Mediative Haltung und kooperatives Handeln

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«Mediative Haltung und kooperatives Handeln
– Was können wir von den sozialen Neurowissenschaften lernen»
Abstract
Prof. Dr. med. Joachim Bauer, Universitätsklinikum Freiburg
De Vermittlung bei Konflikten zwischen Personen oder Institutionen ist aus Sicht der modernen
Neurowissenschaften ein besonders interessantes Feld. Eine wesentliche Voraussetzung für
erfolgreiche Mediation ist die Fähigkeit, die Perspektive der Gegenseite einnehmen zu können und zu
verstehen, was den Verhandlungspartner bewegt. Den Neurowissenschaften ist es in den letzten
Jahren gelungen, die neuronalen Systeme zu erforschen, die uns dazu in die Lage versetzen. Die
Fähigkeit zur Perspektivübernahme ist der zentrale Punkt. Mediatoren und Mediatorinnen müssen
diese Fähigkeit in ihrer Ausbildung trainieren und beherrschen. Nur dann können sie ihren Klienten
helfen, ihrerseits zu sehen, wo in einem konkreten Fall die Lösung liegen könnte.
Konflikte gehören zum Leben, sie müssen ausgetragen, aber am Ende auch beigelegt werden.
Konflikte unter den Teppich zu kehren und seinen Ärger nicht benennen und anderen erklären zu
können, kann Menschen krank werden lassen. Ebenso krank werden Menschen aber auch dann,
wenn ungelöste chronische Konflikte im Raum stehen. In beiden Fällen werden biologische Systeme
aktiviert, die uns am Ende krank machen. Auf Dauer gesund bleiben können Menschen nur dann,
wenn es uns –sowohl im privaten Bereich als auch am Arbeitsplatz- gelingt zu kooperieren. Dafür
sind wir auch evolutionär gemacht.
Klassische Auslöser für Konflikte, aus denen sich Mediationsbedarf ergeben kann, sind
Missverständnisse, Ängste, falsche Annahmen, aber auch alle Arten von Unfairness, also NichtBeachtung, Kränkungen, soziale Ausgrenzung oder der Versuch, jemanden zu betrügen oder zu
täuschen. Die sich daraus entwickelnden Gefühle von Angst, Ärger und Wut sind nichts Schlechtes. Es
ist wichtig, solche Gefühle, wenn sie sich melden, spüren und wahrnehmen zu können. Wer das nicht
kann –zum Beispiel weil er oder sie glaubt das sei sozial nicht OK- der läuft Gefahr, dass der
unterdrückte Ärger körperliche Krankheitssymptome produziert. Ärger in sich wahrzunehmen ist also
wichtig – auch hier kann Mediation hilfreich sein. Ebenso wichtig ist aber auch, Affekte nicht
ungesteuert herauszulassen, sondern sie so zu kommunizieren, dass die Gegenseite merkt, dass hier
eine Lösung gesucht werden muss.
Was brauchen zwei oder mehr Konfliktbeteiligte, die sich mit großem Misstrauen gegenüberstehen,
um sich öffnen zu können? Hier sind wir an dem Punkt, wo der Perspektivwechsel einsetzen muss.
Beide Parteien äußern sich zunächst zu ihrer Sicht der Dinge. Der nächste Schritt ist, dass beide
Verhandlungspartner angefragt werden, ob sie die Beweggründe der anderen Seite verstehen
können. In der Regel ist es nötig, dass der Mediator oder die Mediatorin zunächst getrennt mit
beiden Seiten spricht und den Prozess vorbereitet.
Gute Mediation ist eine hohe Kunst. Vonseiten der Mediatorin oder des Mediators erfordert sie nicht
nur, gegensätzliche Positionen zu verstehen und zusammenzuführen. Von großer Bedeutung ist die
Beziehung zwischen Mediator und Klient. Diese Beziehung ist eine sensible Sache. Wenn Mediatoren
zu proaktiv vorgehen, können Klienten das Gefühl bekommen, dass der Mediator oder die
Mediatorin eigene ehrgeizige Ziele verfolgt. Klienten können auch leicht das Gefühl bekommen, dass
sie sich dumm anstellen. Ebenso wenig dürfen sie sich bevormundet oder manipuliert fühlen.
Mediatoren müssen sich als Zeit lassen. Sie dürfen sich selbst und ihre Klienten nicht unter Druck
setzen. Das wichtigste erscheint mir, dass Mediatoren gelassen bleiben und den Wirkungen
vertrauen, die bereits von ihrer puren Präsenz ausgehen.
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