Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie Martin-Luther-Universität Halle/S. Prof. Dr. med. H. Dralle Curriculum für PJ-Studenten Allgemeine Chirurgie 1. Chirurgische Anamnese und Untersuchung B. Irmscher.............................................................................................................................4 2. Chirurgische Maßnahmen am Krankenbett S. Kittel...................................................................................................................................5 3. Wundbehandlung und chirurgische Infektiologie B. Irmscher.............................................................................................................................7 5. Aufklärung und Begutachtung B. Irmscher...........................................................................................................................11 6. Thromboseprophylaxe E. John.................................................................................................................................13 7. Chirurgische Onkologie T. Sutter ...............................................................................................................................15 8. Chirurgische Sonographie und Endoskopie F. Mannes ............................................................................................................................17 9. Gefäßchirurgische Diagnostik J. Ukkat ................................................................................................................................20 10. Chirurgische Intensivmedizin M. Brauckhoff .......................................................................................................................22 Organ- und krankheitsbezogene Chirurgie 11. Schilddrüse und Nebenschilddrüsen H. Dralle ...............................................................................................................................24 12. Ösophagus F. Mannes ............................................................................................................................27 13. Magen und Duodenum R. Rüdrich ............................................................................................................................29 14. Pankreas (exokrin) O. Gimm...............................................................................................................................31 15. Gallenblase und Gallenwege Th. Bönsch...........................................................................................................................33 16. Leber K. Lorenz..............................................................................................................................35 17. Milz K. Lorenz..............................................................................................................................37 18. Dünndarm F. Thermann ........................................................................................................................38 19. Dickdarm, Anus F. Thermann ........................................................................................................................40 20. Neuroendokrine Tumoren des gastroenteropankreatischen Systems O. Gimm...............................................................................................................................42 21. Nebennieren, Paraganglien H. Dralle ...............................................................................................................................44 22. Hernien B. Irmscher...........................................................................................................................47 23. Akutes Abdomen, Peritonitis, Ileus T. Sutter ...............................................................................................................................49 24. Minimal-invasive Chirurgie F. Mannes ............................................................................................................................52 25. Carotis und supraaortale Gefäße C. Erbe .................................................................................................................................54 26. Aorta M. Brauckhoff .......................................................................................................................56 27. Becken- und Beinarterien J. Ukkat ................................................................................................................................58 28. Venen E. John.................................................................................................................................60 29. Minimal-invasive und endovaskuläre Gefäßchirurgie M. Brauckhoff .......................................................................................................................62 Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 4 1. Chirurgische Anamnese und Untersuchung B. Irmscher (E) Das erste Gespräch zwischen Patient und Arzt dient dem Kennenlernen und der Anamneseerhebung und ist entscheidend für die Vertrauensbildung. Eine freundliche persönliche Vorstellung des Arztes zu Beginn erleichtert das nachfolgende Gespräch und die Patientenuntersuchung. Das räumliche Ambiente muß die Intimsphäre des Patienten wahren (Untersuchungszimmer, Bettschirm, Hinzuziehen einer Schwester bei Untersuchung weiblicher Patienten durch einen Arzt). Die Anamneseerhebung ist nicht an ärztliches Hilfspersonal übertragbar bzw. durch ausgeklügelte Fragebögen ersetzbar. Ihr schließt sich die klinische Krankenuntersuchung an, die durch einfache apparative Untersuchungen ergänzt wird. (D) Man beginnt am besten mit der Besprechung der jetzigen Beschwerden (Jetzige Anamnese). Erst später wird die Anamnese durch Eigen- und Familienanamnese und Fragen zu den vegetativen Funktionen komplettiert. Die gynäkologische Anamnese kann differentialdiagnostisch wichtig sein. Besonderes Augenmerk verdienen die Medikamentenanamnese (Rückschlüsse auf Begleiterkrankungen, Unverträglichkeiten u. ä.) und Fragen nach früheren operativen Eingriffen bzw. Krankenhausaufenthalten (Beiziehung wichtiger früherer Krankenunterlagen). In Notfallsituationen beschränkt man sich auf das absolut Notwendige. Bei bewusstlosen oder verwirrten Patienten müssen Angehörige, Nahestehende oder vorbehandelnde Ärzte befragt werden. Während des Gespräches und anschließender Untersuchung hat der Arzt die Möglichkeit, den Patienten in seiner körperlichen und geistigen Vitalität einzuschätzen. Anamnesevordrucke erleichtern den Gesprächsablauf und garantieren weitgehendste Vollständigkeit. Außer im Akutfall, bei dem der Lokalbefund im Vordergrund steht, und durch eine orientierende Untersuchung der wichtigsten Organsysteme (Herz, Lunge) ergänzt wird, ist eine systematische klinische Krankenuntersuchung („von Kopf bis Fuß“) erforderlich. Inspektion, Palpation, Perkussion und Auskultation der wichtigsten Organsysteme und die Erhebung einfacher Messdaten (RR, Umfänge, Bewegungsausschläge) mit sofortiger Befunddokumentation sind notwendig. Beobachtung von Hautveränderungen, Beurteilung von Gerüchen (Foetor) und Ausscheidungen können diagnoseweisend sein. Die Vermeidung körperlicher Schmerzen und die Beachtung des natürlichen Schamgefühls genießen hohe Priorität. Klinische Leitsymptome (Schmerz, Temperatur, Erbrechen, Diarrhoe, Ikterus u. a.) müssen bei der Anamnese und klinischen Untersuchung aufmerksam registriert und analysiert werden. Die rektale Untersuchung liefert bei allen Abdominalerkrankungen wichtige Informationen und ist somit unverzichtbar bei der klinischen Erstuntersuchung derartiger Patienten. Im Anschluß an Anamnese und klinische Krankenuntersuchung muß eine Verdachtsdiagnose unter Einbeziehung möglicher Differentialdiagnosen formuliert und fixiert und ein Diagnostik- und Therapieplan entworfen werden. Anamneseerhebung und klinische Untersuchung sind durch den behandelnden Arzt mit Angabe von Datum und Zeit in den Krankenunterlagen zu dokumentieren. (L) Bailey H: Die chirurgische Krankenuntersuchung, in dt. Sprache hrsg. v. E. Rauchfuß, 8. Aufl., Barth, Leipzig 1991 Hirner A u. M (Hrsg.): Chirurgie, Schnitt für Schnitt Thieme, Stuttgart, 2004, 12-17 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 5 2. Chirurgische Maßnahmen am Krankenbett S. Kittel (E) Zu den täglichen Routineverrichtungen am Krankenbett zählen neben Wundverbänden (siehe Abschnitt 3) invasive Maßnahmen, wobei es sich dabei überwiegend um Venenpunktionen zur Blutentnahme oder zur Infusionstherapie handelt. Grundlegend ist darüberhinaus die Kenntnis der Punktionstechniken von zentralen Gefäßen, Pleura und Bauchraum, wenngleich diese Maßnahmen im stationären Normalbetrieb weniger häufig durchgeführt werden, als unter intensivmedizinischen Bedingungen. Periphere Venenpunktion Die periphere Venenpunktion erfolgt zur Blutentnahme, i.v.-Medikamentenapplikation sowie zur Anlage von Verweilkanülen („Flexülen“). Als Punktionsorte stehen Handrücken, Unterarm und Ellenbeuge zur Verfügung. Für Verweilkanülen sollte zur Schonung des nach zentral abführenden Venensystems primär der distalste Zugang gewählt werden. Punktionen der unteren Extremität sind wegen der erhöhten Thrombosegefahr dem Ausnahmefall vorbehalten. Bei der Blutentnahme kann die zu schnelle Aspiration Hämolysen erzeugen, zu lange Stauzeit verfälscht Gerinnungsparameter und Kaliumwert. Bei schwierigen Venenverhältnissen kann die Punktion durch reichliches Auftragen von Desinfektionsmittel und Beklopfen der Vene (Vasodilatation) erleichtert werden. Zentrale Venenkatheter Zentrale Venenkatheter (ZVK) sind für die Applikation von hochkalorischen Infusionslösungen (Glukosekonzentration > 5%), großen Volumengaben (unter intensivmedizinischen Bedingungen), absehbar langfristiger intravenöser Flüssigkeitssubstitution und bei frustraner Anlage peripherer Verweilkanülen indiziert. Als Zugangswege stehen V. subclavia (infraklavikulär und supraklavikulär, periphere Punktion über V. cubitalis), V. jugularis interna und V. femoralis zur Verfügung. Die Anlage erfolgt unter sterilen Bedingungen und in Kopftieflagerung zur Prävention einer Luftembolie. Nach Lokalanästhetika-Infiltration der Punktionsstelle und ggf. des Periosts wird der Katheter meist in Seldinger-Technik installiert. Anschließend ist eine Thoraxaufnahme zur Lagekontrolle und Pneumothorax-Ausschluß obligat. Pleurapunktion Die Pleurapunktion erfolgt zu diagnostischen Zwecken oder in Form einer therapeutischen Punktion zu Entlastung bei Sero-, Hämato- und Pneumothorax. Bei Ergüssen wird die Ausdehnung und Lokalisation mittels Sonografie ermittelt. Die Punktionsstelle befindet sich in der hinteren Axillarlinie oder in der Scapularlinie am Oberrand der Rippe. Dabei sollte wegen der Gefahr einer Verletzung von Leber und Milz nach kaudal maximal im 7. Interkostalraum (ICR) punktiert werden. Bei Entnahme von mehr als 1 Liter Sekret besteht die Gefahr eines interstitiellen Lungenödems infolge rascher Änderung intrapulmonaler Druckverhältnisse. Die Entlastung des Pneumothorax erfolgt durch Anlage einer Thoraxdrainage im 4./5. ICR in der vorderen Axillarlinie. Nachfolgend Anschluß einer Saugdrainage (Wasserschloß mit 15-20 cm WS Unterdruck). Aszitespunktion Die Azitespunktion wird ebenfalls aus diagnostischen Aspekten oder zur Entlastung (therapeutische Punktion) durchgeführt. Bei der Wahl des Punktionsorts sind die Schonung der epigastrischen Gefäße und die Verletzungsgefahr intraabdomineller Organe zu (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 6 beachten. Idealerweise wird am Übergang von lateralem zu mittlerem Drittel zwischen Spina iliaca ant. sup. und Nabel bzw. in der Medianlinie zwischen Nabel und Symphyse punktiert. Durch Ultraschallkontrolle sollte eine Verletzung von Darmschlingen ausgeschlossen werden. Bei Entlastung von mehr als 2,5 Litern besteht die Gefahr zu hoher Proteinverluste, so daß gegebenfalls eine Albuminsubstitution zum Ausgleich erforderlich ist. (L) Klinikleitfaden Chirurgie. München, Urban & Fischer, 2002 Schumpelick, V. (Hrsg.): Chirurgie. Stuttgart, Enke-Verlag, 1998 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 7 3. Wundbehandlung und chirurgische Infektiologie B. Irmscher (E) Der Begriff Wunde (W.) umfaßt jegliche mit Zerstörung und Verlust einhergehende Zusammenhangstrennung von Geweben. Ihre Einteilung kann nach morphologischen (offene und geschlossene W.), ätiologischen (mechanische, chemische, thermische, strahlungsbedingte W.) bzw. infektiologischen (aseptische, kontaminierte bzw. infizierte W.) Kriterien erfolgen. Mit der Wundsetzung werden in charakteristischen Phasen (Exsudation, Resorption, Proliferation, Reparation) ablaufende Reparationsvorgänge ausgelöst, denen pathophysiologisch betrachtet, Entzündungsreaktionen zugrunde liegen und die im Regelfall zur Wundheilung (Primärheilung, Sekundärheilung, epitheliale Heilung) führen. Dieser physiologische Ablauf kann durch allgemeine und / oder lokale Faktoren gestört werden und es resultieren Wundheilungsstörungen in Form von Serom, Hämatom, Wundrandnekrose, Wunddehiszenz, Keloid bzw. Wundinfektionen (oberflächlich, tief, Organinfektion), deren Häufigkeit insbesondere von Kontaminationsgrad der Wunde (clean, clean-contaminated, contaminated, dirty) bestimmt wird. Der Begriff „Chirurgische Infektion“ beinhaltet aber nicht nur die Infektion von postoperativen und traumatischen Wunden, sondern auch eine Vielzahl von Infektionen der Haut und Weichteile (Furunkel, Abszeß, Phlegmone, Erysipel, Fasziitis, spezifische Infektionen etc.), die man entweder nach ihrer Morphologie, nach der Mikrobiologie oder, von besonders praktischen Belang, nach der Dringlichkeit der chirurgischen Versorgung in leichte Infektion mit konservativer Behandlung, mittelschwere Infektion mit dringlicher chirurgischer Versorgung, schwere lebensbedrohliche Infektion mit u. U. vitaler Indikation zur Operation, einteilt. In Kenntnis der physiologischen Wundheilung von durchschnittlich 3 Wochen gilt jede Wunde, die trotz ursachenbezogener Therapie und konsequenter lokaler Behandlung nach 4 Wochen keine Heilungstendenz aufweist, als chronisch (Ulcus cruris venosum, arteriosum et diabeticum sowie Dekubitalulkus). Nosokomiale Infektionen (synonym Hospitalinfektionen, Krankhaus assoziierte Infektionen) sind Infektionen, die durch den Aufenthalt im Krankenhaus bzw. in ambulanten Gesundheitseinrichtungen erworben werden. In chirurgischen Abteilungen liegt ihre Inzidenz bei rund 7 %, wobei Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen, Infektionen der Atemwege und Kathetersepsis dominieren. (D) Die Erkennung postoperativer Wundheilungsstörung einschl. der Wundinfektionen und Infektionen der Haut und Weichteile ist eine Domäne klinischer Diagnostik. Die klassischen Entzündungssymptome (rubor, dolor, calor, tumor und functio laesa) leiten zur frühzeitigen Diagnosestellung. Allgemeine Entzündungszeichen, wie Fieber, Leukozytose und CRPErhöhung treten bei schwereren Formen auf. Die Sonografie kann zur Lokalisation von Seromen, Wundhämatomen und tiefen Abszessen wichtige Hilfe leisten. Bildgebende Verfahren wie Röntgenaufnahmen, CT, MRT, Duplexsonografie, Angiografie sind meist entbehrlich und nur bei wenigen Indikationen (nekrotisierende Weichteilinfektion, chronische Wunden) indiziert. Die bakteriologische Diagnostik (Erreger- und Resistenzbestimmung) ist bei allen chirurgischen Infektionen obligat und sollte vor Beginn einer evtl. Antibiotikagabe erfolgen. Die Fotodokumentation der Wundsituation zu Behandlungsbeginn mit Verlaufsdokumentation kann bei schweren Verletzungen, schlecht heilenden Problemwunden (chronische W.) und lebensbedrohlichen nekrotisierenden Weichteilinfektionen neben Erfüllung der Dokumentationspflicht auch forensische Bedeutung erlangen. (O) (1) Bei den häufigen Gelegenheitswunden erfolgt die primäre Wundversorgung nach den Kriterien von FRIEDRICH (1898): Säuberung, Wundrandausschneidung und Wundtoilette (BERGMANN), lückenlose Wundrandadaptation (Naht) meist in Lokalanaesthesie, Tetanusprophylaxe, Ruhigstellung. Veraltete (älter als 6 h), infizierte (Tier- und Menschen- (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 8 bisse) oder stark verschmutzte Wunden werden gesäubert und offen behandelt bzw. einer verzögerten Primärnaht oder Sekundärnaht zugeführt. (2) Die Therapie der manifesten Wundinfektion besteht in der dringlichen Wundrevision (Wunderöffnung, Debridement, Spülung, ggf. Einlage von Drainagen). Der Einsatz lokaler Wundantiseptika kann kurzzeitig erfolgen. Bewährt haben sich das täglich mehrmalige Ausduschen der Wunde und eine frühzeitige Vakuumversiegelung. Systemische Antibiotikagaben sind nur bei ausgedehnten Infektionen bzw. immunsupprimierten Patienten indiziert. (3) Die Therapie der chirurgischen Haut- und Weichteilinfektionen folgt den Regeln der septischen Chirurgie. Begrenzte Phlegmonen, Erysipel, Furunkel und bestimmte dermale Staphylokokkeninfektionen werden konservativ (Ruhigstellung, lokale antiphlogistische Maßnahmen, systemische Antibiotika) behandelt. Dagegen erfordern die mittelschweren Infektionen (Panaritium, Phlegmone, Abszeß, Karbunkel u. a.) eine dringliche chirurgische Therapie (Eröffnung, Drainage, Ruhigstellung ggf. Antibiotika) und die lebensbedrohlichen Infektionen (nekrotisierende Fasziitis, Fourniersche Gangrän, Gasbrand u. a.) eine sofortige radikale operative Behandlung, verbunden mit lebenserhaltenden intensivtherapeutischen Maßnahmen sowie bestimmte adjuvante Therapieverfahren (z. B. hyperbare Oxygenation). (4) Die Therapie chronischer Wunden erfolgt als Einheit lokal (Debridement, Wundspülung, Infektionskontrolle, feuchte Wundbehandlung) und systemisch (Patientenberatung, Ernährungsberatung, Revaskularisation, medikamentöse Einstellung) und bedarf meist einer diffizileren Ursachenforschung und ggf. Kausalbehandlung (gefäßchirurg. Maßnahmen, Diabeteseinstellung u. a.). (N) Wegen der oft langen Behandlungsdauer schlecht heilender Problemwunden mit Wechsel ambulanter und stationärer Phasen ist ein ungestörter Informationsfluß über die Behandlungsstrategie wichtig und ein an den Wundheilungsphasen adaptiertes Behandlungsschema qualitätsentscheidend. Der Erstbehandler legt auch die Belastungsfähigkeit entstandener Narben fest und informiert Patient und Nachbehandler. (L) Lippert H. (Hrsg.): Praxis der Chirurgie, Kap. 14, 15, 43, Thieme Verlag, Stuttgart, 1998 Tautenhahn J. u. M.: Wunde, Wundheilung, chronische Wunden, Teil 1 u. 2, Zbl. Chirurgie 2003; 128: W 2 – 7, W 10 – 13 Reith HB u. M.: Chirurgische Infektion, Zbl. Chirurgie 2003; 128: W 88 – 96 Wienecke H. u. M.: Nekrotisierende Weichteilinfektionen, Chirurg 2001; 72: 320 – 35 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 9 4. Hygiene im OP, Hygiene auf Intensiv- und Normalstation E. John (E) Seit der Entdeckung der Bedeutung von Antisepsis und Asepsis gilt die Vermeidung der Übertragung von Krankheitserregern (Hygiene) als unabdingbare Vorraussetzung für die chirurgische Therapie und ist weitestgehend gesetzlich geregelt. Trotz bislang erheblicher Aufwendungen sind postoperative Infektionen eine bedeutsame Komplikation in der Chirurgie. Die Inzidenz beträgt 15% und ist nach den Harnwegsinfekten und Lungenentzündungen die dritthäufigste nosokomiale Infektion in Deutschland. Die Genese ist komplex und Hygienemaßnahmen können auch nur einen Teil dieser Infektionen vermeiden. Hygienische Verhältnisse auf Intensiv- und Normalstationen werden durch bauliche Voraussetzungen, Ausstattung und persönliche Disziplin gewährleistet. Durch folgende einfache Maßnahmen können nosokomiale Infektionen vermieden werden: kurze präoperative Verweildauer (Reduktion einer pathologischen Kolonisation mit erhöhten Infektionsrisisko), Verwendung von Handschuhen (Schutz vor pathologischer Kolonisation des Arztes), entsprechende Desinfektion oder Einmalbenutzung von Geräten und Verbrauchsmaterial (Endoskope, Verbandsinstrumentarien), kritische Überprüfung von Kathetern (ZVK, Blasenkatheter, Verweilkanülen), Rasur erst kurz vor der OP (Infektionsvermeidung durch Kolonisation der Mikrotraumen), strikte Trennung von Patient und Verbandswagen und Wischdesinfektion von Betten (Bettenaufbereitung) und Flächen. Zudem muß ein korrekter Umgang mit Sterilgut im stationären Bereich gewährleistet sein. Vor invasiven Maßnahmen (Blutentnahmen, Punktionen von Körperhöhlen) sind eine entsprechende Desinfektion und steriles Vorgehen unabdingbar. Am wichtigsten und von der Disziplin eines jeden abhängend ist die hygienische Händedesinfektion nach jedem (!) Patientenkontakt. (O) Im Operationsaal sind die baulichen Gegebenheiten, die Personalstrukturen und der gesamte Tagesablauf auf die Vermeidung von nosokomialen Infektionen abgestimmt. Ziel ist es, die Anzahl der potentiellen Erreger im gesamten OP-Trakt möglichst gering zu halten. Vor dem Betreten des OP wird die Bereichskleidung gewechselt, Mundschutz und Haube angezogen. Der Patient wird über eine Schleuse in den OP gebracht. Es existiert ein getrennter Einleitungs- und Ausleitungsraum auf der einen und ein Sterilflur auf der anderen Seite. Der OP-Raum ist in einen sterilen (Instrumententisch, OP-Tisch) und einen unsterilen Bereich (Anästhesie) gegliedert. Die Klimaanlage sorgt für einen vertikalen, verwirbelungsfrei vom OP-Gebiet wegführenden Luftstrom. Vor der Operation wird das OPGebiet des Patienten weiträumig mit einer Desinfektionslösung (z.B. PVP-Jodlösung, Alkohollösung) abgewaschen, danach alle übrigen Körperteile mit sterilen flüssigkeitsdichten Tüchern abgedeckt. Alle Beteiligten und die Instrumente müssen in unmittelbarer Nähe zum OP-Gebiet und mit ausreichendem Abstand zum unsterilen Bereich platziert werden. Operateure und instrumentierende Schwestern führen vor der OP eine chirurgische Händedesinfektion durch und tragen sterile Handschuhe und einen sterilen, flüssigkeitsdichten OP-Mantel. Nur bei sichtbarer Verschmutzung der Nägel sollten diese gebürstet werden. Jeder „unsterile“ Kontakt muß unverzüglich angezeigt werden. Im OPPlan sind septische Operationen (OP an infizierten Körperteilen) als letzte zu terminieren, ebenso Patienten mit einer MRSA-Kolonisation (Methicillin-Resistenter-Staphyloccus Aureus). (L) Centers for Disease Control and Prevention: Guidline for prevention fo surgical site infection; Inf Contr Hosp Epidemiol 1999; 10:325-329 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 10 Hauer T, Troidl H, Rüden H, Daschner F: Sinnvolle und nicht sinnvolle Hygienemaßnahmen in der Chirurgie, Der Chirurg 2002; 73:375-379 Lippert H: Praxis der Chirurgie, Allgemein- und Viszeralchirurgie; Thieme-Verlag, Stuttgart New York 1998 Schweins M, Holthausen U, Troidl H, Neugebauer E, Daschner F: Hygiene im chirurgischen Alltag, Walter de Gruyter, Berlin - New York 1993 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 11 5. Aufklärung und Begutachtung B. Irmscher Aufklärung (E) Die Information des Patienten (Aufklärung) über die für ihn wesentlichen Faktoren der Behandlung gehört zu den Grundpflichten (neben Behandlungs-, Dokumentations- und Schweigepflicht) des Arztes (Berufsordnung für Ärzte). Jeder Eingriff in die Körperintegrität (diagnostische Maßnahmen, medikamentöse Therapie, Operation) bedarf aufgrund des Selbstbestimmungsrechts jedes Menschen (Grundgesetz Art. 1 u. 2) der Einwilligung des willensfähigen Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters (Eltern, Vormund), der die für seine Entscheidung wesentlichen Umstände kennt (also aufgeklärt ist). Jede medizinische Behandlung ohne rechtzeitige Aufklärung und Einwilligung zählt als Körperverletzung und wird strafrechtlich verfolgt. Die Beweislast für die Durchführung liegt beim Arzt. Neben dieser Eingriffs- (Selbstbestimmungs-) Aufklärung besteht die Berufspflicht zur „Therapeutischen Aufklärung“ (Sicherungsaufklärung). Sie ist eine ärztlich geschuldete Behandlungsleistung in Form der Beratung. Sie soll den Therapieerfolg durch entsprechende Patienten-Compliance gewährleisten. Mängel dieser Pflichten sind Behandlungsfehler, die Beweislast liegt beim Patienten. Inhalt der Eingriffsaufklärung sind die erhobenen medizinischen Befunde, die Diagnose und die Prognose der Erkrankung ohne Behandlung, die Art und Bedeutung des geplanten Eingriffs, die ernsthaft in Betracht kommenden Behandlungsalternativen, die Erfolgsaussichten des Eingriffs, seine sicheren oder möglichen nachteiligen Folgen und seine Risiken (Diagnose-, Verlaufs- u. Risikoaufklärung). Im Rahmen der therapeutischen (Sicherungs-) Aufklärung erteilt der Arzt Ratschläge, wie der Patient durch seine Lebensführung den Genesungsprozeß unterstützen kann oder bestimmte Gesundheitsgefahren meiden soll (Befolgung ärztlicher Verordnung, Erkennung von Komplikationen, Medikamentennebenwirkungen, Diätvorschläge, Abraten von Genußmittelabusus, Fragen der Verkehrstauglichkeit u. a.). Bei Ablehnung ärztlicher Behandlungsvorschläge ist über daraus erwachsende Gefahren aufzuklären. Auch die Informationspflicht nachbehandelnder Ärzte gehört in diesen Aufgabenbereich. Das Aufklärungsgespräch muß vom Arzt geführt werden und ist nicht an nichtärztliche Mitarbeiter delegierbar. Bei Aufgabensplittung (Aufklärender und Operierender sind nicht identisch) müssen klare Dienstanweisungen Aufklärungsdefizite verhindern. Die Aufklärung muß zeitlich so terminiert werden, dass der Patient eine ausreichende Überlegungsfrist hat (24-Stundengrenze, Ausnahme Notfalleingriffe oder kleinere ambulante Operationen). Adressat der Aufklärung ist der einwilligungsfähige Patient. Für Kinder unter 14 Jahren, Bewusstlose oder nicht willensfähige Volljährige gelten besondere Vorschriften (Aufklärung der Eltern, bestellte Betreuer, Handeln nach „mutmaßlichen Willen“, „Geschäftsführung ohne Auftrag“). Fremdsprachige Patienten müssen den Aufklärungsinhalt im wesentlichen verstehen (hierzu Übersetzer beiziehen und dessen Personalien in Krankenunterlagen vermerken). Besonderheiten ergeben sich bei der Aufklärung und Behandlung Angehöriger bestimmter Religionsgruppen und deren Kinder (Zeugen Jehovas), Bewusstloser und Suizidenten (vgl. hierzu Rechtssprechung). Zeitpunkt und Inhalt der Aufklärung sind in den Krankenunterlagen zu dokumentieren. Formblätter erleichtern die Aufklärung, ersetzen aber nicht das ärztliche Gespräch und sollten durch handschriftliche Eintragungen (Skizzen, Zusätze, besondere Schwerpunkte) präzisiert werden. (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 12 (L) Lippert H u. M.: Aufklärung in: Praxis der Chirurgie, Thieme Stuttgart, 1998, 128 – 134 Ulsenheimer K: Die 10 Gebote der Risiko- (Eingriffs-) Aufklärung, MIC 2002; 11: 38 – 39 Winkler-Wilfurth A: Die rechtliche Bedeutung des Patientenwillens für den Arzt, Teil I: MIC 2003; 12: 247 – 251; Teil II: MIC 2004; 13: 41 – 43 Begutachtung (E) Mit seiner Approbation hat der Arzt das Recht zur Ausübung ärztlicher Tätigkeit. Hierzu gehört auch die Tätigkeit als Gutachter. In dieser Funktion ist er sachverständiger Berater der Träger der gesetzlichen Sozialversicherung, der Gerichte und der privaten Versicherungen. Gegenstand seiner Tätigkeit ist es, medizinische Sachverhalte in die rechtlichen Voraussetzungen des Sozialversicherungsrecht und des privaten Versicherungsrechts einzuordnen. Dies erfordert sowohl profunde Kenntnisse des medizinischen Sachverhaltes als auch der jeweiligen Rechtsgrundlage und deren Begriffe (Sozialversicherungs-, Zivil-, Strafrecht). Das ärztliche Urteil über das Vorliegen von Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit, von Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, die Erkennung und sozialrechtliche Wertung beruflich entstandener Unfälle oder Krankheiten, die Feststellung einer Behinderung, eines Rentenanspruches und die Beurteilung einer Rentenberechtigung sind Gegenstand sozialrechtlicher Begutachtungen für die Versicherungsträger. Im Auftrag von Schlichtungsstellen, Zivilgerichten, Haftpflichtversicherern, Patientenanwälten sowie der Staatsanwaltschaft kann der Arzt als Sachverständiger zur Erstellung eines Gutachtens in Arzthaftungssachen herangezogen werden. Jegliche gutachterliche Äußerungen in Form ärztlicher Atteste, Formulargutachten oder sogenannter freier Gutachten müssen in ihrer Aussage objektiv wahrhaftig und richtig sein. Vom Gutachter sind fachliche Kompetenz, Unbefangenheit, Unabhängigkeit, Unvoreingenommenheit und Neutralität zu fordern. Die schnelle (termingerechte) Erledigung eines Gutachtenauftrages sollte selbstverständlich sein. In der Regel hat der ärztliche Gutachter auf Grundlage allgemein geltender gesicherter medizinischer Erkenntnisse Fragen nach Ursachen und Zusammenhängen, von Krankheitszuständen oder Krankheitsfolgen und ihrer sozialmedizinischen Bedeutung zu beantworten. Das medizinische Sachverständigengutachten muß in der Regel drei Aufgaben erfüllen: (1) Klärung des medizinischen Sachverhaltes (lt. Aktenlage) (2) Bewertung des in Vorwurf geratenen ärztlichen Handelns (Fehler ja/nein aus der Sicht ex post; Vermeidbarkeit des Fehlers aus der Sicht ex ante (3) Falls ein schuldhafter Fehler festgestellt wird, so ist die Beurteilung der Kausalität notwendig (Fehler verursachte gesundheitlichen Schaden). Der Gutachter ist immer nur sachverständiger Ratgeber, niemals Entscheidungsinstanz. Ärztliche Gutachten genießen den Schutz des Urheberrechtsgesetzes (UrhG v. 09.09.1965). Sie dürfen deshalb nur für den Zweck verwendet werden, für den sie erstellt worden sind. Ihre Weitergabe bedarf der Zustimmung des ärztlichen Gutachters, des Begutachteten und des Auftraggebers des Gutachtens. Der Gutachter erhält für diese Tätigkeit eine Vergütung (Honorarvereinbarung zwischen Versicherungsträger und ärztlicher Berufsorganisation bzw. Gesetz zur Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen). (L) Fritze E u. M. (Hrsg.): Die ärztliche Begutachtung, 6. Auflage, Steinkopff, Darmstadt, 2001 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 13 6. Thromboseprophylaxe E. John (E) Thrombose bezeichnet eine intravitale, intravasale, lokalisierte Gerinnung von Blutbestandteilen. Entsprechend den von Robert Virchow schon 1847 formulierten thrombogenen Faktoren Blutstromveränderung, Änderung der Blutzusammensetzung und Endothelalteration (sog. Virchow’sche Trias) gehen Operationen naturgemäß mit einem erhöhten Thrombose- und konsekutivem Embolierisiko einher. Ohne medikamentöse und physikalische Prophylaxe beträgt die postoperative Thromboserate zwischen 20% (Allgemeinchirurgie) und 50% (Hüftchirurgie). Blutstromverlangsamungen im Sinne Virchows sind Immobilisation durch Gips, lange Operationsdauer, Lagerung mit Abknicken von Extremitäten und unzureichende postoperative Mobilisation. Endothelveränderungen können durch direkte Verletzung der Gefäße, hohes Alter oder abgelaufene Thrombosen mit unvollständiger Rekanalisierung auftreten. Hohes Alter, Dehydratationszustände, Sepsis, maligne Tumoren, Therapie mit Östrogenen oder Ovulationshemmern wiederum stellen durch Änderung der Blutzusammensetzung ein erhöhtes Thromboserisiko dar. Eine wichtige Gruppe von Risikofaktoren bilden zudem hereditär bedingte Veränderungen des Gerinnungssystems: mit absteigender Häufigkeit APC-Resistenz (Resistenz gegenüber aktiviertem Protein C, sog. Faktor-V-Leiden, 35% aller Thrombosepatienten!), ProthrombinDimorphismus (ca. 10% aller Thrombosepatienten) und Protein C-, bzw. S-Mangel. Das Thromboserisiko bei homozygotem Faktor-V-Leiden in Kombination einer oralen Kontrazeption ist >200fach höher als ohne diese Risiken. Komplikationen einer tiefen Venenthrombose (TVT) sind die Lungenembolie, das postthrombotische Syndrom und das Thromboserezidiv. Um eine optimale nebenwirkungsarme Thromboseprophylaxe durchführen zu können werden die Risiken in Kategorien zusammengefasst. Ein niedriges Risiko ist bei einer unkomplizierten Operation eines Patienten <40 Jahren, geringer Operationsdauer und ohne zusätzliche Risikofaktoren gegeben. Hier liegt die Rate der distalen tiefen Venenthrombose (TVT) bei <10%. Ein mittleres Risiko ergibt sich bei längerer Operationsdauer oder höherem Lebensalter. Die Faktoren hohes Alter, abgelaufene TVT, größere v.a. orthopädische Eingriffe und Bauchchirurgie bei Karzinomen werden unter der Kategorie hohes Risiko subsummiert. (D) Die Diagnose einer TVT beruht im wesentlichen auf der apparativen Untersuchung mit der Farbduplex-Sonographie und der aszendierenden Phlebographie. Thrombosen im zentralen Stromgebiet, z.B. Beckenvenen, V. cava oder Lungenarterien erfordern eine Angio-CT, bzw. eine MRT. Da allein klinisch nur 50% aller TVT erkannt werden können, muß auch der geringste anamnestische oder klinische Anhalt zu einer weiteren Diagnostik führen. Hinweisend, aber mit einer geringen Spezifität und daher alleinig nie beweisend ist eine Erhöhung der Fibrinspaltprodukte (FSP=D-Dimere) im Blut. (P) Angriffspunkte der Prophylaxe sind entsprechend der Virchow’schen Trias die Stase sowie die Hyperkoagulabilität des Blutes. Die Thromboseprophylaxe wird physikalisch und medikamentös durchgeführt. Obligat sind bei allen Patienten (außer bei arterieller Verschlusskrankheit) das Tragen von Antithrombosestrümpfen, die schnelle postoperative Mobilisation und aktive Krankengymnastik. Die medikamentöse Prophylaxe wird mit unfraktioniertem (UFH) oder niedermolekularem Heparin (NMH) durchgeführt. Standard ist die Gabe von NMH, welche eine längere Halbwertszeit und geringe Rate an unerwünschten Wirkungen (HIT=Heparininduzierte Thrombozytopenie, Osteoporose bei Langzeitanwendung) aufweisen. Im Falle einer Unverträglichekeitsreaktion oder HIT kann auf die alternativen Medikamente Danaparoid (Orgaran) oder Fondaparinux (Arixtra) (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 14 gewechselt werden. Fondaparinux hat sich zudem in der elektiven (Hüft- und Kniegelenkersatz) und nicht elektiven (Hüftfraktur) Hochrisikochirurgie in klinischen Studien gegenüber niedermolekularem Heparin als überlegen herausgestellt. Orale Antikoagulantien (Phenprocoumon: Marcumar/Falithrom) haben aufgrund ihrer langen Halbwertszeit einen Platz in der Langzeitprophylaxe (abgelaufene TVT). (L) Interdisziplinäre Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF-Leitlinien-Register, Nr. 003/00): Stationäre und ambulante Thromboembolie-Prophylaxe in der Chirurgie und der perioperativen Medizin, AWMF, letzte Aktualisierung 2003 Diehm C, Stammler F, Amendt K: Die tiefe Venenthrombose, Dtsch. Ärzteblatt 1997; A9: 301-311 Hach-Wunderle W, Hach W: Die Bedeutung der APC-Resistenz für die elektive Chirurgie, Gefäßchirurgie 1998; 3: 180-186 Herold G: Innere Medizin, Eigenverlag, Köln 2004 Pichlmeyer R, Löhlein D: Chirurgische Therapie, Springer, Berlin 1991 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 15 7. Chirurgische Onkologie T. Sutter (E) Das Mehrstufenkonzept der Karzinogenese, welches mit einer Aktivierung von Onkogenen bzw. Inaktivierung von Suppressorgenen und mit einer zunehmenden genomischen Instabilität einhergeht, korreliert klinisch mit dem Übergang von hyperproliferativen Epithelien (z. B. aberrante Kolonkrypten) in präkranzeröse Läsionen (Kolonadenome, Dysplasien bei Colitis ulcerosa, Barrett-Ösophagus), gefolgt von einem klinisch manifesten Malignom, welches sich in der Frühphase durch lokal infiltratives Wachstum und später durch lymphogene und/oder hämatogene Metastasierung auszeichnet. Neben einer sequentiellen Metastasierung in das zugehörige Lymphabflussgebiet erfolgt die hämatogene Metastasierung des Primärtumors über die Vena cava (Hypernephrom) oder über die Pfortader (kolorektales Karzinom). Eine kurative Therapie solider Tumoren ist nur durch eine radikale Resektion möglich. Die radikal chirurgische Therapie kann durch ein multimodales Therapiekonzept unterstützt werden, indem präoperativ (neoadjuvant) oder postoperativ (adjuvant) die Operation mit einer Strahlen- bzw. Chemotherapie kombiniert wird. Bei lokaler (z. B. Gefäßinfiltration) oder allgemeiner (kardiopulmonales Risiko) Inoperabilität dienen palliativ chirurgische (z. B. Umgehungsanastomose) und/oder interventionelle (z. B. Stentimplantation) Verfahren der Verbesserung der Lebensqualität. (D) Leitsymptome sind lokale Verdrängungs- und Infiltrationssymptome (z. B. Schluckstörungen bei Ösophagus-Karzinom, Blut im Stuhl bei kolorektalem Karzinom oder Hormonüberfunktionssymptome bei endokrin aktiven Malignomen) und Allgemeinsymptome wie Leistungsminderung und/oder Gewichtsabnahme. Die Erhöhung Tumorzell-assoziierter Antigene (CEA, CA19-9) ist hinweisend auf ein Malignom. Zytologische (Feinnadelpunktion) und histologische (Stanzbiopsie, Probeexzision) Befunde sichern die Diagnose. Das prätherapeutische Staging erfolgt radiologisch (Thoraxaufnahme, CT, MRT, MR Angio, MRCP), nuklearmedizinisch (Szintigraphie, Skelettszintigraphie, Positronenemissionstomographie) und/oder sonographisch (perkutane oder endoluminale Sonographie). (O) Die radikale onkologische Operation unter kurativer Intention umfasst die vollständige, möglichst atraumatische (no touch isolation) Resektion des Primärtumors, ggf. mit Resektion infiltrierter Nachbarorgane (en-bloc-Resektion) unter Einschluß des Lymphabflussgebietes (lokale R0-Resektion). Eine intraoperative Tumoreröffnung ist ebenso wie die mikroskopisch nicht radikale Resektion zu vermeiden (R1-Situation). Palliative Maßnahmen sind die makroskopisch unvollständige Entfernung des Primärtumors (Debulking, lokale R2-Resektion) sowie vollständige Primärtumorresektionen bei vorhandener Fernmetastasierung (R2-Situation). Eine Mikrodissektionstechnik (Lupenbrille) führt zur Minimierung des intraoperativen Blutverlusts. Sowohl Eigen- als auch Fremdbluttransfusionen erhöhen das Rezidivrisiko. Alternativ zu offenen Verfahren werden laparoskopische Resektionen bei einigen Karzinomen und Tumorstadien (kolorektales Karzinom) mit ausreichender Sicherheit und unter Vermeidung von Implantationsmetastasen (Portsitemetastasen) durchgeführt. (N) Die Nachsorge erfolgt Risiko- bzw. Stadien– adaptiert unter sorgfältiger Anamneseerhebung und klinischer Untersuchung. Eine weiterführende Diagnostik ist nur sinnvoll, wenn weitere Therapieoptionen bestehen. Nach palliativer Therapie (R1- oder R2Resektion) ist eine schematische Nachsorge nicht indiziert. Bei familienanamnestischem oder klinischem Hinweis auf Tumor-Heredität (multiple Tumoren, MEN-Syndrom, HNPCCSyndrom, familiäre Polyposis coli) wird eine Genanalyse des Indexpatienten und der Familienangehörigen durchgeführt. (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 16 (L) Becker HD, Hohenberger W, Junginger T, Schlag PM (Hrsg.): Chirurgische Onkologie, Thieme, Stuttgart, 2001 Informationszentrum für Standards in der Onkologie: Diagnostik und Therapie maligner Erkrankungen, Kurzgefasste Interdisziplinäre Leitlinien, Zuckschwerdt, München, 2002 Schmoll HJ, Höffken K, Possinger K (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie, Standards in Diagnostik und Therapie, Teil 2, Springer, Berlin, 1999 Siewert RJ, Harder F, Rothmund M (Hrsg.): Praxis der Viszeralchirurgie, Onkologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002 Wittekind C, Meyer HJ, Bootz F, TNM Klassifikation maligner Tumoren, Springer, Berlin, 2002 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 17 8. Chirurgische Sonographie und Endoskopie F. Mannes Sonographie (E) Die chirurgische Sonographie ist als ökonomische, primär nicht invasive, beliebig oft reproduzierbare, jederzeit verfügbare und nicht strahlenbelastende Untersuchung wichtiges bildgebendes Verfahren für prä-, intra- und postoperativer Diagnostik, Therapieplanung und Überwachung. Sie beruht auf gewebespezifischer akustischen Impedanz und Schallreflexion. Eindringtiefe und Auflösung sind von der verwendeten Frequenz (3,5-12 MHz), Genauigkeit von Untersuchungsbedingungen und Erfahrung des Untersuchers abhängig. Sie setzt die Kenntnis normaler (Sonoanatomie) und pathologischer (Sonopathologie) Befunde sowie möglicher Sonoartefakte (Schallschatten, Reverberation, Schallverstärkung, Spiegelartefakte, Streuecho, Schichtdicken- und Beugungsphänomen) voraus. (D) In der Notfalldiagnostik stumpfer Bauchtraumen wird die Untersuchung auf den schnellen Nachweis/Ausschluß freier Flüssigkeit in den „regions of interest“ (Morrison-, Koller-Pouch, Douglas-Raum, Sinus phrenicocostales) abgekürzt. Beim akuten Abdomen (Appendizitis, Cholezystitis, Sigmadivertikulitis, Ileus, Ureterkonkrement Aortenaneurysma, Extrauteringravidität etc.) ist die spezifische Sonomorphologie (Flüssigkeitssaum, Pendelperistaltik, Wandverdickung, Schichtungsphänomene, Kokarden) oft wegweisend. Elektive Unteruchungen erfolgen unter optimalen Bedingungen [nüchterner Patient, Mitarbeit (Umlagerung, Bauchpresse, Atemstillstand) möglich], als individuell systematisierter und standardisierter Untersuchungsgang zunächst in Rückenlage durch longitudinale, transversale, interkostale, subcostale und ergänzende Schnitte. Neben der Beurteilung von Echostruktur, Größe und Form parenchymatöser Organe (Schilddrüse, Leber, Pankreas, Milz, Nieren) werden fokale Läsionen (Metastasen, Lymphknotenvergrößerungen) sekretaufnehmende und ableitende Systeme (Gallenblase, Gallenwege, Ductus pankreaticus, Nierenbecken, Ureteren, Harnblase) und Durchblutungsverhältnisse beurteilt. Im intensivmedizinischen Monitoring dient die Sonographie der Abklärung (früh)postoperativer Komplikationen (Nachblutungsverdacht, (Pleura)erguß, Focussuche, Hyperbilirubinämie, Streßcholecystitis, Organperfusion) und zur Durchführung einer Reihe interventioneller Maßnahmen (perkutane Drainagen, Zystostomie, Venenverweilkatheter). Bei der postoperativen Nachsorge ist die Ultraschalluntersuchung Screening-Instrument zur Erfassung neu aufgetretener Metastasen oder Tumorrezidive und der Verlaufskontrolle bekannter Läsionen. Haupteinsatzgebiete der intraoperativen Sonographie (IOUS) einschließlich der Laparosonographie (LUS) sind Tumorstaging und Lokalisationsdiagnostik zur Bestimmung von Resektabilität und Resektionsausmaß vor allem in der Leber- und Pankreaschirurgie. Durch interventionelle Sonographie ist es möglich, perkutan Flüssigkeitsansammlungen (Abszesse, Ergüsse) in Thorax und Abdomen zu drainieren, so dass chirurgische Interventionen oft vermieden werden können. Sie gestattet darüber hinaus perkutane Biopsien, Nephrostomien, Gallengangsdrainagen und ermöglicht minimal-invasive, lokal ablative Therapie von Lebermetastasen (Radiofrequenzablation, RFA). Die Kombination von B-Bild und Doppler-Sonographie ermöglicht es, Blutgefäße funktionell in Bezug auf ihren Blutfluß zu beurteilen (Duplexsonographie, Farbdopplersonographie). Ebenso wie an peripheren und hirnversorgenden Arterien können intraabdominell die Aorta und ihre Abgänge (Aneurysmen, Thromben, Stenosen), bei Patienten mit Leberzirrhose, nach Leberresektionen und Transplantationen die Durchblutung von Pfortader und Arteria hepatica dargestellt und hämodynamisch beurteilt werden. Endoluminale Sonographie (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 18 (EUS) ermöglicht die Darstellung der Wandschichten des Gastrointestinaltraktes und damit die Bestimmung der Infiltrationstiefe von Tumoren (T-Kategorie) vor allem im Ösophagus und Rektum, aber auch die Beurteilung des Pankreas nach Auffüllung des Magens mit Wasser (Ankoppelung) durch Kombination von Endoskopie und Sonographie. Miniaturisierte, über den endoskopischen Arbeitskanal führbare Sonden erlauben die Beurteilung auch bei lumenobstruierenden Prozessen. (N) Die Sonographie ist ein primär nebenwirkungs- und komplikationsfreies Verfahren. Mögliche Probleme ergeben sich aus den Kombinationen mit endoskopischen und interventionellen Verfahren (Pneumothorax, Blutung nach Fehlpunktionen, Perforationen im Rahmen der EUS). (L) Lippert H (Hrsg.): Praxis der Chirurgie, Thieme, Stuttgart 1998, 29 - 37 Siwert JR, Harder F, Rothmund M (Hrsg.): Praxis der Viszeralchirurgie, Bd. Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin 2002, 3 - 19 Chirurgische Endoskopie (E) Mit starren und flexiblen, durch die natürlichen Öffnungen oder perkutan in den Körper eingebrachten Endoskopen werden innerer Körperflächen sowohl in diagnostischer als auch therapeutischer Intention betrachtet. Endoskopische Untersuchungen sind der radiologischen Diagnostik überlegen, da sie direkte Inspektionen pathologischer Prozesse mit der Möglichkeit zur Biopsie und der therapeutischen Intervention erlauben und erfolgen am oberen Gastrointestinaltrakt (oGIT) durch Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD), am unteren Gastrointestinaltrakt (uGIT) durch Koloskopie, Rektoskopie, Proktoskopie am Tracheobronchialsystem durch Bronchoskopie. Als kombiniert endoskopisch-radiologisches Verfahren ermöglicht die endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) Darstellungen und Interventionen des biliopankreatischen Systems. (D) Unter chirurgischen Gesichtspunkten sind prä-, intra- und postoperative Endoskopie zu unterscheiden. Die präoperative, meist diagnostische Endoskopie trägt durch Lokalisation, makroskopische Beurteilung und histologische Sicherung entscheidend zur Therapieplanung bei. Durch erweiterte Verfahren (Chromo-, Zoom- Floureszenzendoskopie) werden Strukturen sichtbar, die der einfachen optischen Betrachtung entgehen können (Dysplasien im Barrett-Ösophagus, flache Kolonadenome, Frühkarzinome), so daß ihre unmittelbare, gezielte Biopsie und histologische Sicherung möglich wird. Besondere Bedeutung in der präoperativen Situation haben Notfallendoskopien, deren Ziel es ist, eine prognostisch ungünstigere Notfalloperation zu ersetzen, zu vermeiden oder einen Elektiveingriff zu ermöglichen. Domäne der endoskopischen Notfalldiagnostik und -therapie ist die (obere) gastrointestinale Blutung aus peptischen Ulcerationen (Forrest I - III), Ösophagus- und Fundusvarizen, Angiodysplasien, Anastomosen und Tumoren. Für endoskopische Blutstillungen existiert eine Vielzahl verschiedener Methoden (Clip, Gummibandligatur, HFKoagulation, Sklerosierung, Embolisation, Adrenalin- und Fibrininjektion). (O) Intraoperative endoskopische Untersuchungen können zur Identifizierung nicht sicht- und tastbarer pathologischer Befunde (Blutungsquellen, Angiodysplasien, kleine Tumoren) eingesetzt werden, ermöglichen vor allem bei laparoskopisch-endoskopischen Rendezvouseingriffen eine Limitierung des erforderlichen Resektionsausmaßes und erlauben eine unmittelbare Kontrolle gastrointestinaler Anastomosen. Der Stellenwert der postoperativen Endoskopie liegt in der Diagnose und Therapie von Früh- und Spätkomplikationen (Blutungen, Anastomoseninsuffizienzen, Fisteln, Stenosen) und der Überwachung bestimmter Risikoerkrankungen [familiäre adenomatöse Polyposis(FAP)]. Bronchoskopische Interventionen [gezielte Bronchialtoilette, percutane Punktionstracheotomie (Ciaglia), translaryngeale Dilatationstracheotomie (Fantoni)] gehören zu den (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 19 grundlegenden Techniken der chirurgischen Intensivtherapie ebenso wie endoskopische Anastomosenkontrollen, Diagnose und Behandlung von Streß- und Sondenläsionen, die Differentialdiagnostik einer Kolitis (pseudomembranös, ischämisch), endoskopisch geführte Sondenplazierungen für die enterale Ernährung (percutane endoskopische Gastrostomie, PEG oder Dekompressionstherapie. Die endoskopische Behandlung benigner und maligner gastrointestinaler (Anastomosen-Stenosen erfolgt durch dilatative (Bougierung, hydraulische/pneumatische Ballondilatation), ablative [HF-Chirurgie, Laser, Argonplasmakoagulation (APC)] und prothetische (selbstexpandierende Metallstents), häufig miteinander kombinierte Verfahren, die vor allem auch in der palliativen Tumortherapie einen hohen Stellenwert besitzen. Postoperative Anastomoseninsuffizienzen und Fisteln können durch endoskopische Verfahren frühzeitiger und sicherer als mit konventionellen radiologischen Methoden diagnostiziert und unmittelbar den erforderlichen Maßnahmen der septischen Chirurgie (Debridement, Spülung, Drainage) zugeführt, durch ummantelte (gecoverte) Metall- oder Kunststoffstents geschient und überbrückt oder endoskopische Fibrinklebung behandelt werden. (N) Wie alle chirurgischen Eingriffe erfordern auch endoskopische eine sorgfältige Vorbereitung des Patienten (Aufklärung, Einwilligung, Nüchternheit, Darmreinigung, Gerinnungssituation). Die meisten endoskopischen Eingriffe können ambulant, ohne Allgemeinnarkose, häufig in leichter Sedierung durchgeführt werden. Mindestens durch Pulsoxymetrie sollte ein Monitoring erfolgen. Intra- und postendoskopisch zu beachtende relevante Komplikationen sind Blutungen und Perforationen vor allem im Rahmen interventionell-endoskopischer Verfahren. (L) Grund KE, Lange V, Stellenwert der flexiblen Endoskopie in der Chirurgie Teil I, Chirurg 2000; 71: 1179 - 1190 Grund KE, Lange V, Stellenwert der flexiblen Endoskopie in der Chirurgie Teil II, Chirurg 2000; 71: 1307 - 1326 Lippert H (Hrsg.): Praxis der Chirurgie, Thieme, Stuttgart 1998, 38 - 70 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 20 9. Gefäßchirurgische Diagnostik J. Ukkat (E) Die gefäßchirurgische Diagnostik setzt eine genaue Anamneseerhebung voraus, welche die Frage nach Beginn und Dauer der Erkrankung, Feststellung von Temperaturunterschieden zwischen den Armen oder Beinen und des Colorits, die Belastungsabhängigkeit von Schmerzen, die Belastungsdauer bis zum Auftreten von Schmerzen und in jedem Fall den Pulsstatus klären muss. Die anamnestischen Angaben der Patientin sind in erster Linie richtungsweisend in Bezug auf den Zeitpunkt des akuten oder chronischen Ereignisses oder die subjektiven Beschreibungen. Dazu zählen Schmerzangaben, Gefühlsstörungen, Ermüdung von Muskeln, Zeitintervalle bis zum Auftreten solcher Symptome. Die Einteilung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) nach Fontaine beruht auf der Feststellung der schmerzfreien Gehstrecke und unterscheidet fünf Stadien: Stadium I Stadium II a Stadium II b Stadium III Stadium IV asymptomatische Erkrankung Claudicatio intermittens mit schmerzfreiher Gehstrecke über 200 m Claudicatio intermittens mit schmerzfreiher Gehstrecke unter 200 m Ruheschmerzen Nekrosen, Gangrän Die apparative Diagnostik stützt sich auf sonographische und radiologische Verfahren. In jedem Fall entsteht ein objektives Bild über den Gefäßzustand eines Patienten nur durch die Kombination von Anamnese, klinischem Befund und apparativer Untersuchung. Auch müssen fachübergreifende Zusammenarbeiten bestehen, um beispielsweise die Polyneuropathie oder einen ursächlichen Diabetes mellitus einschätzen und therapieren zu können. (D) Klinische Untersuchung: Der Pulsstatus ist in jedem Fall Ausgangspunkt der klinischen Untersuchung. Des Weiteren werden Temperatur- und Kraftunterschiede aber auch Schwellungen und die Hautfärbung festgestellt. Auch die Beobachtung trophischer Veränderungen kann von Interesse sein. Zu den mit einfachen apparativen Hilfsmitteln durchzuführenden Untersuchungen gehören die Blutdruckmessung im Seitenvergleich und die Laufbanduntersuchung zur Feststellung der schmerzfreien Gehstrecke. Doppler- und Duplexsonographie: Das Dopplerverfahren wird einerseits zur Ableitung einer Pluskurve genutzt, die zusätzlich zum B-Bild ausgedruckt und/oder als moduliertes akustisches Signal wiedergegeben werden kann. Andererseits wird der Dopplereffekt verwendet, um ein Duplexbild zu erzeugen. Hierbei wird die Strömung in Gefäßen entsprechend der Richtung (auf den Schallkopf zu oder vom Schallkopf weg) farbkodiert ins B-Bild eingeblendet. Mit diesen beiden kombinierbaren Methoden können unter Anderem Flussgeschwindigkeit, -richtung, -volumen berechnet oder Angaben zur Gefäßmorphologie und pathologischen Veränderungen der Gefäßwand selbst gemacht werden. Die Form der Pulskurve (mono-, bi-, triphasisch) läßt Rückschlüße auf das Strömungsverhalten und den peripheren Widerstand zu. Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist die Ableitung der peripheren Verschlussdrücke, wobei die Pulskurven über peripheren Arterien abgeleitet werden und mit einer Blutdruckmanschette die abhängigen Drücke gemessen werden. Aus den Drücken von beispielsweise A. poplitea, A. tibialis posterior oder A. dorsalis pedis und den Drücken der A. brachialis werden crurobrachiale Indices errechnet, welche die Blutversorgung der Extremität einschätzen lassen und wichtig für die Therapiewahl bzw. Verlaufskontrolle sind. (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 21 Angiographie: Die Angiographie ist ein radiologisches Verfahren, das auf der „Schattenprojektion“ eines intravasal applizierten Kontrastmittels (KM) bei Durchleuchtung mit ionisierender Strahlung beruht. Die KM sind jodhaltig. Mögliche Kontraindikationen (z.B. Schilddrüsenerkrankungen) sind vorher auszuschließen. KM sind Substanzen die über die Nieren ausgeschieden werden und die Nierenfunktion bei vorgeschädigter Niere negativ beeinflussen können. Die Kreatinin- und Harnstoffwerte der Patienten müssen deshalb im Normbereich liegen, um kein Nierenversagen zu induzieren. Die KM-Gabe, die auch zu allergischen Reaktionen führen kann, erfolgt über einen vor den zu untersuchenden Gefäßen platzierten Katheter. Um den Kontrast zu verstärken, wird heute die Digitale Subtraktionsangiographie (D S A) angewandt. Dabei wird eine sog. Leeraufnahme vom KM-Bild digital subtrahiert, so dass nur die KM-gefüllten Gefäße sichtbar bleiben. Bei der Angiographie wird somit nur das KM-durchströmte Gefäßlumen dargestellt. Von Thrombus ausgefüllte Aneurysmata können z.B. wie ein normales Lumen imponieren, da weder Gefäßwand noch Plaques oder Thromben abgebildet werden. Außerdem darf man die zweite Ebene nicht vergessen, in der ein im Querschnitt nicht mehr rundes Gefäßlumen eine Stenose offenbaren kann. Computertomographie: Die Computertomographie (CT) stellt thrombosierte Gefäße ebenso wie aneurysmatische Veränderungen oder durchströmte Lumina nach Kontrastmittelgabe dar. Gefäßverläufe können aus den gewonnenen Schnittbilden computergestützt zu einem Längsbild zusammengesetzt werden. Magnetresonanztomographie: Alternatives Schnittbildverfahren zur Verwendung von jodhaltigen Kontrastmitteln ist die Magnetresonanz-tomographie-Angiographie (MRA). Die Gefäßbahnen lassen sich in jeder Richtung aufzeichnen, erfahrungsgemäß erfolgt jedoch eine gegenüber der Realität „übertriebene“ Gefäßdarstellung, die Lumina größer darstellt als sie sind. Da die Bilder durch Subtraktion vor oder hinter dem Gefäß liegender Schichten entstehen, kann z.B. ein geschwungener Gefäßverlauf eine Stenose vortäuschen. (L) Neuerburg, Hennerice: Gefäßdiagnostik mit Ultraschall, Lehrbuch und Atlas, 3. Auflage 1999 Ralf Schüler: Apparative Gefäßdiagnostik, Isle-Verlag, Ilmenau 1998 Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin, VASA Band 30, Supplement 57, August 2001 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 22 10. Chirurgische Intensivmedizin M. Brauckhoff (E) Die chirurgische Intensivmedizin stellt einen speziellen chirurgischen Bereich dar, der sich schwerpunktmäßig mit schwerstkranken Patienten innerhalb des Gebietes Chirurgie (Viszeralchirurgie, Gefäßchirurgie, Traumatologie, Thoraxchirurgie) beschäftigt. Neben den allgemeinen intensivmedizinischen diagnostischen und therapeutischen Prinzipien (u.a. kardiopulmonales Monitoring, Respiratortherapie, Hämofiltration, parenterale Ernährung) weist die chirurgische Intensivmedizin in der Viszeral- und Gefäßchirurgie folgende fachgebundene Therapieschwerpunkte auf: offene oder geschlossene Behandlung der Peritonitis (Lavage), nekrotisierende Pankreatitis, SIRS (systemic inflammatoric response syndrome) und Sepsis, abdominelles Kompartmentsyndrom und postoperative Behandlung nach Leberresektion, Operationen wegen Schilddrüsenkarzinomen mit Infiltrationen des aerodigestiven Systems (Trachea- und Ösophagusinfiltration), thorakoabdominellen Eingriffen (Ösophagus, transsternaler Lymphadenektomie beim Schilddrüsenkarzinom), großen abdominellen Operationen (partielle Duodenopankreatektomie, Gastrektomie, Proktokolektomie, retroperitoneale Sarkome), gefäßchirurgische Operationen (Aortenersatz, aortobifemoraler Bypass, Karotisrevaskularisation, aufwändige krurale Revaskularisationen) und Operationen bei speziellen endokrinen Erkrankungen (z.B. M. Cushing, Phäochromozytom, Insulinom). (D) Wichtigstes diagnostisches Grundprinzip der chirurgischen Intensivmedizin ist das umfassende kontinuierliche Monitoring (Überwachung) der Patienten. An erster Stelle steht hier trotz der zunehmenden Medizintechnik nach wie vor der „klinische Blick“ (tägliche Anamnese und Befunderhebung). Neben den in der allgemeinen Intensivmedizin üblichen technischen Überwachungsmethoden (kardiopulmonale, renale, metabolische, zerebrale und hämatologisch-hämostaseologische Funktionen) bestehen in der viszeral- und gefäßchirurgischen Intensivmedizin verschiedene spezielle diagnostische Fragestellungen, z. B.: (1) Leberresektion: GLDH, Quickwert, Bilirubin, Duplexsonographie der Lebergefäße; (2) Ösophagus- und Magenresektion: Kontrastmitteldarstellung der Anastomose; (3) Transplantationschirurgie: Drug-Monitoring, Organfunktion; (4) Sterno- oder Thorakotomie: Thorax-Röntgenuntersuchung; (5) viszeralchirurgische Operationen: abdomineller Befund, Darmperistaltik; (6) Peritonitis/Sepsis: intraabdomineller Befund/Fokus, Immunmonitoring, Erregerdiagnostik und Antibiogramm; (7) Adrenalektomie: adrenokortikale Stresskompetenz; (8) Aortenchirurgie: Durchblutung der Beine, neurologischer Status, Nierenfunktion; (9) Karotischirurgie: neurologischer Status. Ein weiterer Schwerpunkt der intensivchirurgischen Diagnostik sind endoskopische Untersuchungen (Gastroskopie, Koloskopie, Tracheo- und Bronchoskopie) und sonographisch kontrollierte Punktionen. Generell bedürfen operative Intensivpatienten einer sehr genauen und sorgfältigen Überwachung durch einen erfahrenen Chirurgen, um Komplikationen so früh wie möglich zu erkennen und zu behandeln. (O) Spezielle (operative) Eingriffe auf einer viszeral- und gefäßchirurgischen Intensivstation sind (1) Tracheotomien (Standards: Punktionstracheotomie nach FANTONI und offene Tracheotomie), (2) Thoraxdrainagen (Standard: BÜLAU), (3) abdominelle Lavage (bei Abdomen apertum), (4) Vakuumversiegelung von Wunden, (5) endoskopische Anastomosenklebung oder –spülung bei Anastomoeninsuffizienz im Gastrointestinaltrakt und Applikation von Stents (z.B. Trachea oder Ösophagus) und (6) sonographisch kontrollierte Anlage von Drainagen bei intraabdominellen Abszessen. Chirurgische Intensivpatienten sind schwerkranke Patienten, deren Prognose multifaktoriell determiniert wird. Klinische Score-Systeme (z.B. APACHE II) sind als prognoseorientierte Therapieentscheidungshilfen entwickelt worden. Spezielle Risiken von Patienten auf einer chirurgischen Intensivstation (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 23 sind: postoperativer Ileus, Peritonitis (z.B. infolge einer Anastomoseninsuffizienz), intestinale Ischämie, Nachblutung und intraabdominelle Infektion (Abszeß). Deren frühzeitiges Erkennen ist prognosebestimmend. Allgemeine Probleme intensivmedizinischer Patienten sind SIRS, Sepsis, hirnorganisches Psychosyndrom, Verbrauchskoagulopathie, hepatorenales Syndrom und (Mehr-)Organversagen (MODS, multiple organ dysfunction syndrome). Während in den frühen Jahren der Intensivtherapie pulmonales Versagen (ARDS, adult respiratory distress syndrome) und renales Versagen hauptsächlich prognosebestimmend waren, stellen durch den Fortschritt in der apparativen Organersatztherapie (z.B. Respiratortherapie, Dialyse, IABP (intraarterielle Ballongegenpulsation)) heute Darm (bakterielle Translokation, Verlust der Mukosabarriere) und ZNS (hypoxische Enzephalopathie, Intensivpolyneuropathie (critical ill neuropathy, CIN) die prognoselimitierenden Organsysteme dar. (N) Chirurgische Intensivpatienten bedürfen in der Regel nach Entlassung von der Intensivstation einer intensiven Weiterbetreuung auf einer Intermediate Care Station. (L) Töns C, Schumpelick V (Hrsg): Chirurgische Notfall- und Intensivmedizin. Enke 1997 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 24 11. Schilddrüse und Nebenschilddrüsen H. Dralle (E) Die chirurgische Behandlung von Patienten mit Erkrankungen der Schilddrüse und der Nebenschilddrüsen (NSD) setzt eine subtile Kenntnis der Physiologie und Pathophysiologie, der chirurgischen Anatomie des Halses und des zervikomediastinalen Übergangsbereiches sowie der Embryologie voraus. Die Hauptindikationen zur Operation bei Schilddrüsenerkrankungen sind: benigne Knotenstruma ohne oder mit (latenter) Überfunktion, M. Basedow, Rezidivstruma und Schilddrüsenkarzinom (papillär, follikulär, medullär, undifferenziert). Operationsindikationen bei Nebenschilddrüsenerkrankungen sind nahezu ausschließlich Überfunktionen, meist primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT) bei Ein- oder Mehrdrüsenerkrankung, selten sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT), sehr selten primärer HPT bei Nebenschilddrüsenkarzinom. Das Komplikationsrisiko bei Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenoperationen betrifft zum einen das Wiederauftreten (Rezidiv) der Grunderkrankung und zum anderen operative Komplikationen an den Umgebungsorganen (z. B. Recurrensparese). Schilddrüse (D) Die 4 Säulen der klinischen Diagnostik von Schilddrüsenerkrankungen sind die Anamnese (Dauer der Erkrankung, Entwicklungsdynamik bezüglich Schilddrüsengröße und –funktion, Schilddrüsenhormonsubstitution, Kontrastmittelgaben, jodhaltige Medikamente, frühere Schilddrüsenoperationen, familiäre Disposition zu Schilddrüsenerkrankungen, Verlauf der Beschwerden und Symptome), die klinische Untersuchung (Größe der Schilddrüse, Seitenverteilung, Knotenkonsistenz, und –verschieblichkeit, Halslymphknoten, Einflussstauung). die Bestimmung der sog. in vitro-Parameter des Schilddrüsenstoffwechsels (T3, T4, TSH u. a.) und die Durchführung von in vivo-Untersuchungen (Sonographie, Szintigraphie, Aspirationszytologie, ggf. MRT, Endoskopie). Unentbehrliche apparative Diagnostikverfahren für die Operation sind die Parameter zur Bestimmung des Schilddrüsenstoffwechsels (Schilddrüsenoperationen sollen, von wenigen definierten Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich in euthyreoter Stoffwechsellage durchgeführt werden) und die zervikale Sonographie als bildmorphologisches Standardverfahren zur Erfassung des Schilddrüsenvolumens, der Knotenlage und Größe und zur Beurteilung der Halslymphknoten. Obligater Bestandteil der präoperativen Diagnostik ist auch die HNOärztliche Untersuchung der Stimmlippenfunktion (Laryngoskopie). (O) Die wichtigsten Standardverfahren bei Schilddrüsenoperationen sind: Knotenenukleation, subtotale Resektion, Hemithyreoidektomie und totale Thyreoidektomie. Beim Schilddrüsenkarzinom wird mit Ausnahme des kleinen papillären Karzinoms (< 1 cm, solitär, keine Metastasen) als Regeloperation eine totale Thyreoidektomie und zentrale Lymphknotendissektion durchgeführt. Bei der benignen Struma wird das Resektionsausmaß in erster Linie vom Ausmaß der Struma und der Knoten bestimmt. Von besonderer Bedeutung ist der sog. kalte (d. h. im Szintigramm "kalte") Knoten. Da bei diesen Knoten im Gegensatz zum sog. "heißen" Knoten ein deutlich erhöhtes Malignitätsrisiko besteht (je nach Selektion des Krankengutes ca. 3 – 10 %), wird hier eine primäre Hemithyreoidektomie und intraoperative Schnellschnittuntersuchung empfohlen. Hauptkomplikationen der Schilddrüsenoperationen sind Recurrensparese (Stimmbandnervenlähmung, passager, permanent, einseitig, beidseitig) und Hypokalzämie (Hypoparathyreoidismus). Die postoperative Kontrolle der Stimmlippenfunktion (Laryngoskopie) und des Kalziumstoffwechsels ist daher obligat. Beide Komplikationen treten bei ca. 1 – 3% der Operationen auf. Der Einsatz des intraoperativen Neuromonitorings und die Verwendung von Lupenbrille und bipolarer Koagulation kann das Schädigungsrisiko des (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 25 Nervus recurrens senken. Bei beidseitiger Recurrensparese ist häufig eine Tracheotomie erforderlich, aber auch einseitige Paresen haben z. T. ernste Folgen (Berufsunfähigkeit bei Lehrern und Sängern wegen Heiserkeit, deutlich eingeschränkte respiratorische Kapazität). Permanente Hypokalzämien erfordern eine Dauersubstitution mit Kalzium und Vitamin D. Nach ausgedehnten Schilddrüsenresektionen ist eine lebenslange Schilddrüsenhormonsubstitution erforderlich. Die Informationen des Patienten über potentielle oder wahrscheinliche Operationsfolgen ist neben der Erläuterung des operativen Zugangs und des Operationsausmaßes Bestandteil der präoperativen Aufklärung. (N) Die Nachsorge (Kontrolle, Behandlung) dient der Behandlung von Komplikationen bzw. Operationsfolgen und, vor allem beim Schilddrüsenkarzinom, der Früherkennung und -behandlung von Rezidiven. Beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom wird 4 Wochen postoperativ ohne zwischenzeitliche Aufnahme einer Schilddrüsenhormonsubstitution eine Radiojoddiagnostik und –therapie durchgeführt. Beim medullären Karzinom gibt es keine adjuvanten Standardverfahren. Wichtig ist hier die molekulargenetische Untersuchung auf Mutationen im RET-Protoonkogen, um hereditäre Formen dieses Tumors zu erkennen und, falls vorhanden, ein Familienscreening einzuleiten und dem Patienten bezüglich eines MEN 2-Syndroms zu untersuchen (Assoziation mit Hyperparathyreoidismus und/oder Phäochromozytom). Bei undifferenzierten Schilddrüsenkarzinomen wird postoperativ eine externe Strahlentherapie durchgeführt. Nebenschilddrüsen (D) Anamnese (Nephrolithiasis, Knochensymptome als klassische Osteitis fibrosa cystica, gastrointestinale Ulzera, Leistungsminderung, Depression, bisweilen vollkommen asymptomatisch) und Laborchemie (erhöhtes Kalzium und Parathormon [PTH] i. S., vermehrte Kalziumausscheidung im Urin, erniedrigtes Serumphosphat) führen zur Diagnostik eines primären Hyperparathyreoidismus (pHPT). Beim symptomatischen sekundären, meist renal-bedingten Hyperparathyreoidismus (sHPT) ist Parathormon stark erhöht, Serumkalzium erniedrigt, normal, oder erhöht (sog. tertiärer HPT). Nebenschilddrüsenkarzinome sind präoperativ, wenn keine Metastasen vorliegen, nur schwer zu erkennen (ggf. "inadäquat" hohes Parathormon). (O) Die Kenntnis der Embryologie einschließlich der wanderungsbedingten Lagemöglichkeiten der Nebenschilddüsen ist obligate Voraussetzung für die Durchführung von Nebenschilddrüsenoperationen. Nebenschilddrüsen können in "überzähliger" (mehr als 4, ca. 15 – 20 %) oder unterzähliger Anzahl vorkommen (selten), ein Adenom in einer sog. "5. Drüse" wird in etwa 5 % beobachtet. Die Embryologie erklärt auch, daß ektope NSD-Adenome häufig sind. (ca. 20 %). Beim pHPT liegt in ca. 10 – 15 % eine sog. Mehrdrüsenerkrankung (MDE) vor, bei der zwei oder mehr Nebenschilddrüsen hyperplastisch vergrößert sind; Operationsverfahren der Wahl ist dann eine subtotale Parathyreoidektomie (PTX). Auch beim familiären pHPT und beim sHPT liegt immer eine Hyperplasie aller Nebenschilddrüsen vor. Bei der sog. Eindrüsenerkrankung (EDE) des pHPT ist nur eine Nebenschilddrüse betroffen (Adenom), die Adenomentfernung ist dann ausreichend. Die präoperative Lokalisationsdiagnostik beim HPT richtet sich nach der Grunderkrankung und dem geplanten Operationsverfahren. Bei der MDE (sHPT, familiärer pHPT) ist eine Lokalisationsdiagnostik nicht erforderlich, da in jedem Fall eine subtotale oder totale PTX (letztere dann mit Autotransplantation von Nebenschilddrüsengewebe in den Unterarm) erfolgt. Beim sporadischen pHPT ist eine präoperative Lokalisationsdiagnostik (Sonographie, NSD-Szintigraphie mit MIBI-SPECT) nur dann erforderlich, wenn ein minimal-invasives Vorgehen geplant ist. In den letzten Jahren hat die Einführung der intraoperativen PTH-Schnellbestimmung (sog. "biochemischer Schnellschnitt") die intra- (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 26 operative Erfolgskontrolle erheblich verbessert und zu einer weiteren Verbreitung der minimal-invasiven Verfahren geführt. Potentielle postoperative Komplikationen sind die Recurrensparese (ca. 1 %) und Störungen des Kalziumstoffwechsels (Hypo- oder persistierende Hyperkalzämie). Bei persistierender Hyperkalzämie ist eine Lokalisationsdiagnostik und in der Regel Reoperation erforderlich. Die postoperative Kontrolle der Stimmlippenfunktion (Laryngoskopie) ist obligat. (N) Die Nachbehandlung dient der Behandlung von Komplikationen und der Früherkennung einer Unter- oder Überfunktion der Nebenschilddrüse. Hypokalzämien werden mit Kalzium und/oder Vitamin D behandelt. Bei Überfunktionen s. o. (L) Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (2000) Maligne Schilddrüsentumoren AWMF online, www.uni-duesseldorf.de Leitlinien der Therapie maligner Schilddrüsentumoren (1996) erarbeitet von den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Demeter Verlag, Balingen; Heft 3 Leitlinien der Therapie benigner Schilddrüsentumoren (1998) erarbeitet von den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Demeter Verlag, Balingen; Heft 3 Leitlinien der Therapie des Hyperparathyreoidismus (1999) erarbeitet von den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Demeter Verlag, Balingen; Heft 4 Lorenz K, Dralle H, Chirurgie des Hyperparathyreoidismus, Chirurg 2003; 74: 593 – 616 Lehnert H (Hrsg.): Rationelle Diagnostik und Therapie in Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel, Thieme, Stuttgart, 2003, 47 - 133 Rothmund M (Hrsg.): Endokrine Chirurgie, Springer, Berlin, 2000, 27 – 329 Pichlmayr R, Löhlein D: Chirurgische Therapie, Springer, Berlin, 1991, 1 – 79 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 27 12. Ösophagus F. Mannes (E) Indikationen zur Chirurgie der Speiseröhre bestehen bei funktionellen [gastroösophageale Refluxkrankheit (gastroesophageal reflux disease, GERD), Achalasie, (Pulsions-) Divertikel], traumatischen (Boerhaave-Syndrom, akzidentielle Perforationen, Säure/Laugenverätzungen) und neoplastischen Erkrankungen. Ösophagusresektionen sind komplexe, bei Karzinomen sehr ausgedehnte Eingriffe, die genaue Kentnisse der topographischen Anatomie (Hals, Thorax, Abdomen), Pathophysiologie, des perioperativen Managementes [Risikoabschätzung, therapeutische Alternativen, (neo-)adjuvante Therapie, Palliation, postoperative Intensivtherapie] sowie der Erkennung und Behandlung früh- und spätpostoperativer Komplikationen erfordern. (D) Zu den Leitsymptomen ösophagealer Erkrankungen gehören Dysphagie (Tumoren, Achalasie, Divertikel), Sodbrennen (GERD), retrosternale Schmerzen (Motilitätsstörungen, GERD), Regurgitation (Divertikel), Gewichtsverlust und Heiserkeit (Recurrensparese infolge Tumorinfiltration). Basisuntersuchung jeder Speiseröhrenerkrankung ist die Endoskopie, die dem jeweiligen Krankheitsbild entsprechend ergänzt wird. Diagnose und Klassifikation funktioneller Erkrankungen erfolgen durch Ösophagusmanometrie [Achalasie: hypertensiver und/oder unvollständig relaxierender unterer Ösophagussphinkter (UÖS), Dys/Aperistalsis; GERD: hypotensiver, transient relaxierender UÖS] und/oder 24h-pH-Metrie (GERD: Refluxausmaß) und konventionelle Kontrastmitteldarstellung (Divertikel, Achalasie, GERD mit/ohne Hiatushernie). Schnelligkeit und Effizienz bestimmen das Untersuchungsverfahren bei Ösophagusverletzungen, die unbehandelt oder verspätet erkannt meist zum Tod führen. Anamnese [Verätzungen, iatrogene Perforationen (75% aller Ösophagusverletzungen)] und konventionelle Röntgenaufnahme (Mediastinalemphysem) ergeben Hinweise, die Diagnosesicherung erfolgt durch Darstellung mit wasserlöslichem Kontrastmittel oder CT des Thorax. Für das therapeutische Vorgehen bei Patienten mit Ösophaguskarzinomen sind die Klassifikation in supra- und infrabifurkal gelegene (Spiral-CT Thorax, Kontrastmitteldarstellung, Endoskopie), lokal fortgeschrittene (T3, T4) oder begrenzte (T1, T2) Tumoren (Endosonographie, Spiral-CT Thorax, Kernspintomographie), der Tumorbzw. Gewebetyp [(Plattenepithel-, Adenokarzinom, Barrettschleimhaut mit/ohne intraepithelialer Neoplasie) (Endoskopie, Biopsie, Histologie, Referenzhistologie)] und der Ausschluß von Fernmetastasen bedeutsam (Spiral-CT Thorax/Abdomen, Laparoskopie). (O) Die Operation funktioneller Speiseröhrenerkrankungen erfolgt heute überwiegend minimalinvasiv. Standardvorgehen bei der meist mit einer Hiatushernie assoziierten GERD sind die laparoskopische dorsale, partielle (180°, Toupet) oder totale (360°, Nissen, DeMeester) Anlage einer Magenfundusmanschette um den abdominellen Ösophagus (Fundoplikation) und Einengung des Hiatus oesophageus (Hiatoplastik). Die nach endoskopischer Dilatationsbehandlung rezidivierte Achalasie wird durch longitudinale laparo- oder thorakoskopische Myotomie sämtlicher Muskelfasern des ösophagokardialen Überganges behandelt. Zusätzlich kann eine, meist partielle, anteriore Fundoplastik (Dor) angelegt werden. Häufigstes Ösophagusdivertikel ist das pharyngoösophageale Zenker-Divertikel (70%), das über eine linkslaterale Zervikotomie reseziert wird. Obligat ist, wie bei den übrigen Pulsionsdivertikeln (epiphrenische Divertikel) eine vollständige Myotomie der distal lokalisierten, ätiologisch bedeutsamen, muskulären Hochdruckzone (Zenker-Divertikel: M. cricopharyngeus). Speiseröhrenverletzungen stellen nur in selektierten Ausnahmefällen keine Operationsindikation dar. Das Vorgehen richtet sich nach Art, Lokalisation, Ausdehnung und Alter der Verletzung, Ausmaß der begleitenden Mediastinitis und zugrundeliegender Erkrankung. Kleine, frische Verletzungen werden gezielt drainiert (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 28 und/oder durch Stent überbrückt und/oder durch primäre Naht mit Augmentation durch Fundusplastik, Pleura- oder Muskellappen versorgt. Verätzungen und ausgedehnte Perforationen erfordern die Ösophagektomie. Bei später Diagnose und schwerer Begleitmediastinitis erfolgt die Rekonstruktion der Nahrungspassage zweizeitig. Wesentliche Voraussetzung für die kurative Behandlung des Ösophaguskarzinoms sind die korrekte Beurteilung des individuellen Operationsrisikos und die vollständige Entfernung des Tumors mit regionalem Lymphabflussgebiet (R0-Resektion). Suprabifurkale, lokal begrenzte (T1/2) und infrabifurkale Plattenepithel-(70%) und Adenokarzinome (20%, steigende Inzidenz) werden durch transthorakale, subtotale Ösophagektomie sowie mindestens mediastinale und abdominelle (2-Feld) Lymphadenektomie (LA) behandelt. Der Ösophagus wird in Höhe der Pleurakuppel oder zervikal abgesetzt. Distale Adenokarzinome des ösophagogastralen Überganges (Barrett-Karzinome) können sowohl transthorakal als auch durch transmediastinale (transhiatale) Ösophagektomie mit LA im hinteren Mediastinum und Abdomen behandelt werden. Der Ösophagus wird in Höhe der Trachealbifurkation abgesetzt. Die abdominelle LA umfasst die Resektion der Lymphknoten der kleinen Kurvatur des Magens und der zoeliakalen und suprapankreatischen Lymphknoten. Als Ösophagusersatz dienen der zu einem Schlauchmagen umgeformte Magen oder ein Koloninterponat, die im hinteren Mediastinum oder bei zervikaler Anastomose auch retrosternal nach kranial geführt werden. Allgemeine Komplikationen dieser Eingriffe ergeben sich aus ihrer Komplexität (Pneumonie durch Ventilationseinschränkung nach Thorakolaparotomie) und dem präoperativen Zustand der Patienten (Nikotin-/Alkoholabusus, Mangelernährung/Marasmus). Während Insuffizienzen zervikaler Anastomosen meist spontan ausheilen, stellen thorakale Anastomoseninsuffizienzen, ösophagotrachebronchiale Fisteln und Nekrosen des Ösophagusersatzorganes eine vitale Bedrohung des Patienten dar. Sie erfordern meist ein invasives Vorgehen (Reoperation, Stentüberbrückung, Fibrinklebung). Weitere behandlungsimmanente Komplikationen sind die (linksseitige) Recurrensparese, das Auftreten eines postoperativen Chylothorax und Anastomosenstenosen. Spezifische Komplikationen der Fundoplikation sind das Refluxrezidiv durch gelöste, postoperative Dysphagie durch zu enge und/oder zu lange und/oder fehlplazierte und/oder dislozierte (Teleskopphänomen) Fundusmanschette und Folgen einer Schädigung des N. vagus (Denervationssyndrom, gas-bloat Syndrom). (N) Auch bei potenziell kurativ behandelten Patienten mit Ösophaguskarzinomen ist von einem sehr hohen Grad der Behinderung (GdB) auszugehen. Er beträgt mindestens 80%, in der Regel 100%. Manuelle und körperlich belastende Tätigkeiten sind nur noch in Ausnahmefällen möglich. Die Nachsorge erolgt symptomorientiert, wobei Erfassung und Behandlung benigner und maligner Anastomosenstenosen im Vordergrund stehen. Zur Beseitigung von Schluckbeschwerden bei Patienten mit nicht resektablem Oesophaguskarzinom stehen endoskopische, interventionelle, chirurgische und radiotherapeutische Maßnahmen zur Verfügung, die situationsabhängig zur Anwendung kommen. Bei starken thorakalen Schmerzen und/oder Kompression des Oesophaguslumens kann eine Strahlentherapie perkutan oder in Afterloadingtechnik eingesetzt werden. Bei Patienten mit Fernmetastasen kann durch Kombinations- oder Monochemotherapie ein palliativer Effekt erzielt werden. Für die bei lokal fortgeschrittenen, voraussichtlich nicht R0resezierbaren Ösophaguskarzinomen indizierte neoadjuvante Radiochemotherapie ist neben einer intensiven Supportivtherapie ein Restaging zur erneuten Beurteilung der Resektabilität erforderlich. Nach erfolgreicher chirurgischen Therapie funktioneller Erkrankungen ist keine spezifische Nachbehandlung notwendig. (L) Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (2003) Oesophaguskarzinom AWMF online, www.uni-düsseldorf.de Harder F (Hrsg.) Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002, 241-321 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 29 13. Magen und Duodenum R. Rüdrich (E) Wegen der Fortschritte der medikamentösen Ulkustherapie, Verbesserung der endoskopischen Methoden sowie des Rückganges des Magenkarzinoms in Deutschland hat die Anzahl der Operationen an Magen und Duodenum in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Die Hauptindikationen bei benignen Erkrankungen sind Komplikationen des gastroduodenalen Ulkus (Blutung, Perforation, Stenose). Zu den malignen Erkrankungen gehören das Magenkarzinom, Adenokarzinome des gastroösophagealen Übergangs (steigende Inzidenz), gastrointestinale Stromatumoren (GIST) und Magenlymphome. (D) Die Anamnese gibt Auskunft über das Beschwerdemuster (Schmerzen, Erbrechen, Hämatemesis, Teerstuhl, Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit), Voroperationen und Medikamente mit bekannten Nebenwirkungen auf die Magenschleimhaut (Steroide und nichtsteroidale Antirheumatika). Bei der klinischen Untersuchung ist auf Abwehrspannung (sog. brettharter Bauch), Druckschmerz, tastbaren Tumor, supraklavikuläre Lymphknotenvergrößerung, Ascites und Anämie zu achten. Am Beginn der apparativen Diagnostik bei akuten Beschwerden steht die Abdomensonographie zum Ausschluß extragastraler Erkrankungen (z.B. Cholezystitis) und Feststellung von freier Flüssigkeit. Anschließend erfolgt regelhaft das Röntgen des Abdomens im Stehen und, wenn dies nicht möglich ist, in Linksseitenlage zur Feststellung freier Luft als Zeichen einer Perforation. Nach Ausschluß von freier Luft wird eine Ösophagogastroduodenoskopie zur Diagnostik mit therapeutischer Interventionsmöglichkeit (Blutstillung) sowie Gewinnung von Biopsien durchgeführt. Blutungen im Magen und Duodenum werden nach der Forrest-Klassifikation eingeteilt. Forrest (F) I: aktive Blutung, F I a - spritzende arterielle Blutung, F I b - sickernde venöse Blutung. F II: inaktive Blutung, F II a - Läsion mit Gefäßstumpf, F II b - koagelbedeckte Läsion, F II c - hämatinbedeckte Läsion. F III: Läsion ohne Blutungszeichen. Bei Verdacht auf Magenkarzinom sollte die präoperative Biopsiediagnostik (5-10 Biopsien) zwischen Karzinom und Lymphom sowie beim Karzinom zwischen intestinalem und diffusem Typ (Lauren-Klassifikation) differenzieren. Zum Staging gehören das Abdomen-CT, ggf. ThoraxCT (Kardiakarzinom, Lungenfiliae) und Endosonographie (T- und N-Kategorie). Präoperativ werden die Tumormarker CEA, CA 72-4, und CA 19-9 bestimmt. Zur Sicherung einer intraabdominellen Fernmetastasierung (Peritoneum, Leber) kann eine Staginglaparoskopie sinnvoll sein. Die Kontrastmitteluntersuchung des Magens ist speziellen Fragestellungen (Magenausgangsstenose, Ausdehnung des Kardiakarzinoms nach oral) vorbehalten. (O) Die Therapie der oberen gastrointestinalen Blutung ist primär endoskopisch. Endoskopisch nicht stillbare, arterielle Blutungen (F I a) sind eine absolute OP-Indikation und müssen sofort versorgt werden. Blutende tiefe Ulcera an der Bulbushinterwand rezidivieren häufig und bedürfen meist einer operativen Intervention nach Stabilisierung des Pat.. Zur Festlegung der OP-Indikation sind der Ausgangs-Hb (< 3-4 mmol/l), die Blutungsaktivität (4-6 Erythrozytenkonzentrate in 24 h), Alter (>60 Jahre) und Begleiterkrankungen zu berücksichtigen. Bei Versagen der endoskopischen Therapie oder bei hoher Rezidivblutungsgefahr erfolgt je nach Lokalisation der Blutung die Gastro- oder Duodenotomie mit Ulkusumstechung. Beim tiefen penetrierenden Ulkus an der Bulbushinterwand kann ggf. zusätzlich eine extraluminäre Ligatur versorgender Arterien durchgeführt werden. Tangiert die Duodenotomie den Pylorus erfolgt eine Pyloroplastik. Blutende Magenulzera werden excidiert und übernäht. Die Ulkusperforation ist ebenfalls eine absolute OP-Indikation und bedarf der schnellstmöglichen operativen Versorgung (laparoskopisch oder konventionell-offen). Bei der Magenausgangsstenose wird eine distale Magenresektion und Rekonstruktion nach Billroth I (Mobilisation des Duodenums nach Kocher, Gastroduodenostomie) oder nach Roux-Y durchgeführt. (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 30 Kleine, gut oder mäßiggradig differenzierte mukosale Magenfrühkarzinome ohne lymphatische und venöse Infiltration können endoskopisch mittels Mukosektomie oder Polypektomie abgetragen werden. Beginnend submukosale Frühkarzinome (low grade) können durch eine laparoskopischen Wedgeresektion mit intraoperativer Gastroskopie reseziert werden. Fortgeschrittene, nicht sicher R-0-resektable Magenkarzinome bei Pat. in gutem Allgemeinzustand ohne nachweisbare Fernmetastasierung können innerhalb von Studien einer neoadjuvanten Chemotherapie zum Downstaging mit dem Ziel einer R-0Resektion zugeführt werden. Alle anderen Magenkarzinome werden operiert. Das Resektionsausmaß wird bestimmt durch den Tumortyp und einen ausreichenden Sicherheitsabstand zum Tumor (5 cm beim intestinalen Typ und 8 cm beim diffusen Typ): bei Magenkarzinomen im distalen Drittel eine subtotale 4/5-Resektion, im mittleren Drittel eine Gastrektomie und im proximalen Drittel eine erweiterte Gastrektomie mit transhiataler Resektion des distalen Ösophagus. Die Resektionsgrenzen werden durch Schnellschnitthistologie auf Tumorfreiheit geprüft. Obligat ist die Resektion des kleinen und großen Netzes und die Lymphadenektomie der Kompartimente I und II (D2-Dissektion). Eine Splenektomie wird bei fortgeschrittenen Karzinomen in der proximalen Hälfte, Tumorsitz großkurvaturseitig und bei Gesamtbefall vorgenommen. Die Rekonstruktion erfolgt nach Roux-Y. Zu den frühen postoperativen Komplikationen gehören die Duodenalstumpfinsuffizienz und Anastomoseninsuffizienz mit der Gefahr einer Peritonitis. Spätkomplikationen sind die Anastomosenstenose, efferent-loop-Syndrom, Früh- und Spätdumping. Am 5. postoperativen Tag nach Gastrektomie erfolgt die Kontrastmittelpassage zum Ausschluß einer Anastomoseninsuffizienz. Anschließend beginnt der Kostaufbau mit mehreren kleinen Mahlzeiten. (N) Patienten mit kompliziertem Ulcus (Perforation, Blutung) erhalten hochdosiert Protonenpumpenhemmer und werden bei Nachweis von Helicobacter pylori eradiziert. Nach ausgedehnten Magenresektionen verhindert die Vitamin-B-12-Gabe eine perniziöse Anämie. Nach Splenektomie hat 3 bis 4 Wochen postoperativ eine Pneumokokkenimpfung zu erfolgen. Bei Patienten mit fortgeschrittenen Magenkarzinomen kann nach R-OResektion eine adjuvante Chemotherapie in Studien durchgeführt werden, für nichtresektable Tumoren (nach neoadjuvanter Chemotherapie), Patienten mit Fernmetastasen und Rezidiven kommen palliative Therapieverfahren (endoskopisch, operativ, Radiochemotherapie) in Betracht. (L) Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (2002) Magenkarzinom AWMF online, www.uniduesseldorf.de Pichlmayr R, Löhlein D: Chirurgische Therapie, Springer, Berlin, 1991 Harder F. (Hrsg.): Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002 Siewert R.J. (Hrsg.): Onkologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2001 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 31 14. Pankreas (exokrin) O. Gimm (E) Die Chirurgie des Pankreas erfordert neben anatomischen Kenntnissen der Lage und den Umgebunsbeziehungen des retroperitoneal gelegenen Organs vor allem genaue Kenntnisse der Gefäßversorgung (Pankreaskopf: A. gastroduodenalis mit Aa. pancreaticoduodenalis, Pankreaskorpus/-schwanz: A. lienalis) sowie der variablen Ganganatomie. Der Pankreasgang (Ductus Wirsungianus) kann gemeinsam (oft) oder getrennt (selten) (Ductus Santorini) vom Gallengang in das Duodenum münden. Die Hauptindikationen zu Operationen bei Pankreaserkrankungen sind: chronische Pankreatitis (Ikterus, therapieresistenter Schmerz, Tumorverdacht), Pseudozysten (i.d.R. frühestens 6-8 Wochen nach einem akuten Pankreatitisschub wegen erst dann ausreichend nahtfähiger Zystenwand) und Pankreaskarzinom. Seltenere Operationsindikationen sind: akute Pankreatitis (ausgedehnte Nekrosen (CT!), biliäre Pankreatitis, bei der mittels ERCP die Gallensteine nicht aus dem Ductus choledochus geborgen werden können, gutartige neuroendokrine Tumoren (siehe Kapitel 20), und Pancreas anulare (die Kombination mit anderen Missbildungen ist häufig). (D) Die Symptome bei Pankreaserkrankungen können je nach zu Grunde liegender Erkrankung sehr unterschiedlich sein: chronische Pankreatitis: postprandialer Schmerz, Ikterus, Steatorrhö, Diabetes mellitus; Pseudozysten: Oberbauchschmerzen, Einblutung, Ikterus; akute Pankreatitis: gürtelförmige Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Brechreiz, Darmparalyse; Pankreaskarzinom: Appetitlosigkeit, Völlegefühl, Gewichtsabnahme, Ikterus, gürtelförmiger Oberbauchschmerz; Pancreas anulare: partieller/totaler Darmverschluss mit Völlegefühl/Erbrechen. Hinsichtlich der apparativen Diagnostik stehen die Bestimmung von Laborwerten (Entzündung: Lipase, Amylase, Leukozyten und CRP erhöht, Kalzium evtl. erniedrigt; exokrine Funktion: Chymotrypsin im Stuhl, CHE im Serum; endokrine Funktion: Insulin, Gastrin; Tumormarker: CA 19-9, CEA), sonographische (perkutane sowie intraoperative Sonographie, Endosonographie), endoskopische Verfahren (ÖGD, ERCP) und bildgebende Verfahren (Röntgen, CT, MRT) zur Verfügung. (O) Der intraabdominelle Zugang zur Bauchspeicheldrüse erfolgt durch die Bursa omentalis: 1. durch das Lig. gastrocolicum, 2. nach Ablösung des Omentum majus vom Colon transversum, 3. durch das Lig. hepatogastricum nahe der Leber und 4. durch das Mesocolon transversum. An die Dorsalseite des Pankreaskopfes gelangt man durch Mobilisation des Duodenums (Kocher-Manöver). Je nach zu Grunde liegender Erkrankung sind unterschiedliche Resektions- und Rekonstruktionsverfahren erforderlich. Chronische Pankreatitis: in Abhängigkeit von der Lage der Pankreasgangstenosen bzw. entzündlicher Tumoren proximale partielle Duodenopankreatektomie (OP nach „Whipple“) bzw. Pylorusoder Duodenumerhaltene Kopfresektion, latero-laterale Pancreaticojejunostomie, Pankreasschwanzresektion mit termino-terminaler Pancreaticojejunostomie. Pseudozysten: Pseudozystojejunostomie nach Roux-Y. Akute Pankreatitis: Entfernung der Nekrosen, Lavage, Drainage. Eine totale Pankreatektomie sollte wegen hoher Letalität nur in Ausnahmefällen erfolgen. Bei biliärer Pankreatitis Cholezystektomie und Gallengangsrevision. Pankreaskarzinom: Pankreaslinksresektion bei Schwanztumoren, OP nach „Whipple“ bei Kopftumoren. Pancreas anulare: im Erwachsenenalter Duodenojejunostomie, B IIResektion, selten Duodenopankreatektomie. Das häufigste spezifische Komplikationsrisiko ist die Insuffizienz von Anastomosen (z.B. nach Pancreaticojejunostomie). Die Nachbehandlung besteht bei Vorliegen von Darmanastomosen (z.B. OP nach Whipple, Pseudozystojejunostomie) aus einer parenteralen Ernährung. Bis zum enteralen Kostaufbau kann zur „Ruhigstellung“ des Pankreas ein Octreotidanalogon (Sandostatin) s.c. gegeben werden. Anastomoseninsuffizienzen müssen operativ revidiert werden. Pankreas- (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 32 fisteln können auch konservativ behandelt werden. Bei exokriner Pankreasinsuffizienz ist die Gabe von Pankreasenzymen (z.B. Kreon) oral erforderlich. Nach ausgedehnten Resektionen bzw. Nekrosen ist die Entstehung eines Diabetes mellitus möglich. Die Prognose von Pankreaskarzinomen ist sehr schlecht, die 5-Jahresüberlebensrate liegt unter 20%. Eine (Radio)Chemotherapie unter palliativer Intention kann die Prognose in der Regel nicht verbessern. (N) Die Nachsorge dient zum einen der Behandlung von Komplikationen und Operationsfolgen. Bei Pankreaskarzinomen wird Stadienabhängig eine Tumornachsorge durchgeführt. Die Wirksamkeit einer adjuvanten/palliativen (Radio)Chemotherapie ist im Gegensatz z.B. zum Rektumkarzinom nicht bewiesen. Daher sollte diese nur innnerhalb von Studien durchgeführt werden. (L) Leitlinien zur Therapie des exokrinen Pankreaskarzinoms (1996) erarbeitet von den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft zur Chirurgie, Demeter Verlag, Stuttgart, Heft 5 Oettle H. Adjuvante Therapie des Pankreaskarzinoms. Zentralbl Chir 2003; 128:411-418 Leitlinien zur Therapie der akuten Pankreatitis (2000) erarbeitet von den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft zur Chirurgie, Demeter Verlag, Stuttgart, Heft 4 Mayerle J, Stier A, Lerch MM, Heidecke CD. Chronische Pankreatitis: Diagnostik und Therapie. Chirurg. 2004; 75:731-747 Wullstein C, Bechstein WO. Akute Pankreatitis. Chirurg. 2004; 75:641-651 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 33 15. Gallenblase und Gallenwege Th. Bönsch (E) Die Cholezystolithiasis stellt nach der Appendizitis die häufigste chirurgisch zu behandelnde abdominelle Erkrankung dar. Mit einem Häufigkeitsmaximum um das 50. Lebensjahr sind in Europa ca. 15-20 % der Bevölkerung vom Gallensteinleiden betroffen, Frauen zwei- bis dreimal häufiger als Männer. Eine symptomatische Cholezystopathie liegt vor, wenn wenigstens einmal stein- und/oder entzündungsbezogene Beschwerden vorgelegen haben. Bei der Cholezystitis unterscheidet man die chronische von der akuten Form. Beide stellen eine Operationsindikation dar. Praeoperativ sollte sonographisch oder ggf. durch eine endoskopische retrograde Cholangiographie (ERC) eine Choledocholithiasis ausgeschlossen werden. Bei 1-2 % aller Eingriffe an den Gallenwegen liegt ein Gallenblasenkarzinom, in 0,5-2% ein Gallengangskarzinom vor. Gallengangskarzinome im Bereich der Hepatikusgabel (Klatskin-Tumore) werden nach ihrer Ausbreitung in vier Typen nach Bismuth eingeteilt. Die Hauptkomplikation der Cholezystektomie (laparoskopisch oder konventionell) ist die Gallengangsverletzung. Ist eine primäre Naht nicht möglich, oder entsteht eine Stenose, muß ggf. eine biliodigestive Anastomose angelegt werden. (D) Asymptomatische Gallenblasensteinträger werden in 12 % zwei Jahre nach Diagnosestellung symptomatisch. Unspezifische Symptome sind Fettunverträglichkeit, Meteorismus, Übelkeit und Völlegefühl. Typisch sind rechtsseitige Oberbauchbeschwerden, bei Abflußbehinderung das Auftreten von Koliken und Ikterus (Hautikterus, dunkelbrauner Urin, heller Stuhl). Als Hinweis auf einen Tumor distal der Zystikusmündung gilt das CourvoisierZeichen (prall zu tastende Gallenblase, Ikterus). Typische Veränderungen der Laborwerte sind: Leukozytose bei akuter Entzündung, Anstieg der Leberwerte - Cholestaseparameter GGTP, AP und Bilirubin, Transaminasenerhöhung erst bei längerem Verschluß, ggf. Erhöhung der Tumormarker CEA und Ca 19-9. Einen hohen Stellenwert hat die Sonographie zum Nachweis der Cholezystolithiasis und zur Beurteilung der Wanddicke der Gallenblase, ggf. kann ein Tumor oder eine Choledocholithiasis (Gangerweiterung) erkannt werden. Besteht der praeoperative Verdacht auf ein posthepatisches Gallengangshindernis erfolgt eine ERC zur Differenzierung zwischen Stein und Tumor. Mit Hilfe interventioneller Verfahren können auch therapeutische Eingriffe wie Steinextraktion und Papillotomie oder Stenteinlage erfolgen. Ist eine ERC nicht möglich (Stenose, Z.n. Magenresektion), kann eine perkutane transhepatische Cholangiographie (PTC) oder nicht invasiv (ohne therapeutische Option) eine MRC (Magnetresonanzcholangiographie) durchgeführt werden. Bei unklarer Symptomatik sollten Gastroskopie (DD: Magenulkus) und bei Tumorverdacht eine Computertomographie erfolgen. (O) Das Standardverfahren in der Behandlung des Gallensteinleidens ist die Cholezystektomie. Diese erfolgt heute überwiegend laparoskopisch. Zunehmend wird auch die akute Cholezystitis laparoskopisch operiert. Relative Kontraindikationen der laparoskopischen Cholezystektomie sind stark eingeschränkte kardiale Leistungsfähigkeit, multiple Voroperationen mit ausgedehnten Verwachsungen und Gerinnungsstörungen bei Leberzirrhose. Das Operationsprinzip beider Verfahren ist gleich, es wird die Einmündung des Ductus cysticus in den Choledochus dargestellt und Arteria cystica und Ductus cysticus durchtrennt. Anschließend wird die Gallenblase aus dem Leberbett herausgelöst. Liegt eine Choledocholithiasis vor, erfolgt primär die ERC mit Steinextraktion und anschließend frühelektiv die Cholezystektomie (therapeutisches Splitting). Beim Gallenblasenkarzinom müssen stadienabhängig Leberteilresektion und Lymphadenektomie im Ligamentum hepatoduodenale erfolgen. Das operative Vorgehen beim Gallengangskarzinom wird (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 34 entscheidend von dessen Lokalisation bestimmt (z.B. Hepatikusgabelresektion/Hemihepatektomie mit/ohne Pfortaderresektion bei hohem, Whipple`sche OP bei tiefem Sitz). (N) Nach Cholezystektomie sollten die Cholestaseparameter kontrolliert werden, um Galleabflußbehinderungen frühzeitig zu erkennen. Radiologische Verfahren (CT/MRT, ERC, MRC) werden postoperativ bei Verdacht auf eine Komplikation oder im Rahmen der Tumornachsorge bei Karzinom eingesetzt. Der Wert diätischer Maßnahmen nach Cholezystektomie ist nicht gesichert. Persistieren postoperativ die Beschwerden kann ein Postcholezystektomiesyndrom vorliegen, jedoch müssen extrabiliäre Ursachen (Gastritis, Hiatushernie, Refluxoesophagitis, Ulkus duodeni, Wirbelsäulenbeschwerden) zuvor sicher ausgeschlossen werden. (L) Harder F. (Hrsg.): Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002 Siewert R.J. (Hrsg.): Onkologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2001 Lippert H.: Praxis der Chirurgie, Thieme, Stuttgart, 1998 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 35 16. Leber K. Lorenz (E) Die Leber ist durch ihre zentralen Funktionen der Synthese, Speicherung, Metabolismus, Ausscheidung und Entgiftung unentbehrlich. Die hohe Regenerationsfähigkeit erlaubt Organresektionen bis zu 80% bei intakter Leistung des Restgewebes. Zeiträume zur Regeneration von 3-6 Monaten können durch die hohe funktionelle Reserve überbrückt werden. Operationsindikationen können bei Verletzungen, Entzündungen, Tumoren und bei Leberzirrhose und portaler Hypertension bestehen. Chirurgische Resektionen orientieren sich an der Gliederung der Leber nach Couinaud in 8 Segmente. Indikationen zur totalen Lebertransplantation sind therapierefraktäre terminale Lebererkrankungen (Leberzirrhose, Hepatitis), schwerstes Lebertrauma, nichtresektable Lebertumoren (hepatozelluläres Karzinom (HCC)). (D) Die klinische Diagnostik von Lebererkrankungen umfasst: 1. Anamnese: unspezifische Allgemeinsymptome, Zeichen der Organgrößenzunahme mit Kapselschmerz, Kompression anderer Organe mit Oberbauchschmerz, Aszites, Ikterus. 2. Laborchemie: Parameter der Syntheseleistung, Speicherung, Metabolismus und Entgiftung (Gerinnungsparameter, Transaminasen, Biliriubin, Ammoniak, Cholinesterase, GLDH); Tumormarker beim primären hepatozellulären Karzinom (HCC) ist das alpha Fetoprotein (AFP). Das karzinoembryonale Antigen (CEA) dient der Verlaufskontrolle von Lebermetastasen gastrointestinaler Tumoren. Serologische Bestimmungen dienen der Zuordnung entzündlicher und parasitärer Lebererkrankungen,. 3. Bildgebung: Morphologisch führende Diagnostik ist die Sonographie, Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT). Spezielle Fragestellungen von Leber- und Gallenwegsprozessen zu Dignität, Zuordnung, Ausdehnung und Operabilität erfordern eine Magnetresonanzangiographie (MRA) und Magnetresonanzcholangiopankreatikographie (MRCP) oder invasive Splenoportographie. Die über 90% Treffsicherheit sonographie- oder CT-gestützter Feinnadelpunktionen klärt viele suspekte Leberläsionen vor der definitiven Klärung über explorative Laparoskopie oder Laparotomie und Probeentnahme (PE). (O) Standardverfahren der Leberchirurgie sind Segmentresektion, Links- und Rechtshemihepatektomie und erweiterte Rechtshemihepatektomie. In atypischer oder WedgeResektion werden Leberläsionen befundorientiert ohne Berücksichtigung segmentaler Grenzen exzidiert. Ziel der Operation bei primär malignen Lebertumoren (HCC, cholangiozelluläres Karzinom (CCC), Hepatoblastom, Sarkom, Zystadenokarzinom) ist die kurative Resektion mit einem der o.g. Standardverfahren. Palliative Maßnahmen sichern den Galleabfluß (z.b. biliodiogestive Anastomose). Die in über 50% vorhandene Leberzirrhose schränkt dies ggf. ein. Metastasen anderer Primärtumore werden mit einem gesunden Parenchymsaum in bis zu 4 atypisch exzidiert. Bei mehr Metastasen kann ggf. die intraoperative oder spätere Kombination mit lokal ablativen Verfahren (Radiofrequenz, Chemookklusion, Alkoholinjektion) erwogen werden. Ein Lebertraumata mit kreislaufwirksamer intraabdomineller Blutung erfordert die unverzögerte Laparotomie mit dem Ziel der definitiven Blutstillung, Verschluß eröffneter Gallengänge und Entfernung destruierten Gewebes. Bei massiver Blutung ist ggf. die Leberausklemmung vom Blutstrom (Pringle-Manöver, Abklemmen infra- + suprahepatischer V.cava inf.) vorübergehend notwendig. Chirurgisch unstillbare Blutung werden durch sog. „packing“ als externe Kompression palliativ beherrscht. Geringradigere Traumata können mit Latenz symptomatisch werden (sekundäre Ruptur Leberkapselhämatom, Gallefistel) und werden nach Diagnostik gezielt operativ versorgt. Zur Behebung portaler Hypertension (Indikation bei Child Klassifikation A+B) und ihrer Folgen (rezidivierende Ösophagus- und Magenfundusvarizenblutung, Aszites, Splenomegalie, Hypersplenismus) dienen Shunt(E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 36 Operationen. Die Entlastung der portalen Stauung in die V. cava erfolgt elektiv oder selten notfallmäßig über Shunt-Operationen. Inkomplette Shunts (distal spleno-renal= WarrenShunt; spleno-renal=Linton-Shunt; mesenterico-caval=H-Shunt) haben den Vorteil der niedrigeren Enzephalopathierate bei geringerer Drucksenkung und höherer Thromboserate gegenüber kompletten Shunts (portocaval End zu Seit). Bei der sog. Sperroperation wird am ösophagogastralen Übergang die Gefäßversorgung blutender Varizen unterbrochen, ohne den portalen Überdruck zu entlasten. Leberabszesse mit bakterieller Superinfektion erfordern ggf. die chirurgische Drainage. Symptomatische Leberzysten können durch Größenzunahme eine Indikation zur Exzision sein. Parasitäre Zysten müssen unversehrt in toto ausgeschält oder im Leberparenchym reseziert werden. (N) Die Nachsorge nach Leberoperationen gilt vorrangig der Kontrolle der Rest-Leberfunktion und ihrer Perfusion. Die Laborchemie (s. (D)) zeigt diese an, im Zweifel können Dopplersonographie oder MRA/MRCP erforderlich sein. Operative Komplikationen sind Nachblutungen, Galleleckage, Lebernekrosen oder –abszeß. Ein kompletter Funktionsverlust kann eine Transplantation erforderlich machen. Bei primären Lebermalignomen erfolgt eine reguläre Tumornachsorge und ggf. eine adjuvante Chemotherapie. (L) Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie Primäre Leberkarzinome AWMF online Harder F , Oertli D. Marti WR (2002). Gastroenterologische Chrirurgie. In: Siewert JR, Harder F, Rothmund M. Praxis der Viszeralchirurgie, Springer Berlin (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 37 17. Milz K. Lorenz E) Die Chirurgie der Milz umfaßt Verletzungen und hämatologische Erkrankungen. Prinzipiell ermöglicht die segmentale Gefäßversorgung die Organerhaltung bei Verletzungen. Folgen des Milzverlustes sind Infektanfälligkeit und Veränderungen des peripheren Blutbildes sowie die Gefahr des overwhelming post splenectomy infection (OPSI)-Syndrom v.a. bei Kindern). Hauptindikationen zur Splenektomie: 1. elektiv: idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP), Hypersplenismus, Metastasen (selten). 2. notfallmäßig: septischembolische Abszesse, sekundäre Abszesse. Der Erhalt von 25% Milzgewebe ist für eine intakte Immunfunktion ausreichend. Bei elektiver Splenektomie sollte 2 Wochen präoperativ eine Pneumokokken-Multivakzinierung erfolgen, bei Notfallsplenektomien frühestens 2 Wochen postoperativ. Lokale Prozesse der Milz (Primärtumor, Abszeß, Milzinfarkt, Zyste, Metastase) sind selten und erfordern ggf. die chirurgische Sanierung. Septische Erkrankungen bei splenektomierten Patienten bedürfen der sofortigen Antibiose. (D) Die Milz ist der klinischen Untersuchung nur bei pathologischer Vergrößerung zugänglich. Vorrangig in der morphologischen Diagnostik sind die Sonographie und CT. Hämatologische Erkrankungen werden über die entsprechenden Differentialblutbild- und Knochenmarkuntersuchungen erfasst. Funktionell (Anreicherung, Extraktion) erfolgt eine Beurteilung über die Szintigraphie mit Technetium 99-markierten Erythrozyten. (O) Sofern eine hämatologische Grunderkrankung durch die Splenektomie günstig beeinflusst werden kann (Hyperspleniesyndom; Transfusionsbedarf) ist diese indiziert und erfolgt bevorzugt laparoskopisch. Ist die Milz zur laparoskopischen Bergung zu groß, kann sie in einem Spezialbergebeutel auch intraabdominell zerkleinert und geborgen werden (Morcellement). Alternativ erfolgt die Splenektomie konventionell offen über eine obere mediane Laparotomie oder einen links subkostalen Schnitt. Bei hämatologischen Grunderkrankungen ist die Suche nach und Entfernung aller Nebenmilzen obligat. Beim Milztrauma sollten diese hingegen erhalten werden. Wichtig ist die Schonung des Pankreasschwanzes, um Pankreasfisteln zu vermeiden. Weitere Komplikationen stellen Atelektasen der linken Lunge, Pleuraerguß und Pneumonie sowie subphrenischer Abszeß dar. (N) Die Postsplenektomie-Thrombozytose splenektomierter Patienten bedingt ein erhöhtes Thromboserisiko, weshalb niedermolekulares Heparin zur Thromboseprophylaxe gegeben wird. Bei Thrombozytose > 1 Mill./mm3 sollte zusätzlich ein Thrombozytenaggregationshemmer verabreicht werden. (L) Harder F , Oertli D. Marti WR (2002). Gastroenterologische Chirurgie. In: Siewert JR, Harder F, Rothmund M. Praxis der Viszeralchirurgie, Springer Berlin (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 38 18. Dünndarm F. Thermann (E) Die häufigsten Erkrankungen des Dünndarmes mit Behandlungsindikation sind a) mit akuter Behandlungsindikation der Darmverschluß (mechanisch oder paralytisch), der Mesenterialgefäßverschluß (arteriell embolisch, venös thrombotisch) sowie traumatische Verletzungen und b) mit elektiver Behandlungsindikation chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn), (selten) benigne und maligne Tumoren, Dünndarmdivertikel sowie Gefäßmalformationen als Ursache einer gastrointestinalen Blutung. (D) Die Säulen der klinischen Diagnostik sind die Anamnese (Art der Beschwerden, Dauer der Erkrankung, Häufigkeit des Auftretens, operative Anamnese), die klinische Untersuchung (Inspektion, Palpation und Auskultation des Abdomens), laborchemische Parameter und invivo-Untersuchungen (Sonographie, Röntgen, Angiographie) sowie Schichtuntersuchungen (MRT/CT). Als Besonderheit des Dünndarmes ist die Endoskopie, anders als beim Magen und beim Dickdarm, nur eingeschränkt (sog. Enteroskopie bis max. 1m) möglich und spielt daher eine untergeordnete Rolle in der Diagnostik. Neuerdings besteht aber die Möglichkeit, via Kapselendoskopie (der Patient schluckt eine mit einer Kamera ausgestatteten Kapsel) eine Inspektion des Dünndarmes zu ermöglichen, die Vorzüge der Endoskopie (hohe Sensitivität und Spezifität, Möglichkeit der Biopsie) werden mit dieser Methode nicht erreicht werden können. (O) Dünndarmeingriffe bedeuten in der Regel eine Resektion von Darmabschnitten. Als grundsätzliches Prinzip bei operativen Interventionen im Bereich des Dünndarms gilt, daß der erkrankte Darmabschnitt so radikal wie nötig und so sparsam wie möglich reseziert wird. Das Resektionsausmaß wird von der Erkrankung bestimmt. Während bei benignen Erkrankungen kurze Segmente reseziert werden können, erfordern maligne Prozesse (z.B. Adenokarzinome, neuroendokrine Tumoren) die Mitentfernung des zughörigen Mesenterialstieles einschließlich der Lymphknoten. Neben einer Resektion sind die Strikturoplastik (Operation von Engstellen ohne Resektion) beim M. Crohn, die Anlage von Umgehungsanastomosen (meist als Palliativverfahren bei Peritonealkarzinose) oder eine Ausleitung des Dünndarmes (Ileostoma) als „Schutz“ einer Dickdarmanastomose häufige Eingriffe. Weiterhin werden Dünndarmschlingen im Rahmen anderer Operationen (Gastrektomie, Whipple-Op) zur Wiederherstellung der Nahrungspassage (Ausschaltung nach Roux-Y oder Interposition) verwendet. Ein Mesenterialarterienverschluß erfordert die Embolektomie ggf. in Verbindung mit einer Resektion des ischämischen Darmsegmentes. Komplikationen nach Dünndarmoperationen sind selten. Duodenalstumpfinsuffizienzen treten mit 1-4% im Gegensatz zu Insuffizienzen von Anastomosen des Ösophagus (6-20%) oder des Rektums (9-14%) deutlich seltener auf, auch Dünndarmstenosen (z.B. bei einer Fußpunktanastomose) sind selten. Ein schwerwiegendes Problem stellt das sog. Kurzdarmsyndrom als Folge ausgedehnter Dünndarmresektionen (M. Crohn, Mesenterialinfarkte) dar. Hier wird ggf. eine ergänzende lebenslange parenterale Ernährung notwendig, Dünndarmtransplantationen sind Ausnahmesituationen vorgehalten. Auch Dünndarmfisteln als Folge abdomineller Eingriffe können z.B. bei einer high-output-Fistel durch den hohen Verlust an Flüssigkeit und Nährstoffen eine schwere Komplikation darstellen. (N) Die Nachsorge erfolgt entsprechend der Grunderkrankung durch den Gastroenterologen bzw. den Hausarzt. Während bei Tumorerkrankungen regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen entsprechend den Empfehlungen/Leitlinien notwendig sind, um ein mögliches (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 39 Rezidiv frühzeitig zu erkennen, benötigen Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eine subtile medikamentöse Einstellung (Prednisolon, Salicylate, Immunregulatorische Substanzen), um einen erneuten Entzündungsschub zu vermeiden. Patienten mit Mesenterialverschlüssen bedürfen einer internistisch/kardiologischen Abklärung der Embolieursache. Unter Umständen ist bei diesen Patienten eine dauerhafte Antikoagulantientherapie notwendig. (L) Lippert H.: Praxis der Chirurgie, Thieme, Stuttgart, 1998 Siewert R.J.: Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 40 19. Dickdarm, Anus F. Thermann Dickdarm (E) Erkrankungen des Dickdarmes sind a) mit akuter Behandlungsindikation die Appendizitis, welche die häufigste Ursache eines akuten Abdomens darstellt, der mechanische Ileus sowie eine Kolonperforation und b) Erkrankungen mit elektiver Therapieindikation die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) sowie Dickdarmtumoren. Im Gegensatz zum Dünndarm treten Tumoren vergleichsweise häufig auf. Den größten Anteil (90%) machen hierbei sporadische Karzinome aus, welche sich aus Adenomen entwickeln (Adenom-Karzinom-Sequenz). Zu erwähnen ist weiterhin die Gruppe der vererbbaren Tumoren (familiäre adenomatosis coli (FAP), Hereditäres non polypöses Colonkarzinom (HNPCC)) mit der Indikation zum Familienscreening und ggf. prophylaktischer Intervention. (D) Anamnese und körperliche Untersuchung sowie technischen Untersuchungsmethoden (Sonographie, Röntgen, Kontrastmitteldarstellung, CT/MRT) sind zur Diagnosefindung notwendig. Eine besondere Bedeutung hat die rektale Untersuchung, mit der ca. 20% aller Dickdarmtumoren diagnostiziert werden können. Mit der Endoskopie (totale Koloskopie) ist es möglich, den gesamten Dickdarm zu inspizieren, Biopsien zu entnehmen und kleine Tumoren (Polypen, Adenome) in toto zu entfernen. Für den distalen Dickdarm stehen mit der Sigmoideoskopie, der starren Rektoskopie sowie der Proktoskopie weitere einfach durchzuführende Untersuchungsmethoden zur Verfügung. (O) Die Standardoperationen des Dickdarmes sind die Appendektomie (Appendizitis), Hemikolektomie rechts oder links (z.B. bei Karzinomen in diesen Abschnitten), Sigmaresektion (Sigmadivertikulitis), Rektumresektion (Karzinom des Rektum), Rektumexstirpation (Rektumkarzinom im unteren Drittel). Bei der FAP und Colitis ulcerosa kann eine prophylaktischen bzw. therapeutische Proktokolektomie (vollständige Entfernung des Dickdarms und des Rektums) indiziert sein, wobei eine Reservoirfunktion durch einen ileoanalen Pouch (mit oder ohne protektive Ileostomaanlage) erreicht werden kann. Grundsätzlich können alle genannten Operationen auch laparoskopisch ausgeführt werden. Große Rektumadenome sowie Rektumkarzinome, die auf die Mukosa begrenzt (T1) und gut differenziert (G1) sind, aber aufgrund ihrer Größe einer endoskopischen Abtragung nicht zugänglich sind, können operativ via transanaler endkoskopische Mukosektomie (TEM) reseziert werden. Wichtigste Komplikation der Dickdarmresektion ist die Anastomoseninsuffizienz vor allem im Bereich des tiefen Rektums (9-14%), weshalb hier im Zweifelsfall ein temporäres Ileostoma oder Kolostoma vorgeschaltet wird. Weitere Komplikationen sind Wundinfektionen. Zur Minimierung solcher Infektionen werden Darmoperationen grundsätzlich unter Single-shot Antibiose durchgeführt. (N) Die Nachsorge dient der Behandlung von Komplikationen bzw. Operationsfolgen und bei Tumoren vor allem der Früherkennung und –behandlung von Lokal- und Fernrezidiven. Bei Dickdarmkarzinomen wird, abhängig vom Tumorstadium, eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt, wobei der Zeitraum 6 Wochen post-Op nicht überschreiten sollte. Bei Verdacht auf eine familiäre Erkrankung ist eine genetische Untersuchung zu empfehlen, um (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 41 betroffene Familienmitglieder engmaschig kontrollieren und ggf. frühzeitig behandeln zu können. Patienten, die wegen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen operiert wurden, werden gastroenterologisch weiterbehandelt. Nach Appendektomie wegen Appendizitis bzw. Sigmaresektion bei Divertikulitis sind keine langfristigen Maßnahmen notwendig. (L) Lippert H.: Praxis der Chirurgie, Thieme, Stuttgart, 1998 Siewert R.J.: Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002 Anus (E) Die operative Therapie erfordert eine subtile Kenntnis des Sphinkterapparates. Erkrankungen des inneren Analbereiches sind Hämorrhoiden, Fisteln und perirektale Abszesse. Zu den Erkrankungen des äußeren Analbereiches zählen neben Analthrombose, Fissuren, Marisken, Fisteln und Analkarzinomen die venerischen Erkrankungen (Analekzem, Condylom, Ulcus molle u.a.). Eine akute chirurgische Intervention ist bei der Analthrombose und bei Abszessen der perianalen/perirektalen Region indiziert. (D) Neben Anamnese und körperlicher Untersuchung, welche die Inspektion und die rektale Untersuchung erfordert, sind Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren wie Kontrastmitteldarstellungen, Endosonographie und Schichtaufnahmen (CT, MRT) ergänzende diagnostische Methoden. Die Proktorektoskopie ermöglich eine Inspektion des inneren Analbereiches bzw des. Rektum. zusätzlich ist eine Biopsie möglich. Da Erkrankungen der Perianalregion im Rahmen anderer Erkrankungen auftreten können (chronisch entzündliche Darmerkrankungen, immunsuppressive Erkrankungen und Therapien), sind bei rezidivierend auftretenden Symptomen weitergehende Untersuchungen notwendig. (O) Standardoperationen im Anorektalbereich sind Hämorrhoidektomie, Spaltung perianaler/perirektaler Abszesse, Fissurektomie, Entlastung einer Analthrombose sowie die Resektion gutartiger Tumoren (Condylome, Marisken). Perianale Fisteln, welche je nach Verlauf als subkutane, intersphinktere oder transsphinktere Fisteln bezeichnet werden, werden operiert, wenn eine konservative Therapie (Fadendrainage) erfolglos war. Je nach Fistelverlauf wird eine vollständige (subkutane Fistel) oder partielle (inter-/transsphinktere Fisteln) Exzision durchgeführt. Zusätzlich kann eine Fibrininverklebung indiziert sein. Bösartige Tumoren werden mittels Radiochemotherapie behandelt. Für die häufigste Operation, die Hämorrhoidektomie, sind verschiedene operative Vorgehensweisen möglich, neben der Hämorrhodektmoie nach Miligan Morgan sind die Verfahren der Gummibandligatur und der Staplerhämorrhoidektomie nach Longo zu nennen. Risiken betreffen Verletzungen des Sphinkterapparates und Nachblutungen. (N) Eine regelmäßige Nachsorge entsprechend der Leitlinien erfordern alle malignen Tumoren. Alle übrigen Erkrankungen benötigen keine weiteren Maßnahmen. Eine weitere Betreuung ist dann notwendig, wenn rezidivierende Fisteln oder ein M. Crohn zugrunde liegen. (L) Lippert H.: Praxis der Chirurgie, Thieme, Stuttgart, 1998 Siewert R.J.: Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 42 20. Neuroendokrine Tumoren des gastroenteropankreatischen Systems O. Gimm (E) Neuroendokrine Tumoren (NET) des gastro-entero-pankreatischen (GEP) Systems sind seltene Tumoren, welche aus neuroendokrinen Zellen endodermalen Ursprungs hervorgehen und durch Hormone, die sie synthetisieren und sezernieren, charakterisiert werden (z.B. Insulinom, Gastrinom). Im Wesentlichen entspricht das neuroendokrine Zellsystem dem „APUD“-Zellsystem von Pearse. Entsprechend ihrem embryologischen Ursprung werden GEP-NET in Tumoren des „foregut“-(Magen, Duodenum, oberes Jejunum, Pankreas), „midgut“-(unteres Jejunum, Ileum, Appendix, Coecum) und „hindgut“(Kolon, Rektum) eingeteilt. Neben den zellspezifischen Hormonen wie Insulin, Gastrin, Glukagon, vasoaktives intestinales Polypeptid (VIP), Serotonin gelten als allgemeine neuroendokrine Marker Chromogranin A, Synaptophysin und die neuronenspezifische Enolase (NSE). (D) Bezüglich der Diagnostik sind Kenntnisse der Hormonsekretion und der durch sie verursachten Symptome entscheidend, wobei generell funktionelle (hormonaktive) und nicht-funktionelle (hormoninaktive) Tumoren unterschieden werden. Nicht-funktionelle Tumoren werden auf Grund der fehlenden hormonellen Symptomatik oftmals erst in einem fortgeschrittenen Stadium und dann meist wegen lokaler Beschwerdesymptomatik diagnostiziert. Bei funktionellen Tumoren ist die durch die sezernierten Hormone verursachte Symptomatik wegweisend. Insulinom (Pankreas): Hypoglykämische Anfälle (Verwirrtheit, Bewusstseinsstörung), Blutzucker <40 mg/dl, Besserung auf Glucosegabe (Whipple-Trias); Gastrinom (Pankreas, Duodenum, Magen); Synonym: Zollinger-EllisonSyndrom): Oberbauchschmerzen (Säurehypersekretion mit Ulcera duodeni (oft) und Ulcera ventriculi (selten), Refluxkrankheit), (wässrige) Diarrhöen; Glukagonom (Pankreas): Diabetes mellitus, Diarrhö, Kachexie, nekrolytisch-migratorisches Exanthem; VIPom (Pankreas): wässrige Stühle (watery diarrhea), Hypokaliämie, Hypochlorhydrie (WDHHSyndrom); Somatostatinom (Pankreas): Cholezystolithiasis (Hemmung der Gallenblasenkontraktion), Diarrhö/Steatorrhö (Hemmung der Pankreassekretion), Diabetes mellitus (Hemmung der Insulinsekretion). Die meisten NET des Dünndarms sind gut differenzierte Serotonin-produzierende EC (Enterochromoaffin)-Zell-Tumoren (EC-ZellKarzinoide), NET der Appendix werden meist inzidentell im Rahmen einer Appendektomie entdeckt, NET des Kolons sind extrem selten, im Rektum häufiger. Bei Lebermetastasen kann eine Flush-Symptomatik (Karzinoid-Syndrom) auftreten. Laborchemisch sollte 5Hydroxyindolessigsäure (5-HIES) im Urin, Serotinin und Chromogranin A in Plasma bestimmt werden. GEP-NET können sporadisch und dann in der Regel solitär oder familiär und dann multipel auftreten. Die meisten familiären GEP-NET treten im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie Typ 1 (MEN 1) auf. Eine Mutationsanalyse des MEN 1Gens ist in diesen Fällen erforderlich. Bezüglich der Lokalisation von GEP-NET gibt es deutliche Unterschiede in Abhängigkeit vom endokrinen Tumortyp (z.B. Insulinome nur im Pankreas; Gastrinome im Pankreas, Duodenum und Magen). Generell stehen zur Lokalisationsdiagnostik folgende Verfahren zur Verfügung: endoskopische, sonographische (Endosonographie, transabdominelle/intraoperative Sonographie), bildgebende Verfahren (CT, MRT), Positronenemissionstomographie (PET), Somatostatinrezeptorszintigraphie (SRS), selektive arterielle Calcium/Sekretin Injektion (SACI bei Insulinomen/SASI bei (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 43 Gastrinomen). Die Malignitätsrate von GEP-NET ist sehr unterschiedlich: Insulinome <5%, Gastrinome 60-90%, Glukagonome >60%, VIPome 40-60%, Somatostatinome >75%. (O) Wegen der meist günstigeren Prognose von NET gegenüber den Karzinomen sollte wenn immer technisch möglich eine Primärtumorresektion, bei Metastasen auch eine Metastasenresektion versucht werden. Metastasen treten bei GEP-NET allerdings meist multipel auf, so dass dann eine Chemotherapie oder, bei multiplen Lebermetastasen lokale Destruktionsverfahren (Chemotherapie, Thermoablation etc.) indiziert sind. In seltenen Fällen kann bei Lebermetastasen und Ausschluss extrahepatischer Metastasen auch eine Lebertransplantation indiziert sein. Bei benignen sporadischen Tumoren des Pankreas ist eine Enukleation oft ausreichend. Bei familiären Tumoren (MEN 1) sind wegen der oft multiplen Tumoren meist Resektionen erforderlich. Bei malignen Tumoren wird bei GEPNET entsprechend den Standards onkologischer Resektionsverfahren des jeweiligen Organs verfahren (z.B. Gastrektomie bei malignen NET des Magens, Duodenopankreatektomie bei malignen NET des Pankreaskopfes). Eine systemische Therapie ist bei nicht-resektablen Primärtumoren bzw. Metastasen erforderlich (Karzinoid-Syndrom: Somatostatinanaloga, Interferon-α, Loperamid bei Diarrhö; Zollinger-Ellison-Syndrom: Protonenpumpeninhibitoren (z.B. Omeprazol, Pantoprazol); Insulinom: Diazoxid). Postopeativ erfolgt bei Vorliegen von Darmanastomosen bis zur Anastomosenheilung eine parenterale Ernährung. Bis zum enteralen Kostaufbau kann zur „Ruhigstellung“ des Pankreas ein Octreotidanalogon (z.B. Sandostatin) s.c. gegeben werden. Anastomoseninsuffizienzen müssen in der Regel operativ revidiert werden. Pankreasfisteln können oftmals auch konservativ behandelt werden. Bei exokriner Pankreasinsuffizienz ist die Gabe von Pankreasenzymen (z.B. Kreon) oral erforderlich. Bei ausgedehnten Resektionen ist die Entstehung eines Diabetes mellitus möglich. (N) Die Nachsorge dient neben der Behandlung von Komplikationen und Operationsfolgen dem Nachweis des Operationserfolges bzw. der Diagnostik und Therapie von Rezidiven. Bei Vorliegen von Fernmetastasen muss generell zwischen einer Resektion bzw. einer Chemotherapie entschieden werden. Bei funktionellen NET kann sich diese an dem entsprechendem Hormon orientieren. Bei nicht-funktionellen Tumoren ist vor allem der unspezifische Marker für NET Chromogranin A zu bestimmen. Bei postoperativ weiterhin bzw. im Laufe der Nachsorge erneut erhöhten Hormonwerten ist wieder eine Lokalisationsdiagnostik durchzuführen und ggf. eine Reoperation durchzuführen. Beim Nachweis einer familiären Form im Rahmen eines MEN 1-Syndroms sind die Angehörigen auf die spezifische Mutation im MEN 1-Gen zu untersuchen, um bei positivem Befund bei allen Mutationsträgern ein zeitgerechtes Screening bezüglich der mit einem MEN 1Syndrom einhergehenden Erkrankungen (z.B. Hypophysenadenome, primärer Hyperparathyreoidismus, endokrine Pankreastumoren) zu veranlassen. Wichtig ist, dass nach einer Gastrektomie die regelmäßige parenterale Gabe von Vitamin-B12 erforderlich ist. (L) Ahlman, H., et a.: Endokrine Tumoren des gastroenteropankreatischen Systems. In: Rothmund, M.: Praxis der Viszeralchirurgie. Springer 2000:445-553 Neuroendokrine Tumoren. Der Onkologe 2004;10:Band 6 Leitlinien zur chirurgischen Therapie von neuroendokrinen Tumoren des gastro-enteropankreatischen Systems (2002) erarbeitet von den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft zur Chirurgie, Demeter Verlag, Stuttgart, Heft 3 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 44 21. Nebennieren, Paraganglien H. Dralle (E) Die Nebennieren (NN) und sympathischen Paraganglien (SPG) umfassen 2 embryologisch anatomisch und funktionell zu unterscheidende, jedoch beide für die Streßanpassung des Organismus wesentliche Organsysteme: die aus dem Mesoderm hervorgegangene, zonal gegliederte, Steroidhormone bildende Nebennierenrinde (NNR), und das aus dem Neuroektoderm hervorgegangene sympathoadrenale System des Nebennierenmarks (NNM) und der sympathischen Paraganglien (SPG), das Katecholamine synthetisiert (NNM: überwiegend Adrenalin, SPG: nahezu ausschließlich Noradrenalin). Im Gegensatz zum Ausfall des NNM kann der Ausfall der NNR-Funktion (z. B. nach bilateraler Adrenalektomie) nicht endogen kompensiert werden. SPG treten sowohl sporadisch, dann meist solitär als auch multipel im Rahmen hereditärer Tumorsyndrome (MEN 1, MEN 2, VHL u. a.) auf. Hauptindikationen zur Operation sind meist benigne, selten maligne Tumoren ohne oder mit Hormonüberfunktionssyndrom (Cushing-Syndrom, primärer Hyperaldosteronismus, Tumoren mit Femininisierung/Virilisierung, Phäochromozytom/Paragangliom). Das operative Komplikationsrisiko bei Operationen der NN und SPG ist in hohem Maße von der Tumorgröße und Lokalisation sowie einer ggf. vorhandenen Stoffwechselstörung abhängig. Bei Überfunktionssyndromen ist daher eine rekompensierende perioperative medikamentöse Therapie entsprechend der im Einzelfall vorliegenden Stoffwechselstörung erforderlich. Tumoren der Nebennierenrinde (D) NN-Tumoren können unabhängig von ihrer Dignität hormonell inaktiv oder hormonell aktiv sein, auch sog. borderline-Situationen sind möglich (grenzwertige Überfunktion mit beginnender Suppression des normalen ipsi- und kontralateralen NN-Gewebes). Eine endokrine Funktionsdiagnostik vor allen Operationen an der Nebenniere wegen primärer Tumoren ist daher obligat. Bei endokrinen Überfunktionssyndromen (s. o.) erfolgt zunächst die endokrinologische Funktionsdiagnostik, erst im Anschluß die bildgebende Lokalisation. Besondere Bedeutung hat diese Schrittfolge beim Cushing-Syndrom, bei dem erst durch die endokrinolgische Differentialdiagnostik (Dexamethasontest, CRH-Test) ein sog. zentrales Cushing-Syndrom (M. Cushing) von einem ektopen oder peripheren, primär adrenalen Cushing-Syndrom zu unterscheiden ist. Die klinische, laborchemische und morphologische Differentialdiagnostik bei primären und sekundären adrenalen Störungen ist den einschlägigen Lehrbüchern zu entnehmen. Nebennierenkarzinome sind häufig hormoninaktiv oder weisen eine charakteristische "Mischsymptomatik" (Cushing-Symptome und virilisierende Symptome) auf. (O) Standardverfahren ist die totale unilaterale Adrenalektomie mit Tumorentfernung. Beim zentralen und ektopen Cushing-Syndrom erfolgt bei gegebener Indikation (erfolglose oder nicht mögliche Primärtumorentfernung) eine totale bilaterale Adrenalektomie. Bei fortgeschrittenem metastasierten NNR-Karzinom wird ggf. eine alleinige palliative Chemotherapie durchgeführt. Benigne, kleine (< 6 cm), solitäre oder multiple, uni- oder bilaterale NN-Tumoren werden heute transabdominell-laparoskopisch oder retroperitonealendoskopisch entfernt. Bei größeren Tumoren oder Malignitätsverdacht erfolgt ein konventionell-offenes Vorgehen transabdominell oder bei besonders großen Tumoren ohne oder mit Cavathrombose jenseits des Zwerchfells auch thorakoabdominell. Die Adrenalektomie beim Cushing-Syndrom erfordert stets eine intra- und postoperative Cortisolsubstitution. Beim bilateralen primären Hyperaldosteronismus ist eine Operationsindikation im Gegensatz zum unilateralen Adenom nur ausnahmsweise gegeben (asymmetrische Hyperplasie). Postoperative Komplikationen betreffen metabolisch (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 45 bedingte Störungen bei Überfunktionssyndromen (insbesondere Hypercortisolismus), aber auch allgemeine Komplikationen (Nachblutung, kardiopulmonal, Darmatomie), vor allem nach ausgedehnten Tumoroperationen. (N) Die Nachsorge bei adrenokortikalen Tumoren ist tumor- und syndromspezifisch. Beim primären Hyperaldosteronismus tritt postoperativ in ca. 10 – 20 % keine Normalisierung des Hypertonus auf. Beim unilateralen Cushing-Syndrom ist mit einer Erholung der supprimierten kontralateralen Nebenniere erst nach mehreren Monaten zu rechnen, daher sind entsprechende Kontrollen des Regelkreises und der endogenen Cortisolsekretion erforderlich. Beim NNR-Karzinom kommen insbesondere nach R1/2-Resektion und bei Metastasen Chemotherapeutika und/oder Adrenostatika (Ketokonazol, Metyrapon, Aminogluthetimid) zum Einsatz. Das selektiv adrenotoxisch wirkende Mitotane (Lysodren) wirkt spiegelabhängig, ist allerdings dosisabhängig häufig mit erheblichen Nebenwirkungen belastet, so daß der Einsatz dieser wirkungsvollen Substanz nicht immer möglich ist. Tumoren des Nebennierenmarks und der Paraganglien (D) Die häufigsten Tumoren des sympathoadrenalen Systems (Nebennierenmark und sympathische Paraganglien) sind Katecholamin-sezernierende Phäochromozytome (PCC) (sog. "10 %-Tumor": 10 % familiär, bilateral oder extraadrenal). Typische Symptome sind Hypertonie (> 90 %, paroxysmal oder permanent), Kopfschmerzen, Tachykardie, Schwitzen etc. Gelegentlich werden Phäochromozytome allerdings auch zufällig entdeckt; da trotz Asymptomatik bei der Adrenalektomie ohne präoperative Alpharezeptorenblockade hypertensive Krisen auftreten können, ist dies das Hauptargument für die obligate präoperative endokrinologische Diagnostik bei allen, d. h. auch den klinisch asymptomatischen NN-Tumoren. Laborchemisch werden PCC's durch Bestimmung der Katecholamine im 24-Stunden-Sammelurin mit hoher Sicherheit (Sensitivität 90 – 95 %) diagnostiziert. Die bildgebende Diagnostik erfolgt mit Sonographie, CT oder MRT. Bei Verdacht auf extraadrenale PCC's oder Metastasen kann die MIBG-Szintigraphie zur Lokalisation eingesetzt werden. Da PCC's in ca. 10 % Organmanifestationen einer hereditären syndromatypischen Erkrankung sind (MEN 2, von Hippel-Lindau, Neurofibromatose, u. a.), sollte die klinische und ggf. molekulargenetische präoperative Diagnostik vor allem bei bilateralem Befall und extraadrenaler Lokalisation diese Erkrankungsmanifestationen abklären; sie haben auf das operative Vorgehen insbesondere bei der MEN 2-Erkrankung einen wesentlichen Einfluß. (O) Vor jeder Phäochromozytomoperation ist eine möglichst hochdosierte Alpharezeptorenblockade (Beginn mit 4 x 5 mg Dibenzyran in täglich langsam steigender Dosierung) obligat, um intra- und postoperativ Kreislaufdekompensationen zu vermeiden. Bei fehlender Vorbehandlung verliefen früher Phäochromozytomoperationen nicht selten tödlich. Das operative Vorgehen ist bei sporadischen und nicht-MEN2-Phäochromozytomen unterschiedlich: Bei sporadischen PCC's erfolgt eine totale unilaterale Adrenalektomie, da kontralaterale PCC's praktisch nicht vorkommen und maligne PCC's häufiger sind, als bei MEN 2-PCC's. Beim MEN 2-PCC sind dagegen multifokale Tumoren, in ca. 1/3 auch synchron bilaterale Tumoren, häufig, maligne PCC's jedoch selten (< 5 %). Während früher bilaterale totale Adrenalektomien beim MEN 2-PCC bevorzugt durchgeführt wurden, wird heute ein organerhaltendes Vorgehen (subtotale Adrenalektomie) empfohlen, um dem Patienten eine adrenokortikale Substitutionspflicht zu ersparen. Das Rezidivrisiko ist bei diesem Vorgehen allerdings höher und erfordert somit eine regelmäßige Nachsorgediagnostik. Bei malignen PCC's ist das operative Vorgehen wie beim NNR-Karzinom. (N) Die Nachsorge beim Phäochromozytom sollte immer unter endokrinologischer Kontrolle erfolgen, da Rezidive auch beim solitären benignen PCC wegen der bisweilen schwierigen pathohistologischen Dignitätsbestimmung im Langzeitverlauf auftreten können (ca. 10 %). Die postoperative Therapie beim R1/2-resezierten und metastasierten PCC umfasst medikamentöse (Chemotherapie, Antihypertensiva) und ggf. radiotherapeutische Verfahren (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 46 (MIBG-Therapie bei Metastasen mit MIBG-Speicherung, Strahlentherapie zur lokalen Tumorkontrolle). (L) Leitlinien zur chirurgischen Therapie von Nebennierenerkrankungen (2000) erarbeitet von den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft, Beilage zu den Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Demeter Verlag, Stuttgart; Heft 4 Rothmund M (Hrsg): Endokrine Chirurgie, Springer, Berlin, 2000, 331 - 443 Lehnert H (Hrsg.): Rationelle Diagnostik und Therapie in Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel, Thieme, Stuttgart, 2003, 137 – 177 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 47 22. Hernien B. Irmscher (E) Hernien gehören zu den häufigsten chirurgischen Erkrankungen. So werden allein in Deutschland jährlich ca. 150.000 Brüche der Leistenregion operiert. Zum Verständnis der Pathophysiologie sind detaillierte Kenntnisse des anatomischen Aufbaus der Bauchwand (äußere Hernien) sowie der inneren Auskleidung der Bauchhöhle mit ihren Hohlräumen und Lücken (innere Hernien) notwendig. Die Einteilung der Hernien richtet sich nach Lokalisation der Bruchpforte (laterale u. mediale Leistenhernie, Schenkelhernie, Nabelhernie, epigastrische Hernie, Narbenhernie, parastomale Hernie und sehr selten Spieghelhernie, Hernia lumbalis), der Reponibilität des Bruchsackinhaltes (reponibel, irreponibel, inkarzeriert), des Entstehungszeitpunktes (angeboren, erworben). Während sich bei den meisten Hernien eine vollständige peritoneale Auskleidung (Bruchhüllen) als innerste Schicht des Bruchsackes findet, bilden bei den Gleitbrüchen der Leistenregion Anteile von retroperitonealen Organen (Zökum, Sigma, Blase) eine Wand des Bruchsackes. (D) Die Symptomatik der äußeren Hernie ist gekennzeichnet durch eine Vorwölbung der Weichteile mit und ohne Schmerzen, die meist bei Belastung (Bauchpresse, Husten) deutlicher hervortritt ; bei Einklemmung treten heftige lokale Schmerzen bei irreponibler Vorwölbung und Zeichen des mechanischen Ileus (Strangulationsileus, s. dort) hinzu. Innere Hernien werden entweder zufällig bei sorgfältiger Exploration der Bauchhöhle im Rahmen anderer Operationen diagnostiziert oder führen unter der Diagnose eines mechanischen Ileus zur Notfalllaparotomie. Zur Diagnostik einer Hernie führen in erster Linie eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung der präformierten Regionen im Stehen und Liegen (Betätigung der Bauchpresse). Die B-Bild-Sonografie kann in fraglichen Fällen zum Einsatz kommen. CT- und Kontrastmitteldarstellungen sind bestimmten, seltenen Fragestellungen vorbehalten (Hernie permagna, symptomatische Hernien u. a.). (O) Eine Heilung des Hernienleidens ist nur durch Operation möglich, deshalb gilt eine OPIndikation für prinzipiell alle Hernien, lediglich bei schweren Allgemeinerkrankungen, dekompensierter Herzinsuffizienz, dekompensierter Leberzirrhose, fortgeschrittenem Tumorleiden besteht eine Kontraindikation. Bei Einklemmung (Inkarzeration) muß notfallmäßig operiert werden. Präoperativ müssen die Patienten über das operative Vorgehen und typische Komplikationsmöglichkeiten, Wundkomplikationen, Rezidive, Nervenirritation, besonders im Leistenbereich, Hodenschwellung bzw. Atrophie, Verlust des Nabels u. a. aufgeklärt werden. Eine konservative Behandlung (Bruchbänder, Bandagen) ist obsolet und verschlechtert meist die lokale Situation (Hautirritation, Verwachsungen, Bauchdeckeninsuffizienz). Grundprinzip aller Hernienchirurgie, die je nach Befund in Lokalanaesthesie oder Allgemeinanästhesie vorgenommen wird, sind Bruchsackdarstellung, Versorgung des Bruchinhaltes, Abtragung des Bruchsackes bzw. Reposition und Verschluß der Bruchlücke (Nahtverfahren mit und ohne Augmentation durch Kunststoffnetze). Für Leistenhernien sollte heute ein differenziertes Behandlungskonzept, welches Alter, Geschlecht und Hernientyp (Klassifikation nach Nyhus, Aachener Klassifikation) berücksichtigt, angeboten werden: Anteriore Nahtverfahren (Shouldice) bei kleinen Defekten und jungen Patienten, laparoskopische Netzapplikation (transabdominell, TAPP oder total extraperitoneal, TEP) bei Männern im mittleren Lebensalter, bei Rezidiven und Patientenwunsch sowie eine anteriore Netzapplikation (tension-free-repair nach Lichtenstein) bei älteren Patienten mit kombinierten Hernien und schlaffen Bauchdecken. Letzteres Verfahren ist gut in Lokalanaesthesie und ambulant durchführbar. Für Narbenhernien mit Rezidivraten um 15 % wird heute nur für kleine Defekte (weniger als 5 cm Durchmesser) ein Nahtverfahren mit oder ohne Plastik angewandt, größere Defekte (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 48 erfordern eine Netzverstärkung (IPOM, intraperitoneal onlay mesh, sublay, extraperitoneal unter der Muskulatur, oder onlay, auf der vernähten Fascie epifascial). (N) Bei Einbringung von Kunststoffnetzen verabreichen wir eine Single-shot-Antibiotikumprophylaxe, bis zur vollständigen Mobilisation erhalten auch Hernienoperierte eine medikamentöse Thromboseprophylaxe, Wundsaugdrainagen werden bei ausgedehnten Präparationsflächen (Narbenhernien) für wenige Tage eingelegt. Die postoperative Belastungsfähigkeit hängt ab von Herniengröße, Konstitution und Versorgungsart. Während nach laparoskopischen Leistenhernienoperationen sehr schnell eine volle Belastung bis hin zu sportlicher Betätigung möglich ist, empfehlen wir sonst eine körperliche Schonung unter Vermeiden schweren Hebens für mindestens ¼ Jahr. (L) Schumpelick V u. M.: Therapie der Leistenhernie, Teil I und II, Zbl. Chir. 2001; 126: W 35 – 40, W 41 – 47 Jähne J.: Chirurgie der Leistenhernie, Chirurg 2001; 72: 456 – 471 Bittner R u. M. (Ed.): Reparation der Narbenhernie, Chir. Gastroenterologie 2003; 19 (suppl. 2) (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 49 23. Akutes Abdomen, Peritonitis, Ileus T. Sutter Akutes Abdomen, Peritonitis (E) Charakteristisch für ein akutes Abdomen sind heftige Bauchschmerzen, Abwehrspannung als Zeichen der Peritonitis, Änderungen der Darmmotilität, im Spätstadium einhergehend mit Volumenmangel- und/oder septischem Schock. Typische Ursachen sind die Organperforation, traumatisch, iatrogen oder entzündlich (Ulkus, Sigmadivertikulitis) bedingt, Blutungen in die Bauchhöhle (Leber- oder Milzruptur, frei perforiertes Aortenaneurysmas) oder eine akute Pankreatitis, welche ebenso wie die seltene Porphyrie primär internistisch therapiert wird. (D) Vom parietalen Peritoneum ausgehende somatische Schmerzen sind genau lokalisierbar (Appendizitis, Mc Burney), die lokale Peritonitits bewirkt reflektorisch eine Abwehrspannung, während der viszerale Schmerz diffus, z. B. in den Rücken (Pankreatitis), ausstrahlt. Abwehrspannung als Zeichen einer lokalisierten bzw. diffusen Peritonitis, stellt per se eine Operationsindikation dar. Ferner wird zwischen akut einsetzendem Schmerz (Magenperforation) und kolikartigem Schmerz (Gallekoliken, mechanischer Ileus) unterschieden. Neben den Entzündungsparametern (Leukos, CRP) werden Hämoglobin (Blutung), Laktat (Mesenterialischämie) und Pankreasenzyme sowie Calcium (Pankreatitis) bestimmt. Ferner sind eine Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen oder in Linksseitenlage (freie Luft, Dünndarmspiegel ?) sowie eine Thoraxaufnahme (freie Luft subphrenisch ?, Pleurergüsse ?, OP-Vorbereitung) erforderlich. Die abdominelle Sonographie weist ggf. auf freie Flüssigkeit (Morrison-Pouch), eine Appendizitis (Kokarden-Phänomen) oder auf eine akute Cholecystitis (Dreischichtung der Wand) hin. Akute Pankreatitis und Sigmadivertikulitis müssen mittels Computertomographie abgeklärt werden. Ein akuter Harnverhalt bei Prostatahyperplasie oder neurogener Blasenentleerungsstörung ist differentialdiagnostisch auszuschließen. (O) Das akute Abdomen stellt in der Regel eine dringliche Op-Indikation dar. Patienten mit akuter Pankreatitis werden erst bei Nachweis ausgedehnter Nekrosen, Abszedierungen und Auftreten eines septischen Organversagens operiert. Operationszugang ist die mediane Laparotomie, unabhängig vom Vorliegen anderer, z. B. paramedianer, Schnittführungen. Bei der nekrotisierenden Pankreatitis wird davon abweichend eine quere Oberbauchlaparotomie durchgeführt. Im Ileus ist der Patient immer über die mögliche Anlage eines Stomas aufzuklären. Eine diffuse, alle 4 Quadranten betreffende, Peritonitis, insbesondere eine kotige (Kolonperforation) Peritonitis, erfordert ebenso wie die Nekrosektomie des Pankreas eine programmierte Bauchspülung (Lavage) mit zwischenzeitlich provisorischem Bauchdeckenverschluß. (N) Die Prognose ist abhängig von Ursache (gallig versus kotig) und Ausdehnung der Peritonitis (lokalisiert versus diffus) sowie von allgemeinen Risikofaktoren des Patienten (Alter, kardio-pulmonales Risiko, Tumorleiden). Prognostisch besonders ungünstig sind die nekrotisierende Pankreatitis (Letalität 40 %) und der Mesenterialinfarkt (Letalität 80 %). Ileus (E) Ileus bezeichnet eine Transportstörung des Darms mechanischer (> 80 %) oder funktioneller (paralytischer Ileus, 20 %) Ursache. Tumoren, Verwachsungen, Fremdkörper, selten auch durch Penetration in das Duodenum gelangte Gallensteine, inkarzerierte Hernien, die Drehung einer Darmschlinge (Volvulus) oder Dünndarminvaginationen verur- (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 50 sachen einen mechanischen Ileus. Nach Ausprägung und Lokalisation wird ein kompletter von einem inkompletten Ileus, respektive ein hoher von einem tiefen Dünndarmileus bzw. von einem Dickdarmileus unterschieden. Ein kompletter Ileus führt unbehandelt zur Ileuskrankheit mit Flüssigkeits- und Elektrolytverschiebungen, einer Translokation von Darmkeimen und in der weiteren Folge zum Mehrorganversagen. (D) Leitsymptome und typische klinische Befunde sind rezidivierendes Erbrechen (gallig, fäkulent), Stuhl- und Windverhalt, krampfartige Bauchschmerzen, Darmsteifungen, meteoristische Auftreibung des Abdomens, klingende, hochgestellte Darmgeräusche (mechanischer Ileus) oder Totenstille (paralytischen Ileus). Daneben weisen vorliegende Narben nach abdominellen Eingriffen (Bridenileus) und Hernien (Inkarzeration) auf eine mögliche Ursache eines mechanischen Ileus hin. Die Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen oder in Linksseitenlage zeigt überdehnte Dünndarmschlingen bzw. je nach Lokalisation des Passagehindernisses einen überblähten Kolonrahmen und Spiegelbildungen. Ist das Zökum in der Abdomenübersichtsaufnahme über 10 cm distendiert, besteht Perforationsgefahr. Die Gabe eines wasserlöslichen Kontrastmittels (Gastrografin) bedarf höchster Vorsicht, da hyperosmolare Lösungen zu weiteren Flüssigkeitsverschiebungen und beim mechanischen Ileus zur Verstärkung der Peristaltik führen. In der Paralyse ist die Transitzeit des Kontrastmittels verzögert (> 5 Stunden). Bei Verdacht auf einen mechanischen Kolonileus kann Gastrografin per anal (Kontrasteinlauf) verabreicht werden, um die Stenose zu lokalisieren. (O) Ein kompletter mechanischer Ileus stellt eine dringliche Operationsindikation dar. Vor der Intubation sollte eine Magensonde zur Aspirationsvermeidung und Entlastung gelegt werden. Bei schwerer metabolischer Entgleisung ist der Patient ggf. intensivmedizinisch ausreichend vorzubereiten. Das operative Vorgehen richtet sich nach der Ursache und dem klinischen Zustand des Patienten. Beim stenosierenden Rektumkarzinom kann ein zweizeitiges Vorgehen mit primärer Anlage eines Anus praeter und sekundärer Tumorresektion indiziert sein. Ein Gallensteinileus wird einzeitig, d. h. durch Cholecystektomie, Verschluß der duodenalen Fistel und Extraktion des intraluminären Gallensteins operiert. Inkarzerierte Leistenhernien werden zunächst über einen inguinalen Zugang versorgt, sind längere Darmabschnitte betroffen, erfolgt die mediane Laparotomie. Das Ausstreifen des Darmes oralwärts und das Absaugen des Darminhaltes über die Magensonde geschieht vorsichtig, um Darmdeserosierungen und Einblutungen zu vermeiden. Beim Adhäsionsileus wird immer die vollständige Adhäsiolyse vom Treitz’schen Band bis zur Ileozökalregion ausgeführt, ansonsten kann früh postoperativ erneut ein Ileus auftreten. Der paralytische Ileus wird primär mittels Dekompression (Magensonde, Einläufe, Darmrohr, koloskopische Absaugung), intravenöser Prokinetika (Prostigmin, Bepanthen), die Peristaltik fördernder Maßnahmen (Gastrofin, Bifiteral per Magensonde) behandelt. Neurogene Störungen (Ogilvie-Syndrom) erfordern einen doppelläufigen Anus praeter, eine Coecalfilstel oder die Resektion des betroffenen Darmabschnitts (Hemikolektomie rechts). (N) Der postoperative Verlauf hängt von der Dauer und Ursache des Ileuszustands und den allgemeinen Risikofaktoren ab. Volumen- und Elektrolyt- (Kalium) substitution sind nötig. Prognostisch ungünstig sind Ileuszustände aufgrund einer Tumorstenose mit Darmperforation (R1-Situation). (L) Kleinschmidt L, Winkeltau GJ, Töns C, Rau HM, Akutes Abdomen, in: Töns C, Schumpelick V (Hrsg.): Chirurgische Notfall- und Intensivmedizin, Enke, Stuttgart, 1997, 113-160, Köckerling F, Hohenberger W, Teichmann W, Intraabdominelle Infektionen, Barth, Heidelberg, 2001 Lehr L, Siewert JR, Allgemeine chirurgische Prinzipien beim akuten Abdomen, in: Siewert JR, Harder F, Rothmund M (Hrsg.): Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002, 163 – 172 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 51 Späth G, Hirner A, Ileus, in: Lippert H (Hrsg.): Praxis der Chirurgie, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Thieme, Stuttgart, 1998, 598 - 611 Thorban S, Böttcher K, Allgemeine chirurgische Prinzipien in der Behandlung des Ileus, in: Siewert JR, Harder F, Rothmund M (Hrsg.): Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002, 155 - 162 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 52 24. Minimal-invasive Chirurgie F. Mannes E) Minimal-invasive (laparoskopische) Chirurgie (MIC) führt durch Verringerung des Zugangstraumas in die Bauchhöhle zur postoperativen Stressreduktion und positiven Beeinflussung der Immunantwort, ist aber in hohem Maße technologieabhängig (Gasinsufflator, Lichtquelle, Optik, 3-Chip-Videokamera, Monitor, Thermo-/Elektrokoagulationssystem, Saug-Spül-Einrichtung, Ultraschallgenerator). Die Instrumente sind Modifikationen aus der konventionellen Chirurgie oder spezifisch für die MIC entwickelt (Trokare, Fasszangen, Nadelhalter, Clipsetzer, Klammernahtgeräte, Ultraschallschere). Den Vorzügen der MIC (postoperativ weniger Schmerzen, kürzere Darmatonie, günstigere Kosmetik) stehen das identische intraabdominelle Trauma, Einschränkungen des Tastsinns, ein zweidimensionales OP-Feld, erhöhter technischer Aufwand und höhere OPKosten gegenüber. (D) Jede laparoskopische Operation beginnt mit dem Aufbau des Pneumoperitoneums (Arbeitsraum) mit CO2 (rasche Resorption, nicht entflammbar, niedrige Kosten). Der gesteigerte intraabdomineller Druck führt zum Absinken von Herzzeitvolumen (Vor- und Nachlastreduktion) und pulmonaler Compliance. Einschränkungen der kardiopulmonalen Funktionsreserven müssen daher präoperativ abgeklärt sein. Operationsindikationen und erforderliche Diagnostik orientieren sich ansonsten an der zugrunde liegenden Erkrankung. Im Rahmen des Stagings gastrointestinaler Tumoren ist die Laparoskopie in Kombination mit laparoskopischer Sonographie (Staginglaparoskopie) das effektivste diagnostische Verfahren (Resektabilitätsbeurteilung, Tumordissemination, okkulte Tumoren/Metastasen, histologische Sicherung, Therapiekontrolle) für die Festlegung der Behandlungsstrategie (Ösophagus-, Magen-, Pankreaskarzinom). Weitere diagnostische Bedeutung liegt in der Differentialdiagnostik des unklaren/akuten Abdomens. (O) 70% aller laparoskopischen Operationen entfallen auf die minimal-invasive Cholecystektomie (CE), -Appendektomie (AE) und –Inguinalhernienreparation. Die MIC-CE ist Standard bei symptomatischen Gallensteinleiden. Operationszeit, Komplikations- und Konversionsrate steigen mit Schwere der Erkrankung. Galleabflusshindernisse müssen präoperativ abgeklärt (Anamnese, Klinik, Sonographie, Labor) und behandelt (ERCP) werden (Choledocholithiasis: therapeutisches Splitting). Gallenblasen- /Gallengangkarzinom, Perforation, Mirizzi-Syndrom, unklare Anatomie (Calotsches Dreieck), portale Hypertension mit Kollateralkreisläufen sind Kontraindikationen für laparoskopisches Vorgehen bzw. zwingen zur Konversion. Die MIC-AE hat sich nicht generell durchgesetzt (höhere Kosten, längere OP-Zeit versus seltenere Wundinfektionen, differentialdiagnostische Möglichkeiten, schnellere Rekonvaleszenz) und ist bei fortgeschrittener Appendizitis (basisnahe Perforation, Zökumwandphlegmone, perityphlitischer Abszeß) kein Standardverfahren (erhöhte postoperative intraabdominelle Abszessrate). Die Versorgung von Inguinal- und Femoralhernien in MIC-Technik erfolgt durch Einbringen eines Kunststoffnetzes in Allgemeinanästhesie vor die Bruchlücke durch transabdominelle präperitoneale Patchplastik (TAPP) oder total extraperitoneale Patchplastik (TEP). Beide Verfahren benötigen eine erhebliche Lernkurve (TEP>TAPP), weisen dann eine geringe Rezidvrate (<1%) auf und sind Verfahren erster Wahl für beidseitige und Rezidivhernien. Einschränkungen für die TEP sind inkarzerierte und irrebonible Hernien sowie Vernarbungen der Bauchdecken (Anamnese mit Unterbauchlaparotomie, Prostata-, Harnblasen-OP, Netzimplantation). Die laparoskopische Fundoplikation bei GERD erfolgt durch eine 360°-(Nissen) oder hintere 180°-Manschette (Toupet), hat sich als Alternative zur offenen Antirefluxchirurgie etabliert und wird bei simultaner Hiatushernie mit einer (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 53 Hiatoplastik kombiniert. Ein weiterer minimal-invasiver ösophagealer Eingriff ist die laparoskopische, longitudinale Kardiomyotomie, die bei Achalasie meist mit Deckung der Myotomie durch anteriore, partielle Fundoplastik (Dor) erfolgt und nach laparoskopischer Abtragung eines epiphrenischen Divertikels der pathophysiologisch entscheidende therapeutische Schritt ist. MIC ist fester Bestandteil der Therapie entzündlicher, kolorektaler Erkrankungen. Die am häufigsten laparoskopisch operierte Kolonerkrankung ist die chronisch rezidivierende Divertikulitis. In den Hinchey-Stadien III und IV erfolgt, wie bei allen Notfallsituationen kolorektaler Erkrankungen (vital bedrohliche Blutungen, toxisches Megakolon, Perforationen) eine konventionelle Operation. Ansonsten ist das Spektrum laparoskopischer kolorektaler Eingriff breit gefächert und reicht von Segmentresektionen, Ileozökalresektion (Morbus Crohn) bis zur Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch (Colitis ulcerosa). Bei gegebener Operationsindikation sind auch funktionelle Erkrankungen (Rektumprolaps) laparoskopisch behandelbar. Bei der Anwendung laparoskopischer Operationstechniken zur kurativen Therapie maligner Erkrankungen gibt es für die Einhaltung chirurgisch-onkologischer-Prinzipien [primäre Gefäßligatur, no-touch-technique, Lymphknotenzahl, totale mesorektale Exstirpation (TME)] keine Einschränkungen. Kontraindikationen sind T4-Tumoren, lumenobstruierende Tumoren und solche, deren Größe eine Bergung über Minilaparotomie nicht zulässt. Bis zum Vorliegen von Langzeitergebnissen (Prognose) aus entsprechenden Studien muß minimimal-invasive, kurative Karzinomchirurgie jedoch unter Studienbedingungen erfolgen. Dagegen ist der Nutzen der MIC in Diagnose (Staging-Laparoskopie) und Palliation (Gastroenterostomie, Witzel-Fistel, Anus praeter) unbestritten. Interventionelle Rendevouzverfahren kombinieren MIC mit endoluminaler Endoskopie. Sie kommen zum Einsatz wenn Läsionen einer alleinigen endoluminal-endoskopischen Therapie nicht zugänglich sind (Größe, Risiko, Lokalisation), für eine limitierte lokale laparoskopische Resektion eine exakte Lokalisation der Läsion erforderlich wird (Kolonsegmentresektion bei Adenom, Magenvollwandresektion bei GIST) oder eine intraaoperative Qualitätssicherung erfolgt (Vollständigkeit der Myotomie unter Diaphanoskopie). Das Komplikationsspektrum umfaßt die allgemeinen und krankheitbezogenen Risiken und Folgen der konventionellen Chirurgie. Kardiopulmonale Probleme können Folge des Pneumoperitoneums (HZV-Veränderungen, respiratorische Azidose, Emphyseme, Pneumothorax, Gasembolie) und der erforderlichen Extremlagerungen (Trendelenburg-, Antitrendelenburg) sein. Eingriffbezogen sind zugangsbedingte Komplikationen und betreffen bei Plazierung der Trokare viszerale Organläsionen, retroperitoneale Gefäßverletzungen und Blutungskomplikationen aus Bauchwandgefäßen, spätpostoperativ Trokarhernien und Portsite-Metastasen, die durch entsprechende Strategien (konische Trokare, Plazierung unter Sicht und Diaphanoskopie, keine Veress-Kanülen, Präparatebergung über Schutzfolien und –beutel) minimiert werden. (N) Die Nachsorge erfolgt krankheitsbezogen und entspricht der konventionellen Chirurgie (Erkrankungsrezidive, Narben(Trokar)hernien). Kürzere Hospitalisierung und schnellere Rehabilitation führen zur schnelleren Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit. (L) Harder F (Hrsg.) Gastroenterologische Chirurgie, Springer, Berlin, 2002, 121-126, Bruch HP et al., Grenzen der laparoskopischen Viszeralchirurgie in der Onkologie, Chirurg 2003; 74: 290-300 Köckerling F, Bittner R, Gastinger I, Lippert H (Hrsg.) Minimal Invasive Chirurgie, Science Med, Hannover, 2003, 3-210, (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 54 25. Carotis und supraaortale Gefäße C. Erbe (E) Bei den chirurgischen Erkrankungen der supraaortalen Gefäße handelt es sich in abnehmender Reihenfolge um Stenosen oder Verschlüsse der A. carotis interna, der proximalen A. subclavia, der A. carotis communis und des Truncus brachiocephalicus. In >90% der Fälle liegt pathogenetisch eine Atherosklerose zugrunde. Daher ist mit einer hohen Komorbidität durch andere atherosklerotisch bedingte Erkrankungen zu rechnen (koronare Herzkrankheit, periphere arterielle Verschlußkrankheit). Eine seltene Ursache für Stenosen der supraaortalen Äste ist die Takayasu-Arteriitis. Bei der A. carostis internaStenose (CAST) handelt es sich um eine meist kurzstreckige Lumeneinengung unmittelbar oberhalb der Carotisgabel. Die OP-Indikation ergibt sich aus dem thrombembolischen Risiko für einen Hirninfarkt bei hohem Stenosegrad vor und nach Auftreten einer neurologischen Symptomatik (asymptomatische und symptomatische CAST). Typische Symptome bei CAST sind die transitorische ischämische Attacke (TIA), das prolongierte reversible ischämische neurologische Defizit (PRIND) und die Amaurosis fugax. Beim akuten Schlaganfall und Nachweis einer CAST kann innerhalb von 4-6 Stunden eine Erweiterungsplastik der Carotis erfolgen. Die A. subclavia-Stenose imponiert zum einen durch belastungsabhängige ischämisch bedingte Schmerzen und Parästhesie im betroffenen Arm. Desweiteren kann es bei abgangsnaher Stenose zum „subclavian steal syndrome“ kommen, das durch eine Flußumkehr in der ipsilateralen A. vertebralis bedingt ist. Hier tritt eine intermittierende Hirnstammsymptomatik mit Schwindel, drop attacks, Ataxie und Sehstörungen auf. Eine OP-Indikation besteht nur bei symptomatischen Subclaviastenosen. Bei der Therapie der Stenosen der supraaortalen Gefäße werden in jüngster Zeit zunehmend interventionelle Verfahren wie percutane transluminale Angioplastie (PTA) und Stentimplantation durchgeführt und insbesondere für die CAST (hohes periinterventionelles Hirnembolierisiko) kontrovers diskutiert. Zum Vergleich der Ergebnisse werden derzeit prospektiv randomisierte Studien durchgeführt. (D) Die Anamnese ist der zentrale Teil der Diagnostik (Risikofaktoren, typische Symptome). Wichtig ist die neurologische Untersuchung zum Ausschluß oder Nachweis eines neurologische Defizits (durch einen neurologischen Facharzt prä- und postoperativ zur Qualitätssicherung). Eine Computertomographie des Schädels sollte zur Beurteilung ischämischer cerebraler Herde erfolgen. Gelegentlich sind auch klinisch stumme Infarkte computertomographisch nachweisbar. Der Nachweis der Stenose und die Bestimmung des Stenosegrades erfolgen mittels Doppler- und Duplex-Sonographie und bei eingeschränkter Beurteilbarkeit und speziellen Fragestellungen (Gefäßanomalien, Knickstenose, subtotaler Verschluß) mittels Angiographie (Goldstandard) oder MR-Angiographie. Bei der A. subclavia-Stenose fällt neben abgeschwächten peripheren Pulsen eine Blutdruckdifferenz am betroffenen Arm im Vergleich zur Gegenseite auf. Die Flußumkehr in der A. vertebralis kann durch Dopplersonographie oder Angiographie festgestellt werden. (O) Der Standardeingriff bei der CAST ist die Thrombendarteriektomie (TEA) mit Patchplastik (Kunststoff- oder Venenpatch). Durch temporäre Einlage eines Shuntröhrchens kann die Abklemmzeit minimiert werden. Ein mindestens gleichwertiges Verfahren ist die Eversionsendarteriektomie (EEA). Die Eingriffe können in Intubationsnarkose oder besser in Lokalanästhesie (mögliches klinisch- neurologisches Monitoring) durchgeführt werden. Da es sich bei der Carotischirurgie sowohl bei der asymptomatischen CAST (Apoplexierate 2% pro Jahr bei konservativer Therapie in der ACAS-Studie) als auch bei der symptomatischen CAST (Apoplexierate ohne OP 15% pro Jahr in der NESCET-Studie) prinzipiell um prophylaktische Eingriffe handelt, hängt die Indikationsstellung auch von der (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 55 perioperativen Komplikationsrate des jeweiligen Zentrums ab. Eine OP ist nur gerechtfertigt, wenn die perioperative Apoplexierate deutlich geringer ist als unter rein konservativer Therapie. Typische Komplikationen der Carotischirurgie sind neben dem Hirninfarkt (1-2%) Verletzungen des N. hypoglossus, des N. vagus und des Mundastes des N. facialis sowie die Rezidivstenose. Kurzstreckige zentrale Subclaviastenosen können oft interventionell mittels PTA, ggf. mit Stentimplantation behandelt werden. Ein typisches operatives Verfahren ist die Carotis-Subclavia-Transposition. Des weiteren stehen verschiedene Bypassverfahren zur Verfügung, von denen am häufigsten der CarotisSubclavia-Bypass (kurzer Kunststoffbypass von der A. carotis comm. zur A. subclavia) zur Anwendung kommt. Typische Komplikationen sind der Bypassverschluß bzw. die Rezidivstenose, die Lymphfistel, Pleuraverletzungen und die Phrenicusparese. (N) Nach Carotisrevaskularisation erfolgt zunächst eine postoperative low dose-Heparinisierung und anschließend eine Dauertherapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. ASS 300 mg/d). Zum rechtzeitigen Erkennen einer Rezidivstenose oder einer Stenose der kontralateralen Seite sind angiologische Untersuchungen erforderlich. Die Reduktion der Risikofaktoren wirkt sich prognostisch günstig aus. Nach Subclaviarevaskularisation erfolgt ebenfalls eine dauerhafte Prophylaxe mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. ASS 100 mg/d) bzw. bei langen Bypässen eine Gerinnungshemmung mit einem Vitamin K-Antagonisten. (L) Hepp W, Kogel H: Gefäßchirurgie, Urban und Fischer, München Jena 2001, 353-384 Vollmar J: Rekonstruktive Chirurgie der Arterien, Thieme, Stuttgart, 1996 Leitlinie zu Stenosen der Arteria carotis der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie. online: www.gefaesschirurgie.de Leitlinie zu abgangsnahen Stenosen und Verschlüssen der Aortenbogenäste der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie. online: www.gefaesschirurie.de (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 56 26. Aorta M. Brauckhoff (E) Für die Gefäßchirurgie wesentliche Erkrankungen der Aorta sind: 1. Aortenaneurysma (AA): zur Entscheidungsfindung für/gegen ein endovaskuläres Vorgehen ist die Einteilung in infra-, juxta- und suprarenale/thorakoabdominale AA, zur Bestimmung der Dringlichkeit des therapeutischen Vorgehens ist die Unterscheidung von Notfall (offene/gedeckte Perforation), dringlicher (symptomatisches AA) und elektiver Indikation (asymptomatisches AA) wichtig 2. Aortendissektion: klinisch wichtig ist hierbei die Einteilung nach STANFORD; Typ A mit Beteilung des Aortenbogens und der Aortenklappe: dringliche OP unter Einsatz der HerzLungen-Maschine; Typ B mit Ausdehnung innerhalb der Aorta descendens: vorrangig konservative Therapie) 3. Stenose/Verschluß der infrarenalen Aorta: akut (Embolie): Lebensgefahr, chronisch (Arteriosklerose): LERICHE-Syndrom (D) Das AA wird mittels Ultraschall oder CT diagnostiziert; eine Angiographie ist in der Regel nur bei geplantem endovaskulärem Vorgehen (Stent) notwendig. Die akute Aortendissektion wird mittels CT untersucht. Die Beteiligung der Aortenklappe wird am besten mittels transösophagealer Echokardiographie geklärt. Bei einem akuten Aortengabelverschluß kann bei eindeutiger Anamnese und Klinik und bei dringlicher OPIndikation auf eine bildgebende Untersuchung verzichtet werden. Beim Leriche-Syndrom erfolgt nach der üblichen angiologischen Untersuchung (Pulsstatus, Gehstreckenbestimmung, Doppler-/Duplexsonographie) bei entsprechender Klinik (ab Stadium IIB nach Fontaine) zur Planung des operativen/endovaskulären Vorgehens entweder eine klassische Angiographie (Standard) oder eine MR-Angiographie. (O) Das AA wird unabhängig von der Dringlichkeit entweder durch eine Rohrprothese oder bei Beteiligung der Beckenarterien durch eine Y-Prothese ausgeschaltet. Alternativ kann ein infrarenales AA durch einen über eine (oder beide) Femoralisarterien applizierbaren Stent ausgeschaltet werden. Thorakoabdominale AA erfordern die Reimplantation der Viszeralund Nierenarterien in die Prothese. Bei Komplikationen der Aortendissektion Typ B (Organischämie, Ruptur) kommen in Frage: Fensterungsoperation, Aortenersatz (YProthese). Der akute Aortenverschluß kann sehr häufig durch eine einfache Embolektomie von inguinal beseitigt werden. In bestimmten Situation muß aber auch eine Laparotomie erfolgen, um die Aorta offen zu desobliterieren (Thrombendarteriektomie (TEA)) oder einen (in der Regel aortobifemoralen) Y-Prothesenbypass zu implantieren. Bei chronischem Aortenverschluß besteht der Regeleingriff in der Implantation eines aortobiinguinalen oder bifemoralen Y-Prothesenbypasses. Auch unter elektiven Bedingungen besteht wegen der Größe des Eingriffes aber auch wegen der sehr häufig bestehenden ausgeprägten Komorbidität (Koronarsklerose, Diabetes, Niereninsuffizienz, Hypertonie) bei Eingriffen an der Aorta ein relevantes Letalitätsrisiko, über das präoperativ aufgeklärt werden muß. Bei Notfalleingriffen steigt dieses Risiko um ein Mehrfaches. Bei AA besteht bei einer Ruptur die akute Verblutungsgefahr. Nach Beseitigung eines akuten Aortenverschlusses kann es zu einem gefährlichen Reperfusionssyndrom kommen. Die gefürchtetsten chirurgischen Komplikationen sind der Protheseninfekt und die aorto-prothetiko-intestinale Fistel, die zur Explantation der Prothese und aufwändigen extraanatomischen Umleitungsoperationen zwingen. Neuerdings wird in besonderen Fällen eine in-situ Rekonstruktion mit Leichenaorta oder silberimprägnierten (mikrobizid) Kunststoffprothesen durchgeführt (Typ A Repair). Durch die Dissektion des präaortalen Gewebes (Plexus hypogastricus inferior) (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 57 besteht für Männer ein relevantes Impotenzrisiko (Impotentia coeundi). Bei langstreckigen Ausschaltungen (thorakoabdominale AA) besteht ein bis zu 35-40%iges Risiko einer ischämisch bedingten Paraplegie. Postoperative intestinale Perfusionsstörungen können bei Ligatur der Arteria mesenterica inferior auftreten. (N) Die postoperative Antikoagulation (Thrombozytenaggregationshemmung/Vitamin-KAntagonisten) richtet sich nach der Art der Rekonstruktion und den hämodynamischen Verhältnissen: bei gutem Ein und Ausstrom ist eine Thrombozytenaggregationshemmung ausreichend. Klinische Kontrollen sollten in mindestens halbjährlichen Abständen erfolgen. (L) Leitlinie zu Bauchaorten- und Beckenarterienverschlüssen der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie. online: www.gefaesschirurgie.de Leitlinie zur Thorakalen Aortendissektion der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie. online: www.gefaesschirurgie.de Leitlinie zum Bauchaortenaneurysma der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie. online: www.gefaesschirurgie.de (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 58 27. Becken- und Beinarterien J. Ukkat (E) Unter dem Begriff der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) werden die stenosierenden und occludierenden Gefäßerkrankungen zusammengefasst. Die PAVK manifestiert sich fast ausschließlich an der Aorta und den Becken- und Beinarterien. In erster Linie ist die Arteriosklerose als Ursache der PAVK anzusehen. In 5-10% der Fälle werden auch entzündliche oder traumatische Ursachen beschrieben. Mit dem Alter der Patienten steigt auch die Prävalenz der PAVK, wobei im Alter von über 65 Jahren ca. 20% der Patienten an einer PAVK erkrankt sind. In etwa drei Viertel der Erkrankungsfälle ist die PAVK asymptomatisch. Zu den bekannten Risikofaktoren gehören männliches Geschlecht, hohes Alter, Diabetes mellitus, Rauchen, Hypertonie, Hypercholesterinämie, Hyperfibrinogenämie und Hyperhomozysteinämie. Das Rauchen wird als wesentlichster Einzelrisikofaktor angesehen und führt 3 X häufiger zu einer PAVK. (D) Die PAVK der Becken- und Beinarterien führt klinisch zunächst zu einer schmerzhaften Einschränkung der Gehstrecke. Im weiteren Verlauf kommt es zu ischämischem Ruheschmerz und zur Ausbildung von ischämischen Nekrosen, welche sich superinfizieren können. Entsprechend dieses Verlaufes wurden nach Fontaine (–Ratschow) die folgenden klinischen Stadien der PAVK eingeteilt: Stadium I Stadium II a Stadium II b Stadium III Stadium IV asymptomasiche Erkrankung Claudicatio intermittens mit schmerzfreiher Gehstrecke über 200 m Claudicatio intermittens mit schmerzfreiher Gehstrecke unter 200 m Ruheschmerzen Nekrosen, Gangrän Die Diagnostik stützt sich nach Anamneseerhebung und Dokumentation des Pulsstatus, der schmerzfreihen Gehstrecke auf dem Laufband (mit 3km/h bei 12% Steigung) und der Verschlussdrücke auf die Arteriographie der Becken- und Beinarterien. Diese wird in erster Linie als Kontrastmittel-Angiographie ausgeführt oder wenn Kontraindikationen vorliegen (Hyperthyreose, Niereninsuffizienz, Kontrastmittelallergie) als Magnetresonanzangiographie durchgeführt. Die Doppler-/Duplexuntersuchung ist an den Beinarterien gut möglich, im Bereich der Beckenarterien jedoch selten aussagefähig. Zur Planung des operativen Vorgehens ist eine bildgebende Darstellung erforderlich, um distale Anschlußmöglichkeiten für Bypässe zu prüfen. (O) Die Therapie der PAVK stützt sich auf die drei wesentlichen Pfeiler konservative Therapie, Angioplastie und Bypassoperation. Die konservative Therapie besteht in erster Linie im täglichen Gehtraining zur Förderung der Kollateralenbildung und ist im Stadium I, II a und nach Bypassanlage angezeigt. Ferner werden Medikamente zur Verbesserung der Rheologie und zur Antiaggregation (Acetylsalizylsäure) verordnet. Der Angioplastie sind kurzstreckige Stenosen und sehr kurze Gefäßverschlüsse zugänglich. Hierbei wird unter Durchleuchtung ein Führungsdraht über die Stenose oder den Verschluß platziert und ein darüber geführter Ballonkatheter entfaltet. Dadurch ist es möglich, daß Gefäßlumen zu erweitern bzw. wieder zu eröffnen. Da das Plaque selbst nicht entfernt wird, liegt die mittlere Offenheitsrate nur zwischen einigen Monaten bis wenigen Jahren. Ab dem Stadium der PAVK II b besteht prinzipiell eine Operationsindikation, wobei zur Überbrückung von Gefäßverschlüssen verschiedene Bypassverfahren (z. B. aorto-femoraler, femuropoplitealer Bypass) zur Anwendung kommen. (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 59 Man unterscheidet alloplastisches und autologes Bypassmaterial. Hierbei ist die Vena saphena magna des Patienten, welche meist explantiert und invertiert angeschlossen wird, für den Langzeitverlauf am günstigsten. Sollte die Verwendung der Vene nicht möglich sein wird Kunststoffmaterial eingesetzt, welches aus Polyester oder Polytetrafluorethylenoxid (PTFE) besteht. Dieses Material neigt zu früherem Reverschluss aufgrund einer stärkeren Neointimabildung und muss bei gelenkübeschreitenden Abschnitten eine Ringverstärkung aufweisen. Weitere Verfahren sind die Endarteriektomie (intramurale Desobliteration) die beispielsweise an der A. femoralis communis angewandt wird oder die retrograde Desobliteration der A. iliaca externa mit einem Ringdesobliteratom. Die Aufklärung des Patienten über Art des Zugangs, Ausmaß der Operation, mögliche Folgeoperationen und das Vorgehen bei Infektionen ist auch bei Bypassoperationen unumgänglich, erst recht da eine Infektion von Kunststoffimplantaten mehrere Folgeoperationen, eine Verschlechterung des Ausgangsbefundes oder sogar den Extremitätenverlust zur Folge haben könnte. Typische Komplikationen, die bei Gefäßoperationen auftreten können sind, das Lymphödem, der Bypassverschluß, Wundheilungsstörungen oder die Bypassinfektion. Eine Antikoagulation ist insbesondere bei peripheren Bypässen erforderlich. Auf die damit verbundene erhöhte Blutungsneigung ist ebenfalls beim Aufklärungsgespräch hinzuweisen. (N) Die Nachbehandlung der Patienten erfolgt, wie bereits erwähnt, durch die medikamentöse Antikoagulation und deren Kontrolle durch Überprüfung der Gerinnungsparameter, aber auch durch regelmäßige Dopplerkontrollen der Verschlußdrücke. Hierbei ist es möglich, den drohenden Verschluß des Bypasses festzustellen. Weiterhin ist für geeignetes Schuhwerk zu sorgen, da Druckstellen im minderperfundierten Gebiet zu Nekrosen und feuchter Gangrän führen können. (L) Leitlinie zu Stenosen und Verschlüsse der Unterschenkelarterien, Deutscher Ärzteverlag, Köln 1998; 004/012 Leitlinienregister Leitlinie zum Popliteaverschluß, Deutscher Ärzteverlag, Köln 1998; 004/011 Leitlinienregister Leitlinie zu Bauchaorten- und Beckenarterienverschlüssen, Köln 1998; 004/009 Leitlinienregister Heberer, van Dongen; Gefäßchirurgie; Springer Verlag, Berlin, 2004 Vollmar J: Rekonstruktive Chirurgie der Arterien, Thieme, Stuttgart, 1996 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 60 28. Venen E. John (E) Aus klinischer Sicht werden akute von chronischen Venenerkrankungen unterschieden, hinsichtlich Therapie und Prognose ist die Unterscheidung zwischen einer Erkrankung des tiefen und des oberflächlichen Systems wichtig. Chirurgisch relevante Erkrankungen sind die akute Venenthromose und als chronische Erkrankung die primäre und sekundäre Varikose. Thrombosiert eine Vene des oberflächlichen Systems, so geschieht dies meist als Folge einer Entzündung (Thrombophlebitis) und wird konservativ behandelt. Die akute tiefe Venenthrombose, in den aller meisten Fällen als Beinvenenthrombose, ist eine häufige und gefürchtete perioperative Komplikation. Die primäre Varikose stellt als chronische Venenerkrankung mit Komplikationen, Beschwerden und ohne spontaner Heilungschance eine klassische Operationsindikation dar. Die sekundäre Varikosis bedarf nur im fortgeschrittenen Stadium eine Operation. Primäre Varikosis (D) Anamnestisch muss generell von Beschwerden des arteriellen Systems unterschieden werden. Die Beschwerden treten besonders nach langem Stehen und bei Wärme auf und bessern sich nach Hochlagerung. Inspektorisch muss die Varikosis den beiden oberflächlichen Hauptstämmen, der V. saphena magna und der V. saphena parva zugeordnet werden. Zudem bestehen u. U. varikös veränderte Seitenäste. Die pathophysiologisch entscheidende Flussumkehr im oberflächlichen System von zentral nach peripher (sog. down blow und im Perforanssystem von innen nach außen (sog. out blow) wird mit der Dopplersonographie oder der aszendierenden Phlebographie nachgewiesen. Hier wird auch der für die Operation wichtige proximale und distale Insuffizienzpunkt festgelegt (Einteilung nach Hach). Unabdingbar vor einer Varikosisoperation ist der Nachweis eines intakten tiefen Venensystems ebenfalls mittels Dopplersonographie oder Phlebographie. Vor der Operation müssen am stehenden Patienten die varikösen Seitenäste, der Verlauf der Stammvene und insuffiziente Perforansvenen angezeichnet werden. (O) Angestrebt wird eine stadiengerechte Operation mit Erhalt der intakten Venenanteile. Operative Möglichkeiten sind das vollständige oder teilweise „Stripping“ der Stammvenen mittels Nabatov- oder Babcock-Sonde. Seitenäste werden über gesonderte Inzisionen exhairiert, insuffiziente Perforansvenen einzeln aufgesucht und ligiert. (N) Postoperativ ist für 6-8 Wochen eine Kompressionstherapie mittels Kurzzugbinden bzw. Kompressionsstrümpfen notwendig. Sekundäre Varikose und postthrombotisches Syndrom Diese als Folge eines insuffizienten tiefen Beinvenensystems entstandenen Venenerkrankungen werden vorrangig konservativ therapiert. Nur im fortgeschrittenen Stadium kann eine Perforansligatur oder eine Abtragung von Fasziensklerosen notwendig werden. Akute tiefe Venenthrombose (TVT) (D) Anamnestisch lassen sich oft ein Spannungsgefühl der Wade, Schmerzen beim Laufen und eine Schwellung des Unterschenkels eruieren. Klinisch können erhoben werden: Wadenkompressionsschmerz (Meyer Zeichen), Schmerz in der Wade bei Dorsalflexion des Fußes (Payr Zeichen) und Plantardruckschmerz (Homans Zeichen). Da nur ca. 50% der (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 61 TVT klinisch apparent sind, muss jedem Verdacht nachgegangen werden. Die weitere Diagnostik wird bei Becken- und Oberschenkelvenen mittels Doppler- oder Duplexsonographie durchgeführt. Die Detektion einer Unterschenkelthrombose ist schwierig und verlangt meist eine aszendierende Phlebographie. Von untergeordneter Rolle und allenfalls additiv zu werten sind erhöhte D-Dimere im Blut. Thrombosen im zentralen Stromgebiet werden mittels CT nachgewiesen. (L) Heberer G, Dongen R-J van, Pichlmeyr R: Kirschnersche allgemeine und spezielle Operationslehre: Gefäßchirurgie, Springer Verlag, Berlin, 2003 Hepp W, Kogel H: Gefäßchirurgie, Urban und Fischer, Stuttgart München, 2001 Interdisziplinäre Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF-Leitlinien-Register, Nr. 003/00): Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie, AWMF, letzte Aktualisierung 2003 Ortwin W: Dopplersonographische Diagnostik, Deutscher Ärzteverlag, Köln, 2000 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 62 29. Minimal-invasive und endovaskuläre Gefäßchirurgie M. Brauckhoff (E) Minimal-invasive Operationsverfahren werden in der Gefäßchirurgie nicht routinemäßig eingesetzt. Demgegenüber haben die endovaskulären Verfahren (Perkutane Transluminale Angioplastie (PTA)/Stentapplikation) mittlerweile einen festen Stellenwert in der Gefäßmedizin. Akzeptierte Indikationen für ein interventionelles Vorgehen bestehen bei kurzstreckigen Verschlussprozessen der (1) proximalen Arteria subclavia (subclavian steal syndrome), (2) Beckenarterien, (3) A. femoralis superficialis, (4) Nierenarterienstenosen, (5) Abgangsstenosen der supraaortalen Gefäße und (6) AV-Fistel-Stenosen. Darüberhinaus finden gecoverte Stents Anwendung zur Ausschaltung von Aneurysmen (Aorta, Beckenachse) oder Überbrückung von Leckagen (Ruptur der Aorta thoracica loco typico). Umstritten ist der Einsatz der PTA bzw. Stentapplikation bei Verschlussprozessen der A. carotis interna und bei gelenküberschreitenden und langstreckigen Stenosen oder Verschlüssen. (D) Da die Indikationen für minimal-invasive Operationen oder endovaskuläre Verfahren im Prinzip denen des offenen, konventionellen Vorgehens entsprechen, erfolgt der Einsatz der verschiedenen diagnostischen Verfahren grundsätzlich in gleicher Form. Allerdings setzt insbesondere die endovaskuläre Therapie die genaue Kenntnis der intraluminalen Situation voraus. So ist z.B. beim Stenting eines Aortenaneurysmas ausschlaggebend, dass ein ausreichend langer infrarenaler Aneurysmahals vorliegt. Weiterhin können Stenosen oder Elongationen der Beckenarterien Probleme bei der Stentapplikation bereiten. Daher ist eine Angiographie bei endovaskulären Operationen immer erforderlich. Zunehmend werden zur Ermittlung der optimalen Stentanatomie CT-gestützte Computersysteme eingesetzt. (O) Die PTA bzw. Stentapplikation erfolgt in der Regel über einen transfemoralen Zugang. Die Stenose wird mit einem Führungsdraht überbrückt und anschließend durch einen Dilatationsballonkatheter aufgeweitet. Je nach Lokalisation und Befund besteht die Notwendigkeit zur Applikation von Metallgitterstents, die heutzutage meist selbstexpandierend sind und eine höhere Offenheitsrate (patency) als die alleinige PTA garantieren. Bei abdominellen Aortenaneurysmata kann sowohl eine mit Dacron gecoverte Rohrprothese (monofemoraler Zugang) als auch Y-Prothese (bifemoraler Zugang) appliziert werden. Die konventionelle Ausschaltung thorakoabdominaler Aortenaneurysmen hat ein vergleichsweise sehr hohes perioperatives Risiko (Letalität, Paraplegie). Daher ist ein endovaskuläres Vorgehen hier besonders zu prüfen. Da hierbei zahlreiche Aortenäste überstentet werden, ist vor der Applikation des Stents die Revaskularisation der Viszeralund Nierenarterien erforderlich. Hierzu wird eine retrograde Perfusion dieser Eingeweideäste durch einen iliako-viszero-renalen Octopuss-Bypass erreicht. Anschließend kann dann die Aorta gestentet werden, ohne daß eine morbiditätsträchtige Thorakolaparotomie erforderlich ist. Das Paraplegierisiko ist aufgrund bislang vorliegender Daten beim endovaskulären Vorgehen im Vergleich zur konventionellen Operation niedriger. Rezidivverschlußprozesse nach endovaskulären Verfahren sind dagegen häufiger als nach konventionellen Operationen. Verfahren, die die In-Stent-Stenoserate reduzieren (medikamentenbeschichtete Stents, Radiotherapie), werden derzeit untersucht. Bei der Aufdehnung von Stenosen besteht weiterhin ein Risiko der peripheren Embolisierung durch rupturierte Plaqueanteile, ein Umstand der insbesondere bei der Dilatation der hinrversorgenden Gefäße kontrovers beurteilt wird. Grundsätzlich sollten endovaskuläre Maßnahmen nur unter gefäßchirurgischem Stand-by durchgeführt werden. Hauptproblem der endovaskulären Ausschaltung von Aortenaneurysmen stellt das Endoleck dar, d.h. der Eintritt von Blut in den Raum zwischen Gefäß- und Stentwand durch Materialermüdung, rückblutende überstentete Gefäßabgänge (z.B. Arteria mesenterica (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur Curriculum für PJ-Studenten, AVGC MLU, Stand: 03.11.2004, Seite 63 inferior (AMI) oder Lumbalarterien bei Ausschaltungen eines abdominalen Aortenaneurysma) oder Undichtigkeiten an den distalen oder proximalen Verankerungen, durch das ein progredientes Aneurysmawachstum hervorgerufen werden kann und das in der Regel eine operative Revision erfordert, die von einer einfachen laparoskopisch durchgeführten Ligatur der AMI bis zur anspruchsvollen Stentexplantation reichen kann. (N) Die postinterventionelle Antikoagulation (Thrombozytenaggregationshemmung/Vitamin-KAntagonisten) richtet sich nach der Art der Rekonstruktion und den hämodynamischen Verhältnissen: bei gutem Ein und Ausstrom ist eine Thrombozytenaggregationshemmung ausreichend. Klinische Kontrollen sollten in mindestens halbjährlichen Abständen erfolgen. (L) Diehm C, Allenberg JR, Nimura-Eckert K: Farbatlas der Gefäßkrankheiten. Springer 1999 H. Schumacher, H.H. Eckstein und J.R. Allenberg. Gefäßendoprothetik: Entwicklung, aktueller Stand und Perspektiven einer neuen Technologie. Chirurg 1999; 70:858-867 (E), Einführung, (D), Diagnostik, (O), operative Therapie, (N), poststationäre Nachsorge, (L), Literatur