Diploma thesis (german) - Physik Uni Rostock

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Elektronen- und Ionendynamik
in Argon-Clustern bei Anregung durch
intensive ultrakurze XUV Laserpulse
Diplomarbeit
an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät
der Universität Rostock
angefertigt von
Mathias Arbeiter
Mai 2009
2
Betreuer:
Dr. Thomas Fennel
1. Gutachter: Prof. Karl-Heinz Meiwes-Broer
2. Gutachter: Prof. Oliver Kühn
Inhaltsverzeichnis
3
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
5
2 Vorbetrachtungen
2.1 Cluster im Grundzustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Elementare Responseprozesse von Materie in intensiven Laserpulsen .
2.2.1 Ultrakurze Laserpulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.2 Ponderomotives Potenzial und inverse Bremsstrahlung . . . .
2.2.3 Der Ionisationsprozess: Atom vs. Cluster . . . . . . . . . . . .
2.3 Stand der Forschung: Edelgascluster in VUV- und XUV- Laserfeldern
2.3.1 Xenon-Cluster bei 100nm (VUV) . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.2 Argon-Cluster bei 32nm (XUV) . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4 Zentrale Fragestellungen dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 Methoden zur Beschreibung der Clusterdynamik
3.1 Monte-Carlo-Simulation der Ein-Photonen-Ionisation
3.2 Molekular-Dynamik-Simulation . . . . . . . . . . . .
3.2.1 Prinzip des quasi-klassischen Modells . . . . .
3.2.2 Integration der Bewegungsgleichungen . . . .
3.2.3 Der Ionisationsprozess . . . . . . . . . . . . .
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4 Ergebnisse und Diskussion
4.1 Elektronenemission in XUV-Laserfeldern . . . . . . . . . . . .
4.1.1 Multistep-Ionization im XUV-Bereich . . . . . . . . . .
4.1.2 Einfluss eines Nanoplasmas auf die Elektronenemission
4.1.3 Energieabsorptionsprozesse im Cluster . . . . . . . . .
4.1.4 Vergleich mit experimentellen Photoelektronenspektren
4.2 Ionendynamik: Expansion und Ladungszustände . . . . . . . .
4.2.1 Expansion kleiner Argoncluster in XUV-Laserpulsen . .
4.2.2 Schalen- und ladungsaufgelöste Ionen-Energie-Spektren
4.2.3 Äußere Ionisation im externen Abzugsfeld . . . . . . .
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45
45
50
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58
61
61
66
69
5 Zusammenfassung
73
6 Anhang
6.1 Inverse Bremsstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Tunnelzeit bei der Feldionisation . . . . . . . . . . . . . .
6.3 Direkte Photoemission im Modell einer homogen geladenen
6.3.1 Frustration direkter Photoemission . . . . . . . . .
6.3.2 Multistep-Ionization - Analytische Lösung . . . . .
75
75
77
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Kugel
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5
1 Einleitung
Die Entwicklung des Freie-Elektronen-Lasers hat in den letzten Jahren auf dem Forschungsgebiet der Licht-Materie-Wechselwirkung für beträchtliches Aufsehen gesorgt. Durch die Verfügbarkeit extrem intensiver ultrakurzer Laserpulse mit hohen Photonenenergien
bietet sich beispielsweise ein völlig neues Anwendungsspektrum in der Strukturuntersuchung. So wird perspektivisch das Ziel verfolgt, mit Einzelschuss-Beugungsaufnahmen
Bilder von Nanoteilchen, Biomolekülen und zellulären Strukturen, wie z.B. Viren, aufzunehmen. Für die Realisierung dieses Traums ist ein tiefes Verständnis der Licht-MaterieWechselwirkung nötig. So stellt sich die Frage, inwieweit die zerstörerische Kraft des
Laserpulses auf die Probe die durch Beugung erzeugte Bildgebung limitiert [NWvdS+ 00].
Hierfür sind grundlegende Experimente an einfachen Systemen erforderlich. In diesem Zusammenhang ist die Erforschung der Wechselwirkung intensiver Laserpulse mit Clustern
in den letzten Jahren zu einem sehr aktiven Zweig der Laser-Materie-Physik herangewachsen. Insbesondere die experimentelle Beobachtung extrem hochgeladener schneller
atomarer Ionen aus Clustern bei Anregung mit intensiven Laserpulsen im nah-infraroten
Spektralbereich in den 90er Jahren hat dem Gebiet zu einem enormen Aufschwung verholfen [DTS+ 97], [SBC96], [KSK+ 99]. Eine Vielzahl von Experimenten und theoretischen
Studien hat sich seitdem diesem Thema gewidmet - für Details sei der Leser hier auf die
Übersichtsartikel [SSR06] und [KS02] verwiesen. Das fundamentale Interesse an der LaserCluster-Wechselwirkung resultiert aus der Möglichkeit, die Entwicklung der Response von
Materie auf starke Laserfelder als Funktion der Clustergröße, d.h. im Übergangsbereich
von atomaren Systemen bis hin zum Festkörper und als Funktion der Laserparameter
detailliert zu untersuchen. Im Gegensatz zu Festkörpertargets, in denen eine Reihe dunkler Dissipationskanäle wie z.B. Phononen vorliegen, können in Experimenten an freien
Clustern praktisch alle Emissionskanäle wie Ionen, Elektronen, hohe Harmonische oder
Rekombinationsstrahlung direkt und nahezu untergrundfrei beobachtet werden. Dadurch
sind Cluster vor allem auch sehr vielversprechende Nanolabore für die Erforschung lasergetriebener Prozesse in Vielteilchensystemen in bislang kaum zugänglichen Parameterbereichen, wie dem in dieser Arbeit betrachteten Regime ultrakurzer extrem-ultravioletter
Pulse (XUV). Neben der umfassenden experimentellen Analyse können die Licht-MaterieWechselwirkungsprozesse in großem Detail durch numerische Simulationen auf mikroskopischer Ebene theoretisch behandelt werden. Hieraus erwächst die aussichtsreiche Perspektive, mit Untersuchungen an atomaren Clustern durch die Verbindung von Experiment
und Theorie wesentlich zum besseren Verständnis der komplexen und vielfach hochgradig
nichtlinearen Dynamik dichter Vielteilchensysteme in starken Laserfeldern beizutragen.
In dieser Arbeit wird insbesondere die Wechselwirkung von Argon-Clustern mit intensiven
ultrakurzen XUV-Pulsen untersucht. Mit Hilfe numerischer Simulationen werden Photoelektronenspektren berechnet und die Expansion des Clusters analysiert, so dass durch
Vergleich mit experimentellen Daten wesentliche Mechanismen der Elektronen- und Ionenemission extrahiert werden können.
7
2 Vorbetrachtungen
Als Hinführung auf die in dieser Arbeit betrachteten Problemstellungen zu Edelgasclustern in intensiven XUV-Laserpulsen1 widmet sich dieses Kapitel vorbereitend der Diskussion ausgewählter struktureller Eigenschaften von Clustern als besonderem Zustand
kondensierter Materie (Abschnitt 2.1), grundlegenden Heizungs- und Ionisationsprozessen
in intensiver Laserstrahlung (Abschnitt 2.2) sowie dem derzeitigen Stand der Forschung
an Clustern in intensiven VUV2 /XUV- Laserfeldern (Abschnitt 2.3). Darauf aufbauend
werden in Abschnitt 2.4 die zentralen Fragestellungen dieser Arbeit abgeleitet.
2.1 Cluster im Grundzustand
Im physikalischen Sinne bezeichnet der Begriff Cluster kondensierte Materie aus einer
endlichen Zahl gleichartiger Konstituenten, z.B. Atomen oder Molekülen, wobei in dieser Arbeit atomare Cluster im Vordergrund stehen. Die Art der Bindung zwischen den
Atomen bestimmt dabei maßgeblich die physikalischen und chemischen Eigenschaften.
Man unterscheidet hinsichtlich der Bindung folgende aus der Material- bzw. Festkörperphysik bekannte Typen:
• van-der-Waals-Bindung (EB = 0.001..0.3eV)
• metallische Bindung (EB = 0.5..3eV)
• ionische Bindung (EB = 2..4eV)
• kovalente Bindung (EB = 1..4eV)
Dabei stellt die Bindungsenergie EB die Energie dar, die pro Atom in einem Festkörper
aufgewendet werden muss, um ihn vollständig in seine atomaren Bestandteile zu zerlegen. Die Art der Bindung hat einen großen Einfluss auf die geometrische Struktur eines
Clusters. Die strukturellen Eigenschaften können vielfach mit Schalenmodellen beschrieben werden, die zum Teil dem aus der Atomphysik bekannten Periodensystem ähneln.
Bei metallischen Clustern bestimmen beispielsweise die Valenzelektronen den Aufbau des
Systems. Delokalisierte Elektronen bewegen sich in einem Hintergrundpotenzial, welches
sich in Jellium-Näherung durch ein aufgeweichtes Kastenpotenzial approximieren lässt.
Die Lösung der Schrödingergleichung für Ein-Teilchen-Zustände im effektiven Clusterpotenzial führt auf diskrete elektronische Energieniveaus, die unter Berücksichtigung des
1
2
XUV - Extreme ultra violet
VUV - Vacuum ultra violet
8
2 Vorbetrachtungen
Pauli-Prinzips von den Leitungselektronen besetzt werden können. Die vollständige Besetzung der Zustände mit einem Drehimpuls L kann nun als Schalenabschluss interpretiert werden, dessen Konfiguration aufgrund der großen Energielücke zum nächsthöheren
Zustand energetisch besonders günstig ist. Im Falle der Alkali-Metalle mit nur einem
Valenzelektron zeigen Cluster der Größe N = 2, 8, 20, 40,.. aufgrund ihrer abgeschlossenen Schalen eine deutlich erhöhte Stabilität gegenüber der Größe N + 1, bei der das
nächsthöhere Energieniveau besetzt werden muss.[KCdH+ 84]
Eine Übersicht über experimentelle Untersuchungen und über theoretische Modelle der
elektronischen Struktur an einfachen Metallclustern findet sich im Übersichtsartikel [dH93].
Edelgascluster dagegen zeigen aufgrund der Van-der-Waals-Wechselwirkung ein völlig anderes Verhalten. Diese Bindung resultiert aus der Abgeschlossenheit der atomaren elektronischen Schalen und bevorzugt im Zustand minimaler Gesamtenergie Konfigurationen
größtmöglichster Packungsdichte. Die Van-der-Waals-Wechselwirkungsenergie zwischen
zwei Atomen kann durch das Lennard-Jones-Potenzial
VLJ (r) = ǫ
r 6 r0 12
0
−2
r
r
(2.1)
approximiert werden, das durch die Bindungsenergie ǫ und den Gleichgewichtsabstand
r0 charakterisiert ist. Der Verlauf ist in Abb. (2.1) für ein Argon-Dimer dargestellt. Für
verschiedene Edelgase sind diese Parameter in Abb. (2.1) aufgelistet.
Abbildung 2.1: Lennard-Jones-Potenzial für die Van-der-Waals-Wechselwirkung zwischen zwei Argon-Atomen. Die charakteristischen Parameter r0 und ǫ sind tabellarisch
für einige Edelgase aufgelistet.
Aufgrund der Richtungsunabhängigkeit des Van-der-Waals-Potenzials ergibt sich die gesamte Bindungsenergie des Clusters aus der Summe der Wechselwirkungsenergien zwischen allen Atompaaren als
~ 1 ..R
~N) =
Etot (R
X
i<j
~i − R
~ j ),
VLJ (R
(2.2)
2.1 Cluster im Grundzustand
9
~ die Atompositionen dar, wobei VLJ das Lennard-Jones-Potenzial aus Gl. (2.1) und R
stellen. Das Minimum von Etot kennzeichnet nun die stabilste geometrische Struktur des
Clusters, also den Grundzustand. Dieser besitzt in der Regel höchstmögliche Symmetrie. Komplementär zum Jellium-Modell für Metallcluster, das eine besonders hohe Stabilität für Clustergrößen mit abgeschlossenen elektronischen Schalen voraussagt, ergeben
sich für Van-der-Waals-Systeme geometrische Schalenabschlüsse. Deren hohe Stabilität
resultiert aus einer besonders dichten Packung der Konstituenten und ist in einem weiten Größenbereich mit einer ikosaedrischen Struktur verknüpft. Besonders ausgeprägt ist
hierbei die Stabilitätserhöhung für vollständig abgeschlossene Ikosaeder, deren Gestalt in
Abb. (2.2) für die Größen N = 13, 55, 147, 309 dargestellt ist.
Abbildung 2.2: Geometrische Struktur von Edelgasclustern für die Größen N =
13, 55, 147 und 309. Die ikosaedrische Anordnung mit abgeschlossenen geometrischen
Schalen ergibt eine besonders dichte Packung, die zu hoher Stabilität führt. Daher werden
diese Größen auch magische Zahlen genannt.
Tatsächlich zeigen experimentelle Massenspektren von Edelgasclustern Intensitätseinbrüche
nach diesen charakteristischen Clustergrößen. In einem Fragmentationsspektrum spiegelt
ein Intensitätseinbruch nach der Clustergröße N eine deutlich erhöhte Stabilität gegenüber
der Größe N + 1 wider. Beispielhaft zeigt Abb. (2.3) Massenspektren von ArN , KrN
und XeN . Insbesondere für Xenon-Cluster treten neben einer Reihe von Unterschalenabschlüssen die Größen vollständig abgeschlossener Ikosaeder markant hervor. Trotz geringerer Dynamik der Spektren für KrN und ArN sind die Modulationsstrukturen dem
Xenonspektrum sehr ähnlich und deuten somit ebenfalls auf eine Ikosaederstruktur dieser
Clustersysteme hin. Für die in dieser Arbeit durchgeführten Simulationen für Argoncluster
werden daher entsprechend relaxierte Ikosaederstrukturen als Initialisierung verwendet.
10
2 Vorbetrachtungen
Abbildung 2.3: Die hier für Argon, Xenon und Krypton gezeigten Massenspektren geben
die Häufigkeit der Cluster in Abhängigkeit von ihrer Größe wieder. Insbesondere bei Xenon sind nach bestimmten Clustergrößen deutliche Intensitätseinbrüche erkennbar. Diese
Clustergrößen N zeugen von erhöhter Stabilität gegenüber der Größe N + 1 und werden
als magische Zahlen bezeichnet. Einige dieser magischen Zahlen (hier im Bild: 13, 55, 147)
lassen sich mit geometrischen Schalenabschlüssen einer dicht gepackten und damit sehr
stabilen ikosaedrischen Struktur erklären. Obwohl für Argon und Krypton die Modulationsstrukturen weniger stark ausgeprägt sind, zeigen sie eine große Ähnlichkeit zu Xenon
und deuten somit ebenfalls auf eine Ikosaederstruktur hin [MKLE89].
2.2 Elementare Responseprozesse von Materie in
intensiven Laserpulsen
Im folgenden Abschnitt werden wesentliche Parameter zur Charakterisierung von Laserpulsen vorgestellt sowie elementare Responseprozesse von Materie in intensiven Laserfeldern diskutiert. Hierbei wird insbesondere auf grundlegende Mechanismen zur Energieabsorption und Ionisation eingegangen. Dabei wird ausgehend von einfachen atomaren
Systemen auf zusätzliche Effekte in ausgedehnten Systemen hingewiesen. Weiterhin wird
auf Besonderheiten der in dieser Arbeit betrachteten Response auf XUV-Strahlung eingegangen.
2.2 Elementare Responseprozesse von Materie in intensiven Laserpulsen
11
2.2.1 Ultrakurze Laserpulse
Ultrakurze Laserpulse sind heutzutage das zentrale Werkzeug zur Analyse und Steuerung
ultraschneller physikalischer Prozesse. Stetige Fortschritte auf dem Gebiet der Lasertechnologie ermöglichen die Erzeugung extrem kurzer Pulse hoher Intensität für einen weiten Wellenlängenbereich. Daraus ergeben sich völlig neue Einblicke in die Licht-MaterieWechselwirkung, wie nachfolgend anhand von drei Beispielen illustriert.
• Die Erzeugung immer kürzerer Laserpulse bis in den Sub-Femtosekundenbereich
ermöglicht die Untersuchung extrem schneller Dynamik, wie z.B. die Echtzeituntersuchung der Tunnelionisationsdynamik in Atomen [UUS+ 07].
• Die Kombination aus kurzer Pulsdauer und starker Fokussierung ermöglicht extreme
Laserintensitäten (> 1018 W/cm2 ), die hochgradig nichtlineare Prozesse bis in den relativistischen Bereich initiieren können, wie bei der Laser-Wakefield-Beschleunigung
[Ptv02].
• Die Verfügbarkeit intensiver kurzer Laserpulse bei immer höheren Photonenenergien bietet ein völlig neues Anwendungsspektrum für die Analyse biologischer, chemischer und physikalischer Systeme, wie zum Beispiel der Single-Shot-Strukturuntersuchung von Makromolekülen mit Hilfe ultrakurzer Laserpulse im Röntgenbereich
[NWvdS+ 00].
Damit wurden bereits die wesentlichen Parameter zur Charakterisierung von Laserpulsen
genannt: die zeitliche Breite, die Intensität und die Frequenz. Für einen linear polarisierten
Laserpuls kann das lokale elektrische Feld in Dipolnäherung geschrieben werden als
~
E(t)
= E0 f (t) cos(ω t)~ex ,
(2.3)
wobei f (t) die normierte Einhüllende des Wellenpaketes, E0 die maximale Amplitude des
Feldes und ~ex die Polarisationsrichtung darstellt. Die Frequenz der Trägerwelle entspricht
dabei der mittleren Frequenz des Laserlichtes ω und ist mit der Photonenenergie
Eph = ~ω
(2.4)
verknüpft. Eine vielfach verwendete Annahme für die Einhüllende ist die Gaußfunktion
f (t) = exp
−2 ln 2 (t − t0 )2
2
τFWHM
.
(2.5)
Dabei stellt t0 den Zeitpunkt maximaler Feldstärke des Pulses dar und τFWHM die volle
Halbwertsbreite der Intensität des Laserpulses. Die Intensität, d.h. die zyklusgemittelte
Leistungsdichte des Pulses ergibt sich aus
12
2 Vorbetrachtungen
I(t) = I0 · f (t)2 .
(2.6)
Die Spitzenintensität I0 des Laserpulses ist proportional zum Quadrat der maximalen
Amplitude des elektrischen Feldes entsprechend
1
I0 = ǫ0 c E02 ,
2
(2.7)
wobei ǫ0 die elektrische Feldkonstante und c die Lichtgeschwindigkeit angeben. In Abb. (2.4)
ist das elektrische Feld und die zugehörige Intensität eines gaußförmigen Laserpulses dargestellt.
Abbildung 2.4: Schematische
Darstellung eines bandbreitenlimitierten, d.h. ungechirpten
Laserpulses. Das untere Bild
zeigt den Verlauf des elektrischen Feldes (rot). Die Frequenz
der Trägerwelle entspricht dabei
der mittleren Frequenz des Pulses. Die einhüllende Funktion
f (t) ist hier gezeigt für einen
gaußförmigen Puls. Als Maß
für die zeitliche Breite dient die
volle Halbwertsbreite τFWHM
der instantanen Intensität, wie
im obigen Bild zu sehen.
Um sich eine Vorstellung von der Leistungsdichte intensiver Laserstrahlen zu machen, ist
ein Vergleich mit natürlichen Feldstärken im Atom hilfreich. Das elektrische Feld eines
einfach positiv geladenen Wasserstoffkerns im Abstand des Bohrschen Atomradius a0 mit
a0 = 5.29 · 10−11 m
(2.8)
1
e
V
= 5.14 · 1011
2
4 π ǫ 0 a0
m
(2.9)
beträgt
E=
und ergibt mithilfe von Gleichung (2.7) eine Intensität von
2.2 Elementare Responseprozesse von Materie in intensiven Laserpulsen
I = 3.51 · 1016 W/cm2 .
13
(2.10)
Zum Vergleich: Mithilfe von optischen Femtosekundenlasern sind heutzutage Intensitäten
bis über 1020 W/cm2 erreichbar. Der geplante Freie-Elektronen-Laser X-FEL soll in Zukunft Leistungsdichten bis 1017 W/cm2 bei Photonenenergien bis zu 1000 eV erreichen.
Für viele physikalische Probleme ist es notwendig, den Laserpuls als ein Photonenfeld
aufzufassen. Dabei kann der Photonenfluss Φ bei Kenntnis der Intensität und Wellenlänge
des Lasers über die Fluenz F des Laserpulses berechnet werden. Die Fluenz beschreibt
die im Puls enthaltene Energie pro Fläche und ergibt sich aus der zeitlichen Integration
über die Intensität als
F=
Z
∞
I(t) dt.
(2.11)
−∞
Für ein gaußsches Zeitprofil ergibt sich daraus mit Gl.(2.5) und (2.6) ein Wert von
F ≈ 1.06 τFWHM I0 .
(2.12)
Dies entspricht somit nahezu der Fluenz eines Rechteckpulses der Breite τFWHM und der
Intensität I0 . Der Photonenfluss Φ folgt unmittelbar aus der Fluenz entsprechend
Φ=
F
.
~ω
(2.13)
In dieser Arbeit werden vorrangig Laserpulse mit Intensitäten von I = 1011 −1014 W/cm2 ,
Halbwertsbreiten von τFWHM = 30 − 100 fs und Photonenenergien im XUV-Bereich bei
38 eV behandelt.
2.2.2 Ponderomotives Potenzial und inverse Bremsstrahlung
Freies Elektron im Laserfeld
Für die Diskussion von elektronischen Response-Prozessen in intensiven Laserfeldern ist
es zweckmäßig zunächst den einfachen Fall eines freien Elektrons im Feld einer ebenen
Welle zu betrachten. In Dipolnäherung kann das elektrische Feld durch
~
E(t)
= E0 cos(ω t) ~ex
(2.14)
beschrieben werden. Die auf das Elektron wirkende Kraft ist durch die Lorentz-Kraft
14
2 Vorbetrachtungen
~ + e B(t)
~ × ~v
F~ (t) = −e E(t)
(2.15)
~ das Magnetfeld und ~v die Geschwindigkeit des
gegeben, wobei e die elementare Ladung, B
~ × ~v kann
Elektrons repräsentieren. Der durch das Magnetfeld hervorgerufene Beitrag e B
für nichtrelativistische Geschwindigkeiten vernachlässigt werden. In diesem Fall ergibt sich
für die Bewegungsgleichung des Elektrons
me
dvx
= −e E0 cos(ωt).
dt
(2.16)
Mit der Anfangsbedingung v0 (t = 0) = 0 eines zu Beginn ruhendes Elektrons ergibt sich
durch Integration die Geschwindigkeit zu
vx (t) = −
e
E0 sin(ω t)
m ω
| e {z }
(2.17)
vquiv
mit der charakteristischen Quiver-Geschwindigkeit vquiv . Einsetzen von vx = dx/dt und
nochmalige Integration mit der Anfangsbedingung x0 (t = 0) = 0 ergibt für die Auslenkung
x =
e
m ω2
| e {z
xquiv
E0 cos(ω t)
}
(2.18)
und beschreibt eine Bewegung, die in Anlehnung an die Zitterbewegung auch QuiverMotion genannt wird. Hierbei ist xquiv die sogenannte Quiver-Amplitude. Die kinetische
Energie des Elektrons ist für einen zeitlichen Ausschnitt der ebenen Welle in Abb. (2.5 links oben) dargestellt. Die mittlere kinetische Energie (gestrichelte Linie) berechnet sich
aus Gl. (2.17) zu
Dm
2
vx2
E
1 e2 E02
=
,
4 m ω2
(2.19)
wobei die Relation < sin2 (ω t) >= 1/2 genutzt wurde. In einem räumlich inhomogenen
elektrischen Feld eines fokussierten Laserstrahls wird ein Elektron neben seiner QuiverBewegung entgegen der Richtung des Intensitätsgradienten beschleunigt. Es bewegt sich
somit aus dem Fokus heraus [EJR91]. Es lässt sich zeigen, dass die kinetische Energie des
Elektrons nach dem Herausdriften aus dem Fokus gerade der mittleren Quiver-Energie
(2.19) am Geburtsort entspricht, die somit als Potenzial, dem sogenannten ponderomotiven Potenzial
UP =
1 e2 E02
4 m ω2
(2.20)
2.2 Elementare Responseprozesse von Materie in intensiven Laserpulsen
15
aufgefasst werden kann.
Im nächsten Schritt wird der Einfluss einer räumlich homogenen, aber zeitlich variablen
Feldamplitude betrachtet. Dazu wird die Bewegungsgleichung
me
dvx
= −e E0 f (t) cos(ωt).
dt
(2.21)
mit der Anfangsbedingung v0 (t → −∞) = 0 integriert. Für einen gaußförmigen Puls
mit f (t) gemäß Gl. (2.5) ist diese Situation in Abb. (2.5 - rechts) dargestellt. Das nun
zeitabhängige ponderomotive Potenzial
UP (t) = UPmax f 2 (t)
(2.22)
folgt der Intensität I(t) ∝ (E0 f (t))2 des Laserfeldes und besitzt somit ebenso einen
gaußförmigen Verlauf. UPmax stellt dabei das ponderomotive Potenzial bei maximaler
Feldamplitude dar. Das zu Beginn ruhende Elektron (v(t = −∞) = 0) ist nach dem
Puls wieder in Ruhe (v(t = ∞) = 0), so dass effektiv keine Energie aus dem Laserfeld
absorbiert worden ist.
Abbildung 2.5: Ein freies Elektron oszilliert im elektrischen Feld (rot) einer ebenen Welle
(links) mit der im oberen Teil dargestellten kinetischen Energie. Die mittlere kinetische
Energie entspricht dem ponderomotiven Potenzial UP (gestrichelte Linie). Im rechten
Bild ist die Situation für einen räumlich homogenen, aber zeitlich gaußförmigen Laserpuls
mit der Einhüllenden f (t) aus Gl. (2.5) gezeigt. Das nun zeitabhängige ponderomotive
Potenzial UP (t) (durchgezogende Linie) verläuft gaußförmig mit der Einhüllenden f 2 (t).
Ein Vergleich der kinetischen Energien vor und nach dem Puls zeigt, dass effektiv keine
Energie absorbiert wurde.
Aus der Betrachtung eines freien Elektrons im Laserfeld können also charakteristische
Auslenkungen (xquiv ), Geschwindigkeiten (vquiv ) sowie Energien (UP ) abgeleitet werden.
Insbesondere das ponderomotive Potenzial stellt eine wichtige Größe zur Beschreibung der
elektronischen Response auf ein Laserfeld dar. So zeigt sich, dass UP ein nützlicher Parameter zur Charakterisierung dominierender Ionisationsmechanismen (Abschnitt 2.2.3)
16
2 Vorbetrachtungen
und der Energieabsorption (Abschnitt 2.2.2) ist. Aus Gleichung (2.20) folgt, dass UP mit
steigender Laserfrequenz abnimmt. Dieses Verhalten ist anschaulich leicht zu verstehen:
In einem langsam oszillierenden Feld wird das Elektron über einen langen Zeitraum in
eine Richtung beschleunigt und kann somit hohe Geschwindigkeiten erreichen. Im hochfrequenten elektrischen Feld dagegen wechselt die Bewegungsrichtung zu schnell, um das
Teilchen nennenswert zu beschleunigen. In Tab. (2.1) ist das ponderomotive Potenzial für
verschiedene Intensitäten und Wellenlängen des Lasers berechnet worden. Während für
infrarote Laserpulse (λ = 800 nm) bei I = 1014 W/cm2 UP im eV-Bereich liegt, beträgt
es im XUV-Bereich bei λ = 32 nm nur wenige meV.
I = 1011 W/cm2
λ = 800 nm UP = 6.0 meV
λ = 100 nm UP = 0.09 meV
UP = 9.5 µeV
λ = 32 nm
I = 1014 W/cm2
UP = 6.0 eV
UP = 93 meV
UP = 9.5 meV
I = 1016 W/cm2
UP = 0.60 keV
UP = 9.3 eV
UP = 0.95 eV
Tabelle 2.1: Berechnetes ponderomotives Potenzial UP für drei verschiedene Laserintensitäten Wellenlängen. Da UP ∝ λ2 nimmt das ponderomotive Potenzial mit steigender
Laserfrequenz rapide ab.
Energieabsorption durch inverse Bremsstrahlung
Beschleunigte Elektronen emittieren Energie in Form von Strahlung, die als Bremsstrahlung bezeichnet wird. In einem Plasma werden Elektronen infolge von Stoßprozessen beschleunigt, so dass kinetische Energie teilweise in Strahlungs-Energie transformiert wird.
Andererseits können Elektronen durch Stöße auch Energie aus dem Strahlungsfeld absorbieren. Dieser Prozess wird inverse Bremsstrahlung genannt, da nun Strahlungsenergie
in thermische Energie der Elektronen umgewandelt wird. In einen elektrischen Wechselfeld führen Elektronen im stoßfreien Fall eine gerichtete Quiver-Bewegung aus (siehe
Abschnitt 2.2.2). In Anwesenheit von Stößen wird der in Polarisationsrichtung aufgenommene Impuls durch Kollisionen mit Ionen auf die anderen Impulskomponenten umverteilt,
so dass die Elektronen in Polarisationsrichtung abermals Energie aus dem Laserfeld aufnehmen können. So wird durch Stoßprozesse kontinuierlich Energie aus dem Laserfeld in
das Plasma eingekoppelt. Der Prozess der inversen Bremsstrahlung lässt sich mit Hilfe
eines einfachen Lorentz-Oszillator-Modells entsprechend
me
dx
d2~x
= e Ex (t) − k x − γ ,
2
dt
dt
(2.23)
beschreiben, mit dem elektrischen Feld Ex (t) und unter Berücksichtigung von Reibungskräften γ dx
und Rückstellkräften k x.
dt
Die durch Stöße von Elektronen mit Ionen verursachte Reibung kann durch eine Stoßzeit
τcoll entsprechend
2.2 Elementare Responseprozesse von Materie in intensiven Laserpulsen
γ=
me
τcoll
17
(2.24)
ausgedrückt werden. Die Kollisionszeit τcoll ist dabei die mittlere Zeit zwischen aufeinanderfolgenden Stößen eines Elektrons. Hierbei wird angenommen, dass der differenzielle
Stoßquerschnitt konstant ist, das Elektron also isotrop gestreut wird.
Betrachtet man zunächst ein unendlich ausgedehntes homogenes Plasma, so kann der
Term der Rückstellkraft vernachlässigt werden. Bei Betrachtung einer ebenen Welle mit
Gl. (2.14) ergibt sich die Newtonsche Bewegungsgleichung für ein Elektron zu
me
dvx
me
=−
vx + e E0 cos(ω t).
dt
τcoll
(2.25)
Die mittlere absorbierte Leistung ergibt sich daraus zu (Anhang 6.1)
dE
dt
= 2 UP
τcoll ω 2
,
2
ω2 + 1
τcoll
(2.26)
wobei UP das im vorigen Abschnitt behandelte ponderomotive Potenzial ist. In Abb.
(2.6) ist die Energieabsorptionsrate in Abhängigkeit von der Stoßzeit τcoll darstellt. Sie
erreicht ein Maximum für τcoll = ω −1 und nähert sich Null für die Grenzfälle extrem großer
und kleiner Stoßzeiten. Dies ist anschaulich leicht verständlich: Ohne Stöße oszillieren die
Elektronen lediglich im Laserfeld ohne effektiv Energie zu absorbieren (siehe Abb. 2.5 links). Bei sehr kurzen Stoßzeiten dagegen reicht die Zeit zwischen den Stößen nicht aus,
um nennenswert vom elektrischen Feld beschleunigt zu werden.
Abbildung 2.6: Mittlere Energieabsorptionsrate eines Elektrons im Laserfeld als Funktion der Stoßzeit τcoll . Für
τcoll = ω −1 erreicht die Energieabsorptionsrate gemäß Gl.
(2.26) ein Maximum. Für die
beiden Grenzfälle τcoll → 0 und
τcoll → ∞ können Elektronen
effektiv keine Energie aus dem
Laserfeld aufnehmen.
In endlichen Systemen wie Clustern erfahren die durch das Laserfeld ausgelenkten Elektronen durch die Ionenrümpfe eine rücktreibende Kraft k x mit dem Proportionalitätsfaktor
18
2 Vorbetrachtungen
2
k = ωMie
me .
(2.27)
Hierbei stellt ωMie die Mie-Frequenz für ein sphärisches metallisches System dar und berechnet sich aus
ωMie =
s
ni Ze2
3 m e ǫ0
(2.28)
mit der Teilchenzahldichte ni und dem durchschnittlichen Ladungszustand Z der Ionen.
Die Energieabsorptionsrate ergibt sich aus Gl. (2.23) nun zu [FMBT+ 09]
dE
dt
= 2 UP
τcoll ω 4
.
2
2
− ω 2 )2 + ω 2
(ωmie
τcoll
(2.29)
Analog zu einem getriebenen harmonischen Oszillator kann das schwingungsfähige Plasma
nun resonant Energie absorbieren, wenn die Laserfrequenz nahe der Mie-Frequenz ist
oder mit ihr übereinstimmt (ω ≈ ωMie ). Die Teilchenzahldichte für einen Argon-Cluster
entspricht in guter Näherung der Dichte im Festkörper, die sich am Tripelpunkt zu n =
2.43 · 1028 /cm3 ergibt [vW67]. Mit der durchschnittlichen Aufladung von Z ergibt sich die
Mie-Frequenz zu
~ωmie = 3.34eV ·
√
Z
(2.30)
Hier zeigt sich bereits ein wesentlicher Unterschied zwischen optischen und VUV/XUVLaserpulsen: Während für infrarote und optische Laserfrequenzen die resonante Energieeinkopplung wesentlich zur Energieabsorption beitragen kann, ist bei der in dieser Arbeit
betrachteten Photonenenergie von 38eV die Laserfrequenz in der Regel deutlich größer als
die maximal mögliche Mie-Frequenz. Für einen nicht expandierten Cluster beträgt ωMie
selbst bei vollständiger Ionisation (Z = 18) lediglich ca. 14 eV und ist somit deutlich
kleiner als die Photonenenergie. Kollektive Energieabsorptionsprozesse können im XUVBereich somit vernachlässigt werden. Für den Fall ω ≫ ωMie geht Gleichung (2.29) in
(2.26) über.
Man beachte, dass in Gln. (2.26) und (2.29) eine konstante Stoßzeit angenommen wurde, deren Wert für realistische Systeme allerdings nur schwer zu bestimmen ist. In der
Realität ist τcoll zudem von der Temperatur und Dichte des Plasmas abhängig. Während
der Laser-Cluster-Wechselwirkung ändern sich diese Parameter weiterhin aufgrund von
Ionisations- und Energieabsorptionsprozessen. Analytische Ausdrücke für die Energieabsorption durch inverse Bremsstrahlung lassen sich oft nur näherungsweise ableiten, wie
z.B. für den Grenzfall langsamer Elektronen [Kra00]. Innerhalb einer Molekular-DynamikSimulation ist die inverse Bremstrahlung jedoch aufgrund der mikroskopischen Beschreibung der Stoßprozesse im Einfluss des Laserfeldes vollständig berücksichtigt. Dieser Ansatz wird in der vorliegenden Arbeit verfolgt.
2.2 Elementare Responseprozesse von Materie in intensiven Laserpulsen
19
2.2.3 Der Ionisationsprozess: Atom vs. Cluster
Bei der Wechselwirkung von intensiven Laserfeldern mit Materie können Ionisationsprozesse auftreten, die gebundene Elektronen durch das Laserfeld freisetzen. Zentrale Ionisationsmechanismen werden im Folgenden am Beispiel atomarer Systeme vorgestellt. Für
ausgedehnte Systeme wie Clustern wird zudem das Konzept der inneren und äußeren
Ionisation eingeführt.
Keldysh-Parameter: Feldionisation vs. (Multi-)Photonenionisation in Atomen
Bei der Ionisation von Atomen in intensiven Laserfeldern können im Wesentlichen zwei
Mechanismen unterschieden werden: die Feldionisation und die (Multi-)Photonenionisation.
Bei der (Multi-)Photonenionisation wird der Laserpuls nicht als elektromagnetische Welle,
sondern als Photonenstrom aufgefasst. Die Energie der Photonen folgt aus
Eph = ~ω.
(2.31)
Bei der Ein-Photonen-Ionisation absorbiert ein gebundenes Elektron ein Photon und
wird freigesetzt. Dieser Prozess ist somit an die Bedingung geknüpft, dass die Frequenz
des Laserfeldes nach Gl. (2.31) entsprechend hoch ist, um das Ionisationspotenzial zu
überwinden. Die kinetische Energie des freigesetzten Elektrons folgt aus
Ekin = ~ω − EIP ,
(2.32)
wobei EIP das Ionisationspotenzial des Atoms darstellt. Für die Ionisation von Edelgasatomen mit hohem EIP (z.B. Ar: EIP = 15.76eV) sind höhere Photonenenergien nötig als für
die Ionisation von Metallclustern (z.B. Na: EIP = 5.14 eV)). Ist die Photonenenergie geringer als EIP können bei ausreichend hoher Laserintensität mehrere Photonen absorbiert
werden und zur Ionisierung führen. Dieser Prozess der Multi-Photonen-Ionisation ist in
Abb. (2.7 - oben) dargestellt. Die Ionisationsrate einer N -Photonen-Absorption ΓN ergibt
sich zu
Γn = σn I n ,
(2.33)
wobei I die Intensität des Lasers und σn den Wirkungsquerschnitt darstellen. Werden
mehr Photonen absorbiert, als zur Überwindung von EIP notwendig ist, spricht man von
Above-Threshold-Ionization (ATI).
Zur Beschreibung der Feldionisation wird das Laserfeld als elektromagnetische Welle aufgefasst. Wenn die elektronischen Prozesse in einem Atom wesentlich schneller ablaufen
als die Schwingung einer Laserperiode, kann das Laserfeld als quasistationäres elektrisches Feld behandelt werden. Das ohne äußere Störung symmetrische Ionenpotenzial wird
20
2 Vorbetrachtungen
Abbildung 2.7: Die
Ionisation
von
Atomen kann im Wesentlichen entweder mit dem Konzept der (Multi)Photonenionisation oder der Feldionisation beschrieben werden, abhängig vom
Laserfeld und des atomaren Systems. Mit
Hilfe des Keldysh-Parameters γ (2.38)
kann ein Kriterium (2.37) formuliert
werden, mit dessen Hilfe der dominierende
Ionisationsmechanismus ermittelt werden
kann. Bei der (Multi-)Photonenionisation
(γ ≫ 1) wird die Ionisation als Absorption
diskreter Energiequanten (Photonen)
beschrieben (oben). Bei Feldionisation
(γ . 1) wird der Laser als quasistationäres
elektrisches Feld behandelt. Das Ionenpotenzial überlagert sich mit dem des
externen Laserfeldes. Gebundene Elektronen können durch Tunnelprozesse durch
den entstandenen Potenzialwall freigesetzt
werden (Mitte). Bei ausreichend hoher
Laserintensität wird das Ionenpotenzial
so stark abgesenkt, dass das Atom ohne
Tunnelprozess ionisiert werden kann. Diese
barrier suppression ionization stellt einen
Spezialfall der Feldionisation dar.
sich mit dem Potenzial des externen Laserfeldes überlagern und zur Entstehung eines Potenzialwalls führen. Bei entsprechend hohen Laserintensitäten kann diese Barriere soweit
unterdrückt werden, dass das Elektron direkt das Atom verlassen kann (siehe Abb. 2.7 unten). Dieser Prozess wird barrier suppression ionization (BSI) genannt und stellt einen
Spezialfall der Feldionisation dar. Die dazu notwendige Intensität kann für ein atomares
System folgendermaßen angegeben werden [AMSC91]:
IBSI
4
π 2 c ǫ30 EIP
=
2 e6 q 2
(2.34)
Für I < IBSI entsteht ein Potenzialwall, wie in Abb. (2.7 - Mitte) dargestellt.
Bei ausreichender Absenkung dieser Barriere kann das gebundene Elektron durch diesen
verbotenen Bereich hindurch tunneln. Die für diesen Prozess benötigte Zeit wird Tunnelzeit genannt und ergibt sich zu (Anhang 6.2)
ttunnel =
s
2 me EIP
.
e2 E02
(2.35)
2.2 Elementare Responseprozesse von Materie in intensiven Laserpulsen
21
Diese Tunnelzeit führt nun auf ein wichtiges Kriterium zur Unterscheidung zwischen dem
Regime der Feldionisation und der (Multi-)Photonenionisation. Es ist anschaulich klar,
dass Feldionisation nur stattfinden kann, wenn sich das Laserfeld während des Tunnelprozesses nicht umkehrt. Die Periodendauer T = 2 π/ω des Laserfeldes muss somit entsprechend groß gegenüber der Tunnelzeit ttunnel sein. Diese Bedingung wird durch den
Keldysh-Parameter γ ausgedrückt [Kel65], entsprechend der Definition
γ = ω ttunnel
(2.36)

 ≫ 1 (Multi-)Photonenionisation
(2.37)
und führt auf ein Kriterium
γ
 .1
Feldionisation,
mit dessen Hilfe der dominierende Ionisationsmechanismus identifiziert werden kann. Mit
Hilfe von Gleichung (2.35) und dem ponderomotiven Potenzial UP nach Gl. (2.20) kann
der dimensionslose Keldysh-Parameter zu dem gebräuchlicheren Ausdruck
γ=
r
EIP
2 UP
(2.38)
umgeformt werden. Er vergleicht das materialspezifische Ionisationspotenzial mit dem laserspezifischen ponderomotiven Potenzial. Ist UP deutlich kleiner als EIP kann Feldionisation vernachlässigt werden. Der Keldysh-Parameter stellt somit eine wichtige und einfach
zu bestimmende Größe zur Charakterisierung des Ionisationsprozesses dar. Da UP ∝ ω −2
ist nach Gl. (2.38) γ ebenfalls sehr stark abhängig von der Laserfrequenz. In Tab. (2.2)
sind für verschiedene Laserintensitäten und Wellenlängen die Keldysh-Parameter für das
Ionisationspotenzial EIP = 15.76eV von Argon berechnet worden.
I = 1011 W/cm2
λ = 800 nm γ = 36.3
λ = 100 nm γ = 290
γ = 907
λ = 32 nm
I = 1014 W/cm2
γ = 1.1
γ = 9.2
γ = 29
I = 1016 W/cm2
γ = 0.11
γ = 0.92
γ = 2.9
Tabelle 2.2: Keldysh-Paramter γ in Abhängigkeit der Intensität und der Wellenlänge des
Lasers für ein festes Ionisationspotenzial EIP = 15.76 eV von Argon.
Dabei zeigt sich, dass bei intensiven infraroten Laserpulsen die Feldionisation in der Regel
dominiert (γ = 1.1 für I = 1014 W/cm2 ), während im XUV-Bereich bei λ = 32 nm
(Multi-)Photonenionisation der dominante Ionisationsmechanismus auf atomarer Ebene
ist (γ = 29 für I = 1014 W/cm2 ). Für die in dieser Arbeit betrachtete Wechselwirkung
von XUV-Pulsen mit Argon-Clustern ist daher nur Ionisation durch Einzel- bzw. MultiPhotonenionisation relevant.
22
2 Vorbetrachtungen
Innere und äußere Ionisation
Die Ionisationsmechanismen für Atome können prinzipiell auf Cluster übertragen werden.
Mit zunehmendem Ionisationsgrad bildet sich jedoch ein globales Clusterpotenzial heraus,
so dass das System nicht mehr als Ansammlung voneinander isolierter Atome betrachtet
werden kann.
Zur Beschreibung der Ionisationsprozesse im Cluster ist es sinnvoll, zwischen innerer und
äußerer Ionisation zu unterscheiden. Dieses erstmals von Last und Jortner [LJ99] ursprünglich für infrarote Laserpulse entwickelte Konzept lässt sich gleichsam für den VUVund XUV-Bereich übertragen und ist schematisch in Abb.(2.8) illustriert.
Abbildung 2.8: Schematische Darstellung der inneren und äußeren Ionisation. Elektronen
können charakterisiert werden durch die Zustände gebunden, quasifrei und frei. Innere
Ionisation: gebundenes Elektron verlässt das Mutteratom (gebunden → quasifrei) Äußere
Ionisation: Elektron verlässt den Cluster (quasifrei → frei)
Hierbei werden die Elektronen nach ihrem Bindungszustand klassifiziert: gebunden, quasifrei und frei (siehe Abb. 2.8). Quasifreie Elektronen besitzen genügend kinetische Energie, um sich frei im Cluster bewegen zu können, ohne jedoch das Clusterpotenzial zu
überwinden. Freie Elektronen oder Kontinuumselekronen besitzen eine positive Energie,
so dass Ekin > Epot ist und sind somit in der Lage, den Cluster zu verlassen. Diese
freien Elektronen liefern einen Beitrag zum Photoelektronenspektrum und zum finalen
Ladungszustand des Clusters.
Als innere Ionisation wird der Prozess bezeichnet, bei dem ein gebundenes Elektron das
Mutterion verlässt. Wird ein quasifreies Elektron ins Kontinuum gehoben, spricht man von
äußerer Ionisation. Innere Ionisation ohne folgende äußere Ionisation führt somit zu einem
Elektronenplasma aus quasifreien Elektronen im Cluster, während die Nettoaufladung des
Clusters durch die äußere Ionisation bestimmt wird.
Bei XUV- und VUV-Laserfeldern ist zu erwarten, dass die freibeweglichen Elektronen weit
weniger vom Laserfeld beeinflusst werden. Die Auswirkungen eines externen Laserfeldes
auf die Dynamik freibeweglicher Elektronen im Cluster, z.B. Laser-Heiz-Prozesse, sind
2.3 Stand der Forschung: Edelgascluster in VUV- und XUV- Laserfeldern
23
ebenso Teil dieser Arbeit. Aus Tabelle (2.2) ist über den Keldysh-Parameter ersichtlich,
dass für intensive infrarote Laserpulse die Feldionisation der dominierende Ionisationsmechanismus ist, während im VUV- und XUV-Bereich (Multi-)Photonenionisation vorliegt.
Somit wurde für die in dieser Arbeit durchgeführten Simulationen bei λ = 32 nm lediglich
die (Multi-)-Photonenionisation berücksichtigt.
2.3 Stand der Forschung: Edelgascluster in
intensiven VUV- und XUV- Laserfeldern
2.3.1 Xenon-Cluster bei 100nm (VUV)
Mit der Entwicklung des Freie-Elektronen-Lasers in Hamburg (FLASH) konnten im Jahr
2001 erstmals intensive Laserfelder im VUV-Regime (Vacuum ultra violet) erzeugt werden. Charakteristische Photonenenergien im VUV-Bereich liegen bei ca. 6 eV bis 25 eV
(λ ≈ 50..200 nm) und sind somit in vielen Fällen ausreichend, um einzelne isolierte Edelgasatome durch Ein-Photonen-Absorption zu ionisieren. Feldionisation kann für die Ionisation von Edelgasatomen vernachlässigt werden, da der Keldysh-Parameter γ viel größer
eins ist (siehe Tab. 2.2).
Bei einer Photonenenergie von ~ω = 12.7 eV (λ = 98 nm) und Laserintensitäten bis zu
I ≈ 2 × 1013 W/cm2 wurden von Wabnitz et al. erste Messungen an kleinen (N ≈ 80)
bis mittelgroßen (N ≈ 30000) Xenon-Clustern vorgenommen [WBdC+ 02]. Hierbei wurde
Xenon gewählt, da die Photonenenergie für atomare Ein-Photonen-Ionisation ausreichend
ist (siehe Abb. 2.9). Höhere Ladungszustände erfordern dagegen im isolierten Atom die
Absorption mehrerer Photonen, ein Prozess, der bei diesen Intensitäten gegenüber der
Ein-Photonen-Ionisation zu vernachlässigen ist.
Abbildung 2.9: Schema der Ein-Photonen-Ionisation von Xenon-Atomen in VUVLaserfeldern bei ~ω = 12.7 eV. Die Photonenenergie ist ausreichend, um das Ionisationspotenzial der 5p-Schale zu überwinden. Die gestrichelten Linien repräsentieren die
kinetischen Energien der entsprechend freigesetzten Elektronen.
In Abb. (2.10) ist das Flugzeitspektrum der aus der Coulombexplosion von Xenon-Clustern
resultierenden Ionen dargestellt. Für große Cluster N ≈ 30000 wurden Ladungszustände
24
2 Vorbetrachtungen
bis Xe8+ gemessen und auch für kleine Clustergrößen N ≈ 80 konnten noch vierfach geladene Xenon-Ionen detektiert werden. Zudem erreichen die Ionen hohe kinetische Energien
bis in den keV-Bereich. Es zeigt sich somit, dass die Atome im Cluster wesentlich effizienter Energie absorbieren und weit höhere Ladungszustände erreichen können als einzelne
isolierte Atome.
Abbildung 2.10: Flugzeitspektrum
der aus der Coulombexplosion
von Xenon-Cluster resultierenden
Ionen. Für eine Intensität von
I = 2 × 1013 W/cm2 und variierender Clustergröße sind die
Ladungszustände an den Positionen
der Peaks zu erkennen. Für große
Cluster (N ≈ 30000) konnten
Ionen bis Xe8+ detektiert werden.
Einzelne isolierte Xenon-Atome
können dagegen maximal einfach
geladen werden, da die simultane
Absorption mehrerer Photonen bei
diesen Laserintensitäten noch zu
vernachlässigen ist. [WBdC+ 02]
Dieser Vielteilchencharakter zeigt sich ebenso in der Elektronenemission: Hierbei wurden
im Jahr 2005 von Laarmann et al. die Photoelektronenspektren von Argon- und XenonClustern (N = 70..900) gemessen. In Abb. (2.11) sind diese Spektren bei einer Wellenlänge
von λ = 95 nm (hν ≈ 13.0 eV) und einer Peak-Intensität von I = 4 × 1012 W/cm2
dargestellt. Für Xenon-Cluster (rechtes Bild) zeigt sich, dass die Verteilung der Elektronenenergien gut mit Hilfe eines exponenziellen Verlaufs approximiert werden kann.
Dieses Verhalten ist ebenso für Argon deutlich erkennbar (linkes Bild - hellgraue Fläche).
Die dunkelgraue Fläche repräsentiert dabei die Elektronenemission von atomarem Argon durch Zwei-Photonen-Ionisation. Der exponentielle Verlauf der Spektren wird folgendermaßen interpretiert: Aufgrund von Ionisationsprozessen bildet sich im Cluster ein
Plasma aus quasifreien Elektronen, die durch Stöße thermalisieren und eine MaxwellBoltzmann-Verteilung annehmen. Energieabsorption durch inverse Bremsstrahlung führt
zu einer Aufheizung des Plasmas und somit zur Emission besonders schneller Elektronen. Der hochenergetische Anteil der Maxwell-Boltzmann-Verteilung w(Ekin ) lässt sich
näherungsweise über eine Exponentialfunktion beschreiben
Ekin
w(Ekin ) ≈ w0 e kb T ,
(2.39)
so dass ein Zusammenhang zwischen dem Verlauf der Photoelektronenspektren und der
Temperatur T des Elektronengases hergestellt werden kann.
2.3 Stand der Forschung: Edelgascluster in VUV- und XUV- Laserfeldern
25
Abbildung 2.11: Photoelektronenspektrum von Ar300 (links) und Xe70 (rechts). Für Xenon zeigt sich, dass das Spektrum gut mit Hilfe eines exponentiellen Verlaufs approximiert werden kann. Dieses Verhalten ist ebenso für Argon charakteristisch (hellgraue
Fläche). Die dunkelgraue Fläche repräsentiert dabei die Zwei-Photonen-Ionisation von
atomarem Argon. Der exponentielle Verlauf deutet auf thermische Emission eines durch
inverse Bremsstrahlung geheizten Nanoplasmas hin. [LTR+ 05]
In den Experimenten von Wabnitz und Laarmann wurde somit gezeigt, dass Cluster aufgrund ihres Vielteilchencharakters auch im VUV-Bereich sehr effizient Energie absorbieren
und hohe Ladungszustände erreichen können. Die Elektronenemission ist wesentlich bestimmt durch die lasergetriebene Heizung quasifreier Elektronen im Cluster und daraus
resultierender thermischer Emission.
2.3.2 Argon-Cluster bei 32nm (XUV)
Laserfelder im XUV-Bereich (Extreme-Ultra-Violet) sind gekennzeichnet durch hohe Photonenenergien über 25 eV und können somit Argon durch Ein-Photonen-Absorption ionisieren. In Abb. (2.12) ist dieser Prozess für Ar → Ar1+ dargestellt. Feldionisation kann,
wie schon im VUV-Bereich, für die Ionisation von Edelgasen vernachlässigt werden, da
der Keldysh-Parameter noch größer als im VUV-Bereich ist (siehe Tab. 2.2).
Die Wechselwirkung von Argon-Clustern mit intensiven XUV-Laserfeldern bei einer Photonenenergie von 38eV (λ = 32 nm) wurde von Bostedt et al. am Freie-Elektronen-Laser
in Hamburg untersucht. Die dort gemessenen Ionen- und Photoelektronenspektren sind in
Abb. (2.13) dargestellt. Sie zeigen dabei ein zum Teil völlig anderes Verhalten als die Spektren im VUV-Bereich (siehe Abschnitt 2.3.1): Mit der Detektion von Clusterfragmenten
bis Ar4 konnte gezeigt werden, dass der Cluster nicht vollständig desintegriert. Zudem
erreichen die Ionen weit weniger kinetische Energie (eV-Bereich) als bei λ = 100 nm
(keV-Bereich).
Die Elektronenemission zeigt ebenfalls einen völlig anderen Charakter als im VUV-Bereich.
26
2 Vorbetrachtungen
Für vier unterschiedliche Intensitäten sind die Photoelektronenspektren von Ar80 in Abb.
(2.13 - links) dargestellt (durchgezogene Linien).
Abbildung 2.12: Schema der Ein-Photonen-Ionisation von Argon-Atomen in XUVLaserfeldern bei ~ω = 38 eV. Die Photonenenergie ist ausreichend, um das Ionisationspotenzial der 3s- und 3p-Schale zu überwinden. Die gestrichelten Linien repräsentieren die
kinetischen Energien der entsprechend freigesetzten Elektronen.
Abbildung 2.13: Die Photoelektronenspektren von Ar80 (links) zeigen für unterschiedliche Laserintensitäten einen charakteristischen Peak bei ca. 22 eV. Im Gegensatz zu den
Elektronenspektren im VUV-Bereich aus Abb. (2.11) ist ein exponentieller Verlauf lediglich für die höchste Laserintensität (blaue Linie) ansatzweise erkennbar. Die gestrichelte Linie repräsentiert eine Monte-Carlo-Simulation, die Nanoplasma-Effekte völlig vernachlässigt, aber die experimentellen Spektren für einen weiten Laserintensitätsbereich
gut beschreiben kann. Im Ionenspektrum (rechts) zeigt sich, dass der Cluster nicht
vollständig desintegriert und die Ionen deutlich geringere kinetische Energien erreichen,
als im VUV-Bereich. Während einzelne isolierte Argon-Atome bei ~ω = 38 eV lediglich
zweifach ionisiert werden können, wurden im Cluster Ionen bis Ar4+ detektiert. [BTH+ 08]
2.4 Zentrale Fragestellungen dieser Arbeit
27
Zu erkennen ist ein charakteristischer Peak bei etwa 22 eV, der die Ein-Photonen-Ionisation
von atomaren Argon widerspiegelt. Ausgehend von diesem Peak fällt das Spektrum zu
niedrigen Energien ab (rote und grüne Linie) und zeigt erst bei hohen Laserintensitäten
einen Intensitätsanstieg im niederenergetischen Bereich (dunkelblaue Linie). Ein exponentieller Verlauf, wie bei λ = 100 nm, ist so lediglich für die höchste Laserintensität
ansatzweise erkennbar. Des Weiteren konnten nahezu keine Elektronen mit einer höheren
kinetischen Energie als im Peakbereich bei 22 eV detektiert werden. Im Gegensatz zum
VUV-Bereich zeigen die Spektren somit kaum Signaturen eines durch inverse Bremsstrahlung geheizten Nanoplasmas. Die gestrichelten Linien repräsentieren eine MonteCarlo-Simulation, die für geringe und moderate Laserintensitäten bis ca. 1013 W/cm2
die experimentellen Spektren bereits gut beschreiben kann. Dabei wurde lediglich die
Ein-Photonen-Ionisation in einem sich entwickelnden Clusterpotenzial berücksichtigt. Die
Elektronendynamik wurde dabei vollständig vernachlässigt. Die Ergebnisse deuten somit
darauf hin, dass die Herausbildung eines Nanoplasmas für die Elektronenemission über
einen weiten Intensitätsbereich nur eine untergeordnete Rolle spielt. Bei sehr hohen Laserintensitäten dagegen (> 1013 W/cm2 ) ist es eine offene Frage, ob die Herausbildung und
Heizung eines Nanoplasmas wesentlich zur Elektronenemission beiträgt. Dieser Aspekt
wird in der vorliegenden Arbeit ausführlich mit Hilfe einer Molekular-Dynamik-Simulation
untersucht.
2.4 Zentrale Fragestellungen dieser Arbeit
Das Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung der zeitabhängigen Dynamik von Edelgasclustern in ultrakurzen intensiven XUV- Laserpulsen. Da in diesem Regime experimentelle
Daten von Argon-Clustern vorliegen [BTH+ 08], wurde speziell dieses System hier eingehender betrachtet. Experimente an Argon- und Xenon-Clustern haben gezeigt, dass die
Dynamik von Ionisations- und Energieabsorptionsprozessen stark von der Wellenlänge des
Lasers abhängen. Während im optischen und VUV-Regime die Photoelektronenspektren
deutliche Signaturen thermischer Elektronenemission zeigen, deuten die experimentellen
Daten im XUV-Regime auf andere Emissionsmechanismen hin. Ionisationsprozesse führen
zudem zur Expansion des Clusters aufgrund der wirkenden Coulombkräfte zwischen den
geladenen Ionen. Dabei konnte für den XUV-Bereich bisher nicht eindeutig geklärt werden, inwieweit Nanoplasmaeffekte die Clusterexpansion beeinflussen [MHB+ 08].
Damit ergeben sich folgende zentrale Fragestellungen:
1. Welche Ionisationsmechanismen dominieren die Elektronenemission im XUV-Regime?
2. Unter welchen Bedingungen tragen quasifreie Elektronen zur Herausbildung eines
Nanoplasmas im Cluster bei und wie wirken sich diese auf die Elektronenemission
aus?
3. Welche Prozesse tragen wesentlich zum Energieeintrag in den Cluster bei?
4. Welchen Einfluss haben Nanoplasmaeffekte auf die Clusterexpansion?
5. Welche Ionisationsmechanismen sind verantwortlich für die gemessenen hohen Ladungszustände und Ionenenergien?
28
2 Vorbetrachtungen
Da eine vollständig quantenmechanische Behandlung dieses komplexen Vielteilchensystems numerisch nicht praktikabel ist, wurde eine quasi-klassische Molekular-DynamikSimulation entwickelt, die die Ionen sowie delokalisierte Elektronen klassisch propagiert
und Ionisationsprozesse approximativ quantenmechansisch behandelt.
Durch den Vergleich zwischen Simulation und Experiment werden wesentliche Prozesse
zur Beschreibung der Elektronen- und Ionendynamik detailliert analysiert.
29
3 Methoden zur Beschreibung der
Clusterdynamik
In dieser Arbeit wurden zwei verschiedene Methoden zur Behandlung der Ionisationsdynamik und Elektronenemission von Clustern eingesetzt. Zum einen wurde ein stochastischer
Ansatz mit Hilfe einer Monte-Carlo-Simulation verfolgt, der Nanoplasmaeinflüsse, Thermalisierungseffekte und die Ionendynamik bewusst vernachlässigt. Zum anderen wird ein
quasi-klassisches Modell basierend auf einer Molekular-Dynamik-Simulation vorgestellt,
in dem diese Effekte berücksichtigt sind.
3.1 Monte-Carlo-Simulation der
Ein-Photonen-Ionisation
Mit Hilfe einer Monte-Carlo-Simulation kann der für den VUV- und XUV-Bereich dominierende Prozess der Ein-Photonen-Ionisation stochastisch behandelt werden. Die Dynamik der freigesetzten Elektronen wird hierbei nicht explizit betrachtet. Dennoch können
mit Hilfe dieses Ansatzes realistische Photoelektronenspektren beschrieben werden.
Der Cluster wird modellhaft als unbewegliches Ionengerüst beschrieben. Dabei wird eine
für Edelgascluster charakteristische ikosaedrische Geometrie initialisiert (siehe Abschnitt
2.1). Die zu Beginn neutralen Atome können innerhalb der Simulation die Zustände neutral, einfach geladen und zweifach geladen annehmen.
Das Laserfeld wird durch eine zeitabhängige Intensität mit einer gaußförmigen Einhüllenden entsprechend Gl. (2.6) behandelt. Die numerische Umsetzung der Ein-PhotonenIonisation erfolgt über einen stochastischen Prozess. Die Wahrscheinlichkeit P , dass ein
Atom während des Laserpulses durch Ein-Photonen-Absorption ionisiert wird, kann über
den Wirkungsquerschnitt σ berechnet werden entsprechend
P = Φ · σ,
(3.1)
wobei Φ der Photonenfluss des Laserfeldes gemäß Gl. (2.13) darstellt. Die zeitliche Entwicklung des Systems wird in hinreichend kleine äquidistante Zeitschritte ∆t zerlegt. Die
Ionisationswahrscheinlichkeit Pk eines Atoms für das k-te Zeitintervall [tk , tk + ∆t] ergibt
sich aus dem Photonenfluss Φk
Φk =
zu
R tk +∆t
tk
I(t) dt
~ω
.
(3.2)
30
3 Methoden zur Beschreibung der Clusterdynamik
Pn = Φn · σ.
(3.3)
Die Wirkungsquerschnitte σ können für einzelne isolierte Atome experimentell ermittelt
werden. In Abb. (3.1) ist σ für den Ionisationsprozess Ar → Ar1+ in Abhängigkeit von
der Photonenenenergie des Lasers dargestellt [BS]. Hierbei zeigt sich, dass σ stark von
der Laserfrequenz abhängig ist und für ~ω ≈ 50 eV ein Minimum durchläuft.
Abbildung 3.1: Photonenabsorptionsquerschnitte σ für die Ionisation von Argon-Atomen
Ar → Ar+ . Bei einer Photonenenergie von ≈ 50 eV durchläuft σ ein Minimum. Der für
diese Arbeit verwendete Absorptionsquerschnitt bei ~ω = 38 eV beträgt für den 3pZustand σ = 5.0 Mbarn und für den 3s-Zustand σ = 0.2 Mbarn [BS].
Für die 3p- und 3s-Schale ergeben sich gemäß Abb.(3.1) bei einer Photonenenergie von
38 eV die in Tab. (3.1) angegebenen Werte.
Ionisation
3s: Ar → Ar1+
3p: Ar → Ar1+
3p: Ar1+ → Ar2+
σ[Mbarn] − 38 eV
0.2
5.0
2.6
Tabelle 3.1: Gemessene Wirkungsquerschnitte σ für die Ein-Photonen-Ionisation von
atomarem Argon bei 38 eV für die ersten beiden Ladungszustände [BS] [CAA+ 01].
Höhere Ladungszustände, d.h. Arq+ mit q > 2, können für isolierte Argonatome bei 38 eV
nur durch die Absorption mehrerer Photonen erreicht werden, die hier nicht berücksichtigt
ist.
In jedem Zeitintervall wird für jedes Atom der Ionisationsprozess über einen Zufallsgenerator ausgelöst entsprechend den Ionisationswahrscheinlichkeiten Pn aus Gl.(3.3). Wird
das m-te Atom ionisiert, erhöht sich sein Ladungszustand um eins und die finale Energie
des freigesetzten Elektrons ergibt sich zu
3.2 Molekular-Dynamik-Simulation
q,α
Efin = h ν − EIP
−
31
e2 X Zn
.
4 π ǫ0 n6=m rnm
(3.4)
q,α
Hierbei stellt EIP
das Ionisationspotenzial eines Argonatoms der Ladung q und der Schale α ∈ 3s, 3p dar und Zn den Ladungszustand der umliegenden Ionen. Die kinetische
Energie hängt somit von den Positionen der bereits ionisierten Atome ab. Für negatives
Efin , d.h., wenn die potentielle Energie aufgrund der umgebenden Ionen größer ist als die
Überschussenergie aus dem Photoabsorptionsprozess, wird der Ionisationsprozess ignoriert. Dies wird als frustrierte direkte Photoemission bezeichnet. In Abhängigkeit von der
Clustergröße existiert bei dieser Betrachtung also eine obere Grenze für den Ladungszustand des Clusters. Zur Gewinnung eines Photoelektronenspekrums aus den kinetischen
Energien der freigesetzten Elektronen wird ein ganzes Ensemble aus Clustern simuliert.
Für die Simulation werden somit folgende Input-Parameter benötigt:
Clusterparameter:
Clustergröße N
q,α
atomare Ionisationspotenziale EIP
Laserpuls-Parameter:
maximale Intensität I0
Halbwertsbreite τFWHM
Photonenenergie ~ω
Ein-Photonen-Ionisation: exp. Wirkungsquerschnitte σ
Obwohl der Monte-Carlo-Ansatz eine stark vereinfachte Beschreibung der Laser-ClusterWechselwirkung darstellt, können wesentliche Mechanismen der Elektronenemission identifiziert werden, so z.B. die Multistep-Ionization, die in Abschnitt (4.1.1) genauer beschrieben wird.
3.2 Molekular-Dynamik-Simulation
Bei der im vorigen Abschnitt vorgestellten Monte-Carlo-Simulation wurde die explizite Elektronendynamik bei der Laser-Cluster-Wechselwirkung vernachlässigt. Damit sind
unter Umständen relevante Prozesse, wie z.B. die Herausbildung eines Nanoplasmas,
die Energieabsorption durch inverse Bremsstrahlung und thermische Elektronenemission
nicht berücksichtigt. Eine realistischere Beschreibung unter Einbeziehung der elektronischen Dynamik ist mit Hilfe einer Molekular-Dynamik-Simulation (MD) möglich, die im
Folgenden detailliert beschrieben ist.
32
3 Methoden zur Beschreibung der Clusterdynamik
3.2.1 Prinzip des quasi-klassischen Modells
Die Molekular-Dynamik basiert auf einer klassischen Beschreibung der Zeitentwicklung
eines Vielteilchen-Systems, das durch seine Hamiltonfunktion
HN =
N
N
N
X
X
X
p~2n
~
qn ~rn · E(t)
+
Vnm (|~rn − ~rm |) +
2
m
n
n
n<m
{z
}
{z
} |
|
H0
(3.5)
Hlas
charakterisiert ist. Hierbei stellt H0 den systemischen Hamiltonoperator dar, der die
kinetischen Energien der Teilchen und die potentiellen Energien bei der Wechselwirkung aller Teilchen untereinander enthält. Hlas ist der durch das extern wirkende Laser~
feld hervorgerufene Anteil am Hamilton-Operator. E(t)
stellt das elektrische Feld gemäß
Gl. (2.3) dar und qn die Ladung des n-ten Teilchens im System. Das Zwei-TeilchenWechselwirkungspotenzial Vnm ist hier lediglich vom Abstand (|~rn − ~rm |) beider Teilchen
abhängig.
Die MD-Simulation liefert zu jeder Zeit Informationen über die Positionen und Impulse
aller Partikel und stellt somit ein explizit mikroskopisches Modell dar. Bei der Wechselwirkung mit intensiven ultrakurzen Laserpulsen kann der Cluster jedoch nicht vollständig
klassisch behandelt werden. In guter Näherung ist eine klassische Behandlung für folgende
Teilchen sinnvoll:
• die Ionen, aufgrund ihrer hohen Masse,
• freie Elektronen, die den Cluster aufgrund von Ionisationsprozessen verlassen haben,
• quasifreie Elektronen, die sich frei im Cluster bewegen können.
Im Atom gebundene Elektronen erfordern dagegen eine quantenmechanische Behandlung.
Die Schnittstelle zwischen der klassischen Bewegung freigesetzter Elektronen und den
quantenmechanischen Bindungszuständen im Atom bildet der Ionisationsprozess. Da die
hier vorgestellte MD-Simulation sowohl die klassische Propagation freier Ladungsträger,
als auch quantenmechanische Elemente, wie die Ein-Photonen-Ionisation beinhaltet, wird
sie als quasi-klassisches Modell bezeichnet.
Für die zeitliche Entwicklung des Systems wird die Simulation in diskrete Zeitintervalle
geteilt. In Abb. (3.2) ist der Ablauf schematisch dargestellt. Nach anfänglicher Initialisierung wird das System innerhalb der MD-Schleife (MD-Loop) sequentiell jeweils in einem Durchlauf um den Zeitschritt ∆t propagiert. Zusätzlich werden in jedem Zeitschritt
mögliche Ionisationsprozesse berücksichtigt. Im MD-Loop können somit im Wesentlichen
zwei Aufgaben unterschieden werden, die in den angegebenen Kapiteln detailliert beschrieben sind:
• Integration der Bewegungsgleichungen um den Zeitschritt ∆t (Abschnitt 3.2.2),
• Berechnung der Ein-Photonen-Ionisation (Abschnitt 3.2.3).
3.2 Molekular-Dynamik-Simulation
33
Mit Hilfe der finalen Positionen und Impulse der Teilchen können am Ende der Simulation
Ergebnisse wie Ionen- und Photoelektronenspektren, gewonnen werden.
Abbildung 3.2: Schema der MDSimulation: Zu Beginn wird die
Simulation mit Input-Parametern
initialisiert, die den Cluster und
das Laserfeld charakterisieren.
Das System wird dabei in disreten Zeitschritten ∆t propagiert.
Die Abfolge von Zeitschrittberechnungen, MD-Loop genannt,
entspricht nun der zeitlichen Entwicklung des Systems. Innerhalb dieser Zeitschrittberechnung
können im Wesentlichen zwei Aufgaben unterschieden werden: die
Integration der Bewegungsgleichung um den Zeitschritt ∆t und
die Berechnung von Ionisationsprozessen im Cluster.
3.2.2 Integration der Bewegungsgleichungen
Die klassische Bewegung des n-ten Punktteilchens unter dem Einfluss einer externen Kraft
ist über die Newtonsche Bewegungsgleichung bestimmt entsprechend
p~n
~r˙n =
m
und
p~˙n = F~n ,
(3.6)
(3.7)
wobei F~n die Summe aller auf das n-te Teilchen wirkenden Kräfte darstellt gemäß
F~n (~rn , t) = F~las (t) +
N
X
F~nm (~rn , ~rm ).
(3.8)
n6=m
~
Hierbei stellt F~las (t) = q E(t)
die Kraftwirkung durch das Laserfeld dar und F~nm (r~n ) die
Kraftwirkung zwischen den Teilchen aus dem Gradienten des Wechselwirkungspotenzials
Vnm (~r) aus Gl. (3.5). Bei Kenntnis von F~n (r~n , t) zu einem Zeitpunkt t = t0 kann die
Position und der Impuls für einen Zeitpunkt t = t0 + ∆t approximativ berechnet werden.
Für die Integration der Bewegungsgleichung gibt es eine Vielzahl von Algorithmen, die
jeweils Vor- und Nachteile in sich tragen. Für die Auswahl eines geeigneten Algorithmus
sind folgende Kriterien wichtig:
34
3 Methoden zur Beschreibung der Clusterdynamik
• Energieerhaltung und Zeitreversibilität
• möglichst lange Zeitschritte ∆t
• möglichst nur eine Kraftberechnung pro Zeitschritt
Verschiedene Algorithmen zur Integration der Bewegungsgleichung sowie ein genereller
Überblick über Molekular-Dynamik-Simulationen sind in [SSR08] zu finden. In dieser
Arbeit wurde der in der Molekular-Dynamik weit verbreitete Velocity-Verlet-Algorithmus
verwendet. Er basiert auf der Taylorentwicklung der Orte ~r(t) und Geschwindigkeiten ~v (t)
zweiter Ordnung entsprechend
~r(t + ∆t) = ~r(t) +
∂~r
1 ∂ 2~r
∆t +
∆t2 + O(∆t3 )
∂t
2 ∂t2
(3.9)
~v (t + ∆t) = ~v (t) +
∂~v
1 ∂ 2~v
∆t +
∆t2 + O(∆t3 ).
∂t
2 ∂t2
(3.10)
Die zweite Ableitung der Geschwindigkeit in (3.10) entspricht gemäß Gl. (3.7) der 1. Ableitung der Kraft und kann mit einer Taylorentwicklung 1. Ordnung approximiert werden
entsprechend
∂ 2~v
1 ∂ F~
1 F~ (t + ∆t) − F~ (t)
=
≈
.
∂t2
m ∂t
m
∆t
(3.11)
Für den Velocity-Verlet-Algorithmus ergeben sich somit die folgenden zu berechnenden
Gleichungen:
~r(t + ∆t) = ~r(t) + ~v (t) ∆t +
~v (t + ∆t) = ~v (t) +
1 ~
F ∆t2
2m
∆t ~
(F (t + ∆t) + F~ (t)).
2m
(3.12)
(3.13)
In Abb. (3.3) ist der Algorithmus schematisch dargestellt. Zu einem Zeitpunkt t sind
~r(t) und ~v (t) eines Teilchens sowie die auf das Teilchen einwirkende Kraft F~ (t) bekannt.
Zunächst wird über Gl. (3.12) die Position ~r(t + ∆t) berechnet. Anschließend werden
die Kräfte mit den neuen Positionen aktualisiert und zum Schluss wird die Geschwindigkeit ~v (t + ∆t) gemäß Gl. (3.13) berechnet. Für t + ∆t liegen so die neuen Koordinaten,
Geschwindigkeiten und Kräfte vor, die den Ausgangspunkt für die nächste Zeitschrittberechnung bilden.
Der Velocity-Verlet-Algorithmus ist ein sehr stabiler (gute Energieerhaltung) und leicht zu
implementierender Algorithmus. Zudem lässt sich die Zeitreversibilität des Algorithmus
durch Vertauschen von (∆t −→ −∆t) zeigen. Das bedeutet, dass für eine Propagation
t1 = t0 + ∆t die inverse zeitliche Entwicklung t2 = t1 − ∆t wieder zum Ausgangspunkt
des Systems bei t0 führt (t2 = t0 ). Weiterhin ist nur eine Kraftberechnung pro Zeitschritt nötig. Aufgrund dieser positiven Eigenschaften wird dieser Algorithmus für die
MD-Rechnung in dieser Arbeit verwendet.
3.2 Molekular-Dynamik-Simulation
35
Abbildung 3.3: Schema des Velocity-Verlet-Algorithmus. Zu einer Zeit t liegen die Orte,
Geschwindigkeiten und einwirkenden Kräfte aller Teilchen vor. Die Berechnung von Ort
und Impuls zum späteren Zeitpunkt t + ∆t ist schematisch durch die gelben Kästchen
dargestellt. Die neu berechneten Größen dienen dann als Ausgangspunkt für die nächste
Zeitschrittberechnung. Die Abfolge von Zeitschrittberechnungen stellt somit die zeitliche
Entwicklung des Systems dar.
Für die Behandlung eines N -Teilchen-Systems muss der Algorithmus für jedes der N
Teilchen durchgeführt werden. Für die Kraftberechnung gemäß Gl.(3.8) steigt der Rechenaufwand somit quadratisch mit der Anzahl zu simulierender Teilchen. Da in dieser
Arbeit vorrangig kleine Cluster bis N = 2000 simuliert wurden, scheint der Rechenaufwand für heutige moderne Computer gering. Dabei ist zu beachten, dass zur Gewinnung
eines Photoelektronenspektrums bzw. eines Ionenenergiespektrums ein großes ClusterEnsemble simuliert werden muss. Um die Kapazitäten mehrerer Prozessoren nutzen zu
können, wurde aus diesem Grund die Simulation parallelisiert. Ein Großteil der hier vorgestellten Simulationen wurde auf dem Rechencluster Merkur“ der Universität Rostock
”
gerechnet.
36
3 Methoden zur Beschreibung der Clusterdynamik
Das Soft-Coulomb-Potenzial
Für die Integration der Bewegungsgleichung ist die Kenntnis der auf die Teilchen wirkenden Kräfte nötig. Für ein konservatives Kraftfeld gilt
F~nm (~rn , ~rm ) = −∇n Vnm (|~rn − ~rm |),
(3.14)
wobei ~r = ~rn − ~rm darstellt. Das Wechselwirkungspotenzial Vnm zwischen zwei Teilchen
muss dabei der Simulation vorgegeben werden. In der Simulation wird die Van-der-WaalsWechselwirkung gegenüber den Coulombkräften der geladenen Atome vernachlässigt. Das
Coulombpotenzial
Vnm (|~rn − ~rm |) =
1
qn qm
·
4 π ǫ0 |~rn − ~rm |
(3.15)
besitzt eine Singularität bei |~rn − ~rm | → 0, die sowohl numerisch als auch physikalisch
problematisch ist. Zudem muss in der Simulation sichergestellt werden, dass einmal freigesetzte Elektronen nicht klassisch rekombinieren und sich energetisch tiefer befinden, als
im ursprünglichen Bindungszustand. In der Simulation wird aus diesem Grund ein endlich tiefes Soft-Coulomb-Potenzial verwendet, dass die Singularität durch einen weichen
Potenzialtopf approximiert entsprechend
V~nm (r) =
qn qm
1
,
·√
4 π ǫ0
r 2 + ǫ2
(3.16)
wobei r = |~rn − ~rm |. Hierbei stellt ǫ einen frei wählbaren Parameter dar, der für ǫ → 0
das korrekte Coulombpotenzial widerspiegelt. Die Tiefe des Soft-Coulomb-Potenzials kann
über diesen Parameter eingestellt werden. In Abb. (3.4) ist der Verlauf des Potenzials für
einen typischen in der Simulation verwendeten ǫ-Parameter gezeigt.
Abbildung 3.4: Vergleich zwischen
dem numerischen Soft-CoulombPotenzial (rot) und dem physikalischen Coulomb-Potenzial (blau).
Erst bei sehr geringen Abständen
weichen die Potenziale zunehmend
ab. Der ǫ-Parameter ist so gewählt,
dass die Potenzialtiefe dem Ionisationspotenzial von Argon entspricht
(EIP = 15.76eV) (siehe Abschnitt
3.2.3)
3.2 Molekular-Dynamik-Simulation
37
Präzision und Geschwindigkeit der Simulation
Im Folgenden wird eine Abschätzung zur Ermittlung der optimalen Zeitschrittlänge vorgenommen. An die Genauigkeit der Simulation werden folgende Kriterien gestellt:
• ausreichende Auflösung der Laserfeld-Schwingung und
• akzeptable Energieerhaltung.
Bei der in dieser Arbeit vorrangig untersuchten Photonenenergie von 38 eV beträgt die
Periodendauer T einer Laserschwingung ca. T = 0.109 fs. Mit dem Kriterium, dass eine
Schwingung mit mindestens 20 Zeitschrittberechnungen aufgelöst wird, ergibt sich eine
Zeitschrittlänge von
∆t = 0.005 fs.
(3.17)
In Abb. (3.5) wurde für dieses ∆t ein freies Elektron ohne Driftimpuls im Laserfeld bei
38 eV simuliert. Die blauen Punkte entsprechen dem elektrischen Feld und die roten
Punkte repräsentieren die kinetische Energie des im Feld oszillierenden Elektrons. Der
Abstand zwischen zwei Punkten markiert die Zeitschrittlänge ∆t.
Abbildung 3.5: Simulation eines
freien Elektrons ohne Driftimpuls
im Laserfeld bei 38 eV. Für eine Zeitschrittlänge von ∆t =
0.005fs sind das elektrische Feld
des Lasers (blau) und die kinetische Energie des Elektrons (rot)
dargestellt. Während einer Laserperiode (T = 0.109fs) werden so
ca. 20 Zeitschritte berechnet.
Um den Einfluss der Zeitschrittlänge auf die Energieerhaltung des Systems zu untersuchen, wurde ein Testlauf für unterschiedliche ∆t durchgeführt und die relative Energieabweichung ermittelt. Dafür wurde Ar147 mit ca. 200 quasifreien Elektronen über einen
Zeitraum von 50 fs propagiert. In Abb.(3.6) ist die prozentuale Abweichung der Gesamtenergie in Abhängigkeit der Zeitschrittlänge ∆t dargestellt. Für ∆t = 0.005 fs aus (3.17)
ergibt sich ein relativer Fehler von ∆E/E ≈ 0.01%.
38
3 Methoden zur Beschreibung der Clusterdynamik
Abbildung 3.6: Zur Ermittlung
einer optimalen Zeitschrittlänge
wurde die relative Energieabweichung in Abhängigkeit der
Zeitschrittlänge untersucht. Hierbei wurde Ar147 mit ca. 200
quasifreien Elektronen für 50 fs
simuliert. Für eine Zeitschrittlänge
von ∆t = 0.005fs, wie sie in der
Simulation verwendet wird, um
das elektrische Feld des Lasers
aufzulösen, beträgt die Energieabweichung weniger als 0.1%.
3.2.3 Der Ionisationsprozess
Für den Ionisationsprozess wird das Konzept der inneren und äußeren Ionisation aufgegriffen (siehe Abschnitt 2.2.3). Die äußere Ionisation, bei der quasifreie Elektronen den
Cluster verlassen, erfolgt über die klassische Propagation der Elektronen. Die innere Ionisation, also die Freisetzung eines am Atom gebundenen Elektrons, wird mit einem MonteCarlo-Ansatz behandelt (siehe Abschnitt 3.1). Dabei wird die Wahrscheinlichkeit für die
Ein-Photonen-Ionisation über experimentell ermittelte Wirkungsquerschnitte berechnet.
Während in der Monte-Carlo-Simulation der Ladungszustand der Ionen auf Z = 2 beschränkt war, werden in der MD-Simulation Ionen bis Ar6+ berücksichtigt. Diese hohen
Ladungszustände können aufgrund von Vielteilcheneffekten erreicht werden, wie später gezeigt wird. Da für Z > 1 keine experimentellen Wirkungsquerschnitte der Ein-PhotonenIonisation vorliegen, wird angenommen, dass σ mit der Anzahl der noch in der 3p-Schale
verbliebenen Elektronen skaliert. Zusätzlich zu den in Tab. (3.1) bereits aufgeführten Werten sind in Tab.(3.2) nun die in der MD-Simulation verwendeten Querschnitte höherer
Ladungszustände für Photonenenergien von 20 eV und 38 eV aufgeführt.
Wird aufgrund der berechneten Ionisationswahrscheinlichkeiten ein Ionisationsprozess in
einem Atom ausgelöst, so generiert die Simulation am Ort des Ions ein neues Elektron,
welches fortan klassisch mitpropagiert wird. Der Ladungszustand des Atoms wird um eins
erhöht. Die zu initiierende kinetische Energie des Elektrons folgt aus der Energieerhaltung. Bei Betrachtung eines isolierten Atoms mit der Vorzeichenkonvention, dass EIP eine
positive Zahl darstellt, folgt für die Energie vor und nach der Ein-Photonen-Ionisation
vorher: E = −EIP
nachher: E ′ = Ekin + Vnm (r = 0)
(3.18)
(3.19)
Aus der Bedingung E ′ − E = ~ω folgt für Ekin des Elektrons
Ekin = ~ω − (EIP + Vnm (r = 0)).
(3.20)
3.2 Molekular-Dynamik-Simulation
39
Ionisation
σ[Mbarn] − 38 eV
1+
Ar(3s) → Ar (3s)
0.2
Ar → Ar1+
5.0
1+
2+
Ar → Ar
2.6
2+
3+
Ar → Ar
2.08
Ar3+ → Ar4+
1.56
4+
5+
Ar → Ar
1.04
Ar5+ → Ar6+
0.52
σ[Mbarn] − 20 eV
30
25
20
15
10
5
Tabelle 3.2: Die Wirkungsquerschnitte σ für die Ein-Photonen-Ionisation von atomarem
Argon bei 20 eV und 38 eV sind experimentell für die ersten beiden Ladungszustände
gemessen worden [BS] [CAA+ 01] und wurden aus Abb.(3.1) entnommen. Für höhere Ladungszustände wird angenommen, dass σ mit der Anzahl der noch in der äußersten Schale
verbliebenen Elektronen skaliert.
In Abb. (3.7) ist dieser Prozess schematisch für die Ein-Photonen-Ionisation von Ar →
Ar1+ bei 38eV dargestellt. Hierbei wurde die numerische Tiefe des Potenzials Vnm (r = 0)
mit Hilfe des Parameters ǫ aus Gl. (3.16) so angepasst, dass sie dem Ionisationspotenzial
EIP = 15.76 eV der 3p-Schale von Argon entspricht.
Da der ǫ-Parameter im Soft-Coulomb-Potenzial Gl. (3.16) während der Simulation konstant bleibt, ist die Tiefe des numerischen Potenzials direkt proportional zum Ladungszustand des Ions. Für Z = 1..6 sind diese Potenziale in Abb. (3.8) dargestellt (schwarze
Linien). Die atomaren Ionisationspotenziale für die 3p-Schale in Abhängigkeit vom Ladungszustand lassen sich näherungsweise berechnen und sind tabellarisch in Abb. (3.8)
aufgeführt und als rote Linien dargestellt.
Abbildung 3.7: Schematische
Darstellung der Ein-PhotonenIonisation Ar → Ar1+ bei 38eV in
der MD-Simulation. Am Ort des
ionisierten Atoms wird ein Elektron
mit einer kinetischen Energie von 38
eV generiert. Die Potenzialtiefe des
nun einfach geladenen Argon-Ions
entspricht gerade dem atomaren
Ionisationspotenzial EIP , so dass
die in Photoelektronenspektren
messbare finale kinetische Energie
von Efin = 22.24 eV widergespiegelt
wird.
40
3 Methoden zur Beschreibung der Clusterdynamik
Abbildung 3.8: Vergleich zwischen den numerischen Potenzialtopftiefen Vnm (r = 0) in
der Simulation (schwarze Linien) und den atomaren Ionisationspotenzialen EIP (rote Linien und Tabelle). Die Energiedifferenz muss bei der initiierten kinetischen Energie der
freigesetzten Elektronen berücksichtigt werden.
Einfluss von Plasmaeffekten auf die atomaren Ionisationspotenziale
Bei der bisherigen stochastischen Behandlung der Ein-Photonen-Ionisation (Abschnitt
q,α
3.1) wurden die Ionisationsschwellen für einzelne isolierte Atome verwendet, die den EIP
entsprechen. Im Cluster mit Festkörperdichte ist jedoch zu erwarten, dass benachbarte
Ionen und frei im Cluster bewegliche Elektronen diese atomaren Ionisationsschwellen beeinflussen. Im Folgenden wird ein Konzept vorgestellt, mit dem der Einfluss dieser Vielteilcheneffekte auf die atomaren Ionisationspotenziale berücksichtigt wird [FRB07] [GSR07].
Ausgangspunkt bildet das Konzept der inneren und äußeren Ionisation (Abschnitt 2.2.3).
Bei der inneren Ionisation wird ein gebundenes Elektron ins Quasikontinuum des Clusters gehoben, d.h. es ist nicht mehr am Mutterion lokalisiert, sondern frei im Cluster
beweglich. In Abb. (3.9) ist dieser Sachverhalt schematisch dargestellt. Im linken Bild ist
ein Ion gezeigt, für dessen Ionisation zwei Photonen absorbiert werden müssen. Im Cluster (rechtes Bild) kann durch den Einfluss benachbarter geladener Teilchen dasselbe Ion
durch Ein-Photonen-Absorption innerionisiert werden. Dies kann als effektive Absenkung
des Ionisationspotenziales interpretiert werden.
Wird der Vielteilchencharakter im Cluster zunächst am überschaubaren Beispiel zweier benachbarter Atome beschrieben, ergibt sich schematisch die Energiebilanz aus Abb.
(3.10). Ziel ist es, die innere Ionisationsschwelle für das Atom bei xion in Anwesenheit des
Nachbaratoms bei xn zu beschreiben. Für ein Elektron entsteht zwischen den Ionen eine
Potenzialbarriere (schwarze Linie), deren Maximum mit Vb bezeichnet ist. Für die innere
∗
∗
Ionisation im Cluster kann nun eine effektive Ionisationsschwelle EIP
definiert werden: EIP
ist die von einem gebundenen Elektron benötigte Energie, um die Barriere zum nächsten
Nachbaratom zu überwinden.
Um die Differenz zwischen atomaren Ionisationspotenzial EIP und dem neu definierten
∗
Ionisationspotenzial EIP
zu berechnen, werden zwei Ionisationsprozesse miteinander ver-
3.2 Molekular-Dynamik-Simulation
41
Abbildung 3.9: Vergleich zwischen der (Multi-)Photonen-Ionisation eines freien Atoms
(a) und der inneren Ionisation eines Clusters (b). Für das einzelne Atom werden zwei Photonen zur Ionisation benötigt, während im Cluster für die innere Ionisation des gleichen
Ions aufgrund der geringen Energiebarriere zum nächsten Nachbarn bereits ein Photon
ausreichend ist (nach [SR04]).
glichen, die mit 1 und 2 in Abb. (3.10) markiert und im Folgenden beschrieben sind:
1. Überwindung des atomaren Ionisationspotenzials EIP :
Die potenzielle Energie Vbin des gebundenen Elektrons ist die Summe aus dem atomaren Ionisationspotenzial EIP und dem Potenzial des Nachbaratoms bzw. aller im
Cluster umliegenden Teilchen VC∗ (xion ) (grüne Linie). Mit der Vorzeichenkonvention,
dass EIP eine positive Zahl darstellt, folgt:
EIP = VC∗ (xion ) − Vbin
(3.21)
∗
2. Überwindung der Energiebarriere EIP
zum nächsten Nachbarn:
Für die Bestimmung des Potenzials Vb der Energiebarriere (schwarze Linie) gibt es
eine anschauliche Vorstellung: Das bei Vbin gebundene Elektron wird gedanklich nach
xbar gesetzt. Dieses Elektron spürt nun das Potenzial des um eins höher geladenen
Mutterions Vq+1 (xbar ) (rote Linie) und das Potenzial VC∗ des Nachbarions bzw. aller
im Cluster umliegenden Teilchen (grüne Linie). Mit der Vorzeichenkonvention, dass
∗
die Energiedifferenz EIP
eine positive Zahl ist ergibt sich:
∗
EIP
= (Vq+1 (xbar ) + VC∗ (xbar )) − Vbin
(3.22)
Aus Gl. (3.21) und Gl. (3.22) folgt durch einfaches Einsetzen
h
i
∗
EIP
= EIP − VC∗ (xion ) − Vq+1 (xbar ) + VC∗ (xbar ) ,
{z
}
|
Venv
(3.23)
42
3 Methoden zur Beschreibung der Clusterdynamik
wobei Venv nun den Vielteilchenshift bezogen auf das atomare Ionisationspotenzial EIP
darstellt. Es sei hierbei erwähnt, dass Gl. (3.23) das Potenzial Vbin nicht mehr beinhaltet
und somit das Potenzial Vq+1 nicht an der Ionenposition ausgewertet werden muss. Damit
∗
bleibt die Berechnung von EIP
weitgehend unabhängig von der Form des approximierten
numerischen Coulomb-Potenzials.
Abbildung 3.10: Schematische Darstellung der Energiebilanz für den inneren Ionisationsprozess in Anwesenheit eines benachbarten Ions. Der Vielteilchencharakter im Cluster
wird hier nur durch ein einziges benachbartes Ion bei xn repräsentiert. EIP stellt das
∗
atomare Ionisationspotenzial für das Atom bei xion dar. EIP
ist die für die innere Ionisation benötigte Energie, um das bei xion gebundene Elektron über die Energiebarriere
zum nächsten Nachbarn zu heben. Ein Vergleich zwischen den mit einer 1 und 2 markier∗
ten Ionisationsprozessen führt auf eine Bestimmungsgleichung (3.23) für EIP
(siehe Text).
Rote Linie: Potenzial des betrachteten Ions, wenn es bereits ionisiert wäre (Q=Q+1);
Grüne Linie: Gesamtpotenzial aller im Cluster befindlichen Teilchen außer dem bei xion
betrachteten Ion (hier lediglich das Potenzial des benachbarten Ions)
Unter der Annahme, dass der energetisch höchste Punkt der Energiebarriere Vb genau zwischen dem betrachteten Ion und dem nächsten Nachbarn liegt, können VC∗ (xion ), Vq+1 (xbar )
∗
und VC∗ (xbar ) in der MD-Simulation einfach berechnet werden , so dass EIP
bestimmt
werden kann. In dieser Form entspricht die Absenkung dem Resultat von Fennel et al.
[FRB07].
Um einen anschaulichen Eindruck von der Absenkung des Ionisationspotenziales im Cluster zu bekommen, ist in Abb. (3.11) der Potenzialverlauf eines Ar55 -Clusters in einem
Schnitt entlang der x-Achse dargestellt. Die farbliche Codierung der Linien entspricht
der in Abb. (3.10). Die Potenzialtöpfe mit den in der Simulation endlichen Topftiefen
∗
repräsentieren die Ionenpositionen. Beispielhaft sind EIP und EIP
für das Atom an der
∗
Stelle xion dargestellt. Es zeigt sich, dass EIP deutlich geringer ist als EIP und somit Vielteilcheneffekte auf die Ionisationsschwellen einen entscheidenden Einfluss haben können.
3.2 Molekular-Dynamik-Simulation
43
Abbildung 3.11: Schematische Darstellung der Absenkung der atomaren Ionisationsschwellen am Beispiel von Ar55 . Hier ist das Clusterpotenzial in einem Schnitt entlang
der x-Achse gezeigt (schwarze Linie). Die grüne Linie repräsentiert das Clusterpotenzial
ohne das bei xion betrachtete Ion. Analog zu Abb. (3.10) lassen sich nun das atomare
Ionisationspotenzial EIP und die für das Vielteilchensysteme relevante Ionisationsschwelle
∗
EIP
einzeichnen. Es zeigt sich, dass zur inneren Ionisation weit weniger Energie absorbiert
∗
werden muss als für ein einzelnes isoliertes Atom (EIP
< EIP ).
Während in der Monte-Carlo-Simulation der Ladungszustand der Atome auf Z = 2 beschränkt war, können in der MD-Simulation aufgrund der Schwellenabsenkung wesentlich höher geladenere Ionen auftreten. Hier können innere Ladungszustände bis Z = 6
berücksichtigt werden.
45
4 Ergebnisse und Diskussion
In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Monte-Carlo- und der Molekular-DynamikSimulationen vorgestellt. Dabei widmet sich Abschnitt (4.1) zunächst den Photoelektronenspektren. Hierbei werden die wesentlichen Mechanismen zur Elektronenemission in
Abhängigkeit der Clustergröße und Laserintensität analysiert. Im zweiten Teil (Abschn.
4.2) steht die Ionendynamik im Vordergrund, wobei insbesondere die Expansionsmechanismen und die Ionen-Energie-Spektren betrachtet werden.
4.1 Elektronenemission in XUV-Laserfeldern
Zunächst werden die Ergebnisse zur Elektronenemission aus Argonclustern in intensiven
XUV-Laserfeldern vorgestellt und diskutiert. Hierbei wird im ersten Schritt die sequentielle Ein-Photonen-Ionisation unter Vernachlässigung der expliziten Elektronendynamik
mit Hilfe der Monte-Carlo-Simulation untersucht. Im Folgenden werden mit dem umfassenderen quasi-klassischen Modell weitere relevante Prozesse, wie die Herausbildung eines
Nanoplasmas, Energieabsorption durch inverse Bremsstrahlung und thermische Elektronenemission berücksichtigt. Der Vergleich zwischen den experimentellen Spektren und den
Resultaten der Simulationen erfolgt gesondert in Abschnitt (4.1.4).
4.1.1 Multistep-Ionization im XUV-Bereich
Zur Beschreibung der Elektronenemission wird zunächst der in Abschnitt(3.1) beschriebene stochastische Ansatz der Ein-Photonen-Ionisation verfolgt. Hierbei wird angenommen,
dass die Ionisation des Clusters sequentiell verläuft, höhere Ladungszustände also durch
eine Abfolge von einzeln betrachteten Ein-Photonen-Ionisationen erreicht werden. Dieser
als Multistep-Ionization bezeichnete Prozess ist schematisch in Abb. (4.1) dargestellt. Im
zu Beginn neutralen Cluster sind sämtliche Elektronen an den Atomen gebunden. Die erste Ein-Photonen-Ionisation (a) führt zur Freisetzung eines Elektrons mit der definierten
Z=0,α
finalen Energie Efin = ~ω − EIP
und repräsentiert somit die atomare Ein-PhotonenZ,α
Ionisation. Hierbei beschreibt EIP
das Ionisationspotenzial des Mutteratoms/-ions mit
dem Ladungszustand Z und dem Ionisationskanal α = 3s/3p. Nachfolgend freigesetzte
Elektronen müssen zusätzlich zum Mutterion noch die Coulomb-Potenziale der bereits
ionisierten umliegenden Ionen überwinden und erreichen mit zunehmender Clusterionisation geringere kinetische Energien (b und c) entsprechend
Z,α
Ef in = ~ω − EIP
−
e2 X Zi
.
4 π ǫ0 i6=j rij
(4.1)
46
4 Ergebnisse und Diskussion
Ionisationsprozesse mit negativen Efin (Abb. 4.1 d ) werden in der Monte-Carlo-Simulation
ignoriert und als frustrierte direkte Photoemission bezeichnet. Anschaulich beschreibt die
Multistep-Ionization die sequentielle Photoemission in einem sich entwickelnden ClusterCoulomb-Potenzial.
Abbildung 4.1: Schematische Darstellung der Multistep-Ionization. Die finale kinetische
Z=0,α
Energie des ersten freigesetzten Elektrons ist durch das Ionisationspotenzial EIP
und
Z=0,α
die Photonenenergie gemäß Efin = ~ω − EIP
festgelegt. Mit steigendem Ionisationsgrad des Clusters müssen die freigesetzten Elektronen zusätzlich zum Mutterion noch
die Coulomb-Potenziale der bereits ionisierten umliegenden Ionen überwinden und erreichen geringere kinetische Energien (b und c). Ionisationsprozesse mit negativen finalen
Energien werden in der Monte-Carlo-Simulation ignoriert (d).
Die in Abschnitt (3.1) vorgestellte Monte-Carlo-Simulation beschreibt diesen Prozess der
Multistep-Ionization. Der Ionisationsprozess wird als instantan behandelt, wobei die finalen kinetischen Energien der Elektronen direkt über Gl. (4.1) berechnet werden. Die Simulation eines ganzen Ensembles von Clustern liefert für jeden Ionisationsschritt einen peakartigen Beitrag zum Photoelektronenspektrum, das sich schließlich aus der Überlagung
aller Ionisationsschritte zusammensetzt. Dieser Zusammenhang ist in Abb. (4.2) illustriert.
Da die kinetische Energie des zuerst freigesetzten Elektrons bei Annahme eines dominanten Ionisationskanals exakt definiert ist, führt der 1. Ionisationsschritt zu einem scharfen
Peak (links oben). Die Energien der folgenden Elektronen hängen von der Position des Ionisationsprozesses im Cluster ab. Mit steigendem Ionisationsgrad des Clusters verbreitert
sich die Energieverteilung der freigesetzten Elektronen und verschiebt sich zu niedrigeren Energien. Dieses Verhalten ist im linken Bild der Abb. (4.2 a) gezeigt (von oben
nach unten). An dieser Stelle sei angemerkt, dass die zunehmende Verbreiterung aus der
Mittelung über die unterschiedlich starke Potenzialverschiebung innerhalb des Clusters
resultiert. Die Summe der Beiträge aller emittierter Elektronen ergibt das Photoelektronenspektrum (Abb. 4.2 b - rote Linie).
4.1 Elektronenemission in XUV-Laserfeldern
47
Abbildung 4.2: Bei der sequentiellen Ionisation des Clusters liefern die kinetischen Energien der emittierten Elektronen für jeden Ionisationsschritt einen peakartigen Beitrag zum
Photoelektronenspektrum. Hierfür wird angenommen, dass der Ionisationskanal aus dem
3p-Zustand dominiert. Während die kinetische Energie für den ersten Ionisationsschritt
exakt definiert ist (scharfer Peak - links oben), sind die Beiträge folgender Ionisationsschritte zu niedrigeren Energien verschoben und zusätzlich verbreitert (links - von oben
nach unten). Das Photoelektronenspektrum ergibt sich aus der Überlagerung aller Beiträge (rechts - rote Linie).
Im Folgenden werden für zwei unterschiedliche Intensitätsbereiche die Photoelektronenspektren der Monte-Carlo-Simulation gezeigt. Zum einen für Laserintensitäten, bei denen
frustrierte Photoemission noch nicht auftritt (Abb. 4.1 a,b,c), und zum anderen für entsprechend höhere Leistungsdichten mit Frustrationseffekten (Abb. 4.1 d).
Regime der direkten Photoemission
In Abb. (4.3) sind die Photoelektronenspektren für zwei Laserintensitäten dargestellt, bei
denen keine oder nur geringfügige Frustrationseffekte auftreten (Abb. 4.1 a,b,c). Deutlich
ist der peakartige Beitrag bei ca. 22 eV zu sehen, der den ersten Ionisationsschritt aus
dem 3p-Niveau und somit die atomare Ein-Photonen-Ionisation repräsentiert. Von diesem
Peak ausgehend, zeigt das Spektrum der höheren Intensität einen zunehmend plateauartigen und zu geringeren Energien weniger stark abfallenden Verlauf als bei geringerer
Leistungsdichte.
Die grau gestrichelten Linien zeigen Photoelektronenspektren der in Abschnitt (3.2) vorgestellten Molekular-Dynamik-Simulation, bei der zusätzlich Nanoplasmaeffekte und thermische Elektronenemission berücksichtigt worden sind. Aufgrund der sehr geringen Abweichungen zeigt sich klar, dass bei den hier betrachteten Intensitäten die MultistepIonization der dominierende Prozess der Elektronenemission darstellt.
48
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.3: Berechnete Photoelektronenspektren aus der Monte-Carlo-Simulation für
Ar147 . Der scharfe Peak bei ca. 22 eV repräsentiert die atomare Ein-Photonen-Ionisation.
Für die höhere Intensität zeigt das Spektrum einen plateauartigen Verlauf, während bei
geringerer Leistungsdichte ein stark zu niedrigeren Energien abfallender Verlauf zu verzeichnen ist. Ein Vergleich mit der Molekular-Dynamik-Simulation (grau gestrichelte Linien), bei der Nanoplasmaeffekte und thermische Emission berücksichtigt sind, ergibt einen
nahezu identischen Verlauf.
Berücksichtigung frustrierter direkter Photoemission
Für steigende Laserintensitäten führt die zunehmende Zahl direkter Photoionisationsprozesse zu einem immer tieferen Clusterpotenzial, so dass ab einer entsprechenden Schwelle
direkte Photoemission teilweise frustriert oder unterdrückt wird (Abb. 4.1 d). Da die
Potenzialverschiebung im Zentrum des Clusters am stärksten ist, setzt die Frustration direkter Photoemission zuerst bei den Atomen der inneren Schalen ein. Sobald mindestens
ein Atom nicht durch Photonenabsorption ionisiert werden kann (Efin < 0) spricht man
von einsetzenden Frustrationseffekten. Mit Hilfe eines einfachen Modells einer homogen
geladenen Kugel kann der Übergang von direkter Photoemission zu teilweiser frustrierter Photoemission in Abhängigkeit von der Clustergröße und Laserintensität abgeschätzt
werden (Details: Anhang 6.3.2). In Abb. (4.4 a) ist die damit verknüpfte Schwellenintensität als Funktion der Clustergröße dargestellt. Für die drei Clustergrößen N =55, 147 und
923 sind im Bild zusätzlich die Photoelektronenspektren für drei charakteristische Laserintensitäten gezeigt (keine, einsetzende und starke Frustration). Die farbliche Codierung
der Spektren entspricht dabei den Punkten in Abb. (4.4 - oben).
4.1 Elektronenemission in XUV-Laserfeldern
49
Abbildung 4.4: Mit Hilfe eines einfachen Modells einer homogen geladenen Kugel kann
in Abhängigkeit von Clustergröße und Laserintensität der Übergang zwischen direkter
Photoemission und einsetzenden Frustrationseffekten abgeschätzt werden. In den Photoelektronenspekren der Monte-Carlo-Simulation zeigt sich dieser Übergang, indem erstmals
Elektronen mit kinetischen Energien von nahezu Null auftreten (rote Spektren). Beispielhaft sind die simulierten Photoelektronenspektren für die Clustergrößen N = 55, 147, 923
bei τfwhm = 30 fs und ~ω = 38 eV dargestellt. Es zeigt sich, dass die Spektren der verschiedener Größen starke Ähnlichkeit aufweisen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen
Schwellenintensität.
Die Spektren der unterschiedlichen Clustergrößen zeigen in Abhängigkeit ihrer jeweiligen
Schwellenintensität für Frustrationseffekte folgende Charakteristika:
• keine Frustration (grün in Abb. 4.4):
– Ausgehend vom Peak der atomaren Ein-Photonen-Ionisation fällt das Spektrum schnell zu niedrigeren Energien ab.
– Aufgrund des geringen Ladungszustandes und demzufolge flachen Cluster- Potenzials, besitzen alle emittierten Elektronen eine vergleichsweise hohe kinetische Energie.
• teilweise Frustration (rot in Abb. 4.4):
– Das Spektrum fällt weniger stark zu niedrigeren Energie ab.
50
4 Ergebnisse und Diskussion
– Elektronen mit Efin ≈ 0 eV werden emittiert.
– Mit steigendem Frustrationsgrad bildet sich vom Peak ausgehend ein plateauartiger Verlauf.
• starke bis vollständige Frustration (blau in Abb. 4.4):
– Das Spektrum zeigt einen plateau-artigen Verlauf und einen starken Anstieg
im niederenergetischen Bereich.
Das zum niederenergetischen Bereich hin ansteigende Spektrum bei ausreichend hohen
Laserintensitäten (siehe blaue Spektren in Abb. 4.4) ist in der Monte-Carlo-Simulation
auf die Frustration der direkten Photoemission zurückzuführen (siehe Anhang 6.3). Der
plateauartige Verlauf des Spektrums ist charakteristisch für die Multistep-Ionization.
Bei geringen Laserintensitäten, wenn Frustrationseffekte nicht auftreten, dominiert die
Multistep-Ionization die Elektronenemission. Durch den Vergleich mit einer MD-Simulation konnte gezeigt werden, dass in diesem Intensitätsbereich (siehe Abb. 4.3) Nanoplasmaeffekte und thermische Emission keinen wesentlichen Einfluss auf die Elektronenemission haben. Ein Vergleich der experimentell ermittelten Spektren mit den Ergebnissen
der Monte-Carlo-Simulation erfolgt in Abschnitt (4.1.4).
4.1.2 Einfluss eines Nanoplasmas auf die Elektronenemission
Bei der im vorigen Abschnitt vorgestellten Multistep-Ionization wurde die explizite Elektronendynamik bei der Laser-Cluster-Wechselwirkung vernachlässigt. Im Folgenden werden mit Hilfe einer Molekular-Dynamik-Simulation zusätzliche Prozesse wie die Herausbildung eines Nanoplasmas und daraus resultierende thermische Elektronenemission untersucht.
Entstehung eines Nanoplasmas
Für eine anschauliche Beschreibung der Entstehung eines Nanoplasmas im Cluster wird
das Konzept der inneren und äußeren Ionisation aus Abschnitt (2.2.3) aufgegriffen. Unter
Berücksichtigung dieses Konzeptes ist in Abb. (4.5) das Schema der Multistep-Ionization
dargestellt.
Abb. (4.5 a und b) zeigen die direkte Photoemission in einem sich entwickelnden ClusterCoulomb-Potenzial, wie im vorigen Abschnitt bereits beschrieben. Mit zunehmend hoher
Aufladung des Clusters wird die direkte Photoemission unterdrückt. Im Gegensatz zur
Monte-Carlo-Simulation, bei der Ionisationsprozesse mit einer negativen finalen kinetischen Energie (Efin < 0 aus Gl. (4.1)) ignoriert werden, können in der Molekular-DynamikSimulation sämtliche durch innere Ionisation freigesetzte Elektronen berücksichtigt werden. Diese bewegen sich quasifrei im Cluster und bilden zusammen mit den Ionen ein
Nanoplasma (c und d). Selbst bei vollständig frustrierter Photoemission (d) können gebundene Elektronen durch Ein-Photonen-Ionisation ins Quasikontinuum des Clusters gehoben werden (innere Ionisation).
4.1 Elektronenemission in XUV-Laserfeldern
51
Abbildung 4.5: Schematische Darstellung der Multistep-Ionization im Cluster unter
Berücksichtigung der inneren und äußeren Ionisation. Die direkte Photoemission im sich
entwickelnden Clusterpotenzial (a und b) wird mit steigendem Ionisationsgrad zunehmend
unterdrückt. Durch innere Ionisation freigesetzte Elektronen, die nicht ins Kontinuum gelangen, verbleiben als quasifreie Elektronen im Cluster und führen zur Herausbildung
eines Nanoplasmas (c, d).
Im Folgenden wurde die Elektronenemission für eine konstante Clustergröße in Abhängigkeit von der Laserintensität untersucht. Hierbei wurden für unterschiedliche Leistungsdichten mehrere Simulationsläufe an Ar147 durchgeführt. In Abb. (4.6) ist die mittlere
Anzahl der durch innere Ionisation freigesetzten Elektronen in Abhängigkeit von der Laserintensität aufgetragen. Diese Gesamtanzahl delokalisierter Elektronen (blaue Punkte:
quasifreie + freie Elektronen) steigt dabei zunächst linear mit der Laserintensität an, da
bei konstantem Photoabsorptionsquerschnitt die Ionisationswahrscheinlichkeit proportional zur Laserintensität ist. Erst bei höheren Ladungszuständen und damit verbundenen geringeren Wirkungsquerschnitten geht auch die Gesamtanzahl der Elektronen in Sättigung
(siehe Abb. 4.6 Vergleich mit linearem Fit).
Die Anzahl der freien, nicht mehr am Cluster gebundenen Elektronen ist in Abb. (4.6)
durch rote Punkte markiert. Die Differenz stellt die Anzahl der quasifreien Elektronen
dar, die das Nanoplasma bilden (gelbe Fläche). Für geringe Leistungsdichten bis ca.
3 × 1012 W/cm2 führt jede Ein-Photonen-Ionisation zur Emission eines Elektrons (äußere
Ionisation), so dass keine quasifreien Elektronen am Cluster verbleiben. Mit steigender Laserintensität, resultierend in höheren Ladungszuständen und tieferem Cluster-Potenzial,
steigt die Anzahl quasifreier Elektronen und führt zur Herausbildung eines Nanoplasmas.
Die gestrichelte Linie repräsentiert nach dem Modell der homogen geladenen Kugel (Anhang 6.3.2), den Beginn einsetzender Frustrationseffekte gemäß Abb. (4.4). Die schwarzen
Punkte repräsentieren die Anzahl emittierter Elektronen in der Monte-Carlo-Simulation.
Da in diesem Modell lediglich die direkte Photoemission berücksichtigt ist, existiert eine obere Grenze an Ionisationsprozessen (vollständige Frustration direkter Photoemission), so dass eine Erhöhung der Laserintensität keinen Einfluss mehr auf die Anzahl
emittierter Elektronen hat. Dieses Verhalten spiegelt der nahezu waagerechte Verlauf der
schwarzen Punkte in Abb. (4.6) wider. Mit steigender Laserintensität werden somit in
der MD-Simulation mehr Elektronen aus dem Cluster emittiert (rote Punkte) als in der
Monte-Carlo-Simulation. Für die Photoelektronenspektren sind somit im Bereich hoher
52
4 Ergebnisse und Diskussion
Laserintensitäten zusätzliche Effekte zur Multistep-Ionization zu erwarten. Die Elektronenemission in diesem Regime wird im Folgenden analysiert.
Abbildung 4.6: Elektronenemission in Abhängigkeit von der Laserintensität für Ar147 .
Die Gesamtanzahl aller durch innere Ionisation freigesetzten Elektronen (quasifreie +
freie Elektronen: blaue Punkte) steigt zunächst annähernd linear mit der Laserintensität.
Die Anzahl der freien Elektronen (äußere Ionisation - rote Punkte) geht aufgrund des
tiefer werdenden Clusterpotenzials in Sättigung. Mit zunehmender Leistungsdichte steigt
somit die Anzahl der quasifreien Elektronen (gelbe Fläche), d.h. ein Nanoplasma bildet
sich heraus. Die gestrichelte Linie markiert den Punkt einsetzender Frustration direkter
Photoemission gemäß Abb. (4.4). Die schwarzen Punkte repräsentieren die Anzahl emittierter Elektronen in der Monte-Carlo-Simulation. Hier zeigt sich eine obere Grenze für
die Anzahl freigesetzter Elektronen.
Thermische Elektronenemission
Um den Einfluss von Nanoplasmaeffekten auf die Elektronenemission zu untersuchen,
wurden die Photoelektronenspektren für eine konstante Clustergröße in Abhängigkeit von
der Laserintensität mit Hilfe der Molekular-Dynamik-Simulation berechnet. In Abb. (4.7)
sind diese Spektren für Ar147 für fünf unterschiedliche Leistungsdichten als durchgezogene Linien dargestellt. Zusätzlich sind die Spektren aus der MC-Simulation, basierend
auf der Multistep-Ionization, flächig gezeigt. Der Unterschied zwischen den MD- und
MC-Spektren spiegelt den Einfluss von Nanoplasmaeffekten und thermischer Elektronenemission wider und ist als Differenzspektrum im obigen Ausschnitt abgebildet. Wie in
Abb.(4.3) treten bei geringen Leistungsdichten kaum Abweichungen zwischen MD- und
MC-Simulation auf. In diesem Regime dominiert die Multistep-Ionization die Elektronenemission. Erst bei weiter erhöhten Laserintensitäten, mit Herausbildung eines Nanoplasmas, zeigen sich zunehmend Abweichungen, die sich im niederenergetischen Bereich des
4.1 Elektronenemission in XUV-Laserfeldern
53
Photospektrums niederschlagen. Das Differenzspektrum zeigt für diese hohen Leistungsdichten einen nahezu exponentiellen Abfall.
Abbildung 4.7: Photoelektronenspektren der Molekular-Dynamik-Simulation (durchgezogene Linien) für Ar147 bei verschiedenen Laserintensitäten. Zusätzlich sind die Spektren
aus der Monte-Carlo-Simulation repräsentativ für die Multistep-Ionization, dargestellt
(flächige Spektren). Der Unterschied zwischen den MD- und MC-Spektren spiegelt den
Einfluss von Nanoplasmaeffekten und thermischer Elektronenemission wider und ist als
Differenzspektrum im obigen Ausschnitt zu sehen. Für niedrige Laserintensitäten stimmen
MD- und MC-Simulation sehr gut überein. In diesem Regime bildet sich kein Nanoplasma heraus, thermische Elektronenemission findet somit kaum statt und die Ionisation
des Clusters kann mit dem Prozess der Multistep-Ionization beschrieben werden. Mit zunehmender Laserintensität weichen die Spektren immer stärker voneinander ab, da der
Einfluss von Nanoplasmaeffekten steigt. Der nahezu exponentielle Verlauf der Differenzspektren kann Signatur thermischer Elektronenemission aufgefasst werden.
54
4 Ergebnisse und Diskussion
Die obigen Ergebnisse können folgendermaßen interpretiert werden: Mit der Entstehung
eines Nanoplasmas setzen Thermalisierungsprozesse ein, d.h. quasifreie Elektronen werden
durch Stoßprozesse einen Gleichgewichtszustand anstreben. Infolge von Stößen können
quasifreie Elektronen genügend kinetische Energie erhalten, um den Cluster zu verlassen.
Unter der Annahme, dass das Nanoplasma eine Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung annimmt, spiegelt das Energiespektrum dieser thermisch emittierten Elektronen
den hochenergetischen exponentiell fallenden Teil der Verteilung wider, wie im Differenzspektrum zu sehen.
Die Ergebnisse der MD-Simulation zeigen, dass sich ein Nanoplasma erst verzögert herausbildet (Abb. 4.5). Für geringe bis moderate Laserintensitäten bis ca. 1013 W/cm2 wird die
Elektronenemission durch direkte Photoemission dominiert und kann mit dem Konzept
der Multistep-Ionization hinreichend beschrieben werden. Erst bei hohen Leistungsdichten bildet sich ein Nanoplasma heraus, resultierend in thermischer Elektronenemission.
Diese thermisch emittierten Elektronen zeigen einen exponentiellen Verlauf im niederenergetischen Teil des Photoelektronenspektrums.
Einfluss der Clusterexpansion auf die Spektren
Mit Hilfe der Molekular-Dynamik-Simulation kann zusätzlich auch die Ionendynamik sowie deren Auswirkungen auf die Elektronenspektren untersucht werden. Ionisationsprozesse führen zur Aufladung des Clusters, der folglich aufgrund abstoßender Coulombkräfte
zwischen den Ionen expandiert. Um die Folgen für die Ionisation zu analysieren sind in
Abb.(4.8) die Photoelektronenspektren für Ar147 für feste Ionenpositionen (flächig) und
für bewegliche Ionen (rote Linie) bei identischen Laserparametern gegenübergestellt.
Der Vergleich zeigt, dass die Clusterexpansion eine leichte Absenkung der Intensität im
niederenergetischen Teil des Spektrums bewirkt. Dieser Effekt ist anschaulich erklärbar:
Das Nanoplasma aus quasifreien Elektronen wird wie bei einer adiabatischen Expansion
eines Gases gekühlt, so dass thermische Emission aufgrund der geringeren kinetischen
Energie nun leicht abnimmt. Dieser Effekt ist nur für entsprechend hohe Laserintensitäten,
d.h. bei Herausbildung eines Nanoplasmas, relevant. Eine detaillierte Untersuchung der
Ionendynamik und Clusterexpansion erfolgt in Abschnitt (4.2).
Abbildung 4.8: Einfluss der Ionenbewegung
auf die Elektronenemission. Bei identischen
Laserparametern sind die Photoelektronenspektren für Ar147 bei festen (flächig) und
freien Ionen (rote Linie) dargestellt. Die Clusterexpansion bewirkt eine leichte Absenkung
des Spektrums über einen weiten Bereich im
niederenergetischen Teil des Spektrums. Dies
ist auf die Abkühlung des Nanoplasmas infolge der Clusterexpansion zurückzuführen, wodurch die thermische Emission von Elektronen abnimmt (siehe Text).
4.1 Elektronenemission in XUV-Laserfeldern
55
4.1.3 Energieabsorptionsprozesse im Cluster
Im VUV- und XUV-Bereich kann der Cluster im Wesentlichen auf zwei Arten Energie
absorbieren: Zum einen durch innere Ionisation, also der Absorption eines Photons der
Energie ~ω durch ein gebundenes Elektron und zum anderen durch inverse Bremsstrahlung quasifreier Elektronen (siehe Abb. 4.9).
Abbildung 4.9: Im VUV-und XUV- Bereich tragen im Wesentlichen zwei Mechanismen
zur Heizung des Nanoplasmas bei: Links: Durch Photonenabsorption werden gebundene
Elektronen freigesetzt, deren kinetische Energie vom Ionisationspotenzial und der Photonenenergie abhängig ist. Bleiben diese Elektronen am Cluster gebunden, tragen sie zur
kinetischen Energie des Plasmas bei. Rechts: Durch Stoßprozesse der quasifreien Elektronen an den Ionen kann über inverse Bremsstrahlung kontinuierlich Energie aus dem
Laserfeld aufgenommen werden. Dieser Prozess ist stark abhängig vom ponderomotiven
Potenzial UP und der Stoßzeit τcoll .
Obwohl mit zunehmender Photonenenergie des Laserpulses zu erwarten ist, dass der Einfluss der inversen Bremsstrahlung rapide abnimmt (UP ∝ λ2 ), hat sich gezeigt, dass diese
Form der Energieabsorption im VUV-Bereich einen nicht zu vernachlässigenden Faktor
darstellt (λ = 98 nm(12.7 eV): [SR04] und λ = 62 nm (20 eV): [GSR07]).
In Abb.(4.10) sind die Resultate von Georgescu [GSR07] zur Energieabsorption bei λ =
62 nm (20 eV) dargestellt. Hierbei wurde eine Molekular-Dynamik-Simulation für Ar147
bei Anregung mit einem 100 fs Laserpuls bei I = 7 × 1013 W/cm2 durchgeführt. Als gestrichelte schwarze Linie ist der Energieeintrag pro Atom durch Ein-Photonen-Absorption
(Ephoto ) gekennzeichnet und als durchgezogene schwarze Linie die gesamte absorbierte
Energie. Die Differenz der Kurven stellt somit den Energieeintrag durch inverse Bremsstrahlung dar. Es zeigt sich, dass nahezu 60 % des Energieeintrags über inverse Bremsstrahlung stattfindet. Diese Ergebnisse konnten mit der hier vorgestellten Simulation gut
reproduziert werden (rote Linien).
56
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.10: Energieabsorption im VUV-Regime bei ~ω = 20 eV: Absorbierte Energie pro Ion in Abhängigkeit von der Zeit für Ar147 bei I = 7 × 1013 W/cm2 und
τFWHM = 100 fs. Die gestrichelten Linien stellen den Energieeintrag durch Ein-PhotonenIonisation dar und die durchgezogenen Linien die gesamte absorbierte Energie. Die Differenz spiegelt die Energieabsorption durch Inverse Bremsstrahlung wider. Hierbei zeigt
sich, dass ca. 60% des Energieeintrags über inverse Bremsstrahlung absorbiert wird.
Schwarze Linien: Simulation von Georgescu et al. 2007 [GSR07], rote Linien: diese Arbeit.
Für die Untersuchung des Absorptionsverhalten bei der hier betrachteten Wellenlänge
von λ = 32 nm (38 eV) wurden für die gleiche Laserintensität aber kürzerer Pulslänge
(τF W HM = 30 fs) Rechnungen an Ar147 durchgeführt. In Abb.(4.11 oben) ist der Energieeintrag pro Atom abgebildet. Es zeigt sich, dass die gesamte Energieabsorption (blaue
Linie) nahezu vollständig über die Photoionisation gebundener Elekronen erfolgt (rote Linie). Der Beitrag der inversen Bremsstrahlung (Differenz der Kurven) ist deutlich kleiner
als 1 % und stellt somit nur eine untergeordnete Rolle in der Energieabsorption dar. Im
unteren Bild ist zusätzlich der durchschnittliche Ladungszustand der Ionen aufgetragen.
Da der Beitrag inverser Bremsstrahlung proportional zur Anzahl der quasifreien Elektronen ist, trägt der geringe Photoabsorptionsquerschnitt bei λ = 32 nm (siehe Abb. 3.1)
und die damit verbundene geringe Ionisationswahrscheinlichkeit dazu bei, dass Energie
aus dem Laserfeld nicht effizient in den Cluster eingekoppelt werden kann. In den simulierten Photoelektronenspektren konnte demzufolge kein nennenswerter Einfluss von
inverser Bremsstrahlung festgestellt werden. Dies bestätigt die experimentellen Befunde aus [BTH+ 08], die ebenfalls keine Signaturen von Laser-Heiz-Prozessen identifizieren
konnten (siehe Abschn. 2.3.2).
4.1 Elektronenemission in XUV-Laserfeldern
57
Abbildung 4.11: Energieabsorption
im
XUV-Regime
bei
~ω = 38 eV: Absorbierte
Energie
pro Ion in Abhängigkeit von der Zeit
für Ar147 bei I = 7 × 1013 W/cm2 und
τF W HM = 30 fs: Der Energieeintrag
erfolgt nahezu vollständig über EinPhotonen-Ionisation (rote Linie). Die
blaue Linie repräsentiert die gesamt
absorbierte Energie. Der Energiegewinn durch inverse Bremsstrahlung
ist vernachlässigbar (Differenz aus
beiden Kurven). Im unteren Bild ist
die Anzahl freigesetzter Elektronen
aufgetragen. Die geringe Ionisationswahrscheinlichkeit bei λ = 32 nm
trägt dazu bei, dass Laser-HeizEffekte nur eine untergeordnete Rolle
spielen, da IBS proportional zur
Anzahl der quasifreien Elektronen ist.
4.1.4 Vergleich mit experimentellen Photoelektronenspektren
Zusammenfassend werden die Ergebnisse der Monte-Carlo-Simulation aus Abschnitt (4.1.1)
und der Molekular-Dynamik-Simulation aus Abschnitt (4.1.2) nun den vorliegenden experimentellen Daten gegenübergestellt und diskutiert.
In Abb.(4.12) ist links der Vergleich zwischen Experiment und Monte-Carlo-Simulation
dargestellt und auf dem rechten Bild der Vergleich zwischen Experiment und MolekularDynamik-Simulation. Hierbei wurden vier unterschiedliche Laserintensitäten bei einer
Clustergröße < N >= 80 (Sim.: N = 80) betrachtet. Der charakteristische Peak bei
ca. 22 eV kann sowohl mit der MC- als auch mit der MD-Simulation reproduziert werden und repräsentiert die atomare Ein-Photonen-Ionisation. Des Weiteren beschreibt die
Monte-Carlo-Simulation, basierend auf dem Konzept der Multistep-Ionization, die experimentellen Spektren für geringe und moderate Laserintensitäten bis ca. 1013 W/cm2 sehr
gut. Diese Erkenntnisse decken sich mit den bereits gewonnenen Ergebnissen von Fennel
[BTH+ 08], die in Abschnitt (2.3.2) beschrieben worden sind. Lediglich für sehr hohe Leistungsdichten kann der stark ansteigende Verlauf im niederenergetischen Bereich des Spektrums nicht wiedergegeben werden. In diesem Regime bildet sich bereits ein Nanoplasma
im Cluster heraus und thermische Elektronenemission kann nicht mehr vernachlässigt
werden. Die Molekular-Dynamik-Simulation berücksichtigt diese Nanoplasmaeffekte und
kann die experimentellen Daten auch bei hohen Laserintensitäten über 1013 W/cm2 gut
beschreiben.
58
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.12: Vgl. zwischen den experimentellen Photoelektronenspektren mit der
Monte-Carlo-Simulation (links) und der Molekular-Dynamik-Simulation (rechts) für Ar80
bei λ = 32nm (38 eV) und verschiedenen Intensitäten. Mit der Monte-Carlo-Simulation
können die experimentellen Spektren für geringe und moderate Laserintensitäten bis ca.
1013 W/cm2 gut beschrieben werden. Für höhere Leistungsdichten kann der stark ansteigende Verlauf im niederenergetischen Bereich des Spektrums nicht wiedergegeben werden.
Die in diesem Regime auftretenden Nanoplasma-Effekte werden in der MD-Simulation jedoch berücksichtigt, so dass mit diesem quasi-klassischem Modell auch die Spektren bei
Intensitäten über 1013 W/cm2 reproduziert werden können.
In [BTH+ 08] wurde zusätzlich zu den in Abb. (4.12) dargestellten Spektren an Ar80 auch
ein Spektrum für größere Cluster Ar150 angegeben.
In Abb. (4.13) wurde auch dieses Resultat bei I = 3×1013 W/cm2 mit den entsprechenden
Simulationen verglichen. Hierbei stellt die rote Linie die MD- und die blaue Linie die MCSimulation dar. Für die experimentellen Spektren (schwarze Linien) kann der Bereich
< 5eV nicht aufgelöst werden. Wie bereits für Ar80 ist für hohe Laserintensitäten die
Berücksichtigung von Nanoplasmaeffekten notwendig.
4.1 Elektronenemission in XUV-Laserfeldern
59
Abbildung 4.13: Vergleich
der experimentellen Elektronenspektren
(schwarze
Linie) mit der Monte-Carlo(blaue Linie) und MolekularDynamik-Simulation
(rote
Linie). Bei hohen Laserintensitäten, wie hier im Bild,
können Nanoplasmaeffekte
nicht vernachlässigt werden. Die MD-Simulation
beschreibt das Experiment
aus diesem Grund deutlich
besser als die einfachere
MC-Simulation bei der die
explizite Elektronendynamik
vernachlässigt wird.
Zusammenfassende Bemerkungen zur Elektronenemission und
Energieabsorption
Die Ionisationsdynamik von Ar-Clustern in XUV-Laserpulsen wurde hinsichtlich folgender
Aspekte untersucht:
• Multistep-Ionization im sich entwickelnden Cluster-Coulomb-Potenzial (Abschnitt
4.1.1)
• Herausbildung eines Nanoplasmas und thermische Elektronenemission (Abschnitt
4.1.2)
• Energieabsorption im Cluster und lasergetriebene Heizung des Nanoplasmas (Abschnitt 2.3.1)
Anhand der Ergebnisse können die Photoelektronenspektren folgendermaßen erklärt und
interpretiert werden (siehe dazu auch Abb. 4.14):
1. Die Ionisation des Clusters erfolgt sequentiell über Ein-Photonen-Ionisation. Der erste Ionisationsschritt spiegelt die atomare Ein-Photonen-Ionisation wider und führt
im Photoelektronenspektrum zu einem scharfen Peak bei Efin = ~ω − EIP .
2. Multistep-Ionization in einem sich entwickelnden Cluster-Coulomb-Potenzial führt
bei ausreichend hohen Laserintensitäten zu einem über weite Teile plateauartigen
Verlauf des Spektrums.
3. Bei entsprechend hohen Laserintensitäten bildet sich im Cluster ein Nanoplasma aus
quasifreien Elektronen. Infolge von Thermalisierungsprozessen können nun Elektronen emittiert werden, die im niederenergetischen Bereich des Spektrums zu einem
exponentiell fallenden Verlauf führen und somit eindeutig thermische Signaturen
aufweisen.
60
4 Ergebnisse und Diskussion
4. Der Energieeintrag in den Cluster erfolgt maßgeblich durch die Ein-Photonen-Absorption. Lasergetriebene Heizung des Nanoplasmas durch inverse Bremsstrahlung trägt
aufgrund der geringen Wellenlänge nur unwesentlich bei.
Abbildung 4.14: Visualisierung der wesentlichen Einflüsse auf die Photoelektronenspektren. Bei ausreichend hohen Laserintensitäten (linkes Bild) führt die Multistep-Ionization
über einen weiten Bereich zu einem plateau-artigen Verlauf des Spektrums (gelb). Der
scharfe Peak bei ca. 22 eV (grün) repräsentiert die atomare Ein-Photonen-Ionisation.
Thermische Elektronenemission sorgt darüber hinaus für einen Anstieg im niederenergetischen Bereich (blau). Für geringe Intensitäten (rechtes Bild) können solche Nanoplasmaeffekte für die Elektronenemission vernachlässigt werden.
4.2 Ionendynamik: Expansion und Ladungszustände
In diesem Abschnitt werden die Resultate zur Ionendynamik vorgestellt und diskutiert.
Hierbei wird zunächst auf den Expansionsmechanismus des Clusters eingegangen (Abschnitt 4.2.1). Anschließend werden die Ionen-Energie-Spektren in Abschnitt (4.2.2) analysiert, wobei insbesondere die Einflüsse der Schalenstruktur des Clusters und der Ladungszustände der Ionen auf die Struktur der Spektren untersucht werden. In Abschnitt
(4.2.3) steht die Dynamik des Nanoplasmas während der Expansion im Vordergrund.
Hierbei wird untersucht, wie sich ein experimentell bei der Flugzeit-Messung notwendiges
Abzugsfeld auf die Elektronenemission auswirkt.
4.2.1 Expansion kleiner Argoncluster in XUV-Laserpulsen
Der anfänglich neutrale und stabile Edelgascluster wird infolge der Wechselwirkung mit
einem intensiven Laserpuls ionisiert und thermisch angeregt, so dass der Cluster expandiert und schließlich zerfällt. Zur Expansion tragen im Wesentlichen zwei Mechanismen
bei:
4.2 Ionendynamik: Expansion und Ladungszustände
61
1. Ein Nanoplasma mit heißen quasifreien Elektronen bewirkt eine Expansion des Clusters durch den thermischen Druck der Elektronen auf den Clusterrand. Dieser Effekt wird beispielsweise im Rahmen des hydrodynamischen Modells von Ditmire et
al. betrachtet [DDR+ 96].
2. Infolge äußerer Ionisationsprozesse verlassen Elektronen den Cluster und führen
zu einer positiven Netto-Aufladung. Die Coulombabstoßung zwischen den Ionen
bewirkt nun eine Expansion des Clusters, die als Coulombexplosion bezeichnet wird.
Dieser Prozess kann näherungsweise analytisch beschrieben werden [KS02].
Sowohl das Modell der hydrodynamischen Expansion als auch der Coulomb-Explosion
wurden für die Beschreibung von Cluster-Expansions-Prozessen erfolgreich eingesetzt
[MHB+ 08, LDNS98]. Dabei muss beachtet werden, dass im allgemeinen Fall beide Expansionsmechanismen wirksam sind. Nur in Ausnahmefällen dominiert der eine Prozess
über den anderen. Zudem ist eine allzu strikte Unterscheidung wenig sinnvoll, da beide
Prozesse auf der Coulombwechselwirkung der geladenen Elektronen und Ionen basieren.
Im Folgenden wird mit Hilfe der in Abschnitt (3.2) vorgestellten Molekular-DynamikSimulation die Expansion von Argon-Clustern in intensiven XUV-Laserpulsen untersucht.
Die Resultate werden mit dem Modell der idealen Coulombexplosion verglichen, so dass
insbesondere der Einfluss von Nanoplasmaeffekten auf die Expansion analysiert werden
kann.
Modell der idealen Coulombexplosion
Für den Spezialfall der idealen Coulombexplosion kann die Expansion analytisch beschrieben werden [Fen05]. Hierbei wird der Cluster als sphärisch symmetrisches Objekt mit einer
kontinuierlich verteilten Ionen-Flüssigkeit angenommen. Die potentielle Energie eines Ions
mit dem Abstand r zum Zentrum und dem entsprechenden Ladungszustand Z(r) folgt
aus
Eion (r) =
e2 Z(r) Qin (r)
.
4 π ǫ0 r
(4.2)
Hierbei stellt Qin die vom Radius r eingeschlossenen Ladung entsprechend
Qin =
Z
r
4 π r′2 nI (r′ ) Z(r′ ) dr′
(4.3)
0
dar, wobei nI (r′ ) die Teilchenzahldichte der Ionen mit der Ladung Z(r′ ) darstellt. Für
Systeme mit nur einer Ionensorte der Masse MI und solchen Verteilungen nI (r) und Z(r),
bei denen innere Schalen die äußeren Schalen nicht überholen, erhält man aus der Lösung
der Bewegungsgleichungen einen analytischen Ausdruck für die Expansionszeit
t(r0 , r) =
"r
2 π ǫ0
e2
s
MI 3/2
r
Z Qin 0
# r
r
r0
r
r
− 1 + arsinh
r0
r
r
−1
r0
.
(4.4)
62
4 Ergebnisse und Diskussion
Diese gibt die Zeit an, die eine Schale aus Ionen mit der Ladung Z und der von ihr
eingeschlossenen Ladung Qin benötigt, um ihren Radius von r0 auf r auszudehnen. Hierbei
stellt r0 den Anfangsradius der Schale dar. Unter der Annahme einer homogenen Ladungsund Dichteverteilung im Cluster ergibt sich für die eingeschlossene Ladung
4
Qin = πn0 Zr03 ,
3
(4.5)
wobei n0 und r0 die Ionendichte und der betrachtete Radius im Anfangszustand sind. Für
die Expansionszeit ergibt sich durch Einsetzen in Gl. (4.4)
t(r0 , r) =
"r
3ǫ0
2e2
r
MI 1
n0 Z
# r
r
r0
r
r
− 1 + arsinh
r0
r
r
−1
r0
.
(4.6)
Da für diesen Fall der Radius nur relativ in der Form r/r0 eingeht, erfolgt die Expansion
selbstähnlich und somit homogen. Beispielsweise benötigt jede Schale dieselbe Zeit, um
ihren anfänglichen Radius zu verdoppeln. Der analytische Ausdruck (4.6) kann als Referenz einer idealen Coulombexplosion verwendet werden und wird im Folgenden mit den
Ergebnissen der Molekular-Dynamik-Simulation verglichen.
Vergleich mit Molekular-Dynamik-Simulation
Im Folgenden wird beispielhaft die Expansion von Ar309 betrachtet. Hierbei wurde in der
MD-Simulation jedes Atom durch einen kurzen Laserpuls (~ω = 38eV) einfach ionisiert
und der Cluster 100 fs propagiert. Von den 309 durch innere Ionisation freigesetzten Elektronen haben 60 den Cluster verlassen (Qcluster = 60), so dass 249 quasifreie Elektronen
zum Nanoplasma beitragen. Mit dem so präparierten System wurde die Expansion nun
detailliert untersucht und mit dem analytischen Modell der Coulombexplosion verglichen.
Dabei wurden zwei Szenarien betrachtet:
a) Ideale Coulombexplosion: Quasifreie Elektronen des Clusters werden aus der MDSimulation künstlich entfernt, so dass lediglich die positiv geladenen Ionen zur Expansion beitragen. Hieraus folgt eine Aufladung des Clusters von Qcluster = 309. Für
den Vergleich kann aufgrund der homogenen Aufladung der Ausdruck aus Gl. (4.6)
verwendet werden mit Z = 1.0, da alle Atome einfach ionisiert sind.
b) Expansion mit Nanoplasma: Quasifreie Elektronen werden in der MD-Simulation
explizit propagiert. Somit sind Abschirmungseffekte und hydrodynamische Expansionsprozesse automatisch berücksichtigt. Die Anwesenheit der quasifreien Elektronen
führt zu einer inhomogenen Ladungsverteilung, so dass Gl. (4.6) nicht angewendet
werden kann. Aus diesem Grund wird nur die äußere Ionenschale mit Hilfe von Gleichung (4.4) beschrieben. Dabei werden die Parameter Z = 1 und Qin = Qcluster = 60
verwendet.
In Abb. (4.15) ist der zeitabhängige Clusterradius für diese beiden Szenarien abgebildet
(a und b). Die gepunkteten Linien repräsentieren das analytische Modell der Coulombexplosion, während die farbigen Linien die normierten Radien der verschiedenen Schalen
4.2 Ionendynamik: Expansion und Ladungszustände
63
in der MD-Simulation darstellen. Die schematisch abgebildeten aufgeschnittenen Cluster
visualisieren die unterschiedlichen Schalen sowie deren Expansion. Im Folgenden werden
die Szenarien a) und b) diskutiert:
a) Ideale Coulombexplosion: Wie zu erwarten zeigt sich, dass die Expansion jeder
Schale sehr gut mit dem Modell der idealen Coulombexplosion beschrieben werden kann. Wie auch das schematische Bild zeigt, expandiert der Cluster homogen
und selbstähnlich.
b) Coulombexplosion mit Nanoplasma: Unter Berücksichtigung des Nanoplasmas führen
Abschirmungseffekte zu einer deutlich langsameren Expansion. Dies verdeutlicht der
Vergleich mit der Expansion aus Szenarium a) (grau gepunktete Linie). Im Rahmen
des analytischen Modells ist die langsamere Expansion auf die geringere eingeschlossene Ladung Qin zurückzuführen. In der MD-Simulation zeigt sich weiterhin, dass
die Schalen nun nicht mehr gleich schnell expandieren (farbig durchgezogene Linien).
Die äußerste Schale (blaue Linie) expandiert deutlich schneller als die innerste (rote
Linie). Das zeigt, dass der Kernbereich des Clusters stärker abgeschirmt wird, als
der äußere Bereich. Der Umstand, dass die inneren Schalen überhaupt expandieren,
zeigt, dass durch die thermische Anregung des Nanoplasmas keine vollständige Abschirmung der Ionen vorliegt (hydrodynamische Expansion). Der Vergleich zwischen
dem analytischen Resultat mit Qin = 60 und dem MD-Resultat für die äußerste
Schale (blau) zeigt, dass das idealisierte Modell deren Expansion etwas überschätzt.
Dieser Effekt ist auf die Substruktur der äußersten Schale zurückzuführen. Die Ionen in der letzten Schale haben aufgrund der ikosaedrischen Anordung nicht alle
denselben Abstand zum Clustermittelpunkt. Betrachtet man bei der Auswertung
der MD-Simulation nur die äußersten Ionen des Clusters (grüne Linie), ergibt sich
eine sehr gute Übereinstimmung mit dem analytischen Modell.
Durch den Vergleich zwischen idealer Coulombexplosion und der MD-Simulation konnte
somit schalenabhängig der Expansionsmechanismus untersucht werden. Ohne Anwesenheit am Cluster gebundener Elektronen kann die Expansion sehr gut mit Coulombexplosion beschrieben werden. Mit zunehmender Anzahl quasifreier Elektronen ergibt sich
durch Abschirmungseffekte eine langsamere Expansion im Kernbereich. Die Expansion
der äußersten Schale kann allerdings nach wie vor mit dem idealisierten Modell gut beschrieben werden. Diese Tatsache zeigt sich auch in den im nächsten Abschnitt im Zusammenhang mit den Ionen-Energie-Spektren betrachteten Cut-Off-Energien.
64
4 Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 4.15: Simulierte (farbige Linien - MD) und analytisch berechnete (gepunkte Linie - CE-Modell) Expansion von Ar309 für zwei unterschiedliche Szenarien: Im Fall
a) wurden die quasifreien Elektronen aus der Simulation entfernt, während diese in b)
explizit berücksichtigt worden sind. In beiden Fällen ist der innere Ladungszustand der
Ionen Z = 1. In Szenario a) zeigt sich eine homogene Expansion des Clusters (jede Schale gleich schnell), die mit dem idealisierten Modell der Coulombexplosion (CE) sehr gut
übereinstimmt (schwarze Punkte). In Szenario b) zeigt sich eine deutlich langsamere Expansion aufgrund der Abschirmung durch die Elektronen (zum Vgl.: graue Punkte =
Expansion aus Szenario a). Die MD-Daten belegen eine unterschiedliche Expansionsgeschwindigkeit der Schalen. Lediglich die Expansion der äußersten Ionen (grüne Linie) lässt
sich mit dem CE-Modell beschreiben.
4.2 Ionendynamik: Expansion und Ladungszustände
65
4.2.2 Schalen- und ladungsaufgelöste Ionen-Energie-Spektren
Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, dass der Cluster in Anwesenheit quasifreier Elektronen nicht homogen expandiert. Im Folgenden werden die Ionen-Energie-Spektren diskutiert und schalen- und ladungsaufgelöst untersucht. Hierfür wurde die Anregung von
Ar147 durch einen 30 fs-Laserpuls mit I = 3.0 × 1013 W/cm2 simuliert. Das resultierende
gesamte Ionen-Energie-Spektrum ist in Abb.(4.16) zusammen mit einer schalen- (links)
und ladungsaufgelösten Darstellung (rechts) abgebildet.
Abbildung 4.16: Simuliertes Ionen-Energie-Spektrum für Ar147 bei I = 3 × 1013 W/cm2 .
a) Schalenaufgelöstes Spektrum, b) ladungsaufgelöstes Spektrum. Das Gesamtspektrum
ist als blaue bzw. rote Linie dargestellt. Die peakartige Struktur des Spektrums kann auf
die Schalenzugehörigkeit der Ionen und deren Ladungszuständen zurückgeführt werden.
Hochgeladene Ionen der äußersten Schale erreichen die höchsten kinetischen Energien.
Das Gesamtspektrum besitzt zunächst eine Peakstruktur und die höchsten kinetischen
Energien werden von Ionen aus der äußersten Schale des Clusters erreicht (rote Fläche
in Abb. 4.16 a). Eine Gegenüberstellung mit dem ladungsaufgelösten Spektrum zeigt
weiterhin, dass der breite Peak bei ca. 80 eV nahezu vollständig von zweifach geladenen Ionen und das schwache Signal über 100 eV von dreifach geladenen Ionen aus dieser
äußersten Schale hervorgerufen wird. Der Peak bei ca. 30eV resultiert vorwiegend von einfach geladenen Ionen der äußersten Schale. In dem Bereich unter 25 eV ist das Signal eine
Überlagerung aus den Beiträgen aller Schalen und Ladungszuständen. Die Peakstruktur
im hochenergetischen Teil über 25 eV kann somit den verschieden geladenen Ionen der
äußersten Schale zugeschrieben werden.
Im nächsten Schritt wird die Intensitätsabhängigkeit dieser peakartigen Signaturen betrachtet. Hierzu wurde Ar147 bei Anregung mit drei unterschiedlich intensiven Laserpulsen
simuliert. Die entsprechenden Ionenspektren sind schalen- und ladungsaufgelöst in Abb.
(4.17) abgebildet. Es zeigt sich zunächst, dass mit steigender Laserintensität der Anteil
mehrfach geladener Ionen zunimmt. So bildet sich für I = 6.0 × 1013 W/cm2 ein breiter
66
4 Ergebnisse und Diskussion
Peak dreifach geladener Ionen bei ca. 125 eV heraus. Aufgrund der höheren Aufladung
expandiert der Cluster bei hoher Laserintensität entsprechend schneller. Insbesondere die
Peakstrukturen der äußersten Schale (rote Fläche) werden zu höherer Energie verschoben.
Während bei I = 1.0×1013 W/cm2 die maximale kinetische Energie der zweifach geladener
Ionen der äußersten Schale bei ca. 60 eV liegt, werden bei I = 6.0 × 1013 W/cm2 kinetische Energien bis ca. 110 eV erreicht. Für die Peakposition bei ca. 10 eV, der vorrangig
von Ionen der inneren Schalen hervorgerufen wird, ist keine nennenswerte Verschiebung
zu beobachten. Dies zeigt, dass im Kernbereich des Clusters die Ionenladungen stark von
den quasifreien Elektronen abgeschirmt werden und somit selbst die mehrfachgeladenen
Ionen der inneren Schalen nur geringe kinetische Energien erreichen (hellblauer und gelber
Peak im Bild rechts unten bei ca. 10 eV).
Abbildung 4.17: Schalen- (oben) und ladungsaufgelöste (unten) Ionen-Energie-Spektren
für Ar147 bei Anregung mit drei unterschiedlich intensiven Laserpulsen. Mit zunehmender
Laserintensität steigt die Anzahl mehrfach geladener Ionen. Für die Ionen der äußersten
Schale existiert je Ladungszustand eine relativ scharfe Abbruchkante der maximalen kinetischen Energien (siehe rote Fläche). Diese Cut-off-Energien verschieben sich mit steigender Leistungsdichte aufgrund der stärkeren Aufladung des Clusters zu höheren Energien.
Für die inneren Schalen (Peak bei ca. 10eV) ist keine nennenswerte Verschiebung zu erkennen. Dies ist auf die gute Abschirmung der Ionenladungen im Kernbereich zurückzuführen.
4.2 Ionendynamik: Expansion und Ladungszustände
67
In Abb. (4.17) ist zudem erkennbar, dass für die Ionen der äußersten Schale je Ladungszustand eine relativ scharfe Abbruchkante der maximalen kinetischen Energie (Cut-OffEnergie) existiert (siehe rote Fläche). Die maximale kinetische Energie kann wie in Abb.
(4.15 - schwarz gepunktete Linie) mit einem analytischem Modell der Coulombexplosion beschrieben werden. Unter der Annahme einer homogen geladenen Kugel kann die
kinetische Energie der äußersten Ionen abgeschätzt werden entsprechend
Ekin = Epot =
1 Qin · Zion e2
.
4 πǫ0
R
(4.7)
Die potentielle Energie eines Ions der äußersten Schale mit dem Ladungszustand Zion
und der eingeschlossenen Nettoladung Qin des Clusters wird dabei vollständig in kinetische Energie umgewandelt. Diese Cut-Off-Energien sind somit direkt proportional zur
Ladung des betrachteten Ions und skalieren mit der totalen Aufladung des Clusters. In
Abb.(4.2.2) ist das Ionenenergiespektrum aus Abb. (4.17 - rechts unten) im Detail dargestellt. Die mit Gleichung (4.7) ermittelten Cut-Off-Energien sind als grau gestrichelte
Linien dargestellt. Es zeigt sich, dass die maximalen Energien im simulierten Spektrum
gut mit Hilfe der idealen Coulombexplosion beschrieben werden können. Da aus den CutOff-Energien Rückschlüsse auf den Ladungszustand des Clusters gezogen werden können,
ist es denkbar, Ionen-Energie-Spektren zur Analyse der Clusterionisation zu verwenden.
Abbildung 4.18: DetailAusschnitt des ladungsaufgelösten Ionen-EnergieSpektrums aus Abb. (4.17 unten rechts). Die maximalen kinetischen Energien der
ladungsspezifischen
Ionen
können gut mit den Cut-OffEnergien aus dem Modell der
Coulombexplosion gemäß Gl.
(4.7) (grau gestrichelte Linie)
beschrieben werden.
68
4 Ergebnisse und Diskussion
4.2.3 Äußere Ionisation im externen Abzugsfeld
Unter Berücksichtigung der experimentellen Gegebenheiten wurde von Fennel et al. der
Einfluss eines Detektorfeldes auf die Elektronenemission von Xe-Clustern in intensiven infraroten Laserpulsen untersucht und ein nicht unerheblicher Beitrag zur äußeren Ionisation
festgestellt [FRB07]. Dieses Abzugsfeld wird für die Flugzeit-Messung der Ionenspektren
benötigt und beschleunigt die Ionen zum Detektor. Im Folgenden wird dieser Emissionsmechanismus für das hier betrachtete XUV-Regime an Argon-Clustern näher untersucht.
Hierbei wird zunächst die Expansion des Clusters über lange Zeitskalen im Pikosekundenbereich simuliert, um die zeitliche Entwicklung des Clusterpotenzials zu untersuchen.
Zeitliche Entwicklung des Clusterpotenzials
Um die Auswirkungen der Expansion auf das Clusterpotenzial zu untersuchen wurde
Ar923 , mit Hilfe der MD-Simulation simuliert. Nach Wechselwirkung mit einem 30 fs
Laserpuls bei I = 2.0 × 1013 W/cm2 wurden insgesamt 411 Elektronen durch innere Ionisation freigesetzt. Dieses Nanoplasma aus Ionen und Elektronen wurde über mehrere
Pikosekunden propagiert. In Abb. (4.19) sind die potentiellen und gesamten Einteilchenenergien der Elektronen abgebildet. Die Ionen sind schematisch als blaue Kreuze bei
E = 0 eingezeichnet. Nach einer Pikosekunde haben bereits 77 Elektronen den Cluster
verlassen, so dass noch 334 quasifreie Elektronen im Nanoplasma des Clusters verbleiben.
Es zeigt sich, dass die Ausdehnung des Nanoplasmas, d.h. alle Elektronen mit Etot < 0
(rote Punkte), deutlich größer ist als der Clusterradius der Ionenrümpfe. Die grüne Linie
gibt näherungsweise das Clusterpotenzial wieder. Die quasifreien Elektronen im Cluster
können folgendermaßen klassifiziert werden:
1. Rekombination mit Ionen: Ein quasifreies Elektron befindet sich tief im Potenzialtopf eines Ions und kann als rekombiniert betrachtet werden. Diese Elektronen
liegen energetisch weit unterhalb des approximierten Clusterpotenzials.
2. Frei bewegliche Elektronen: Die freie Beweglichkeit der Elektronen bleibt erhalten.
Die potentiellen Energien dieser Elektronen bilden das Clusterpotenzial ab. Die
Einteilchenenergien (rote Punkte) dieser Elektronen liegen energetisch zwischen dem
Clusterkontinuum (E = 0) und dem Clusterpotenzial.
Elektronen, die bereits rekombiniert sind (1.), werden durch die Expansion des Clusters
kaum noch beeinflusst. Mit zunehmender Expansion des Clusters flacht das Clusterpotenzial aufgrund der nun größeren Abstände zwischen den Ionen ab. Die kinetischen Energien der frei beweglichen quasifreien Elektronen (2.) nehmen gleichzeitig ab, ähnlich einer
adiabatischen Expansion eines Gases, so dass sie am Cluster gebunden bleiben. Die Gesamtenergien dieser Elektronen nähern sich mit fortschreitender Clusterentwicklung der
Kontinuumskante (Abb. 4.19 - von oben nach unten) an, so dass weniger Energie für die
Emission eines Elektrons absorbiert werden muss. Im Folgenden wird der Einfluss des
oben beschriebenen externen Abzugfeldes auf die Elektronenemission untersucht.
4.2 Ionendynamik: Expansion und Ladungszustände
69
Abbildung 4.19: Zeitliche Entwicklung des Clusterpotenzials für Ar923 im 30 fs Laserpuls bei I = 2 × 1013 W/cm2 und ~ω = 38eV. Von insgesamt 411 durch innere Ionisation
erzeugte Elektronen haben nach einer Pikosekunde 77 Elektronen den Cluster verlassen.
Die potentiellen Einteilchenenergien der verbliebenen quasifreien Elektronen (schwarze
Punkte) bilden das Clusterpotenzial ab (grüne Linie). Die Ionenpositionen sind mit blauen Kreuzen schematisch bei E = 0 eingezeichnet. Es zeigt sich, dass die Ausdehnung des
Nanoplasmas (Elektronen mit Etot < 0 - rote Punkte) deutlich größer ist, als der Clusterradius der Ionen. Die kinetischen Energien der Elektronen nehmen infolge der Clusterexpansion analog zu einer adiabatischen Gasexpansion ab. Obwohl das Clusterpotenzial
mit der Zeit zunehmend flacher wird, bleiben die Elektronen somit am Cluster gebunden.
Elektronen deren Gesamtenergie deutlich unterhalb des Clusterpotenzials liegt, können
als rekombiniert betrachtet werden. Die frei beweglichen Elektronen dagegen (energetisch
oberhalb des Clusterpotenzials) nähern sich mit fortschreitender zeitlicher Entwicklung
dem Clusterkontinuum an.
70
4 Ergebnisse und Diskussion
Einfluss des Detektorfeldes
Um den Einfluss schwacher elektrischer Felder auf die Elektronenemission zu untersuchen,
wurde im Folgenden der im obigen Abschnitt betrachtete Ar923 -Cluster bei identischen
Laserparametern simuliert. Typische Detektorfelder besitzen eine elektrische Feldstärke
von ≈ 3000 V/cm und sind somit vernachlässigbar gegenüber dem elektrischen Feld des
Laserpulses1 . Aufgrund der im vorigen Abschnitt festgestellten Abflachung des Clusterpotenzials reagieren die quasifreien Elektronen jedoch bereits sensibel auf kleine Energieeinträge. Für eine detailliertere Untersuchung wurden verschiedene Läufe über 30 ps
berechnet, wobei ein kontantes elektrischen Feld von 3000 V/cm zu unterschiedlichen
Zeiten aktiviert wurde. Dieses externe Feld beschleunigt die noch freibeweglichen Elektronen und hebt sie nach hinreichend langer Zeit ins Clusterkontinuum, so dass sie zur
Elektronenemission beitragen. In Abb. (4.20) ist die Anzahl der emittierten Elektronen
über der Zeit abgebildet. Die unterschiedlich farbigen Linien entsprechen unterschiedlich
zugeschalteten Detektorfeldern (nach 0, 5, 10, 20 ps).
Abbildung 4.20: Zeitliche Entwicklung der Elektronenemission von Ar923 bei I = 2 ×
1013 W/cm2 , τFWHM = 30 fs und ~ω = 38 eV. Ohne Berücksichtigung eines externen
Detektorfeldes verlassen ca. 90 Elektronen den Cluster (schwarze Linie). Bei Aktivierung
können die aufgrund der Clusterexpansion schwach gebundenen quasifreien Elektronen
den Cluster verlassen und zur äußeren Ionisation beitragen. Die Elektronenemission steigt
um ca. 160%. Der Zeitpunkt der Aktivierung beeinflusst die Ionisation nur unwesentlich.
Eine nähere Untersuchung der Elektronenemission während der Laser-Cluster-Wechselwirkung (0 - 100 fs) zeigte, dass die Ionisation des Clusters nicht vom Detektorfeld beeinflusst wird. Sowohl innere als auch äußere Ionisation waren nach 100 fs identisch. Erst
mit zunehmender Expansion des Clusters gewinnt das Detektorfeld an Einfluss: Ohne
Abzugsfeld (schwarze Linie) beträgt die Anzahl emittierter Elektronen ca. 90, während
nach Aktivierung ca. 230 Elektronen den Cluster verlassen (farbige Linien). Es zeigt sich
weiterhin, dass die Elektronenemission nahezu unabhängig vom Zeitpunkt der Feldaktivierung ist, solange das Feld hinreichend lange auf den Cluster einwirkt. Da das Feld
1
Für I = 1012 W/cm2 folgt Elas /Edet ≈ 2700
4.2 Ionendynamik: Expansion und Ladungszustände
71
in der Praxis lange genug auf den Cluster wirkt, um sämtliche freibeweglichen Elektronen ins Kontinuum zu heben, haben bereits schwache Felder einen großen Einfluss auf
die Elektronenemission. Zusammenfassend können somit folgende Erkenntnisse gewonnen
werden:
• Das externe Abzugsfeld beeinflusst den Ionisationsprozess während der Wechselwirkung mit dem Laserpuls nicht.
• Auf längerer Zeitskale sind bereits geringe Abzugsfelder ausreichend, um sämtliche
schwach am Cluster gebundenen quasifreien Elektronen ins Clusterkontinuum zu
heben.
• Ein externes elektrisches Abzugsfeld hat somit einen erheblichen Einfluss auf die
Elektronenemission. (Bsp. in Abb. 4.20: Erhöhung der äußeren Ionisation um etwa
160 %)
73
5 Zusammenfassung
In dieser Arbeit wurde die Wechselwirkung von intensiven Femtosekunden-Laserpulsen
im XUV-Bereich mit Edelgasclustern untersucht. Als Nanolabor“ wurden kleine Argon”
cluster betrachtet, da für diese Systeme experimentelle Daten aus Messungen am FreieElektronen-Laser FLASH vorliegen. Im Zentrum der Untersuchungen standen die Mechanismen der Energieabsorption, die detaillierte Analyse der Photoelektronenspektren sowie
die Betrachtung der Einflüsse der Clusterexpansion. Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass die Dynamik hinsichtlich der Ionisations- und Energieabsorptionsprozesse stark
von der Wellenlänge des Lasers abhängt. Während in Photoelektronenspektren im optischen und auch im VUV-Regime deutliche thermische Signaturen auftreten, die auf Laserheizung der quasifreien Elektronen zurückgeführt werden können [LTR+ 05], zeigen die
Spektren im XUV-Bereich ein völlig anderes Verhalten [BTH+ 08]. Beispielsweise besitzen
die Spektren eine untypische Plateau-Struktur und enthalten keine Hinweise auf eine signifikante Heizung durch inverse Bremsstrahlung. Zentrales Ziel dieser Arbeit war es, die für
dieses Verhalten wesentlichen Mechanismen zu extrahieren und die Elektronen- und Ionenemission in diesem Wellenlängenbereich mit Hilfe von numerischen Simulationen genauer
zu untersuchen. Da eine vollständig quantenmechanische Behandlung des zugrundeliegenden komplexen Vielteilchenproblems nicht praktikabel ist, wurde eine quasi-klassische
Molekular-Dynamik-Simulation entwickelt, die den Einfluss quantenmechanischer Effekte
auf die Ionisationsprozesse approximativ behandelt und Ionen sowie delokalisierte Elektronen klassisch propagiert.
Aus dem Vergleich mit experimentellen Daten zur Elektronenemission zeigte sich, dass für
geringe und moderate Laserintensitäten (bis ca. 1013 W/cm2 ) ein sequentieller MultistepIonization-Prozess vorliegt, der durch eine statistische Behandlung mit Hilfe einer MonteCarlo-Simulation gut beschrieben werden kann. Für höhere Laserintensitäten und dementsprechend höhere Ladungszustände der Cluster weisen die experimentellen Spektren zusätzlich thermische Signaturen im niederenergetischen Bereich auf, die mit der MultistepIonization nicht reproduziert werden können. Mit Hilfe der MD-Simulation konnte gezeigt werden, dass im zunehmend tieferen Clusterpotenzial die direkte Photoemission
unterdrückt wird und am Cluster gebundene quasifreie Elektronen zu zusätzlichen Nanoplasmaeffekten führen. Deren Einfluss auf das Photoelektronenspektrum ist nicht mehr
vernachlässigbar, da nun Thermalisierungsprozesse zur Elektronenemission beitragen. Im
optischen Regime kann solch ein Nanoplasma sehr effizient durch inverse Bremsstrahlung Energie absorbieren, die auch für den VUV-Bereich eine wesentliche Rolle spielt.
In der Simulation zeigte sich im XUV-Bereich, dass aufgrund des geringen ponderomotiven Potenzials (UP ∝ λ2 ) die Energieabsorption klar von der Ein-Photonen-Absorption
dominiert wird und inverse Bremsstrahlung nur eine untergeordnete Rolle spielt. Das
bedeutet, dass das Nanoplasma im Wesentlichen durch die Anregung gebundener Elektronen geheizt wird. Die berechneten Spektren weisen eine sehr gute Übereinstimmung
mit den experimentellen Ergebnissen auf und unterstützen damit diese These. Durch die
74
5 Zusammenfassung
Berücksichtigung von Nanoplasmaeffekten innerhalb der MD-Simulation konnten die experimentellen Elektronenspektren nun auch für hohe Laserintensitäten gut reproduziert
werden.
Im zweiten Teil der Arbeit wurde die Ionendynamik untersucht. Die Ergebnisse zeigen,
dass die Ionenbewegung während der Laser-Cluster-Wechselwirkung die Elektronenemission nur geringfügig beeinflusst. Auf längeren Zeitskalen jedoch expandiert der Cluster und
die kinetischen Energien der Ionen geben Aufschluss über den Expansionsmechansimus.
Es konnte allerdings noch nicht geklärt werden, wie die relativen Einflüsse der Coulombexplosion und der hydrodynamischen Expansion im XUV-Bereich sind [MHB+ 08]. Ein Vergleich zwischen der MD-Simulation mit einem analytischen Modell der Coulombexplosion
zeigte allerdings, dass quasifreie Elektronen im Nanoplasma des Clusters die Expansion
stark beeinflussen. Während die äußerste Schale des Clusters gut mit einem Modell der
Coulombexplosion beschrieben werden kann, führen Abschirmungseffekte im Nanoplasma
dazu, dass die inneren Schalen deutlich langsamer expandieren. Die unterschiedliche Expansion der Schalen zeigte sich ebenso in den Ionen-Energie-Spektren. Charakteristische
Peaks im Spektrum konnten so mit Hilfe der Schalenstruktur des Clusters und den Ladungszuständen der Ionen erklärt werden. Interessante Ergebnisse wurden zudem bei der
Untersuchung der Clusterdynamik über lange Zeitskalen erzielt. Es zeigte sich, dass infolge der Expansion das Clusterpotenzial stark abflacht und das Elektronenplasma analog
einer adiabatischen Expansion abkühlt. Quasifreie Elektronen nahe der Kontiniumskante reagieren dadurch sensibel auf kleine Energieeinträge. Unter Berücksichtigung eines
schwachen externen elektrischen Abzugsfeldes, wie es in Experimenten für die Flugzeitmessung erforderlich ist, zeigt sich in der Simulation, dass diese Elektronen wesentlich
zur äußeren Ionisation und so zum finalen Ladungszustand des Clusters beitragen. Dieser
Effekt konnte bereits in Simulationen im optischen Regime beobachtet werden [FRB07],
und ist entscheidend für die Erklärung experimentell beobachteter hoher atomarer Ladungszustände.
Die Analyse der Daten haben auch eine Reihe neuer Fragen aufgeworfen, die im Rahmen
dieser Arbeit nicht im Detail geklärt werden konnten. So stellt sich bei der Untersuchung
von Thermalisierungsprozessen die Frage nach der zeitabhängigen Energieverteilung der
Elektronen. Ob, und wenn ja, auf welchen Zeitskalen bildet sich eine Maxwell-BoltzmannVerteilung heraus und wie verhält sie sich während der Expansion? Während im optischen
und VUV-Regime der Cluster vollständig desintegriert, konnten im XUV-Bereich Clusterfragmente bis Ar4+ detektiert werden. Eine genauere Analyse der Ionendynamik unter
Einbeziehung von Rekombinationseffekten innerhalb der MD-Simulation wäre für eine entsprechende Untersuchung geeignet. Auch die ständige Weiterentwicklung der Lasertechnologie hinsichtlich der Photonenenergie wird theoretische Modelle und Simulationen vor
neue Herausforderungen stellen. So können bei der in dieser Arbeit betrachteten Photonenenergie von 38eV Innerschalenanregungen zumindest für Argon vernachlässigt werden.
Für andere Systeme oder geringere Wellenlängen können innere Schalen direkt angeregt
werden, so dass beispielsweise geeignete Beschreibungen für Autoionisationsprozesse und
Auger-Prozesse erforderlich sind. Auch in Zukunft ist zu erwarten, dass das Zusammenspiel von Theorie und Experiment hier wesentlich zur Verbesserung des Verständnisses
der Wechselwirkung zwischen Licht und Materie beiträgt.
75
6 Anhang
6.1 Inverse Bremsstrahlung
Das Nanoplasma im Cluster kann als schwingungsfähiges System im elektromagnetischem
Feld des Laserpulses aufgefasst werden. Die Auslenkung und Energieabsorption dieses
Systems in Abhängigkeit von der Amplitude und Frequenz des Feldes wird als optische
Response bezeichnet, die analytisch mit Hilfe des einfachen Oszillator-Modell beschrieben
werden kann [ME88]. Die Bewegungsgleichung für ein Elektron ergibt sich für ein in xRichtung polarisiertes Laserfeld zu
d2 x
dx
me 2 = e E0 exp(−iωt) − γ ,
dt
dt
(6.1)
wobei ω die Laserfrequenz, E0 die Amplitude des Laserfeldes und γ dx
den Reibungsterm
dt
beschreibt. Bei Berücksichtigung einer endlich ausgedehnten Hintergrundladung kann eine rücktreibende Kraft berücksichtigt werden, die hier jedoch vernachlässigt wird. Die
durch Stöße von Elektronen mit Ionen verursachte Reibung kann durch eine Stoßzeit τcoll
ausgedrückt werden entsprechend
γ=
me
.
τcoll
(6.2)
Für die Bewegung eines Elektrons ergibt sich mit dx/dt = vx folgende lineare Differenzialgleichung 1. Ordnung für die Geschwindigkeit
me
dvx
me
=−
vx + e E0 exp(−iωt),
dt
τcoll
(6.3)
wobei der Index x im Folgenden nicht mehr aufgeführt wird. Die Trennung der Variablen
gemäß
dv
1
=−
dt
v
τcoll
(6.4)
führt durch Integration auf die homogene Lösung der Geschwindigkeit entsprechend
vhom (t) = c exp(−
t
τcoll
).
(6.5)
76
6 Anhang
Die inhomogene Lösung lässt sich mit dem Ansatz der Variation der Konstanten ermitteln
(c → c(t)), entsprechend
t
c(t) exp −
(6.6)
τcoll
t
vinh (t) exp
(6.7)
τcoll
1
t
t
′
vinh (t) exp
+ vinh (t)
(6.8)
exp
τcoll
τcoll
τcoll
e
1
E0 exp (
− i ω)t
(6.9)
me
τcoll
e
E
1
me 0
exp (
− iω) t .
(6.10)
1
τcoll
− iω
τcoll
vinh (t) =
c(t) =
c′ (t) =
v ′ (t) aus Gl. (6.3) → c′ (t) =
⇒ c(t) =
Durch Einsetzen in (6.6) ergibt sich
e
E
me 0
1
vinh (t) =
τcoll
− iω
exp(−iωt).
(6.11)
Für die Energieabsorption ist lediglich der Realteil der Geschwindigkeit von Interesse, der
sich aus den Realteilen der Faktoren zusammensetzt entsprechend
⇒ Re(v(t)) = Re
|
e
E
me 0
·Re (exp(−iωt)) .
1
{z
}
|
−
iω
τ
{z }
B
A
(6.12)
Während Re(B) = cos (ωt) berechnet sich Re(A) durch Erweitern mit dem komplex
Konjugiertem:
Re(A) = Re
e
E
me 0
1
− iω
τ
Re(v(t)) =
·
1
τ
1
τ
+ iω
+ iω
e
E 1
me 0 τ
1
+ ω2
τ2
=
cos ωt
−e
E 1
me 0 τ
1
+ ω2
τ2
(6.13)
(6.14)
Die absorbierte Leistung bzw. die Energieabsorptionsrate berechnet sich aus dem Produkt
der Kraft F (t) = eE0 cos(ωt) und der Geschwindigkeit entsprechend
6.2 Tunnelzeit bei der Feldionisation
dE
dt
77
= Re(v(t)) · F (t)
=
e
E 1
me 0 τ
1
+ ω2
τ2
cos2 (ωt) · e E0
(6.15)
(6.16)
(6.17)
1 e2 E02
Mit Hilfe der Relation < cos (ωt) >= 1/2 ergibt sich durch Einsetzen von UP =
4 m ω2
die mittlere absorbierte Leistung zu
2
dE
dt
= 2 UP
τcoll ω 2
.
2
ω2 + 1
τcoll
(6.18)
6.2 Tunnelzeit bei der Feldionisation
Läuft die Dynamik der Elektronen im Atom auf deutlich kürzeren Zeitskalen ab als die
des Laserfeldes, kann das elektrische Feld während des Ionisationsprozesses als stationäres
Potenzial aufgefasst werden. Diese Situation ist in Abb. (6.1) dargestellt. Das Laserpotenzial deformiert das atomare Potenzial und führt zu einer Energiebarriere. Das gebundene
Elektron kann nun mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit durch diese Barriere tunneln.
Die Tunnellänge kann dabei folgendermaßen abgeschätzt werden: Bei maximaler Laserfeldstärke E0 bewirkt das Laserfeld eine Absenkung entsprechend (siehe Abb. 6.1)
Vlas = x · e E0 .
(6.19)
Die Tunnellänge dtunnel ist die Distanz x vom Ort des gebundenen Elektrons bis zum
Punkt bei dem EIP = Vlas , also das externe Potenzial des Lasers das Ionisationspotenzial
kompensiert. Damit ergibt sich für die Tunnellänge
dtunnel =
EIP
.
e E0
(6.20)
Durch das Laserfeld wird das Elektron gemäß F = e E0 beschleunigt. Die zurückgelegte
Strecke berechnet sich zu
x=
e E0 2
t,
2 me
(6.21)
so dass die Tunnelzeit ttunnel zusammen mit Gl. (6.20) zu folgendem Ausdruck führt:
78
6 Anhang
Abbildung 6.1: Schematische
Darstellung der Feldionisation. Das
Laserfeld kann als stationäres Potenzial aufgefasst werden, welches
sich mit dem Potenzial des Atoms
überlagert
und
Tunnelionisation
ermöglicht. Mit dem Ansatz, dass
die Tunnellänge dtunnel gerade den
Abstand x darstellt, bei dem sich
Laser- und Ionisationspotenzial kompensieren (siehe blaues Dreieck), kann
die Tunnelzeit ttunnel abgeschätzt
werden (siehe Text).
ttunnel =
s
2 me EIP
.
e2 E02
(6.22)
Der Prozess der Feldionisation ist an die Bedingung geknüpft, dass sich während des
Tunnelprozesses das Laserfeld nicht umkehrt, die Tunnelzeit also klein im Vergleich zur
Laserfrequenz ist. Diese Bedingung wird durch den Keldysh-Parameter ausgedrückt, entsprechend der Definition
γ = ω ttunnel .
(6.23)
6.3 Direkte Photoemission im Modell einer homogen
geladenen Kugel
Um einen analytischen Ausdruck für die Photoemission von Elektronen aus einem Cluster zu erhalten, sind verschiedene Näherungen nötig. Unter Annahme einer sphärischen
Geometrie wird der Cluster als eine Kugel mit einer kontinuierlichen Ladungsverteilung
behandelt. Der Radius R der Kugel kann mit der Clustergröße N durch den quadratisch
gemittelten Radius in Verbindung gesetzt werden, entsprechend
r v
u
n
5u
1 X 2
t
R=
|~r| .
3 N 0
(6.24)
Das elektrische Potenzial V (r) innerhalb einer Kugel mit Radius R und der eingeschlossenen Ladung Z berechnet sich zu
6.3 Direkte Photoemission im Modell einer homogen geladenen Kugel
V0
V (r) =
2
r2
3− 2
R
,
79
(6.25)
wobei V0 das Potenzial am Rand der Kugel darstellt, entsprechend
V0 = V (R) =
Ze 1
.
4 π ǫ0 R
(6.26)
6.3.1 Frustration direkter Photoemission
Im Folgenden wird der Übergang zwischen direkter Photoemission und frustrierter Photoemission näher untersucht. Hierbei wird das oben beschriebene analytische Modell verwendet, um eine kritische Laserintensität in Abhängigkeit der Clustergröße zu definieren,
ab der Frustrationseffekte auftreten. Direkte Photoemission in einem Cluster ist an die
Bedingung geknüpft, dass die Photonenenergie größer ist als die Austrittsarbeit WA des
Elektrons, wobei WA die Summe aus der atomaren Bindungsenergie und der potenziellen
Energie der übrigen geladenen Teilchen im Cluster darstellt.
~ω

 > WA
 <W
A
direkte Photoemission
(6.27)
frustrierte direkte Photoemission
Bei fester Photonenenergie ist die direkte Photoemission nun lediglich abhängig von der
Clusteraufladung und der Position des zu ionisierenden Atoms im Cluster.
Im Modell einer homogen geladenen Kugel ist die potenzielle Energie U (r) eines Elektrons
gemäß Gl. (6.25) im Clusterzentrum am größten und beträgt
Umax = U (0) = −1.5 ·
1 Z e2
4 π ǫ0 R
Die Ionisation des Clusters erfolgt über Ein-Photonen-Absorption. Bei einer Photonenenergie von ~ω = 38 eV und einem Ionisationspotenzial EIP = 15.76 eV der 3p-Schale
von Argon, ergibt sich für ein freigesetztes Elektron die finale kinetische Energie zu
Efin = 22.24eV
(6.28)
Sobald |Umax | ≥ Efin wird die direkte Photoemission teilweise frustriert. Der maximale
Ladungszustand Zmax bei dem keine Frustration auftritt ist demnach
Zmax =
Efin 4 π ǫ0 R
1.5 e2
(6.29)
80
6 Anhang
Die Anzahl der absorbierten Photonen lässt sich aus der Laserintensität, der Pulsbreite
und dem Absorptionsquerschnitt berechnen. In diesem Modell wird nur das 3p-Niveau
der Argon-Atome berücksichtigt mit einem Wirkungsquerschnitt von σ = 5.0 Mbarn. Die
Fluenz F des Laserpulses, also die pro Fläche eingestrahlte Energie, ergibt sich aus dem
zeitlichen Integral über der Laserintensität
F=
Z
∞
I(t) dt.
(6.30)
−∞
Für einen gaußförmigen Laserpuls berechnet sie sich näherungsweise zu
F = I · τFWHM · 1.065
(6.31)
da das Integral über eine Gaußfunktion mit der Halbwertsbreite τFWHM gerade 1.065-mal
so groß ist, wie die Fläche eines entsprechenden Rechteckpulses mit der Breite τFWHM und
der maximalen Intensität I.
Der Photonenfluss Φph berechnet sich nun zu
Φph =
F
~ω
Die Wahrscheinlichkeit P , dass ein Photon von einem Atom absorbiert wird, lässt sich
nun einfach anhand des gegebenen Wirkungsquerschnittes berechnen:
P = Φph · σ
Bei gegebenenen Laserparametern und bekannten Photoabsorptionsquerschnitten lässt
sich somit die durchschnittliche Anzahl freigesetzter Elektronen Ne berechnen:
Ne = N · P
=
1.0645 I τFWHM σ N
,
~ω
(6.32)
(6.33)
wobei N die Anzahl der Atome im Cluster darstellt. Damit erhält man folgende Bedingung
für das Einsetzen von Frustrationseffekten:
Ne > Zmax + 1 :
Ne < Zmax + 1 :
teilweise frustrierte Photoemission
direkte Photoemission
(6.34)
(6.35)
Das (Z + 1) ist der Tatsache geschuldet ist, dass in Gleichung (6.29) das Mutteratom des
jeweiligen Ionisationsschrittes zwar in Efin berücksichtigt ist, aber dessen Ladung noch zu
Z hinzugezählt werden muss.
6.3 Direkte Photoemission im Modell einer homogen geladenen Kugel
81
Die Schwellenintensität für einsetzende Frustration direkter Photoemission erhält man
nun durch Einsetzen von (6.32) und (6.29) in die Gleichung
Zmax + 1 = Ne
(6.36)
ǫ0 Efin R
( 4 π 1.5
+ 1) ~ω
e2
.
τ σ N 1.0645
(6.37)
und erhält
I=
In Abb. (6.2) ist diese Schwellenintensität in Abhängigkeit der Clustergröße N dargestellt.
Abbildung 6.2: Gleichung (6.37). Unterhalb der Schwelle führen primär alle Ionisationsvorgänge zur äußeren Ionisation. Erst oberhalb treten Frustrationseffekte auf und das
entstehende Elektronenplasma spielt zunehmend eine Rolle.
6.3.2 Multistep-Ionization - Analytische Lösung
Bei der Multistep-Ionization, repräsentiert durch die Monte-Carlo-Simulation, konnten
folgende Charakteristika bei den XUV-Spektren festgestellt werden:
• Plateauartiger Verlauf des Spektrums
• Anstieg des Spektrums im niederenergetischen Bereich.
82
6 Anhang
Mit Hilfe des Modells einer homogen geladenen Kugel kann für die Energieverteilung der
durch direkte Photoemission freigesetzten Elektronen ein analytischer Ausdruck gefunden
werden. So können die wesentlichen Mechanismen zur Plateau-Entstehung und zum Anstieg im niederenergetischen Bereich des Spektrums identifiziert werden, wie im Folgenden
beschrieben.
Der als homogen geladene Kugel aufgefasste Cluster wird dabei schrittweise ionisiert. Der
Betrag der potenziellen Energie U (r) eines Elektrons in Abhängigkeit von der Position
innerhalb der Kugel beträgt
U0
U (r) =
2
r2
3− 2
R
,
(6.38)
wobei U0 das Potenzial am Rand R der Kugel mit der Ladung Z e darstellt, entsprechend
U0 =
e2 Z
.
4 πǫ0 R
(6.39)
Für den ersten Ionisationsschritt (Z = 0 und U (r) = 0)ist die finale kinetische Energie
Efin des freigesetzten Elektrons scharf definiert entsprechend
0
Efin
= ~ω − EIP = 38 eV − 15.76 eV = 22.24 eV.
(6.40)
Die kinetischen Energien der folgenden emittierten Elektronen berechnen sich zu
0
Ekin = Efin
− U (r)
(6.41)
und liegen demnach im Intervall
0
0
Efin
− U0 , Efin
− 1.5U0 .
(6.42)
Für jeden Ladungszustand Z existiert so ein Energiefenster für die kinetische Energie
des freigesetzten Elektrons. Um den genauen Verlauf innerhalb des Intervalls zu berechnen, wird im Folgenden analytische eine Monte-Carlo-Simulation berechnet. Monte-CarloSimulationen basieren auf Zufallsgeneratoren, die meist gleichverteilte Zahlen x in einem
Intervall [0, 1] erzeugen. Die Verteilung von x kann durch eine Wahrscheinlichkeitsdichte
f (x) beschrieben werden. Die Wahrscheinlichkeit P für ein Ereignis x ∈ [a, b] beträgt
P (a < x < b) =
Z
b
f (x)dx
(6.43)
a
Bei Kenntnis der Wahrscheinlichkeitsdichte f(x) einer Zufallsvariablen x, kann daraus die
Dichte g(y) einer abgeleiteten Größe y = φ(x) mit dem Ansatz
dP = g(y)dy = f (x)dx
(6.44)
6.3 Direkte Photoemission im Modell einer homogen geladenen Kugel
83
berechnet werden. Es ergibt sich g(y) entsprechend
f (x)
g(y) =
d(φ(x))
dx
=
f (x)
φ′ (x)
(6.45)
Für das Modell der homogen geladenen Kugel kann nun eine analytische Lösung einer
Monte-Carlo-Simulation berechnet werden. Es wird angenommen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Ionisationsprozesses im Cluster für jedes Volumenelement gleich ist. Ausgangspunkt bildet somit die gleichverteilte Wahrscheinlichkeitsdichte des Kugelvolumens
V0 (siehe Abb. 6.3):


f (V ) =
1
V0
für V ≤ V0
(6.46)
 0 für V > V
0
Zu einem gegebenen Volumen kann nun der Abstand zum Mittelpunkt aus V = 4/3πr3
berechnet werden. Variablentransformation von V → r erfolgt gemäß (6.45)
r
3V
4π
−2/3 1
3
1 3V
′
=
⇒ r (V ) =
3 4π
4π
4 πr2
3
r(V ) =
und ergibt über die Relation g(r) =
dichte g(r) (siehe Abb. 6.3):
g(r) =


f (V )
r ′ (V )
(6.47)
(6.48)
gemäß Gl.(6.45) für die Wahrscheinlichkeits-
4 π r2
V0
für r ≤ R
(6.49)
 0 für r > R
In Abb. (6.3) ist g(r) grafisch abgebildet. Die potentielle Energie U (r) ist über Gl. (6.38)
bestimmt, so dass eine Variablentransformation von r → U folgende Wahrscheinlichkeitsdichte h(U ) ergibt (siehe Abb. 6.3):
h(U ) =



1 4 π R3
V0
U0
q
3−
0 sonst
2U
U0
für U0 ≤ U ≤ 1.5U0
(6.50)
84
6 Anhang
Abbildung 6.3: Wird die Position des Ionisationsprozesses innerhalb des Clusters zufällig
gewählt, so ist die Wahrscheinlichkeitsdichte über das Volumen konstant (linkes Bild).
Nach Variablentransformation von V → r auf den Abstand zum Kugelmittelpunkt, zeigt
sich, dass statistisch häufiger im äußeren Bereich ionisiert wird (mittleres Bild). Transformation auf die potenzielle Energie ergibt die Energieverteilung, wie im rechten Bild
gezeigt. Da der Ionisationsprozess zwangsläufig innerhalb des Clusters stattfindet, ergibt
die Integration über die Wahrscheinlichkeitsdichte immer eins.
Die kinetische Energie ergibt sich wiederum aus Gl. (6.41), so dass sich für die Wahrscheinlichkeitsdichte m(Ekin ) folgender Ausdruck ergibt
0
m(Ekin ) = m(U = Efin
− Ekin ).
(6.51)
Für jeden Ladungszustand Z des Clusters kann nun die Energieverteilung eines emittierten
Elektrons berechnet werden. Für eine Kugel mit dem Radius R = 5 Å ist die Energieverteilung in Abb. (6.4) dargestellt, in dem die Beiträge in Abhängigkeit des Ladungszustandes gut erkennbar sind. Zu beachten ist, dass die erste Ionisation des anfänglich
neutralen Clusters (Z = 0) nicht dargestellt ist, da es sich um einen Delta-Peak bei
Ekin = 38 eV − 15.76 eV handelt, der eine unendlich hohe Wahrscheinlichkeitsdichte
aufweist.
Das Photoelektronenspektrum ergibt sich aus der Summe aller Beiträge für jeden Ladungszustand. In Abb. (6.5) ist dieses Spektrum für einen Kugelradius von R = 30 Å
dargestellt. Die Simulation zeigt klar, dass die Überlagerung aller Beiträge zum Spektrum einen plateauartigen Verlauf ergibt und somit der Prozess der Multistep-Ionization
zu einem ebenen Verlauf im Spektrum führt, solange genügend Ionisationsprozesse im
Cluster stattfinden.
6.3 Direkte Photoemission im Modell einer homogen geladenen Kugel
85
Abbildung 6.4: Die
Verteilungen der kinetischen Energien der
Elektronen in Abhängigkeit des
Ladungszustand des Clusters wird
über Gl. (6.51) berechnet und sind
hier für eine Kugel mit dem Radius
R = 5 Å dargestellt. Mit steigendem
Ladungszustand verschieben sich
die Energiebeiträge zu niedrigeren
Energien und werden breiter.
Abbildung 6.5: Das Photoelektronenspektrum ergibt sich aus der
Summe aller Beiträge für jeden Ladungszustand und ist hier für einen
Kugelradius R = 30 Å dargestellt.
Es ist deutlich erkennbar, dass die
Überlagerung aller Beiträge einen
plateauartigen Verlauf ergibt. Bei
ausreichend hohen Ladungszustand
ist damit gezeigt, dass der Prozess
der Multistep-Ionisation zu einem
ebenen Verlauf des Spektrums führt.
Frustrierte direkte Photoemission
Auf den ersten Blick erscheint überraschend, dass in der Monte-Carlo-Simulation bei hohen Laserintensitäten ein Anstieg im niederenergetischen Bereich zu beobachten ist. Wie
bereits in Abschn.(4.1.1) beschrieben, ist dieser Effekt auf frustrierte direkte Photoemission zurückzuführen. In der Monte-Carlo-Simulation wird jeder Ionisationsprozess mit einer
negativen Kontinuumsenergie ignoriert. Dieser Effekt ist im bisher gezeigtem analytischen
Modell nicht enthalten, kann jedoch mit einer einfachen Überlegung berücksichtigt werden: Da die potenzielle Energie gemäß Gl. (6.38) im Zentrum am größten ist, entsteht ab
einem kritischen Ladungszustand Zkrit ein Grenzabstand rmin zum Mittelpunkt, so dass
Ekin

 < 0 für r < rmin
 > 0 für r > r
min
(6.52)
86
6 Anhang
Dieser kritische Radius rmin liegt vor, wenn U (r) = Ekont
U0
U (rmin ) =
2
2
rmin
3− 2 ,
R
(6.53)
2 Ekont
R
U0
(6.54)
so dass sich für rmin ergibt:
rmin =
r
3−
Die Berücksichtigung von vollständiger Frustration kann einfach vorgenommen werden, indem die Bedingung eingefügt wird, dass die Integration über die Wahrscheinlichkeitsdichte
gleich Eins ist für jeden möglichen Ionisationsprozess. Dies entspricht in der Monte-CarloSimulation der Situation, dass die Ionisationswahrscheinlichkeit so hoch ist, dass zu jedem
Ladungszustand Z ein Elektron freigesetzt wird, solange rmin < R. Bei Berücksichtigung
frustrierter direkter Photoemission ergibt sich die Wahrscheinlichkeitsdichte des Kugelvolumens zu:
f (V ) =


1
V0 −Vmin
 0
für Vmin ≤ V ≤ V0
(6.55)
sonst
Die Wahrscheinlichkeitsdichte f (U ) für die potenzielle Energie ergibt sich nun zu:
f (U ) =











1 4 π R3
V0
U0
1
V0 −Vmin
q
3 − 2UU0 für U0 ≤ U ≤ 1.5U0 ∨ rmin = 0
q
4 π R3
3 − 2UU0 für U0 ≤ U ≤ U (rmin ) ∨ rmin > 0
U0
(6.56)
0 sonst
Für denselben Kugelradius R = 5 Å wie in Abb. (6.4) ergeben sich die Verteilungen
der kinetischen Energie nun wie in Abb. (6.6) dargestellt. Für die Ladungszustände bei
denen rmin = 0, also keine negativen Kontinuumsenergien möglich sind, ist die Verteilung
unverändert. Energieverteilungen für Ladungszustände mit rmin > 0 zeigen aufgrund der
Bedingung, dass das Integral über die Wahrscheinlichkeitsdichte gleich Eins ist, nun eine
deutliche Erhöhung.
6.3 Direkte Photoemission im Modell einer homogen geladenen Kugel
87
Abbildung 6.6: Die
Verteilungen der kinetischen Energien der
Elektronen in Abhängigkeit vom
Ladungszustand des Clusters werden bei Berücksichtigung von
Frustrationseffekten aus Gl. (6.56)
berechnet und sind hier für eine
Kugel mit dem Radius R = 5 Å
dargestellt.
Energieverteilungen
für Ladungszustände mit rmin > 0
zeigen aufgrund der Bedingung,
dass das Integral über die Wahrscheinlichkeitsdichte gleich Eins ist,
nun eine deutliche Erhöhung.
Für den Kugelradius R = 30 Å, wie in Abb.(6.5), ist das Photoelektronenspektrum in Abb.
(6.7) gezeigt. Das analytische Modell zeigt nun ebenso wie die Monte-Carlo-Simulation
eine Erhöhung im niederenergetischen Bereich. Dieser Effekt konnte mit dem Kugelmodell
eindeutig auf die frustrierte direkte Photoemission zurückgeführt werden.
Abbildung 6.7: Das Photoelektronenspektrum, hier für die Clustergröße R = 30 Å, als Summe der Beiträge sämtlicher Ladungszustände
ergibt einen plateauartigen Verlauf
solange rmin = 0 und zeigt eine
deutliche Erhöhung sobald rmin >
0. Durch Vergleich mit der MonteCarlo-Simulation kann so eindeutig
gezeigt werden, dass die Erhöhung
im niederenergetischem Bereich auf
Frustration direkter Photoemission
zurückzuführen ist.
Literaturverzeichnis
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93
Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel verwendet habe.
Mathias Arbeiter
Rostock, den 18. Mai 2009
95
Danksagung
Zum Gelingen dieser Arbeit haben eine ganze Reihe von Menschen beigetragen. In Abschnitt (X1) sind die Personen im Zusammenhang mit dem fachlichen Inhalt dieser Arbeit
aufgeführt. Abschnitt (X2) widmet sich den Menschen, die sich vorrangig moralisch und
psychologisch positiv auf mein Wohlbefinden ausgewirkt haben. Während der Anfertigung
dieser Arbeit hat sich gezeigt, dass die Herausbildung eines stetig wachsenden Graubereichs zwischen (X1) und (X2) nicht zu vernachlässigen war, wobei diodengleich vorrangig
(eigentlich ausschließlich, sieht man davon ab, dass Mutti ein paar Rechtschreibfehler gefunden hat) eine Überlappung von (X1) nach (X2) erkennbar war.
X1. An dieser Stelle möchte ich mich zuerst bei meinem Betreuer Dr. Thomas Fennel
bedanken, der mich frühzeitig mit schicken Animationen (gemeint sind grafische Videos!)
von der Faszination numerischer Simulationen überzeugte und die Geduld aufbrachte mich
umfangreich in das Handwerk einzuarbeiten. Sein Know-how und seine ansteckende Begeisterung für nahezu alles Physikalische haben maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit
beigetragen. Bei Prof. Meiwes-Broer möchte ich mich dafür bedanken, dass ich diese Arbeit in seiner Arbeitsgruppe anfertigen und zusätzlich an vielen interessanten Konferenzen
teilnehmen konnte. Vielen Dank an Heiko Thomas, der mir die experimentellen Daten und
sein Fachwissen zur Verfügung stellte. Des Weiteren möchte ich Christian Peltz und Andreas Przystawik danken für die vielen interessanten, lustigen und nützlichen Diskussionen
im Büro.
X2. Ich möchte mich zudem bei der gesamten Arbeitsgruppe bedanken. Egal was kam,
auf Kuchen war immer Verlass. Weiterhin möchte ich mich bei meinen Eltern und Freunden für die Unterstützung und die fröhlichen Stunden bedanken. Ganz besonderer Dank
gilt meiner Frau Daniela, die immer für mich da ist. Großen Dank auch an meinen Sohn
Jan, der mich immer wieder mit seinem Lachen auf die wichtigen Dinge im Leben aufmerksam macht. Ohne dich wäre die Arbeit zwar früher fertig geworden, ich selbst aber
auch.
Und zu guter Letzt vielen Dank an die Danksagung, die es mir ermöglicht nach langer
Zeit endlich wieder einmal unwissenschaftlich zu schreiben.
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