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Ja,
wir schaffen das!
Wie Sie als Familie mit Diabetes Typ 1 umgehen
Vorwort
Dieses kleine Heft ist für alle Familien
geschrieben, deren Kind heute, gestern
oder vor einigen Tagen die Diagnose
„Diabetes“ erfahren hat. Die ganze Familie
hat nun vermutlich große Sorgen und
weiß eigentlich gar nicht, wie es weitergehen soll.
Als Familie bekommen Sie in den ersten
Tagen nach der Diagnose erst einmal
kompetente Hilfe: Ihr Kind wird sicherlich
gut von einem Diabetes-Team versorgt,
es bekommt Insulin und es geht ihm
schnell wieder besser. Es ist notwendig,
dass Sie zuerst in die medizinische
Therapie des Diabetes eingeführt
werden, damit sich der Gesundheitszustand Ihres Kindes schnell stabilisieren
kann.
2
Trotzdem stehen am Anfang auch noch
viele andere Alltagsfragen: Wie lebt es
sich mit dieser Diagnose? Wie nimmt
mein Kind „das Neue“ an? Schaffen wir
auch alles?
Dieses Heft gibt Antworten auf solche
Fragen. Sie kommen Ihnen vielleicht erst
spät abends in den Kopf, in Phasen der
Ruhe oder auch der Verzweiflung. Aus
unserer praktischen Erfahrung heraus
können und möchten wir Ihnen Mut
machen! Kinder nehmen die Diagnose
erfahrungsgemäß schnell in ihren Alltag
auf. Sie spüren die Verbesserungen ja
auch körperlich, wenn der Blutzucker
wieder besser wird. Sie als Eltern haben
viele Fragen, die Kinder sich im Augenblick nicht stellen. Deshalb raten wir
Ihnen: Verfolgen Sie eine ScheibchenTaktik und regeln Sie die Dinge in kleinen
Schritten. Geben Sie sich und Ihrem Kind
viel Zeit, den Alltag mit dem Diabetes zu
erlernen. Lesen gehört dazu und persönliche Gespräche auch.
In diesem Sinne geben wir mögliche
Antworten auf die ersten Fragen des
Alltags. Nehmen Sie unsere Antworten
mit zu Ihrem Diabetes-Team und zu
vielen weiteren Gesprächen!
Dr. Ralph Ziegler
Dr. Karin Bergmann
3
Inhaltsverzeichnis
Starke Eltern – starke Kinder ................................................... 6
Elternfragen ............................................................................. 8
Was kommt nach der Erstdiagnose auf uns als Familie zu? ...............................................................8
Wie gehen wir mit der Diagnose um? ............................................................................................................9
Sind wir schuld? ............................................................................................................................................................9
Unser Großvater hat seit einigen Jahren Diabetes –
sollen wir nun alles so machen wie er? ....................................................................................................... 10
Geht die Therapie für unser Kind nicht auch ohne ständiges Spritzen? .................................11
Was machen wir, wenn wir mit der Therapie im Alltag
nicht zurechtkommen? ......................................................................................................................................... 12
Wie soll es in unserer Familie nun weitergehen,
es gibt doch auch noch Geschwister? ......................................................................................................... 13
Wie sieht die ferne gesundheitliche Zukunft für mein Kind aus? ............................................... 14
4
Kinderfragen ........................................................................... 16
Wann bin ich wieder gesund? .......................................................................................................................... 16
Wie sage ich es meinen Freunden?............................................................................................................... 16
Muss ich jetzt ganz oft zum Arzt oder ins Krankenhaus? ................................................................ 17
Mir reicht schon die Schule! Kommt jetzt auch noch eine
Diabetes-Schule dazu?........................................................................................................................................... 17
Gibt es jetzt keine Süßigkeiten mehr? .......................................................................................................... 18
Was soll das Gepikse? ............................................................................................................................................. 18
Ich will nicht messen und spritzen, wenn andere zuschauen
Wie kann ich das schaffen? ................................................................................................................................. 19
Passen mein Hobby und das Spritzen zusammen? ............................................................................ 19
Ich will essen, nicht rechnen. Wozu sind BE da? ....................................................................................20
Kann ich auf dem Schulhof Pausenbrote tauschen? ..........................................................................20
Ausblick ................................................................................... 21
Rat und Hilfe ........................................................................... 22
Zu den Autoren ....................................................................... 23
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Starke Eltern – Starke Kinder
Unmittelbar vor der Diagnose war Ihr Kind wahrscheinlich müde
und einfach nicht mehr so wie früher. Wenn Sie die ersten Schritte
der medizinischen Akutversorgung gegangen sind, werden Sie
merken: Ihrem Kind geht es schon viel besser. Für die weitere
Behandlung des Diabetes ist es ganz besonders wichtig, dass Ihr
Kind und Ihre ganze Familie stark sind. Zusammen werden Sie
es schaffen! Die Strategie, die Ihnen hilft, heißt Selbststärkung:
Wie schaffen Sie das?
Hier einige Beispiele für den Alltag:
Zeit nehmen ist wichtiger als Zeit
geben. Schalten Sie einen Gang zurück
und nehmen Sie sich Zeit für Fragen und
Gespräche. Vielleicht streichen Sie
weniger wichtige Aktivitäten für andere
oder misten Sie den Terminkalender Ihrer
Familie aus. Delegieren Sie Haushaltspflichten an Dritte und wenn`s sein muss,
lassen Sie auch im Haushalt mal fünf
gerade sein. Jetzt gibt es Wichtigeres:
nämlich den Diabetes Ihres Kindes und
alle damit verbundenen Fragen.
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Reden ist wichtiger als Schweigen.
Wenn es Ihnen schlecht geht, suchen Sie
Kontakt zu diabeteserfahrenen Gesprächspartnern in Ihrem Betreuungsteam oder fragen Sie nach nahe gelegenen Selbsthilfegruppen. Auch
Gespräche in der Familie oder mit
Freunden sind wichtig.
Rausgehen ist wichtiger als Stubenhocken. Bewegung an frischer Luft,
Aktivitäten mit Freunden oder eine kurze
Auszeit abseits vom Alltag verbessern die
Stimmung und wecken die Lebensgeister. Es müssen nur 1 bis 2 Stunden sein,
aber Sie sollten nun nicht „wie ein
Hamster im Rad“ laufen. Bauen Sie sich
regelmäßige Pausen draußen an der
frischen Luft in den Alltag ein – das tut
Ihnen und Ihrem Kind gut.
Kleine Erfolge sind wichtiger als
totale Perfektion. Sie können nicht
immer alles richtig machen – müssen Sie
auch nicht! Erwarten Sie gerade am
Anfang nicht zu viel von sich und Ihrem
Kind. Wenn Sie am Ende eines Tages
sagen können, dass Sie etwas besser
gemacht haben als am Tag zuvor, sind Sie
schon auf einem guten Weg. Vielleicht
haben Sie mit Ihrem Kind ein schönes
Gespräch über „das, was kommt“ gehabt.
Konnte eine wichtige Frage zum Thema
Diabetes endlich geklärt werden. Haben
Sie es beide geschafft, alle Blutzuckerwerte aufzuschreiben. Loben Sie sich selbst
und Ihr Kind, nur so entstehen genug
Motivation und Mut für die kommenden
Wochen.
Und schließlich: Fragen Sie offen und
ehrlich die Dinge, die Sie und Ihr
Kind bedrücken, auch die schwierigen Fragen. Antworten Sie genauso
offen und ehrlich. Man muss nicht alles
wissen, was die Kinder fragen, und die
eigenen Fragen darf man auch stellen –
es gibt keine dummen Fragen!
7
Elternfragen
Eltern fragen ander(e)s als Kinder. Deshalb haben wir die Erwachsenen-Fragen von den Kinder-Fragen getrennt beantwortet. Nachfolgend gibt es Antworten auf mögliche Fragen.
Sie sollen zeigen, dass es sehr gut weitergeht im Leben Ihres
Kindes und Ihrer Familie. Es gibt viele positive Antworten!
Was kommt nach der Erstdiagnose
auf uns als Familie zu?
Zunächst soll es Ihrem Kind wieder
gut gehen und Sie sollen den
Diabetes zuhause gut behandeln können.
Das lernen Sie in den Schulungen von
Ihrem Diabetes-Team. Danach müssen Ihr
Kind und Sie die verschiedenen Situationen des Alltags mit dem Diabetes
vereinbaren. Da sind zunächst Kindergarten oder Schule, Sport oder andere
Hobbys, an die die Diabetes-Therapie
angepasst werden muss. Das DiabetesTeam wird das richtige Insulinschema
finden, damit die Blutzuckerwerte stabil
bleiben. Es hilft Ihnen bei den ambu-
i
8
lanten Terminen, anfangs in ein- bis
zweiwöchigen Abständen, dann eher alle
sechs bis acht Wochen und später mindestens alle drei Monate. Dabei wird auch
der so genannte „Langzeitwert“ des
Blutzuckers gemessen, auch HbA1C
genannt. Er gibt die langfristigen Blutzuckerwerte Ihres Kindes wieder und ist ein
Indiz für den guten Verlauf der Therapie.
Ein großer Vorteil für Ihre Familie: Bei
akuten Fragen kann das Diabetes-Team
telefonisch erreicht werden. So sind Sie
nicht allein im praktischen Alltag. Sie
sollten die Angebote des Diabetes-Teams
nutzen und sich nicht scheuen, auch
ungewöhnliche Fragen zu stellen.
Wie gehen wir mit der Diagnose um?
Die Zeit nach der Diagnose
„Diabetes“ ist eine turbulente Zeit
für Ihre Familie! Man fühlt sich alleine und
weiß nicht, wie man alles schaffen soll.
Zunächst einmal ist es wichtig, bei der
Behandlung des Diabetes bestimmte
„Spielregeln“ zu lernen und einzuhalten.
Sie und Ihr Kind müssen sich an die
i
Insulintherapie halten, in regelmäßigen
Abständen Blutzucker messen und die
Berechnungseinheiten (BE/KE) für die
Mahlzeiten kennen.
Wenn der Alltag im kleinen Kreis sicher
läuft, überzeugen Sie auch Großeltern
und befreundete Familien von den
Notwendigkeiten der Diabetes-Therapie.
Es gibt hier keinen Verhandlungsspielraum, denn Ihr Kind soll kein Risiko
9
Elternfragen
eingehen. Wenn dies verstanden und
auch eingeübt ist, können Sie Großeltern,
andere Familienmitglieder, befreundete
Eltern oder Nachbarn ab und zu als
„Betreuer der 2. Reihe“ schulen und
einbinden. Schon ein oder zwei verlässliche Betreuer sind im Alltag eine große
Hilfe. Das entlastet Sie in jedem Fall, denn
auch Sie als Eltern brauchen mal Zeit für
sich. Es steht Ihnen zu, wieder auszugehen und nicht immer auf Ihr Kind mit
Diabetes aufpassen zu müssen. Bauen Sie
sich also ein kleines Vertrauens-Netzwerk
von Betreuern auf und nehmen Sie es
bewusst für sich in Anspruch. Es wird
Ihrer ganzen Familie guttun.
Sind wir schuld?
Nein, keiner hätte den Diabetes
verhindern können! Es gibt zurzeit
keine Möglichkeit, das Auftreten des
Diabetes genau vorherzusagen oder gar
zu verhindern. Bis heute ist nicht bekannt,
ob irgendeine Ernährungsweise oder ein
i
10
Lebensstil allein das Auftreten des
Diabetes begünstigt. Nur eines ist sicher:
Es sind nicht die Gummibärchen oder
Schokolade, die Ihr Kind gegessen hat.
Oder ob Sie vielleicht gerade eine
anstrengende oder schwierige Zeit
hatten, ob Ihr Kind gerne und viel
draußen ist oder Sport treibt. Keiner hat
Schuld an dem Auftreten des Diabetes
und es hätte auch nicht verhindert
werden können, ganz bestimmt nicht!
Unser Großvater hat seit einigen
Jahren Diabetes – sollen wir nun
alles so machen wie er?
Nein, leider kann Ihr Kind es nicht
so machen wie der Großvater.
Denn es gibt zwei Arten von Diabetes
und der Großvater hat ziemlich sicher den
anderen Typ. Ihr Kind hat den Typ 1, bei
dem das Insulin nicht mehr vom Körper
produziert wird und deshalb nun „von
außen“ gegeben werden muss. Im
Gegensatz dazu haben die meisten
i
älteren Menschen den Typ 2. Dabei gibt
es noch wenig eigenes Insulin im Körper,
aber seine Wirkung reicht nicht aus. Dies
kann durch bestimmte Medikamente
ausgeglichen werden oder es muss
zusätzlich Insulin gegeben werden. Auch
können die Typ-2-Patienten durch Diät
und Bewegung ihren Diabetes günstig
beeinflussen.
Bei Ihrem Kind und dem Typ 1 ist die
Insulintherapie eine reine Ersatztherapie
und die Dosis des Insulins muss an den
individuellen Bedarf, das Essen und die
Bewegung angepasst werden. Außerdem
ist Ihr Kind im Wachstum und hat ganz
andere Bedürfnisse in Bezug aufs Essen
und Trinken.
Also: Betrachten Sie die gut gemeinten
Ratschläge von Typ-2-Diabetikern als
eben solche und halten Sie sich lieber an
die Vereinbarungen mit Ihrem DiabetesTeam. In einem anderen Punkt können
aber beide Generationen gut an einem
Strang ziehen: bei der Bewegung.
„Mindestens eine Stunde am Tag“ lautet
die Faustregel. Ihr Kind und die Großeltern sollten beachten, dass sie bei mehr
körperlicher Aktivität für Unterzuckerungssituationen vorsorgen müssen (z. B.
mit so genannten Not-BE oder Sport-BE)
und eventuell die Insulindosis anpassen
sollten. Wie das geht, erlernt Ihre Familie
in den ersten Wochen der Diabetes-Therapie. Ansonsten steht gemeinsamen
Aktivitäten im Freizeitsport nichts
entgegen.
Geht die Therapie für unser Kind
nicht auch ohne ständiges Spritzen?
Nein, es gibt zurzeit keine Alternative zur Gabe des Insulins durch eine
Nadel bzw. einen Pen mit einem Stich
durch die Haut. Es gibt zwar die Insulinpumpe, doch auch hier wird das Insulin
durch einen Katheter unter die Haut
gespritzt. Der Vorteil ist, dass der Katheter
nur alle zwei bis drei Tage gewechselt
i
11
Elternfragen
werden muss. Das regelmäßige, mehrmals tägliche Blutzuckermessen ist aber
in jedem Fall notwendig, auch eine
Pumpe macht nicht alles alleine.
Was machen wir, wenn wir mit der
Therapie im Alltag nicht zurechtkommen?
Auch im weiteren Verlauf der
Behandlung wird es Zeiten geben,
die schwierig sein werden. Höhen und
Tiefen sind wörtlich zu nehmen. Denn die
Blutzuckerwerte werden vielleicht
deutlich schwanken und die Motivation
zu immer gleichen, wiederkehrenden
Anforderungen müssen Sie auch erst
einmal aufbringen. Bei Motivationskrisen
ist es ganz besonders wichtig, als Familie
ein Team zu bilden, die Kinder und sich
selbst zu stärken. Dabei hilft Ihnen auch
das Diabetes-Team mit Gesprächen, die
sich nicht nur um das Insulin drehen.
Aber auch der Erfahrungsaustausch in
Selbsthilfegruppen ist hilfreich. Eltern-
i
12
und Gruppenschulungen oder Freizeiten
mit erlebnispädagogischen Inhalten für
die Kinder und Jugendlichen sind
Angebote, solche Tiefs zu überwinden.
Scheuen Sie sich nicht, nach psychologischer oder sozialpädagogischer Hilfe zu
fragen. In nahezu jedem Diabetes-Team
arbeitet ein Mitglied aus dieser Berufsgruppe und kann Ihnen mit Rat und Tat
zur Seite stehen.
Die Diabetes-Therapie im Alltag zu
stemmen, ist manchmal eine schwere
Aufgabe. In diesem Zusammenhang sind
erfahrungsgemäß zwei Empfehlungen
für Eltern wichtig:
Erstens: Ihr Kind braucht kurze
Antworten auf kurze Fragen.
Versuchen Sie, Ihre Erklärungen an das
Alter Ihres Kindes anzupassen.
Beispiel: Wenn Ihr 5-Jähriger Sie fragt,
warum er schon wieder Blutzucker messen
soll, braucht er keine langen Erläuterungen
zum Verlauf der Blutzuckerkurve. Zitieren Sie
einfach den Arzt oder die Diabetes-Beraterin
und berufen Sie sich auf die besprochenen
Spielregeln. Das ist für ein 5-jähriges Kind viel
leichter verständlich und erspart lange und
verwirrende Diskussionen.
Zweitens: Ihr Kind braucht Selbstbeteiligung bzw. Selbstständigkeit,
kann aber noch keine Selbstverantwortung für die Therapie übernehmen.
Geben Sie die Verantwortung für die
Therapieumsetzung nicht zu früh an Ihr
Kind ab. Es sollte an den diabetesrelevanten Alltagsentscheidungen beteiligt
sein, die Verantwortung aber erst
langsam und in kleinen Schritten
übernehmen. Auch Jugendliche bleiben
immer Ihre Kinder.
Beispiel: Der Blutzucker Ihrer 10-Jährigen
rutscht bei der gemeinsamen Einkaufstour
ganz schön in den Keller und sie hat keinen
Traubenzucker (Not-BE) dabei. Jetzt nützt es
nichts, ihr Vorwürfe zu machen. Geben Sie
ihr den sicherheitshalber selbst mitgenommenen Traubenzucker und überprüfen Sie
mit ihr gemeinsam, ob sich der Blutzucker
nach einigen Minuten verbessert hat. In den
kommenden Wochen üben Sie geduldig ein,
die Not-BE beim Verlassen des Hauses
einzustecken wie den Hausschlüssel.
Vielleicht erinnern Sie sich gegenseitig an
Schlüssel, Handy, Traubenzucker etc. …
13
Elternfragen
Wie soll es in unserer Familie nun
weitergehen, es gibt doch auch noch
Geschwister?
Ja, es werden sich einige Dinge in
der Familie ändern, das ist nicht zu
leugnen. In den nächsten Wochen wird
sich viel um den Diabetes und das Kind
mit Diabetes drehen. Dabei geht es um
das Essen und die Mahlzeiten, Blutzuckerkontrollen und die Insulingabe oder
darum, ob es dem Kind gut geht oder es
vielleicht eine Hypoglykämie hat. Die
ganze Familie wird aufpassen und das
Kind mit Diabetes wird die Hauptperson
sein. Doch die Familie soll weiterleben,
insbesondere auch die Geschwister. Denn
„wenn sich ein Kind das Bein gebrochen
hat, heißt das nicht, dass die Geschwister
in der Zeit nicht Fußball spielen dürfen“.
Die Zeitabläufe müssen vielleicht etwas
geändert werden, man muss mehr
Rücksicht nehmen, vielleicht ändern sich
auch die Essgewohnheiten der Familie.
Aber Süßes und Naschen soll für alle
i
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weiter erlaubt sein. Die Geschwister sollen
keine „Schattenkinder“ werden! Die
Geschwister können und sollen auch
nicht die Verantwortung für das Kind mit
Diabetes übernehmen. Auch über diese
Dinge muss man vor allem offen reden, in
der Familie, mit den Geschwistern und
vielleicht auch mit dem Diabetes-Team.
Wie sieht die ferne gesundheitliche
Zukunft für mein Kind aus?
Ihr Kind wird mit dem Diabetes ein
ganz normales Leben führen, es
muss sich nur an die bereits oben
erwähnten „Spielregeln“ halten. Es kann
die Schule gut beenden, eine Ausbildung
oder ein Studium beginnen, Sport, auch
Leistungssport, treiben und eine Familie
gründen können. Mädchen können
gesunde Kinder bekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass kein Diabetes vererbt
wird, liegt bei ca. 95%. Genaue Auskunft
über das Risiko kann Ihnen und den
Jugendlichen Ihr Diabetes-Team in einem
i
Gespräch geben. Es gibt viele große
Sportler mit Diabetes und erfolgreiche
Männer und Frauen in allen Berufsgruppen. Bei der Berufs- oder Sportauswahl
sind nur einige wenige Risikoarten nicht
oder nur eingeschränkt möglich. Dazu
gehören z. B. Berufe wie Fern- oder
Busfahrer, Polizist, Pilot oder spezielle
Sportarten wie Tauchen oder Paragliding.
chungen die Chancen gut stehen,
krankhafte Veränderungen an Augen,
Nieren oder Gefäßen früh zu erkennen
bzw. zu behandeln. Der Lebensgrundsatz
„Früh an später denken“ muss durch Ihr
Vorbild in der Familie verankert werden.
Nur so kann die richtige Vorsorge im
späteren Leben Ihres Kindes einen Platz
einnehmen.
Die Frage nach Folgeerkrankungen bzw.
Komplikationen im Verlauf des lebenslangen Diabetes ist natürlich berechtigt.
Zurzeit kann sie so beantwortet werden,
dass mit einer möglichst normnahen
(„guten“) Einstellung der Blutzuckerwerte
die Risiken gering sind, an einer Folgeerscheinung (z.B. Blindheit oder Nierenversagen) zu erkranken. Dies setzt allerdings
voraus, dass man sich bereits früh und
stetig um eine gute Einstellung bemüht.
Starren Sie aber nicht wie ein „Hase auf
die Schlange“. Vermitteln Sie Ihrem Kind
hingegen Sicherheit, dass mit den
regelmäßigen Früherkennungsuntersu-
15
Kinderfragen
Natürlich hat Ihr Kind viele Fragen zu seinem Diabetes. Um
Angst und unnötige Sorgen zu vermeiden, finden Sie im Folgenden einige Antwort-Vorschläge auf mögliche Kinderfragen.
Wann bin ich wieder gesund?
Hier ein Beispiel für eine solche Erklärung:
Leider ist der Diabetes keine
Erkrankung wie Schnupfen oder
Durchfall. Diese gehen ja nach einer Zeit
wieder weg. Beim Diabetes ist es anders,
er gehört zu dir und bleibt auch da. In
diesem Sinne bist du nicht „krank“ – dir
fehlt einfach Insulin von innen und das
musst du dir von außen geben.
Mein Körper kann kein Insulin
herstellen. Das ist aber für alle
Menschen sehr wichtig. Deshalb muss ich
das Insulin in den Körper spritzen. Mit Insulin
geht es mir genauso gut wie allen anderen
Kindern. Damit ich weiß, ob alles o. k. mit
meinem Körper ist, muss ich den Blutzucker
messen. Du kannst im Kindergarten, in der
Schule, beim Sport und im Freundeskreis
dein Blutzucker-Messgerät zeigen, den
Insulinpen oder die Insulinpumpe. Zuerst
sind ja immer alle neugierig, wozu du das
brauchst und wie das funktioniert. Die
anderen sehen dann, dass du das einfach
brauchst, um dich gut zu fühlen. Die Neugier
wird sich dann auch legen und das
Blutzuckermessen und Insulinspritzen wird
ein Stück Alltag für euch alle.
i
Wie sage ich es meinen Freunden?
Wichtig ist: Diabetes ist nicht
ansteckend und Zucker macht
nicht zuckerkrank! Erkläre deinen Freunden, gemeinsam mit deinen Eltern,
Lehrern und Erzieherinnen, was Diabetes
ist.
i
16
Muss ich jetzt ganz oft zum Arzt oder
ins Krankenhaus?
Nein, ins Krankenhaus musst du
nicht immer wieder. Aber du
solltest regelmäßig zum Kinderdiabetologen, der sich sehr gut mit deinem
Diabetes und der Arbeit des DiabetesTeams auskennt. Er kann euch helfen,
wenn ihr Fragen habt. Dies wird am
Anfang öfter sein, vielleicht alle drei bis
i
vier Wochen. Später, wenn alles gut läuft,
braucht ihr den Kinderdiabetologen
vielleicht nur noch alle drei Monate. Und
für alle anderen Krankheiten gehst du wie
immer zu deinem Kinderarzt.
17
Kinderfragen
Mir reicht schon die Schule! Kommt
jetzt auch noch eine Diabetes-Schule
dazu?
Stell dir vor, du müsstest alles
Wichtige für den Diabetes alleine
lernen. Das könnte ganz schön langweilig
werden. Deshalb wurden für Kinder mit
Diabetes gemeinsame Schulungen
erfunden. Da lernt es sich leichter und
schneller. Anders als in deiner Klasse sind
hier Kinder, die das gleiche Problem
haben wie du. Und Schulnoten gibt es in
der Diabetes-Schule auch nicht. Es geht
„nur“ darum, die „Spielregeln“ der
Diabetes-Behandlung zu lernen, damit
zuhause alles gut klappt mit dem Insulin,
dem Essen usw.
i
Gibt es jetzt keine Süßigkeiten
mehr?
i
Doch, du kannst auch weiterhin
Süßigkeiten essen. Die Süßigkeiten
müssen nur mit berechnet werden, damit
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die richtige Menge Insulin gespritzt
werden kann. Das ist schon wichtig, weil
das Insulin in deinem Körper sonst nicht
ausreicht, um den Zucker aus den
Süßigkeiten wieder abzubauen. Also bitte
nicht schummeln, sondern uns immer
sagen, wenn du Süßigkeiten essen
möchtest. Aber wir sagen auch manchmal „nein“, so wie es auch vor dem
Diabetes war.
Was soll das Gepikse?
Leider gehört das Piksen zum
Diabetes. Da gibt es auch keine
Ausnahme. Blutzucker zu messen und
Insulin zu geben sind absolut lebenswich-
i
tig, damit du weiter alles machen kannst.
Über diese wichtigen „Spielregeln“ kann
man nicht verhandeln! Damit du weißt,
ob mit deinen Blutzuckerwerten alles o. k.
ist, musst du regelmäßig den Blutzucker
überprüfen. Insulin zu spritzen, ohne den
Blutzucker zu messen, ist wie Fahrradfahren mit verbundenen Augen. Irgendwann
fällt man hin.
Ich will nicht messen und spritzen,
wenn andere zuschauen. Wie kann
ich das schaffen?
i
Zeig deinen Freunden einmal
genau, was du machst und erkläre
es ihnen. Dann wird sich die Neugier
deiner Freunde auch wieder legen.
Messen und Insulinspritzen gehören
einfach mit zu dir und du brauchst es
nicht zu verstecken. Du musst es ja nicht
gerade mitten auf dem Tisch machen.
Am besten, du suchst dir einen Platz, an
dem du beim Messen und Spritzen nicht
so sehr gestört wirst, z.B. im Klassenraum,
im Sekretariat, im Umkleideraum, in der
Mittagsbetreuung o. Ä.
Passen mein Hobby und das Spritzen
zusammen?
Ja, du kannst deine Hobbys und
deinen Sport weitermachen. Auch
hier gibt es „Spielregeln“, an die du dich
halten musst. Die werden dir in deinem
Diabetes-Team erklärt.
i
Beispiele für solche Spielregeln: Dazu
gehört, nur unter Aufsicht Erwachsener
zu schwimmen. Im Schwimmbad, beim
Schulschwimmen oder im Freibad ist dies
ja ohnehin gegeben. Auch lange
Fahrradfahrten sollten nur zu zweit
unternommen werden, damit dir im
Notfall jemand helfen oder Hilfe holen
kann. Die meisten Sportarten sind aber
kein Problem. Fußball und Handball,
Tennis oder auch Judo kannst du
mitmachen. Auch am Schulsport kannst
und sollst du teilnehmen! Deine
19
Kinderfragen
Leistungen im Freizeit- oder Schulsport
können genauso gut sein wie die anderer
Kinder. Wenn du Sorgen hast, frag noch
mal beim Diabetes-Team oder bei
deinem Kinderdiabetologen nach.
Auch ruhigere Hobbys wie Musik, Technik
oder Naturwissenschaft kannst du getrost
weitermachen. Du brauchst sie wegen
deines Diabetes auch nicht zu wechseln,
z.B. weil du denkst, dass du von nun an
sportliche Höchstleistungen in der
Freizeit vollbringen musst. Wenn dir ein
ruhiges Hobby Spaß macht – sei froh,
dass du eins hast.
Ich will essen, nicht rechnen.
Wozu sind BE da?
Das Essen muss mit Insulin
ausgeglichen werden, damit es gut
im Körper verarbeitet werden kann. Dafür
muss man aber wissen, wie viele BE
(Kohlenhydrate) in dem Essen sind und
deshalb muss man vor dem Essen etwas
rechnen. Wir Erwachsenen helfen dir aber
dabei.
i
20
Kann ich auf dem Schulhof Pausenbrote tauschen?
Nein, das geht nicht so gut. Iss
lieber das, was wir zu Hause für
dich vorbereitet haben. Denn du weißt ja
nicht genau, wie viele BE das Pausenbrot
von deinem Freund hat. Wenn ein Kind in
der Schule z.B. zum Geburtstag etwas
zum Essen mitbringt, ruf uns lieber
erstmal an und frage, ob es geht. Wenn
du uns nicht erreichen kannst, nimm das
Mitgebrachte aus der Schule mit nach
Hause. Dann klären wir gemeinsam, wann
du es essen kannst und wie wir die BE
anrechnen müssen.
i
Ausblick
In den ersten Wochen der Therapie wird
eine Fülle von Informationen aus unterschiedlichsten Quellen auf Sie und Ihre
Familie einströmen. Sie werden merken,
dass sich Informationen auch ab und zu
widersprechen. In diesem Fall sind seriöse
Informationsquellen für Ihre Familie
wichtig. Nachfolgend haben wir für Sie
einige Institutionen zusammengetragen,
die fachlich fundiert und trotzdem leicht
verständlich über das Thema Kinderdiabetes informieren. Sie können sich den
Alltag erleichtern, in dem Sie hier
Informationsmaterial abrufen. Vieles ist
schon für den direkten Einsatz in Kindergarten, Schule und Freizeit vorbereitet
worden.
Zudem ist ein guter Kontakt zu Ihren
Betreuern im Diabetes-Team wichtig. Hier
gilt das Motto: Lieber zuviel fragen als zu
wenig! Nehmen Sie unsere Ratschläge
ruhig mit in Ihre Gespräche innerhalb
und außerhalb der Familie.
Wir wünschen Ihnen vor allem „guten
Mut“, um die ersten Therapieschritte im
kleinen und großen Kreis zu meistern.
21
Rat und Hilfe
Natürlich kann eine Broschüre nicht alle Fragen beantworten.
Auf den folgenden Seiten finden Sie aktuelle Informationen
und Ratschläge rund um das Thema Kinderdiabetes.
www.diabetesde.org, diabetes DE
www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de, Deutsche Diabetes-Gesellschaft e.V. (DDG)
www.diabetes-kinder.de, Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie e.V. (AGPD)
www.bund-diabetischer-kinder.de, Bund diabetischer Kinder und Jugendlicher e.V.
www.diabetikerbund.de, Deutscher Diabetiker Bund
www.diabetesgate.de
ww.diabetes-kids.de
www.diabsite.de
www.diabetes-eltern-journal.de
www.diabetes-world.net
www.bfjd.de, Bundesweite Fördergemeinschaft Junger Diabetiker e.V.
www.daszuckerkrankekind.de, Stiftung „Das zuckerkranke Kind“:
www.stiftung-dianino.de, Stiftung Dianiño
Ohne Gewähr für die Inhalte der angegebenen Internetseiten.
22
Zu den Autoren
Erstautor
Dr. Ralph Ziegler, geb.
1957, studierte Medizin
in den USA und
Hamburg. Für fast 10
Jahre arbeitete er an der
Universitäts-Kinderklink der Westfälischen
Wilhelms-Universität in Münster. Seit über
15 Jahren betreibt er nun in Münster mit
zwei Kolleginnen eine große Praxis für
Kinder-und Jugendmedizin, eine diabetologische Schwerpunktpraxis für Kinder und
Jugendliche und ist externer Oberarzt für
Diabetologie an der Klinik für Kinder- und
Jugendmedizin des St.Franziskus-Hospitals.
Neben der diabetologischen Betreuung
von Kindern und Jugendlichen liegen
Schwerpunkte in der psychosoziale
Betreuung der Patienten und Familien,
Insulinpumpentherapie sowie Informationsmanagement und Schulung. Als aktives
Mitglied in nationalen und internationalen
Fachgesellschaften und Arbeitsgemeinschaften ist es sein besonderes Anliegen
die Betreuung und Behandlung der Kinder
und Jugendlichen mit Diabetes und ihren
Familien zu verbessern. Die Familie mit 3
jüngeren Kindern lebt in Münster.
Coautorin
Dr. Karin Bergmann,
geb. 1968, studierte
Ökotrophologie an der
Technischen Universität
in München. Nach der
Promotion an der Justus Liebig-Universität in Gießen und einigen Jahren in der
Unternehmensberatung arbeitet sie seit
1998 als freie Ernährungswissenschaftlerin. In Patientenbetreuung, Vorträgen und
Seminaren beschäftigt sie sich mit den
Themen der Gesunderhaltung und
Krankheitsbewältigung gleichermaßen.
Ihr besonderes Interesse gilt der Prävention von ernährungsbedingten Krankheiten durch einen gesunden Lebensstil.
Als Fachautorin für Erwachsene und
Kinder stellt sie Gesundheit, Ernährung
und Lebensqualität in den Mittelpunkt
ihrer Publikationen. Sie lebt mit ihrer
Familie in München.
23
Besuchen Sie uns im Internet:
www.kundenservice-diabetes.de
oder nutzen Sie das kostenlose
Servicetelefon:
0800 / 45856636
0800 / GLUCOMEN
KUNDEN-SERVICE DIABETES, BERLIN CHEMIE AG / Glienicker Weg 125, 12489 Berlin
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