsterm in (7.24) enthält eine zweite räumliche Ableitung der Ansatzfunktion
i (x). Bei linearen Ansatzfunktionen i (x) verschwindet dieser Term. Um den Anteil des
Viskositätsterms in Standard–Galerkin–Verfahren trotzdem mit linearen Ansatzfunktionen berücksichtigen zu können, wird er partiell integriert:
L N
0 i1
L
N
2 i (x)
i (x)
B
(x)
c
(t)
dx
B
j (x) c i (t)
j
i
2
x
x
i1
L N
0 i1
0
i (x) j (x)
B
c i (t) dx
x
x
(7.26)
Die Auswertung des Randintegrals in (7.26) unter Berücksichtigung von (7.18) zeigt, dass
das Randintegral die von Neumannschen Randbedingungen u 0 (t) und u L (t) an den
Randknoten des Fahrbahnabschnitts bei 0 und L in das Verfahren einbindet:
N
B
i1
L
i (x)
u h(x, t)
j (x) c i (t)
B
j (x)
x
x
0
B u L(t) für j L
B u 0(t) für j 0 (7.27)
0
0 sonst
L
Für alle Knoten im Inneren des Fahrbahnabschnitts ist das Randintegral null.
7.3 Numerische Umsetzung makroskopischer Modellierungen
121
7.3.3 Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahren
Das Standard–Galerkin–Verfahren neigt dazu, physikalisch unrealistische Schwingungen in der Lösung zu produzieren. Durch Kombination mit einem Verfahren, das die Lösung glättet, wird versucht, die unerwünschten Schwingungen zu unterdrücken. Auf diese
Weise entsteht ein Petrov–Galerkin–Verfahren, in dem ein Upwinding–Koeffizient den
Anteil des glättenden Verfahrens zum Standard–Galerkin–Verfahren gewichtet [62]:
I (x) A x(x)
d (u) dx 0
L
j
~
(7.28)
j
0
Im glättenden Verfahren wird die Orthogonalität vom Defekt mit einer Vektorfunktion gebildet. Im Standard–Galerkin–Verfahren (7.25) wird die Orthogonalität vom Defekt mit den
skalaren Ansatzfunktionen gebildet. Um die Kombination im Petrov–Galerkin–Verfahren
durchführen zu können, müssen die skalaren Ansatzfunktionen ebenfalls in eine Vektorform gebracht werden. Daher werden in Gleichung (7.28) die skalaren Ansatzfunktionen
j (x) jeweils mit einer zweidimensionalen Einheitsmatrix I multipliziert.
Upwinding–Koeffizient
Ein optimaler Upwinding–Koeffizient opt konnte für matrixförmige Vorfaktoren A und B
in Vektorgleichungen wie (7.17) bisher nicht gefunden werden. Anders sieht es für eine
Gleichung mit skalarwertigen Unbekannten u aus:
u a u b 2 u f
x
t
x 2
(7.29)
Für eine solche Skalargleichung ist ein optimaler Upwinding–Koeffizient opt bezüglich
einer mit x äquidistant diskretisierten Strecke herleitbar und beweisbar [20]:
opt opt x
mit
2 |a|
opt coth ( | Pe | ) 1
| Pe |
(7.30)
Die Peclet–Zahl Pe ist ein Kriterium für die Stabilität der numerischen Berechnung einer
Transportgleichung. Sie beschreibt das Verhältnis der Advektion a zur Diffusion b bezogen auf die Elementlänge x:
Pe a x
(7.31)
b
In einem mehrdimensionalen Gebiet werden die skalaren Größen a und b zu Vektoren a
und b bezogen auf die skalare Zustandsgröße u. Zur Berechnung der Element–Peclet–
Zahlen und der entsprechenden Upwinding–Koeffizienten hat sich die Repräsentation der
Vektoren durch Skalare in Form der euklidischen Vektornorm 2 bewährt [95]:
a a 2 :
a l2
M
l1
b b 2 :
bl2
M
l1
(7.32)
122
7 Numerische Umsetzung
Die makroskopische Verkehrsmodellierung besteht aus zwei Gleichungen. Bei zwei Gleichungen ergeben sich für die Skalare a und b in Gleichung (7.29) die Matrizen A und B
bezogen auf die vektorielle Unbekannte u. Somit werden skalare Größen gesucht, die die
Matrizen A und B sinnvoll repräsentieren. Die naheliegende Verwendung der Spektralnorm 2 hat sich als ungeeignet erwiesen. Die Wahl des Spektralradius [43] (betragsmäßig größter Eigenwert) hat dagegen in numerischen Simulationen zu guten Ergebnissen
geführt. Der Grund hierfür könnte in der Analogie zur Berechnung der Charakteristik der
Gleichungen liegen [94]. Einen Beweis gibt es jedoch nicht. In der Verkehrsmodellierung
ergeben sich für die Matrizen A und B die skalaren Größen a v c 0 und b :
A B v
c
2
v
0 0
0 1vc , 2vc
(7.33)
1 , 20
Damit lässt sich, eingesetzt in Gleichung (7.30), der Upwinding–Koeffizient bestimmen:
coth (| Pe |) 1 | Pe | x
Pe 2 (v c)
(v c) x
(7.34)
Der Upwinding–Koeffizient wird in das Gleichungssystem des Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahrens (7.28) eingesetzt. Das Gleichungssystem lässt sich mit einem expliziten
Zeitschrittverfahren mit einer geschwindigkeitsabhängigen Schrittweitensteuerung lösen.
7.3.4 Lösung des Gleichungssystems
Das Upwinding–Petrov–Galerkin–Verfahren (7.28) entspricht mit linearen Ansatzfunktionen einem Gleichungssystem der Form:
c
dx
A dx x
t
A dx B dx A dx c
x
x x
x x
f dx
Af dx x
N
I
j
i j
i
i
i1
N
i
i
j
2
j
i
j
i
i1
(7.35)
j
j
N
B
i1
L
i
j ci x
0
Das Gleichungssystem (7.35) ist so sortiert, dass die ausschließlich zeitabhängigen
.
Größen c i (t) und c i (t) c i (t)t mit ausschließlich ortsabhängigen Vorfaktoren multipliziert werden. Die Vorfaktoren bestehen aus einem Galerkin– und einem Petrov–Anteil.
7.3 Numerische Umsetzung makroskopischer Modellierungen
123
Die Integrale der Ansatzfunktionen und ihre räumlichen Ableitungen sind für den eindimensionalen Fahrbahnabschnitt analytisch berechenbar. Für ein Element im Inneren des
Fahrbahnabschnitts mit den Knoten a und e sowie der Länge x x e x a ergibt sich:
.
x 2 I I A A
I 2I
A
A
6
2
c. a
ce
f
Af
x Af
2 f
A A 1 B B 1
2 A A x 2 B B x 2
A2
A2
2
A A2
ca
ce
(7.36)
Die Tatsache, dass sich die Zustandsgrößen sehr viel langsamer als ihre zeitlichen Ableitungen ändern, rechtfertigt die Annahme, dass nur die zeitlichen Ableitungen unbekannt
.
sind. Mit dieser Annahme ergibt sich eine Elementgleichung für die Unbekannten c i mit
dem zweiten und dritten Term der Gleichung (7.36) als rechte Seite. Das globale Gesamtsystem für den Fahrbahnabschnitt ergibt sich durch Kombination dieser Elementgleichungen mit einer Inzidenzmatrix für die topologischen Abhängigkeiten der Elemente. Jedes
Element hängt über seine Knoten mit seinen Nachbarelementen zusammen:
.
Mcr
mit
M x
6
4I
I
I
4I
I
A
I
2
I
I
I
I
4I
A
A
A
(7.37)
A
A
A
A
Die Lösung des Gleichungssystems (7.37) kann entweder durch die Bildung der inversen
Matrix M 1 oder die Verwendung eines Gleichungslösers erfolgen. Die Verwendung
eines iterativen Gleichungslösers ist nicht ratsam, da das hinreichende Kriterium für die
Konvergenz eines solchen Verfahrens (Diagonaldominanz) nicht erfüllt sein muss:
mm ijii 1 mm jiii 1
ji
i, j 1,..., N
(7.38)
ji
Mit einem genügend kleinen Zeitschritt lässt sich jedoch die Matrix M auf eine Diagonalmatrix reduzieren, indem die Nebendiagonalen für den vorhergehenden Zeitpunkt berechnet und von der rechten Seite subtrahiert werden:
4I
x
6
.
4I
c r
.
c alt
(7.39)
4I
Es ergibt sich ein Gleichungssystem für die zeitliche Ableitung der Zustandsgrößen, das
sich mit einem expliziten Zeitschrittverfahren wie in Abschnitt 7.2 bestimmen lässt.
124
7 Numerische Umsetzung
7.3.5 Geschwindigkeitsabhängige Schrittweitensteuerung
Bei der Lösung des globalen Gleichungssystems mit einem expliziten Zeitschrittverfahren
ist die Stabilität der räumlichen und zeitlichen Approximation zu gewährleisten. Die Stabilität ist gewährleistet, wenn das Courant–Kriterium eingehalten wird [30]:
C v t 1
x
(7.40)
Das Courant–Kriterium (7.40) fordert, dass jedes Ortsintervall x stets größer sein muss
als das Produkt der aktuellen Geschwindigkeit v und des gewählten Zeitintervalls t. Das
Verhältnis von v und t zu x wird als Courantzahl bezeichnet.
Im Falle der makroskopischen Verkehrsmodellierung wird eine Schrittweitensteuerung
verwendet, die die Länge t i eines Zeitintervalls der berechneten Geschwindigkeit anpasst. Dabei wird das Intervall t i für den nächsten Zeitschritt i so bestimmt, dass das
Courant–Kriterium (7.40) für jedes Segment k im Fahrbahnabschnitt erfüllt ist. Ist in einem
Element k das Verhältnis seiner Länge x k zur Geschwindigkeit v ik kleiner als das Zeitintervall t i, so muss t i verringert werden.
7.4 Numerische Umsetzung mesoskopischer Modellierungen
Die numerische Umsetzung mesoskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen im
Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes wird in diesem Abschnitt exemplarisch anhand
eines Finite–Differenzen–Verfahrens zur Lösung der mesoskopischen Verkehrsmodellierung in Kapitel 6 erläutert. Die Verkehrsmodellierung entspricht einem Anfangsrandwertproblem. Sie umfasst neben den Anfangs– und Randbedingungen gemäß Abschnitt 5.3
die Abstands–Dichte–Relation (6.1), die Kontinuitätsgleichung (6.2) und die Bewegungsgleichung (6.16) mit (6.18):
s
(x , t) d 1
(7.41)
0
v v
x
x
t
(7.42)
v v v V s (s) v s 2 v
x
t
s l x
2
s v v V s (s)
x
(7.43)
Mit der Abstands–Dichte–Relation (7.41) lässt sich der Abstand s (x, t) bestimmen. Die
Bestimmung entspricht der Lösung einer Integralgleichung. Die Kontinuitätsgleichung
(7.42) und die Bewegungsgleichung (7.43) sind zeit– und ortsabhängige partielle Differentialgleichungen. Sie werden räumlich mit einem Finite–Differenzen–Verfahren und
zeitlich mit einem standardisierten Zeitschrittverfahren gelöst.
7.4 Numerische Umsetzung mesoskopischer Modellierungen
125
Für die räumliche Approximation wird der Fahrbahnabschnitt in m gleich große Fahrbahnsegmente mit der Länge x diskretisiert. Die Diskretisierung führt zu n= m+1 Fahrbahnquerschnitten an den Enden der Segmente. An jedem Querschnitt j mit der Koordinate x j
werden in einem Zeitschritt i der Abstand s ij, die Dichte ij und die Geschwindigkeit v ij eingeführt. Für die zeitliche Approximation wird die Zeit entsprechend Abschnitt 7.1.1 diskretisiert. Die räumliche Diskretisierung kann nicht nur im Finite–Differenzen–Verfahren für
die Kontinuitäts– und Bewegungsgleichung genutzt werden, sondern auch bei der Bestimmung des Abstands mit Hilfe der Integralgleichung (7.41).
7.4.1 Bestimmung des Abstands
Die Bestimmung des Abstands s ij an einem Querschnitt j erfolgt innerhalb eines Zeitschritts i mit Hilfe der Abstands–Dichte–Relation (7.41). In der Abstands–Dichte–Relation
ist das Integral der Dichte über den Bereich von x j bis x j s ij eins. Zur Bestimmung des
Integrals wird der Verlauf der Dichte zwischen den Querschnitten des Fahrbahnabschnitts
benötigt. Innerhalb eines Segments wird die Dichte linear interpoliert.
(x)
ij1
ij
i
j1
ij2
xj
x j1
ij4
s
1
x j1
ij3
x j2
x j3
x j4
x
s ij
Abbildung 7.9: Integral der Dichte über dem Bereich von x j bis x j s ij auf dem diskretisierten Fahrbahnabschnitt
Das Integral der Dichte in einem Segment von x j bis x j1 ergibt nach der Trapezregel:
x j1
(, t) d x2 ( i
j
i
j1)
(7.44)
xj
Das Integral der Dichte in einem Segment von x j bis zu einem beliebigen Ort x j s ergibt
sich nach folgender quadratischer Gleichung:
x js
xj
2
(, t) d s j s
( ij1 ij )
2 x
(7.45)
126
7 Numerische Umsetzung
Das Integral der Dichte über den Bereich von x j bis x j s ij ergibt sich aus der Summe
von k { 0, 1, 2, } Integralen über ein komplettes Segment gemäß (7.44) und dem Integral über einen Teil s des letzten Segments gemäß (7.45):
x
2
jk
( il il1) s ij 2sx2 ( ij1 ij ) 1
jkn
(7.46)
lj
Die Bestimmung der Anzahl k der komplett integrierten Segmente ergibt sich aus folgender Bedingung:
x
2
jk
jk1
il il1 1 x2 lj
il il1 jkn
(7.47)
lj
Die Lösung der quadratischen Gleichung (7.46) für s 0 ist:
s
i
k
2 i 2 x
k
2
(
i
ik)
k1
1 x
2
il il1 k
(7.48)
lj
Der Abstand s ij ergibt sich aus der Länge der k komplett integrierten Segmente und der
Länge s:
s ij k x s
(7.49)
Die Bestimmung des Abstands s ij setzt nach (7.46) und (7.49) voraus, dass j k n ist.
Für den Sonderfall j k n wird in der Berechnung der Länge s angenommen, dass
ik1 ik ist. Der Abstand s ij am Ort x i ist für eine segmentweise lineare Dichte exakt.
7.4.2 Kontinuitätsgleichung
Die Kontinuitätsgleichung (7.42) für einen Querschnitt j in einem Zeitschritt i lautet:
ij
t
v
i
j
ij
x
i
j
v ij
(7.50)
x
Die räumliche Approximation mit der Methode der finiten Differenzen ergibt sich, indem
ihre Differentialquotienten durch entsprechende Differenzenquotienten ersetzt werden.
Für die Ableitung ij x auf der linken Seite der Kontinuitätsgleichung wird eine
Rückwärtsdifferenz gewählt, da die räumliche Dichteänderung mit der Geschwindigkeit
v ij 0 entgegen der Fahrtrichtung transportiert wird. Für die Ableitung v ij x auf der
rechten Seite wird eine Vorwärtsdifferenz gewählt, da die räumliche Geschwindigkeitsänderung aus der Geschwindigkeitsdifferenz eines Kraftfahrzeugs und des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs resultiert:
ij
t
v
i
j
ij ij1
x
i
j
v ij1 v ij
x
(7.51)
7.4 Numerische Umsetzung mesoskopischer Modellierungen
127
Die zeitliche Änderung der Dichte ij am Querschnitt j im Zeitschritt i wird in einem
standardisierten Zeitschrittverfahren bestimmt. Ist das Zeitschrittverfahren beispielsweise ein explizites Euler–Verfahren, so wird die Ableitung ij t durch eine
Vorwärtsdifferenz approximiert:
ij1 ij t
x
v ij ij1 ij v ij1 (7.52)
Da in einem expliziten Zeitschrittverfahren die Segmentlänge x und der Zeitintervall t
nicht unabhängig voneinander sind, ist die numerische Stabilität des expliziten Verfahrens
durch das Einhalten des Courant–Kriterium (7.40) an jedem Querschnitt j in jedem
Zeitschritt i zu gewährleisten.
7.4.3 Bewegungsgleichung
Die Bewegungsgleichung (7.43) für einen Querschnitt j in einem Zeitschritt i lautet:
2
V s(s ij ) v ij
s ij 2 v ij
i v ij
i
vj
i
s j x v ij Vs(s ij ) (7.53)
x
t
s j l x v ij
v ij
Für die Ableitung v ij x auf der linken Seite der Bewegungsgleichung wird eine
Rückwärtsdifferenz gewählt, da die räumliche Geschwindigkeitsänderung mit der
Geschwindigkeit v ij 0 entgegen der Fahrtrichtung transportiert wird. Für die Ableitung
v ij x auf der rechten Seite wird eine Vorwärtsdifferenz gewählt, da die räumliche
Geschwindigkeitsänderung im Bremsterm aus der Geschwindigkeitsdifferenz eines
Kraftfahrzeugs und des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs resultiert:
v ij
t
v ij
v ij v ij1
x
2
V s (s ij ) v ij
s ij 2 v ij1 v ij i
x s jl
i v ij1 v ij i
s j
v j V s (s ij )
x
(7.54)
Die zeitliche Änderung der Geschwindigkeit v ij am Querschnitt j im Zeitschritt i wird in
einem standardisierten Zeitschrittverfahren bestimmt. Ist das Zeitschrittverfahren beispielsweise ein explizites Euler–Verfahren, so wird die Ableitung v ij t durch eine
Vorwärtsdifferenz approximiert:
v
i
j1
v
i t
j
v ij
t
(7.55)
Die numerische Stabilität eines expliziten Zeitschrittverfahrens ist gewährleistet, wenn
das Courant–Kriterium (7.40) an jedem Querschnitt j in jedem Zeitschritt i erfüllt ist.
128
7 Numerische Umsetzung
7.4.4 Numerische Diffusion
Die diskreten Bestimmungsgleichungen für die Dichte und die Geschwindigkeit mit den
gewählten Vorwärts– und Rückwärtsdifferenzen führen zu numerischer Diffusion. Um
dies zu zeigen, werden die Dichte und die Geschwindigkeit an den Fahrbahnquerschnitten j+1 und j–1 als Taylor–Reihe dargestellt:
i
j1
v
i
j1
ij
2 i
3 i
2 j
3 j
x
x
j x
x
6 x 3
2 x 2
v ij
2 i
3 i
2 j
3 j
x
x
v j x
x
6 x 3
2 x 2
(7.56)
(7.57)
Die Substitution der Taylorreihen in die Bestimmungsgleichungen (7.52) und (7.54) führen
zur Kontinuitätsgleichung und Bewegungsgleichung mit zusätzlichen Diffusionstermen:
ij
t
v
i
j
i 2 ij i 2 v ij 2 x
vj
j
O x
2
2
x
x
2 x
x
ij
i
j
v ij
2
V s(s ij ) v ij
s ij 2 v ij i
vj
i
B
x
t
s j l x v ij
(7.58)
v ij
s ij
i
x
vj i
2 sjl
2
v ij
x
2 v ij
B
O x 2 2
x
(7.59)
i
v ij x 2 v ij
B s j
v ij V s(s ij )
2 x
2
x
Die Diffusionsterme sind proportional zur Segmentlänge x und zu den zweiten Ableitungen der Dichte oder der Geschwindigkeit. Die numerische Diffusion ist um so geringer, je
kleiner x gewählt wird.
8 Simulation von Autobahnverkehr
Eine Simulation von Verkehrsabläufen in den Fahrbahnabschnitten eines Autobahnnetzes ergibt sich durch die Implementierung der numerischen Umsetzung einer Modellierung der Verkehrsabläufe. Die Simulation unterstützt den Verkehrsingenieur bei
Untersuchungen von Verkehrssituationen im Autobahnnetz und der Entwicklung von
Handlungsempfehlungen für verkehrsabhängige Beeinflussungen von Verkehrsabläufen. Inwieweit eine Simulation des Verkehrsverhaltens korrekt beziehungsweise für
eine Verkehrsaufgabe geeignet ist, lässt sich durch eine qualitative und eine quantitative
Untersuchung der Simulation ermitteln.
In der qualitativen Untersuchung einer Simulation von Verkehrsabläufen wird geprüft,
inwieweit mit der zugehörigen Verkehrsmodellierung typische Verkehrssituationen
wiedergegeben werden können. Hierzu wird in einer idealisierten Testkonfiguration das
Verhalten der Simulation auf Störungen bei unterschiedlichen Verkehrsdichten betrachtet. Diese Störungsanalyse dient neben der Identifikation von Verkehrsphänomenen
insbesondere dem Vergleich von Einflüssen unterschiedlicher Parameter der Bestimmungsgleichungen und ihrer numerischen Umsetzung.
In der quantitativen Untersuchung einer Simulation von Verkehrsabläufen werden
Simulationsergebnisse mit entsprechenden Messergebnissen verglichen. Der Vergleich
dient zur Prüfung der Korrektheit der Beschreibung, der Modellierung und der
numerischen Umsetzung der zugehörigen Verkehrsmodellierung. Ist es durch Änderungen der Modellparameter nicht möglich, die Kenngrößen der Simulationsergebinsse mit
den Kenngrößen korrekter Messergebnisse in Einklang zu bringen, so ist gegebenenfalls
die numerische Umsetzung, die mathematische Modellierung oder die Beschreibung der
Verkehrsmodellierung zu ändern.
Im ersten Abschnitt dieses Kapitels werden die in den vorherigen Kapiteln erläuterten
mikro–, makro– und mesoskopischen Verkehrsmodellierungen sowie deren numerische
Umsetzung anhand einer Störungsanaylse der entsprechenden Simulationen untersucht.
Im zweiten Abschnitt erfolgt ein Vergleich von Simulationsergebnissen der makroskopischen und mesoskopischen Modellierung mit den Ergebnissen aus Messungen von
Verkehrsabläufen auf einem Fahrbahnabschnitt der Bundesautobahn A5 bei Frankfurt
am Main, die auch in einem vor kurzem abgeschlossenen Projekt verwendet wurden [26].
130
8 Simulation von Autobahnverkehr
8.1 Störungsanalyse
Die Störungsanalyse einer Simulation von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines
Autobahnnetzes entspricht einer Untersuchung der Auswirkungen einer kleinen Störung
auf einem ungestörten Verkehrszustand in den Verkehrsabläufen.
Ein ungestörter Verkehrszustand ist der Gleichgewichtszustand der mikroskopischen,
makroskopischen oder mesoskopischen Verkehrsmodellierung, wie er in den Abschnitten
4.4, 5.4 und 6.2 erläutert wurde. Für einen Gleichgewichtszustand lässt sich eine
analytische Lösung bestimmen. Die numerische Bestimmung dieser Lösung muss zu
einer Simulation genau dieses Zustands führen.
Eine kleine Störung in einem Verkehrsablauf kann eine lokale oder eine globale Störung
sein. Eine lokale Störung verändert die Zustandsgrößen des Verkehrsablaufs in einem
räumlich begrenzten Bereich des Fahrbahnabschnitts. Eine globale Störung verändert
die Zustandsgrößen des Verkehrsablaufs über den gesamten Fahrbahnabschnitt.
Für die Untersuchung der in den Kapiteln 4, 5 und 6 beschriebenen Verkehrsmodellierungen wird eine Störungsanalyse der entsprechenden Simulationen anhand einer
Testkonfiguration durchgeführt.
8.1.1 Testkonfiguration
Die Testkonfiguration ist eine Kreisringfahrbahn mit einem Fahrstreifen, auf die
nacheinander Verkehrsabläufe mit unterschiedlich vielen Kraftfahrzeugen beziehungsweise unterschiedlich hohen Gesamtdichten aufgebracht werden. Der Anfangszustand
der Verkehrsabläufe ist der Gleichgewichtszustand der untersuchten Verkehrsmodellierung ohne Störung oder mit einer lokalen beziehungsweise globalen Störung.
x0
a)
v0
0
b)
x0xn
v0
0
c)
v0
0
L
xn
(x, 0) v (x, 0)
x
(x, 0) v (x, 0)
x
(x, 0) v (x, 0)
x
Abbildung 8.1: Anfangszustand für die Störungsanalyse eines makroskopisch
modellierten Verkehrsablaufs auf einer Ringfahrbahn a) ohne Störung, b) mit einer
lokalen Störung und c) mit einer globalen Störung
8.1 Störungsanalyse
131
Diese Testkonfiguration tritt in der Realität nicht auf, sie ist jedoch ideal für eine qualitative
Untersuchung. Ihre Ringstruktur bietet den Vorteil, keine Randbedingungen in der
Modellierung berücksichtigen zu müssen. Randbedingungen beeinflussen den Verkehrsablauf in einem Fahrbahnabschnitt. Durch die Ringstruktur kann das Verhalten der
simulierten Verkehrsabläufe ohne ungewollte Einflüsse von außen untersucht werden.
Anfangszustand
Der Anfangszustand der Störungsanalyse wird durch Anfangsbedingungen festgelegt.
Für eine makroskopische oder mesoskopische Verkehrssimulation wird die Dichte
(x, t 0) an jedem Ort x der Ringfahrbahn zum Anfangszeitpunkt t 0 vorgegeben. Für eine
mikroskopische Verkehrssimulation wird die Position x a (t 0) jedes Kraftfahrzeugs a auf
der Ringfahrbahn zum Anfangszeitpunkt t 0 vorgegeben. Die Position x a (t 0) eines
Kraftfahrzeugs a ergibt sich aus dem Integral der Dichte (x, t 0) über den Abstand von
einem Kraftfahrzeug 0 am Ort x 0 (t 0) bis zum Kraftfahrzeug a:
x a (t 0)
a
( x, t 0) dx
(8.1)
x 0 (t 0)
Die Anfangsbedingungen für die Dichten (x, t 0) unterscheiden sich entsprechend der
gewählten Störung. Sie entsprechen ohne Störung (Abbildung 8.1 a) einer homogenen
Dichteverteilung im Ring mit der Gesamtdichte :
(x, t 0) (8.2)
Eine lokale Störung (Abbildung 8.1 b) entspricht einer homogenen Dichteverteilung mit
einer kontinuierlichen Dichteänderung im begrenzten Bereich um einen Ort x st. Die
Amplitude 10 kfzkm der x st 100 m breiten Dichteänderung teilt sich in einen
w 33.3 m breiten positiven und einen w 66.7 m breiten negativen Anteil:
2x x st x2 w
x x st x2 2
(x, t 0) cosh w cosh w w
st
st
(8.3)
Eine globale Störung (Abbildung 8.1 c) entspricht einer sinusförmigen Dichteverteilung
um die Gesamtdichte mit einer Amplitude von 2 kfzkm:
(x, t 0) sin (2 x L)
(8.4)
Die Geschwindigkeit v (x, t 0) an jedem Ort x der Ringfahrbahn zum Anfangszeitpunkt t 0
ist in einer makroskopischen Verkehrssimulation die Geschwindigkeit V, die sich aus einer
Geschwindigkeits–Dichte–Relation für die Dichte (x, t 0) ergibt:
v (x, t 0) V (x, t 0)
(8.5)
132
8 Simulation von Autobahnverkehr
In einer mesoskopischen Verkehrssimulation ist die Geschwindigkeit v (x, t 0) die
Geschwindigkeit V s, die sich aus einer Geschwindigkeits–Abstands–Relation für den
Abstand s (x, t 0) nach Gleichung (6.1) ergibt:
v (x, t 0) V ss (x, t 0)
(8.6)
In einer mikroskopischen Verkehrssimulation ist die Geschwindigkeit v a (t 0) eines
Kraftfahrzeugs a auf der Ringfahrbahn zum Anfangszeitpunkt t 0 die Geschwindigkeit V s,
die sich aus einer für alle Kraftfahrzeuge gleichen Geschwindigkeits–Abstands–Relation
für den Abstand x a (t 0) x b (t 0) x a (t 0) zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug b
ergibt:
v a (t 0) Vs x a (t 0)
(8.7)
Für jede Simulation einer Testkonfiguration bezüglich einer Anfangsbedingung wird die
Gesamtdichte von zunächst 10 kfzkm bis auf 60 kfzkm erhöht. Dies
entspricht 100 bis 600 Kraftfahrzeugen auf einer 10 km langen Ringfahrbahn.
8.1.2 Mikroskopische Verkehrsmodellierung
Die Untersuchung mikroskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes mit Hilfe einer Störungsanalyse wird exemplarisch
anhand von Berechnungen der Testkonfiguration mit einem mikroskopischen Simulationsprogramm durchgeführt. Das Simulationsprogramm ergibt sich aus der Implementierung der numerischen Umsetzung der Bestimmungsgleichungen (4.1), (4.2) und (4.9) mit
einem expliziten Euler–Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.2. Die Testkonfiguration
wird für ungestörte Verkehrsabläufe und lokal gestörte Verkehrsabläufe untersucht.
Simulation ungestörter Verkehrsabläufe
Mit der mikroskopischen Simulation von Verkehrsabläufen, die sich aus einem
ungestörten Anfangszustand entwickeln, wird geprüft, ob der Gleichgewichtszustand der
mikroskopischen Verkehrsmodellierung korrekt simuliert werden kann. Der Gleichgewichtszustand ist korrekt wiedergegeben, wenn sich der ungestörte Anfangszustand in
der Simulation für einen beliebig langen Simulationszeitraum nicht ändert.
Die Testkonfiguration wird mit dem mikroskopischen Simulationsprogramm für die
Anfangsbedingungen (8.1), (8.2) und (8.7) berechnet. Dabei zeigen sich mit einer
beliebigen Wahl der Modellparameter für unterschiedlich viele Kraftfahrzeuge auf der
Ringfahrbahn keine Änderungen im Zustand des simulierten Verkehrsablaufs. Die
numerische Umsetzung der mikroskopischen Bestimmungsgleichungen durch das
Euler–Zeitschrittverfahren und ihre Implementierung liefert die erwartete Lösung. Für den
Fall des Gleichgewichtszustands ist die numerische und programmtechnische Umsetzung korrekt.
8.1 Störungsanalyse
133
Simulation lokal gestörter Verkehrsabläufe
Mit der mikroskopischen Simulation von Verkehrsabläufen, die sich aus einem lokal
gestörten Anfangszustand entwickeln, lässt sich das Verhalten der Kraftfahrzeuge als
direkte Reaktion auf eine lokale Störung untersuchen.
Die Testkonfiguration wird mit dem mikroskopischen Simulationsprogramm für 100 bis
600 Kraftfahrzeuge auf der Ringfahrbahn mit einem Umfang von L 10 km über eine
halbe Stunde berechnet. Hierzu werden die Anfangsbedingungen (8.1), (8.3) und (8.7)
sowie folgende Modellparameter berücksichtigt:
Dauer eines Zeitschritts:
t 0.1 s
Länge eines Kraftfahrzeugs
l 6.25 m
mittlere Wunschgeschwindigkeit:
v 0 110 kmh
Anpassungszeit an v 0:
08s
Geschwindigkeits–Abstands–Relation:
V s (x a ) nach Gleichung (4.21)
Anpassungszeit an V s (x a ):
s8s
Proportionalitätsfaktor im Bremsterm:
12
(8.8)
Das simulierte Verhalten der Verkehrsabläufe lässt sich für mikroskopische Verkehrsmodellierungen durch die Bewegungslinien der Kraftfahrzeuge in einem Ort–Zeit–Diagramm
darstellen. In Abbildung 8.2 sind die Ort–Zeit–Diagramme für 100 bis 600 Kraftfahrzeuge
auf der Ringfahrbahn dargestellt.
Bei bis zu 150 Kraftfahrzeugen auf der Ringfahrbahn ändert sich der Anfangszustand des
Verkehrsablaufs nicht (Abbildung 8.2 a). Die Kraftfahrzeuge fahren in großen Abständen
zueinander mit der Wunschgeschwindigkeit v 0. Der Zustand dieses freien Verkehrsablaufs entspricht dem Gleichgewichtszustand der mikroskopischen Modellierung. Bei
ungefähr 200 Kraftfahrzeugen auf der Ringfahrbahn entsteht aus der Störung ein Stau
(Abbildung 8.2 b). Er besteht aus einem schmalen Bereich mit vielen direkt hintereinander
stehenden Kraftfahrzeugen und einem breiter werdenden Bereich mit wenigen Kraftfahrzeugen. Der schmale Staubereich bewegt sich mit einer nahezu konstanten Geschwindigkeit gegen die Fahrtrichtung. Bei mehr als 250 Kraftfahrzeugen auf der Ringfahrbahn
entstehen aus der Störung zahlreiche aufeinander folgende kurze Staus (Abbildung 8.2
c, d). Ein Kraftfahrzeug muss daher mehrmals nacheinander stehen bleiben und
beschleunigen. Diese kurzen Staus lassen sich als Stop–and–Go–Wellen interpretieren.
Bei ungefähr 500 Kraftfahrzeugen auf der Ringfahrbahn entsteht aus der Störung ein
breiter Stau (Abbildung 8.2 e) und bei mehr als 500 Kraftfahrzeugen entstehen aus der
Störung unzählige unterschiedliche kurze und breite Staus (Abbildung 8.2 f). Alle
entstandenen Verkehrsphänomene lösen sich bei Simulationszeiten von über einer
halben Stunde nicht auf. Sie erreichen vielmehr einen Zustand, der sich unverändert mit
gleichbleibender Geschwindigkeit gegen die Fahrtrichtung bewegt.
134
8 Simulation von Autobahnverkehr
100 Kraftfahrzeuge
b)
200 Kraftfahrzeuge
30
30
25
25
20
20
t [min]
t [min]
a)
15
10
5
15
10
5
0
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x [km]
300 Kraftfahrzeuge
d)
400 Kraftfahrzeuge
30
30
25
25
20
20
t [min]
t [min]
c)
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x [km]
15
10
15
10
5
5
0
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x [km]
500 Kraftfahrzeuge
f)
600 Kraftfahrzeuge
30
30
25
25
20
20
t [min]
t [min]
e)
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x [km]
15
10
5
15
10
5
0
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x [km]
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x [km]
Abbildung 8.2: Bewegungslinien von jedem zehnten Kraftfahrzeug auf der Ringfahrbahn in der mikroskopischen Simulation für die Testkonfiguration mit den Modellparametern nach (8.8)
8.1 Störungsanalyse
135
Die Anpassungszeit s hat einen Einfluss auf die Ausprägung der Verkehrsphänomene.
Eine längere Anpassung an die Geschwindigkeits–Abstands–Relation führt zur Verzögerung in der Entstehung und der Bewegung der Verkehrsphänomene. Dies wird im
Vergleich der Ergebnisse aus Simulationen derselben Testkonfiguration mit unterschiedlichen Anpassungszeiten von s 2 s bis s 8 s deutlich. Bei einer längeren
Anpassungszeit ist die Geschwindigkeit eines Staus langsamer und der Stau ist breiter.
Darüber hinaus entstehen die Stop–and–Go–Wellen langsamer und weniger zahlreich.
25
25
20
20
t [min]
b) 30
t [min]
a) 30
15
10
5
15
10
5
0
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x [km]
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x [km]
Abbildung 8.3: Vergleich unterschiedlicher Anpassungszeiten in der mikroskopischen Simulation: Bewegungslinien jedes zehnten von 300 Kraftfahrzeugen mit
s 4 s (a) und s 8 s (b) sowie den übrigen Modellparametern nach (8.8)
Die Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (x a ) beeinflusst das Entstehen von
Verkehrsphänomenen. Dies wird im Vergleich der Ergebnisse aus Simulationen
derselben Testkonfiguration mit unterschiedlichen Ansätzen für V s (x a ) deutlich. Der
lineare Ansatz (4.21) hat zu den bereits beobachteten Verkehrsphänomenen geführt
(Abbildung 8.2). Ansätze, die auf Geschwindigkeits–Dichte–Relationen (4.24) aufbauen,
können aufgrund der großen Vielfalt der Formulierungen zu völlig unterschiedlichen
Verkehrsphänomenen führen. Wird zum Beispiel der Ansatz nach Helbing und Treiber
(5.23) gewählt, ändern sich im Gegensatz zum linearen Ansatz (4.21) die Gesamtdichten,
bei denen bestimmte Verkehrsphänomene entstehen (Abbildung 8.4). Mit dem Ansatz
(5.23) tritt der freie Verkehrsablauf bei bis zu 150 Kraftfahrzeugen und der Stau bei etwa
200 Kraftfahrzeugen auf der Ringfahrbahn noch analog zum linearen Ansatz auf. Bei 300
Kraftfahrzeugen hat sich jedoch bereits ein breiter Stau gebildet, während die mit dem
linearen Ansatz zahlreich entstandenen Stop–and–Go–Wellen kaum vorhanden sind.
Bereits bei 400 Kraftfahrzeugen entsteht eine Kombination von Verkehrsphänomenen,
die mit dem linearen Ansatz erst ab 600 Kraftfahrzeugen entstehen. Solche Unterschiede
in der Entstehung der Verkehrsphänomene lassen sich schon bei Änderungen von
Parametern einer Geschwindigkeits–Abstands–Relation beobachten.
136
8 Simulation von Autobahnverkehr
100 Kraftfahrzeuge
b)
200 Kraftfahrzeuge
30
30
25
25
20
20
t [min]
t [min]
a)
15
10
5
15
10
5
0
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x [km]
300 Kraftfahrzeuge
d)
400 Kraftfahrzeuge
30
30
25
25
20
20
t [min]
t [min]
c)
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x [km]
15
10
15
10
5
5
0
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x [km]
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x [km]
Abbildung 8.4: Bewegungslinien von jedem zehnten Kraftfahrzeug auf der Ringfahrbahn für die Testkonfiguration mit der Geschwindigkeits–Abstands–Relation
V sa (x a ) V (1x a ) nach (5.23) und den übrigen Modellparametern nach (8.8)
Die Länge t der Zeitintervalle beeinflusst die Ausprägung der Verkehrsphänomene. So
treten bei längeren Zeitintervallen mehr kurze Stauwellen auf. Dies liegt in der
Behandlung des Approximationsfehlers im expliziten Zeitschrittverfahren begründet. Bei
großen Zeitintervallen ist der Approximationsfehler groß und die in Abschnitt 7.2.2
beschriebene Fehlerbehandlung zur Vermeidung negativer Geschwindigkeiten wird oft
wirksam. Durch die vielen Stopps der Kraftfahrzeuge entstehen zahlreiche Stauwellen.
Der Einfluss des Proportionalitätsfaktors im Bremsterm wurde bereits im Abschnitt 4.1.1
erläutert. Der Einfluss der Heaviside–Funktion wurde durch ihre Anwendung sowohl in
Form einer Sprungfunktion (4.10) als auch in Form einer kontinuierlichen Übergangsfunktion (4.11) getestet. Für die Testkonfiguration mit den ansonst gleichen Modellparametern
ergaben sich keine nennenswerte Unterschiede.
8.1 Störungsanalyse
137
Beurteilung
Die Störungsanalyse für die mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im
Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes hat gezeigt, dass die numerische Umsetzung
der mikroskopischen Bestimmungsgleichungen (4.1), (4.2) und (4.9) mit einem expliziten
Euler–Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.2 in der Lage ist, Verkehrsphänomene
wiederzugeben. Aus einer lokalen Störung konnten bei entsprechender Anzahl der
Kraftfahrzeuge auf der Ringfahrbahn bewegte Staus, Stop–and–Go–Wellen und breite
Staus simuliert werden.
Die numerische und programmtechnische Umsetzung mit einem expliziten Zeitschrittverfahren ist im Gleichgewichtszustand eines mikroskopischen Verkehrsablaufs korrekt.
Aussagen über ihre Korrektheit für die übrigen Zustände des Verkehrsablaufs können
nicht getroffen werden.
Der entscheidende Parameter der mikroskopischen Verkehrsmodellierungen ist die
Geschwindigkeits–Abstands–Relation. Während die übrigen Parameter für die quantitative Ausprägung eines eventuell auftretenden Verkehrsphänomens wichtig sind, kann mit
der Geschwindigkeits–Abstands–Relation das Auftreten der Verkehrsphänomene selbst
beeinflusst werden. Die quantitative Ausprägung eines Verkehrsphänomens kann
aufgrund der fehlenden analytischen Lösung nicht bestimmt werden.
8.1.3 Makroskopische Verkehrsmodellierung
Die Untersuchung makroskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes mit Hilfe einer Störungsanalyse wird exemplarisch
anhand von Berechnungen der Testkonfiguration mit einem makroskopischen Simulationsprogramm durchgeführt. Das Simulationsprogramm ergibt sich aus der Implementierung der numerischen Umsetzung der Bestimmungsgleichungen (5.2) und (5.7) mit
einem Finite–Elemente–Verfahren und einem geschwindigkeitsabhängigen Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.3. Das Finite–Elemente–Verfahren ist ein Upwind–Petrov–
Galerkin–Verfahren. Die Testkonfiguration wird für ungestörte, lokal gestörte und global
gestörte Verkehrsabläufe untersucht.
Simulation ungestörter Verkehrsabläufe
Zur Simulation ungestörter Verkehrsabläufe wird die Testkonfiguration mit dem makroskopischen Simulationsprogramm für die Anfangsbedingungen (8.1), (8.2) und (8.5)
berechnet. Dabei zeigen sich mit einer beliebigen Wahl der Modellparameter für
unterschiedliche Gesamtdichten keine Änderungen im Zustand des simulierten Verkehrsablaufs. Die numerische Umsetzung der makroskopischen Bestimmungsgleichungen
durch das Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahren, das Zeitschrittverfahren und ihre Implementierung liefert die erwartete Lösung. Für den Fall des Gleichgewichtszustands ist die
numerische und programmtechnische Umsetzung korrekt.
138
8 Simulation von Autobahnverkehr
Simulation lokal gestörter Verkehrsabläufe
Zur Simulation lokal gestörter Verkehrsabläufe wird die Testkonfiguration mit dem
makroskopischen Simulationsprogramm für Gesamtdichten von 10 kfzkm bis auf
60 kfzkm auf der Ringfahrbahn mit einem Umfang von L 30 km für eine halbe
Stunde berechnet. Hierzu werden die Anfangsbedingungen (8.3) und (8.5) sowie
folgende Modellparameter berücksichtigt:
Länge eines Fahrbahnsegments:
x 20 m
maximal mögliche Verkehrsdichte:
max 175 kfzkm
mittlere Wunschgeschwindigkeit:
v 0 130 kmh
Geschwindigkeits–Dichte–Relation:
V () nach Gleichung (5.22)
Anpassungszeit:
6s
Ausbreitungsgeschwindigkeit:
c 0 13 ms
Viskositätskonstante:
60 ms
(8.9)
Die Länge t der Zeitintervalle ergibt sich aus der geschwindigkeitsabhängigen
Zeitschrittsteuerung. Die Intervalle unterscheiden sich somit in jedem Zeitschritt. Sie
halten in jedem Fall das Courant–Kriterium (7.40) der Stabilität ein.
Die Modellparameter stimmen prinzipiell mit den Parametern der in [51] beschriebenen
Simulationen von Kerner und Konhäuser überein. Kerner und Konhäuser verwenden zur
numerischen Umsetzung derselben mathematischen Modellierung abweichend ein
Finite–Differenzen–Verfahren und ein implizites Eulerverfahren in Form eines Keller–
Box–Schemas [49]. Ihre Ergebnisse können mit dem Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahren und dem expliziten zeitschrittgesteuerten Euler–Verfahren reproduziert werden.
Bei der Simulation treten außer den in der Modellierung begründeten Stop–and–Go–Wellen im Bereich mittlerer Dichten keine Oszillationen mit dem Upwind–Petrov–Galerkin–
Verfahren auf. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass die steilen Gradienten
beispielsweise für einen Staufront numerisch schwer zu beherrschen sind. Der Ausgleich
zwischen dem zu Schwingung neigenden Galerkin–Anteil und dem glättenden Anteil ist
daher für die untersuchte makroskopische Modellierung gelungen.
Das simulierte Verhalten der Verkehrsabläufe bei einer gegebenen Gesamtdichte auf der
Ringfahrbahn lässt sich für makroskopische Verkehrsmodellierungen durch den Verlauf
einer Kenngröße in einem Ort–Zeit–Diagramm darstellen. In den Abbildungen 8.5 bis 8.8
sind die Ort–Zeit–Diagramme mit zweidimensionalen Verläufen der Dichte und der
Geschwindigkeit für Gesamtdichten von 10 kfzkm bis 60 kfzkm auf der
Ringfahrbahn dargestellt. Um einen Eindruck von der Größenordnung der genauen
Verläufe zu bekommen, sind in den Abbildung 8.5 bis 8.8 zusätzlich räumliche Schnitte
zu ausgewählten Zeitpunkten dargestellt.
8.1 Störungsanalyse
139
Bei geringen Dichten 15 kfzkm sowie bei hohen Dichten 60 kfzkm verschwindet die Störung bereits nach wenigen Minuten (Abbildung 8.5). Der Verkehrsablauf
befindet sich in seinem Gleichgewichtszustand mit den konstanten Größen und
v V () über den gesamten Fahrbahnabschnitt.
150
[kfzkm]
[kfzkm]
100
50
t [min]
0
0
10
20
x [km]
x [km]
30
Abbildung 8.5: Dichteverlauf der makroskopischen Simulation für die Testkonfiguration mit den Modellparametern nach (8.9) bei 10 kfzkm
Bei geringen mittleren Dichten um 25 kfzkm entsteht aus der Störung ein Stau
(Abbildung 8.6). Er besteht aus einem schmalen Bereich sehr hoher Dichte, einem breiter
werdenden Bereich niedriger Dichte und einem Übergangsbereich zum unbeeinflussten Verkehrsablauf der Dichte . Die entsprechende Geschwindigkeit ist im Stau fast
null. Der Stau bewegt sich in Fahrtrichtung.
a)
b)
t
x
c)
[kfzkm]
150
100
50
0
0
10
20
x [km]
v [kmh]
v
t
x
100
50
0
0
10
20
x [km]
[kfzkm]
150
100
50
0
30
0
10
20
x [km]
30
v [kmh]
100
50
0
30
0
10
20
x [km]
30
Abbildung 8.6: Dichte und Geschwindigkeit der makroskopischen Simulation bei
25 kfzkm: zeitlicher Verlauf (a), zur Zeit t 3 min (b) und t 11 min (c)
140
8 Simulation von Autobahnverkehr
Bei mittleren Dichten zwischen 35 kfzkm und 50 kfzkm entsteht aus der
Störung ein Bereich, in dem der Verkehrsablauf instabil wird (Abbildungen 8.7). Dieser
instabile Bereich, der sich im Laufe der Simulation über die gesamte Ringfahrbahn
ausbreitet, lässt sich als Stop–and–Go–Wellen interpretieren. Bei höheren mittleren
Dichten entstehen die Wellen regelmäßiger als bei niedrigeren mittleren Dichten.
a)
b)
c)
x
[kfzkm]
150
100
50
0
0
10
20
x [km]
v [kmh]
150
100
50
0
30
0
10
20
x [km]
x
[kfzkm]
150
100
50
0
0
10
20
x [km]
v [kmh]
150
100
50
0
30
0
10
20
x [km]
t
t
30
30
Abbildung 8.7: Dichte der makroskopischen Simulation bei 37.5 kfzkm und
50 kfzkm: zeitlicher Verlauf (a), zur Zeit t 11 min (b) und t 30 min (c)
Bei hohen mittleren Dichten um 56 kfzkm entsteht aus der Störung ein breiter Stau
(Abbildung 8.8). Er besitzt einen Bereich konstanter niedriger Dichte in
Fahrtrichtung gefolgt von einem Bereich sehr hoher Dichte . Beide Bereiche,
beziehungsweise Schichten, werden im Laufe der Zeit breiter.
a)
b)
t
x
[kfzkm]
150
100
50
0
0
10
20
x [km]
c)
[kfzkm]
150
100
50
0
30
0
10
20
x [km]
30
Abbildung 8.8: Dichte der makroskopischen Simulation bei 56.25 kfzkm: zeitlicher Verlauf (a), zum Zeitpunkt t 11 min (b) und t 30 min (c)
Die entstandenen Phänomene lösen sich nicht auf, sondern erreichen einen Zustand, der
sich unverändert mit gleichbleibender Geschwindigkeit gegen die Fahrtrichtung bewegt.
8.1 Störungsanalyse
141
Die Viskosität hat einen glättenden Einfluss auf die makroskopische Modellierung. Dies
wird im Vergleich der Ergebnisse aus Simulationen derselben Testkonfiguration mit
unterschiedlichen Viskositätskonstanten von 60 ms auf 10 ms deutlich. Die
Staus (Abbildung 8.9 a) und breiten Staus (Abbildung 8.9 c) sind mit 10 ms
schmaler und steiler als mit 60 ms. Sie entstehen früher, so dass bei einer geringen
Viskosität häufiger Staus auftreten. Die Anzahl auftretender Stop–and–Go–Wellen
(Abbildung 8.9 b) bei mittleren Dichten ist bei einer geringeren Viskosität sehr viel größer.
Mit einer Verringerung der Viskositätskonstante auf 0 werden bei der Entstehung der
Verkehrsphänomene die Gradienten so steil, dass die Simulation abbricht. Der Grund
hierfür ist der, dass sich in den Zustandsverläufen ein Sprung bildet. Unstetige Funktionen
gehören nicht zum Wertebereich von kontinuierlichen Modellierungen und erzeugen
daher Fehler. Mathematische Modellierungen ohne Diffusionsanteile sind aus diesem
Grund mit dem Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahren numerisch nicht umsetzbar.
a)
b)
c)
t
t
x
x
x
t
t
x
t
x
t
x
Abbildung 8.9: Vergleich unterschiedlicher Viskosität: Dichteverläufe von
25 kfzkm (a), 50 kfzkm (b) und 56.25 kfzkm (c) jeweils für
60 ms (oben) und 10 ms (unten) bei 6 s.
Die Anpassungszeit hat einen verzögernden Einfluss auf die makroskopische Modellierung. Eine längere Anpassung der Geschwindigkeit v an die Geschwindigkeits–Dichte–
Relation führt zur Verzögerung in der Entstehung von Verkehrsphänomenen. Dies wird
im Vergleich der Ergebnisse aus Simulationen derselben Testkonfiguration mit unterschiedlichen Anpassungszeiten von 6 s auf 35 s deutlich. Die Entwicklung eines
Staus (Abbildung 8.10 a) und eines breiten Staus (Abbildung 8.10 c) beginnt bei einer
längeren Anpassungszeit später. Die bei mittleren Dichten entstehenden Stop–and–Go–
Wellen (Abbildung 8.10 b) sind breiter und haben weichere Übergänge.
142
8 Simulation von Autobahnverkehr
a)
b)
c)
t
t
x
x
x
t
x
t
t
x
t
x
Abbildung 8.10: Vergleich unterschiedlicher Anpassungszeiten: Dichteverläufe
von 25 kfzkm (a), 37.5 kfzkm (b) und 56.25 kfzkm (c) jeweils für
6 s (oben) und 35 s (unten) bei 60 ms.
Die Geschwindigkeits–Dichte–Relation V () beeinflusst das Entstehen der Verkehrsphänomene. Dies wird im Vergleich der Ergebnisse aus Simulationen derselben
Testkonfiguration mit unterschiedlichen Ansätzen für V () deutlich. Polynominale
Ansätze führen in vielen Fällen zu unbefriedigenden Ergebnissen. Wesentliche Verkehrsphänomene treten gar nicht oder erst bei unrealistisch hohen Dichten auf. Potenzielle und
exponentielle Ansätze haben zusätzlich zu max und v 0 zwei weitere Parameter. Bei
geeigneter Wahl der Parameter ergeben sich die bereits beobachteten Verkehrsphänomene (Abbildung 8.11 oben). Der Ansatz nach Helbing und Treiber (5.23) hat zusätzlich
zu max und v 0 fünf weitere Parameter. Mit der exemplarischen Wahl von T 2 s,
A 0 0.008, A 0.02, c 0.27 max und 0.05 max ändern sich im Gegensatz zum exponentiellen Ansatz (5.22) die Gesamtdichten, bei denen die betrachteten
Verkehrsphänomene entstehen (Abbildung 8.11 unten). Solche Unterschiede in der
Ausprägung der Verkehrsphänomene lassen sich auch bereits bei Änderungen der
Parameter einer Geschwindigkeits–Dichte–Relation beobachten.
Die Länge x der Segmente beeinflusst die Ausprägung der entstehenden Verkehrsphänomene. So können beim Auftreten einer Staufront mit längeren Segmenten unnatürliche
Oszillationen am oberen oder am unteren Ende der Staufront entstehen. Diese
Oszillationen sind auf den Approximationsfehler, der durch die Segmentlänge x
hervorgerufen wird, zurückzuführen. Bei kleineren Segmentlängen x treten keine
Oszillationen auf.
8.1 Störungsanalyse
143
a)
b)
c)
t
t
x
t
x
x
t
x
t
x
t
x
Abbildung 8.11: Vergleich unterschiedlicher Geschwindigkeits–Dichte–Relationen:
Dichteverläufe von 25 kfzkm (a), 37.5 kfzkm (b) und 50 kfzkm (c)
für die exponentielle Geschwindigkeits–Dichte–Relation (oben) und die Geschwindigkeits–Dichte–Relation nach Helbing und Treiber (unten).
Simulation global gestörter Verkehrsabläufe
Mit der makroskopischen Simulation von Verkehrsabläufen, die sich aus einem global
gestörten Anfangszustand entwickeln, lässt sich das Verhalten der anfänglich nahezu
homogenen Verkehrsabläufe simulieren und untersuchen, aus dem sich nach längerer
Zeit scheinbar unbegründet Verkehrsphänomene bilden können. Zu diesen Verkehrsphänomenen zählt beispielsweise der sogenannte “Stau aus dem Nichts”.
Die Testkonfiguration wird mit dem makroskopischen Simulationsprogramm für Gesamtdichten von 10 kfzkm bis auf 60 kfzkm auf der Ringfahrbahn mit einem
Umfang von L 20 km über drei Stunden berechnet. Hierzu werden die Anfangsbedingungen (8.4) und (8.5) sowie folgende Modellparameter berücksichtigt:
Länge eines Fahrbahnsegments:
x 100 m
maximal mögliche Verkehrsdichte:
max 160 kfzkm
mittlere Wunschgeschwindigkeit:
v 0 110 kmh
Geschwindigkeits–Dichte–Relation:
V () nach Gleichung (5.22)
Anpassungszeit:
35 s
Ausbreitungsgeschwindigkeit:
c 0 13 ms
Viskositätskonstante:
35 ms
Die Länge t der Zeitintervalle ergibt sich aus der Zeitschrittsteuerung.
(8.10)
144
8 Simulation von Autobahnverkehr
Die Ergebnisse der Simulation der Testkonfiguration mit diesen Parametern sind für
verschiedene Gesamtdichten in Abbildung 8.12 dargestellt. Sie zeigen bei ähnlichen
Gesamtdichten bis auf eine Verzögerung in ihrer Entstehung qualitativ dieselben
Verkehrsphänomene wie bei einer lokalen Störung: Bei den Gesamtdichten
10 kfzkm und 20 kfzkm klingt die Anfangsstörung mit der Zeit ab. Bei der
Gesamtdichte 30 kfzkm entwickelt sich aus der Anfangsstörung ein Stau, der sich
mit gleichbleibender Geschwindigkeit gegen die Fahrtrichtung stationär bewegt. Bei der
Gesamtdichte 40 kfzkm entwickelt sich aus der Anfangsstörung ein breiter und ein
schmaler Stau, die sich zunächst mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegen und
dann zu einem Stau vereinigen. Für etwas andere Gesamtdichten als 40 kfzkm
können auch Stop–and–Go–Wellen simuliert werden. Bei der Gesamtdichte
50 kfzkm entwickelt sich aus der Anfangsstörung ein breiter Stau mit einem Niveau
hoher Dichte und einem vorangehenden Niveau niedriger Dichte. Bei der Gesamtdichte
60 kfzkm klingt die Anfangsstörung schnell ab.
a)
b)
c)
t
t
x
x
d)
x
e)
f)
t
x
t
t
x
t
x
Abbildung 8.12: Dichteverläufe der makroskopischen Simulation für die Testkonfiguration mit den Modellparametern nach (8.10) bei 10, 20, 30 kfzkm (a bis c)
und 40, 50, 60 kfzkm (d bis f).
Die Verkehrsphänomene treten bei ähnlichen Gesamtdichten sowohl mit einer lokalen als
auch mit einer globalen Anfangsstörung auf. Aus einer globalen Anfangsstörung entsteht
nach einiger Zeit von etwa 10 bis 30 min mindestens eine lokale Störung, die sich
entsprechend der Gesamtdichte zu einem Verkehrsphänomen ausweitet.
Die Testkonfiguration mit derselben Anfangsbedingung und ähnlichen Parametern wurde
in [26] auch mit anderen makroskopischen Verkehrsmodellierungen simuliert. Alle zeigten
bei gleichen Gesamtdichten qualitativ dieselben Verkehrsphänomene. Makroskopische
8.1 Störungsanalyse
145
Verkehrsmodellierungen eignen sich somit generell für die Simulation von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt einer Autobahn. Die quantitativen Unterschiede zwischen den
unterschiedlichen makroskopischen Modellierungen sind signifikant. Ohne analytische
Lösung lässt sich nicht sagen, welche quantitative Ausprägung die beste ist.
Beurteilung
Die Störungsanalyse für die makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im
Fahrbahnabschnitt einer Autobahn hat gezeigt, dass die numerische Umsetzung der
makroskopischen Bestimmungsgleichungen (5.2) und (5.7) mit einem Finite–Elemente–
Verfahren und einem geschwindigkeitsabhängigen Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt
7.3 in der Lage ist, Verkehrsphänomene wiederzugeben. Sowohl aus einer lokalen
Störung als auch aus einer globalen Störung konnten bei entsprechenden Gesamtdichten
bewegte Staus, Stop–and–Go–Wellen und breite Staus simuliert werden.
Die numerische und programmtechnische Umsetzung mit dem Upwind–Petrov–Galerkin–Verfahren und der geschwindigkeitsabhängigen Zeitschrittsteuerung ist im Gleichgewichtszustand eines Verkehrsablaufs korrekt. Ihre Korrektheit für die übrigen Zustände
eines Verkehrsablaufs ist aufgrund eines Vergleichs mit einer anderen numerischen
Umsetzung in [51], die zu den gleichen Ergebnissen führt, anzunehmen.
Der entscheidende Parameter der makroskopischen Verkehrsmodellierungen ist die
Geschwindigkeits–Dichte–Relation. Während die übrigen Parameter für die quantitative
Ausprägung eines eventuell auftretenden Verkehrsphänomens wichtig sind, kann mit der
Geschwindigkeits–Dichte–Relation das Auftreten der Verkehrsphänomene selbst beeinflusst werden. Die quantitative Ausprägung eines Verkehrsphänomens kann aufgrund der
fehlenden analytischen Lösung nicht bestimmt werden.
8.1.4 Mesoskopische Verkehrsmodellierung
Die Untersuchung mesoskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes mit Hilfe einer Störungsanalyse wird exemplarisch
anhand von Berechnungen der Testkonfiguration mit einem mesoskopischen Simulationsprogramm durchgeführt. Das Simulationsprogramm ergibt sich aus der Implementierung der numerischen Umsetzung der Bestimmungsgleichungen (6.1), (6.3), (6.16) und
(6.17) mit einem Finite–Differenzen–Verfahren und einem expliziten Euler–Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.4. Die Testkonfiguration wird für ungestörte Verkehrsabläufe
und global gestörte Verkehrsabläufe untersucht.
Simulation ungestörter Verkehrsabläufe
Zur Simulation ungestörter Verkehrsabläufe wird die Testkonfiguration mit dem mesoskopischen Simulationsprogramm für die Anfangsbedingungen (8.1), (8.2) und (8.6)
berechnet. Dabei zeigen sich mit einer beliebigen Wahl der Modellparameter für
146
8 Simulation von Autobahnverkehr
unterschiedliche Gesamtdichten keine Änderungen im Zustand des simulierten Verkehrsablaufs. Die numerische Umsetzung der mesoskopischen Bestimmungsgleichungen
durch das Finite–Differenzen–Verfahren, das Euler–Zeitschrittverfahren und ihre Implementierung liefert die erwartete Lösung. Für den Fall des Gleichgewichtszustands ist die
numerische und programmtechnische Umsetzung korrekt.
Simulation global gestörter Verkehrsabläufe
Zur Simulation global gestörter Verkehrsabläufe wird die Testkonfiguration mit dem
mesoskopischen Simulationsprogramm für Gesamtdichten von 10 kfzkm bis auf
60 kfzkm auf der Ringfahrbahn mit einem Umfang von L 20 km über drei
Stunden berechnet. Hierzu werden die Anfangsbedingungen (8.1), (8.4) und (8.6) sowie
folgende Modellparameter berücksichtigt:
Dauer eines Zeitschritts:
t 1 s
Länge eines Fahrbahnsegments:
x 100 m
Länge eines Kraftfahrzeugs
l 6.25 m
mittlere Wunschgeschwindigkeit:
v 0 110 kmh
Geschwindigkeits–Abstands–Relation:
V s (s) nach (4.21) mit T 1.2 s
Anpassungszeit:
8s
Proportionalitätsfaktor im Bremsterm:
12
(8.11)
Das simulierte Verhalten der Verkehrsabläufe bei einer gegebenen Gesamtdichte auf der
Ringfahrbahn lässt sich für mesoskopische Verkehrsmodellierungen durch den Verlauf
einer Kenngröße in einem Ort–Zeit–Diagramm darstellen. In Abbildung 8.13 sind die
Ort–Zeit–Diagramme mit Dichteverläufen für Gesamtdichten von 10 kfzkm bis
60 kfzkm auf der Ringfahrbahn dargestellt. Die mesoskopische Verkehrsmodellierung stellt eine Verbindung zwischen einer mikroskopischen und einer makroskopischen
Modellierung her. Um die Verläufe mit den Bewegungslinien in Abschnitt 8.1.2 und den
Dichteverläufen in Abschnitt 8.1.3 qualitativ vergleichen zu können, wird die Dichte als
ebener Farbverlauf dargestellt.
Bei geringen Dichten 15 kfzkm und bei hohen Dichten 65 kfzkm verschwindet
die Störung bereits nach wenigen Minuten (Abbildung 8.13 a und f). Der Verkehrsablauf
befindet sich in seinem Gleichgewichtszustand mit den konstanten Größen s 1 und
v V s (s) über den gesamten Fahrbahnabschnitt. Bei geringen mittleren Dichten um
25 kfzkm entsteht aus der Störung ein Stau, der sich mit konstanter Geschwindigkeit gegen die Fahrtrichtung bewegt (Abbildung 8.13 b). Bei mittleren Dichten zwischen
30 kfzkm und 50 kfzkm entstehen aus der Störung Stop–and–Go–Wellen
(Abbildung 8.13 c bis e). Bei höheren mittleren Dichten entstehen die Wellen später,
regelmäßiger und zahlreicher als bei niedrigeren mittleren Dichten. Breite Staus können
bei der Wahl der Modellparameter nach (8.11) nicht beobachtet werden.
8.1 Störungsanalyse
147
= 10 kfz/km
a)
= 24 kfz/km
b)
150
150
120
120
90
90
t [min]
180
t [min]
180
60
30
0
60
30
0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x [km]
= 30 kfz/km
c)
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x [km]
= 40 kfz/km
d)
150
150
120
120
90
90
t [min]
180
t [min]
180
60
30
0
60
30
0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x [km]
= 50 kfz/km
e)
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x [km]
= 60 kfz/km
f)
150
150
120
120
90
90
t [min]
180
t [min]
180
60
30
0
60
30
0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x [km]
[kfzkm]
0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x [km]
160
Abbildung 8.13: Dichteverläufe der mesoskopischen Simulation für die Testkonfiguration mit den Modellparametern nach (8.11)
148
8 Simulation von Autobahnverkehr
Die Anpassungszeit, der Proportionalitätsfaktor im Bremsterm und die Heaviside–Funktion beeinflussen die Ausprägung der Verkehrsphänomene. Ihr Einfluss in der mesoskopischen Simulation ist qualitativ der gleiche wie bei der mikroskopischen Simulation. Dies
wird an der ähnlichen Ausprägung der Verkehrsphänomene in Abbildung (8.2) und (8.13)
deutlich. Sowohl in der mikroskopischen als auch in der mesoskopischen Simulation tritt
der freie Verkehrsablauf bei Dichte von 15 kfzkm (150 Kraftfahrzeuge auf 10 km)
auf. Der einzelne bewegte Stau entsteht bei einer Dichte von 22 kfzkm. Die
Stauwellen bei mittleren Dichten sind in der Regel schmal und zahlreich. Die
Geschwindigkeit der Stauwellen ist in beiden Simulationen ungefähr gleich. Signifikante
Unterschiede ergeben sich bei hohen mittleren Dichten von 60 kfzkm. Während in
der mikroskopischen Simulation viele unterschiedliche Verkehrsphänomene auftreten,
wirkt sich die Störung in der mesoskopischen Simulation nicht auf den Verkehrsablauf
aus. Dies ist in der glättenden Eigenschaft kontinuierlicher Modellierungen begründet.
Die Geschwindigkeits–Abstands–Relation V s (s) beeinflusst das Entstehen der Verkehrsphänomene. Dies wird durch eine erneute Simulation der Testkonfiguration mit den
Modellparametern (8.11) und einem Ansatz für V s (s) aus der Geschwindigkeits–Dichte–
Relation nach Helbing und Treiber (5.23) deutlich (Abbildung 8.14). Die Verkehrsphänomene ergeben sich bei anderen Gesamtdichten und unterscheiden sich in ihrer
Ausprägung stark von den Verkehrsabläufen in Abbildung 8.13. Bei Gesamtdichten von
20 kfzkm klingt die Anfangsstörung mit der Zeit ab (Abbildung 8.14 a und b). Erst
bei der Gesamtdichte 30 kfzkm entwickelt sich aus der Anfangsstörung ein
gleichförmig bewegter Stau (Abbildung 8.14 c). Bei der Gesamtdichte 40 kfzkm
entstehen Stop–and–Go–Wellen (Abbildung 8.14 d). Bei einer Gesamtdichte von etwa
50 kfzkm entsteht sich aus der Anfangsstörung ein breiter Stau (Abbildung 8.14 e).
Bei der Gesamtdichte 60 kfzkm klingt die Anfangsstörung ab (Abbildung 8.14 f).
Dieses Verhalten der mesoskopisch simulierten Verkehrsabläufe bei unterschiedlichen
Gesamtdichten entspricht qualitativ dem Verhalten der makroskopisch simulierten
Verkehrsabläufe für die gleiche Testkonfiguration mit denselben Anfangsdichten (8.4) in
Abbildung 8.12. Die Staus, die Stop–and–Go–Wellen und die breiten Staus entstehen bei
ungefähr der gleichen Gesamtdichte, zur selben Zeit mit einer ähnlichen Ausdehnung und
der gleichen Geschwindigkeit von v stau 13.5 kmh.
Die Länge t der Zeitintervalle hat keinen wesentlichen Einfluss auf die mesoskopische
Simulation. Dagegen hat die Segmentlänge x einen erheblichen Einfluss auf die
mesoskopische Simulation. Je kleiner die Segmentlänge x ist, desto mehr Oszillationen
treten auf. Viele Amplituden dieser Oszillationen wachsen soweit an, dass die Simulation
abgebrochen wird. Je größer die Segmentlänge x ist, desto weniger Verkehrsphänomene treten auf. Der Einfluss der Segmentlänge auf die mesoskopische Simulation liegt
in der numerischen Diffusion des Finite–Differenzen–Verfahrens begründet (Abschnitt
7.4.4). Die numerische Diffusion glättet die Verläufe der Kenngrößen.
8.1 Störungsanalyse
149
= 10 kfz/km
a)
= 20 kfz/km
b)
150
150
120
120
90
90
t [min]
180
t [min]
180
60
30
0
60
30
0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x [km]
= 30 kfz/km
c)
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x [km]
= 40 kfz/km
d)
150
150
120
120
90
90
t [min]
180
t [min]
180
60
30
0
60
30
0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x [km]
= 50 Kfz/km
e)
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18
20
x [km]
= 60 Kfz/km
f)
150
150
120
120
90
90
t [min]
180
t [min]
180
60
30
0
60
30
0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x [km]
[kfzkm]
0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
x [km]
160
Abbildung 8.14: Dichteverläufe der mesoskopischen Simulation für die Testkonfiguration mit den Modellparametern nach (8.11) und V s (s) V (1s) nach (5.23)
150
8 Simulation von Autobahnverkehr
Beurteilung
Die Störungsanalyse für die mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen im
Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes hat gezeigt, dass die numerische Umsetzung
der mesoskopischen Bestimmungsgleichungen (6.1), (6.3), (6.16) und (6.17) mit einem
Finite–Differenzen–Verfahren und einem Euler–Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.3
in der Lage ist, Verkehrsphänomene wiederzugeben. Aus der globalen Störung konnten
bei entsprechenden Gesamtdichten bewegte Staus, Stop–and–Go–Wellen und breite
Staus simuliert werden. Die Ausprägung der Verkehrsphänomene ist sowohl mit
mikroskopischen als auch makroskopischen Simulationen vergleichbar.
Die numerische und programmtechnische Umsetzung mit dem Finite–Differenzen–Verfahren und einem expliziten Zeitschrittverfahren ist im Gleichgewichtszustand eines
mesoskopischen Verkehrsablaufs korrekt. Aussagen über ihre Korrektheit für die übrigen
Zustände des Verkehrsablaufs können nicht getroffen werden.
Der entscheidende Parameter der mesoskopischen Verkehrsmodellierungen ist die
Geschwindigkeits–Abstands–Relation. Während die übrigen Parameter für die quantitative Ausprägung eines eventuell auftretenden Verkehrsphänomens wichtig sind, kann mit
der Geschwindigkeits–Abstands–Relation das Auftreten der Verkehrsphänomene selbst
beeinflusst werden. Die quantitative Ausprägung eines Verkehrsphänomens kann
aufgrund der fehlenden analytischen Lösung nicht bestimmt werden.
8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen
Der Vergleich von Simulations– und Messergebnissen für ausgewählte Verkehrsabläufe
im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes gibt Aufschluss darüber, inwieweit eine
Verkehrsmodellierung in der Lage ist, Verkehrsphänomene wiederzugeben, die in einer
Messung des Verkehrsablaufs identifizierbar sind. Der Vergleich erfordert die Festlegung
eines geeigneten Untersuchungsraums einschließlich der Spezifikation von Anfangs–
und Randbedingungen sowie der Wahl geeigneter Modellparameter.
Einen geeigneten Untersuchungsraum bildet ein Fahrbahnabschnitt der Bundesautobahn A5 nordwestlich von Frankfurt. Die hierfür zur Verfügung stehenden Messdaten
ermöglichen die Identifikation zahlreicher Verkehrsphänomene. Anhand von zwei
Verkehrsszenarien werden die Messergebnisse mit den Ergebnissen entsprechender
makroskopischer und mesoskopischer Simulationen verglichen.
Die Messdaten von der A5 ermöglichen weder die Identifikation einzelner Kraftfahrzeuge
in einem Fahrbahnabschnitt noch die Erfassung von mikroskopischen Werten einzelner
Kraftfahrzeuge an einem Messquerschnitt. Ein Vergleich dieser Messdaten mit den
Ergebnissen einer mikroskopischen Verkehrssimulation ist daher nicht zweckmäßig.
Messdaten, die einen Vergleich mit mikroskopisch simulierten Verkehrsabläufen ermöglicht hätten, standen für diese Arbeit nicht zur Verfügung.
8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen
151
8.2.1 Verkehrsmessung
Messungen von Autobahnverkehr, deren Ergebnisse mit den Ergebnissen einer
Verkehrssimulation verglichen werden sollen, erfordern einen Fahrbahnabschnitt mit
Messeinrichtungen, die eine möglichst hohe Auflösung der räumlichen und zeitlichen
Verkehrsabläufe erlauben. Ein geeigneter Fahrbahnabschnitt befindet sich auf der
Bundesautobahn A5 nordwestlich von Frankfurt im Bereich der Verkehrsbeeinflussungsanlage A5 Frankfurt–Friedberg [3]. Mit Genehmigung des Hessischen Landesamts für
Straßen– und Verkehrswesen hat die Verkehrsleitzentrale Rüsselsheim umfassende
Messdaten dieses Fahrbahnabschnitts zur Verfügung gestellt.
Datenerfassung
Die Datenerfassung besteht aus Messungen im Zeitraum vom 1.1.2001 bis zum 4.2.2001
auf dem 30 km langen Fahrbahnabschnitt, der durchgehend mit drei Fahrstreifen
ausgebaut ist. Die Datenerfassung erfolgt durch lokale Messungen an insgesamt 30
Messquerschnitten, die im Abstand zwischen 400 m und 2 km angeordnet sind. Jeder
Messquerschnitt enthält für jede der drei Fahrstreifen genau einen Detektor. Mit den
Detektoren lassen sich 1–Minuten–Daten für die Anzahl und die mittlere Geschwindigkeit
der detektierten Personen– und Lastkraftwagen ermitteln. 1–Minuten–Daten sind Daten,
die in einem Messintervall von einer Minute detektiert und gemittelt für diese Minute zur
verfügung gestellt werden. Die Beeinflussungsmaßnahmen der Verkehrsbeeinflussungsanlage A5 Frankfurt–Friedberg werden für den Vergleich von Mess– und Simulationsergebnissen nicht erfasst.
Datenauswertung
Für den Vergleich von Mess– und Simulationsergebnissen werden aus den lokal
gemessenen 1–Minuten–Daten die zeitlichen Kenngrößen der Verkehrsabläufe bestimmt. Ein Detektor auf einem Messquerschnitt i und einem Fahrstreifen j erfasst zu
Lkw
einem Zeitpunkt t die Anzahl der Kraftfahrzeuge n i j (t) n Pkw
i j (t) n i j (t) und deren
mittlere Geschwindigkeit g i j (t) während des Zeitintervalls t 1 min.
Fahrstreifen
j2
j1
j0
Messquerschnitt i
Detektor ij
Detektordaten
Lkw
n Pkw
i j (t) , n i j (t) , g i j (t)
Abbildung 8.15: Messdaten an einem Messquerschnitt mit drei Detektoren
Aus diesen lokalen Messgrößen lassen sich die zeitliche Verkehrsstärke st z (x i, t) und die
zeitliche mittlere Geschwindigkeit g z (x i, t) am Ort x i des Messquerschnitt i zum Zeitpunkt
t bestimmen. Die zeitliche Verkehrsstärke st z (x i, t) am Messquerschnitt i zum Zeitpunkt
152
8 Simulation von Autobahnverkehr
t entspricht dem Mittelwert aller im Zeitintervall t detektierten Kraftfahrzeuge über die J
Fahrstreifen von i:
st z (x i, t) st i (t) 1
J
J1
n i j (t)
(8.12)
t
j0
Die zeitliche mittlere Geschwindigkeit g z (x i, t) am Messquerschnitt i zum Zeitpunkt t
entspricht dem harmonischen Mittel [12] der mittleren Geschwindigkeiten g i j (t) auf den
J Fahrstreifen von i:
1
g z (x i, t)
J1
j0
1
st i j (t)
(8.13)
g i j (t) st i (t)
Die Werte für die zeitliche Verkehrsstärke st z (x, t) und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit g z (x, t) an einem Ort x zwischen den Messquerschnitten werden durch lineare
Interpolation bestimmt.
Die Auswertung der erfassten Verkehrsdaten ermöglicht die Identifikation von Verkehrsphänomenen. Zwei der beobachteten Verkehrsphänomene sind ein ortsfester und ein
bewegter Stau. Sie werden im Folgenden anhand zweier Verkehrsszenarien untersucht.
Verkehrsszenario 1
Der Untersuchungsraum des ersten Verkehrsszenarios besteht aus einem 8.6 km langen
Fahrbahnabschnitt im Bereich der Streckenkilometer von 485.0 bis 472.42 km und dem
dreistündigen Zeitraum von 13 bis 16 Uhr am 27.1.2001 (Abbildung 8.16). Etwa in der
Mitte des Fahrbahnabschnitts liegt das Autobahnkreuz Bad Homburg. Die Ein– und Ausfahrt des Autobahnkreuzes werden bei der Modellbildung berücksichtigt.
AK Bad Homburg
0.0
0.9
2.1
2.8 3.3 3.7 4.3 4.9
6.1
7.3
8.6 x [km]
Abbildung 8.16: Verkehrsszenario 1: Fahrbahnabschnitt
Im Verkehrsszenario 1 wird die Bildung und Auflösung eines ortsfesten Staus betrachtet,
der aus einem Unfall direkt hinter dem Fahrbahnabschnitt resultiert. Abbildung 8.17 zeigt
Farbdiagramme für die zeitliche Verkehrsstärke und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit
in Abhängigkeit von Ort und Zeit, die sich aus der Auswertung der lokalen Messdaten für
dieses Verkehrsszenario ergeben. Die lineare Interpolation der aufbereiteten Messdaten
zwischen den Messquerschnitten führt zu treppenhaften Verläufen in den Diagrammen.
8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen
153
180 min
150 min
120 min
90 min
60 min
30 min
0 min
0 0.9 2.1 3.3
st z [kfzh]
0
4.9 6.1 7.3 8.6
x [km]
2500
0 0.9 2.1 3.3
g z [kmh]
0
4.9 6.1 7.3 8.6
x [km]
125
Abbildung 8.17: Verkehrsszenario 1: Zeitliche Verkehrsstärke st z und zeitliche
mittlere Geschwindigkeit g z aus der Verkehrsmessung
In großen Bereichen des Untersuchungsraums herrscht freier Verkehr mit einer zeitlichen
Verkehrsstärke von etwa 1000 kfzh und einer zeitlichen mittleren Geschwindigkeit von
etwa 120 kmh. Die Staubildung ist durch einen breiten dreiecksförmigen Staubereich
niedriger Geschwindigkeiten von weniger als 15 kmh gekennzeichnet. Die Staufront, an
der die Kraftfahrzeuge in den Stau gelangen, bewegt sich gegen die Fahrtrichtung mit einer Geschwindigkeit von etwa 3.5 kmh. Die maximale Länge des Staus beträgt etwa
4.5 km bis 5 km. Die Stauauflösung ist durch einen schmalen dreiecksförmigen Übergangsbereich mit höheren Verkehrsstärken von etwa 1500 kfzh bis 1750 kfzh und geringen Geschwindigkeiten von 30 kmh bis 45 kmh gekennzeichnet. Diese Staufront bewegt sich in Fahrtrichtung mit einer Geschwindigkeit von etwa 13.5 kmh bis 15 kmh.
Der Einfluss des Autobahnkreuzes auf die Verkehrsstärke und die mittlere Geschwindigkeit ist gering.
Die Messdaten für das Verkehrsszenario 1 sind so aufzubereiten, dass sie für die Verkehrssimulationen als Anfangs– und Randbedingungen einsetzbar und für Vergleichszwecke geeignet sind. Die Anfangsbedingungen der Verkehrssimulationen umfassen die
räumlichen Verläufe der Dichte (x, t 0 ) und der Geschwindigkeit v (x, t 0 ) über den Fahrbahnabschnitt zum Anfangszeitpunkt t 0. Die Geschwindigkeit v (x, t 0 ) ergibt sich aus einer Zuordnung der zeitlichen mittleren Geschwindigkeit g z (x, t 0 ) und die Dichte (x, t 0 )
ergibt sich aus einer Zuordnung des Verhältnisses der zeitlichen Verkehrsstärke
st z (x, t 0 ) zur zeitlichen mittleren Geschwindigkeit g z (x, t 0 ):
v (x, t 0 ) g z (x, t 0 )
(8.14)
st z (x, t 0 )
g z (x, t 0 )
(8.15)
(x, t 0 ) 154
8 Simulation von Autobahnverkehr
Diese Zuordnungen sind nicht korrekt, da am Ort x v (x, t 0 ) und (x, t 0 ) genau zum Zeitpunkt t 0 definiert sind, während g z (x, t 0 ) und st z (x, t 0 ) nur für ein geeignetes Zeitintervall von t 0 bis t 0 t definiert sind. Darüber hinaus erfolgt in der zweiten Zuordnung
(8.15) die unzulässige Bestimmung einer zeitlichen Verkehrsdichte. Aufgrund fehlender
Alternativen wird die Zuordnung dennoch angewendet. Die aus der Aufbereitung resultierenden Anfangsbedingungen repräsentieren einen homogenen Verkehrszustand.
(x, t 0) [kfzkm]
125
100
75
50
25
0
0 0.9 2.1 3.3 4.9 6.1 7.3 8.6
x [km]
v (x, t 0) [kmh]
160
120
80
40
0
0 0.9 2.1 3.3 4.9 6.1 7.3 8.6
x [km]
Abbildung 8.18: Verkehrsszenario 1: Räumliche Verläufe der Anfangsbedingungen
Die Randbedingungen der Verkehrssimulationen umfassen die zeitlichen Verläufe der
Dichte (0, t) am Anfang des Fahrbahnabschnitts sowie der Geschwindigkeiten v (0, t)
und v (8.6 km, t) an beiden Rändern des Fahrbahnabschnitts. Der Dichte (0, t) wird das
Verhältnis st z (0, t) g z (0, t) und den Geschwindigkeiten v (0, t) beziehungsweise
v (8.6 km, t) werden die zeitlichen Geschwindigkeiten g z (0, t) beziehungsweise
g z (8.6 km, t) zugeordnet. Die Randbedingungen am Anfang des Fahrbahnabschnitts bei
x 0 repräsentieren einen freien Verkehrsablauf. Die Randbedingungen am Ende des
Fahrbahnabschnitts bei x 8.6 km repräsentieren einen etwa einstündigen Stau mit
einer halbstündigen Auflösungszeit.
125
100
75
50
25
0
(0, t) [kfzkm]
v (x, t) [kmh]
160
x0
120
80
x 8.6 km
40
0
0
30
60
90 120 150 180
t [min]
0
30
60
90 120 150 180
t [min]
Abbildung 8.19: Verkehrsszenario 1: Zeitliche Verläufe der Randbedingungen
8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen
155
Die über die Einfahrt und Ausfahrt des Autobahnkreuzes Bad Homburg ein– und
ausfahrenden Kraftfahrzeuge sind in der Simulation als zu– und abnehmende Massen zu
berücksichtigen. Sie werden als räumlich konstante Massenänderung mit einer Rechtecksverteilung im Bereich der Ein– und Ausfahrt modelliert. Die hierzu notwendigen
zeitlichen Verläufe der Massenflüsse q (x ein , t) und q (x aus , t) ergeben sich durch
Zuordnung der an der Ein– und Ausfahrt ermittelten zeitlichen Verkehrsstärken q ein
z (t)
aus
und q z (t). Die Verkehrsstärke auf der Einfahrt schwankt um den mittleren Wert von
etwa 250 kfzh. Die Verkehrsstärke auf der Ausfahrt schwankt stärker um den mittleren
Wert von etwa 300 kfzh.
750
500
250
0
–250
–500
–750
q (3.7 km, t) [kfzh]
0
30
60
750
500
250
0
–250
–500
–750
90 120 150 180
t [min]
q (4.3 km, t) [kfzh]
0
30
60
90 120 150 180
t [min]
Abbildung 8.20: Verkehrsszenario 1: Zeitliche Verläufe der Verkehrsstärken an der
Ausfahrt und der Einfahrt des Autobahnkreuzes Bad Homburg
Verkehrsszenario 2
Der Untersuchungsbereich des zweiten Verkehrsszenarios besteht aus einem 6.3 km langen Fahrbahnabschnitt im Bereich der Streckenkilometer von 488.0 bis 481.7 km und einem viertelstündigen Zeitraum von 16.25 Uhr bis 16.40 Uhr am 16.1.2001 (Abbildung
8.21). Die Verkehrsstrecke enthält keine Ein– oder Ausfahrten.
0.0
1.1
2.0
3.0
3.9
5.1
5.8
6.3 x [km]
Abbildung 8.21: Verkehrsszenario 2: Fahrbahnabschnitt
Im Verkehrsszenario 2 wird ein bewegter Stau betrachtet, der innerhalb einer komplexen
Verkehrssituation nach mehreren Unfällen aufgetreten ist. Abbildung 8.22 zeigt die Farbdiagramme für die Verkehrsdichte und die mittlere Geschwindigkeit in Abhängigkeit von
Ort und Zeit, die sich aus der Auswertung der Messdaten für dieses Verkehrsszenario ergeben. Die lineare Interpolation der aufbereiteten Messdaten führt bei schmalen bewegten Staus zu lückenhaften farblichen Abstufungen in den Diagrammen.
156
8 Simulation von Autobahnverkehr
15 min
10 min
5 min
0 min
0
1.1
2
3
3.9 5.1 6.3
x [km]
st z [kfzh]
0
0
1.1
2
3
ge z [kmh]
0
2500
3.9 5.1 6.3
x [km]
125
Abbildung 8.22: Verkehrsszenario 2: Zeitliche Verkehrsstärke q z und zeitliche mittlere Geschwindigkeit g z aus der Verkehrsmessung
In großen Bereichen des Untersuchungsraums herrschen eine zeitliche Verkehrsstärke
von etwa 1500 kfzh bis 2000 kfzh und eine zeitliche mittlere Geschwindigkeit von etwa
60 kmh bis 90 kmh. Zum Anfangszeitpunkt tritt am Ende des Fahrbahnabschnitts eine
Stauwelle mit einer Wellengeschwindigkeit von ungefähr 20 kmh ein. Die Stauwellenbreite lässt sich aus den lückenhaften Messdaten nicht zuverlässig abschätzen. Im Stauwellenbereich beträgt die zeitliche Verkehrsstärke etwa 500 kfzh und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit liegt ungefähr zwischen 16 kmh und 18 kmh. Neben dieser
Stauwelle treten nach 7 min am Ende des Fahrbahnabschnitts weitere Staubereiche auf.
Die Anfangsbedingungen der Verkehrssimulationen umfassen die räumlichen Verläufe
der Dichte (x, t 0 ) und der Geschwindigkeit v (x, t 0 ) über den Fahrbahnabschnitt zum
Anfangszeitpunkt t 0 (Abbildung 8.23). Die beiden Verläufe scheinen im Staubereich am
Ende des Fahrbahnabschnitts nicht verträglich zu sein. Bei signifikant abnehmender Geschwindigkeit im Stau wäre zu erwarten, dass die Dichte signifikant zunimmt.
125
100
75
50
25
0
(x, t 0) [kfzkm]
v (x, t 0) [kmh]
160
120
80
40
0
0
1.1
2
3 3.9 5.1 6.3
x [km]
0
1.1
2
3 3.9 5.1 6.3
x [km]
Abbildung 8.23: Verkehrsszenario 2: Räumliche Verläufe der Anfangsbedingungen
8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen
157
Die Randbedingungen der Verkehrssimulationen umfassen die zeitlichen Verläufe der
Dichte (0, t) am Anfang des Fahrbahnabschnitts sowie der Geschwindigkeiten v (0, t)
und v (6.3 km, t) an beiden Rändern des Fahrbahnabschnitts. Die Randbedingungen am
Anfang des Fahrbahnabschnitts bei x 0 repräsentieren einen gleichförmigen Verkehrsablauf. Die Randbedingungen am Ende des Fahrbahnabschnitts bei x 6.3 km
repräsentieren einen gestörten Verkehrsablauf mit Staubildungen.
125
100
75
50
25
0
(0, t) [kfzkm]
v (x, t) [kmh]
160
120
x0
80
40
x 6.3 km
0
0
2
4
6 8 10 12 14
t [min]
0
2
4
6 8 10 12 14
t [min]
Abbildung 8.24: Verkehrsszenario 2: Zeitliche Verläufe der Randbedingungen
8.2.2 Makroskopische Verkehrsmodellierung
Die Untersuchung makroskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes über Vergleiche mit gemessenen Verkehrsdaten wird
exemplarisch anhand von Berechnungen der zwei Verkehrsszenarien mit einem
makroskopischen Simulationsprogramm durchgeführt. Das Simulationsprogramm ergibt
sich aus der Implementierung der numerischen Umsetzung der Bestimmungsgleichungen (5.2) und (5.7) mit dem Finite–Elemente–Verfahren und dem geschwindigkeitsabhängigen Zeitschrittverfahren in Abschnitt 7.3.
Verkehrsszenario 1
Das Verkehrsszenario 1 wird mit dem makroskopischen Simulationsprogramm unter
Verwendung folgender Modellparameter berechnet:
Länge eines Fahrbahnsegments
x 100 m
maximal mögliche Verkehrsdichte:
max 135 kfzkm
mittlere Wunschgeschwindigkeit:
v 0 125 kmh
Geschwindigkeits–Dichte–Relation:
V () nach Gleichung (5.22)
Anpassungszeit:
35 s
Ausbreitungsgeschwindigkeit:
c 0 13 ms
Viskositätskonstante:
60 ms
(8.16)
Die Länge t der Zeitintervalle ergibt sich aus der Zeitschrittsteuerung in Abschnitt 7.3.5.
158
8 Simulation von Autobahnverkehr
Der Vergleich des simulierten Verkehrsablaufs mit dem Verkehrsablauf, der aus
Messungen gewonnen wurde, zeigt eine große Übereinstimmung der relevanten
Kenngrößen. Dies wird beim Vergleich der Farbdiagramme für den Massenfluss und die
Geschwindigkeit in Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.25) mit den Farbdiagrammen für die zeitliche Verkehrsstärke und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit in
Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.17) deutlich.
180 min
150 min
120 min
90 min
60 min
30 min
0 min
0 0.9 2.1 3.3
q [kfzh]
0
4.9 6.1 7.3 8.6
x [km]
2500
0 0.9 2.1 3.3
v [kmh]
0
4.9 6.1 7.3 8.6
x [km]
125
Abbildung 8.25: Verkehrsszenario 1: Massenfluss q und Geschwindigkeit v aus der
makroskopischen Verkehrssimulation
Die Bildung und Auflösung des ortsfesten Staus ist im simulierten Verkehrsablauf deutlich
zu erkennen. Im Bereich des freien Verkehrs stellt sich näherungsweise der makroskopische Gleichgewichtszustand mit der Geschwindigkeits–Dichte–Relation (5.22), einem
Massenfluss von etwa 1000 kfzh und einer Geschwindigkeit von etwa 110 kmh ein. Der
Stau bildet sich gegen die Fahrtrichtung mit einer Geschwindigkeit von etwa 4.3 kmh.
Im Stau liegen die Geschwindigkeiten bei unter 8 kmh. Die maximale Länge des Staus
beträgt 5 km. Die Stauauflösung ist durch einen schmalen dreiecksförmigen Übergangsbereich mit einer ausgeprägten separaten Stauwelle gekennzeichnet, die ähnliche
signifikante Verkehrsgrößen wie der Staubereich besitzt. Bei der Stauauflösung bewegt
sich die Staufront des Staubereichs mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 kmh. Die
separate Stauwelle im Übergangsbereich bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von
15 kmh. In der Verkehrssimulation löst sich der ortsfeste Stau ungefähr so schnell auf
wie in der Verkehrsmessung.
Die Übereinstimmung der Kenngrößen aus der Simulation und aus der Messung lässt sich
durch einen Vergleich der Zeitreihen des simulierten Massenflusses q (x, t) mit der
zeitlichen Verkehrsstärke st z (x, t) und der simulierten Geschwindigkeit v (x, t) mit der
zeitlichen mittleren Geschwindigkeit g z (x, t) an einem ausgewählten Ort x 6.1 km
verdeutlichen (Abbildung 8.26).
8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen
2500
2000
1500
1000
500
0
159
q (6.1 km, t) [kfzh]
v (6.1 km, t) [kmh]
160
120
80
40
0
0
30
60
90 120 150 180
t [min]
0
30
60
90 120 150 180
t [min]
Abbildung 8.26: Verkehrsszenario 1: Zeitreihen der makroskopisch simulierten
Kenngrößen q (x, t) und v (x, t) ( ) bei x 6.1 km im Vergleich zu den entsprechenden Messreihen der zeitlichen Kenngrößen st z (x, t) und g z (x, t) ( ).
Aus dem zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeiten ist zu erkennen, dass die Zeiträume
des Staubereichs bis auf die nachfolgende Stauwelle qualitativ sehr gut übereinstimmen.
Quantitativ tritt der Stau in der Simulation jedoch später als in der Messung auf und löst
sich früher wieder auf. Der Übergangsbereich vom Staubereich zum freien Verkehrsablauf ist durch eine ausgeprägte separate Stauwelle gekennzeichnet. Die Geschwindigkeit steigt im Übergangsbereich zunächst von 8 kmh stetig auf 55 kmh, fällt dann durch
die Stauwelle schnell auf 15 kmh ab, ehe sie auf 120 kmh ansteigt. Die Stauwelle
spiegelt sich auch in der Verkehrsstärke wider. Die maximalen Massenflüsse und
Verkehrsstärken bei der Stauauflösung stimmen mit etwa 1750 Fzh überein.
Verkehrsszenario 2
Das Verkehrsszenario 2 wird mit dem makroskopischen Simulationsprogramm unter
Verwendung folgender Modellparameter berechnet:
Länge eines Fahrbahnsegments
x 100 m
maximal mögliche Verkehrsdichte:
max 135 kfzkm
mittlere Wunschgeschwindigkeit:
v 0 120 kmh
Geschwindigkeits–Dichte–Relation:
V () nach Gleichung (5.22)
Anpassungszeit:
8s
Ausbreitungsgeschwindigkeit:
c 0 14 ms
Viskositätskonstante:
80 ms
(8.17)
Die Länge t der Zeitintervalle ergibt sich aus der geschwindigkeitsabhängigen
Zeitschrittsteuerung in Abschnitt 7.3.5.
Der Vergleich des simulierten Verkehrsablaufs mit dem Verkehrsablauf, der aus
Messungen gewonnen wurde, zeigt eine große Übereinstimmung der relevanten
Kenngrößen. Dies wird beim Vergleich der Farbdiagramme für den Massenfluss und die
160
8 Simulation von Autobahnverkehr
Geschwindigkeit in Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.27) mit den Farbdiagrammen für die zeitliche Verkehrsstärke und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit in
Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.17) deutlich.
15 min
10 min
5 min
0 min
0 0.9 2.1 3.3
q [kfzh]
0
4.9 6.1 7.3 8.6
x [km]
2500
0 0.9 2.1 3.3
v [kmh]
0
4.9 6.1 7.3 8.6
x [km]
125
Abbildung 8.27: Verkehrsszenario 2: Massenfluss q und Geschwindigkeit v aus der
makroskopischen Verkehrssimulation
Im Bereich des freien Verkehrs stellt sich näherungsweise der makroskopische
Gleichgewichtszustand mit der Geschwindigkeits–Dichte–Relation (5.22), einem Massenfluss von etwa 1700 kfzh und einer Geschwindigkeit von etwa 90 kmh ein. Der Stau
bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 18 kmh, seine Breite variiert von
600 m bis 700 m. Die Geschwindigkeit im Stau liegt bei etwa 5 kmh. Der zugehörige
Massenfluss mit etwa 460 kfzh ist höher als in den Messdaten. Die Stauwelle nimmt zum
Anfangszeitpunkt der Simulation am Ende des Fahrbahnabschnitts eine eigenartige Form
an, die auf die unrealistische Anfangsbedingung für die Verkehrsdichte zurückzuführen
und nach etwa 2 min abgeklungen ist. Neben der dominanten Stauwelle tritt nach 11 min
am Ende des Fahrbahnabschnitts ein weiterer Staubereich auf.
Die Übereinstimmung der Kenngrößen aus der Simulation und aus der Messung lässt sich
durch einen Vergleich der Zeitreihen des simulierten Massenflusses q (x, t) mit der
zeitlichen Verkehrsstärke st z (x, t) und der simulierten Geschwindigkeit v (x, t) mit der
zeitlichen mittleren Geschwindigkeit g z (x, t) an einem ausgewählten Ort x 3 km
verdeutlichen (Abbildung 8.28). Dabei stimmt das zeitliche Auftreten des Staubereichs in
den Geschwindigkeiten überein. Die Geschwindigkeiten der Verkehrssimulation liegen
jedoch außerhalb des Staubereichs mit etwa 96 kmh über und innerhalb des
Staubereichs mit etwa 7 kmh unter den zeitlich mittleren Geschwindigkeiten der
Verkehrsmessung. Im simulierten Massenfluss und in der zeitlichen Verkehrsstärke
stimmen Breite und Tiefe des Staubereichs überein.
8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen
161
q (3 km, t) [kfzh]
2500
2000
1500
1000
500
0
v (3 km, t) [kmh]
160
120
80
40
0
0
2
4
6 8 10 12 14
t [min]
0
2
4
6 8 10 12 14
t [min]
Abbildung 8.28: Verkehrsszenario 2: Zeitreihen der makroskopisch simulierten
Kenngrößen q (x, t) und v (x, t) ( ) bei x 3 km im Vergleich zu den entsprechenden Messreihen der zeitlichen Kenngrößen st z (x, t) und g z (x, t) ( ).
Beurteilung
Der Vergleich der Simulationsergebnisse mit den aus Messungen identifizierbaren
Verkehrsszenarien hat gezeigt, dass die numerische Umsetzung der makroskopischen
Bestimmungsgleichungen (5.2) und (5.7) mit einem Finite–Elemente–Verfahren und
einem geschwindigkeitsabhängigen Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.3 in der Lage
ist, die Verkehrsszenarien qualitativ und quantitativ wiederzugeben. Sowohl der ortsfeste
Stau im ersten Verkehrsszenario als auch der bewegte Stau im zweiten Verkehrsszenario
konnten mit der makroskopischen Modellierung reproduziert werden.
Von wesentlicher Bedeutung für die quantitative Beurteilung sind die Geschwindigkeit der
Staufront beziehungsweise der Stauwelle, die Stauwellenbreite, die Geschwindigkeiten
im Staubereich und der Massenfluss aus dem Staubereich heraus. Die Geschwindigkeit
der Staufront im ersten Szenario war in der Simulation geringfügig zu schnell, die
Geschwindigkeit und die Breite der Stauwelle im zweiten Szenario stimmte mit den
Messdaten überein. Die Geschwindigkeiten im Staubereich waren in der Simulation
deutlich geringer als in den Messdaten, was jedoch auf Probleme bei der Messung
niedriger Geschwindigkeiten in einem stehenden Verkehr zurückzuführen ist. Der
Massenfluss beim Austritt der Kraftfahrzeuge aus dem Staubereich ist in der Simulation
und der Messung identisch.
Die Simulationen der makroskopischen Verkehrsmodellierung reagieren äußerst sensitiv
auf Änderungen der Modellparameter. Kleine Änderungen beispielsweise der Anpassungszeit oder der Geschwindigkeits–Dichte–Relation führen zu großen Änderungen in
der Entstehung und Ausprägung des ortsfesten und des bewegten Staus. Es ist
festzustellen, dass für eine Vergleichbarkeit mit den Messdaten die Parameterwahl zur
makroskopischen Simulation des ersten Szenarios nicht auf die Parameterwahl zur
makroskopischen Simulation des zweiten Szenarios übertragen werden kann.
162
8 Simulation von Autobahnverkehr
8.2.3 Mesoskopische Verkehrsmodellierung
Der Vergleich mesoskopischer Modellierungen von Verkehrsabläufen mit gemessenen
Verkehrsdaten wird exemplarisch anhand von Berechnungen der zwei Verkehrsszenarien mit einem mesoskopischen Simulationsprogramm durchgeführt. Das Simulationsprogramm ergibt sich aus der Implementierung der numerischen Umsetzung der
Bestimmungsgleichungen (6.1), (6.3), (6.16) und (6.17) mit einem Finite–Differenzen–
Verfahren und einem expliziten Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.4.
Verkehrsszenario 1
Das Verkehrsszenario 1 wird mit dem mesoskopischen Simulationsprogramm unter
Verwendung folgender Modellparameter berechnet:
Dauer eines Zeitschritts:
t 1 s
Länge eines Fahrbahnsegments
x 100 m
maximal mögliche Verkehrsdichte:
max 135 kfzkm
mittlere Wunschgeschwindigkeit:
v 0 125 kmh
Geschwindigkeits–Abstands–Relation:
V s (s) nach Gleichung (5.23)
Anpassungszeit:
4s
Proportionalitätsfaktor im Bremsterm:
12
(8.18)
Der Vergleich des simulierten Verkehrsablaufs mit dem Verkehrsablauf, der aus
Messungen gewonnen wurde, stimmt in den relevanten Kenngrößen überein. Dies wird
beim Vergleich der Farbdiagramme für den Massenfluss und die Geschwindigkeit in
Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.29) mit den Farbdiagrammen für die zeitliche
Verkehrsstärke und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit (Abbildung 8.17) deutlich.
180 min
150 min
120 min
90 min
60 min
30 min
0 min
0 0.9 2.1 3.3
q [kfzh]
0
4.9 6.1 7.3 8.6
x [km]
2500
0 0.9 2.1 3.3
v [kmh]
0
4.9 6.1 7.3 8.6
x [km]
125
Abbildung 8.29: Verkehrsszenario 1: Massenfluss q und Geschwindigkeit v aus der
mesoskopischen Verkehrssimulation
8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen
163
Die Bildung und Auflösung des ortsfesten Staus ist im simulierten Verkehrsablauf deutlich
zu erkennen. Im Bereich des freien Verkehrs stellt sich näherungsweise der mesoskopische Gleichgewichtszustand mit der Geschwindigkeits–Abstands–Relation nach (5.23),
einem Massenfluss von etwa 1100 kfzh und einer Geschwindigkeit von etwa 120 kmh
ein. Der Stau bildet sich gegen die Fahrtrichtung mit einer Geschwindigkeit von etwa
3.5 kmh. Im Stau liegen die Geschwindigkeiten bei unter 10 kmh. Die maximale
Länge des Staus beträgt 4.6 km. Die Stauauflösung ist durch einen schmalen
dreiecksförmigen Übergangsbereich mit einer Geschwindigkeit von mehr als 65 kmh
und einem Massenfluss bis etwa 2000 kfzh gekennzeichnet. Sie bewegt sich mit einer
Geschwindigkeit von etwa 13.8 kmh. Die Stauauflösung erfolgt in der Verkehrssimulation ein wenig schneller als in der Verkehrsmessung.
Die Übereinstimmung der Kenngrößen aus der Simulation und aus der Messung lässt sich
durch einen Vergleich der Zeitreihen des simulierten Massenflusses q (x, t) mit der
zeitlichen Verkehrsstärke st z (x, t) und der simulierten Geschwindigkeit v (x, t) mit der
zeitlichen mittleren Geschwindigkeit g z (x, t) an einem ausgewählten Ort x 6.1 km
verdeutlichen (Abbildung 8.30).
2500
2000
1500
1000
500
0
q (6.1 km, t) [kfzh]
v (6.1 km, t) [kmh]
160
120
80
40
0
0
30
60
90 120 150 180
t [min]
0
30
60
90 120 150 180
t [min]
Abbildung 8.30: Verkehrsszenario 1: Zeitreihen der mesoskopisch simulierten
Kenngrößen q (x, t) und v (x, t) ( ) bei x 6.1 km im Vergleich zu den entsprechenden Messreihen der zeitlichen Kenngrößen st z (x, t) und g z (x, t) ( ).
Aus dem zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeiten ist zu erkennen, dass die Zeiträume
des Staubereichs qualitativ und quantitativ sehr gut übereinstimmen. Lediglich an der
Staufront bei der Stauauflösung ergeben sich geringfügige Unterschiede. Während die
Geschwindigkeit in der Verkehrssimulation beim Übergang vom Stau zum freien
Verkehrsablauf zwischen 10 kmh und 120 kmh für 7 min einen Wert von etwa 65 kmh
annimmt, stellt sich in der Verkehrsmessung für 10 min eine mittlere Geschwindigkeit von
etwa 40 kmh ein. Bei der Stauauflösung liegt der Massenfluss der Verkehrssimulation
mit etwa 2000 Fzh deutlich über der maximalen zeitlichen Verkehrsstärke der
Verkehrsmessung mit etwa 1750 Fzh.
164
8 Simulation von Autobahnverkehr
Verkehrsszenario 2
Das Verkehrsszenario 2 wird mit dem mesoskopischen Simulationsprogramm unter
Verwendung folgender Modellparameter berechnet:
Dauer eines Zeitschritts:
t 1 s
Länge eines Fahrbahnsegments
x 100 m
maximal mögliche Verkehrsdichte:
max 135 kfzkm
mittlere Wunschgeschwindigkeit:
v 0 125 kmh
Geschwindigkeits–Abstands–Relation:
V s (s) nach Gleichung (5.23)
Anpassungszeit:
6s
Proportionalitätsfaktor im Bremsterm:
12
(8.19)
Der Vergleich des simulierten Verkehrsablaufs mit dem Verkehrsablauf, der aus
Messungen gewonnen wurde, zeigt eine große Übereinstimmung der relevanten
Kenngrößen. Dies wird beim Vergleich der Farbdiagramme für den Massenfluss und die
Geschwindigkeit in Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.31) mit den Farbdiagramme für die zeitliche Verkehrsstärke und die zeitliche mittlere Geschwindigkeit in
Abhängigkeit von Ort und Zeit (Abbildung 8.17) deutlich.
15 min
10 min
5 min
0 min
0 0.9 2.1 3.3
q [kfzh]
0
4.9 6.1 7.3 8.6
x [km]
2500
0 0.9 2.1 3.3
v [kmh]
0
4.9 6.1 7.3 8.6
x [km]
125
Abbildung 8.31: Verkehrsszenario 2: Massenfluss q und Geschwindigkeit v aus der
mesoskopischen Verkehrssimulation
Im freien Verkehr stellt sich näherungsweise der mesoskopische Gleichgewichtszustand
mit der Geschwindigkeits–Abstands–Relation nach (5.23), einem Massenfluss von etwa
1550 kfzh und einer Geschwindigkeit von etwa 80 kmh ein. Der Stau bewegt sich mit
einer Geschwindigkeit von etwa 18.5 kmh. Seine Breite variiert von 400 m bis 700 m.
Die Geschwindigkeit im Stau liegt bei etwa 16 kmh und der Massenfluss bei etwa
900 kfzh. Die eigenartige Form der Stauwelle ist auch in der mesoskopischen Simulation
8.2 Vergleich von Simulations– und Messergebnissen
165
zu erkennen. Sie klingt nach etwa 3 min ab. Neben der dominanten Stauwelle treten nach
7 min am Ende des Fahrbahnabschnitts zwei weitere Stauwellen auf.
Die Übereinstimmung der Kenngrößen aus der Simulation und aus der Messung lässt sich
durch einen Vergleich der Zeitreihen des simulierten Massenflusses q (x, t) mit der
zeitlichen Verkehrsstärke st z (x, t) und der simulierten Geschwindigkeit v (x, t) mit der
zeitlichen mittleren Geschwindigkeit g z (x, t) an einem ausgewählten Ort x 3 km
verdeutlichen (Abbildung 8.32).
q (3 km, t) [kfzh]
2500
2000
1500
1000
500
0
v (3 km, t) [kmh]
160
120
80
40
0
0
2
4
6 8 10 12 14
t [min]
0
2
4
6 8 10 12 14
t [min]
Abbildung 8.32: Verkehrsszenario 2: Zeitreihen der mesoskopisch simulierten
Kenngrößen q (x, t) und v (x, t) ( ) bei x 3 km im Vergleich zu den entsprechenden Messreihen der zeitlichen Kenngrößen st z (x, t) und g z (x, t) ( ).
Das zeitliche Auftreten des Staubereichs stimmt in den Geschwindigkeiten überein. Die
Geschwindigkeiten der Verkehrssimulation liegen jedoch außerhalb des Staubereichs mit
etwa 96 kmh über und innerhalb des Staubereichs mit etwa 7 kmh unter den zeitlich
mittleren Geschwindigkeiten der Verkehrsmessung.
Beurteilung
Der Vergleich der Simulationsergebnisse mit den aus Messungen identifizierbaren
Verkehrsszenarien hat gezeigt, dass die numerische Umsetzung der mesoskopischen
Bestimmungsgleichungen (6.1), (6.3), (6.16) und (6.17) mit einem Finite–Differenzen–
Verfahren und einem expliziten Zeitschrittverfahren gemäß Abschnitt 7.4 in der Lage ist,
die Verkehrsszenarien qualitativ und quantitativ wiederzugeben. Sowohl der ortsfeste
Stau im ersten Verkehrsszenario als auch der bewegte Stau im zweiten Verkehrsszenario
konnten mit der mesoskopischen Modellierung reproduziert werden.
Von wesentlicher Bedeutung für die quantitative Beurteilung sind die Geschwindigkeit der
Staufront beziehungsweise der Stauwelle, die Stauwellenbreite, die Geschwindigkeiten
im Staubereich und der Massenfluss aus dem Staubereich heraus. Die Geschwindigkeiten der Staufront im ersten Szenario und der Stauwelle im zweiten Szenario stimmen
ebenso mit den Messdaten überein, wie die die Breite der Stauwelle. Die Geschwindigkei-
166
8 Simulation von Autobahnverkehr
ten im Staubereich entsprechen den Messdaten. Der Massenfluss beim Austritt der
Kraftfahrzeuge aus dem Staubereich ist in der Simulation und der Messung identisch.
Die Simulationen der mesoskopischen Verkehrsmodellierung reagieren äußerst sensitiv
auf Änderungen der Modellparameter. Kleine Änderungen beispielsweise der Anpassungszeit oder der Geschwindigkeits–Abstands–Relation führen zu großen Änderungen
in der Entstehung und Ausprägung des ortsfesten und des bewegten Staus. Es ist
festzustellen, dass für eine Vergleichbarkeit mit den Messdaten die Parameterwahl zur
mesoskopischen Simulation des ersten Szenarios nicht auf die Parameterwahl zur
mesoskopischen Simulation des zweiten Szenarios übertragen werden kann.
8.3 Simulationen zur Verkehrsuntersuchung und Verkehrsprognose
Das Ziel einer Simulation von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes ist die Untersuchung vom Verhalten der Verkehrsabläufe oder die kurzfristige
Prognose zukünftig auftretender Verkehrsabläufe. Um dieses Ziel erreichen zu können,
muss die Simulation für die entsprechende Verkehrsaufgabe geeignet sein.
Allgemeine Eignung der Verkehrssimulationen
Die allgemeine Eignung der betrachteten mikroskopischen, makroskopischen und
mesoskopischen Verkehrssimulation wurde in der Störungsanalyse und dem Vergleich
von Simulations– und Messergebnissen untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass
die gewählten numerischen Umsetzungen der Modellierungen typische Verkehrsphänomene wie Staus oder Stop–and–Go–Wellen qualitativ und im Vergleich mit Messdaten
auch quantitativ wiedergeben konnten.
In der Störungsanalyse hat sich die mesoskopische Verkehrsmodellierung als Verbindung
zwischen mikroskopischen und makroskopischen Modellierungen erwiesen. Die mikroskopischen Modellierungen neigen zur Bildung vieler unterschiedlicher kurzer Staus und
die makroskopischen Modellierungen neigen zur Bildung unterschiedlicher breiter
Verkehrsphänomene mit glatten Übergängen. Mit der mesoskopischen Modellierung
lassen sich bei geeigneter Wahl der Geschwindigkeits–Abstands–Relation beide
Verhaltensweisen reproduzieren. Die Geschwindigkeits–Abstands–Relation beziehungsweise die Geschwindigkeits–Dichte–Relation hat sich als entscheidender Parameter in allen drei Modellierungen für die Entstehung von Verkehrsphänomenen herausgestellt. Diese Relation, die gemeinsam mit der Anpassungszeit den Antrieb der
Kraftfahrzeuge beziehungsweise der Verkehrsabläufe darstellt, ist bisher lediglich
hypothetisch bestimmbar und sollte bei weiteren Untersuchungen und Weiterentwicklungen der Verkehrsmodellierungen besonders berücksichtigt werden.
In den Vergleichen von Simulations– und Messergebnissen hat sich die Geschwindigkeits–Abstands–Relation beziehungsweise die Geschwindigkeits–Dichte–Relation als
entscheidender Parameter herausgestellt. Dies ist von besonderen Interesse, da sich die
8.3 Simulationen zur Verkehrsuntersuchung und Verkehrsprognose
167
Simulationen bei der Reproduktion der in den Messdaten identifizierten Verkehrsszenarien als äußerst sensitiv auf Veränderungen der Modellparameter herausgestellt haben.
Eine Wahl der Parameter einer Modellierung, die zu einer qualitativen und quantitativen
Reproduktion eines Verkehrsszenarios führen, lässt sich nicht auf dieselbe Simulation
eines anderen Verkehrsszenarios oder auf andere, unterschiedliche Simulationen
desselben Verkehrsszenarios übertragen. Bei der Übertragung sind meist Änderungen
an ein oder zwei Parametern (meist in der Geschwindigkeits–Abstands–Relation oder der
Geschwindigkeits–Dichte–Relation) erforderlich.
Grundsätzlich eignen sich die mikroskopischen, makroskopischen und mesoskopischen
Modellierungen zur Simulation von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt eines
Autobahnnetzes. Sie können Verhaltensweisen in einem Autobahnverkehr reproduzieren. Dies lässt darauf schließen, dass die Beschreibungen und Modellierungen des
Autobahnverkehrs sowie die numerischen Umsetzungen dieser Modellierungen korrekt
sind. Da das erwartete Verkehrsverhalten nicht auf einer analytischen Lösung sondern auf
Beobachtungen und Messungen der Verkehrsabläufe eines beliebigen Autobahnabschnitts beruhen, die eine vollständige und fehlerfreie Verkehrsbeschreibung nicht
gewährleisten können, lassen sich über die Genauigkeit der Beschreibung, der
Modellierung und der numerischen Umsetzung, auf der eine Verkehrssimulation basiert,
keine präzisen Aussagen treffen. Für die weitere Entwicklung von Modellierungen der
Verkehrsabläufe auf einem Fahrbahnabschnitt einer Autobahn sind daher Verkehrsmessungen unter Laborbedingungen notwendig, um zuverlässige Vergleichswerte berücksichtigen zu können.
Simulationen zur Verkehrsuntersuchung
Die Untersuchung von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt eines Autobahnnetzes dient zur Lösung einer speziellen Verkehrsaufgabe, wie der Beeinflussung der
Verkehrsabläufe. Simulationen der Verkehrsabläufe im Fahrbahnabschnitt sind zweckmäßig, um das komplexe Verhalten der Verkehrsabläufe einschätzen zu können. Das
dabei verwendete Simulationsprogramm ist der Verkehrsaufgabe so anzupassen, dass
das Verhalten der simulierten Verkehrsabläufe Rückschlüsse zur Lösung der speziellen
Verkehrsaufgabe zulässt.
Da es eine allgemeingültige Modellierung von Verkehrsabläufen im Fahrbahnabschnitt
eines Autobahnnetzes derzeit nicht gibt, sollte kein beliebiges Simulationsprogramm
eingesetzt werden, sondern die Verkehrsbeschreibung, die Verkehrsmodellierung und
die numerische Umsetzung einer Simulation auf die Verkehrsaufgabe abgestimmt
werden. Die Abstimmung erfordert einerseits ein umfassendes Verständnis der Verkehrsmodellierung, sie führt andererseits zu einer besseren Kenntnis der betrachteten
Verkehrsabläufe und somit zu effizienteren Maßnahmen einer verkehrsabhängigen
Beeinflussung.
168
8 Simulation von Autobahnverkehr
Simulationen zur Verkehrsprognose
In der Regel besteht eine Verkehrsaufgabe in der Beeinflussung eines Verkehrs. Eine
direkte Beeinflussungsmaßnahme erfordert die Kenntnis vom Zustand der zu beeinflussenden Verkehrsabläufe und die Kenntnis vom Verhalten der beeinflussten Verkehrsabläufe. Der Zustand der Verkehrsabläufe lässt sich durch Messungen der Verkehrsabläufe bestimmen. Über das Verhalten dieser Verkehrsabläufe können
Verkehrsprognosen Auskunft geben. Für solche Verkehrsprognosen sind Verkehrssimulationen unerlässlich.
Verkehrssimulationen können zur Prognose nur eingesetzt werden, wenn die simulierten
Verkehrsabläufe zu brauchbaren Beeinflussungsmaßnahmen führen. Das heißt, die
Simulationen müssen die Verkehrsabläufe nicht notwendigerweise exakt abbilden, aber
sie müssen in der Lage sein, mögliche Alternativen der kommenden Verkehrsabläufe so
zu simulieren, dass sie die Entscheidung für eine verkehrsabhängige Beeinflussungmaßnahme stützen.
Je nachdem, welche Prognosen für eine Verkehrsbeeinflussung erforderlich sind, sind
zum einen die Verkehrsmessungen entsprechend zu installieren und zum anderen die
Beschreibung der Verkehrsabläufe, die Modellierung der Verkehrsabläufe sowie ihre
numerische Umsetzung anzupassen. Mikroskopische Modellierungen ermöglichen
detaillierte Vorhersagen über das Verhalten einzelner Kraftfahrzeuge in den Verkehrsabläufen. Makroskopische Modellierungen ermöglichen ganzheitliche Vorhersagen über
Verkehrsphänomene in den Verkehrsabläufen.
Die Integration einer Verkehrssimulation in eine Beeinflussung von Verkehrsabläufen
erfordert die Abbildung der Verkehrsabläufe, der Beeinflussungmaßnahmen und der
Verkehrsmessungen in der zugehörigen Verkehrsmodellierung. Die Verkehrsmodellierung ist so zu entwickeln, dass damit eine gestellte Verkehrsaufgabe gelöst werden kann.
9 Zusammenfassung
Die Anwendung von Verkehrsmodellen zur Simulation von Autobahnverkehr für die
Lösung einer Verkehrsaufgabe erfordert ein umfassendes Verständnis der Modellierung
von Verkehrsabläufen. Die Grundlagen für eine ganzheitliche Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz wurden in der Arbeit ingenieurgerecht formuliert.
Der Prozess der ganzheitlichen Modellierung ergibt sich aus den aufeinander folgenden
Kapiteln: In Kapitel 2 wurde eine allgemeine Verkehrsbeschreibung als Grundlage der
Modellbildung entwickelt. In Kapitel 3 folgte eine spezielle Beschreibung und die
Modellierung von Autobahnverkehr. In den Kapiteln 4 bis 6 wurden die unterschiedlichen
Möglichkeiten zur Abbildung von Verkehrsabläufen auf Autobahnen aufgezeigt. In Kapitel
7 wurden die entwickelten Modellierungen numerisch umgesetzt und in Kapitel 8 wurden
Simulationen von Autobahnverkehr untersucht, die durch eine Implementierung der
numerischen Umsetzungen entstanden sind.
Die Grundlage der Modellbildung bestand aus einer allgemeinen Beschreibung von
Verkehr. In Anlehnung an eine objektorientierte Analyse wurden die Komponenten eines
Verkehrs – das Verkehrsgebiet und die Vehikel – mit ihren strukturellen, geometrischen
und physikalischen Eigenschaften grundlegend beschrieben. Die Zusammenhänge
zwischen den Komponenten bilden die Verkehrsabläufe, für die die grundlegenden
Verkehrskenngrößen allgemein definiert wurden. Wesentlich bei der allgemeinen
Verkehrsbeschreibung war die Berücksichtigung von Verkehrsbeeinflussungen und
–messungen als Verkehrskomponenten. Sie sind in einer Verkehrsmodellierung abzubilden. Ebenso ist die Modellierung in das Gesamtsystem von Verkehr, Beeinflussung und
Messung zu integrieren, um sie als Simulation im Verkehr anwenden zu können. Mit der
allgemeinen Verkehrsbeschreibung als Grundlage der Modellbildung konnte ein umfassendes Verständnis von Verkehr gewonnen werden. Darüber hinaus lässt sich eine
Kopplung und eine Wiederverwendung spezieller Verkehrsbeschreibungen basierend
auf der allgemeinen Beschreibung erreichen.
Die spezielle Beschreibung von Autobahnverkehr auf der Grundlage einer allgemeinen
Verkehrsbeschreibung hat zu einer umfassenden Darstellung der wesentlichen Komponenten eines Autobahnverkehrs geführt. Bei der Beschreibung des Autobahnnetzes
sowie der Kraftfahrzeuge, der Verkehrsabläufe, der Verkehrsbeeinflussung und der
170
9 Zusammenfassung
Verkehrsmessung im Autobahnnetz konnten ihre Eigenschaften und Zusammenhänge
deutlicher als in bisherigen Autobahnmodellen herausgearbeitet werden. Die Integration
von Beeinflussungen und Messungen in die Beschreibung von Autobahnverkehr
ermöglichte ihre implizite Berücksichtigung in der folgenden Modellierung von Autobahnverkehr.
Die Modellierung von Autobahnverkehr ließ sich in die Grundlagen für die Autobahnnetze,
Verkehrsbeeinflussungen und Verkehrsmessungen sowie in unterschiedliche Abbildungen der Verkehrsabläufe in den Autobahnnetzen aufteilen. Das Wesentliche bei der
Modellierung eines Autobahnnetzes ist die Abbildung seiner Netzstruktur. Sie wurde in
Autobahnabschnitte mit zwei Fahrbahnabschnitten zerlegt, die wiederum in Fahrbahnsegmente und Fahrbahnquerschnitte unterteilt wurden. Die Zusammenhänge zwischen
Autobahnabschnitten, Fahrbahnabschnitten, Fahrbahnsegmenten und –querschnitten
wurden mit Hilfe unterschiedlicher Graphen abgebildet, wodurch standardisierte Algorithmen zur schnellen Suche in den Strukturen verwendet werden können. Da direkte
Beeinflussungsmaßnahmen und Messungen eines Autobahnverkehrs ebenso wie das
Autobahnnetz jederzeit bekannt sind, konnten die Grundlagen zur Integration von
Beeinflussungsmaßnahmen und Messungen in die Modellierung eines Autobahnnetzes,
angepasst an die Fahrbahnsegmente und –querschnitte, gezeigt werden. Die Verkehrsabläufe in den Fahrbahnabschnitten eines Autobahnnetzes lassen sich mikroskopisch,
makroskopisch oder mesoskopisch abbilden. In der Arbeit wurde für jede der drei
Betrachtungsweisen eine Modellierung gezeigt.
Die mikroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen auf einem Fahrbahnabschnitt
entspricht der Grundversion einer regelbasierten Modellierung, die jederzeit durch
Regeländerungen oder –erweiterungen modifiziert werden kann. Im Gegensatz zu den
vorhandenen mikroskopischen Modellierungen zeichnet sich die gezeigte Modellierung
durch anschauliche Regeln aus, die aus dem Fahrverhalten eines Kraftfahrzeugführers
nachvollzogen werden können. Diese Regeln beschreiben das Beschleunigungs– oder
Bremsverhalten eines Kraftfahrzeugs. In der Grundversion sind sie durch Sprungfunktionen miteinander kombiniert. Diese Regeln lassen sich jedoch auch durch beliebige
kontinuierliche Übergänge wie Fuzzy–Regelungen abbilden. Der Antrieb eines Kraftfahrzeugs wird wesentlich von einer Geschwindigkeits–Abstands–Relation beeinflusst. Im
Gegensatz zu den meisten Veröffentlichungen mikroskopischer Verkehrsmodellierungen
wurden die Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen der Modellierung dargestellt
und alternative Modellierungen diskutiert. Die Kenngrößen der mikroskopisch modellierten Verkehrsabläufe sind wie bei Verkehrsmessungen durch Zählung zu gewinnen und
erfordern somit die aufgezeigte Integration von Verkehrsmessungen in die Modellierung.
Die makroskopische Modellierung von Verkehrsabläufen in einem Fahrbahnabschnitt
entspricht einem System aus einer Kontinuitäts– und Navier–Stokes–ähnlichen Bewegungsgleichung. Fahrstreifenwechsel werden durch räumlich konstante oder variable
171
Massenänderung abgebildet. Die Anfangs–, Rand– und Übergangsbedingungen der
Modellierung wurden dargestellt und alternative Modellierungen diskutiert. Die Kenngrößen der makroskopisch modellierten Verkehrsabläufe entsprechen den Zustandsgrößen der Modellierung. Sie sind aufgrund unterschiedlicher Definitionen nur indirekt mit
Verkehrskenngrößen aus Verkehrsmessungen vergleichbar.
Die mesoskopische Modellierung von Verkehrsabläufen auf einem Fahrbahnabschnitt
entspricht einer makroskopischen Modellierung, in die die zuvor aufgezeigte mikroskopische Modellierung integriert ist. Die Integration erfolgte über eine zusätzliche Gleichung
für einen Zusammenhang der makroskopischen Dichte und des mikroskopischen
Abstands. Dieser neuartige Übergang der mikroskopischen Modellierung zu einer
makroskopischen Modellierung von Verkehrsabläufen auf einem Fahrbahnabschnitt ist
konsistent und anschaulicher als die Übergänge auf Basis der Theorie der stochastischen
Prozesse. Mit Hilfe der leicht modifizierbaren Regeln der mikroskopischen Modellierung
lassen sich unter anderem Fahrstreifenwechsel zeitlich nachvollziehbar begrenzen.
Die numerische Umsetzung einer Verkehrsmodellierung ist nicht Teil der Modellierung
und kann daher verschiedenen numerischen Verfahren angepasst werden. In der Arbeit
wurden exemplarisch für die mikroskopische, die makroskopische und die mesoskopische Modellierung jeweils eine numerische Umsetzung gezeigt. Insbesondere konnte
gezeigt werden, dass die Methode der finiten Elemente erfolgreich auf die makroskopische Verkehrsmodellierung angewendet werden kann.
Durch die Implementierung einer numerischen Umsetzung ergibt sich ein Programm, mit
dem Simulationen von Verkehrsabläufen in einem Autobahnnetz durchgeführt werden
können. Die Simulationsprogramme aus den numerischen Umsetzungen der mikroskopischen, makroskopischen und mesoskopischen Modellierung wurden in einer Störungsanalyse und einem Vergleich der Ergebnisse aus Simulationen und Detektormessungen
auf ihre Brauchbarkeit untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass sowohl die
mikroskopische, als auch die makroskopische und mesoskopische Simulation in der Lage
sind, typische Verkehrsphänomene wie Staus oder Stop–and–Go–Wellen qualitativ und
im Vergleich mit Messdaten quantitativ wiederzugeben. Die Simulationen reagierten
besonders sensitiv auf Änderungen der Modellparameter. Die Festlegung der Parameter
für die Simulation eines Verkehrsszenarios lässt sich nicht auf die Simulation eines
anderen Verkehrsszenarios übertragen. Verkehrsphänomene, die bei einem festgelegten
Parametersatz auftreten, können bei einer kleinen Parameteränderung anders ausgeprägt oder verschwunden sein. Als entscheidender Parameter hat sich die hypothetische
Form der Geschwindigkeits–Abstands–Relation beziehungsweise der Geschwindigkeits–Dichte–Relation im Anpassungsterm als Antriebskraft der Verkehrsabläufe herausgestellt. Bei geeigneter Wahl der Geschwindigkeits–Abstands–Relation zeigte sich die
mesoskopische Verkehrsmodellierung in den Simulationsergebnissen als konsistente
Verbindung zwischen mikroskopischen und makroskopischen Verkehrsmodellierungen.
172
9 Zusammenfassung
Ausblick
Mit dieser Arbeit sind die wesentlichen Grundlagen für die Entwicklung eines Programmsystems geschaffen, das einen einheitlichen Rahmen für eine vergleichende Beurteilung
und eine systematische Kopplung von Verkehrsmessungen und Verkehrssimulationen
unter besonderer Berücksichtigung von Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen darstellt.
Die modellierten Komponenten für die Autobahnnetze, die Verkehrsabläufe auf den
Autobahnnetzen sowie die Messung, die Steuerung und die Simulation der Verkehrsabläufe sind in ein solches Programmsystem zu übernehmen. Die Programmentwicklung
sollte die aufgezeigte objektorientierte Grundlage fortsetzen, so dass eine einfache
Erweiterbarkeit der Funktionalität und eine einfache Einbindung verschiedenartiger
Simulationsverfahren möglich ist. Mit einem derartigen Programmsystem können
dynamische Verkehrsprognosen für Autobahnen systematisch untersucht und verglichen
werden.
Die in dieser Arbeit gezeigten Grundlagen ermöglichen die programmtechnische
Umsetzung eines Autobahnnetzes mit heterogen modellierten Verkehrsabläufen. So
können unterschiedliche Fahrbahnabschnitte des Autobahnnetzes mit unterschiedlichen
mikroskopisch, makroskopisch oder mesoskopisch modellierten Verkehrsabläufen
entwickelt und zu einem Verkehrsgebiet zusammengefügt werden. Dabei ist der
Übergang von einem Fahrbahnabschnitt zu einem anschließenden Fahrbahnabschnitt
mit geeigneten Übergangsbedingungen konsistent abzubilden.
Die Modellierungen zur Reproduktion von Verkehrsabläufen auf Autobahnen erfordert für
jede Verkehrssimulation eine geeignete Festlegung aller maßgebenden Modellparameter. Besonders der Anpassungsterm mit der Geschwindigkeits–Abstands–Relation
beziehungsweise der Geschwindigkeits–Dichte–Relation als treibende Kraft des Verkehrsablaufs muss korrekt festgelegt sein. Außer theoretisch abschätzbaren Gültigkeitsbereichen und Erfahrungswerten stehen keine Verfahren zur Bestimmung dieser
Parameter aus Verkehrsmessungen zur Verfügung. Eine systematische Untersuchung
des quantitativen Einflusses der maßgebenden Parameter an nachvollziehbaren
Referenzszenarien und die Entwicklung von Vorgehensweisen zur Bestimmung dieser
Parameter aus Verkehrsmessungen sind erforderlich.
Für ein nachvollziehbares Referenzszenario sind geeignete Verkehrsmessungen erforderlich. Diese Verkehrsmessungen müssen Laborcharakter besitzen, um konkrete
Aussagen über beobachtete Verkehrsphänomene treffen und diese Verkehrsphänomene
anschließend in Simulationen exakt wiedergeben zu können. Solche Messungen von
“Laborversuchen” sind zeit– und kostenintensiv. Sie sind im Sinne einer genauen
Modellierung von Verkehrsabläufen auf Autobahnen jedoch unerlässlich.
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