MITTWOCH, 1 6. MÄRZ 2 0 1 1 SPEZ IAL 29 REGION F ERNSE HPROGRAMM Für Reto Wehrli ist der Atomausstieg sehr realistisch. Der Horror-Klassiker «Shining» läuft heute Abend auf Arte. SEITE 33 SEITE 38 «Dass es oft harzt, liegt nicht an uns» Irene Herzog-Feusi ist Präsidentin des Bürgerforums Freienbach. Ihre Motivation für die oft aufreibende politische Arbeit bezieht sie aus einem Verantwortungsgefühl, für die noch nicht geborene Generation. schule ihre Inspiration bezogen hatten, bin ich sehr verbunden. Ich ging sehr gern in die Schule. Sie schärfte meinen Blick auf die Welt. Sie hat mich Respekt vor der Natur gelehrt. Mich interessiert vieles, und seit dieser Zeit schätze ich jede Quelle unabhängiger, sachbezogener Information. Mit Irene Herzog-Feusi sprach Tobias Humm Vielleicht der Journalist Günther Wallraff oder der Zukunftsforscher Robert Jungk. Beides Menschen, die wichtige gesellschaftliche Denkanstösse gegeben haben. Sie sind in Pfäffikon aufgewachsen und Mitglied der Korporation Pfäffikon. Bot die Korporation einen Einstieg ins politische Schaffen? Dort kam ich zu meinem ersten politischen Engagement für die Gemeinde. Ich habe mich aber schon früher politisch betätigt. Ein Thema war Konsumenteninformation zur Gentechnologie. Wo entstand Ihr politisches Bewusstsein? Im Elternhaus. Mein Vater war Schwyzer Regierungsrat. Am Familientisch wurden die öffentlichen Angelegenheiten intensiv diskutiert. Wo sehen Sie Ihre Wurzeln? Ich bin hier am Zürichsee aufgewachsen und liebe diese wunderschöne Gegend. Die Liebe zu dieser Region steht über allem andern. Die Juwelen dieser Landschaft sollen gut verwaltet werden. Und nicht nur nach den Kriterien der kurzfristigen Profitmaximierung. Sie sind Lehrerin. Das ist ein Beruf, den man auch politisch verstehen kann. Ich habe ihn auch so verstanden. Ich war im Lehrervereinsvorstand und befasste mich intensiv mit Schulpolitik. Da sah ich viele ungünstige Entwicklungen. In den Entscheidungsgremien gibt man vor, dass man eine «gebildete» und «starke» Jugend wünsche. Effektiv steht aber nicht die Förderung unabhängiger, wissender Menschen im Mittelpunkt der Schulpolitik. Schon in den 1980er-Jahren wurde eine systematische Oberflächlichkeit eingeleitet, die viele Schüler verunsichert, demotiviert und schwächt statt stärkt. Was müsste in der Schule anders sein? Das Grundwissen müsste viel mehr gefördert werden. Die neuen Lehrmittel förderten keine Vertiefung, sondern nur die Oberflächlichkeit. Denken Sie ans Frühfranzösisch. Es ist trotz miserabler Kontrollstudien-Ergebnisse und entsprechenden Feedbacks der Lehrer immer noch im Stundenplan, und dies auf Kosten von besseren Deutschkenntnissen. In nur zwei Monaten im Sprachgebiet würde man mit Leichtigkeit mehr erreichen. Haben Sie ein Verhältnis zur Bewegung der 68er-Generation? Ich denke, die Auswirkungen dieser Bewegung waren ebenfalls prägend für mich. Meinen Lehrern, die in dieser Denk- Rechtsmissbrauch findet auf der anderen Seite statt. Unsere Arbeit dient im Gegenteil dazu, den Behörden schwere Nachteile und unnötiges Geldvergeuden zu ersparen. Würden unsere Hinweise von Anfang an offen entgegengenommen und wäre das behördliche Verhalten korrekt, so könnte ein Dialog stattfinden, der diesen Namen auch wirklich verdient. Dass es oftmals harzt, liegt keineswegs an uns. Haben Sie politische Vorbilder? Ist das Raumplanungsrecht selbst für die Gemeindebehörden zu kompliziert? Nein, aber die Raumplanung lässt sich leicht dazu missbrauchen, einzelnen Profiteuren viel Geld zulasten der Allgemeinheit in die Taschen zu spülen. Wie haben Sie sich politisch ausgebildet? Ich beobachte das Leben und beschäftige mich mit Menschen und Sachfragen. Als junge Frau von der Partei meines Vaters angefragt, ob ich bei ihnen mitmachen wolle, habe ich deutlich gemacht, dass ich das übliche politische Machtspiel nicht mag und darum für Parteipolitik nicht zur Verfügung stehe. «Bürgerforum bleibt unabhängig» Sind Sie ohne Parteizugehörigkeit nicht von politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen? Nein. Wir politisieren von unten und mit anderen Mitteln. Ich liebe es, das Unmögliche möglich zu machen, und bin sicher, dass es nie wirklich zu spät ist. Der Dienst amVolk soll immer oberste Priorität haben. Die Bevölkerung besteht aus lauter kostbaren Menschen. Politische Entscheidungsprozesse sollen nicht auf Manipulation beruhen, sondern auf echter Information und Mitwirkung «Ordnung schafft Frieden» Lassen Sie sich politisch einordnen? Einordnen schon, aber nicht eingrenzen. Ordnung schafft Frieden. Das ist etwas Konstruktives. Aber wenn man die geschaffene Ordnung mit Schlaumeiereien umgeht, wie das so oft geschieht, dann führt das nicht zu einer akzeptablen Ordnung. Was war der Anlass für die Gründung des Bürgerforums? Während der Kampagne zur Steinfabrik-Initiative zeigte sich unser Gemeinderat nicht besonders neutral.Wir mussten an diesem Beispiel hautnah erfahren, dass die Interessen der breiten Bevölkerung nicht immer im Zentrum stehen und behördliche Informationen nicht durchwegs korrekt und sachlich richtig sind. Nachdem die Stimmbürger unsere Initiative deutlich angenommen hatten, boten wir als Initianten unsere Mitwirkung im weiteren Verfahren an. Dies wurde jedoch kategorisch abgelehnt. So begleiten wir seither die laufende politische Agenda als Wie werden Sie im Dorf begrüsst? Irene Herzog-Feusi liebt die Landschaft am Zürichsee. Sie will mit ihrem politischen Engagement Bild Tobias Humm verhindern, dass sie der reinen Profitmaximierung zum Opfer fällt. unabhängiges Informationsund Dialogforum. Wenn ich von Zürich her über die Kantonsgrenze fahre, sehe ich, dass es im Kanton Schwyz anders aussieht. Ja, die Auswirkungen dieser anderen Politik sind in der Raumplanung am deutlichsten sichtbar. Unsere Parteien nehmen eher eine Lautsprecherfunktion wahr, als dass sie gestaltend Einfluss nehmen würden. Ursprünglich war das Steinfabrik-Areal im Zentrum der Aktivitäten des Bürgerforums? Nicht nur! Wir haben uns eine eigene Charta mit breitem Ansatz gegeben. Wir wollten öffentliche Weichenstellungen demokratischer gestalten. Lebensqualität, Raumplanung, Verkehrsplanung sind deshalb die Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Das SteinfabrikAreal war einfach nur der Auslöser, der zur Gründung des Bürgerforums führte. Forum zu sein wäre eigentlich der Sinn von Parteien. Sind für Sie Räte und Parteien keine Foren? So ist es. Dort findet Meinungszuspitzung für gewisse Interessen statt. Das darf zwar sein. Aber eigentlich müsste die Exekutive diese Meinungen zusammenbringen und die Partikularinteressen im Zaum halten. Dies gelingt aber nur, wenn man lernt, die übergeordneten Interessen der Bevölkerung zu respektieren. Bürgerforen regen öffentliche Diskussionen ohne eigene Machtansprüche an. «Ich mag keine versteckten Spiele» Ist das System von direkter Bürgerverantwortung nicht zu kompliziert? Wenn es keine verdeckten Spiele und auch keine Geheimniskrämereien mehr gibt, ist das System nicht zu kompliziert. Viele politische Abläufe verbrauchen viel zu viel Energie, Zeit und Geld und zerstören in der Bevölkerung häufig das Vertrauen in die Behörden. Immer wieder werden trickreiche Parteienabsprachen schon kurze Zeit später zu peinlichen Bumerangs. Worauf richten Sie Ihren Blick sonst noch? Wir werden die neue Kantonsverfassung sehr genau anschauen, um festzustellen, ob damit Rechte der Bevölkerung beschnitten werden sollen. Man könnte Ihnen vorwerfen, Ihre Taktik sei: verlangen, kritisieren, behaupten, denunzieren. Uns geht es um bessere Lebensqualität für alle. Lesen Sie, was wir auf unserer Webseite veröffentlicht haben! Unsere Vorstösse und Infos orientieren sich an der Sache und enthalten immer konstruktive Hinweise, Angebote zur Mitarbeit und Lösungsvorschläge. Wir nennen Dinge beim Namen. Und wenn wir etwas Unrechtes aufdecken, fürchten wir uns nicht, dies auch deutlich zu sagen. Vorwürfe bringen nur Leute in Umlauf, die uns gerne zum Schweigen bringen würden, weil ihnen die Wahrheit unangenehm werden kann. Mit Grüezi ... und mit Liebenswürdigkeit. Viel positives Echo kommt auch von auswärts. Nur Leute, die allen Grund haben, Transparenz zu fürchten, teilen manchmal Rundumschläge aus. Aber das bekomme ich meist erst aus zweiter Hand mit. Vielmehr werde ich immer wieder darin bestärkt, dranzubleiben und mich nicht einschüchtern zu lassen. Jetzt kandidiert mit Jürg Rückmar ein Mitglied des unabhängigen Bürgerforums fürs Gemeindepräsidium Freienbach. Kommen Sie in den Clinch? Nein, da ist kein Widerspruch. Wir bleiben unabhängig. Jedes Mitglied kann als Privatperson tun und lassen, was es will. Ich kann mir schon vorstellen, dass Jürg Rückmar von Seiten vieler unserer Mitglieder Unterstützung erhält, aber nicht vom Forum als Organisation. Sie sind hartnäckig. Mit gutem Grund! Sie schleppen den Gemeinderat vor Gericht. Wir erheben Verwaltungsbeschwerde, wenn Rechtsverletzungen geschehen. Und zwar nur dann, wenn wir mit berechtigten Hinweisen und Feedbacks an die Behörden auf taube Ohren stossen. Hat sich Ihr Ton in den letzten Jahren verändert? Nein. Wir haben nach wie vor den Wunsch, dass es ein besseres politisches Klima gibt. Wenn ich Dinge sehe, die demokratischen Prinzipien widersprechen und oder geltendes Recht missachten, dann engagiere ich mich. Meine Arbeit ist spannend, und der Kontakt mit den Leuten ist sehr interessant. Was sagen Sie zum Vorwurf des Rechtsmittelmissbrauchs? Gehen Sie nicht zu oft und gegen jede Amtshandlung vor Gericht? Jetzt sind Sie sybillinisch. Ich selbst werde ihn unterstützen, aber nicht als Präsidentin des Bürgerforums, sondern als Privatperson. Ich finde es gut, wenn sich ein parteiloser Kandidat zur Wahl stellt. Das ist eine Chance, die verhärteten Strukturen zu verändern. Das ist gerade in Feusisberg gescheitert. Feusisberg hat eben kein Bürgerforum. Zur Person Name: Irene Herzog-Feusi Wohnort: Pfäffikon Jahrgang: 1956 Beruf: Lehrerin Ämter: Präsidentin Bürgerforum Freienbach Hobbys: Lesen, Wandern, Gespräche Stärken: Überblick behalten, Zusammenhänge sehen Schwächen: Schokolade