Curriculum für PJ

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Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie
Martin-Luther-Universität Halle/S.
Prof. Dr. med. H. Dralle
Curriculum
für PJ-Studenten
Allgemeine Chirurgie
1.
Chirurgische Anamnese und Untersuchung
B. Irmscher.............................................................................................................................4
2.
Chirurgische Maßnahmen am Krankenbett
S. Kittel...................................................................................................................................5
3.
Wundbehandlung und chirurgische Infektiologie
B. Irmscher.............................................................................................................................7
5.
Aufklärung und Begutachtung
B. Irmscher...........................................................................................................................11
6.
Thromboseprophylaxe
E. John.................................................................................................................................13
7.
Chirurgische Onkologie
T. Sutter ...............................................................................................................................15
8.
Chirurgische Sonographie und Endoskopie
F. Mannes ............................................................................................................................17
9.
Gefäßchirurgische Diagnostik
J. Ukkat ................................................................................................................................20
10.
Chirurgische Intensivmedizin
M. Brauckhoff .......................................................................................................................22
Organ- und krankheitsbezogene Chirurgie
11.
Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
H. Dralle ...............................................................................................................................24
12.
Ösophagus
F. Mannes ............................................................................................................................27
13.
Magen und Duodenum
R. Rüdrich ............................................................................................................................29
14.
Pankreas (exokrin)
O. Gimm...............................................................................................................................31
15.
Gallenblase und Gallenwege
Th. Bönsch...........................................................................................................................33
16.
Leber
K. Lorenz..............................................................................................................................35
17.
Milz
K. Lorenz..............................................................................................................................37
18.
Dünndarm
F. Thermann ........................................................................................................................38
19.
Dickdarm, Anus
F. Thermann ........................................................................................................................40
20.
Neuroendokrine Tumoren des gastroenteropankreatischen Systems
O. Gimm...............................................................................................................................42
21.
Nebennieren, Paraganglien
H. Dralle ...............................................................................................................................44
22.
Hernien
B. Irmscher...........................................................................................................................47
23.
Akutes Abdomen, Peritonitis, Ileus
T. Sutter ...............................................................................................................................49
24.
Minimal-invasive Chirurgie
F. Mannes ............................................................................................................................52
25.
Carotis und supraaortale Gefäße
C. Erbe .................................................................................................................................54
26.
Aorta
M. Brauckhoff .......................................................................................................................56
27.
Becken- und Beinarterien
J. Ukkat ................................................................................................................................58
28.
Venen
E. John.................................................................................................................................60
29.
Minimal-invasive und endovaskuläre Gefäßchirurgie
M. Brauckhoff .......................................................................................................................62
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 4
1. Chirurgische Anamnese und Untersuchung
B. Irmscher
(E)
Das erste Gespräch zwischen Patient und Arzt dient dem Kennenlernen und der
Anamneseerhebung und ist entscheidend für die Vertrauensbildung. Eine freundliche
persönliche Vorstellung des Arztes zu Beginn erleichtert das nachfolgende Gespräch und
die Patientenuntersuchung. Das räumliche Ambiente muß die Intimsphäre des Patienten
wahren (Untersuchungszimmer, Bettschirm, Hinzuziehen einer Schwester bei Untersuchung weiblicher Patienten durch einen Arzt). Die Anamneseerhebung ist nicht an ärztliches Hilfspersonal übertragbar bzw. durch ausgeklügelte Fragebögen ersetzbar. Ihr
schließt sich die klinische Krankenuntersuchung an, die durch einfache apparative
Untersuchungen ergänzt wird.
(D)
Man beginnt am besten mit der Besprechung der jetzigen Beschwerden (Jetzige
Anamnese). Erst später wird die Anamnese durch Eigen- und Familienanamnese und
Fragen zu den vegetativen Funktionen komplettiert. Die gynäkologische Anamnese kann
differentialdiagnostisch wichtig sein. Besonderes Augenmerk verdienen die Medikamentenanamnese (Rückschlüsse auf Begleiterkrankungen, Unverträglichkeiten u. ä.) und
Fragen nach früheren operativen Eingriffen bzw. Krankenhausaufenthalten (Beiziehung
wichtiger früherer Krankenunterlagen). In Notfallsituationen beschränkt man sich auf das
absolut Notwendige. Bei bewusstlosen oder verwirrten Patienten müssen Angehörige,
Nahestehende oder vorbehandelnde Ärzte befragt werden. Während des Gespräches und
anschließender Untersuchung hat der Arzt die Möglichkeit, den Patienten in seiner
körperlichen und geistigen Vitalität einzuschätzen. Anamnesevordrucke erleichtern den
Gesprächsablauf und garantieren weitgehendste Vollständigkeit.
Außer im Akutfall, bei dem der Lokalbefund im Vordergrund steht, und durch eine
orientierende Untersuchung der wichtigsten Organsysteme (Herz, Lunge) ergänzt wird, ist
eine systematische klinische Krankenuntersuchung („von Kopf bis Fuß“) erforderlich.
Inspektion, Palpation, Perkussion und Auskultation der wichtigsten Organsysteme und die
Erhebung einfacher Messdaten (RR, Umfänge, Bewegungsausschläge) mit sofortiger
Befunddokumentation sind notwendig. Beobachtung von Hautveränderungen, Beurteilung
von Gerüchen (Foetor) und Ausscheidungen können diagnoseweisend sein. Die
Vermeidung körperlicher Schmerzen und die Beachtung des natürlichen Schamgefühls
genießen hohe Priorität. Klinische Leitsymptome (Schmerz, Temperatur, Erbrechen,
Diarrhoe, Ikterus u. a.) müssen bei der Anamnese und klinischen Untersuchung
aufmerksam registriert und analysiert werden. Die rektale Untersuchung liefert bei allen
Abdominalerkrankungen wichtige Informationen und ist somit unverzichtbar bei der
klinischen Erstuntersuchung derartiger Patienten.
Im Anschluß an Anamnese und klinische Krankenuntersuchung muß eine Verdachtsdiagnose unter Einbeziehung möglicher Differentialdiagnosen formuliert und fixiert und ein
Diagnostik- und Therapieplan entworfen werden. Anamneseerhebung und klinische
Untersuchung sind durch den behandelnden Arzt mit Angabe von Datum und Zeit in den
Krankenunterlagen zu dokumentieren.
(L)
Bailey H: Die chirurgische Krankenuntersuchung, in dt. Sprache hrsg. v. E. Rauchfuß, 8.
Aufl., Barth, Leipzig 1991
Hirner A u. M (Hrsg.): Chirurgie, Schnitt für Schnitt Thieme, Stuttgart, 2004, 12-17
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
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2. Chirurgische Maßnahmen am Krankenbett
S. Kittel
(E)
Zu den täglichen Routineverrichtungen am Krankenbett zählen neben Wundverbänden
(siehe Abschnitt 3) invasive Maßnahmen, wobei es sich dabei überwiegend um
Venenpunktionen zur Blutentnahme oder zur Infusionstherapie handelt. Grundlegend ist
darüberhinaus die Kenntnis der Punktionstechniken von zentralen Gefäßen, Pleura und
Bauchraum, wenngleich diese Maßnahmen im stationären Normalbetrieb weniger häufig
durchgeführt werden, als unter intensivmedizinischen Bedingungen.
Periphere Venenpunktion
Die periphere Venenpunktion erfolgt zur Blutentnahme, i.v.-Medikamentenapplikation sowie
zur Anlage von Verweilkanülen („Flexülen“). Als Punktionsorte stehen Handrücken,
Unterarm und Ellenbeuge zur Verfügung. Für Verweilkanülen sollte zur Schonung des nach
zentral abführenden Venensystems primär der distalste Zugang gewählt werden.
Punktionen der unteren Extremität sind wegen der erhöhten Thrombosegefahr dem
Ausnahmefall vorbehalten. Bei der Blutentnahme kann die zu schnelle Aspiration
Hämolysen erzeugen, zu lange Stauzeit verfälscht Gerinnungsparameter und Kaliumwert.
Bei schwierigen Venenverhältnissen kann die Punktion durch reichliches Auftragen von
Desinfektionsmittel und Beklopfen der Vene (Vasodilatation) erleichtert werden.
Zentrale Venenkatheter
Zentrale Venenkatheter (ZVK) sind für die Applikation von hochkalorischen Infusionslösungen (Glukosekonzentration > 5%), großen Volumengaben (unter intensivmedizinischen Bedingungen), absehbar langfristiger intravenöser Flüssigkeitssubstitution
und bei frustraner Anlage peripherer Verweilkanülen indiziert. Als Zugangswege stehen V.
subclavia (infraklavikulär und supraklavikulär, periphere Punktion über V. cubitalis), V.
jugularis interna und V. femoralis zur Verfügung. Die Anlage erfolgt unter sterilen
Bedingungen und in Kopftieflagerung zur Prävention einer Luftembolie. Nach Lokalanästhetika-Infiltration der Punktionsstelle und ggf. des Periosts wird der Katheter meist in
Seldinger-Technik installiert. Anschließend ist eine Thoraxaufnahme zur Lagekontrolle und
Pneumothorax-Ausschluß obligat.
Pleurapunktion
Die Pleurapunktion erfolgt zu diagnostischen Zwecken oder in Form einer therapeutischen
Punktion zu Entlastung bei Sero-, Hämato- und Pneumothorax. Bei Ergüssen wird die
Ausdehnung und Lokalisation mittels Sonografie ermittelt. Die Punktionsstelle befindet sich
in der hinteren Axillarlinie oder in der Scapularlinie am Oberrand der Rippe. Dabei sollte
wegen der Gefahr einer Verletzung von Leber und Milz nach kaudal maximal im 7.
Interkostalraum (ICR) punktiert werden. Bei Entnahme von mehr als 1 Liter Sekret besteht
die Gefahr eines interstitiellen Lungenödems infolge rascher Änderung intrapulmonaler
Druckverhältnisse. Die Entlastung des Pneumothorax erfolgt durch Anlage einer
Thoraxdrainage im 4./5. ICR in der vorderen Axillarlinie. Nachfolgend Anschluß einer
Saugdrainage (Wasserschloß mit 15-20 cm WS Unterdruck).
Aszitespunktion
Die Azitespunktion wird ebenfalls aus diagnostischen Aspekten oder zur Entlastung
(therapeutische Punktion) durchgeführt. Bei der Wahl des Punktionsorts sind die Schonung
der epigastrischen Gefäße und die Verletzungsgefahr intraabdomineller Organe zu
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
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beachten. Idealerweise wird am Übergang von lateralem zu mittlerem Drittel zwischen
Spina iliaca ant. sup. und Nabel bzw. in der Medianlinie zwischen Nabel und Symphyse
punktiert. Durch Ultraschallkontrolle sollte eine Verletzung von Darmschlingen ausgeschlossen werden. Bei Entlastung von mehr als 2,5 Litern besteht die Gefahr zu hoher
Proteinverluste, so daß gegebenfalls eine Albuminsubstitution zum Ausgleich erforderlich
ist.
(L)
Klinikleitfaden Chirurgie. München, Urban & Fischer, 2002
Schumpelick, V. (Hrsg.): Chirurgie. Stuttgart, Enke-Verlag, 1998
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 7
3. Wundbehandlung und chirurgische Infektiologie
B. Irmscher
(E)
Der Begriff Wunde (W.) umfaßt jegliche mit Zerstörung und Verlust einhergehende
Zusammenhangstrennung von Geweben. Ihre Einteilung kann nach morphologischen
(offene und geschlossene W.), ätiologischen (mechanische, chemische, thermische,
strahlungsbedingte W.) bzw. infektiologischen (aseptische, kontaminierte bzw. infizierte W.)
Kriterien erfolgen. Mit der Wundsetzung werden in charakteristischen Phasen (Exsudation,
Resorption, Proliferation, Reparation) ablaufende Reparationsvorgänge ausgelöst, denen
pathophysiologisch betrachtet, Entzündungsreaktionen zugrunde liegen und die im Regelfall zur Wundheilung (Primärheilung, Sekundärheilung, epitheliale Heilung) führen. Dieser
physiologische Ablauf kann durch allgemeine und / oder lokale Faktoren gestört werden
und es resultieren Wundheilungsstörungen in Form von Serom, Hämatom, Wundrandnekrose, Wunddehiszenz, Keloid bzw. Wundinfektionen (oberflächlich, tief, Organinfektion), deren Häufigkeit insbesondere von Kontaminationsgrad der Wunde (clean,
clean-contaminated, contaminated, dirty) bestimmt wird. Der Begriff „Chirurgische Infektion“
beinhaltet aber nicht nur die Infektion von postoperativen und traumatischen Wunden,
sondern auch eine Vielzahl von Infektionen der Haut und Weichteile (Furunkel, Abszeß,
Phlegmone, Erysipel, Fasziitis, spezifische Infektionen etc.), die man entweder nach ihrer
Morphologie, nach der Mikrobiologie oder, von besonders praktischen Belang, nach der
Dringlichkeit der chirurgischen Versorgung in leichte Infektion mit konservativer Behandlung, mittelschwere Infektion mit dringlicher chirurgischer Versorgung, schwere
lebensbedrohliche Infektion mit u. U. vitaler Indikation zur Operation, einteilt. In Kenntnis
der physiologischen Wundheilung von durchschnittlich 3 Wochen gilt jede Wunde, die trotz
ursachenbezogener Therapie und konsequenter lokaler Behandlung nach 4 Wochen keine
Heilungstendenz aufweist, als chronisch (Ulcus cruris venosum, arteriosum et diabeticum
sowie Dekubitalulkus). Nosokomiale Infektionen (synonym Hospitalinfektionen, Krankhaus
assoziierte Infektionen) sind Infektionen, die durch den Aufenthalt im Krankenhaus bzw. in
ambulanten Gesundheitseinrichtungen erworben werden. In chirurgischen Abteilungen liegt
ihre Inzidenz bei rund 7 %, wobei Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen, Infektionen der
Atemwege und Kathetersepsis dominieren.
(D)
Die Erkennung postoperativer Wundheilungsstörung einschl. der Wundinfektionen und
Infektionen der Haut und Weichteile ist eine Domäne klinischer Diagnostik. Die klassischen
Entzündungssymptome (rubor, dolor, calor, tumor und functio laesa) leiten zur frühzeitigen
Diagnosestellung. Allgemeine Entzündungszeichen, wie Fieber, Leukozytose und CRPErhöhung treten bei schwereren Formen auf. Die Sonografie kann zur Lokalisation von
Seromen, Wundhämatomen und tiefen Abszessen wichtige Hilfe leisten. Bildgebende
Verfahren wie Röntgenaufnahmen, CT, MRT, Duplexsonografie, Angiografie sind meist
entbehrlich und nur bei wenigen Indikationen (nekrotisierende Weichteilinfektion,
chronische Wunden) indiziert. Die bakteriologische Diagnostik (Erreger- und Resistenzbestimmung) ist bei allen chirurgischen Infektionen obligat und sollte vor Beginn einer evtl.
Antibiotikagabe erfolgen. Die Fotodokumentation der Wundsituation zu Behandlungsbeginn
mit Verlaufsdokumentation kann bei schweren Verletzungen, schlecht heilenden Problemwunden (chronische W.) und lebensbedrohlichen nekrotisierenden Weichteilinfektionen
neben Erfüllung der Dokumentationspflicht auch forensische Bedeutung erlangen.
(O)
(1) Bei den häufigen Gelegenheitswunden erfolgt die primäre Wundversorgung nach den
Kriterien von FRIEDRICH (1898): Säuberung, Wundrandausschneidung und Wundtoilette
(BERGMANN), lückenlose Wundrandadaptation (Naht) meist in Lokalanaesthesie,
Tetanusprophylaxe, Ruhigstellung. Veraltete (älter als 6 h), infizierte (Tier- und Menschen-
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
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bisse) oder stark verschmutzte Wunden werden gesäubert und offen behandelt bzw. einer
verzögerten Primärnaht oder Sekundärnaht zugeführt.
(2) Die Therapie der manifesten Wundinfektion besteht in der dringlichen Wundrevision
(Wunderöffnung, Debridement, Spülung, ggf. Einlage von Drainagen). Der Einsatz lokaler
Wundantiseptika kann kurzzeitig erfolgen. Bewährt haben sich das täglich mehrmalige Ausduschen der Wunde und eine frühzeitige Vakuumversiegelung. Systemische Antibiotikagaben sind nur bei ausgedehnten Infektionen bzw. immunsupprimierten Patienten
indiziert.
(3) Die Therapie der chirurgischen Haut- und Weichteilinfektionen folgt den Regeln der
septischen Chirurgie. Begrenzte Phlegmonen, Erysipel, Furunkel und bestimmte dermale
Staphylokokkeninfektionen werden konservativ (Ruhigstellung, lokale antiphlogistische
Maßnahmen, systemische Antibiotika) behandelt. Dagegen erfordern die mittelschweren
Infektionen (Panaritium, Phlegmone, Abszeß, Karbunkel u. a.) eine dringliche chirurgische
Therapie (Eröffnung, Drainage, Ruhigstellung ggf. Antibiotika) und die lebensbedrohlichen
Infektionen (nekrotisierende Fasziitis, Fourniersche Gangrän, Gasbrand u. a.) eine sofortige
radikale operative Behandlung, verbunden mit lebenserhaltenden intensivtherapeutischen
Maßnahmen sowie bestimmte adjuvante Therapieverfahren (z. B. hyperbare Oxygenation).
(4) Die Therapie chronischer Wunden erfolgt als Einheit lokal (Debridement, Wundspülung,
Infektionskontrolle, feuchte Wundbehandlung) und systemisch (Patientenberatung, Ernährungsberatung, Revaskularisation, medikamentöse Einstellung) und bedarf meist einer
diffizileren Ursachenforschung und ggf. Kausalbehandlung (gefäßchirurg. Maßnahmen,
Diabeteseinstellung u. a.).
(N)
Wegen der oft langen Behandlungsdauer schlecht heilender Problemwunden mit Wechsel
ambulanter und stationärer Phasen ist ein ungestörter Informationsfluß über die
Behandlungsstrategie wichtig und ein an den Wundheilungsphasen adaptiertes Behandlungsschema qualitätsentscheidend. Der Erstbehandler legt auch die Belastungsfähigkeit
entstandener Narben fest und informiert Patient und Nachbehandler.
(L)
Lippert H. (Hrsg.): Praxis der Chirurgie, Kap. 14, 15, 43, Thieme Verlag, Stuttgart, 1998
Tautenhahn J. u. M.: Wunde, Wundheilung, chronische Wunden, Teil 1 u. 2, Zbl. Chirurgie
2003; 128: W 2 – 7, W 10 – 13
Reith HB u. M.: Chirurgische Infektion, Zbl. Chirurgie 2003; 128: W 88 – 96
Wienecke H. u. M.: Nekrotisierende Weichteilinfektionen, Chirurg 2001; 72: 320 – 35
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4. Hygiene im OP, Hygiene auf Intensiv- und Normalstation
E. John
(E)
Seit der Entdeckung der Bedeutung von Antisepsis und Asepsis gilt die Vermeidung der
Übertragung von Krankheitserregern (Hygiene) als unabdingbare Vorraussetzung für die
chirurgische Therapie und ist weitestgehend gesetzlich geregelt. Trotz bislang erheblicher
Aufwendungen sind postoperative Infektionen eine bedeutsame Komplikation in der
Chirurgie. Die Inzidenz beträgt 15% und ist nach den Harnwegsinfekten und Lungenentzündungen die dritthäufigste nosokomiale Infektion in Deutschland. Die Genese ist
komplex und Hygienemaßnahmen können auch nur einen Teil dieser Infektionen
vermeiden.
Hygienische Verhältnisse auf Intensiv- und Normalstationen werden durch bauliche
Voraussetzungen, Ausstattung und persönliche Disziplin gewährleistet. Durch folgende
einfache Maßnahmen können nosokomiale Infektionen vermieden werden: kurze
präoperative Verweildauer (Reduktion einer pathologischen Kolonisation mit erhöhten
Infektionsrisisko), Verwendung von Handschuhen (Schutz vor pathologischer Kolonisation
des Arztes), entsprechende Desinfektion oder Einmalbenutzung von Geräten und
Verbrauchsmaterial (Endoskope, Verbandsinstrumentarien), kritische Überprüfung von
Kathetern (ZVK, Blasenkatheter, Verweilkanülen), Rasur erst kurz vor der OP (Infektionsvermeidung durch Kolonisation der Mikrotraumen), strikte Trennung von Patient
und Verbandswagen und Wischdesinfektion von Betten (Bettenaufbereitung) und Flächen.
Zudem muß ein korrekter Umgang mit Sterilgut im stationären Bereich gewährleistet sein.
Vor invasiven Maßnahmen (Blutentnahmen, Punktionen von Körperhöhlen) sind eine
entsprechende Desinfektion und steriles Vorgehen unabdingbar. Am wichtigsten und von
der Disziplin eines jeden abhängend ist die hygienische Händedesinfektion nach jedem (!)
Patientenkontakt.
(O)
Im Operationsaal sind die baulichen Gegebenheiten, die Personalstrukturen und der
gesamte Tagesablauf auf die Vermeidung von nosokomialen Infektionen abgestimmt. Ziel
ist es, die Anzahl der potentiellen Erreger im gesamten OP-Trakt möglichst gering zu
halten. Vor dem Betreten des OP wird die Bereichskleidung gewechselt, Mundschutz und
Haube angezogen. Der Patient wird über eine Schleuse in den OP gebracht. Es existiert
ein getrennter Einleitungs- und Ausleitungsraum auf der einen und ein Sterilflur auf der
anderen Seite. Der OP-Raum ist in einen sterilen (Instrumententisch, OP-Tisch) und einen
unsterilen Bereich (Anästhesie) gegliedert. Die Klimaanlage sorgt für einen vertikalen,
verwirbelungsfrei vom OP-Gebiet wegführenden Luftstrom. Vor der Operation wird das OPGebiet des Patienten weiträumig mit einer Desinfektionslösung (z.B. PVP-Jodlösung,
Alkohollösung) abgewaschen, danach alle übrigen Körperteile mit sterilen flüssigkeitsdichten Tüchern abgedeckt. Alle Beteiligten und die Instrumente müssen in unmittelbarer
Nähe zum OP-Gebiet und mit ausreichendem Abstand zum unsterilen Bereich platziert
werden. Operateure und
instrumentierende Schwestern führen vor der OP eine
chirurgische Händedesinfektion durch und tragen sterile Handschuhe und einen sterilen,
flüssigkeitsdichten OP-Mantel. Nur bei sichtbarer Verschmutzung der Nägel sollten diese
gebürstet werden. Jeder „unsterile“ Kontakt muß unverzüglich angezeigt werden. Im OPPlan sind septische Operationen (OP an infizierten Körperteilen) als letzte zu terminieren,
ebenso Patienten mit einer MRSA-Kolonisation (Methicillin-Resistenter-Staphyloccus
Aureus).
(L)
Centers for Disease Control and Prevention: Guidline for prevention fo surgical site
infection; Inf Contr Hosp Epidemiol 1999; 10:325-329
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
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Hauer T, Troidl H, Rüden H, Daschner F: Sinnvolle und nicht sinnvolle Hygienemaßnahmen
in der Chirurgie, Der Chirurg 2002; 73:375-379
Lippert H: Praxis der Chirurgie, Allgemein- und Viszeralchirurgie; Thieme-Verlag, Stuttgart
New York 1998
Schweins M, Holthausen U, Troidl H, Neugebauer E, Daschner F: Hygiene im chirurgischen
Alltag, Walter de Gruyter, Berlin - New York 1993
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
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5. Aufklärung und Begutachtung
B. Irmscher
Aufklärung
(E) Die Information des Patienten (Aufklärung) über die für ihn wesentlichen Faktoren der
Behandlung gehört zu den Grundpflichten (neben Behandlungs-, Dokumentations- und
Schweigepflicht) des Arztes (Berufsordnung für Ärzte). Jeder Eingriff in die Körperintegrität
(diagnostische Maßnahmen, medikamentöse Therapie, Operation) bedarf aufgrund des
Selbstbestimmungsrechts jedes Menschen (Grundgesetz Art. 1 u. 2) der Einwilligung des
willensfähigen Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters (Eltern, Vormund), der die für
seine Entscheidung wesentlichen Umstände kennt (also aufgeklärt ist). Jede medizinische
Behandlung ohne rechtzeitige Aufklärung und Einwilligung zählt als Körperverletzung und
wird strafrechtlich verfolgt. Die Beweislast für die Durchführung liegt beim Arzt. Neben
dieser Eingriffs- (Selbstbestimmungs-) Aufklärung besteht die Berufspflicht zur „Therapeutischen Aufklärung“ (Sicherungsaufklärung). Sie ist eine ärztlich geschuldete Behandlungsleistung in Form der Beratung. Sie soll den Therapieerfolg durch entsprechende
Patienten-Compliance gewährleisten. Mängel dieser Pflichten sind Behandlungsfehler, die
Beweislast liegt beim Patienten.
Inhalt der Eingriffsaufklärung sind die erhobenen medizinischen Befunde, die Diagnose und
die Prognose der Erkrankung ohne Behandlung, die Art und Bedeutung des geplanten
Eingriffs, die ernsthaft in Betracht kommenden Behandlungsalternativen, die Erfolgsaussichten des Eingriffs, seine sicheren oder möglichen nachteiligen Folgen und seine
Risiken (Diagnose-, Verlaufs- u. Risikoaufklärung). Im Rahmen der therapeutischen
(Sicherungs-) Aufklärung erteilt der Arzt Ratschläge, wie der Patient durch seine
Lebensführung den Genesungsprozeß unterstützen kann oder bestimmte Gesundheitsgefahren meiden soll (Befolgung ärztlicher Verordnung, Erkennung von Komplikationen, Medikamentennebenwirkungen, Diätvorschläge, Abraten von Genußmittelabusus,
Fragen der Verkehrstauglichkeit u. a.). Bei Ablehnung ärztlicher Behandlungsvorschläge ist
über daraus erwachsende Gefahren aufzuklären. Auch die Informationspflicht nachbehandelnder Ärzte gehört in diesen Aufgabenbereich.
Das Aufklärungsgespräch muß vom Arzt geführt werden und ist nicht an nichtärztliche
Mitarbeiter delegierbar. Bei Aufgabensplittung (Aufklärender und Operierender sind nicht
identisch) müssen klare Dienstanweisungen Aufklärungsdefizite verhindern. Die Aufklärung
muß zeitlich so terminiert werden, dass der Patient eine ausreichende Überlegungsfrist hat
(24-Stundengrenze, Ausnahme Notfalleingriffe oder kleinere ambulante Operationen).
Adressat der Aufklärung ist der einwilligungsfähige Patient. Für Kinder unter 14 Jahren,
Bewusstlose oder nicht willensfähige Volljährige gelten besondere Vorschriften (Aufklärung
der Eltern, bestellte Betreuer, Handeln nach „mutmaßlichen Willen“, „Geschäftsführung
ohne Auftrag“). Fremdsprachige Patienten müssen den Aufklärungsinhalt im wesentlichen
verstehen (hierzu Übersetzer beiziehen und dessen Personalien in Krankenunterlagen
vermerken). Besonderheiten ergeben sich bei der Aufklärung und Behandlung Angehöriger
bestimmter Religionsgruppen und deren Kinder (Zeugen Jehovas), Bewusstloser und
Suizidenten (vgl. hierzu Rechtssprechung).
Zeitpunkt und Inhalt der Aufklärung sind in den Krankenunterlagen zu dokumentieren.
Formblätter erleichtern die Aufklärung, ersetzen aber nicht das ärztliche Gespräch und
sollten durch handschriftliche Eintragungen (Skizzen, Zusätze, besondere Schwerpunkte)
präzisiert werden.
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 12
(L)
Lippert H u. M.: Aufklärung in: Praxis der Chirurgie, Thieme Stuttgart, 1998, 128 – 134
Ulsenheimer K: Die 10 Gebote der Risiko- (Eingriffs-) Aufklärung, MIC 2002; 11: 38 – 39
Winkler-Wilfurth A: Die rechtliche Bedeutung des Patientenwillens für den Arzt, Teil I: MIC
2003; 12: 247 – 251; Teil II: MIC 2004; 13: 41 – 43
Begutachtung
(E)
Mit seiner Approbation hat der Arzt das Recht zur Ausübung ärztlicher Tätigkeit. Hierzu
gehört auch die Tätigkeit als Gutachter. In dieser Funktion ist er sachverständiger Berater
der Träger der gesetzlichen Sozialversicherung, der Gerichte und der privaten Versicherungen. Gegenstand seiner Tätigkeit ist es, medizinische Sachverhalte in die rechtlichen Voraussetzungen des Sozialversicherungsrecht und des privaten Versicherungsrechts einzuordnen. Dies erfordert sowohl profunde Kenntnisse des medizinischen Sachverhaltes als auch der jeweiligen Rechtsgrundlage und deren Begriffe
(Sozialversicherungs-, Zivil-, Strafrecht).
Das ärztliche Urteil über das Vorliegen von Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit, von
Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, die Erkennung und sozialrechtliche Wertung
beruflich entstandener Unfälle oder Krankheiten, die Feststellung einer Behinderung, eines
Rentenanspruches und die Beurteilung einer Rentenberechtigung sind Gegenstand
sozialrechtlicher Begutachtungen für die Versicherungsträger. Im Auftrag von
Schlichtungsstellen, Zivilgerichten, Haftpflichtversicherern, Patientenanwälten sowie der
Staatsanwaltschaft kann der Arzt als Sachverständiger zur Erstellung eines Gutachtens in
Arzthaftungssachen herangezogen werden.
Jegliche gutachterliche Äußerungen in Form ärztlicher Atteste, Formulargutachten oder
sogenannter freier Gutachten müssen in ihrer Aussage objektiv wahrhaftig und richtig sein.
Vom Gutachter sind fachliche Kompetenz, Unbefangenheit, Unabhängigkeit, Unvoreingenommenheit und Neutralität zu fordern. Die schnelle (termingerechte) Erledigung
eines Gutachtenauftrages sollte selbstverständlich sein. In der Regel hat der ärztliche
Gutachter auf Grundlage allgemein geltender gesicherter medizinischer Erkenntnisse
Fragen nach Ursachen und Zusammenhängen, von Krankheitszuständen oder
Krankheitsfolgen und ihrer sozialmedizinischen Bedeutung zu beantworten. Das
medizinische Sachverständigengutachten muß in der Regel drei Aufgaben erfüllen:
(1) Klärung des medizinischen Sachverhaltes (lt. Aktenlage)
(2) Bewertung des in Vorwurf geratenen ärztlichen Handelns (Fehler ja/nein aus der Sicht
ex post; Vermeidbarkeit des Fehlers aus der Sicht ex ante
(3) Falls ein schuldhafter Fehler festgestellt wird, so ist die Beurteilung der Kausalität
notwendig (Fehler verursachte gesundheitlichen Schaden). Der Gutachter ist immer nur
sachverständiger Ratgeber, niemals Entscheidungsinstanz.
Ärztliche Gutachten genießen den Schutz des Urheberrechtsgesetzes (UrhG v.
09.09.1965). Sie dürfen deshalb nur für den Zweck verwendet werden, für den sie erstellt
worden sind. Ihre Weitergabe bedarf der Zustimmung des ärztlichen Gutachters, des
Begutachteten und des Auftraggebers des Gutachtens. Der Gutachter erhält für diese
Tätigkeit eine Vergütung (Honorarvereinbarung zwischen Versicherungsträger und
ärztlicher Berufsorganisation bzw. Gesetz zur Entschädigung von Zeugen und
Sachverständigen).
(L)
Fritze E u. M. (Hrsg.): Die ärztliche Begutachtung, 6. Auflage, Steinkopff, Darmstadt, 2001
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6. Thromboseprophylaxe
E. John
(E)
Thrombose bezeichnet eine intravitale, intravasale, lokalisierte Gerinnung von
Blutbestandteilen. Entsprechend den von Robert Virchow schon 1847 formulierten
thrombogenen Faktoren Blutstromveränderung, Änderung der Blutzusammensetzung und
Endothelalteration (sog. Virchow’sche Trias) gehen Operationen naturgemäß mit einem
erhöhten Thrombose- und konsekutivem Embolierisiko einher. Ohne medikamentöse und
physikalische Prophylaxe beträgt die postoperative Thromboserate zwischen 20%
(Allgemeinchirurgie) und 50% (Hüftchirurgie). Blutstromverlangsamungen im Sinne
Virchows sind Immobilisation durch Gips, lange Operationsdauer, Lagerung mit Abknicken
von Extremitäten und unzureichende postoperative Mobilisation. Endothelveränderungen
können durch direkte Verletzung der Gefäße, hohes Alter oder abgelaufene Thrombosen
mit unvollständiger Rekanalisierung auftreten. Hohes Alter, Dehydratationszustände,
Sepsis, maligne Tumoren, Therapie mit Östrogenen oder Ovulationshemmern wiederum
stellen durch Änderung der Blutzusammensetzung ein erhöhtes Thromboserisiko dar. Eine
wichtige Gruppe von Risikofaktoren bilden zudem hereditär bedingte Veränderungen des
Gerinnungssystems: mit absteigender Häufigkeit APC-Resistenz (Resistenz gegenüber
aktiviertem Protein C, sog. Faktor-V-Leiden, 35% aller Thrombosepatienten!), ProthrombinDimorphismus (ca. 10% aller Thrombosepatienten) und Protein C-, bzw. S-Mangel. Das
Thromboserisiko bei homozygotem Faktor-V-Leiden in Kombination einer oralen
Kontrazeption ist >200fach höher als ohne diese Risiken. Komplikationen einer tiefen
Venenthrombose (TVT) sind die Lungenembolie, das postthrombotische Syndrom und das
Thromboserezidiv.
Um eine optimale nebenwirkungsarme Thromboseprophylaxe durchführen zu können
werden die Risiken in Kategorien zusammengefasst. Ein niedriges Risiko ist bei einer
unkomplizierten Operation eines Patienten <40 Jahren, geringer Operationsdauer und ohne
zusätzliche Risikofaktoren gegeben. Hier liegt die Rate der distalen tiefen Venenthrombose
(TVT) bei <10%. Ein mittleres Risiko ergibt sich bei längerer Operationsdauer oder
höherem Lebensalter. Die Faktoren hohes Alter, abgelaufene TVT, größere v.a.
orthopädische Eingriffe und Bauchchirurgie bei Karzinomen werden unter der Kategorie
hohes Risiko subsummiert.
(D)
Die Diagnose einer TVT beruht im wesentlichen auf der apparativen Untersuchung mit der
Farbduplex-Sonographie und der aszendierenden Phlebographie. Thrombosen im
zentralen Stromgebiet, z.B. Beckenvenen, V. cava oder Lungenarterien erfordern eine
Angio-CT, bzw. eine MRT. Da allein klinisch nur 50% aller TVT erkannt werden können,
muß auch der geringste anamnestische oder klinische Anhalt zu einer weiteren Diagnostik
führen. Hinweisend, aber mit einer geringen Spezifität und daher alleinig nie beweisend ist
eine Erhöhung der Fibrinspaltprodukte (FSP=D-Dimere) im Blut.
(P)
Angriffspunkte der Prophylaxe sind entsprechend der Virchow’schen Trias die Stase sowie
die Hyperkoagulabilität des Blutes. Die Thromboseprophylaxe wird physikalisch und
medikamentös durchgeführt. Obligat sind bei allen Patienten (außer bei arterieller
Verschlusskrankheit) das Tragen von Antithrombosestrümpfen, die schnelle postoperative
Mobilisation und aktive Krankengymnastik. Die medikamentöse Prophylaxe wird mit
unfraktioniertem (UFH) oder niedermolekularem Heparin (NMH) durchgeführt. Standard ist
die Gabe von NMH, welche eine längere Halbwertszeit und geringe Rate an
unerwünschten Wirkungen (HIT=Heparininduzierte Thrombozytopenie, Osteoporose bei
Langzeitanwendung) aufweisen. Im Falle einer Unverträglichekeitsreaktion oder HIT kann
auf die alternativen Medikamente Danaparoid (Orgaran) oder Fondaparinux (Arixtra)
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 14
gewechselt werden. Fondaparinux hat sich zudem in der elektiven (Hüft- und
Kniegelenkersatz) und nicht elektiven (Hüftfraktur) Hochrisikochirurgie in klinischen Studien
gegenüber niedermolekularem Heparin als überlegen herausgestellt. Orale Antikoagulantien (Phenprocoumon: Marcumar/Falithrom) haben aufgrund ihrer langen Halbwertszeit einen Platz in der Langzeitprophylaxe (abgelaufene TVT).
(L)
Interdisziplinäre Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften (AWMF-Leitlinien-Register, Nr. 003/00): Stationäre und ambulante
Thromboembolie-Prophylaxe in der Chirurgie und der perioperativen Medizin, AWMF, letzte
Aktualisierung 2003
Diehm C, Stammler F, Amendt K: Die tiefe Venenthrombose, Dtsch. Ärzteblatt 1997; A9:
301-311
Hach-Wunderle W, Hach W: Die Bedeutung der APC-Resistenz für die elektive Chirurgie,
Gefäßchirurgie 1998; 3: 180-186
Herold G: Innere Medizin, Eigenverlag, Köln 2004
Pichlmeyer R, Löhlein D: Chirurgische Therapie, Springer, Berlin 1991
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 15
7. Chirurgische Onkologie
T. Sutter
(E) Das Mehrstufenkonzept der Karzinogenese, welches mit einer Aktivierung von Onkogenen
bzw. Inaktivierung von Suppressorgenen und mit einer zunehmenden genomischen
Instabilität einhergeht, korreliert klinisch mit dem Übergang von hyperproliferativen
Epithelien (z. B. aberrante Kolonkrypten) in präkranzeröse Läsionen (Kolonadenome,
Dysplasien bei Colitis ulcerosa, Barrett-Ösophagus), gefolgt von einem klinisch manifesten
Malignom, welches sich in der Frühphase durch lokal infiltratives Wachstum und später
durch lymphogene und/oder hämatogene Metastasierung auszeichnet. Neben einer
sequentiellen Metastasierung in das zugehörige Lymphabflussgebiet erfolgt die
hämatogene Metastasierung des Primärtumors über die Vena cava (Hypernephrom) oder
über die Pfortader (kolorektales Karzinom). Eine kurative Therapie solider Tumoren ist nur
durch eine radikale Resektion möglich. Die radikal chirurgische Therapie kann durch ein
multimodales Therapiekonzept unterstützt werden, indem präoperativ (neoadjuvant) oder
postoperativ (adjuvant) die Operation mit einer Strahlen- bzw. Chemotherapie kombiniert
wird. Bei lokaler (z. B. Gefäßinfiltration) oder allgemeiner (kardiopulmonales Risiko)
Inoperabilität dienen palliativ chirurgische (z. B. Umgehungsanastomose) und/oder
interventionelle (z. B. Stentimplantation) Verfahren der Verbesserung der Lebensqualität.
(D)
Leitsymptome sind lokale Verdrängungs- und Infiltrationssymptome (z. B. Schluckstörungen
bei Ösophagus-Karzinom, Blut im Stuhl bei kolorektalem Karzinom oder
Hormonüberfunktionssymptome bei endokrin aktiven Malignomen) und Allgemeinsymptome
wie Leistungsminderung und/oder Gewichtsabnahme. Die Erhöhung Tumorzell-assoziierter
Antigene (CEA, CA19-9) ist hinweisend auf ein Malignom. Zytologische (Feinnadelpunktion)
und histologische (Stanzbiopsie, Probeexzision) Befunde sichern die Diagnose. Das
prätherapeutische Staging erfolgt radiologisch (Thoraxaufnahme, CT, MRT, MR Angio,
MRCP), nuklearmedizinisch (Szintigraphie, Skelettszintigraphie, Positronenemissionstomographie) und/oder sonographisch (perkutane oder endoluminale Sonographie).
(O)
Die radikale onkologische Operation unter kurativer Intention umfasst die vollständige,
möglichst atraumatische (no touch isolation) Resektion des Primärtumors, ggf. mit
Resektion infiltrierter Nachbarorgane (en-bloc-Resektion) unter Einschluß des
Lymphabflussgebietes (lokale R0-Resektion). Eine intraoperative Tumoreröffnung ist
ebenso wie die mikroskopisch nicht radikale Resektion zu vermeiden (R1-Situation).
Palliative Maßnahmen sind die makroskopisch unvollständige Entfernung des Primärtumors
(Debulking, lokale R2-Resektion) sowie vollständige Primärtumorresektionen bei
vorhandener Fernmetastasierung (R2-Situation). Eine Mikrodissektionstechnik (Lupenbrille)
führt zur Minimierung des intraoperativen Blutverlusts. Sowohl Eigen- als auch
Fremdbluttransfusionen erhöhen das Rezidivrisiko. Alternativ zu offenen Verfahren werden
laparoskopische Resektionen bei einigen Karzinomen und Tumorstadien (kolorektales
Karzinom)
mit
ausreichender
Sicherheit
und
unter
Vermeidung
von
Implantationsmetastasen (Portsitemetastasen) durchgeführt.
(N)
Die Nachsorge erfolgt Risiko- bzw. Stadien– adaptiert unter sorgfältiger
Anamneseerhebung und klinischer Untersuchung. Eine weiterführende Diagnostik ist nur
sinnvoll, wenn weitere Therapieoptionen bestehen. Nach palliativer Therapie (R1- oder R2Resektion) ist eine schematische Nachsorge nicht indiziert. Bei familienanamnestischem
oder klinischem Hinweis auf Tumor-Heredität (multiple Tumoren, MEN-Syndrom, HNPCCSyndrom, familiäre Polyposis coli) wird eine Genanalyse des Indexpatienten und der
Familienangehörigen durchgeführt.
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 16
(L)
Becker HD, Hohenberger W, Junginger T, Schlag PM (Hrsg.): Chirurgische Onkologie,
Thieme, Stuttgart, 2001
Informationszentrum für Standards in der Onkologie: Diagnostik und Therapie maligner
Erkrankungen, Kurzgefasste Interdisziplinäre Leitlinien, Zuckschwerdt, München, 2002
Schmoll HJ, Höffken K, Possinger K (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie,
Standards in Diagnostik und Therapie, Teil 2, Springer, Berlin, 1999
Siewert RJ, Harder F, Rothmund M (Hrsg.): Praxis der Viszeralchirurgie, Onkologische
Chirurgie, Springer, Berlin, 2002
Wittekind C, Meyer HJ, Bootz F, TNM Klassifikation maligner Tumoren, Springer, Berlin,
2002
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 17
8. Chirurgische Sonographie und Endoskopie
F. Mannes
Sonographie
(E)
Die chirurgische Sonographie ist als ökonomische, primär nicht invasive, beliebig oft
reproduzierbare, jederzeit verfügbare und nicht strahlenbelastende Untersuchung wichtiges
bildgebendes Verfahren für prä-, intra- und postoperativer Diagnostik, Therapieplanung und
Überwachung. Sie beruht auf gewebespezifischer akustischen Impedanz und
Schallreflexion. Eindringtiefe und Auflösung sind von der verwendeten Frequenz (3,5-12
MHz), Genauigkeit von Untersuchungsbedingungen und Erfahrung des Untersuchers
abhängig. Sie setzt die Kenntnis normaler (Sonoanatomie) und pathologischer
(Sonopathologie) Befunde sowie möglicher Sonoartefakte (Schallschatten, Reverberation,
Schallverstärkung, Spiegelartefakte, Streuecho, Schichtdicken- und Beugungsphänomen)
voraus.
(D)
In der Notfalldiagnostik stumpfer Bauchtraumen wird die Untersuchung auf den schnellen
Nachweis/Ausschluß freier Flüssigkeit in den „regions of interest“ (Morrison-, Koller-Pouch,
Douglas-Raum, Sinus phrenicocostales) abgekürzt. Beim akuten Abdomen (Appendizitis,
Cholezystitis,
Sigmadivertikulitis,
Ileus,
Ureterkonkrement
Aortenaneurysma,
Extrauteringravidität etc.) ist die spezifische Sonomorphologie (Flüssigkeitssaum,
Pendelperistaltik, Wandverdickung, Schichtungsphänomene, Kokarden) oft wegweisend.
Elektive Unteruchungen erfolgen unter optimalen Bedingungen [nüchterner Patient,
Mitarbeit (Umlagerung, Bauchpresse, Atemstillstand) möglich], als individuell
systematisierter und standardisierter Untersuchungsgang zunächst in Rückenlage durch
longitudinale, transversale, interkostale, subcostale und ergänzende Schnitte. Neben der
Beurteilung von Echostruktur, Größe und Form parenchymatöser Organe (Schilddrüse,
Leber, Pankreas, Milz, Nieren) werden fokale Läsionen (Metastasen, Lymphknotenvergrößerungen) sekretaufnehmende und ableitende Systeme (Gallenblase, Gallenwege, Ductus pankreaticus, Nierenbecken, Ureteren, Harnblase) und Durchblutungsverhältnisse beurteilt. Im intensivmedizinischen Monitoring dient die Sonographie der
Abklärung (früh)postoperativer Komplikationen (Nachblutungsverdacht, (Pleura)erguß,
Focussuche, Hyperbilirubinämie, Streßcholecystitis, Organperfusion) und zur Durchführung
einer Reihe interventioneller Maßnahmen (perkutane Drainagen, Zystostomie,
Venenverweilkatheter). Bei der postoperativen Nachsorge ist die Ultraschalluntersuchung
Screening-Instrument zur Erfassung neu aufgetretener Metastasen oder Tumorrezidive und
der Verlaufskontrolle bekannter Läsionen.
Haupteinsatzgebiete der intraoperativen Sonographie (IOUS) einschließlich der
Laparosonographie (LUS) sind Tumorstaging und Lokalisationsdiagnostik zur Bestimmung
von Resektabilität und Resektionsausmaß vor allem in der Leber- und Pankreaschirurgie.
Durch interventionelle Sonographie ist es möglich, perkutan Flüssigkeitsansammlungen
(Abszesse, Ergüsse) in Thorax und Abdomen zu drainieren, so dass chirurgische
Interventionen oft vermieden werden können. Sie gestattet darüber hinaus perkutane
Biopsien, Nephrostomien, Gallengangsdrainagen und ermöglicht minimal-invasive, lokal
ablative Therapie von Lebermetastasen (Radiofrequenzablation, RFA). Die Kombination
von B-Bild und Doppler-Sonographie ermöglicht es, Blutgefäße funktionell in Bezug auf
ihren Blutfluß zu beurteilen (Duplexsonographie, Farbdopplersonographie). Ebenso wie an
peripheren und hirnversorgenden Arterien können intraabdominell die Aorta und ihre
Abgänge (Aneurysmen, Thromben, Stenosen), bei Patienten mit Leberzirrhose, nach
Leberresektionen und Transplantationen die Durchblutung von Pfortader und Arteria
hepatica dargestellt und hämodynamisch beurteilt werden. Endoluminale Sonographie
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 18
(EUS) ermöglicht die Darstellung der Wandschichten des Gastrointestinaltraktes und damit
die Bestimmung der Infiltrationstiefe von Tumoren (T-Kategorie) vor allem im Ösophagus
und Rektum, aber auch die Beurteilung des Pankreas nach Auffüllung des Magens mit
Wasser (Ankoppelung) durch Kombination von Endoskopie und Sonographie. Miniaturisierte, über den endoskopischen Arbeitskanal führbare Sonden erlauben die Beurteilung
auch bei lumenobstruierenden Prozessen.
(N)
Die Sonographie ist ein primär nebenwirkungs- und komplikationsfreies Verfahren.
Mögliche Probleme ergeben sich aus den Kombinationen mit endoskopischen und
interventionellen Verfahren (Pneumothorax, Blutung nach Fehlpunktionen, Perforationen im
Rahmen der EUS).
(L)
Lippert H (Hrsg.): Praxis der Chirurgie, Thieme, Stuttgart 1998, 29 - 37
Siwert JR, Harder F, Rothmund M (Hrsg.): Praxis der Viszeralchirurgie, Bd. Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin 2002, 3 - 19
Chirurgische Endoskopie
(E)
Mit starren und flexiblen, durch die natürlichen Öffnungen oder perkutan in den Körper
eingebrachten Endoskopen werden innerer Körperflächen sowohl in diagnostischer als
auch therapeutischer Intention betrachtet. Endoskopische Untersuchungen sind der
radiologischen Diagnostik überlegen, da sie direkte Inspektionen pathologischer Prozesse
mit der Möglichkeit zur Biopsie und der therapeutischen Intervention erlauben und erfolgen
am oberen Gastrointestinaltrakt (oGIT) durch Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD), am
unteren Gastrointestinaltrakt (uGIT) durch Koloskopie, Rektoskopie, Proktoskopie am
Tracheobronchialsystem durch Bronchoskopie. Als kombiniert endoskopisch-radiologisches
Verfahren ermöglicht die endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP)
Darstellungen und Interventionen des biliopankreatischen Systems.
(D)
Unter chirurgischen Gesichtspunkten sind prä-, intra- und postoperative Endoskopie zu
unterscheiden. Die präoperative, meist diagnostische Endoskopie trägt durch Lokalisation,
makroskopische Beurteilung und histologische Sicherung entscheidend zur Therapieplanung bei. Durch erweiterte Verfahren (Chromo-, Zoom- Floureszenzendoskopie) werden
Strukturen sichtbar, die der einfachen optischen Betrachtung entgehen können (Dysplasien
im Barrett-Ösophagus, flache Kolonadenome, Frühkarzinome), so daß ihre unmittelbare,
gezielte Biopsie und histologische Sicherung möglich wird. Besondere Bedeutung in der
präoperativen Situation haben Notfallendoskopien, deren Ziel es ist, eine prognostisch
ungünstigere Notfalloperation zu ersetzen, zu vermeiden oder einen Elektiveingriff zu
ermöglichen. Domäne der endoskopischen Notfalldiagnostik und -therapie ist die (obere)
gastrointestinale Blutung aus peptischen Ulcerationen (Forrest I - III), Ösophagus- und
Fundusvarizen, Angiodysplasien, Anastomosen und Tumoren. Für endoskopische
Blutstillungen existiert eine Vielzahl verschiedener Methoden (Clip, Gummibandligatur, HFKoagulation, Sklerosierung, Embolisation, Adrenalin- und Fibrininjektion).
(O)
Intraoperative endoskopische Untersuchungen können zur Identifizierung nicht sicht- und
tastbarer pathologischer Befunde (Blutungsquellen, Angiodysplasien, kleine Tumoren)
eingesetzt werden, ermöglichen vor allem bei laparoskopisch-endoskopischen
Rendezvouseingriffen eine Limitierung des erforderlichen Resektionsausmaßes und
erlauben eine unmittelbare Kontrolle gastrointestinaler Anastomosen. Der Stellenwert der
postoperativen Endoskopie liegt in der Diagnose und Therapie von Früh- und
Spätkomplikationen (Blutungen, Anastomoseninsuffizienzen, Fisteln, Stenosen) und der
Überwachung bestimmter Risikoerkrankungen [familiäre adenomatöse Polyposis(FAP)].
Bronchoskopische Interventionen [gezielte Bronchialtoilette, percutane Punktionstracheotomie (Ciaglia), translaryngeale Dilatationstracheotomie (Fantoni)] gehören zu den
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 19
grundlegenden Techniken der chirurgischen Intensivtherapie ebenso wie endoskopische
Anastomosenkontrollen, Diagnose und Behandlung von Streß- und Sondenläsionen, die
Differentialdiagnostik einer Kolitis (pseudomembranös, ischämisch), endoskopisch geführte
Sondenplazierungen für die enterale Ernährung (percutane endoskopische Gastrostomie,
PEG oder Dekompressionstherapie. Die endoskopische Behandlung benigner und maligner
gastrointestinaler (Anastomosen-Stenosen erfolgt durch dilatative (Bougierung, hydraulische/pneumatische Ballondilatation), ablative [HF-Chirurgie, Laser, Argonplasmakoagulation (APC)] und prothetische (selbstexpandierende Metallstents), häufig miteinander kombinierte Verfahren, die vor allem auch in der palliativen Tumortherapie einen
hohen Stellenwert besitzen. Postoperative Anastomoseninsuffizienzen und Fisteln können
durch endoskopische Verfahren frühzeitiger und sicherer als mit konventionellen
radiologischen Methoden diagnostiziert und unmittelbar den erforderlichen Maßnahmen der
septischen Chirurgie (Debridement, Spülung, Drainage) zugeführt, durch ummantelte
(gecoverte) Metall- oder Kunststoffstents geschient und überbrückt oder endoskopische
Fibrinklebung behandelt werden.
(N)
Wie alle chirurgischen Eingriffe erfordern auch endoskopische eine sorgfältige Vorbereitung
des Patienten (Aufklärung, Einwilligung, Nüchternheit, Darmreinigung, Gerinnungssituation). Die meisten endoskopischen Eingriffe können ambulant, ohne Allgemeinnarkose,
häufig in leichter Sedierung durchgeführt werden. Mindestens durch Pulsoxymetrie sollte
ein Monitoring erfolgen. Intra- und postendoskopisch zu beachtende relevante Komplikationen sind Blutungen und Perforationen vor allem im Rahmen interventionell-endoskopischer Verfahren.
(L)
Grund KE, Lange V, Stellenwert der flexiblen Endoskopie in der Chirurgie Teil I, Chirurg
2000; 71: 1179 - 1190
Grund KE, Lange V, Stellenwert der flexiblen Endoskopie in der Chirurgie Teil II, Chirurg
2000; 71: 1307 - 1326
Lippert H (Hrsg.): Praxis der Chirurgie, Thieme, Stuttgart 1998, 38 - 70
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 20
9. Gefäßchirurgische Diagnostik
J. Ukkat
(E)
Die gefäßchirurgische Diagnostik setzt eine genaue Anamneseerhebung voraus, welche
die Frage nach Beginn und Dauer der Erkrankung, Feststellung von
Temperaturunterschieden zwischen den Armen oder Beinen und des Colorits, die
Belastungsabhängigkeit von Schmerzen, die Belastungsdauer bis zum Auftreten von
Schmerzen und in jedem Fall den Pulsstatus klären muss. Die anamnestischen Angaben
der Patientin sind in erster Linie richtungsweisend in Bezug auf den Zeitpunkt des akuten
oder chronischen Ereignisses oder die subjektiven Beschreibungen. Dazu zählen
Schmerzangaben, Gefühlsstörungen, Ermüdung von Muskeln, Zeitintervalle bis zum
Auftreten solcher Symptome. Die Einteilung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
(PAVK) nach Fontaine beruht auf der Feststellung der schmerzfreien Gehstrecke und
unterscheidet fünf Stadien:
Stadium I
Stadium II a
Stadium II b
Stadium III
Stadium IV
asymptomatische Erkrankung
Claudicatio intermittens mit schmerzfreiher Gehstrecke über 200 m
Claudicatio intermittens mit schmerzfreiher Gehstrecke unter 200 m
Ruheschmerzen
Nekrosen, Gangrän
Die apparative Diagnostik stützt sich auf sonographische und radiologische Verfahren. In
jedem Fall entsteht ein objektives Bild über den Gefäßzustand eines Patienten nur durch
die Kombination von Anamnese, klinischem Befund und apparativer Untersuchung. Auch
müssen fachübergreifende Zusammenarbeiten bestehen, um beispielsweise die Polyneuropathie oder einen ursächlichen Diabetes mellitus einschätzen und therapieren zu
können.
(D)
Klinische Untersuchung: Der Pulsstatus ist in jedem Fall Ausgangspunkt der klinischen
Untersuchung. Des Weiteren werden Temperatur- und Kraftunterschiede aber auch
Schwellungen und die Hautfärbung festgestellt. Auch die Beobachtung trophischer
Veränderungen kann von Interesse sein. Zu den mit einfachen apparativen Hilfsmitteln
durchzuführenden Untersuchungen gehören die Blutdruckmessung im Seitenvergleich und
die Laufbanduntersuchung zur Feststellung der schmerzfreien Gehstrecke.
Doppler- und Duplexsonographie: Das Dopplerverfahren wird einerseits zur Ableitung
einer Pluskurve genutzt, die zusätzlich zum B-Bild ausgedruckt und/oder als moduliertes
akustisches Signal wiedergegeben werden kann. Andererseits wird der Dopplereffekt
verwendet, um ein Duplexbild zu erzeugen. Hierbei wird die Strömung in Gefäßen
entsprechend der Richtung (auf den Schallkopf zu oder vom Schallkopf weg) farbkodiert ins
B-Bild eingeblendet. Mit diesen beiden kombinierbaren Methoden können unter Anderem
Flussgeschwindigkeit, -richtung, -volumen berechnet oder Angaben zur Gefäßmorphologie
und pathologischen Veränderungen der Gefäßwand selbst gemacht werden. Die Form der
Pulskurve (mono-, bi-, triphasisch) läßt Rückschlüße auf das Strömungsverhalten und den
peripheren Widerstand zu. Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist die Ableitung der peripheren
Verschlussdrücke, wobei die Pulskurven über peripheren Arterien abgeleitet werden und
mit einer Blutdruckmanschette die abhängigen Drücke gemessen werden. Aus den
Drücken von beispielsweise A. poplitea, A. tibialis posterior oder A. dorsalis pedis und den
Drücken der A. brachialis werden crurobrachiale Indices errechnet, welche die
Blutversorgung der Extremität einschätzen lassen und wichtig für die Therapiewahl bzw.
Verlaufskontrolle sind.
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 21
Angiographie: Die Angiographie ist ein radiologisches Verfahren, das auf der
„Schattenprojektion“ eines intravasal applizierten Kontrastmittels (KM) bei Durchleuchtung
mit ionisierender Strahlung beruht. Die KM sind jodhaltig. Mögliche Kontraindikationen (z.B.
Schilddrüsenerkrankungen) sind vorher auszuschließen. KM sind Substanzen die über die
Nieren ausgeschieden werden und die Nierenfunktion bei vorgeschädigter Niere negativ
beeinflussen können. Die Kreatinin- und Harnstoffwerte der Patienten müssen deshalb im
Normbereich liegen, um kein Nierenversagen zu induzieren. Die KM-Gabe, die auch zu
allergischen Reaktionen führen kann, erfolgt über einen vor den zu untersuchenden
Gefäßen platzierten Katheter. Um den Kontrast zu verstärken, wird heute die Digitale
Subtraktionsangiographie (D S A) angewandt. Dabei wird eine sog. Leeraufnahme vom
KM-Bild digital subtrahiert, so dass nur die KM-gefüllten Gefäße sichtbar bleiben. Bei der
Angiographie wird somit nur das KM-durchströmte Gefäßlumen dargestellt. Von Thrombus
ausgefüllte Aneurysmata können z.B. wie ein normales Lumen imponieren, da weder
Gefäßwand noch Plaques oder Thromben abgebildet werden. Außerdem darf man die
zweite Ebene nicht vergessen, in der ein im Querschnitt nicht mehr rundes Gefäßlumen
eine Stenose offenbaren kann.
Computertomographie: Die Computertomographie (CT) stellt thrombosierte Gefäße
ebenso wie aneurysmatische Veränderungen oder durchströmte Lumina nach
Kontrastmittelgabe dar. Gefäßverläufe können aus den gewonnenen Schnittbilden
computergestützt zu einem Längsbild zusammengesetzt werden.
Magnetresonanztomographie: Alternatives Schnittbildverfahren zur Verwendung von
jodhaltigen Kontrastmitteln ist die Magnetresonanz-tomographie-Angiographie (MRA). Die
Gefäßbahnen lassen sich in jeder Richtung aufzeichnen, erfahrungsgemäß erfolgt jedoch
eine gegenüber der Realität „übertriebene“ Gefäßdarstellung, die Lumina größer darstellt
als sie sind. Da die Bilder durch Subtraktion vor oder hinter dem Gefäß liegender Schichten
entstehen, kann z.B. ein geschwungener Gefäßverlauf eine Stenose vortäuschen.
(L)
Neuerburg, Hennerice: Gefäßdiagnostik mit Ultraschall, Lehrbuch und Atlas, 3. Auflage
1999
Ralf Schüler: Apparative Gefäßdiagnostik, Isle-Verlag, Ilmenau 1998
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin, VASA
Band 30, Supplement 57, August 2001
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 22
10. Chirurgische Intensivmedizin
M. Brauckhoff
(E)
Die chirurgische Intensivmedizin stellt einen speziellen chirurgischen Bereich dar, der sich
schwerpunktmäßig mit schwerstkranken Patienten innerhalb des Gebietes Chirurgie
(Viszeralchirurgie, Gefäßchirurgie, Traumatologie, Thoraxchirurgie) beschäftigt. Neben den
allgemeinen intensivmedizinischen diagnostischen und therapeutischen Prinzipien (u.a.
kardiopulmonales Monitoring, Respiratortherapie, Hämofiltration, parenterale Ernährung)
weist die chirurgische Intensivmedizin in der Viszeral- und Gefäßchirurgie folgende
fachgebundene Therapieschwerpunkte auf: offene oder geschlossene Behandlung der
Peritonitis (Lavage), nekrotisierende Pankreatitis, SIRS (systemic inflammatoric response
syndrome) und Sepsis, abdominelles Kompartmentsyndrom und postoperative Behandlung
nach Leberresektion, Operationen wegen Schilddrüsenkarzinomen mit Infiltrationen des
aerodigestiven Systems (Trachea- und Ösophagusinfiltration), thorakoabdominellen
Eingriffen (Ösophagus, transsternaler Lymphadenektomie beim Schilddrüsenkarzinom),
großen abdominellen Operationen (partielle Duodenopankreatektomie, Gastrektomie,
Proktokolektomie, retroperitoneale Sarkome), gefäßchirurgische Operationen (Aortenersatz, aortobifemoraler Bypass, Karotisrevaskularisation, aufwändige krurale Revaskularisationen) und Operationen bei speziellen endokrinen Erkrankungen (z.B. M.
Cushing, Phäochromozytom, Insulinom).
(D)
Wichtigstes diagnostisches Grundprinzip der chirurgischen Intensivmedizin ist das
umfassende kontinuierliche Monitoring (Überwachung) der Patienten. An erster Stelle steht
hier trotz der zunehmenden Medizintechnik nach wie vor der „klinische Blick“ (tägliche
Anamnese und Befunderhebung). Neben den in der allgemeinen Intensivmedizin üblichen
technischen Überwachungsmethoden (kardiopulmonale, renale, metabolische, zerebrale
und hämatologisch-hämostaseologische Funktionen) bestehen in der viszeral- und
gefäßchirurgischen Intensivmedizin verschiedene spezielle diagnostische Fragestellungen,
z. B.: (1) Leberresektion: GLDH, Quickwert, Bilirubin, Duplexsonographie der Lebergefäße;
(2) Ösophagus- und Magenresektion: Kontrastmitteldarstellung der Anastomose; (3)
Transplantationschirurgie: Drug-Monitoring, Organfunktion; (4) Sterno- oder Thorakotomie:
Thorax-Röntgenuntersuchung; (5) viszeralchirurgische Operationen: abdomineller Befund,
Darmperistaltik; (6) Peritonitis/Sepsis: intraabdomineller Befund/Fokus, Immunmonitoring,
Erregerdiagnostik und Antibiogramm; (7) Adrenalektomie: adrenokortikale Stresskompetenz; (8) Aortenchirurgie: Durchblutung der Beine, neurologischer Status, Nierenfunktion; (9) Karotischirurgie: neurologischer Status. Ein weiterer Schwerpunkt der intensivchirurgischen Diagnostik sind endoskopische Untersuchungen (Gastroskopie, Koloskopie,
Tracheo- und Bronchoskopie) und sonographisch kontrollierte Punktionen. Generell
bedürfen operative Intensivpatienten einer sehr genauen und sorgfältigen Überwachung
durch einen erfahrenen Chirurgen, um Komplikationen so früh wie möglich zu erkennen
und zu behandeln.
(O)
Spezielle (operative) Eingriffe auf einer viszeral- und gefäßchirurgischen Intensivstation
sind (1) Tracheotomien (Standards: Punktionstracheotomie nach FANTONI und offene
Tracheotomie), (2) Thoraxdrainagen (Standard: BÜLAU), (3) abdominelle Lavage (bei
Abdomen apertum), (4) Vakuumversiegelung von Wunden, (5) endoskopische Anastomosenklebung oder –spülung bei Anastomoeninsuffizienz im Gastrointestinaltrakt und
Applikation von Stents (z.B. Trachea oder Ösophagus) und (6) sonographisch kontrollierte
Anlage von Drainagen bei intraabdominellen Abszessen. Chirurgische Intensivpatienten
sind schwerkranke Patienten, deren Prognose multifaktoriell determiniert wird. Klinische
Score-Systeme (z.B. APACHE II) sind als prognoseorientierte Therapieentscheidungshilfen
entwickelt worden. Spezielle Risiken von Patienten auf einer chirurgischen Intensivstation
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 23
sind: postoperativer Ileus, Peritonitis (z.B. infolge einer Anastomoseninsuffizienz),
intestinale Ischämie, Nachblutung und intraabdominelle Infektion (Abszeß). Deren
frühzeitiges
Erkennen
ist
prognosebestimmend.
Allgemeine
Probleme
intensivmedizinischer Patienten sind SIRS, Sepsis, hirnorganisches Psychosyndrom,
Verbrauchskoagulopathie, hepatorenales Syndrom und (Mehr-)Organversagen (MODS,
multiple organ dysfunction syndrome). Während in den frühen Jahren der Intensivtherapie
pulmonales Versagen (ARDS, adult respiratory distress syndrome) und renales Versagen
hauptsächlich prognosebestimmend waren, stellen durch den Fortschritt in der apparativen
Organersatztherapie (z.B. Respiratortherapie, Dialyse, IABP (intraarterielle Ballongegenpulsation)) heute Darm (bakterielle Translokation, Verlust der Mukosabarriere) und
ZNS (hypoxische Enzephalopathie, Intensivpolyneuropathie (critical ill neuropathy, CIN) die
prognoselimitierenden Organsysteme dar.
(N)
Chirurgische Intensivpatienten bedürfen in der Regel nach Entlassung von der
Intensivstation einer intensiven Weiterbetreuung auf einer Intermediate Care Station.
(L)
Töns C, Schumpelick V (Hrsg): Chirurgische Notfall- und Intensivmedizin. Enke 1997
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 24
11. Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
H. Dralle
(E)
Die chirurgische Behandlung von Patienten mit Erkrankungen der Schilddrüse und der
Nebenschilddrüsen (NSD) setzt eine subtile Kenntnis der Physiologie und
Pathophysiologie, der chirurgischen Anatomie des Halses und des zervikomediastinalen
Übergangsbereiches sowie der Embryologie voraus. Die Hauptindikationen zur Operation
bei Schilddrüsenerkrankungen sind: benigne Knotenstruma ohne oder mit (latenter)
Überfunktion, M. Basedow, Rezidivstruma und Schilddrüsenkarzinom (papillär, follikulär,
medullär, undifferenziert). Operationsindikationen bei Nebenschilddrüsenerkrankungen sind
nahezu ausschließlich Überfunktionen, meist primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT) bei
Ein- oder Mehrdrüsenerkrankung, selten sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT), sehr
selten primärer HPT bei Nebenschilddrüsenkarzinom. Das Komplikationsrisiko bei
Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenoperationen betrifft zum einen das Wiederauftreten
(Rezidiv) der Grunderkrankung und zum anderen operative Komplikationen an den
Umgebungsorganen (z. B. Recurrensparese).
Schilddrüse
(D)
Die 4 Säulen der klinischen Diagnostik von Schilddrüsenerkrankungen sind die Anamnese
(Dauer der Erkrankung, Entwicklungsdynamik bezüglich Schilddrüsengröße und –funktion,
Schilddrüsenhormonsubstitution, Kontrastmittelgaben, jodhaltige Medikamente, frühere
Schilddrüsenoperationen, familiäre Disposition zu Schilddrüsenerkrankungen, Verlauf der
Beschwerden und Symptome), die klinische Untersuchung (Größe der Schilddrüse,
Seitenverteilung, Knotenkonsistenz, und –verschieblichkeit, Halslymphknoten, Einflussstauung). die Bestimmung der sog. in vitro-Parameter des Schilddrüsenstoffwechsels (T3,
T4, TSH u. a.) und die Durchführung von in vivo-Untersuchungen (Sonographie,
Szintigraphie, Aspirationszytologie, ggf. MRT, Endoskopie). Unentbehrliche apparative
Diagnostikverfahren für die Operation sind die Parameter zur Bestimmung des
Schilddrüsenstoffwechsels (Schilddrüsenoperationen sollen, von wenigen definierten
Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich in euthyreoter Stoffwechsellage durchgeführt
werden) und die zervikale Sonographie als bildmorphologisches Standardverfahren zur
Erfassung des Schilddrüsenvolumens, der Knotenlage und Größe und zur Beurteilung der
Halslymphknoten. Obligater Bestandteil der präoperativen Diagnostik ist auch die HNOärztliche Untersuchung der Stimmlippenfunktion (Laryngoskopie).
(O)
Die wichtigsten Standardverfahren bei Schilddrüsenoperationen sind: Knotenenukleation,
subtotale Resektion, Hemithyreoidektomie und totale Thyreoidektomie. Beim Schilddrüsenkarzinom wird mit Ausnahme des kleinen papillären Karzinoms (< 1 cm, solitär, keine
Metastasen) als Regeloperation eine totale Thyreoidektomie und zentrale
Lymphknotendissektion
durchgeführt.
Bei
der
benignen
Struma
wird
das
Resektionsausmaß in erster Linie vom Ausmaß der Struma und der Knoten bestimmt. Von
besonderer Bedeutung ist der sog. kalte (d. h. im Szintigramm "kalte") Knoten. Da bei
diesen Knoten im Gegensatz zum sog. "heißen" Knoten ein deutlich erhöhtes
Malignitätsrisiko besteht (je nach Selektion des Krankengutes ca. 3 – 10 %), wird hier eine
primäre Hemithyreoidektomie und intraoperative Schnellschnittuntersuchung empfohlen.
Hauptkomplikationen der Schilddrüsenoperationen sind Recurrensparese (Stimmbandnervenlähmung, passager, permanent, einseitig, beidseitig) und Hypokalzämie
(Hypoparathyreoidismus). Die postoperative Kontrolle der Stimmlippenfunktion (Laryngoskopie) und des Kalziumstoffwechsels ist daher obligat. Beide Komplikationen treten bei ca.
1 – 3% der Operationen auf. Der Einsatz des intraoperativen Neuromonitorings und die
Verwendung von Lupenbrille und bipolarer Koagulation kann das Schädigungsrisiko des
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 25
Nervus recurrens senken. Bei beidseitiger Recurrensparese ist häufig eine Tracheotomie
erforderlich, aber auch einseitige Paresen haben z. T. ernste Folgen (Berufsunfähigkeit bei
Lehrern und Sängern wegen Heiserkeit, deutlich eingeschränkte respiratorische Kapazität).
Permanente Hypokalzämien erfordern eine Dauersubstitution mit Kalzium und Vitamin D.
Nach ausgedehnten Schilddrüsenresektionen ist eine lebenslange Schilddrüsenhormonsubstitution erforderlich. Die Informationen des Patienten über potentielle oder
wahrscheinliche Operationsfolgen ist neben der Erläuterung des operativen Zugangs und
des Operationsausmaßes Bestandteil der präoperativen Aufklärung.
(N)
Die Nachsorge (Kontrolle, Behandlung) dient der Behandlung von Komplikationen bzw.
Operationsfolgen und, vor allem beim Schilddrüsenkarzinom, der Früherkennung und
-behandlung von Rezidiven. Beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom wird 4 Wochen
postoperativ ohne zwischenzeitliche Aufnahme einer Schilddrüsenhormonsubstitution eine
Radiojoddiagnostik und –therapie durchgeführt. Beim medullären Karzinom gibt es keine
adjuvanten Standardverfahren. Wichtig ist hier die molekulargenetische Untersuchung auf
Mutationen im RET-Protoonkogen, um hereditäre Formen dieses Tumors zu erkennen und,
falls vorhanden, ein Familienscreening einzuleiten und dem Patienten bezüglich eines MEN
2-Syndroms zu untersuchen (Assoziation mit Hyperparathyreoidismus und/oder
Phäochromozytom). Bei undifferenzierten Schilddrüsenkarzinomen wird postoperativ eine
externe Strahlentherapie durchgeführt.
Nebenschilddrüsen
(D)
Anamnese (Nephrolithiasis, Knochensymptome als klassische Osteitis fibrosa cystica,
gastrointestinale Ulzera, Leistungsminderung, Depression, bisweilen vollkommen
asymptomatisch) und Laborchemie (erhöhtes Kalzium und Parathormon [PTH] i. S.,
vermehrte Kalziumausscheidung im Urin, erniedrigtes Serumphosphat) führen zur
Diagnostik eines primären Hyperparathyreoidismus (pHPT). Beim symptomatischen
sekundären, meist renal-bedingten Hyperparathyreoidismus (sHPT) ist Parathormon stark
erhöht, Serumkalzium erniedrigt, normal, oder erhöht (sog. tertiärer HPT). Nebenschilddrüsenkarzinome sind präoperativ, wenn keine Metastasen vorliegen, nur schwer zu
erkennen (ggf. "inadäquat" hohes Parathormon).
(O)
Die Kenntnis der Embryologie einschließlich der wanderungsbedingten Lagemöglichkeiten
der Nebenschilddüsen ist obligate Voraussetzung für die Durchführung von Nebenschilddrüsenoperationen. Nebenschilddrüsen können in "überzähliger" (mehr als 4, ca. 15 – 20
%) oder unterzähliger Anzahl vorkommen (selten), ein Adenom in einer sog. "5. Drüse" wird
in etwa 5 % beobachtet. Die Embryologie erklärt auch, daß ektope NSD-Adenome häufig
sind. (ca. 20 %).
Beim pHPT liegt in ca. 10 – 15 % eine sog. Mehrdrüsenerkrankung (MDE) vor, bei der zwei
oder mehr Nebenschilddrüsen hyperplastisch vergrößert sind; Operationsverfahren der
Wahl ist dann eine subtotale Parathyreoidektomie (PTX). Auch beim familiären pHPT und
beim sHPT liegt immer eine Hyperplasie aller Nebenschilddrüsen vor. Bei der sog.
Eindrüsenerkrankung (EDE) des pHPT ist nur eine Nebenschilddrüse betroffen (Adenom),
die Adenomentfernung ist dann ausreichend.
Die präoperative Lokalisationsdiagnostik beim HPT richtet sich nach der Grunderkrankung
und dem geplanten Operationsverfahren. Bei der MDE (sHPT, familiärer pHPT) ist eine
Lokalisationsdiagnostik nicht erforderlich, da in jedem Fall eine subtotale oder totale PTX
(letztere dann mit Autotransplantation von Nebenschilddrüsengewebe in den Unterarm)
erfolgt. Beim sporadischen pHPT ist eine präoperative Lokalisationsdiagnostik
(Sonographie, NSD-Szintigraphie mit MIBI-SPECT) nur dann erforderlich, wenn ein
minimal-invasives Vorgehen geplant ist. In den letzten Jahren hat die Einführung der
intraoperativen PTH-Schnellbestimmung (sog. "biochemischer Schnellschnitt") die intra-
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 26
operative Erfolgskontrolle erheblich verbessert und zu einer weiteren Verbreitung der
minimal-invasiven Verfahren geführt.
Potentielle postoperative Komplikationen sind die Recurrensparese (ca. 1 %) und
Störungen des Kalziumstoffwechsels (Hypo- oder persistierende Hyperkalzämie). Bei
persistierender Hyperkalzämie ist eine Lokalisationsdiagnostik und in der Regel
Reoperation erforderlich. Die postoperative Kontrolle der Stimmlippenfunktion
(Laryngoskopie) ist obligat.
(N)
Die Nachbehandlung dient der Behandlung von Komplikationen und der Früherkennung
einer Unter- oder Überfunktion der Nebenschilddrüse. Hypokalzämien werden mit Kalzium
und/oder Vitamin D behandelt. Bei Überfunktionen s. o.
(L)
Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft
für Chirurgie (2000) Maligne Schilddrüsentumoren AWMF online, www.uni-duesseldorf.de
Leitlinien der Therapie maligner Schilddrüsentumoren (1996) erarbeitet von den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen der
deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Demeter Verlag, Balingen; Heft 3
Leitlinien der Therapie benigner Schilddrüsentumoren (1998) erarbeitet von den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen der
deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Demeter Verlag, Balingen; Heft 3
Leitlinien der Therapie des Hyperparathyreoidismus (1999) erarbeitet von den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen der
deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Demeter Verlag, Balingen; Heft 4
Lorenz K, Dralle H, Chirurgie des Hyperparathyreoidismus, Chirurg 2003; 74: 593 – 616
Lehnert H (Hrsg.): Rationelle Diagnostik und Therapie in Endokrinologie, Diabetologie und
Stoffwechsel, Thieme, Stuttgart, 2003, 47 - 133
Rothmund M (Hrsg.): Endokrine Chirurgie, Springer, Berlin, 2000, 27 – 329
Pichlmayr R, Löhlein D: Chirurgische Therapie, Springer, Berlin, 1991, 1 – 79
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 27
12. Ösophagus
F. Mannes
(E)
Indikationen zur Chirurgie der Speiseröhre bestehen bei funktionellen [gastroösophageale
Refluxkrankheit (gastroesophageal reflux disease, GERD), Achalasie, (Pulsions-)
Divertikel], traumatischen (Boerhaave-Syndrom, akzidentielle Perforationen, Säure/Laugenverätzungen) und neoplastischen Erkrankungen. Ösophagusresektionen sind
komplexe, bei Karzinomen sehr ausgedehnte Eingriffe, die genaue Kentnisse der
topographischen Anatomie (Hals, Thorax, Abdomen), Pathophysiologie, des perioperativen
Managementes [Risikoabschätzung, therapeutische Alternativen, (neo-)adjuvante Therapie,
Palliation, postoperative Intensivtherapie] sowie der Erkennung und Behandlung früh- und
spätpostoperativer Komplikationen erfordern.
(D)
Zu den Leitsymptomen ösophagealer Erkrankungen gehören Dysphagie (Tumoren,
Achalasie, Divertikel), Sodbrennen (GERD), retrosternale Schmerzen (Motilitätsstörungen,
GERD), Regurgitation (Divertikel), Gewichtsverlust und Heiserkeit (Recurrensparese infolge
Tumorinfiltration). Basisuntersuchung jeder Speiseröhrenerkrankung ist die Endoskopie, die
dem jeweiligen Krankheitsbild entsprechend ergänzt wird. Diagnose und Klassifikation
funktioneller Erkrankungen erfolgen durch Ösophagusmanometrie [Achalasie: hypertensiver und/oder unvollständig relaxierender unterer Ösophagussphinkter (UÖS), Dys/Aperistalsis; GERD: hypotensiver, transient relaxierender UÖS] und/oder 24h-pH-Metrie
(GERD: Refluxausmaß) und konventionelle Kontrastmitteldarstellung (Divertikel, Achalasie,
GERD mit/ohne Hiatushernie). Schnelligkeit und Effizienz bestimmen das Untersuchungsverfahren bei Ösophagusverletzungen, die unbehandelt oder verspätet erkannt meist zum
Tod führen. Anamnese [Verätzungen, iatrogene Perforationen (75% aller Ösophagusverletzungen)] und konventionelle Röntgenaufnahme (Mediastinalemphysem) ergeben Hinweise, die Diagnosesicherung erfolgt durch Darstellung mit wasserlöslichem Kontrastmittel
oder CT des Thorax. Für das therapeutische Vorgehen bei Patienten mit Ösophaguskarzinomen sind die Klassifikation in supra- und infrabifurkal gelegene (Spiral-CT Thorax,
Kontrastmitteldarstellung, Endoskopie), lokal fortgeschrittene (T3, T4) oder begrenzte (T1,
T2) Tumoren (Endosonographie, Spiral-CT Thorax, Kernspintomographie), der Tumorbzw. Gewebetyp [(Plattenepithel-, Adenokarzinom, Barrettschleimhaut mit/ohne intraepithelialer Neoplasie) (Endoskopie, Biopsie, Histologie, Referenzhistologie)] und der
Ausschluß von Fernmetastasen bedeutsam (Spiral-CT Thorax/Abdomen, Laparoskopie).
(O)
Die Operation funktioneller Speiseröhrenerkrankungen erfolgt heute überwiegend minimalinvasiv. Standardvorgehen bei der meist mit einer Hiatushernie assoziierten GERD sind die
laparoskopische dorsale, partielle (180°, Toupet) oder totale (360°, Nissen, DeMeester)
Anlage einer Magenfundusmanschette um den abdominellen Ösophagus (Fundoplikation)
und Einengung des Hiatus oesophageus (Hiatoplastik). Die nach endoskopischer
Dilatationsbehandlung rezidivierte Achalasie wird durch longitudinale laparo- oder
thorakoskopische Myotomie sämtlicher Muskelfasern des ösophagokardialen Überganges
behandelt. Zusätzlich kann eine, meist partielle, anteriore Fundoplastik (Dor) angelegt
werden. Häufigstes Ösophagusdivertikel ist das pharyngoösophageale Zenker-Divertikel
(70%), das über eine linkslaterale Zervikotomie reseziert wird. Obligat ist, wie bei den
übrigen Pulsionsdivertikeln (epiphrenische Divertikel) eine vollständige Myotomie der distal
lokalisierten, ätiologisch bedeutsamen, muskulären Hochdruckzone (Zenker-Divertikel: M.
cricopharyngeus). Speiseröhrenverletzungen stellen nur in selektierten Ausnahmefällen
keine Operationsindikation dar. Das Vorgehen richtet sich nach Art, Lokalisation,
Ausdehnung und Alter der Verletzung, Ausmaß der begleitenden Mediastinitis und
zugrundeliegender Erkrankung. Kleine, frische Verletzungen werden gezielt drainiert
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 28
und/oder durch Stent überbrückt und/oder durch primäre Naht mit Augmentation durch
Fundusplastik, Pleura- oder Muskellappen versorgt. Verätzungen und ausgedehnte
Perforationen erfordern die Ösophagektomie. Bei später Diagnose und schwerer
Begleitmediastinitis erfolgt die Rekonstruktion der Nahrungspassage zweizeitig.
Wesentliche Voraussetzung für die kurative Behandlung des Ösophaguskarzinoms sind die
korrekte Beurteilung des individuellen Operationsrisikos und die vollständige Entfernung
des Tumors mit regionalem Lymphabflussgebiet (R0-Resektion). Suprabifurkale, lokal
begrenzte (T1/2) und infrabifurkale Plattenepithel-(70%) und Adenokarzinome (20%,
steigende Inzidenz) werden durch transthorakale, subtotale Ösophagektomie sowie
mindestens mediastinale und abdominelle (2-Feld) Lymphadenektomie (LA) behandelt. Der
Ösophagus wird in Höhe der Pleurakuppel oder zervikal abgesetzt. Distale
Adenokarzinome des ösophagogastralen Überganges (Barrett-Karzinome) können sowohl
transthorakal als auch durch transmediastinale (transhiatale) Ösophagektomie mit LA im
hinteren Mediastinum und Abdomen behandelt werden. Der Ösophagus wird in Höhe der
Trachealbifurkation abgesetzt. Die abdominelle LA umfasst die Resektion der Lymphknoten
der kleinen Kurvatur des Magens und der zoeliakalen und suprapankreatischen
Lymphknoten. Als Ösophagusersatz dienen der zu einem Schlauchmagen umgeformte
Magen oder ein Koloninterponat, die im hinteren Mediastinum oder bei zervikaler
Anastomose auch retrosternal nach kranial geführt werden. Allgemeine Komplikationen
dieser
Eingriffe
ergeben
sich
aus
ihrer
Komplexität
(Pneumonie
durch
Ventilationseinschränkung nach Thorakolaparotomie) und dem präoperativen Zustand der
Patienten (Nikotin-/Alkoholabusus, Mangelernährung/Marasmus). Während Insuffizienzen
zervikaler
Anastomosen
meist
spontan
ausheilen,
stellen
thorakale
Anastomoseninsuffizienzen, ösophagotrachebronchiale Fisteln und Nekrosen des Ösophagusersatzorganes eine vitale Bedrohung des Patienten dar. Sie erfordern meist ein
invasives Vorgehen (Reoperation, Stentüberbrückung, Fibrinklebung). Weitere
behandlungsimmanente Komplikationen sind die (linksseitige) Recurrensparese, das
Auftreten eines postoperativen Chylothorax und Anastomosenstenosen. Spezifische
Komplikationen der Fundoplikation sind das Refluxrezidiv durch gelöste, postoperative
Dysphagie durch zu enge und/oder zu lange und/oder fehlplazierte und/oder dislozierte
(Teleskopphänomen) Fundusmanschette und Folgen einer Schädigung des N. vagus
(Denervationssyndrom, gas-bloat Syndrom).
(N)
Auch bei potenziell kurativ behandelten Patienten mit Ösophaguskarzinomen ist von einem
sehr hohen Grad der Behinderung (GdB) auszugehen. Er beträgt mindestens 80%, in der
Regel 100%. Manuelle und körperlich belastende Tätigkeiten sind nur noch in
Ausnahmefällen möglich. Die Nachsorge erolgt symptomorientiert, wobei Erfassung und
Behandlung benigner und maligner Anastomosenstenosen im Vordergrund stehen. Zur
Beseitigung von Schluckbeschwerden bei Patienten mit nicht resektablem
Oesophaguskarzinom stehen endoskopische, interventionelle, chirurgische und radiotherapeutische Maßnahmen zur Verfügung, die situationsabhängig zur Anwendung
kommen. Bei starken thorakalen Schmerzen und/oder Kompression des Oesophaguslumens kann eine Strahlentherapie perkutan oder in Afterloadingtechnik eingesetzt werden.
Bei Patienten mit Fernmetastasen kann durch Kombinations- oder Monochemotherapie ein
palliativer Effekt erzielt werden. Für die bei lokal fortgeschrittenen, voraussichtlich nicht R0resezierbaren Ösophaguskarzinomen indizierte neoadjuvante Radiochemotherapie ist
neben einer intensiven Supportivtherapie ein Restaging zur erneuten Beurteilung der
Resektabilität erforderlich. Nach erfolgreicher chirurgischen Therapie funktioneller Erkrankungen ist keine spezifische Nachbehandlung notwendig.
(L)
Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft
für Chirurgie (2003) Oesophaguskarzinom AWMF online, www.uni-düsseldorf.de
Harder F (Hrsg.) Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002, 241-321
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 29
13. Magen und Duodenum
R. Rüdrich
(E)
Wegen der Fortschritte der medikamentösen Ulkustherapie, Verbesserung der
endoskopischen Methoden sowie des Rückganges des Magenkarzinoms in Deutschland
hat die Anzahl der Operationen an Magen und Duodenum in den letzten Jahrzehnten
abgenommen. Die Hauptindikationen bei benignen Erkrankungen sind Komplikationen des
gastroduodenalen Ulkus (Blutung, Perforation, Stenose). Zu den malignen Erkrankungen
gehören das Magenkarzinom, Adenokarzinome des gastroösophagealen Übergangs
(steigende Inzidenz), gastrointestinale Stromatumoren (GIST) und Magenlymphome.
(D)
Die Anamnese gibt Auskunft über das Beschwerdemuster (Schmerzen, Erbrechen,
Hämatemesis, Teerstuhl, Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit), Voroperationen und Medikamente mit bekannten Nebenwirkungen auf die Magenschleimhaut (Steroide und nichtsteroidale Antirheumatika). Bei der klinischen Untersuchung ist auf Abwehrspannung (sog.
brettharter Bauch), Druckschmerz, tastbaren Tumor, supraklavikuläre Lymphknotenvergrößerung, Ascites und Anämie zu achten. Am Beginn der apparativen Diagnostik bei
akuten Beschwerden steht die Abdomensonographie zum Ausschluß extragastraler
Erkrankungen (z.B. Cholezystitis) und Feststellung von freier Flüssigkeit. Anschließend
erfolgt regelhaft das Röntgen des Abdomens im Stehen und, wenn dies nicht möglich ist, in
Linksseitenlage zur Feststellung freier Luft als Zeichen einer Perforation. Nach Ausschluß
von freier Luft wird eine Ösophagogastroduodenoskopie zur Diagnostik mit therapeutischer
Interventionsmöglichkeit (Blutstillung) sowie Gewinnung von Biopsien durchgeführt.
Blutungen im Magen und Duodenum werden nach der Forrest-Klassifikation eingeteilt.
Forrest (F) I: aktive Blutung, F I a - spritzende arterielle Blutung, F I b - sickernde venöse
Blutung. F II: inaktive Blutung, F II a - Läsion mit Gefäßstumpf, F II b - koagelbedeckte
Läsion, F II c - hämatinbedeckte Läsion. F III: Läsion ohne Blutungszeichen. Bei Verdacht
auf Magenkarzinom sollte die präoperative Biopsiediagnostik (5-10 Biopsien) zwischen
Karzinom und Lymphom sowie beim Karzinom zwischen intestinalem und diffusem Typ
(Lauren-Klassifikation) differenzieren. Zum Staging gehören das Abdomen-CT, ggf. ThoraxCT (Kardiakarzinom, Lungenfiliae) und Endosonographie (T- und N-Kategorie). Präoperativ
werden die Tumormarker CEA, CA 72-4, und CA 19-9 bestimmt. Zur Sicherung einer
intraabdominellen Fernmetastasierung (Peritoneum, Leber) kann eine Staginglaparoskopie
sinnvoll sein. Die Kontrastmitteluntersuchung des Magens ist speziellen Fragestellungen
(Magenausgangsstenose, Ausdehnung des Kardiakarzinoms nach oral) vorbehalten.
(O)
Die Therapie der oberen gastrointestinalen Blutung ist primär endoskopisch. Endoskopisch
nicht stillbare, arterielle Blutungen (F I a) sind eine absolute OP-Indikation und müssen
sofort versorgt werden. Blutende tiefe Ulcera an der Bulbushinterwand rezidivieren häufig
und bedürfen meist einer operativen Intervention nach Stabilisierung des Pat.. Zur
Festlegung der OP-Indikation sind der Ausgangs-Hb (< 3-4 mmol/l), die Blutungsaktivität
(4-6 Erythrozytenkonzentrate in 24 h), Alter (>60 Jahre) und Begleiterkrankungen zu
berücksichtigen. Bei Versagen der endoskopischen Therapie oder bei hoher
Rezidivblutungsgefahr erfolgt je nach Lokalisation der Blutung die Gastro- oder
Duodenotomie mit Ulkusumstechung. Beim tiefen penetrierenden Ulkus an der
Bulbushinterwand kann ggf. zusätzlich eine extraluminäre Ligatur versorgender Arterien
durchgeführt werden. Tangiert die Duodenotomie den Pylorus erfolgt eine Pyloroplastik.
Blutende Magenulzera werden excidiert und übernäht. Die Ulkusperforation ist ebenfalls
eine absolute OP-Indikation und bedarf der schnellstmöglichen operativen Versorgung
(laparoskopisch oder konventionell-offen). Bei der Magenausgangsstenose wird eine
distale Magenresektion und Rekonstruktion nach Billroth I (Mobilisation des Duodenums
nach Kocher, Gastroduodenostomie) oder nach Roux-Y durchgeführt.
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 30
Kleine, gut oder mäßiggradig differenzierte mukosale Magenfrühkarzinome ohne
lymphatische und venöse Infiltration können endoskopisch mittels Mukosektomie oder
Polypektomie abgetragen werden. Beginnend submukosale Frühkarzinome (low grade)
können durch eine laparoskopischen Wedgeresektion mit intraoperativer Gastroskopie
reseziert werden. Fortgeschrittene, nicht sicher R-0-resektable Magenkarzinome bei Pat. in
gutem Allgemeinzustand ohne nachweisbare Fernmetastasierung können innerhalb von
Studien einer neoadjuvanten Chemotherapie zum Downstaging mit dem Ziel einer R-0Resektion zugeführt werden. Alle anderen Magenkarzinome werden operiert. Das
Resektionsausmaß wird bestimmt durch den Tumortyp und einen ausreichenden Sicherheitsabstand zum Tumor (5 cm beim intestinalen Typ und 8 cm beim diffusen Typ): bei
Magenkarzinomen im distalen Drittel eine subtotale 4/5-Resektion, im mittleren Drittel eine
Gastrektomie und im proximalen Drittel eine erweiterte Gastrektomie mit transhiataler
Resektion des distalen Ösophagus. Die Resektionsgrenzen werden durch
Schnellschnitthistologie auf Tumorfreiheit geprüft. Obligat ist die Resektion des kleinen und
großen Netzes und die Lymphadenektomie der Kompartimente I und II (D2-Dissektion).
Eine Splenektomie wird bei fortgeschrittenen Karzinomen in der proximalen Hälfte,
Tumorsitz großkurvaturseitig und bei Gesamtbefall vorgenommen. Die Rekonstruktion
erfolgt nach Roux-Y. Zu den frühen postoperativen Komplikationen gehören die
Duodenalstumpfinsuffizienz und Anastomoseninsuffizienz mit der Gefahr einer Peritonitis.
Spätkomplikationen sind die Anastomosenstenose, efferent-loop-Syndrom, Früh- und
Spätdumping. Am 5. postoperativen Tag nach Gastrektomie erfolgt die Kontrastmittelpassage zum Ausschluß einer Anastomoseninsuffizienz. Anschließend beginnt der
Kostaufbau mit mehreren kleinen Mahlzeiten.
(N)
Patienten mit kompliziertem Ulcus (Perforation, Blutung) erhalten hochdosiert
Protonenpumpenhemmer und werden bei Nachweis von Helicobacter pylori eradiziert.
Nach ausgedehnten Magenresektionen verhindert die Vitamin-B-12-Gabe eine perniziöse
Anämie. Nach Splenektomie hat 3 bis 4 Wochen postoperativ eine Pneumokokkenimpfung
zu erfolgen. Bei Patienten mit fortgeschrittenen Magenkarzinomen kann nach R-OResektion eine adjuvante Chemotherapie in Studien durchgeführt werden, für nichtresektable Tumoren (nach neoadjuvanter Chemotherapie), Patienten mit Fernmetastasen
und Rezidiven kommen palliative Therapieverfahren (endoskopisch, operativ,
Radiochemotherapie) in Betracht.
(L)
Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft
für Chirurgie (2002) Magenkarzinom AWMF online, www.uniduesseldorf.de
Pichlmayr R, Löhlein D: Chirurgische Therapie, Springer, Berlin, 1991
Harder F. (Hrsg.): Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002
Siewert R.J. (Hrsg.): Onkologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2001
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 31
14. Pankreas (exokrin)
O. Gimm
(E)
Die Chirurgie des Pankreas erfordert neben anatomischen Kenntnissen der Lage und den
Umgebunsbeziehungen des retroperitoneal gelegenen Organs vor allem genaue
Kenntnisse der Gefäßversorgung (Pankreaskopf: A. gastroduodenalis mit Aa.
pancreaticoduodenalis, Pankreaskorpus/-schwanz: A. lienalis) sowie der variablen
Ganganatomie. Der Pankreasgang (Ductus Wirsungianus) kann gemeinsam (oft) oder
getrennt (selten) (Ductus Santorini) vom Gallengang in das Duodenum münden. Die
Hauptindikationen zu Operationen bei Pankreaserkrankungen sind: chronische Pankreatitis
(Ikterus, therapieresistenter Schmerz, Tumorverdacht), Pseudozysten (i.d.R. frühestens 6-8
Wochen nach einem akuten Pankreatitisschub wegen erst dann ausreichend nahtfähiger
Zystenwand) und Pankreaskarzinom. Seltenere Operationsindikationen sind: akute
Pankreatitis (ausgedehnte Nekrosen (CT!), biliäre Pankreatitis, bei der mittels ERCP die
Gallensteine nicht aus dem Ductus choledochus geborgen werden können, gutartige
neuroendokrine Tumoren (siehe Kapitel 20), und Pancreas anulare (die Kombination mit
anderen Missbildungen ist häufig).
(D)
Die Symptome bei Pankreaserkrankungen können je nach zu Grunde liegender Erkrankung
sehr unterschiedlich sein: chronische Pankreatitis: postprandialer Schmerz, Ikterus,
Steatorrhö, Diabetes mellitus; Pseudozysten: Oberbauchschmerzen, Einblutung, Ikterus;
akute Pankreatitis: gürtelförmige Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Brechreiz, Darmparalyse;
Pankreaskarzinom: Appetitlosigkeit, Völlegefühl, Gewichtsabnahme, Ikterus, gürtelförmiger
Oberbauchschmerz;
Pancreas
anulare:
partieller/totaler
Darmverschluss
mit
Völlegefühl/Erbrechen. Hinsichtlich der apparativen Diagnostik stehen die Bestimmung von
Laborwerten (Entzündung: Lipase, Amylase, Leukozyten und CRP erhöht, Kalzium evtl.
erniedrigt; exokrine Funktion: Chymotrypsin im Stuhl, CHE im Serum; endokrine Funktion:
Insulin, Gastrin; Tumormarker: CA 19-9, CEA), sonographische (perkutane sowie
intraoperative Sonographie, Endosonographie), endoskopische Verfahren (ÖGD, ERCP)
und bildgebende Verfahren (Röntgen, CT, MRT) zur Verfügung.
(O)
Der intraabdominelle Zugang zur Bauchspeicheldrüse erfolgt durch die Bursa omentalis: 1.
durch das Lig. gastrocolicum, 2. nach Ablösung des Omentum majus vom Colon
transversum, 3. durch das Lig. hepatogastricum nahe der Leber und 4. durch das
Mesocolon transversum. An die Dorsalseite des Pankreaskopfes gelangt man durch
Mobilisation des Duodenums (Kocher-Manöver). Je nach zu Grunde liegender Erkrankung
sind unterschiedliche Resektions- und Rekonstruktionsverfahren erforderlich. Chronische
Pankreatitis: in Abhängigkeit von der Lage der Pankreasgangstenosen bzw. entzündlicher
Tumoren proximale partielle Duodenopankreatektomie (OP nach „Whipple“) bzw. Pylorusoder Duodenumerhaltene Kopfresektion, latero-laterale Pancreaticojejunostomie, Pankreasschwanzresektion mit termino-terminaler Pancreaticojejunostomie. Pseudozysten:
Pseudozystojejunostomie nach Roux-Y. Akute Pankreatitis: Entfernung der Nekrosen,
Lavage, Drainage. Eine totale Pankreatektomie sollte wegen hoher Letalität nur in Ausnahmefällen erfolgen. Bei biliärer Pankreatitis Cholezystektomie und Gallengangsrevision.
Pankreaskarzinom: Pankreaslinksresektion bei Schwanztumoren, OP nach „Whipple“ bei
Kopftumoren. Pancreas anulare: im Erwachsenenalter Duodenojejunostomie, B IIResektion, selten Duodenopankreatektomie. Das häufigste spezifische Komplikationsrisiko
ist die Insuffizienz von Anastomosen (z.B. nach Pancreaticojejunostomie). Die Nachbehandlung besteht bei Vorliegen von Darmanastomosen (z.B. OP nach Whipple,
Pseudozystojejunostomie) aus einer parenteralen Ernährung. Bis zum enteralen Kostaufbau kann zur „Ruhigstellung“ des Pankreas ein Octreotidanalogon (Sandostatin) s.c.
gegeben werden. Anastomoseninsuffizienzen müssen operativ revidiert werden. Pankreas-
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 32
fisteln können auch konservativ behandelt werden. Bei exokriner Pankreasinsuffizienz ist
die Gabe von Pankreasenzymen (z.B. Kreon) oral erforderlich. Nach ausgedehnten
Resektionen bzw. Nekrosen ist die Entstehung eines Diabetes mellitus möglich. Die
Prognose von Pankreaskarzinomen ist sehr schlecht, die 5-Jahresüberlebensrate liegt
unter 20%. Eine (Radio)Chemotherapie unter palliativer Intention kann die Prognose in der
Regel nicht verbessern.
(N)
Die Nachsorge dient zum einen der Behandlung von Komplikationen und Operationsfolgen.
Bei Pankreaskarzinomen wird Stadienabhängig eine Tumornachsorge durchgeführt. Die
Wirksamkeit einer adjuvanten/palliativen (Radio)Chemotherapie ist im Gegensatz z.B. zum
Rektumkarzinom nicht bewiesen. Daher sollte diese nur innnerhalb von Studien
durchgeführt werden.
(L)
Leitlinien zur Therapie des exokrinen Pankreaskarzinoms (1996) erarbeitet von den
Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen der
Deutschen Gesellschaft zur Chirurgie, Demeter Verlag, Stuttgart, Heft 5
Oettle H. Adjuvante Therapie des Pankreaskarzinoms. Zentralbl Chir 2003; 128:411-418
Leitlinien zur Therapie der akuten Pankreatitis (2000) erarbeitet von den
Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen der
Deutschen Gesellschaft zur Chirurgie, Demeter Verlag, Stuttgart, Heft 4
Mayerle J, Stier A, Lerch MM, Heidecke CD. Chronische Pankreatitis: Diagnostik und
Therapie. Chirurg. 2004; 75:731-747
Wullstein C, Bechstein WO. Akute Pankreatitis. Chirurg. 2004; 75:641-651
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 33
15. Gallenblase und Gallenwege
Th. Bönsch
(E)
Die Cholezystolithiasis stellt nach der Appendizitis die häufigste chirurgisch zu
behandelnde abdominelle Erkrankung dar. Mit einem Häufigkeitsmaximum um das 50.
Lebensjahr sind in Europa ca. 15-20 % der Bevölkerung vom Gallensteinleiden betroffen,
Frauen zwei- bis dreimal häufiger als Männer. Eine symptomatische Cholezystopathie liegt
vor, wenn wenigstens einmal stein- und/oder entzündungsbezogene Beschwerden
vorgelegen haben. Bei der Cholezystitis unterscheidet man die chronische von der akuten
Form. Beide stellen eine Operationsindikation dar. Praeoperativ sollte sonographisch oder
ggf.
durch
eine
endoskopische
retrograde
Cholangiographie
(ERC)
eine
Choledocholithiasis ausgeschlossen werden. Bei 1-2 % aller Eingriffe an den Gallenwegen
liegt ein Gallenblasenkarzinom, in 0,5-2% ein Gallengangskarzinom vor. Gallengangskarzinome im Bereich der Hepatikusgabel (Klatskin-Tumore) werden nach ihrer
Ausbreitung in vier Typen nach Bismuth eingeteilt. Die Hauptkomplikation der
Cholezystektomie (laparoskopisch oder konventionell) ist die Gallengangsverletzung. Ist
eine primäre Naht nicht möglich, oder entsteht eine Stenose, muß ggf. eine biliodigestive
Anastomose angelegt werden.
(D)
Asymptomatische Gallenblasensteinträger werden in 12 % zwei Jahre nach Diagnosestellung symptomatisch. Unspezifische Symptome sind Fettunverträglichkeit, Meteorismus, Übelkeit und Völlegefühl. Typisch sind rechtsseitige Oberbauchbeschwerden, bei
Abflußbehinderung das Auftreten von Koliken und Ikterus (Hautikterus, dunkelbrauner Urin,
heller Stuhl). Als Hinweis auf einen Tumor distal der Zystikusmündung gilt das CourvoisierZeichen (prall zu tastende Gallenblase, Ikterus). Typische Veränderungen der Laborwerte
sind: Leukozytose bei akuter Entzündung, Anstieg der Leberwerte - Cholestaseparameter
GGTP, AP und Bilirubin, Transaminasenerhöhung erst bei längerem Verschluß, ggf.
Erhöhung der Tumormarker CEA und Ca 19-9. Einen hohen Stellenwert hat die
Sonographie zum Nachweis der Cholezystolithiasis und zur Beurteilung der Wanddicke der
Gallenblase, ggf. kann ein Tumor oder eine Choledocholithiasis (Gangerweiterung) erkannt
werden. Besteht der praeoperative Verdacht auf ein posthepatisches Gallengangshindernis
erfolgt eine ERC zur Differenzierung zwischen Stein und Tumor. Mit Hilfe interventioneller
Verfahren können auch therapeutische Eingriffe wie Steinextraktion und Papillotomie oder
Stenteinlage erfolgen. Ist eine ERC nicht möglich (Stenose, Z.n. Magenresektion), kann
eine perkutane transhepatische Cholangiographie (PTC) oder nicht invasiv (ohne
therapeutische Option) eine MRC (Magnetresonanzcholangiographie) durchgeführt werden.
Bei unklarer Symptomatik sollten Gastroskopie (DD: Magenulkus) und bei Tumorverdacht
eine Computertomographie erfolgen.
(O)
Das Standardverfahren in der Behandlung des Gallensteinleidens ist die Cholezystektomie.
Diese erfolgt heute überwiegend laparoskopisch. Zunehmend wird auch die akute
Cholezystitis laparoskopisch operiert. Relative Kontraindikationen der laparoskopischen
Cholezystektomie sind stark eingeschränkte kardiale Leistungsfähigkeit, multiple
Voroperationen mit ausgedehnten Verwachsungen und Gerinnungsstörungen bei Leberzirrhose. Das Operationsprinzip beider Verfahren ist gleich, es wird die Einmündung des
Ductus cysticus in den Choledochus dargestellt und Arteria cystica und Ductus cysticus
durchtrennt. Anschließend wird die Gallenblase aus dem Leberbett herausgelöst. Liegt eine
Choledocholithiasis vor, erfolgt primär die ERC mit Steinextraktion und anschließend
frühelektiv die Cholezystektomie (therapeutisches Splitting). Beim Gallenblasenkarzinom
müssen stadienabhängig Leberteilresektion und Lymphadenektomie im Ligamentum
hepatoduodenale erfolgen. Das operative Vorgehen beim Gallengangskarzinom wird
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 34
entscheidend von dessen Lokalisation bestimmt (z.B. Hepatikusgabelresektion/Hemihepatektomie mit/ohne Pfortaderresektion bei hohem, Whipple`sche OP bei tiefem Sitz).
(N)
Nach Cholezystektomie sollten die Cholestaseparameter kontrolliert werden, um
Galleabflußbehinderungen frühzeitig zu erkennen. Radiologische Verfahren (CT/MRT,
ERC, MRC) werden postoperativ bei Verdacht auf eine Komplikation oder im Rahmen der
Tumornachsorge bei Karzinom eingesetzt. Der Wert diätischer Maßnahmen nach
Cholezystektomie ist nicht gesichert. Persistieren postoperativ die Beschwerden kann ein
Postcholezystektomiesyndrom vorliegen, jedoch müssen extrabiliäre Ursachen (Gastritis,
Hiatushernie, Refluxoesophagitis, Ulkus duodeni, Wirbelsäulenbeschwerden) zuvor sicher
ausgeschlossen werden.
(L)
Harder F. (Hrsg.): Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002
Siewert R.J. (Hrsg.): Onkologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2001
Lippert H.: Praxis der Chirurgie, Thieme, Stuttgart, 1998
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 35
16. Leber
K. Lorenz
(E)
Die Leber ist durch ihre zentralen Funktionen der Synthese, Speicherung, Metabolismus,
Ausscheidung und Entgiftung unentbehrlich. Die hohe Regenerationsfähigkeit erlaubt
Organresektionen bis zu 80% bei intakter Leistung des Restgewebes. Zeiträume zur
Regeneration von 3-6 Monaten können durch die hohe funktionelle Reserve überbrückt
werden. Operationsindikationen können bei Verletzungen, Entzündungen, Tumoren und bei
Leberzirrhose und portaler Hypertension bestehen. Chirurgische Resektionen orientieren
sich an der Gliederung der Leber nach Couinaud in 8 Segmente. Indikationen zur totalen
Lebertransplantation sind therapierefraktäre terminale Lebererkrankungen (Leberzirrhose,
Hepatitis), schwerstes Lebertrauma, nichtresektable Lebertumoren (hepatozelluläres
Karzinom (HCC)).
(D) Die klinische Diagnostik von Lebererkrankungen umfasst: 1. Anamnese: unspezifische
Allgemeinsymptome, Zeichen der Organgrößenzunahme mit Kapselschmerz, Kompression
anderer Organe mit Oberbauchschmerz, Aszites, Ikterus. 2. Laborchemie: Parameter der
Syntheseleistung, Speicherung, Metabolismus und Entgiftung (Gerinnungsparameter,
Transaminasen, Biliriubin, Ammoniak, Cholinesterase, GLDH); Tumormarker beim
primären hepatozellulären Karzinom (HCC) ist das alpha Fetoprotein (AFP). Das
karzinoembryonale Antigen (CEA) dient der Verlaufskontrolle von Lebermetastasen
gastrointestinaler Tumoren. Serologische Bestimmungen dienen der Zuordnung
entzündlicher und parasitärer Lebererkrankungen,. 3. Bildgebung: Morphologisch führende
Diagnostik ist die Sonographie, Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT). Spezielle Fragestellungen von Leber- und Gallenwegsprozessen zu
Dignität, Zuordnung, Ausdehnung und Operabilität erfordern eine Magnetresonanzangiographie (MRA) und Magnetresonanzcholangiopankreatikographie (MRCP) oder
invasive Splenoportographie. Die über 90% Treffsicherheit sonographie- oder CT-gestützter
Feinnadelpunktionen klärt viele suspekte Leberläsionen vor der definitiven Klärung über
explorative Laparoskopie oder Laparotomie und Probeentnahme (PE).
(O) Standardverfahren der Leberchirurgie sind Segmentresektion, Links- und Rechtshemihepatektomie und erweiterte Rechtshemihepatektomie. In atypischer oder WedgeResektion werden Leberläsionen befundorientiert ohne Berücksichtigung segmentaler
Grenzen exzidiert. Ziel der Operation bei primär malignen Lebertumoren (HCC,
cholangiozelluläres Karzinom (CCC), Hepatoblastom, Sarkom, Zystadenokarzinom) ist die
kurative Resektion mit einem der o.g. Standardverfahren. Palliative Maßnahmen sichern
den Galleabfluß (z.b. biliodiogestive Anastomose). Die in über 50% vorhandene
Leberzirrhose schränkt dies ggf. ein. Metastasen anderer Primärtumore werden mit einem
gesunden Parenchymsaum in bis zu 4 atypisch exzidiert. Bei mehr Metastasen kann ggf.
die intraoperative oder spätere Kombination mit lokal ablativen Verfahren (Radiofrequenz,
Chemookklusion, Alkoholinjektion) erwogen werden. Ein Lebertraumata mit
kreislaufwirksamer intraabdomineller Blutung erfordert die unverzögerte Laparotomie mit
dem Ziel der definitiven Blutstillung, Verschluß eröffneter Gallengänge und Entfernung
destruierten Gewebes. Bei massiver Blutung ist ggf. die Leberausklemmung vom Blutstrom
(Pringle-Manöver, Abklemmen infra- + suprahepatischer V.cava inf.) vorübergehend
notwendig. Chirurgisch unstillbare Blutung werden durch sog. „packing“ als externe
Kompression palliativ beherrscht. Geringradigere Traumata können mit Latenz
symptomatisch werden (sekundäre Ruptur Leberkapselhämatom, Gallefistel) und werden
nach Diagnostik gezielt operativ versorgt. Zur Behebung portaler Hypertension (Indikation
bei Child Klassifikation A+B) und ihrer Folgen (rezidivierende Ösophagus- und
Magenfundusvarizenblutung, Aszites, Splenomegalie, Hypersplenismus) dienen Shunt(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 36
Operationen. Die Entlastung der portalen Stauung in die V. cava erfolgt elektiv oder selten
notfallmäßig über Shunt-Operationen. Inkomplette Shunts (distal spleno-renal= WarrenShunt; spleno-renal=Linton-Shunt; mesenterico-caval=H-Shunt) haben den Vorteil der
niedrigeren Enzephalopathierate bei geringerer Drucksenkung und höherer Thromboserate
gegenüber kompletten Shunts (portocaval End zu Seit). Bei der sog. Sperroperation wird
am ösophagogastralen Übergang die Gefäßversorgung blutender Varizen unterbrochen,
ohne den portalen Überdruck zu entlasten. Leberabszesse mit bakterieller Superinfektion
erfordern ggf. die chirurgische Drainage. Symptomatische Leberzysten können durch
Größenzunahme eine Indikation zur Exzision sein. Parasitäre Zysten müssen unversehrt in
toto ausgeschält oder im Leberparenchym reseziert werden.
(N)
Die Nachsorge nach Leberoperationen gilt vorrangig der Kontrolle der Rest-Leberfunktion
und ihrer Perfusion. Die Laborchemie (s. (D)) zeigt diese an, im Zweifel können
Dopplersonographie oder MRA/MRCP erforderlich sein. Operative Komplikationen sind
Nachblutungen, Galleleckage, Lebernekrosen oder –abszeß. Ein kompletter Funktionsverlust kann eine Transplantation erforderlich machen. Bei primären Lebermalignomen
erfolgt eine reguläre Tumornachsorge und ggf. eine adjuvante Chemotherapie.
(L)
Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie
Primäre Leberkarzinome AWMF online
Harder F , Oertli D. Marti WR (2002). Gastroenterologische Chrirurgie. In: Siewert JR,
Harder F, Rothmund M. Praxis der Viszeralchirurgie, Springer Berlin
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 37
17. Milz
K. Lorenz
E)
Die Chirurgie der Milz umfaßt Verletzungen und hämatologische Erkrankungen. Prinzipiell
ermöglicht die segmentale Gefäßversorgung die Organerhaltung bei Verletzungen. Folgen
des Milzverlustes sind Infektanfälligkeit und Veränderungen des peripheren Blutbildes
sowie die Gefahr des overwhelming post splenectomy infection (OPSI)-Syndrom v.a. bei
Kindern). Hauptindikationen zur Splenektomie: 1. elektiv: idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP), Hypersplenismus, Metastasen (selten). 2. notfallmäßig: septischembolische Abszesse, sekundäre Abszesse. Der Erhalt von 25% Milzgewebe ist für eine
intakte Immunfunktion ausreichend. Bei elektiver Splenektomie sollte 2 Wochen präoperativ
eine Pneumokokken-Multivakzinierung erfolgen, bei Notfallsplenektomien frühestens 2
Wochen postoperativ. Lokale Prozesse der Milz (Primärtumor, Abszeß, Milzinfarkt, Zyste,
Metastase) sind selten und erfordern ggf. die chirurgische Sanierung. Septische
Erkrankungen bei splenektomierten Patienten bedürfen der sofortigen Antibiose.
(D)
Die Milz ist der klinischen Untersuchung nur bei pathologischer Vergrößerung zugänglich.
Vorrangig in der morphologischen Diagnostik sind die Sonographie und CT.
Hämatologische Erkrankungen werden über die entsprechenden Differentialblutbild- und
Knochenmarkuntersuchungen erfasst. Funktionell (Anreicherung, Extraktion) erfolgt eine
Beurteilung über die Szintigraphie mit Technetium 99-markierten Erythrozyten.
(O)
Sofern eine hämatologische Grunderkrankung durch die Splenektomie günstig beeinflusst
werden kann (Hyperspleniesyndom; Transfusionsbedarf) ist diese indiziert und erfolgt
bevorzugt laparoskopisch. Ist die Milz zur laparoskopischen Bergung zu groß, kann sie in
einem Spezialbergebeutel auch intraabdominell zerkleinert und geborgen werden
(Morcellement). Alternativ erfolgt die Splenektomie konventionell offen über eine obere
mediane Laparotomie oder einen links subkostalen Schnitt. Bei hämatologischen
Grunderkrankungen ist die Suche nach und Entfernung aller Nebenmilzen obligat. Beim
Milztrauma sollten diese hingegen erhalten werden. Wichtig ist die Schonung des
Pankreasschwanzes, um Pankreasfisteln zu vermeiden. Weitere Komplikationen stellen
Atelektasen der linken Lunge, Pleuraerguß und Pneumonie sowie subphrenischer Abszeß
dar.
(N)
Die Postsplenektomie-Thrombozytose splenektomierter Patienten bedingt ein erhöhtes
Thromboserisiko, weshalb niedermolekulares Heparin zur Thromboseprophylaxe gegeben
wird. Bei Thrombozytose > 1 Mill./mm3 sollte zusätzlich ein Thrombozytenaggregationshemmer verabreicht werden.
(L)
Harder F , Oertli D. Marti WR (2002). Gastroenterologische Chirurgie. In: Siewert JR,
Harder F, Rothmund M. Praxis der Viszeralchirurgie, Springer Berlin
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 38
18. Dünndarm
F. Thermann
(E)
Die häufigsten Erkrankungen des Dünndarmes mit Behandlungsindikation sind a) mit
akuter Behandlungsindikation der Darmverschluß (mechanisch oder paralytisch), der
Mesenterialgefäßverschluß (arteriell embolisch, venös thrombotisch) sowie traumatische
Verletzungen und b) mit elektiver Behandlungsindikation chronisch entzündliche
Darmerkrankungen (Morbus Crohn), (selten) benigne und maligne Tumoren, Dünndarmdivertikel sowie Gefäßmalformationen als Ursache einer gastrointestinalen Blutung.
(D)
Die Säulen der klinischen Diagnostik sind die Anamnese (Art der Beschwerden, Dauer der
Erkrankung, Häufigkeit des Auftretens, operative Anamnese), die klinische Untersuchung
(Inspektion, Palpation und Auskultation des Abdomens), laborchemische Parameter und invivo-Untersuchungen (Sonographie, Röntgen, Angiographie) sowie Schichtuntersuchungen
(MRT/CT). Als Besonderheit des Dünndarmes ist die Endoskopie, anders als beim Magen
und beim Dickdarm, nur eingeschränkt (sog. Enteroskopie bis max. 1m) möglich und spielt
daher eine untergeordnete Rolle in der Diagnostik. Neuerdings besteht aber die
Möglichkeit, via Kapselendoskopie (der Patient schluckt eine mit einer Kamera
ausgestatteten Kapsel) eine Inspektion des Dünndarmes zu ermöglichen, die Vorzüge der
Endoskopie (hohe Sensitivität und Spezifität, Möglichkeit der Biopsie) werden mit dieser
Methode nicht erreicht werden können.
(O)
Dünndarmeingriffe bedeuten in der Regel eine Resektion von Darmabschnitten. Als
grundsätzliches Prinzip bei operativen Interventionen im Bereich des Dünndarms gilt, daß
der erkrankte Darmabschnitt so radikal wie nötig und so sparsam wie möglich reseziert
wird. Das Resektionsausmaß wird von der Erkrankung bestimmt. Während bei benignen
Erkrankungen kurze Segmente reseziert werden können, erfordern maligne Prozesse (z.B.
Adenokarzinome, neuroendokrine Tumoren) die Mitentfernung des zughörigen Mesenterialstieles einschließlich der Lymphknoten. Neben einer Resektion sind die Strikturoplastik
(Operation von Engstellen ohne Resektion) beim M. Crohn, die Anlage von
Umgehungsanastomosen (meist als Palliativverfahren bei Peritonealkarzinose) oder eine
Ausleitung des Dünndarmes (Ileostoma) als „Schutz“ einer Dickdarmanastomose häufige
Eingriffe. Weiterhin werden Dünndarmschlingen im Rahmen anderer Operationen
(Gastrektomie, Whipple-Op) zur Wiederherstellung der Nahrungspassage (Ausschaltung
nach Roux-Y oder Interposition) verwendet. Ein Mesenterialarterienverschluß erfordert die
Embolektomie ggf. in Verbindung mit einer Resektion des ischämischen Darmsegmentes.
Komplikationen nach Dünndarmoperationen sind selten. Duodenalstumpfinsuffizienzen
treten mit 1-4% im Gegensatz zu Insuffizienzen von Anastomosen des Ösophagus (6-20%)
oder des Rektums (9-14%) deutlich seltener auf, auch Dünndarmstenosen (z.B. bei einer
Fußpunktanastomose) sind selten. Ein schwerwiegendes Problem stellt das sog.
Kurzdarmsyndrom als Folge ausgedehnter Dünndarmresektionen (M. Crohn, Mesenterialinfarkte) dar. Hier wird ggf. eine ergänzende lebenslange parenterale Ernährung notwendig,
Dünndarmtransplantationen sind Ausnahmesituationen vorgehalten. Auch Dünndarmfisteln
als Folge abdomineller Eingriffe können z.B. bei einer high-output-Fistel durch den hohen
Verlust an Flüssigkeit und Nährstoffen eine schwere Komplikation darstellen.
(N)
Die Nachsorge erfolgt entsprechend der Grunderkrankung durch den Gastroenterologen
bzw. den Hausarzt. Während bei Tumorerkrankungen regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen entsprechend den Empfehlungen/Leitlinien notwendig sind, um ein mögliches
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 39
Rezidiv frühzeitig zu erkennen, benötigen Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eine subtile medikamentöse Einstellung (Prednisolon, Salicylate, Immunregulatorische Substanzen), um einen erneuten Entzündungsschub zu vermeiden.
Patienten mit Mesenterialverschlüssen bedürfen einer internistisch/kardiologischen Abklärung der Embolieursache. Unter Umständen ist bei diesen Patienten eine dauerhafte
Antikoagulantientherapie notwendig.
(L)
Lippert H.: Praxis der Chirurgie, Thieme, Stuttgart, 1998
Siewert R.J.: Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 40
19. Dickdarm, Anus
F. Thermann
Dickdarm
(E)
Erkrankungen des Dickdarmes sind a) mit akuter Behandlungsindikation die Appendizitis,
welche die häufigste Ursache eines akuten Abdomens darstellt, der mechanische Ileus
sowie eine Kolonperforation und b) Erkrankungen mit elektiver Therapieindikation die
chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) sowie
Dickdarmtumoren. Im Gegensatz zum Dünndarm treten Tumoren vergleichsweise häufig
auf. Den größten Anteil (90%) machen hierbei sporadische Karzinome aus, welche sich aus
Adenomen entwickeln (Adenom-Karzinom-Sequenz). Zu erwähnen ist weiterhin die Gruppe
der vererbbaren Tumoren (familiäre adenomatosis coli (FAP), Hereditäres non polypöses
Colonkarzinom (HNPCC)) mit der Indikation zum Familienscreening und ggf. prophylaktischer Intervention.
(D)
Anamnese und körperliche Untersuchung sowie technischen Untersuchungsmethoden
(Sonographie, Röntgen, Kontrastmitteldarstellung, CT/MRT) sind zur Diagnosefindung
notwendig. Eine besondere Bedeutung hat die rektale Untersuchung, mit der ca. 20% aller
Dickdarmtumoren diagnostiziert werden können. Mit der Endoskopie (totale Koloskopie) ist
es möglich, den gesamten Dickdarm zu inspizieren, Biopsien zu entnehmen und kleine
Tumoren (Polypen, Adenome) in toto zu entfernen. Für den distalen Dickdarm stehen mit
der Sigmoideoskopie, der starren Rektoskopie sowie der Proktoskopie weitere einfach
durchzuführende Untersuchungsmethoden zur Verfügung.
(O)
Die Standardoperationen des Dickdarmes sind die Appendektomie (Appendizitis),
Hemikolektomie rechts oder links (z.B. bei Karzinomen in diesen Abschnitten),
Sigmaresektion (Sigmadivertikulitis), Rektumresektion (Karzinom des Rektum), Rektumexstirpation (Rektumkarzinom im unteren Drittel). Bei der FAP und Colitis ulcerosa kann
eine prophylaktischen bzw. therapeutische Proktokolektomie (vollständige Entfernung des
Dickdarms und des Rektums) indiziert sein, wobei eine Reservoirfunktion durch einen
ileoanalen Pouch (mit oder ohne protektive Ileostomaanlage) erreicht werden kann.
Grundsätzlich können alle genannten Operationen auch laparoskopisch ausgeführt werden.
Große Rektumadenome sowie Rektumkarzinome, die auf die Mukosa begrenzt (T1) und
gut differenziert (G1) sind, aber aufgrund ihrer Größe einer endoskopischen Abtragung
nicht zugänglich sind, können operativ via transanaler endkoskopische Mukosektomie
(TEM) reseziert werden.
Wichtigste Komplikation der Dickdarmresektion ist die Anastomoseninsuffizienz vor allem
im Bereich des tiefen Rektums (9-14%), weshalb hier im Zweifelsfall ein temporäres
Ileostoma oder Kolostoma vorgeschaltet wird. Weitere Komplikationen sind Wundinfektionen. Zur Minimierung solcher Infektionen werden Darmoperationen grundsätzlich
unter Single-shot Antibiose durchgeführt.
(N)
Die Nachsorge dient der Behandlung von Komplikationen bzw. Operationsfolgen und bei
Tumoren vor allem der Früherkennung und –behandlung von Lokal- und Fernrezidiven. Bei
Dickdarmkarzinomen wird, abhängig vom Tumorstadium, eine adjuvante Chemotherapie
durchgeführt, wobei der Zeitraum 6 Wochen post-Op nicht überschreiten sollte. Bei
Verdacht auf eine familiäre Erkrankung ist eine genetische Untersuchung zu empfehlen, um
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 41
betroffene Familienmitglieder engmaschig kontrollieren und ggf. frühzeitig behandeln zu
können. Patienten, die wegen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen operiert wurden,
werden gastroenterologisch weiterbehandelt. Nach Appendektomie wegen Appendizitis
bzw. Sigmaresektion bei Divertikulitis sind keine langfristigen Maßnahmen notwendig.
(L)
Lippert H.: Praxis der Chirurgie, Thieme, Stuttgart, 1998
Siewert R.J.: Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002
Anus
(E)
Die operative Therapie erfordert eine subtile Kenntnis des Sphinkterapparates. Erkrankungen des inneren Analbereiches sind Hämorrhoiden, Fisteln und perirektale
Abszesse. Zu den Erkrankungen des äußeren Analbereiches zählen neben Analthrombose,
Fissuren, Marisken, Fisteln und Analkarzinomen die venerischen Erkrankungen
(Analekzem, Condylom, Ulcus molle u.a.). Eine akute chirurgische Intervention ist bei der
Analthrombose und bei Abszessen der perianalen/perirektalen Region indiziert.
(D)
Neben Anamnese und körperlicher Untersuchung, welche die Inspektion und die rektale
Untersuchung erfordert, sind Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren wie
Kontrastmitteldarstellungen, Endosonographie und Schichtaufnahmen (CT, MRT)
ergänzende diagnostische Methoden. Die Proktorektoskopie ermöglich eine Inspektion des
inneren Analbereiches bzw des. Rektum. zusätzlich ist eine Biopsie möglich. Da
Erkrankungen der Perianalregion im Rahmen anderer Erkrankungen auftreten können
(chronisch entzündliche Darmerkrankungen, immunsuppressive Erkrankungen und Therapien), sind bei rezidivierend auftretenden Symptomen weitergehende Untersuchungen
notwendig.
(O)
Standardoperationen im Anorektalbereich sind Hämorrhoidektomie, Spaltung perianaler/perirektaler Abszesse, Fissurektomie, Entlastung einer Analthrombose sowie die
Resektion gutartiger Tumoren (Condylome, Marisken). Perianale Fisteln, welche je nach
Verlauf als subkutane, intersphinktere oder transsphinktere Fisteln bezeichnet werden,
werden operiert, wenn eine konservative Therapie (Fadendrainage) erfolglos war. Je nach
Fistelverlauf wird eine vollständige (subkutane Fistel) oder partielle (inter-/transsphinktere
Fisteln) Exzision durchgeführt. Zusätzlich kann eine Fibrininverklebung indiziert sein.
Bösartige Tumoren werden mittels Radiochemotherapie behandelt. Für die häufigste
Operation, die Hämorrhoidektomie, sind verschiedene operative Vorgehensweisen möglich,
neben der Hämorrhodektmoie nach Miligan Morgan sind die Verfahren der
Gummibandligatur und der Staplerhämorrhoidektomie nach Longo zu nennen. Risiken
betreffen Verletzungen des Sphinkterapparates und Nachblutungen.
(N)
Eine regelmäßige Nachsorge entsprechend der Leitlinien erfordern alle malignen Tumoren.
Alle übrigen Erkrankungen benötigen keine weiteren Maßnahmen. Eine weitere Betreuung
ist dann notwendig, wenn rezidivierende Fisteln oder ein M. Crohn zugrunde liegen.
(L)
Lippert H.: Praxis der Chirurgie, Thieme, Stuttgart, 1998
Siewert R.J.: Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 42
20. Neuroendokrine Tumoren des gastroenteropankreatischen
Systems
O. Gimm
(E)
Neuroendokrine Tumoren (NET) des gastro-entero-pankreatischen (GEP) Systems sind
seltene Tumoren, welche aus neuroendokrinen Zellen endodermalen Ursprungs
hervorgehen und durch Hormone, die sie synthetisieren und sezernieren, charakterisiert
werden (z.B. Insulinom, Gastrinom). Im Wesentlichen entspricht das neuroendokrine
Zellsystem dem „APUD“-Zellsystem von Pearse. Entsprechend ihrem embryologischen
Ursprung werden GEP-NET in Tumoren des „foregut“-(Magen, Duodenum, oberes
Jejunum, Pankreas), „midgut“-(unteres Jejunum, Ileum, Appendix, Coecum) und „hindgut“(Kolon, Rektum) eingeteilt. Neben den zellspezifischen Hormonen wie Insulin, Gastrin,
Glukagon, vasoaktives intestinales Polypeptid (VIP), Serotonin gelten als allgemeine
neuroendokrine Marker Chromogranin A, Synaptophysin und die neuronenspezifische
Enolase (NSE).
(D)
Bezüglich der Diagnostik sind Kenntnisse der Hormonsekretion und der durch sie
verursachten Symptome entscheidend, wobei generell funktionelle (hormonaktive) und
nicht-funktionelle (hormoninaktive) Tumoren unterschieden werden. Nicht-funktionelle
Tumoren werden auf Grund der fehlenden hormonellen Symptomatik oftmals erst in einem
fortgeschrittenen Stadium und dann meist wegen lokaler Beschwerdesymptomatik
diagnostiziert. Bei funktionellen Tumoren ist die durch die sezernierten Hormone
verursachte Symptomatik wegweisend. Insulinom (Pankreas): Hypoglykämische Anfälle
(Verwirrtheit, Bewusstseinsstörung), Blutzucker <40 mg/dl, Besserung auf Glucosegabe
(Whipple-Trias); Gastrinom (Pankreas, Duodenum, Magen); Synonym: Zollinger-EllisonSyndrom): Oberbauchschmerzen (Säurehypersekretion mit Ulcera duodeni (oft) und Ulcera
ventriculi (selten), Refluxkrankheit), (wässrige) Diarrhöen; Glukagonom (Pankreas):
Diabetes mellitus, Diarrhö, Kachexie, nekrolytisch-migratorisches Exanthem; VIPom
(Pankreas): wässrige Stühle (watery diarrhea), Hypokaliämie, Hypochlorhydrie (WDHHSyndrom); Somatostatinom (Pankreas): Cholezystolithiasis (Hemmung der Gallenblasenkontraktion), Diarrhö/Steatorrhö (Hemmung der Pankreassekretion), Diabetes
mellitus (Hemmung der Insulinsekretion). Die meisten NET des Dünndarms sind gut
differenzierte Serotonin-produzierende EC (Enterochromoaffin)-Zell-Tumoren (EC-ZellKarzinoide), NET der Appendix werden meist inzidentell im Rahmen einer Appendektomie
entdeckt, NET des Kolons sind extrem selten, im Rektum häufiger. Bei Lebermetastasen
kann eine Flush-Symptomatik (Karzinoid-Syndrom) auftreten. Laborchemisch sollte 5Hydroxyindolessigsäure (5-HIES) im Urin, Serotinin und Chromogranin A in Plasma
bestimmt werden. GEP-NET können sporadisch und dann in der Regel solitär oder familiär
und dann multipel auftreten. Die meisten familiären GEP-NET treten im Rahmen einer
multiplen endokrinen Neoplasie Typ 1 (MEN 1) auf. Eine Mutationsanalyse des MEN 1Gens ist in diesen Fällen erforderlich. Bezüglich der Lokalisation von GEP-NET gibt es
deutliche Unterschiede in Abhängigkeit vom endokrinen Tumortyp (z.B. Insulinome nur im
Pankreas; Gastrinome im Pankreas, Duodenum und Magen). Generell stehen zur
Lokalisationsdiagnostik folgende Verfahren zur Verfügung: endoskopische, sonographische
(Endosonographie, transabdominelle/intraoperative Sonographie), bildgebende Verfahren
(CT, MRT), Positronenemissionstomographie (PET), Somatostatinrezeptorszintigraphie
(SRS), selektive arterielle Calcium/Sekretin Injektion (SACI bei Insulinomen/SASI bei
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 43
Gastrinomen). Die Malignitätsrate von GEP-NET ist sehr unterschiedlich: Insulinome <5%,
Gastrinome 60-90%, Glukagonome >60%, VIPome 40-60%, Somatostatinome >75%.
(O)
Wegen der meist günstigeren Prognose von NET gegenüber den Karzinomen sollte wenn
immer technisch möglich eine Primärtumorresektion, bei Metastasen auch eine Metastasenresektion versucht werden. Metastasen treten bei GEP-NET allerdings meist multipel
auf, so dass dann eine Chemotherapie oder, bei multiplen Lebermetastasen lokale
Destruktionsverfahren (Chemotherapie, Thermoablation etc.) indiziert sind. In seltenen
Fällen kann bei Lebermetastasen und Ausschluss extrahepatischer Metastasen auch eine
Lebertransplantation indiziert sein. Bei benignen sporadischen Tumoren des Pankreas ist
eine Enukleation oft ausreichend. Bei familiären Tumoren (MEN 1) sind wegen der oft
multiplen Tumoren meist Resektionen erforderlich. Bei malignen Tumoren wird bei GEPNET entsprechend den Standards onkologischer Resektionsverfahren des jeweiligen
Organs verfahren (z.B. Gastrektomie bei malignen NET des Magens, Duodenopankreatektomie bei malignen NET des Pankreaskopfes). Eine systemische Therapie ist
bei nicht-resektablen Primärtumoren bzw. Metastasen erforderlich (Karzinoid-Syndrom:
Somatostatinanaloga, Interferon-α, Loperamid bei Diarrhö; Zollinger-Ellison-Syndrom:
Protonenpumpeninhibitoren (z.B. Omeprazol, Pantoprazol); Insulinom: Diazoxid).
Postopeativ erfolgt bei Vorliegen von Darmanastomosen bis zur Anastomosenheilung eine
parenterale Ernährung. Bis zum enteralen Kostaufbau kann zur „Ruhigstellung“ des
Pankreas ein Octreotidanalogon (z.B. Sandostatin) s.c. gegeben werden. Anastomoseninsuffizienzen müssen in der Regel operativ revidiert werden. Pankreasfisteln
können oftmals auch konservativ behandelt werden. Bei exokriner Pankreasinsuffizienz ist
die Gabe von Pankreasenzymen (z.B. Kreon) oral erforderlich. Bei ausgedehnten
Resektionen ist die Entstehung eines Diabetes mellitus möglich.
(N)
Die Nachsorge dient neben der Behandlung von Komplikationen und Operationsfolgen dem
Nachweis des Operationserfolges bzw. der Diagnostik und Therapie von Rezidiven. Bei
Vorliegen von Fernmetastasen muss generell zwischen einer Resektion bzw. einer
Chemotherapie entschieden werden. Bei funktionellen NET kann sich diese an dem
entsprechendem Hormon orientieren. Bei nicht-funktionellen Tumoren ist vor allem der
unspezifische Marker für NET Chromogranin A zu bestimmen. Bei postoperativ weiterhin
bzw. im Laufe der Nachsorge erneut erhöhten Hormonwerten ist wieder eine
Lokalisationsdiagnostik durchzuführen und ggf. eine Reoperation durchzuführen. Beim
Nachweis einer familiären Form im Rahmen eines MEN 1-Syndroms sind die Angehörigen
auf die spezifische Mutation im MEN 1-Gen zu untersuchen, um bei positivem Befund bei
allen Mutationsträgern ein zeitgerechtes Screening bezüglich der mit einem MEN 1Syndrom einhergehenden Erkrankungen (z.B. Hypophysenadenome, primärer
Hyperparathyreoidismus, endokrine Pankreastumoren) zu veranlassen. Wichtig ist, dass
nach einer Gastrektomie die regelmäßige parenterale Gabe von Vitamin-B12 erforderlich
ist.
(L)
Ahlman, H., et a.: Endokrine Tumoren des gastroenteropankreatischen Systems. In:
Rothmund, M.: Praxis der Viszeralchirurgie. Springer 2000:445-553
Neuroendokrine Tumoren. Der Onkologe 2004;10:Band 6
Leitlinien zur chirurgischen Therapie von neuroendokrinen Tumoren des gastro-enteropankreatischen Systems (2002) erarbeitet von den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen
Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft zur Chirurgie,
Demeter Verlag, Stuttgart, Heft 3
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 44
21. Nebennieren, Paraganglien
H. Dralle
(E)
Die Nebennieren (NN) und sympathischen Paraganglien (SPG) umfassen 2 embryologisch
anatomisch und funktionell zu unterscheidende, jedoch beide für die Streßanpassung des
Organismus wesentliche Organsysteme: die aus dem Mesoderm hervorgegangene, zonal
gegliederte, Steroidhormone bildende Nebennierenrinde (NNR), und das aus dem
Neuroektoderm hervorgegangene sympathoadrenale System des Nebennierenmarks
(NNM) und der sympathischen Paraganglien (SPG), das Katecholamine synthetisiert
(NNM: überwiegend Adrenalin, SPG: nahezu ausschließlich Noradrenalin). Im Gegensatz
zum Ausfall des NNM kann der Ausfall der NNR-Funktion (z. B. nach bilateraler
Adrenalektomie) nicht endogen kompensiert werden. SPG treten sowohl sporadisch, dann
meist solitär als auch multipel im Rahmen hereditärer Tumorsyndrome (MEN 1, MEN 2,
VHL u. a.) auf. Hauptindikationen zur Operation sind meist benigne, selten maligne
Tumoren ohne oder mit Hormonüberfunktionssyndrom (Cushing-Syndrom, primärer Hyperaldosteronismus, Tumoren mit Femininisierung/Virilisierung, Phäochromozytom/Paragangliom). Das operative Komplikationsrisiko bei Operationen der NN und SPG ist in
hohem Maße von der Tumorgröße und Lokalisation sowie einer ggf. vorhandenen Stoffwechselstörung abhängig. Bei Überfunktionssyndromen ist daher eine rekompensierende
perioperative medikamentöse Therapie entsprechend der im Einzelfall vorliegenden
Stoffwechselstörung erforderlich.
Tumoren der Nebennierenrinde
(D)
NN-Tumoren können unabhängig von ihrer Dignität hormonell inaktiv oder hormonell aktiv
sein, auch sog. borderline-Situationen sind möglich (grenzwertige Überfunktion mit
beginnender Suppression des normalen ipsi- und kontralateralen NN-Gewebes). Eine
endokrine Funktionsdiagnostik vor allen Operationen an der Nebenniere wegen primärer
Tumoren ist daher obligat. Bei endokrinen Überfunktionssyndromen (s. o.) erfolgt zunächst
die endokrinologische Funktionsdiagnostik, erst im Anschluß die bildgebende Lokalisation.
Besondere Bedeutung hat diese Schrittfolge beim Cushing-Syndrom, bei dem erst durch
die endokrinolgische Differentialdiagnostik (Dexamethasontest, CRH-Test) ein sog.
zentrales Cushing-Syndrom (M. Cushing) von einem ektopen oder peripheren, primär
adrenalen Cushing-Syndrom zu unterscheiden ist. Die klinische, laborchemische und
morphologische Differentialdiagnostik bei primären und sekundären adrenalen Störungen
ist den einschlägigen Lehrbüchern zu entnehmen. Nebennierenkarzinome sind häufig
hormoninaktiv oder weisen eine charakteristische "Mischsymptomatik" (Cushing-Symptome
und virilisierende Symptome) auf.
(O)
Standardverfahren ist die totale unilaterale Adrenalektomie mit Tumorentfernung. Beim
zentralen und ektopen Cushing-Syndrom erfolgt bei gegebener Indikation (erfolglose oder
nicht mögliche Primärtumorentfernung) eine totale bilaterale Adrenalektomie. Bei
fortgeschrittenem metastasierten NNR-Karzinom wird ggf. eine alleinige palliative
Chemotherapie durchgeführt. Benigne, kleine (< 6 cm), solitäre oder multiple, uni- oder
bilaterale NN-Tumoren werden heute transabdominell-laparoskopisch oder retroperitonealendoskopisch entfernt. Bei größeren Tumoren oder Malignitätsverdacht erfolgt ein
konventionell-offenes Vorgehen transabdominell oder bei besonders großen Tumoren ohne
oder mit Cavathrombose jenseits des Zwerchfells auch thorakoabdominell. Die
Adrenalektomie beim Cushing-Syndrom erfordert stets eine intra- und postoperative
Cortisolsubstitution. Beim bilateralen primären Hyperaldosteronismus ist eine Operationsindikation im Gegensatz zum unilateralen Adenom nur ausnahmsweise gegeben
(asymmetrische Hyperplasie). Postoperative Komplikationen betreffen metabolisch
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 45
bedingte Störungen bei Überfunktionssyndromen (insbesondere Hypercortisolismus), aber
auch allgemeine Komplikationen (Nachblutung, kardiopulmonal, Darmatomie), vor allem
nach ausgedehnten Tumoroperationen.
(N)
Die Nachsorge bei adrenokortikalen Tumoren ist tumor- und syndromspezifisch. Beim
primären Hyperaldosteronismus tritt postoperativ in ca. 10 – 20 % keine Normalisierung des
Hypertonus auf. Beim unilateralen Cushing-Syndrom ist mit einer Erholung der
supprimierten kontralateralen Nebenniere erst nach mehreren Monaten zu rechnen, daher
sind entsprechende Kontrollen des Regelkreises und der endogenen Cortisolsekretion
erforderlich. Beim NNR-Karzinom kommen insbesondere nach R1/2-Resektion und bei
Metastasen Chemotherapeutika und/oder Adrenostatika (Ketokonazol, Metyrapon,
Aminogluthetimid) zum Einsatz. Das selektiv adrenotoxisch wirkende Mitotane (Lysodren)
wirkt spiegelabhängig, ist allerdings dosisabhängig häufig mit erheblichen Nebenwirkungen
belastet, so daß der Einsatz dieser wirkungsvollen Substanz nicht immer möglich ist.
Tumoren des Nebennierenmarks und der Paraganglien
(D)
Die häufigsten Tumoren des sympathoadrenalen Systems (Nebennierenmark und
sympathische Paraganglien) sind Katecholamin-sezernierende Phäochromozytome (PCC)
(sog. "10 %-Tumor": 10 % familiär, bilateral oder extraadrenal). Typische Symptome sind
Hypertonie (> 90 %, paroxysmal oder permanent), Kopfschmerzen, Tachykardie, Schwitzen
etc. Gelegentlich werden Phäochromozytome allerdings auch zufällig entdeckt; da trotz
Asymptomatik bei der Adrenalektomie ohne präoperative Alpharezeptorenblockade
hypertensive Krisen auftreten können, ist dies das Hauptargument für die obligate
präoperative endokrinologische Diagnostik bei allen, d. h. auch den klinisch
asymptomatischen NN-Tumoren. Laborchemisch werden PCC's durch Bestimmung der
Katecholamine im 24-Stunden-Sammelurin mit hoher Sicherheit (Sensitivität 90 – 95 %)
diagnostiziert. Die bildgebende Diagnostik erfolgt mit Sonographie, CT oder MRT. Bei
Verdacht auf extraadrenale PCC's oder Metastasen kann die MIBG-Szintigraphie zur
Lokalisation eingesetzt werden. Da PCC's in ca. 10 % Organmanifestationen einer
hereditären syndromatypischen Erkrankung sind (MEN 2, von Hippel-Lindau,
Neurofibromatose, u. a.), sollte die klinische und ggf. molekulargenetische präoperative
Diagnostik vor allem bei bilateralem Befall und extraadrenaler Lokalisation diese
Erkrankungsmanifestationen abklären; sie haben auf das operative Vorgehen insbesondere
bei der MEN 2-Erkrankung einen wesentlichen Einfluß.
(O)
Vor jeder Phäochromozytomoperation ist eine möglichst hochdosierte Alpharezeptorenblockade (Beginn mit 4 x 5 mg Dibenzyran in täglich langsam steigender Dosierung)
obligat, um intra- und postoperativ Kreislaufdekompensationen zu vermeiden. Bei fehlender
Vorbehandlung verliefen früher Phäochromozytomoperationen nicht selten tödlich. Das
operative Vorgehen ist bei sporadischen und nicht-MEN2-Phäochromozytomen unterschiedlich: Bei sporadischen PCC's erfolgt eine totale unilaterale Adrenalektomie, da
kontralaterale PCC's praktisch nicht vorkommen und maligne PCC's häufiger sind, als bei
MEN 2-PCC's. Beim MEN 2-PCC sind dagegen multifokale Tumoren, in ca. 1/3 auch
synchron bilaterale Tumoren, häufig, maligne PCC's jedoch selten (< 5 %). Während früher
bilaterale totale Adrenalektomien beim MEN 2-PCC bevorzugt durchgeführt wurden, wird
heute ein organerhaltendes Vorgehen (subtotale Adrenalektomie) empfohlen, um dem
Patienten eine adrenokortikale Substitutionspflicht zu ersparen. Das Rezidivrisiko ist bei
diesem Vorgehen allerdings höher und erfordert somit eine regelmäßige Nachsorgediagnostik. Bei malignen PCC's ist das operative Vorgehen wie beim NNR-Karzinom.
(N)
Die Nachsorge beim Phäochromozytom sollte immer unter endokrinologischer Kontrolle
erfolgen, da Rezidive auch beim solitären benignen PCC wegen der bisweilen schwierigen
pathohistologischen Dignitätsbestimmung im Langzeitverlauf auftreten können (ca. 10 %).
Die postoperative Therapie beim R1/2-resezierten und metastasierten PCC umfasst
medikamentöse (Chemotherapie, Antihypertensiva) und ggf. radiotherapeutische Verfahren
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 46
(MIBG-Therapie bei Metastasen mit MIBG-Speicherung, Strahlentherapie zur lokalen
Tumorkontrolle).
(L)
Leitlinien zur chirurgischen Therapie von Nebennierenerkrankungen (2000) erarbeitet von
den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen
der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Demeter Verlag, Stuttgart; Heft 4
Rothmund M (Hrsg): Endokrine Chirurgie, Springer, Berlin, 2000, 331 - 443
Lehnert H (Hrsg.): Rationelle Diagnostik und Therapie in Endokrinologie, Diabetologie und
Stoffwechsel, Thieme, Stuttgart, 2003, 137 – 177
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 47
22. Hernien
B. Irmscher
(E)
Hernien gehören zu den häufigsten chirurgischen Erkrankungen. So werden allein in
Deutschland jährlich ca. 150.000 Brüche der Leistenregion operiert. Zum Verständnis der
Pathophysiologie sind detaillierte Kenntnisse des anatomischen Aufbaus der Bauchwand
(äußere Hernien) sowie der inneren Auskleidung der Bauchhöhle mit ihren Hohlräumen und
Lücken (innere Hernien) notwendig. Die Einteilung der Hernien richtet sich nach
Lokalisation der Bruchpforte (laterale u. mediale Leistenhernie, Schenkelhernie, Nabelhernie, epigastrische Hernie, Narbenhernie, parastomale Hernie und sehr selten Spieghelhernie, Hernia lumbalis), der Reponibilität des Bruchsackinhaltes (reponibel, irreponibel,
inkarzeriert), des Entstehungszeitpunktes (angeboren, erworben). Während sich bei den
meisten Hernien eine vollständige peritoneale Auskleidung (Bruchhüllen) als innerste
Schicht des Bruchsackes findet, bilden bei den Gleitbrüchen der Leistenregion Anteile von
retroperitonealen Organen (Zökum, Sigma, Blase) eine Wand des Bruchsackes.
(D)
Die Symptomatik der äußeren Hernie ist gekennzeichnet durch eine Vorwölbung der
Weichteile mit und ohne Schmerzen, die meist bei Belastung (Bauchpresse, Husten)
deutlicher hervortritt ; bei Einklemmung treten heftige lokale Schmerzen bei irreponibler
Vorwölbung und Zeichen des mechanischen Ileus (Strangulationsileus, s. dort) hinzu.
Innere Hernien werden entweder zufällig bei sorgfältiger Exploration der Bauchhöhle im
Rahmen anderer Operationen diagnostiziert oder führen unter der Diagnose eines
mechanischen Ileus zur Notfalllaparotomie. Zur Diagnostik einer Hernie führen in erster
Linie eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung der präformierten Regionen
im Stehen und Liegen (Betätigung der Bauchpresse). Die B-Bild-Sonografie kann in
fraglichen Fällen zum Einsatz kommen. CT- und Kontrastmitteldarstellungen sind
bestimmten, seltenen Fragestellungen vorbehalten (Hernie permagna, symptomatische
Hernien u. a.).
(O)
Eine Heilung des Hernienleidens ist nur durch Operation möglich, deshalb gilt eine OPIndikation für prinzipiell alle Hernien, lediglich bei schweren Allgemeinerkrankungen,
dekompensierter Herzinsuffizienz, dekompensierter Leberzirrhose, fortgeschrittenem
Tumorleiden besteht eine Kontraindikation. Bei Einklemmung (Inkarzeration) muß
notfallmäßig operiert werden. Präoperativ müssen die Patienten über das operative
Vorgehen und typische Komplikationsmöglichkeiten, Wundkomplikationen, Rezidive,
Nervenirritation, besonders im Leistenbereich, Hodenschwellung bzw. Atrophie, Verlust des
Nabels u. a. aufgeklärt werden. Eine konservative Behandlung (Bruchbänder, Bandagen)
ist obsolet und verschlechtert meist die lokale Situation (Hautirritation, Verwachsungen,
Bauchdeckeninsuffizienz). Grundprinzip aller Hernienchirurgie, die je nach Befund in
Lokalanaesthesie oder Allgemeinanästhesie vorgenommen wird, sind Bruchsackdarstellung, Versorgung des Bruchinhaltes, Abtragung des Bruchsackes bzw. Reposition
und Verschluß der Bruchlücke (Nahtverfahren mit und ohne Augmentation durch
Kunststoffnetze). Für Leistenhernien sollte heute ein differenziertes Behandlungskonzept,
welches Alter, Geschlecht und Hernientyp (Klassifikation nach Nyhus, Aachener
Klassifikation) berücksichtigt, angeboten werden: Anteriore Nahtverfahren (Shouldice)
bei kleinen Defekten und jungen Patienten, laparoskopische Netzapplikation (transabdominell, TAPP oder total extraperitoneal, TEP) bei Männern im mittleren Lebensalter, bei
Rezidiven und Patientenwunsch sowie eine anteriore Netzapplikation (tension-free-repair
nach Lichtenstein) bei älteren Patienten mit kombinierten Hernien und schlaffen
Bauchdecken. Letzteres Verfahren ist gut in Lokalanaesthesie und ambulant durchführbar.
Für Narbenhernien mit Rezidivraten um 15 % wird heute nur für kleine Defekte (weniger als
5 cm Durchmesser) ein Nahtverfahren mit oder ohne Plastik angewandt, größere Defekte
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 48
erfordern eine Netzverstärkung (IPOM, intraperitoneal onlay mesh, sublay, extraperitoneal
unter der Muskulatur, oder onlay, auf der vernähten Fascie epifascial).
(N)
Bei Einbringung von Kunststoffnetzen verabreichen wir eine Single-shot-Antibiotikumprophylaxe, bis zur vollständigen Mobilisation erhalten auch Hernienoperierte eine
medikamentöse Thromboseprophylaxe, Wundsaugdrainagen werden bei ausgedehnten
Präparationsflächen (Narbenhernien) für wenige Tage eingelegt. Die postoperative
Belastungsfähigkeit hängt ab von Herniengröße, Konstitution und Versorgungsart. Während
nach laparoskopischen Leistenhernienoperationen sehr schnell eine volle Belastung bis hin
zu sportlicher Betätigung möglich ist, empfehlen wir sonst eine körperliche Schonung unter
Vermeiden schweren Hebens für mindestens ¼ Jahr.
(L)
Schumpelick V u. M.: Therapie der Leistenhernie, Teil I und II, Zbl. Chir. 2001; 126: W 35 –
40, W 41 – 47
Jähne J.: Chirurgie der Leistenhernie, Chirurg 2001; 72: 456 – 471
Bittner R u. M. (Ed.): Reparation der Narbenhernie, Chir. Gastroenterologie 2003; 19
(suppl. 2)
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 49
23. Akutes Abdomen, Peritonitis, Ileus
T. Sutter
Akutes Abdomen, Peritonitis
(E)
Charakteristisch für ein akutes Abdomen sind heftige Bauchschmerzen, Abwehrspannung
als Zeichen der Peritonitis, Änderungen der Darmmotilität, im Spätstadium einhergehend
mit Volumenmangel- und/oder septischem Schock. Typische Ursachen sind die
Organperforation, traumatisch, iatrogen oder entzündlich (Ulkus, Sigmadivertikulitis)
bedingt, Blutungen in die Bauchhöhle (Leber- oder Milzruptur, frei perforiertes
Aortenaneurysmas) oder eine akute Pankreatitis, welche ebenso wie die seltene Porphyrie
primär internistisch therapiert wird.
(D)
Vom parietalen Peritoneum ausgehende somatische Schmerzen sind genau lokalisierbar
(Appendizitis, Mc Burney), die lokale Peritonitits bewirkt reflektorisch eine
Abwehrspannung, während der viszerale Schmerz diffus, z. B. in den Rücken (Pankreatitis),
ausstrahlt. Abwehrspannung als Zeichen einer lokalisierten bzw. diffusen Peritonitis, stellt
per se eine Operationsindikation dar. Ferner wird zwischen akut einsetzendem Schmerz
(Magenperforation) und kolikartigem Schmerz (Gallekoliken, mechanischer Ileus)
unterschieden. Neben den Entzündungsparametern (Leukos, CRP) werden Hämoglobin
(Blutung), Laktat (Mesenterialischämie) und Pankreasenzyme sowie Calcium (Pankreatitis)
bestimmt. Ferner sind eine Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen oder in Linksseitenlage
(freie Luft, Dünndarmspiegel ?) sowie eine Thoraxaufnahme (freie Luft subphrenisch ?,
Pleurergüsse ?, OP-Vorbereitung) erforderlich. Die abdominelle Sonographie weist ggf. auf
freie Flüssigkeit (Morrison-Pouch), eine Appendizitis (Kokarden-Phänomen) oder auf eine
akute Cholecystitis (Dreischichtung der Wand) hin. Akute Pankreatitis und Sigmadivertikulitis müssen mittels Computertomographie abgeklärt werden. Ein akuter
Harnverhalt bei Prostatahyperplasie oder neurogener Blasenentleerungsstörung ist
differentialdiagnostisch auszuschließen.
(O)
Das akute Abdomen stellt in der Regel eine dringliche Op-Indikation dar. Patienten mit
akuter Pankreatitis werden erst bei Nachweis ausgedehnter Nekrosen, Abszedierungen und
Auftreten eines septischen Organversagens operiert. Operationszugang ist die mediane
Laparotomie, unabhängig vom Vorliegen anderer, z. B. paramedianer, Schnittführungen.
Bei der nekrotisierenden Pankreatitis wird davon abweichend eine quere
Oberbauchlaparotomie durchgeführt. Im Ileus ist der Patient immer über die mögliche
Anlage eines Stomas aufzuklären. Eine diffuse, alle 4 Quadranten betreffende, Peritonitis,
insbesondere eine kotige (Kolonperforation) Peritonitis, erfordert ebenso wie die
Nekrosektomie des Pankreas eine programmierte Bauchspülung (Lavage) mit
zwischenzeitlich provisorischem Bauchdeckenverschluß.
(N)
Die Prognose ist abhängig von Ursache (gallig versus kotig) und Ausdehnung der
Peritonitis (lokalisiert versus diffus) sowie von allgemeinen Risikofaktoren des Patienten
(Alter, kardio-pulmonales Risiko, Tumorleiden). Prognostisch besonders ungünstig sind die
nekrotisierende Pankreatitis (Letalität 40 %) und der Mesenterialinfarkt (Letalität 80 %).
Ileus
(E)
Ileus bezeichnet eine Transportstörung des Darms mechanischer (> 80 %) oder
funktioneller (paralytischer Ileus, 20 %) Ursache. Tumoren, Verwachsungen, Fremdkörper,
selten auch durch Penetration in das Duodenum gelangte Gallensteine, inkarzerierte
Hernien, die Drehung einer Darmschlinge (Volvulus) oder Dünndarminvaginationen verur-
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 50
sachen einen mechanischen Ileus. Nach Ausprägung und Lokalisation wird ein kompletter
von einem inkompletten Ileus, respektive ein hoher von einem tiefen Dünndarmileus bzw.
von einem Dickdarmileus unterschieden. Ein kompletter Ileus führt unbehandelt zur
Ileuskrankheit mit Flüssigkeits- und Elektrolytverschiebungen, einer Translokation von
Darmkeimen und in der weiteren Folge zum Mehrorganversagen.
(D)
Leitsymptome und typische klinische Befunde sind rezidivierendes Erbrechen (gallig,
fäkulent), Stuhl- und Windverhalt, krampfartige Bauchschmerzen, Darmsteifungen,
meteoristische Auftreibung des Abdomens, klingende, hochgestellte Darmgeräusche
(mechanischer Ileus) oder Totenstille (paralytischen Ileus). Daneben weisen vorliegende
Narben nach abdominellen Eingriffen (Bridenileus) und Hernien (Inkarzeration) auf eine
mögliche Ursache eines mechanischen Ileus hin. Die Abdomenübersichtsaufnahme im
Stehen oder in Linksseitenlage zeigt überdehnte Dünndarmschlingen bzw. je nach
Lokalisation des Passagehindernisses einen überblähten Kolonrahmen und
Spiegelbildungen. Ist das Zökum in der Abdomenübersichtsaufnahme über 10 cm
distendiert, besteht Perforationsgefahr. Die Gabe eines wasserlöslichen Kontrastmittels
(Gastrografin) bedarf höchster Vorsicht, da hyperosmolare Lösungen zu weiteren
Flüssigkeitsverschiebungen und beim mechanischen Ileus zur Verstärkung der Peristaltik
führen. In der Paralyse ist die Transitzeit des Kontrastmittels verzögert (> 5 Stunden). Bei
Verdacht auf einen mechanischen Kolonileus kann Gastrografin per anal (Kontrasteinlauf)
verabreicht werden, um die Stenose zu lokalisieren.
(O)
Ein kompletter mechanischer Ileus stellt eine dringliche Operationsindikation dar. Vor der
Intubation sollte eine Magensonde zur Aspirationsvermeidung und Entlastung gelegt
werden. Bei schwerer metabolischer Entgleisung ist der Patient ggf. intensivmedizinisch
ausreichend vorzubereiten. Das operative Vorgehen richtet sich nach der Ursache und dem
klinischen Zustand des Patienten. Beim stenosierenden Rektumkarzinom kann ein
zweizeitiges Vorgehen mit primärer Anlage eines Anus praeter und sekundärer Tumorresektion indiziert sein. Ein Gallensteinileus wird einzeitig, d. h. durch Cholecystektomie,
Verschluß der duodenalen Fistel und Extraktion des intraluminären Gallensteins operiert.
Inkarzerierte Leistenhernien werden zunächst über einen inguinalen Zugang versorgt, sind
längere Darmabschnitte betroffen, erfolgt die mediane Laparotomie. Das Ausstreifen des
Darmes oralwärts und das Absaugen des Darminhaltes über die Magensonde geschieht
vorsichtig, um Darmdeserosierungen und Einblutungen zu vermeiden. Beim Adhäsionsileus
wird immer die vollständige Adhäsiolyse vom Treitz’schen Band bis zur Ileozökalregion
ausgeführt, ansonsten kann früh postoperativ erneut ein Ileus auftreten. Der paralytische
Ileus wird primär mittels Dekompression (Magensonde, Einläufe, Darmrohr, koloskopische
Absaugung), intravenöser Prokinetika (Prostigmin, Bepanthen), die Peristaltik fördernder
Maßnahmen (Gastrofin, Bifiteral per Magensonde) behandelt. Neurogene Störungen
(Ogilvie-Syndrom) erfordern einen doppelläufigen Anus praeter, eine Coecalfilstel oder die
Resektion des betroffenen Darmabschnitts (Hemikolektomie rechts).
(N)
Der postoperative Verlauf hängt von der Dauer und Ursache des Ileuszustands und den
allgemeinen Risikofaktoren ab. Volumen- und Elektrolyt- (Kalium) substitution sind nötig.
Prognostisch ungünstig sind Ileuszustände aufgrund einer Tumorstenose mit
Darmperforation (R1-Situation).
(L)
Kleinschmidt L, Winkeltau GJ, Töns C, Rau HM, Akutes Abdomen, in: Töns C, Schumpelick
V (Hrsg.): Chirurgische Notfall- und Intensivmedizin, Enke, Stuttgart, 1997, 113-160,
Köckerling F, Hohenberger W, Teichmann W, Intraabdominelle Infektionen, Barth,
Heidelberg, 2001
Lehr L, Siewert JR, Allgemeine chirurgische Prinzipien beim akuten Abdomen, in: Siewert
JR, Harder F, Rothmund M (Hrsg.): Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002,
163 – 172
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Späth G, Hirner A, Ileus, in: Lippert H (Hrsg.): Praxis der Chirurgie, Allgemein- und
Viszeralchirurgie, Thieme, Stuttgart, 1998, 598 - 611
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Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 52
24. Minimal-invasive Chirurgie
F. Mannes
E)
Minimal-invasive (laparoskopische) Chirurgie (MIC) führt durch Verringerung des
Zugangstraumas in die Bauchhöhle zur postoperativen Stressreduktion und positiven
Beeinflussung der Immunantwort, ist aber in hohem Maße technologieabhängig
(Gasinsufflator, Lichtquelle, Optik, 3-Chip-Videokamera, Monitor, Thermo-/Elektrokoagulationssystem, Saug-Spül-Einrichtung, Ultraschallgenerator). Die Instrumente sind Modifikationen aus der konventionellen Chirurgie oder spezifisch für die MIC entwickelt (Trokare,
Fasszangen, Nadelhalter, Clipsetzer, Klammernahtgeräte, Ultraschallschere). Den Vorzügen der MIC (postoperativ weniger Schmerzen, kürzere Darmatonie, günstigere
Kosmetik) stehen das identische intraabdominelle Trauma, Einschränkungen des Tastsinns, ein zweidimensionales OP-Feld, erhöhter technischer Aufwand und höhere OPKosten gegenüber.
(D)
Jede laparoskopische Operation beginnt mit dem Aufbau des Pneumoperitoneums
(Arbeitsraum) mit CO2 (rasche Resorption, nicht entflammbar, niedrige Kosten). Der
gesteigerte intraabdomineller Druck führt zum Absinken von Herzzeitvolumen (Vor- und
Nachlastreduktion) und pulmonaler Compliance. Einschränkungen der kardiopulmonalen
Funktionsreserven müssen daher präoperativ abgeklärt sein. Operationsindikationen und
erforderliche Diagnostik orientieren sich ansonsten an der zugrunde liegenden Erkrankung.
Im Rahmen des Stagings gastrointestinaler Tumoren ist die Laparoskopie in Kombination
mit laparoskopischer Sonographie (Staginglaparoskopie) das effektivste diagnostische
Verfahren (Resektabilitätsbeurteilung, Tumordissemination, okkulte Tumoren/Metastasen,
histologische Sicherung, Therapiekontrolle) für die Festlegung der Behandlungsstrategie
(Ösophagus-, Magen-, Pankreaskarzinom). Weitere diagnostische Bedeutung liegt in der
Differentialdiagnostik des unklaren/akuten Abdomens.
(O)
70% aller laparoskopischen Operationen entfallen auf die minimal-invasive
Cholecystektomie (CE), -Appendektomie (AE) und –Inguinalhernienreparation. Die MIC-CE
ist Standard bei symptomatischen Gallensteinleiden. Operationszeit, Komplikations- und
Konversionsrate steigen mit Schwere der Erkrankung. Galleabflusshindernisse müssen
präoperativ abgeklärt (Anamnese, Klinik, Sonographie, Labor) und behandelt (ERCP)
werden (Choledocholithiasis: therapeutisches Splitting). Gallenblasen- /Gallengangkarzinom, Perforation, Mirizzi-Syndrom, unklare Anatomie (Calotsches Dreieck), portale
Hypertension mit Kollateralkreisläufen sind Kontraindikationen für laparoskopisches
Vorgehen bzw. zwingen zur Konversion. Die MIC-AE hat sich nicht generell durchgesetzt
(höhere Kosten, längere OP-Zeit versus seltenere Wundinfektionen, differentialdiagnostische Möglichkeiten, schnellere Rekonvaleszenz) und ist bei fortgeschrittener Appendizitis
(basisnahe Perforation, Zökumwandphlegmone, perityphlitischer Abszeß) kein Standardverfahren (erhöhte postoperative intraabdominelle Abszessrate). Die Versorgung von
Inguinal- und Femoralhernien in MIC-Technik erfolgt durch Einbringen eines Kunststoffnetzes in Allgemeinanästhesie vor die Bruchlücke durch transabdominelle präperitoneale Patchplastik (TAPP) oder total extraperitoneale Patchplastik (TEP). Beide Verfahren benötigen eine erhebliche Lernkurve (TEP>TAPP), weisen dann eine geringe
Rezidvrate (<1%) auf und sind Verfahren erster Wahl für beidseitige und Rezidivhernien.
Einschränkungen für die TEP sind inkarzerierte und irrebonible Hernien sowie
Vernarbungen der Bauchdecken (Anamnese mit Unterbauchlaparotomie, Prostata-,
Harnblasen-OP, Netzimplantation). Die laparoskopische Fundoplikation bei GERD erfolgt
durch eine 360°-(Nissen) oder hintere 180°-Manschette (Toupet), hat sich als Alternative
zur offenen Antirefluxchirurgie etabliert und wird bei simultaner Hiatushernie mit einer
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 53
Hiatoplastik kombiniert. Ein weiterer minimal-invasiver ösophagealer Eingriff ist die
laparoskopische, longitudinale Kardiomyotomie, die bei Achalasie meist mit Deckung der
Myotomie durch anteriore, partielle Fundoplastik (Dor) erfolgt und nach laparoskopischer
Abtragung eines epiphrenischen Divertikels der pathophysiologisch entscheidende
therapeutische Schritt ist. MIC ist fester Bestandteil der Therapie entzündlicher, kolorektaler
Erkrankungen. Die am häufigsten laparoskopisch operierte Kolonerkrankung ist die
chronisch rezidivierende Divertikulitis. In den Hinchey-Stadien III und IV erfolgt, wie bei
allen Notfallsituationen kolorektaler Erkrankungen (vital bedrohliche Blutungen, toxisches
Megakolon, Perforationen) eine konventionelle Operation. Ansonsten ist das Spektrum
laparoskopischer kolorektaler Eingriff breit gefächert und reicht von Segmentresektionen,
Ileozökalresektion (Morbus Crohn) bis zur Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch (Colitis
ulcerosa). Bei gegebener Operationsindikation sind auch funktionelle Erkrankungen
(Rektumprolaps) laparoskopisch behandelbar. Bei der Anwendung laparoskopischer
Operationstechniken zur kurativen Therapie maligner Erkrankungen gibt es für die
Einhaltung chirurgisch-onkologischer-Prinzipien [primäre Gefäßligatur, no-touch-technique,
Lymphknotenzahl, totale mesorektale Exstirpation (TME)] keine Einschränkungen.
Kontraindikationen sind T4-Tumoren, lumenobstruierende Tumoren und solche, deren
Größe eine Bergung über Minilaparotomie nicht zulässt. Bis zum Vorliegen von
Langzeitergebnissen (Prognose) aus entsprechenden Studien muß minimimal-invasive,
kurative Karzinomchirurgie jedoch unter Studienbedingungen erfolgen. Dagegen ist der
Nutzen der MIC in Diagnose (Staging-Laparoskopie) und Palliation (Gastroenterostomie,
Witzel-Fistel, Anus praeter) unbestritten. Interventionelle Rendevouzverfahren kombinieren
MIC mit endoluminaler Endoskopie. Sie kommen zum Einsatz wenn Läsionen einer
alleinigen endoluminal-endoskopischen Therapie nicht zugänglich sind (Größe, Risiko,
Lokalisation), für eine limitierte lokale laparoskopische Resektion eine exakte Lokalisation
der Läsion erforderlich wird (Kolonsegmentresektion bei Adenom, Magenvollwandresektion
bei GIST) oder eine intraaoperative Qualitätssicherung erfolgt (Vollständigkeit der
Myotomie unter Diaphanoskopie). Das Komplikationsspektrum umfaßt die allgemeinen und
krankheitbezogenen Risiken und Folgen der konventionellen Chirurgie. Kardiopulmonale
Probleme können Folge des Pneumoperitoneums (HZV-Veränderungen, respiratorische
Azidose,
Emphyseme,
Pneumothorax,
Gasembolie)
und
der
erforderlichen
Extremlagerungen (Trendelenburg-, Antitrendelenburg) sein. Eingriffbezogen sind
zugangsbedingte Komplikationen und betreffen bei Plazierung der Trokare viszerale Organläsionen, retroperitoneale Gefäßverletzungen und Blutungskomplikationen aus Bauchwandgefäßen, spätpostoperativ Trokarhernien und Portsite-Metastasen, die durch entsprechende Strategien (konische Trokare, Plazierung unter Sicht und Diaphanoskopie,
keine Veress-Kanülen, Präparatebergung über Schutzfolien und –beutel) minimiert werden.
(N)
Die Nachsorge erfolgt krankheitsbezogen und entspricht der konventionellen Chirurgie
(Erkrankungsrezidive, Narben(Trokar)hernien). Kürzere Hospitalisierung und schnellere
Rehabilitation führen zur schnelleren Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit.
(L)
Harder F (Hrsg.) Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002, 121-126,
Bruch HP et al., Grenzen der laparoskopischen Viszeralchirurgie in der Onkologie, Chirurg
2003; 74: 290-300
Köckerling F, Bittner R, Gastinger I, Lippert H (Hrsg.) Minimal Invasive Chirurgie, Science
Med, Hannover, 2003, 3-210,
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 54
25. Carotis und supraaortale Gefäße
C. Erbe
(E)
Bei den chirurgischen Erkrankungen der supraaortalen Gefäße handelt es sich in
abnehmender Reihenfolge um Stenosen oder Verschlüsse der A. carotis interna, der
proximalen A. subclavia, der A. carotis communis und des Truncus brachiocephalicus. In
>90% der Fälle liegt pathogenetisch eine Atherosklerose zugrunde. Daher ist mit einer
hohen Komorbidität durch andere atherosklerotisch bedingte Erkrankungen zu rechnen
(koronare Herzkrankheit, periphere arterielle Verschlußkrankheit). Eine seltene Ursache für
Stenosen der supraaortalen Äste ist die Takayasu-Arteriitis. Bei der A. carostis internaStenose (CAST) handelt es sich um eine meist kurzstreckige Lumeneinengung unmittelbar
oberhalb der Carotisgabel. Die OP-Indikation ergibt sich aus dem thrombembolischen
Risiko für einen Hirninfarkt bei hohem Stenosegrad vor und nach Auftreten einer
neurologischen Symptomatik (asymptomatische und symptomatische CAST). Typische
Symptome bei CAST sind die transitorische ischämische Attacke (TIA), das prolongierte
reversible ischämische neurologische Defizit (PRIND) und die Amaurosis fugax. Beim
akuten Schlaganfall und Nachweis einer CAST kann innerhalb von 4-6 Stunden eine
Erweiterungsplastik der Carotis erfolgen. Die A. subclavia-Stenose imponiert zum einen
durch belastungsabhängige ischämisch bedingte Schmerzen und Parästhesie im
betroffenen Arm. Desweiteren kann es bei abgangsnaher Stenose zum „subclavian steal
syndrome“ kommen, das durch eine Flußumkehr in der ipsilateralen A. vertebralis bedingt
ist. Hier tritt eine intermittierende Hirnstammsymptomatik mit Schwindel, drop attacks,
Ataxie und Sehstörungen auf. Eine OP-Indikation besteht nur bei symptomatischen
Subclaviastenosen. Bei der Therapie der Stenosen der supraaortalen Gefäße werden in
jüngster Zeit zunehmend interventionelle Verfahren wie percutane transluminale
Angioplastie (PTA) und Stentimplantation durchgeführt und insbesondere für die CAST
(hohes periinterventionelles Hirnembolierisiko) kontrovers diskutiert. Zum Vergleich der
Ergebnisse werden derzeit prospektiv randomisierte Studien durchgeführt.
(D)
Die Anamnese ist der zentrale Teil der Diagnostik (Risikofaktoren, typische Symptome).
Wichtig ist die neurologische Untersuchung zum Ausschluß oder Nachweis eines
neurologische Defizits (durch einen neurologischen Facharzt prä- und postoperativ zur
Qualitätssicherung). Eine Computertomographie des Schädels sollte zur Beurteilung
ischämischer cerebraler Herde erfolgen. Gelegentlich sind auch klinisch stumme Infarkte
computertomographisch nachweisbar. Der Nachweis der Stenose und die Bestimmung des
Stenosegrades erfolgen mittels Doppler- und Duplex-Sonographie und bei eingeschränkter
Beurteilbarkeit und speziellen Fragestellungen (Gefäßanomalien, Knickstenose, subtotaler
Verschluß) mittels Angiographie (Goldstandard) oder MR-Angiographie. Bei der A.
subclavia-Stenose fällt neben abgeschwächten peripheren Pulsen eine Blutdruckdifferenz
am betroffenen Arm im Vergleich zur Gegenseite auf. Die Flußumkehr in der A. vertebralis
kann durch Dopplersonographie oder Angiographie festgestellt werden.
(O)
Der Standardeingriff bei der CAST ist die Thrombendarteriektomie (TEA) mit Patchplastik
(Kunststoff- oder Venenpatch). Durch temporäre Einlage eines Shuntröhrchens kann die
Abklemmzeit minimiert werden. Ein mindestens gleichwertiges Verfahren ist die
Eversionsendarteriektomie (EEA). Die Eingriffe können in Intubationsnarkose oder besser
in Lokalanästhesie (mögliches klinisch- neurologisches Monitoring) durchgeführt werden.
Da es sich bei der Carotischirurgie sowohl bei der asymptomatischen CAST (Apoplexierate
2% pro Jahr bei konservativer Therapie in der ACAS-Studie) als auch bei der
symptomatischen CAST (Apoplexierate ohne OP 15% pro Jahr in der NESCET-Studie)
prinzipiell um prophylaktische Eingriffe handelt, hängt die Indikationsstellung auch von der
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 55
perioperativen Komplikationsrate des jeweiligen Zentrums ab. Eine OP ist nur
gerechtfertigt, wenn die perioperative Apoplexierate deutlich geringer ist als unter rein
konservativer Therapie. Typische Komplikationen der Carotischirurgie sind neben dem
Hirninfarkt (1-2%) Verletzungen des N. hypoglossus, des N. vagus und des Mundastes des
N. facialis sowie die Rezidivstenose. Kurzstreckige zentrale Subclaviastenosen können oft
interventionell mittels PTA, ggf. mit Stentimplantation behandelt werden. Ein typisches
operatives Verfahren ist die Carotis-Subclavia-Transposition. Des weiteren stehen
verschiedene Bypassverfahren zur Verfügung, von denen am häufigsten der CarotisSubclavia-Bypass (kurzer Kunststoffbypass von der A. carotis comm. zur A. subclavia) zur
Anwendung kommt. Typische Komplikationen sind der Bypassverschluß bzw. die
Rezidivstenose, die Lymphfistel, Pleuraverletzungen und die Phrenicusparese.
(N)
Nach Carotisrevaskularisation erfolgt zunächst eine postoperative low dose-Heparinisierung und anschließend eine Dauertherapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. ASS 300 mg/d). Zum rechtzeitigen Erkennen einer Rezidivstenose oder
einer Stenose der kontralateralen Seite sind angiologische Untersuchungen erforderlich.
Die Reduktion der Risikofaktoren wirkt sich prognostisch günstig aus. Nach Subclaviarevaskularisation erfolgt ebenfalls eine dauerhafte Prophylaxe mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. ASS 100 mg/d) bzw. bei langen Bypässen eine Gerinnungshemmung mit einem Vitamin K-Antagonisten.
(L)
Hepp W, Kogel H: Gefäßchirurgie, Urban und Fischer, München Jena 2001, 353-384
Vollmar J: Rekonstruktive Chirurgie der Arterien, Thieme, Stuttgart, 1996
Leitlinie zu Stenosen der Arteria carotis der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie.
online: www.gefaesschirurgie.de
Leitlinie zu abgangsnahen Stenosen und Verschlüssen der Aortenbogenäste der
Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie. online: www.gefaesschirurie.de
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 56
26. Aorta
M. Brauckhoff
(E)
Für die Gefäßchirurgie wesentliche Erkrankungen der Aorta sind:
1. Aortenaneurysma (AA): zur Entscheidungsfindung für/gegen ein endovaskuläres
Vorgehen ist die Einteilung in infra-, juxta- und suprarenale/thorakoabdominale AA, zur
Bestimmung der Dringlichkeit des therapeutischen Vorgehens ist die Unterscheidung von
Notfall (offene/gedeckte Perforation), dringlicher (symptomatisches AA) und elektiver
Indikation (asymptomatisches AA) wichtig
2. Aortendissektion: klinisch wichtig ist hierbei die Einteilung nach STANFORD; Typ A mit
Beteilung des Aortenbogens und der Aortenklappe: dringliche OP unter Einsatz der HerzLungen-Maschine; Typ B mit Ausdehnung innerhalb der Aorta descendens: vorrangig
konservative Therapie)
3. Stenose/Verschluß der infrarenalen Aorta: akut (Embolie): Lebensgefahr, chronisch
(Arteriosklerose): LERICHE-Syndrom
(D)
Das AA wird mittels Ultraschall oder CT diagnostiziert; eine Angiographie ist in der Regel
nur bei geplantem endovaskulärem Vorgehen (Stent) notwendig. Die akute
Aortendissektion wird mittels CT untersucht. Die Beteiligung der Aortenklappe wird am
besten mittels transösophagealer Echokardiographie geklärt. Bei einem akuten
Aortengabelverschluß kann bei eindeutiger Anamnese und Klinik und bei dringlicher OPIndikation auf eine bildgebende Untersuchung verzichtet werden. Beim Leriche-Syndrom
erfolgt nach der üblichen angiologischen Untersuchung (Pulsstatus, Gehstreckenbestimmung, Doppler-/Duplexsonographie) bei entsprechender Klinik (ab Stadium IIB nach
Fontaine) zur Planung des operativen/endovaskulären Vorgehens entweder eine klassische
Angiographie (Standard) oder eine MR-Angiographie.
(O)
Das AA wird unabhängig von der Dringlichkeit entweder durch eine Rohrprothese oder bei
Beteiligung der Beckenarterien durch eine Y-Prothese ausgeschaltet. Alternativ kann ein
infrarenales AA durch einen über eine (oder beide) Femoralisarterien applizierbaren Stent
ausgeschaltet werden. Thorakoabdominale AA erfordern die Reimplantation der Viszeralund Nierenarterien in die Prothese. Bei Komplikationen der Aortendissektion Typ B
(Organischämie, Ruptur) kommen in Frage: Fensterungsoperation, Aortenersatz (YProthese). Der akute Aortenverschluß kann sehr häufig durch eine einfache Embolektomie
von inguinal beseitigt werden. In bestimmten Situation muß aber auch eine Laparotomie
erfolgen, um die Aorta offen zu desobliterieren (Thrombendarteriektomie (TEA)) oder einen
(in der Regel aortobifemoralen) Y-Prothesenbypass zu implantieren. Bei chronischem
Aortenverschluß besteht der Regeleingriff in der Implantation eines aortobiinguinalen oder bifemoralen Y-Prothesenbypasses. Auch unter elektiven Bedingungen besteht wegen der
Größe des Eingriffes aber auch wegen der sehr häufig bestehenden ausgeprägten
Komorbidität (Koronarsklerose, Diabetes, Niereninsuffizienz, Hypertonie) bei Eingriffen an
der Aorta ein relevantes Letalitätsrisiko, über das präoperativ aufgeklärt werden muß. Bei
Notfalleingriffen steigt dieses Risiko um ein Mehrfaches. Bei AA besteht bei einer Ruptur
die akute Verblutungsgefahr. Nach Beseitigung eines akuten Aortenverschlusses kann es
zu einem gefährlichen Reperfusionssyndrom kommen. Die gefürchtetsten chirurgischen
Komplikationen sind der Protheseninfekt und die aorto-prothetiko-intestinale Fistel, die zur
Explantation der Prothese und aufwändigen extraanatomischen Umleitungsoperationen
zwingen. Neuerdings wird in besonderen Fällen eine in-situ Rekonstruktion mit
Leichenaorta oder silberimprägnierten (mikrobizid) Kunststoffprothesen durchgeführt (Typ A
Repair). Durch die Dissektion des präaortalen Gewebes (Plexus hypogastricus inferior)
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 57
besteht für Männer ein relevantes Impotenzrisiko (Impotentia coeundi). Bei langstreckigen
Ausschaltungen (thorakoabdominale AA) besteht ein bis zu 35-40%iges Risiko einer
ischämisch bedingten Paraplegie. Postoperative intestinale Perfusionsstörungen können
bei Ligatur der Arteria mesenterica inferior auftreten.
(N)
Die postoperative Antikoagulation (Thrombozytenaggregationshemmung/Vitamin-KAntagonisten) richtet sich nach der Art der Rekonstruktion und den hämodynamischen
Verhältnissen: bei gutem Ein und Ausstrom ist eine Thrombozytenaggregationshemmung
ausreichend. Klinische Kontrollen sollten in mindestens halbjährlichen Abständen erfolgen.
(L)
Leitlinie zu Bauchaorten- und Beckenarterienverschlüssen der Deutschen Gesellschaft für
Gefäßchirurgie. online: www.gefaesschirurgie.de
Leitlinie zur Thorakalen Aortendissektion der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie.
online: www.gefaesschirurgie.de
Leitlinie zum Bauchaortenaneurysma der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie.
online: www.gefaesschirurgie.de
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 58
27. Becken- und Beinarterien
J. Ukkat
(E)
Unter dem Begriff der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) werden die
stenosierenden und occludierenden Gefäßerkrankungen zusammengefasst. Die PAVK
manifestiert sich fast ausschließlich an der Aorta und den Becken- und Beinarterien. In
erster Linie ist die Arteriosklerose als Ursache der PAVK anzusehen. In 5-10% der Fälle
werden auch entzündliche oder traumatische Ursachen beschrieben. Mit dem Alter der
Patienten steigt auch die Prävalenz der PAVK, wobei im Alter von über 65 Jahren ca. 20%
der Patienten an einer PAVK erkrankt sind. In etwa drei Viertel der Erkrankungsfälle ist die
PAVK asymptomatisch. Zu den bekannten Risikofaktoren gehören männliches Geschlecht,
hohes Alter, Diabetes mellitus, Rauchen, Hypertonie, Hypercholesterinämie,
Hyperfibrinogenämie und Hyperhomozysteinämie. Das Rauchen wird als wesentlichster
Einzelrisikofaktor angesehen und führt 3 X häufiger zu einer PAVK.
(D)
Die PAVK der Becken- und Beinarterien führt klinisch zunächst zu einer schmerzhaften
Einschränkung der Gehstrecke. Im weiteren Verlauf kommt es zu ischämischem
Ruheschmerz und zur Ausbildung von ischämischen Nekrosen, welche sich superinfizieren
können. Entsprechend dieses Verlaufes wurden nach Fontaine (–Ratschow) die folgenden
klinischen Stadien der PAVK eingeteilt:
Stadium I
Stadium II a
Stadium II b
Stadium III
Stadium IV
asymptomasiche Erkrankung
Claudicatio intermittens mit schmerzfreiher Gehstrecke über 200 m
Claudicatio intermittens mit schmerzfreiher Gehstrecke unter 200 m
Ruheschmerzen
Nekrosen, Gangrän
Die Diagnostik stützt sich nach Anamneseerhebung und Dokumentation des Pulsstatus,
der schmerzfreihen Gehstrecke auf dem Laufband (mit 3km/h bei 12% Steigung) und der
Verschlussdrücke auf die Arteriographie der Becken- und Beinarterien. Diese wird in erster
Linie als Kontrastmittel-Angiographie ausgeführt oder wenn Kontraindikationen vorliegen
(Hyperthyreose, Niereninsuffizienz, Kontrastmittelallergie) als Magnetresonanzangiographie
durchgeführt. Die Doppler-/Duplexuntersuchung ist an den Beinarterien gut möglich, im
Bereich der Beckenarterien jedoch selten aussagefähig. Zur Planung des operativen
Vorgehens ist eine bildgebende Darstellung erforderlich, um distale Anschlußmöglichkeiten
für Bypässe zu prüfen.
(O)
Die Therapie der PAVK stützt sich auf die drei wesentlichen Pfeiler konservative Therapie,
Angioplastie und Bypassoperation. Die konservative Therapie besteht in erster Linie im
täglichen Gehtraining zur Förderung der Kollateralenbildung und ist im Stadium I, II a und
nach Bypassanlage angezeigt. Ferner werden Medikamente zur Verbesserung der Rheologie und zur Antiaggregation (Acetylsalizylsäure) verordnet. Der Angioplastie sind kurzstreckige Stenosen und sehr kurze Gefäßverschlüsse zugänglich. Hierbei wird unter
Durchleuchtung ein Führungsdraht über die Stenose oder den Verschluß platziert und ein
darüber geführter Ballonkatheter entfaltet. Dadurch ist es möglich, daß Gefäßlumen zu
erweitern bzw. wieder zu eröffnen. Da das Plaque selbst nicht entfernt wird, liegt die
mittlere Offenheitsrate nur zwischen einigen Monaten bis wenigen Jahren. Ab dem Stadium
der PAVK II b besteht prinzipiell eine Operationsindikation, wobei zur Überbrückung von
Gefäßverschlüssen verschiedene Bypassverfahren (z. B. aorto-femoraler, femuropoplitealer Bypass) zur Anwendung kommen.
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 59
Man unterscheidet alloplastisches und autologes Bypassmaterial. Hierbei ist die Vena
saphena magna des Patienten, welche meist explantiert und invertiert angeschlossen wird,
für den Langzeitverlauf am günstigsten. Sollte die Verwendung der Vene nicht möglich sein
wird Kunststoffmaterial eingesetzt, welches aus Polyester oder Polytetrafluorethylenoxid
(PTFE) besteht. Dieses Material neigt zu früherem Reverschluss aufgrund einer stärkeren
Neointimabildung und muss bei gelenkübeschreitenden Abschnitten eine Ringverstärkung
aufweisen. Weitere Verfahren sind die Endarteriektomie (intramurale Desobliteration) die
beispielsweise an der A. femoralis communis angewandt wird oder die retrograde
Desobliteration der A. iliaca externa mit einem Ringdesobliteratom.
Die Aufklärung des Patienten über Art des Zugangs, Ausmaß der Operation, mögliche
Folgeoperationen und das Vorgehen bei Infektionen ist auch bei Bypassoperationen
unumgänglich, erst recht da eine Infektion von Kunststoffimplantaten mehrere
Folgeoperationen, eine Verschlechterung des Ausgangsbefundes oder sogar den
Extremitätenverlust zur Folge haben könnte.
Typische Komplikationen, die bei Gefäßoperationen auftreten können sind, das
Lymphödem, der Bypassverschluß, Wundheilungsstörungen oder die Bypassinfektion. Eine
Antikoagulation ist insbesondere bei peripheren Bypässen erforderlich. Auf die damit
verbundene erhöhte Blutungsneigung ist ebenfalls beim Aufklärungsgespräch hinzuweisen.
(N)
Die Nachbehandlung der Patienten erfolgt, wie bereits erwähnt, durch die medikamentöse
Antikoagulation und deren Kontrolle durch Überprüfung der Gerinnungsparameter, aber
auch durch regelmäßige Dopplerkontrollen der Verschlußdrücke. Hierbei ist es möglich,
den drohenden Verschluß des Bypasses festzustellen. Weiterhin ist für geeignetes
Schuhwerk zu sorgen, da Druckstellen im minderperfundierten Gebiet zu Nekrosen und
feuchter Gangrän führen können.
(L)
Leitlinie zu Stenosen und Verschlüsse der Unterschenkelarterien, Deutscher Ärzteverlag,
Köln 1998; 004/012 Leitlinienregister
Leitlinie zum Popliteaverschluß, Deutscher Ärzteverlag, Köln 1998; 004/011 Leitlinienregister
Leitlinie zu Bauchaorten- und Beckenarterienverschlüssen, Köln 1998; 004/009 Leitlinienregister
Heberer, van Dongen; Gefäßchirurgie; Springer Verlag, Berlin, 2004
Vollmar J: Rekonstruktive Chirurgie der Arterien, Thieme, Stuttgart, 1996
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 60
28. Venen
E. John
(E)
Aus klinischer Sicht werden akute von chronischen Venenerkrankungen unterschieden,
hinsichtlich Therapie und Prognose ist die Unterscheidung zwischen einer Erkrankung des
tiefen und des oberflächlichen Systems wichtig. Chirurgisch relevante Erkrankungen sind
die akute Venenthromose und als chronische Erkrankung die primäre und sekundäre
Varikose. Thrombosiert eine Vene des oberflächlichen Systems, so geschieht dies meist
als Folge einer Entzündung (Thrombophlebitis) und wird konservativ behandelt. Die akute
tiefe Venenthrombose, in den aller meisten Fällen als Beinvenenthrombose, ist eine häufige
und gefürchtete perioperative Komplikation. Die primäre Varikose stellt als chronische
Venenerkrankung mit Komplikationen, Beschwerden und ohne spontaner Heilungschance
eine klassische Operationsindikation dar. Die sekundäre Varikosis bedarf nur im
fortgeschrittenen Stadium eine Operation.
Primäre Varikosis
(D)
Anamnestisch muss generell von Beschwerden des arteriellen Systems unterschieden
werden. Die Beschwerden treten besonders nach langem Stehen und bei Wärme auf und
bessern sich nach Hochlagerung. Inspektorisch muss die Varikosis den beiden
oberflächlichen Hauptstämmen, der V. saphena magna und der V. saphena parva
zugeordnet werden. Zudem bestehen u. U. varikös veränderte Seitenäste. Die
pathophysiologisch entscheidende Flussumkehr im oberflächlichen System von zentral
nach peripher (sog. down blow und im Perforanssystem von innen nach außen (sog. out
blow) wird mit der Dopplersonographie oder der aszendierenden Phlebographie
nachgewiesen. Hier wird auch der für die Operation wichtige proximale und distale
Insuffizienzpunkt festgelegt (Einteilung nach Hach). Unabdingbar vor einer
Varikosisoperation ist der Nachweis eines intakten tiefen Venensystems ebenfalls mittels
Dopplersonographie oder Phlebographie. Vor der Operation müssen am stehenden
Patienten die varikösen Seitenäste, der Verlauf der Stammvene und insuffiziente Perforansvenen angezeichnet werden.
(O)
Angestrebt wird eine stadiengerechte Operation mit Erhalt der intakten Venenanteile.
Operative Möglichkeiten sind das vollständige oder teilweise „Stripping“ der Stammvenen
mittels Nabatov- oder Babcock-Sonde. Seitenäste werden über gesonderte Inzisionen
exhairiert, insuffiziente Perforansvenen einzeln aufgesucht und ligiert.
(N)
Postoperativ ist für 6-8 Wochen eine Kompressionstherapie mittels Kurzzugbinden bzw.
Kompressionsstrümpfen notwendig.
Sekundäre Varikose und postthrombotisches Syndrom
Diese als Folge eines insuffizienten tiefen Beinvenensystems entstandenen
Venenerkrankungen werden vorrangig konservativ therapiert. Nur im fortgeschrittenen
Stadium kann eine Perforansligatur oder eine Abtragung von Fasziensklerosen notwendig
werden.
Akute tiefe Venenthrombose (TVT)
(D)
Anamnestisch lassen sich oft ein Spannungsgefühl der Wade, Schmerzen beim Laufen und
eine Schwellung des Unterschenkels eruieren. Klinisch können erhoben werden:
Wadenkompressionsschmerz (Meyer Zeichen), Schmerz in der Wade bei Dorsalflexion des
Fußes (Payr Zeichen) und Plantardruckschmerz (Homans Zeichen). Da nur ca. 50% der
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TVT klinisch apparent sind, muss jedem Verdacht nachgegangen werden. Die weitere
Diagnostik wird bei Becken- und Oberschenkelvenen mittels Doppler- oder Duplexsonographie durchgeführt. Die Detektion einer Unterschenkelthrombose ist schwierig und
verlangt meist eine aszendierende Phlebographie. Von untergeordneter Rolle und allenfalls
additiv zu werten sind erhöhte D-Dimere im Blut. Thrombosen im zentralen Stromgebiet
werden mittels CT nachgewiesen.
(L)
Heberer G, Dongen R-J van, Pichlmeyr R: Kirschnersche allgemeine und spezielle
Operationslehre: Gefäßchirurgie, Springer Verlag, Berlin, 2003
Hepp W, Kogel H: Gefäßchirurgie, Urban und Fischer, Stuttgart München, 2001
Interdisziplinäre Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften (AWMF-Leitlinien-Register, Nr. 003/00): Diagnostik und Therapie der
Venenthrombose und Lungenembolie, AWMF, letzte Aktualisierung 2003
Ortwin W: Dopplersonographische Diagnostik, Deutscher Ärzteverlag, Köln, 2000
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29. Minimal-invasive und endovaskuläre Gefäßchirurgie
M. Brauckhoff
(E)
Minimal-invasive Operationsverfahren werden in der Gefäßchirurgie nicht routinemäßig
eingesetzt. Demgegenüber haben die endovaskulären Verfahren (Perkutane Transluminale
Angioplastie (PTA)/Stentapplikation) mittlerweile einen festen Stellenwert in der
Gefäßmedizin. Akzeptierte Indikationen für ein interventionelles Vorgehen bestehen bei
kurzstreckigen Verschlussprozessen der (1) proximalen Arteria subclavia (subclavian steal
syndrome), (2) Beckenarterien, (3) A. femoralis superficialis, (4) Nierenarterienstenosen, (5)
Abgangsstenosen der supraaortalen Gefäße und (6) AV-Fistel-Stenosen. Darüberhinaus
finden gecoverte Stents Anwendung zur Ausschaltung von Aneurysmen (Aorta,
Beckenachse) oder Überbrückung von Leckagen (Ruptur der Aorta thoracica loco typico).
Umstritten ist der Einsatz der PTA bzw. Stentapplikation bei Verschlussprozessen der A.
carotis interna und bei gelenküberschreitenden und langstreckigen Stenosen oder
Verschlüssen.
(D)
Da die Indikationen für minimal-invasive Operationen oder endovaskuläre Verfahren im
Prinzip denen des offenen, konventionellen Vorgehens entsprechen, erfolgt der Einsatz der
verschiedenen diagnostischen Verfahren grundsätzlich in gleicher Form. Allerdings setzt
insbesondere die endovaskuläre Therapie die genaue Kenntnis der intraluminalen Situation
voraus. So ist z.B. beim Stenting eines Aortenaneurysmas ausschlaggebend, dass ein
ausreichend langer infrarenaler Aneurysmahals vorliegt. Weiterhin können Stenosen oder
Elongationen der Beckenarterien Probleme bei der Stentapplikation bereiten. Daher ist eine
Angiographie bei endovaskulären Operationen immer erforderlich. Zunehmend werden zur
Ermittlung der optimalen Stentanatomie CT-gestützte Computersysteme eingesetzt.
(O)
Die PTA bzw. Stentapplikation erfolgt in der Regel über einen transfemoralen Zugang. Die
Stenose wird mit einem Führungsdraht überbrückt und anschließend durch einen
Dilatationsballonkatheter aufgeweitet. Je nach Lokalisation und Befund besteht die
Notwendigkeit zur Applikation von Metallgitterstents, die heutzutage meist selbstexpandierend sind und eine höhere Offenheitsrate (patency) als die alleinige PTA
garantieren. Bei abdominellen Aortenaneurysmata kann sowohl eine mit Dacron gecoverte
Rohrprothese (monofemoraler Zugang) als auch Y-Prothese (bifemoraler Zugang) appliziert
werden. Die konventionelle Ausschaltung thorakoabdominaler Aortenaneurysmen hat ein
vergleichsweise sehr hohes perioperatives Risiko (Letalität, Paraplegie). Daher ist ein
endovaskuläres Vorgehen hier besonders zu prüfen. Da hierbei zahlreiche Aortenäste
überstentet werden, ist vor der Applikation des Stents die Revaskularisation der Viszeralund Nierenarterien erforderlich. Hierzu wird eine retrograde Perfusion dieser
Eingeweideäste durch einen iliako-viszero-renalen Octopuss-Bypass erreicht. Anschließend kann dann die Aorta gestentet werden, ohne daß eine morbiditätsträchtige
Thorakolaparotomie erforderlich ist. Das Paraplegierisiko ist aufgrund bislang vorliegender
Daten beim endovaskulären Vorgehen im Vergleich zur konventionellen Operation
niedriger. Rezidivverschlußprozesse nach endovaskulären Verfahren sind dagegen
häufiger als nach konventionellen Operationen. Verfahren, die die In-Stent-Stenoserate reduzieren (medikamentenbeschichtete Stents, Radiotherapie), werden derzeit untersucht.
Bei der Aufdehnung von Stenosen besteht weiterhin ein Risiko der peripheren
Embolisierung durch rupturierte Plaqueanteile, ein Umstand der insbesondere bei der
Dilatation der hinrversorgenden Gefäße kontrovers beurteilt wird. Grundsätzlich sollten
endovaskuläre Maßnahmen nur unter gefäßchirurgischem Stand-by durchgeführt werden.
Hauptproblem der endovaskulären Ausschaltung von Aortenaneurysmen stellt das
Endoleck dar, d.h. der Eintritt von Blut in den Raum zwischen Gefäß- und Stentwand durch
Materialermüdung, rückblutende überstentete Gefäßabgänge (z.B. Arteria mesenterica
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
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inferior (AMI) oder Lumbalarterien bei Ausschaltungen eines abdominalen Aortenaneurysma) oder Undichtigkeiten an den distalen oder proximalen Verankerungen, durch
das ein progredientes Aneurysmawachstum hervorgerufen werden kann und das in der
Regel eine operative Revision erfordert, die von einer einfachen laparoskopisch
durchgeführten Ligatur der AMI bis zur anspruchsvollen Stentexplantation reichen kann.
(N)
Die postinterventionelle Antikoagulation (Thrombozytenaggregationshemmung/Vitamin-KAntagonisten) richtet sich nach der Art der Rekonstruktion und den hämodynamischen
Verhältnissen: bei gutem Ein und Ausstrom ist eine Thrombozytenaggregationshemmung
ausreichend. Klinische Kontrollen sollten in mindestens halbjährlichen Abständen erfolgen.
(L)
Diehm C, Allenberg JR, Nimura-Eckert K: Farbatlas der Gefäßkrankheiten. Springer 1999
H. Schumacher, H.H. Eckstein und J.R. Allenberg. Gefäßendoprothetik: Entwicklung,
aktueller Stand und Perspektiven einer neuen Technologie. Chirurg 1999; 70:858-867
(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur
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