Thema 5 Wohnungsnot

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Die Industrielle Revolution
Gesellschaftslehre Jg. 8
IGS Langenhagen, 2010
Lernbild: Gesellschaftliche Veränderungen
Thema 5: Wohnungsnot
Aufgabe
1. Lies zunächst alleine die Texte zu eurem Thema, kläre unbekannte Wörter und mache
dir Notizen zum Inhalt.
2. Bearbeitet danach gemeinsam die folgenden Aufgaben und stellt eure Ergebnisse in
einem Lernbild dar.
a. Veranschaulicht, wie Arbeiter in Großstädten lebten.
b. Erarbeitet für das Lernbild eine kurze Information über „Schlafgänger“.
c. Stellt die Pläne von Alfred Krupp dar.
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Die Industrielle Revolution
Gesellschaftslehre Jg. 8
IGS Langenhagen, 2010
Lernbild: Gesellschaftliche Veränderungen
Blick in die Küche einer Berliner Arbeiterwohnung. Die Aufnahme entstand um 1910 im Rahmen einer Wohnungsuntersuchung der Berliner Krankenkasse. in einem dazugehörenden Bericht wurde vermerkt, dass die mit
Wellblech verkleidete Decke stark verrostet war.
Thema 5: Wohnungsnot
Um 1850, als viele Menschen in die Industriezentren einwanderten, stand nicht nur im
Ruhrgebiet, im Saarland oder in Schlesien zu wenig Wohnraum zur Verfügung. Besonders in
den Großstädten wie Berlin oder Hamburg war die Zahl der Unterkünfte für Neubürger
begrenzt. Wo also sollten die Fabrikarbeiter wohnen?
In Industrieräumen, die kurz zuvor noch ländlich geprägt waren, ließ mancher Fabrikherr
eine „Werkskolonie" errichten. Meist entstanden Reihen von Einzelhäusern mit mehreren
Wohnungen in unmittelbarer Nähe der Fabrik. Auf der Rückseite hatten viele dieser Häuser
Gärten — für die „Bergmannskuh", die Ziege und den Gemüseanbau. Einen Garten zu
haben, bedeutete zusätzliche Nahrungsmittelversorgung. Außerdem förderten Gärten die
Bindung der Arbeiterfamilien an das Haus und damit an die Fabrik. Denn den Unternehmern
lag an der Beständigkeit ihres Personals.
Die Großstädte Berlin, Hamburg, Frankfurt und München entwickelten sich schnell zu
Industriezentren. Deshalb waren sie für viele Menschen Anziehungspunkte. Einer amtlichen
Statistik zufolge verdoppelte sich die Einwohnerzahl Berlins zwischen 1850 und 1870 auf
etwa 800 000 Menschen. Rund ein Fünftel von ihnen lebte 1870 in Kleinwohnungen. Anders
als heute gab es aber keine Singlehaushalte. Jede dieser Unterkünfte wurde von
durchschnittlich sieben Personen bewohnt!
Die meisten der Zugezogenen mussten sich mit gering entlohnten Hilfsarbeiten über Wasser
halten und fanden bezahlbaren Wohnraum deshalb nur in Quartieren von schlechtester
Bausubstanz; manchmal entstanden auch Slums aus selbst gebauten Hütten in der Nähe
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der Fabriken. Doch auch in den großen sogenannten „Mietskasernen1“', die infolge der
schnellen Bevölkerungszunahme seit den 187oer-Jahren errichtet wurden, gab es in der
Regel kein fließendes Wasser; geschweige denn Arbeiterwohnungen mit Badezimmer. Oft
lebte eine mehrköpfige Familie in einem einzigen Raum und nahm, um ihr Budget
aufzubessern, sogar noch einen sogenannten „Schlafgänger" auf. Das waren Arbeiter, die
Miete für ein Bett und eine Mahlzeit zahlten. Auf „Privatsphäre" musste die Masse der
Arbeiter verzichten.
Eine Arbeiterwohnung
Ein Politiker beschrieb 1890 die Wohnsituation einer Hilfsarbeiterfamilie in Berlin:
[Außer einem Bett fand sich] nur wenig ärmlicher Hausrat in dem unwohnlichen Raum. Auf
der kleinen eisernen Kochmaschine standen ein paar Töpfe den einzigen Tisch bedeckten ein
paar Teller und Gläser, Zeitungsblätter, Kamm, Bürste, Seifenschale ... und andere
Gegenstände. Der geringe Kleidervorrat der Familie hing an den Wänden; ein paar
verblasste Familienbilder und ungerahmte Holzschnitte aus einer illustrierten Zeitung
bildeten den einzigen Schmuck. Außer der Frau und ihrem Manne lebten in dieser Küche
noch drei Kinder ... In der Wohnung hausten sie schon über sechs Monate: Das sogenannte
„Zimmer" war abvermietet worden, die Küche kostete ihnen danach noch ungefähr 8 bis 9
Mark im Monat.
Wie die Familie schlief? Mann und Frau in dem einzigen Bett. Die Kinder wurden auf
ausgebreiteten Kleidungsstücken untergebracht und durften erst dann ins Bett kriechen,
wenn Vater und Mutter — gewöhnlich vor 5 Uhr morgens — aufgestanden waren. Den
ganzen Hausstand musste das 14-jährige Mädchen besorgen, das stundenweise als
Ausläuferin (Botin) beschäftigt war.
J. Flemming u. a. (Hg.), Quellen zur Alltagsgeschichte der Deutschen, 1997, gekürzt.
Wohnungen für die Ärmsten
Der Unternehmer Alfred Krupp ließ mehrere, damals vorbildliche Wohnanlagen für seine
Arbeiter errichten. Am 8. März 1871 ordnete er an:
Es werden billigste Wohnungen in Fachwerk aufgeführt für Einzelne oder Familien mit oder
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Mietskasernen: abwertende Bezeichnung für mehrstöckige Mietshäuser, die aus Vorderhäusern Seitenflügeln
und mehren Hinterhäusern bestehen. Auf engem Raum sollten sie möglichst viel Wohnraum bieten. Zwischen
1870 und 1920 wurden in Berlin ca. 10 000 Mietskasernen gebaut..
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ohne Möbel. Letztere auf's Notdürftigste beschränkt und nur Strohsack und Decken zum
Schlafen für solche, welche billigst logieren wollen.... Platz- und Hausordnung und
polizeiliche Kontrolle sowie Kontrolle an den zwei einzigen Ein-und Ausgängen bleibt zu
bestimmen. ... ) Die Anlage soll allen solchen, welche sparen müssen, zu den billigsten
Preisen einen gesunden Aufenthalt und gesunde Speisen liefern. Diese Wohnungen sind gar
nicht bestimmt für Leute, denen es gleichgültig ist, ob sie im Jahre einige Taler mehr für die
Wohnung zahlen. Für solche Anforderungen werden andere Wohnungen gebaut aus
massivem Mauerwerk von mehreren Etagen mit Kellerraum.
W. Berdrow (Hg.), Alfred Krupps Briefe 1826-1887, 1928,S. 254, gekürzt.
Wohnungsnot - Arbeiterwohnungen
In vielen Städten wurden dichtgedrängte Häuserblocks mit einfachen Wohnungen gebaut.
Die meisten Wohnungen lagen Tür an Tür und hatten nur zwei Zimmer: einen Wohnraum
mit Küche und eine kleine Schlafkammer. Eine Toilette gab es
für mehrere Wohnungen auf halber Treppe gemeinsam. Die
Wohnungen waren oft eng geschachtelt in Mietshäuser gebaut
und darum sehr dunkel, da die Fenster auf einen Innenhof
gingen, der sehr eng war. Oft besaßen die Familien auch nur
einen Raum, der Koch-, Wohn- und Schlafraum war. In Berlin
gab es 1895 27 471 Wohnungen mit einem Zimmer und sechs
und mehr Bewohnern.
So sah oft der bescheidene Wohnraum mit Küche aus:
Der Wohnraum einer Arbeiterwohnung wird in einem Buch aus der damaligen Zeit wie
folgt beschrieben:
„ Ein großer, grob gearbeiteter, stark abgenutzter Tisch, gegenüber, gewissermaßen als
Sofa, eine Gartenbank mit Lehne, eine alte Kommode, zwei alte Holzstühle, ein Herd und
Regale. Als Wandschmuck gibt es manchmal eine Schwarzwälder Uhr.“
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Die Industrielle Revolution
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Eine Fabrikarbeiterin berichtete 1893, wie ein Schlafraum aussah:
„Ich klopfte an die Tür,... ein sechsjähriger Junge riss die Tür auf,... ich trat ein; das
Gemach, in dem ich stand, war klein, viereckig, an den Wänden standen drei Betten mit
zerrissenen Strohsäcken und weichen, nicht vollen Federkissen, in der Mitte des Zimmers
ein Tisch, an dem fünf Männer saßen, die aus einer gemeinsamen großen Blechschüssel
löffelten. Das Fenster war ohne Vorhang.
Und in diesem Raum bot man mir an, mit Mann, Frau und 10 Kindern zu schlafen.
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