Wenn Kinder und Jugendliche Ware werden

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12_Experte
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Moderne Sklaverei
Experte
„Wenn Kinder und Jugendliche Ware werden“
Die Opfer von Menschenhandel werden immer jünger. Kinder und
Jugendliche sind leichter zu täuschen und haben oft keinen Zugang
zu wichtigen Informationen. Tourismusdestinationen sind häufig begehrte
Märkte für Menschenhändler. Auch Familien, die sozial und ökonomisch
aufsteigen wollen, instrumentalisieren dafür mitunter ihre Kinder.
Hintergrund_ASTRID WINKLER
schen Konkurs zweier Privatbanken.
Das Resultat: Kapitalflucht, Abwertung der Währung und hohe Inflation.
Der Tourismus hat zwar in den Zentren
die Lebenssituation der Bevölkerung
verbessert, doch die sozialen Unterschiede sind nach wie vor beträchtlich,
was nicht zuletzt mit Korruption und
ausgeprägter Vetternwirtschaft zusammenhängt. Der Tourismussektor ist
die Nummer Eins im Lande in Bezug
auf Deviseneinnahmen.
Eine Fallgeschichte mit
Österreichbezug
D
as Kinderhilfswerk der
Vereinten
Nationen,
UNICEF, schätzt, dass
weltweit mindestens zwei
Millionen Kinder und Jugendliche gezwungen werden, ihren Lebensunterhalt mit Prostitution zu verdienen. Die
Ausbeutungsformen, denen Kinder
und Jugendliche zum Opfer fallen,
sind freilich mannigfaltig. Neben der
sexuellen Ausbeutung sind Kinder
und Jugendliche von Arbeitsausbeutung, Organhandel und Zwang zu kriminellen Handlungen betroffen. In
Rumänien läuft derzeit ein Prozess gegen Menschenhändler, die mehrere
Minderjährige unter falschen Versprechungen nach Österreich in die Prostitution gehandelt haben sollen. Immer
wieder greift die Polizei etwa in Wien
Minderjährige auf, die unter Zwang
stehlen, betteln oder sexuelle Dienstleistungen verrichten müssen.
Der Wunsch nach einem
besseren Leben
Im Gegensatz zu westlichen Industriegesellschaften beträgt der Anteil von Kindern und Jugendlichen an
der Gesamtbevölkerung in Entwicklungs- und Schwellenländern oft bis zu
35 Prozent. Konfrontiert mit defizitären Bildungssystemen, mangelnden
Ausbildungschancen und Armut sitzen
die Jugendlichen sprichwörtlich in der
sozio-ökonomischen Falle: Die Standards in öffentlichen Schulen sind unmissiothek 1101
zureichend, private Schulen unleistbar.
Ohne Schulabschluss und Ausbildung
haben sie keine Chance auf dem lokalen Arbeitsmarkt. Viele Jugendliche
wollen in den Westen, um dort ihr
Glück zu versuchen. Die Eltern unterstützen sie häufig sogar dabei. Einerseits wünschen sie sich eine bessere Zukunft für ihre Kinder, andererseits
aber auch für sich selbst. Viele Familien sind stolz, wenn sie einen „Verdiener
im Westen“ haben.
Tourismus: Hoffnung
und Schattenseiten
Tourismus bringt, insbesondere für Länder des Südens, Chancen
auf ökonomische Entwicklung. Oft ist
Tourismus die wichtigste Quelle für
Deviseneinnahmen. Eine der negativsten Begleiterscheinungen von nichtnachhaltiger und unkontrollierter
touristischer Entwicklung ist jedoch
der so genannte „Kindersextourismus“.
Durch die steigende Nachfrage von
Touristen aus westlichen Industriestaaten hat diese Form des Missbrauchs
von Kindern stark zugenommen. Für
ein paar Dollar werden in Ländern
Südostasiens, Lateinamerikas, Afrikas
und Osteuropas täglich Kinder zwischen 6 und 17 Jahren von Touristen
sexuell ausgebeutet.
Ursachen von
„Kindersextourismus“
Mangelnde Sensibilisierung auf
Seiten der Reiseveranstalter und Touristen, eurozentristische und sexistische Vorurteile gegenüber der lokalen
Bevölkerung, Armut und soziale Ungleichheit im Reisezielland, unzureichende Gesetze und laxe Strafverfolgung (Korruption) – all das begünstigt
Kindersextourismus. Lokale Traditionen – wie Kinderheirat und Mythen
um besondere Kräfte, die Jungfräulichkeit zugeschrieben werden – können das Problem noch verstärken.
Meist sind es Mädchen, die schon früh
erfahren, dass sie zum Familieneinkommen beizutragen haben. Touristische Zentren üben eine starke Anziehung aus – auf Jugendliche, wie auch
auf Menschenhändler. Und nicht wenige allein reisende Männer sind auf der
Suche nach dem „ultimativen Kick“,
dem Urlaubsvergnügen oder der devoten „All-Inclusive-Frau“ für zu Hause
- als Ehefrau soll sie dann in Österreich
Haushälterin und „Liebesdienerin“ zugleich sein.
Am Beispiel der Dominikanischen Republik
Seit den 1980er Jahren hat sich der
Tourismus auf der Karibikinsel rasch
und stetig entwickelt. Rund 2,3 Millionen Urlauber jährlich besuchen die
touristischen Zentren entlang der 1500
km langen Küste. Immer wieder wurde das Land von politischen und wirtschaftlichen Krisen erschüttert, zuletzt
2002, ausgelöst durch den betrügeri-
Familie Paulino lebt in einem
Touristenort an der Südküste der Dominikanischen Republik, etwa eine
Stunde von der Hauptstadt Santo Domingo entfernt. Die Familie hat es
dank des Tourismus zu bescheidenem
Wohlstand gebracht. Luis ist Mitte
50 und Maurer. Seine Frau Maria betreibt ein kleines Gemischtwarengeschäft direkt an der Durchzugsstraße.
Essen wird hier ebenso verkauft wie
gebrauchte Kleidung, die die in Österreich lebende Tochter, Jessica, mitbringt. Während Luis und Maria das
Erdgeschoß bewohnen, hat sich Jessica
den ersten Stock durchaus komfortabel eingerichtet. An den Wänden im
Wohnbereich der Eltern finden sich
überall Fotos mit Jessica in schicken
und teuren Kleidern. Die Familie ist
sichtlich stolz auf ihre Tochter. Jessica
ist 30 Jahre alt und lebt seit zehn Jahren in Österreich. Ob die Eltern wissen, wer die Jeans – durchwegs Nobelmarken – bezahlt?
DIE DREI ZENTRALEN PUNKTE
DES BEITRAGS IN KURZFORM
• Kinderrechte sind zwar
theoretisch universell gültig –
zumindest für jene Staaten,
die die Kinderrechtskonvention
der UNO unterzeichnet haben.
Lokale Traditionen stehen dazu
oft im Widerspruch.
Kinderheirat als Aufstieg
Jessica war zehn Jahre alt, als
der Österreicher Franz – damals in
seinen 50igern – die Familie 1990
kennen lernte. Jessica wurde ihm „versprochen“. Als sie das 14. Lebensjahr
vollendet hatte, heiratete der um 40
Jahre ältere Franz in der Dominikanischen Republik die 14-jährige Jessica
– ein legaler Vorgang nach damaliger
Gesetzeslage, da die Eltern einverstanden waren. Nachdem Jessica volljährig
geworden war, nahm sie der Ehemann
nach Österreich mit. Ein Kind wurde
geboren, die Ehe inzwischen geschieden. Der Sohn lebt derzeit beim Vater.
Die nächste Generation
wird vorbereitet
Jessica besucht ein bis zwei
mal pro Jahr ihre Familie auf der Karibikinsel. Sie bringt Kleidung und
andere Utensilien für das Geschäft der
Mutter mit. Im Frühjahr 2009 nimmt
sie ihre 7-jährige Nichte Sophia, die
von Geburt an bei den Großeltern
lebte, nach Österreich mit. Das Kind
hätte in Österreich eine viel bessere
Zukunft, könne eine gute Schule besuchen, sagte sie. Die Eltern und Großeltern sind einverstanden. Recherchen
der Behörden ergeben, dass das Kind
im Haushalt der Tante für diverse Arbeiten ausgebeutet wird. Das Kind
wird der Tante abgenommen. Polizeiliche Ermittlungen werden eingeleitet.
Ausbeutung und Kinderhandel stehen
im Raum. Wie so oft, verlaufen die
Ermittlungen sprichwörtlich „im Sande“. Das nach Österreich verschleppte
• Touristen gelten in ärmeren
Ländern oft als „Garant für
Wohlstand“. Kinder werden
mitunter zum Pfand für den
materiellen Aufstieg von Familien.
• Die Schuldigen von Kinderausbeutung bleiben meist
im Hintergrund. Weitere
Informationen: www.ecpat.at;
www.kinderhandel.at.
e
Moderne Sklaverei_13
Kind wird auf Beschluss des Familiengerichts zu den Großeltern zurück gebracht. Die Partnerorganisation des internationalen ECPAT-Netzwerks wird
die Familie in der Dominikanischen
Republik begleiten und versuchen, das
Kindeswohl zu sichern. Viele Fragen
stehen nach wie vor im Raum. Hätte
es für das Kind eine bessere Zukunft
in Österreich gegeben? Wer weiß darauf die Antwort?
Schwierige Schuldfrage
Sophie kehrt zurück in eine
Familie, für die die (materielle) „Erfolgsgeschichte“ ihrer eigenen Tochter
nach wie vor Beweis genug dafür ist,
dass sie nichts Unrechtes getan haben.
Schließlich haben doch alle davon profitiert, dass Jessica damals als Zehnjährige einem Österreicher versprochen
wurde. Warum also sollte nicht auch
die kleine Sophie einen ähnlichen Weg
gehen? Ein Unrechtsbewusstsein in
Hinsicht auf Ausbeutung und Kinderhandel ist in der Familie nicht vorhanden. Was bleibt, ist die wenig aufmunternde Schlussfolgerung, dass die
Schuldfrage im Falle von Menschenhandel mitunter schwer zu klären ist.
Entweder weil kriminelle Netzwerke
dahinter stecken oder weil im innerfamiliären Kontext oft das Unrechtsbewusstsein für Kinderausbeutung
fehlt. Mehr Aufmerksamkeit auch
seitens der Bevölkerung ist notwendig. Das Bundeskriminalamt hat eine
Hotline unter 01-24836-853 83 eingerichtet, auch ein e-Mail kommt an:
[email protected]. <
WER IST ASTRID WINKLER?
• Die Kinderrechtsexpertin,
Trainerin und freiberufliche Autorin
studierte Soziologie, Politik- und
Kommunikationswissenschaften in
Wien. Seit 2008 ist sie Geschäftsführerin von ECPAT Österreich, einem
Bündnis diverser NGOs. Auch
Missio ist Mitglied. ECPAT kämpft in
70 Ländern der Erde für die Beendigung der Ausbeutung von Kindern.
missiothek 1101
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Moderne Sklaverei
Experte
„Wenn Kinder und Jugendliche Ware werden“
Die Opfer von Menschenhandel werden immer jünger. Kinder und
Jugendliche sind leichter zu täuschen und haben oft keinen Zugang
zu wichtigen Informationen. Tourismusdestinationen sind häufig begehrte
Märkte für Menschenhändler. Auch Familien, die sozial und ökonomisch
aufsteigen wollen, instrumentalisieren dafür mitunter ihre Kinder.
Hintergrund_ASTRID WINKLER
schen Konkurs zweier Privatbanken.
Das Resultat: Kapitalflucht, Abwertung der Währung und hohe Inflation.
Der Tourismus hat zwar in den Zentren
die Lebenssituation der Bevölkerung
verbessert, doch die sozialen Unterschiede sind nach wie vor beträchtlich,
was nicht zuletzt mit Korruption und
ausgeprägter Vetternwirtschaft zusammenhängt. Der Tourismussektor ist
die Nummer Eins im Lande in Bezug
auf Deviseneinnahmen.
Eine Fallgeschichte mit
Österreichbezug
D
as Kinderhilfswerk der
Vereinten
Nationen,
UNICEF, schätzt, dass
weltweit mindestens zwei
Millionen Kinder und Jugendliche gezwungen werden, ihren Lebensunterhalt mit Prostitution zu verdienen. Die
Ausbeutungsformen, denen Kinder
und Jugendliche zum Opfer fallen,
sind freilich mannigfaltig. Neben der
sexuellen Ausbeutung sind Kinder
und Jugendliche von Arbeitsausbeutung, Organhandel und Zwang zu kriminellen Handlungen betroffen. In
Rumänien läuft derzeit ein Prozess gegen Menschenhändler, die mehrere
Minderjährige unter falschen Versprechungen nach Österreich in die Prostitution gehandelt haben sollen. Immer
wieder greift die Polizei etwa in Wien
Minderjährige auf, die unter Zwang
stehlen, betteln oder sexuelle Dienstleistungen verrichten müssen.
Der Wunsch nach einem
besseren Leben
Im Gegensatz zu westlichen Industriegesellschaften beträgt der Anteil von Kindern und Jugendlichen an
der Gesamtbevölkerung in Entwicklungs- und Schwellenländern oft bis zu
35 Prozent. Konfrontiert mit defizitären Bildungssystemen, mangelnden
Ausbildungschancen und Armut sitzen
die Jugendlichen sprichwörtlich in der
sozio-ökonomischen Falle: Die Standards in öffentlichen Schulen sind unmissiothek 1101
zureichend, private Schulen unleistbar.
Ohne Schulabschluss und Ausbildung
haben sie keine Chance auf dem lokalen Arbeitsmarkt. Viele Jugendliche
wollen in den Westen, um dort ihr
Glück zu versuchen. Die Eltern unterstützen sie häufig sogar dabei. Einerseits wünschen sie sich eine bessere Zukunft für ihre Kinder, andererseits
aber auch für sich selbst. Viele Familien sind stolz, wenn sie einen „Verdiener
im Westen“ haben.
Tourismus: Hoffnung
und Schattenseiten
Tourismus bringt, insbesondere für Länder des Südens, Chancen
auf ökonomische Entwicklung. Oft ist
Tourismus die wichtigste Quelle für
Deviseneinnahmen. Eine der negativsten Begleiterscheinungen von nichtnachhaltiger und unkontrollierter
touristischer Entwicklung ist jedoch
der so genannte „Kindersextourismus“.
Durch die steigende Nachfrage von
Touristen aus westlichen Industriestaaten hat diese Form des Missbrauchs
von Kindern stark zugenommen. Für
ein paar Dollar werden in Ländern
Südostasiens, Lateinamerikas, Afrikas
und Osteuropas täglich Kinder zwischen 6 und 17 Jahren von Touristen
sexuell ausgebeutet.
Ursachen von
„Kindersextourismus“
Mangelnde Sensibilisierung auf
Seiten der Reiseveranstalter und Touristen, eurozentristische und sexistische Vorurteile gegenüber der lokalen
Bevölkerung, Armut und soziale Ungleichheit im Reisezielland, unzureichende Gesetze und laxe Strafverfolgung (Korruption) – all das begünstigt
Kindersextourismus. Lokale Traditionen – wie Kinderheirat und Mythen
um besondere Kräfte, die Jungfräulichkeit zugeschrieben werden – können das Problem noch verstärken.
Meist sind es Mädchen, die schon früh
erfahren, dass sie zum Familieneinkommen beizutragen haben. Touristische Zentren üben eine starke Anziehung aus – auf Jugendliche, wie auch
auf Menschenhändler. Und nicht wenige allein reisende Männer sind auf der
Suche nach dem „ultimativen Kick“,
dem Urlaubsvergnügen oder der devoten „All-Inclusive-Frau“ für zu Hause
- als Ehefrau soll sie dann in Österreich
Haushälterin und „Liebesdienerin“ zugleich sein.
Am Beispiel der Dominikanischen Republik
Seit den 1980er Jahren hat sich der
Tourismus auf der Karibikinsel rasch
und stetig entwickelt. Rund 2,3 Millionen Urlauber jährlich besuchen die
touristischen Zentren entlang der 1500
km langen Küste. Immer wieder wurde das Land von politischen und wirtschaftlichen Krisen erschüttert, zuletzt
2002, ausgelöst durch den betrügeri-
Familie Paulino lebt in einem
Touristenort an der Südküste der Dominikanischen Republik, etwa eine
Stunde von der Hauptstadt Santo Domingo entfernt. Die Familie hat es
dank des Tourismus zu bescheidenem
Wohlstand gebracht. Luis ist Mitte
50 und Maurer. Seine Frau Maria betreibt ein kleines Gemischtwarengeschäft direkt an der Durchzugsstraße.
Essen wird hier ebenso verkauft wie
gebrauchte Kleidung, die die in Österreich lebende Tochter, Jessica, mitbringt. Während Luis und Maria das
Erdgeschoß bewohnen, hat sich Jessica
den ersten Stock durchaus komfortabel eingerichtet. An den Wänden im
Wohnbereich der Eltern finden sich
überall Fotos mit Jessica in schicken
und teuren Kleidern. Die Familie ist
sichtlich stolz auf ihre Tochter. Jessica
ist 30 Jahre alt und lebt seit zehn Jahren in Österreich. Ob die Eltern wissen, wer die Jeans – durchwegs Nobelmarken – bezahlt?
DIE DREI ZENTRALEN PUNKTE
DES BEITRAGS IN KURZFORM
• Kinderrechte sind zwar
theoretisch universell gültig –
zumindest für jene Staaten,
die die Kinderrechtskonvention
der UNO unterzeichnet haben.
Lokale Traditionen stehen dazu
oft im Widerspruch.
Kinderheirat als Aufstieg
Jessica war zehn Jahre alt, als
der Österreicher Franz – damals in
seinen 50igern – die Familie 1990
kennen lernte. Jessica wurde ihm „versprochen“. Als sie das 14. Lebensjahr
vollendet hatte, heiratete der um 40
Jahre ältere Franz in der Dominikanischen Republik die 14-jährige Jessica
– ein legaler Vorgang nach damaliger
Gesetzeslage, da die Eltern einverstanden waren. Nachdem Jessica volljährig
geworden war, nahm sie der Ehemann
nach Österreich mit. Ein Kind wurde
geboren, die Ehe inzwischen geschieden. Der Sohn lebt derzeit beim Vater.
Die nächste Generation
wird vorbereitet
Jessica besucht ein bis zwei
mal pro Jahr ihre Familie auf der Karibikinsel. Sie bringt Kleidung und
andere Utensilien für das Geschäft der
Mutter mit. Im Frühjahr 2009 nimmt
sie ihre 7-jährige Nichte Sophia, die
von Geburt an bei den Großeltern
lebte, nach Österreich mit. Das Kind
hätte in Österreich eine viel bessere
Zukunft, könne eine gute Schule besuchen, sagte sie. Die Eltern und Großeltern sind einverstanden. Recherchen
der Behörden ergeben, dass das Kind
im Haushalt der Tante für diverse Arbeiten ausgebeutet wird. Das Kind
wird der Tante abgenommen. Polizeiliche Ermittlungen werden eingeleitet.
Ausbeutung und Kinderhandel stehen
im Raum. Wie so oft, verlaufen die
Ermittlungen sprichwörtlich „im Sande“. Das nach Österreich verschleppte
• Touristen gelten in ärmeren
Ländern oft als „Garant für
Wohlstand“. Kinder werden
mitunter zum Pfand für den
materiellen Aufstieg von Familien.
• Die Schuldigen von Kinderausbeutung bleiben meist
im Hintergrund. Weitere
Informationen: www.ecpat.at;
www.kinderhandel.at.
e
Moderne Sklaverei_13
Kind wird auf Beschluss des Familiengerichts zu den Großeltern zurück gebracht. Die Partnerorganisation des internationalen ECPAT-Netzwerks wird
die Familie in der Dominikanischen
Republik begleiten und versuchen, das
Kindeswohl zu sichern. Viele Fragen
stehen nach wie vor im Raum. Hätte
es für das Kind eine bessere Zukunft
in Österreich gegeben? Wer weiß darauf die Antwort?
Schwierige Schuldfrage
Sophie kehrt zurück in eine
Familie, für die die (materielle) „Erfolgsgeschichte“ ihrer eigenen Tochter
nach wie vor Beweis genug dafür ist,
dass sie nichts Unrechtes getan haben.
Schließlich haben doch alle davon profitiert, dass Jessica damals als Zehnjährige einem Österreicher versprochen
wurde. Warum also sollte nicht auch
die kleine Sophie einen ähnlichen Weg
gehen? Ein Unrechtsbewusstsein in
Hinsicht auf Ausbeutung und Kinderhandel ist in der Familie nicht vorhanden. Was bleibt, ist die wenig aufmunternde Schlussfolgerung, dass die
Schuldfrage im Falle von Menschenhandel mitunter schwer zu klären ist.
Entweder weil kriminelle Netzwerke
dahinter stecken oder weil im innerfamiliären Kontext oft das Unrechtsbewusstsein für Kinderausbeutung
fehlt. Mehr Aufmerksamkeit auch
seitens der Bevölkerung ist notwendig. Das Bundeskriminalamt hat eine
Hotline unter 01-24836-853 83 eingerichtet, auch ein e-Mail kommt an:
[email protected]. <
WER IST ASTRID WINKLER?
• Die Kinderrechtsexpertin,
Trainerin und freiberufliche Autorin
studierte Soziologie, Politik- und
Kommunikationswissenschaften in
Wien. Seit 2008 ist sie Geschäftsführerin von ECPAT Österreich, einem
Bündnis diverser NGOs. Auch
Missio ist Mitglied. ECPAT kämpft in
70 Ländern der Erde für die Beendigung der Ausbeutung von Kindern.
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