Periimplantitiden bekämpfen

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Periimplantitiden bekämpfen
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Dr. Matthias Mayer
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Die Periimplantitis zählt zu den am meisten gefürchteten Komplikationen in der
Implantologie. Inwiefern ein sorgfältig geplantes implantologisches Konzept das
Risiko für periimplantäre Entzündungen minimieren kann, veranschaulicht der vorliegende Beitrag.
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Autor? Dann schreiben
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dentalmagazin.de.
Die Verwendung osseointegrierter Implantate als
Ersatz für verlorene natürliche Zähne spielt heute
eine zunehmend wichtige Rolle in der parodontologisch orientierten Praxis. Diese primär sinnvolle
Therapie kann jedoch nicht selten mit für Arzt und
Patient unangenehmen Folgeproblemen behaftet
sein. Die Periimplantitis zählt zu den am meisten
gefürchteten Komplikationen in der Implantologie,
da sie unter bestimmten Umständen auch zum Verlust des Implantates samt prothetischer Versorgung
führen kann. Eine sorgfältig geplante Behandlungsstrategie, welche die individuellen Risiken des
Patienten auf der Basis einer fundierten Diagnostik
einbezieht, stellt eine effiziente Möglichkeit dar,
aufwändige Restaurationen auch langfristig erfolgreich zu gestalten.
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Anatomie des periimplantären
Gewebes
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Als periimplantäre Erkrankungen werden pathologische Veränderungen der das Implantat umgebenden
Weichgewebsmanschette bezeichnet. Im Gegensatz
zu der den natürlichen Zahn umgebenden Gingiva
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ähnelt das periimplantäre Gewebe eher einem narbigen Bindegewebe mit hohem Kollagenanteil und
vergleichsweise geringer Gefäßversorgung sowie
reduziertem Fibroblastenanteil [Ratka-Krüger et al.,
2001]. Diese anatomischen Strukturen bedingen –
ebenso wie die durch den Tegumentdurchbruch des
Implantates eröffnete Verbindung zur bakteriell
dicht besiedelten Mundhöhle – ein erhöhtes Risiko
für periimplantäre Infektionen. Unabhängig vom
Implantatsystem ermöglichen Material und Form
der Aufbauteile in der Regel keine absolute Dichtigkeit, so dass eine Bakterien-Translokation in das
Implantatinnere durch Mikroleakage möglich ist
[Ibrahim et al., 2005].
Während die reversible Entzündung des periimplantären Weichgewebes ohne Beteiligung des Knochens als Mukositis bezeichnet wird, spricht man
bei fortschreitender Entzündung mit progressivem,
irreversiblem Knochenverlust von Periimplantitis.
Durch Periimplantitis verursachte Implantatsverluste treten dabei häufig als so genannte Spätverluste
auf, die auch Jahre nach einer erfolgreichen Osseointegration und funktioneller Belastung entstehen
können. Roos-Jansaker et al. [2006] konnten zei-
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gen, dass nach neun bis 14 Jahren bis zu 16 Prozent der Implantate aufgrund einer Periimplantitis
verloren gingen.
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Dr. Matthias Mayer
M.Sc.D.
Multifaktorielle Genese
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Ätiologie und Verlauf periimplantärer Entzündungen sind vergleichbar mit der Parodontitis und wie
diese durch eine multifaktorielle Genese charakterisiert. Neben verschiedenen exogenen Risikofaktoren wird insbesondere der genetischen Prädisposition sowie der Zusammensetzung der oralen Mikroflora des Patienten große Bedeutung beigemessen.
So konnten wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass klinisch unauffällige Implantate eine
ähnliche Besiedelung mit grampositiven Keimen
aufweisen, wie sie auch im gesunden Parodont
anzutreffen sind. Das Keimspektrum periimplantärer Infektionen ist hingegen analog zu dem der
Parodontitis [Lee et al., 1999]. Parodontopathogene Bakterienspezies wie P. gingivalis, T. forsythia,
T. denticola, P. intermedia sowie F. nucleatum,
E. corrodens, C. rectus, P. micros und nicht zuletzt
A. actinomycetemcomitans wurden auch bei Patienten mit Implantatsmisserfolgen in signifikant
erhöhten Konzentrationen isoliert [Callan, 2005;
Listgarten, 1999]. Aufgrund dieser Vergleichbarkeit
sind auch zur Behandlung der Periimplantitis Ansätze aus der Parodontaltherapie Erfolg versprechend.
Studie
Der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Nikolaus Lang (Uni
Bern) zufolge zeigen Patienten mit einer genetisch
bedingten Veränderung der für das Zytokin Interleukin-1 (IL-1) codierenden Gene bereits bei niedrigerer Bakterienbelastung eine behandlungsbedürftigere Klinik als eine negative Vergleichsgruppe
[Aegerbeck et al., 2006]. Betroffene Patienten reagieren auf die Anwesenheit parodontopathogener
Markerkeime mit einer Überproduktion des Entzündungsmediators IL-1, wodurch es im Rahmen der
entzündlichen Reaktion zu einem massiven Bindegewebsverlust und Knochenabbau kommen kann.
Untersuchungen von Laine et al. (2006) konnten
bestätigten, dass eine zusätzliche Veränderung im
Gen des Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten (IL1RN) mit dem verstärkten Auftreten von Periimplantitis assoziiert ist. Hierbei sei insbesondere auf
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absolvierte nach seiner Assistenzzeit ein Postgraduiertenstudium auf den Gebieten der Implantologie und Parodontologie an der Tufts-University
in Boston, MA, USA. 1999 wurde der Zahnmediziner dort zum Associate Professor ernannnt, 2000
folgte dort die Inauguration zum Master of
Science Degree (M.Sc.D.) auf dem Gebiet der
Knochenregeneration. Mayer ist seit rund sieben
Jahren in eigener privater Praxis in Frankfurt am
Main niedergelassen, limitiert auf die Spezialgebiete Implantologie und Parodontologie. Seit
2001 ist der Spezialist der DGP und der DGI
sowie der DGZI wissenschaftlicher Mitarbeiter
und Lehrbeauftragter an der J.W. Goethe Universität in Frankfurt am Main, Abteilung für Parodontologie (Leiter: Prof. Dr. Peter Eickholz).
Darüber hinaus erfüllt er aktuell Lehraufträge an
dem „Online- Masterprogramm“ der Universität
Freiburg, an der Donau-Universität in Krems
(Master-Programm) und der Tufts-University in
Boston, MA USA (Institut Myron Nevins in
Swamscott).
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Diesen Beitrag stellen wir
Lesern des DENTAL
MAGAZINs auf
www.dentalmagazin.de
(Menüpunkt Redaktionsbeiträge) als pdf zur Verfügung.
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die Kombination aus Rauchen und Risiko-Genotyp
hingewiesen, welche durch synergistische Effekte
ein signifikant erhöhtes Risiko für Implantatkomplikationen oder -verluste birgt [Feloutzis et al,
2003; Gruica et al., 2004, Baig et al., 2007]. Durch
eine genetische Risikobestimmung (GenoType PST
plus, Hain Lifescience, Nehren) können Veränderungen in den Genen des Entzündungsmediators
Interleukin-1 (IL-1) schnell und einfach analysiert
werden.
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Prognose
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Die Implantattherapie bei Patienten mit der Historie einer generalisiert schweren und/oder aggressiven Parodontitis ist, bezogen auf den Langzeiterfolg der Osseointegration, nicht als komplikationslos einzustufen. Onq und Tonetti [2008] belegten
in ihrer Studie, dass parodontal erkrankte Patienten
im Vergleich zu parodontal gesunden Patienten
auch nach abgeschlossener Behandlung ein erhöh-
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Abb. 1: Nach der Mobilisation eines Mukoperiostlappens
hatte man einen guten Zugang zu dem periimplantären
ossären Defekt.
Abb. 1 bis 7: Mayer
Abb. 2: Auf die gereinigte Implantatoberfläche wurde ein
xenogenes Knochenersatzmaterial bovinen Ursprungs aufgebracht und anschließend mit einer Kollagenmembran
abgedeckt.
tes Risiko aufweisen, periimplantäre Läsionen zu
etablieren und dadurch Implantate zu verlieren.
Patienten können zwar auch nach der Diagnose
und Behandlung einer generalisierten schweren
Parodontitis erfolgreich mit enossalen Implantaten
rehabilitiert werden, jedoch zeigte eine Langzeitstudie von Mengel et al. [2007], dass man nach
zehn Jahren einen stärkeren Knochen-und Attachmentverlust hat, als bei initial Parodontitis-freien
Patienten. Anhand der aktuellen Datenanalyse kann
man im Falle einer generalisiert schweren und/
oder aggressiven Parodontitis nicht von einer Kontraindikation für eine implantologische Rehabilitation ausgehen, sollte allerdings bezüglich der Prognose des Langzeiterfolges bei der Behandlungsplanung sehr kritisch und vorsichtig sein.
zeitiger Reduktion der pathogenen Erreger durch
eine spezifische Antibiotikatherapie der Verlust
des Implantats häufig verhindert werden [Mombelli, 2002]. Zur Auswahl eines effizienten, auf
das individuelle Keimspektrum des Patienten
abgestimmten Antibiotikums sowie zur Kontrolle
des Therapieerfolges hat sich die Anwendung des
micro-IDent plus-Testes (Hain Lifescience GmbH,
Nehren) bewährt. Auf Basis des mikrobiologischen
Befundes kann die Entscheidung getroffen werden, ob die individuell vorliegende Bakterienbelastung zusätzliche therapeutische Maßnahmen
zur Keimreduktion erforderlich macht; darüber
hinaus kann die Wahl eines adäquaten Antibiotikums erfolgen. Werden vorhandene parodontalpathogene Keime vor der Versorgung eines Patienten
mit Implantat-getragenem Zahnersatz nicht
höchstmöglich beseitigt, besteht ein deutlich
erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Periimplantitis [Lee et al., 1999]. Eine restaurative und
implantologische Versorgung sollte ergo nur nach
abgeschlossener parodontaler Sanierung und
nachgewiesener Keimfreiheit durchgeführt werden,
um auch langfristig erfolgreiche Ergebnisse erzielen zu können.
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Praxisrelevante Behandlungskonzepte
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Aktuelle therapeutische Konzepte zur Behandlung
einer Periimplantitis beinhalten zwei wesentliche
Zielsetzungen. Zum einen die Dekontamination
der betroffenen Implantatoberflächen und zum
anderen das Erreichen einer neuen Biokompatibilität, die eine regenerative Therapie mit einer ReOsseointegration ermöglicht. Die Diagnose einer
Mukositis kann anhand von klinischen Parametern
gestellt werden, bei der Periimplantitis ist eine
zusätzliche röntgenologische Beurteilung des Knochenabbaus notwendig. Während eine alleinige
mechanische Reinigung zur effizienten Keimreduktion in der Regel nicht ausreicht, kann bei gleich-
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Therapie der Perimukositis
Die Perimukositisbehandlung besteht zunächst in
der Beseitigung der ätiologischen Faktoren und
der Etablierung entzündungsfreier Verhältnisse
[Meffert, 1992].
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Abb. 3: Nach dem speicheldichten Wundverschluss wurde
eine Maryland-Brücke als temporäre Versorgung eingegliedert.
Abb. 4: Bei einem weiteren operativen Eingriff sechs
Monate später wurde das periimplantäre Narbengewebe,
welches von einer früheren Wurzelspitzenresektion resultierte, entfernt.
Während der initialen Phase der Periimplantitis
müssen alle Anstrengungen in Richtung einer Eindämmung der Entzündung unternommen werden.
Das bedeutet eine optimale Mundhygiene von Seiten des Patienten sowie professionelle Zahnreinigungen und Demonstrationen zur Verbesserung der
Plaque-Scores durch den Arzt oder das Fachpersonal. Der Einsatz von antimikrobiellen und antientzündlichen Substanzen hat sich in Form von Spülungen mit 0,1-prozentiger Chlorhexidinlösung oder
dem Instillieren von CHX-Gel bewährt [Krekeler,
1996]. Die Applikation des lokalen Antibiotikums
Arestin (minociclyne hydrochlorid) zeigt erste gute
Ergebnisse, dessen wirklicher Nutzen allerdings
noch in weiteren Studien untersucht werden muss.
Biomechanische Fehlbelastungen sollten, wenn
notwendig, durch Einschleifmaßnahmen („selective
grinding“) der Suprakonstruktion korrigiert werden
[Isidor 1996].
Persistierende Entzündungsparameter wie Blutung
auf Sondierung (BOP) oder anhaltender Pusaustritt
erfordern eine systemische Gabe von Antibiotika,
deren Auswahl und Dosierung vom nachgewiesenen
Keimspekturm abhängig ist. Beispielmedikationen
wären Ornidazol, zwei Mal 500 mg täglich über
zehn Tage [Mombelli et al., 1992] oder eine Kombination von Amoxicillin (3 x 375 mg / Tag) und
Metronidazol (3 x 250 mg / Tag) für den Zeitraum
von sieben Tagen zur Anwendung kommen [Krekeler, 1996]. Eine Verbesserung durch die antimikrobielle Therapie ist allerdings nicht in Form einer
Knochenregeneration zu erwarten. Ein durch Rönt-
gendiagnostik verifizierter periimplantärer, ossärer
Defekt kann jetzt nur noch mittels chirurgischer
Intervention behandelt werden.
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Therapie der Periimplantitis
Mechanische Implantat-Dekontamination
Die Entfernung des mikrobiellen Biofilms und der
Endotoxine, ist die wichtigste Voraussetzung für
das Erreichen einer Biokompatibiltät der betroffenen Implantatoberflächen, welche die anschließende knöcherne Regeneration des periimplantären
Defektes überhaupt erst möglich macht. Zur
mechanischen Belagentfernung werden Plastikscaler, Prophylaxewinkelstücke mit Polierkelchen und
Ultraschallgeräte mit Plastikansätzen empfohlen,
sind aber in den engen Gewindeabschnitten moderner Implantatsysteme eher ungeeignet [Rapley et
al., 1990; Spiekermann, 1994; Strub et al., 1994].
Die Entfernung von Endotoxinen gelingt am besten
mit Pulver-Wasserstrahlgeräten [Zablotsky et al.,
1991]. Allerdings ist zu beachten, dass Pulver-Wasserstrahlgeräte weder sterile noch isotonische Verhältnisse ermöglichen [Krekeler, 1996]. Zudem
besteht bei Anwendung an der Spongiosa ein nicht
unerhebliches Embolie-Risiko [Messier, 1989]. Zur
Vorbeugung einer erneuten Plaqueakkumulation
wird die Abtragung rauer Oberflächenstrukturen mit
Hilfe diamantierter Schleifkörper und Gummipolierer als so genannte Implantoplastik empfohlen
[Behneke und Behneke, 2004]. Dabei sollten Versprengungen von Titanpartikeln und Polierkörper-
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Abb. 6: Die Harmonie und Symmetrie des Gingivaverlaufes
konnte durch eine ästhetische, chirurgische Kronenverlängerung erreicht werden.
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Abb. 5: Nach weiteren drei Monaten erfolgte eine Verdickung des vestibulären Gewebes unter zu Hilfenahme
eines Bindegewebstransplantates.
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anteilen in den umgebenden Knochen bestmöglich
abgesaugt werden.
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Laserunterstützte Implantat-Dekontamination
Das Ziel der Laseranwendung besteht in der oberflächlichen Vaporisation der wässrigen Plaque
beziehungsweise der thermischen Inaktivierung von
Endotoxinen durch die einfallende Laserstrahlung
ohne Erwärmung des Implantates selbst. Die Laseranwendung setzt aber genaue Kenntnisse der thermischen Laserwirkungen an Implantat und Knochen
voraus, da bei unsachgemäßer Handhabung erhebliche Schäden resultieren können [Deppe, 2003;
Walsh, 2003].
Untersucht man die derzeit in Medizin und Zahnheilkunde gebräuchlichen Lasersysteme bezüglich
der genannten Anforderungen, so zeigen sich hinsichtlich der Hart- und Weichgewebswirkung einschließlich des Sterilisationseffektes der CO2-Laser
sowie der Er:YAG-Laser prinzipiell als geeignet. Die
sterilisierende Wirkung des CO2-Lasers ist seit langem belegt [Zakariasen, 1986]. Titan weist im
Emissionsbereich des CO2-Lasers (l=10,6 μm) aber
eine geringere Absorption auf als beim Er:YAG-
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Laser (l=2,94 μm) [Thull, 1999]. Daher kann der
CO2-Laser grundsätzlich für die vorliegende Indikation in der kombinierten Anwendung an Hart- und
Weichgeweben sowie am Titan als sehr gut geeignet gelten. Tierexperimentelle und erste klinische
Ergebnisse bestätigen diese Einschätzung [Deppe
et al., 2003].
Chirurgisch-resektive Therapie
Röntgenologisch horizontale oder flache schüsselförmige Defekte mit chronisch progredientem Knochenabbau und erhöhten Entzündungsparametern,
vergleichbar den Therapieklassen eins und zwei
nach Spiekermann [1994], sind nach der Initialbehandlung meist chirurgisch-resektiv anzugehen.
Die Dekontamination der Implantatoberflächen
lässt sich mit Pulver-Wasserstrahlgeräten, vorteilhaft in Kombination mit einer CO2-Laserbestrahlung, durchführen. Der Knochen selbst sollte angefrischt und nivelliert werden. Eine leichte Periostschlitzung der Mukoperiostlappen verbessert die
Mobilität vor der Nahtversorgung. Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 17 Monaten hatte
sich bei der chirurgisch-resektiven Therapie eine
statistisch signifikante Überlegenheit der CO2Laser-Dekontamination im Vergleich zur konventionellen Dekontamination ergeben [Deppe et al.,
2003].
Für röntgenologisch trichter- und spaltförmige
periimplantäre Defekte mit chronisch progredientem Knochenabbau und erhöhten Entzündungsparametern, vergleichbar den Therapieklassen drei und
vier nach Spiekermann [Spiekermann, 1994], bieten sich chirurgisch-resektive oder augmentative
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Abb. 7: Nach acht Wochen wurde die definitive prothetische Versorgung eingegliedert.
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Verfahren an [Buser et al., 1990]. Bei dieser
Defektmorphologie erscheint die infrakrestale
Dekontamination der Implantatoberflächen mithilfe
der CO2-Laserbestrahlung besonders geeignet, da
der grazile Laserstrahl auch engste Spalträume
erreichen kann. Distale Flächen erfordern unter
Umständen die Verwendung von Umlenkspiegeln,
die auf das Handstück aufgeschraubt werden können. Laser-assistierte Implantatdekontamination
scheint sich als kraftvolles Hilfsmittel in der Periimplantitistherapie zu etablieren, histologisch verifizierte Reappositionen liegen bislang allerdings
nur für die CO2-Laser-Dekontamination vor [Deppe
et al., 2001 und 2002].
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Die Literatur stellen
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Redaktionsbeiträge) zur
Verfügung.
Photodynamische Therapie
Die PDT ist eine nicht-invasive Methode, parodontalpathogene Keime unabhängig von der Implantatoberfläche in hohem Maße zu eliminieren [Neugebauer 2007, Ricardo, Araujo 2006]. Dazu werden
photosensitive Farbstoffe (toluidine blue O) aufgetragen, welche infolge der Bestrahlung mit einem
geeigneten Laserlicht (l=830 nm) zur Keimabtötung
führen. Shibil et al. zeigten in Verbindung mit der
gesteuerten Knochenregeneration eine bessere
Reosseointgration im Beagle Hund nach photodynamischer Therapie. Weitere experimentelle Studien sind allerdings notwendig, um eine Biokompatibilität der behandelten Oberflächen nachzuweisen.
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Regenerative Periimplantitistherapie
Das erstrebenswerteste Ergebnis der Periimplantitistherapie ist die vollständige Regeneration der
verlorengegangenen Knochenstruktur. Zu den Indikationen für die Anwendung regenerativer Maßnah-
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men gehören moderater Knochenabbau, zwei- bis
drei-wandige Knochendefekte sowie zirkulärer Knochenverlust mit einer infraalveolären Komponente.
Als Hilfsmittel zur Regeneration werden Eigenknochen, Knochenersatzmaterialien und/oder Membranen eingesetzt. Bei der Bewertung des Therapieerfolges ist es wichtig, zwischen den Begriffen Knochengewinn („bone gain“) und Re-Osseointegration
zu unterscheiden. Knochengewinn beschreibt die
Reduktion des periimplantären Knochendefektes,
wohingegen Re-Osseointegration einen neuen,
direkten Knochenkontakt mit der einst kontaminierten Implantatoberfläche bezeichnet. Dies kann
jedoch nur durch histologische und histomorphometrische Untersuchungen verifiziert werden
[Hürzeler 1997; Singh et al. 1993].
Vorraussetzung für eine regenerative Therapie ist
natürlich eine perfekte Dekontamination der
Implantatoberflächen. Erfolgversprechendste Therapieform scheint eine Kombination von Knochenersatzmaterialien in Verbindung mit Membranapplikation zu sein. Schwarz und Sculean 2008 konnten in
ihren Studien nach sechs und 24 Monaten einen
klinischen Attachmentgewinn sowie eine Reduktion
der Sondierungstiefen des periimplantären Knochendefektes nachweisen. Verwendet wurden Knochenersatzmaterialien bovinen Ursprungs, natürliche Knochenmineralien sowie Kollagenmembranen.
Langzeitergebnisse stehen jedoch nicht ausreichend zur Verfügung. Eine weitere Option
erschließt sich vermutlich durch die Anwendung
biologisch aktiver Substanzen, wie der SchmelzMatrix-Proteine [Casati et al., 2002; Sculean et al.,
2004] oder knocheninduzierender Proteine [Hürzeler et al., 1997; Deppe et al., 2003], welche in
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Kombination mit der Laser-Dekontamination aus
heutiger Sicht ein erfolgversprechendes Defektmanagement ermöglichen könnten.
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Über Maßnahmen zur
Vorbeugung der
Perimplantitis informierten u.a. Beiträge in
Ausgabe 5/2007 des
DENTAL MAGAZINs. Sie
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Explantation
Zeigt sich im Verlauf der Behandlung, dass die Progredienz der Entzündung nicht zu stoppen ist, sollte das Implantat zur Vermeidung weiterer Knochenresorptionen entfernt werden. Ist das Implantat
bereits makroskopisch sichtbar gelockert, sollte
eine umgehende Entfernung erfolgen. Mit durchmesserabgestimmten Explantationsfräsen gelingt
die Entfernung heute üblicher rotationssymmetrischer Implantate substanzschonend. Auf eine ausreichende Aufklärung ist vor dem Eingriff zu achten
(Frakturgefahr im Unterkiefer, Nervverletzung), bei
zu langem Belassen des Implantates ist auf den
fortschreitenden Knochenverlust hinzuweisen.
Zudem sollte geklärt werden, ob eine Erweiterung
des ZE möglich ist oder ob eine Nachimplantation
(gegebenenfalls mit Augmentation) erforderlich
wird [Deppe, 2005].
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Fallbeispiel
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Lesetipp:
„PAR-Keime korrekt identifizieren“ von
Dr. Sylke Dombrowa,
DENTAL MAGAZIN
6/2007, Seite 46ff.
Die Patientin wurde ein Jahr nach prothetischer
Implantatversorgung des Zahnes 21 erstmalig in
meiner Praxis vorstellig. Periimplantär war eine
ausgeprägte Entzündung diagnostizierbar. Pusaustritt und BOP waren klinisch evident. Aufgrund der
Gewährleistung legte ich der Patientin nahe, das
Gespräch mit ihrem behandelnden Zahnarzt zu
suchen, um das weitere Vorgehen abzusprechen.
Zwei Monate später vereinbarte die Patientin einen
weiteren Termin. Zu diesem Zeitpunkt war die prothetische Versorgung entfernt und durch einen Gingivaformer ersetzt. Sie berichtete von einer
wöchentlichen Therapie mit Dontisolon. Die Lücke
war mit einer Klemmprothese versorgt. Akute periimplantäre Entzündungszeichen waren weiterhin zu
diagnostizieren.
Als initiale Therapie wurde ein vorsichtiges Scaling
durchgeführt und CHX-Gel instilliert.
Eine Woche später wurde ein Kontrolltermin vereinbart, um die weitere Therapie festzulegen. Bei der
Untersuchung des periimplantären Defektes konnte
der Verlust der kompletten vestibulären Knochenlamelle sondiert werden. Aufgrund dieses Befundes
wurde eine Periimplantitistherapie mittels chirurgi-
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scher Intervention geplant. Nach der Mobilisation
eines Mukoperiostlappens hatte man einen guten
Zugang zu dem periimplantären ossären Defekt
(Abb. 1). Zunächst wurde die Entfernung des Granulationsgewebes mittels Titanküretten durchgeführt. Anschließend erfolgte die Dekontamination
mit Hilfe eines CO2 Lasers. Auf die gereinigte
Implantatoberfläche wurde ein xenogenes Knochenersatzmaterial bovinen Ursprungs aufgebracht
und anschließend mit einer Kollagenmembran
abgedeckt (Abb. 2). Nach dem speicheldichten
Wundverschluss wurde eine Maryland-Brücke als
temporäre Versorgung eingegliedert (Abb. 3). Bei
einem weiteren operativen Eingriff sechs Monate
später wurde das periimplantäre Narbengewebe,
welches von einer früheren Wurzelspitzenresektion
resultierte, entfernt (Abb. 4).
Nach weiteren drei Monaten erfolgte eine Verdickung des vestibulären Gewebes unter zu Hilfenahme eines Bindegewebstransplantates (Abb. 5).
Die Harmonie und Symmetrie des Gingivaverlaufes
konnte durch eine ästhetische, chirurgische
Kronenverlängerung erreicht werden (Abb. 6).
Zwölf Wochen danach war die chirurgische Therapie
mit der Implantatfreilegung abgeschlossen. Nach
acht Wochen wurde die definitive prothetische
Versorgung eingegliedert (Abb. 7). Prothetische
Kontrolltermine und die Festlegung eines dreimonatigen Recall-Intervalls beendeten die aktive
Therapiephase.
Schlussfolgerung und Fazit
Progrediente periimplantäre Infektionen führen
ohne adäquate Therapie zum Verlust der betroffenen Implantate. Neue Therapieansätze zur Oberflächendekontamination präsentieren interessante
Ergebnisse, ohne jedoch zum jetzigen Zeitpunkt
wissenschaftlich evident zu sein. Verlässliche
Ergebnisse zur Biofilmentfernung befallener
Implantate liefert die dekontaminierende Behandlung mittels Laser, wobei hier der Einsatz des CO2Lasers als am besten geeignet anzusehen ist. Auch
eine Re-Apposition konnte nach CO2-Lasertherapie
histologisch nachgewiesen werden. Langzeitergebnisse stehen aktuell aber nicht zur Verfügung. Der
bloße Ersatz parodontal kranker Zähne mit Implantaten eliminiert nicht den zugrunde liegenden
Krankheitsprozess. Das bedeutet, die Implantate
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DIAGNOSTIK UND THERAPIE DER PERIIMPLANTITIS REFLEKTIEREN & MOTIVIEREN
sind in gleichem Maße gefährdet wie zuvor die
natürlichen Zähne. Patienten mit der Historie einer
generalisiert schweren oder aggressiven Parodontitis haben ein stark erhöhtes Risiko, nach der Inserierung von Implantaten eine Periimplantitis zu
entwickeln. Die Krankheitszeichen werden an
Implantaten zudem deutlich später für den Patienten spürbar als an natürlichen Zähnen (keine
Lockerung auch bei starkem koronalen Knochenverlust). Implantate im Mund eines an Parodontitis
erkrankten Patienten erfordern eine lebenslange,
fachkundige und intensive Nachsorge. In Deutschland nimmt jedoch nur eine Minderheit aller parodontal erkrankten Patienten an einem regelmäßigen Recall-System teil. Somit besteht die reale
Gefahr, dass sich periimplantäre Entzündungen mit
assoziiertem Knochenabbau in den nächsten zehn
Jahren zu einem Massenphänomen entwickeln werden – ein Massenphänomen, zu dessen wirksamer
Behandlung wir bislang keine wirklich erfolgreichen
Langzeitstrategien kennen.
Um dem Verlust enossaler Implantate auch dauerhaft vorzubeugen, ist daher sowohl prä- als auch
postimplantologisch eine genaue Anamnese der
aktuellen Implantatsituation von größter Wichtigkeit. Aufgrund der multifaktoriellen Genese der
Periimplantitis hilft eine möglichst umfassende
Analyse der patientenspezifischen Risikofaktoren
dem behandelnden Zahnarzt bei der Erstellung
eines individualisierten und damit maximal erfolgreichen Therapiekonzeptes.
Zur frühzeitigen Erkennung bakteriell bedingter
Periimplantitiden sollte der Einsatz mikrobiologischer Markerkeimanalysen daher auch integraler
Bestandteil jeder implantologischen Nachsorge
sein. Die Analyse des Interleukin-Genotyps gibt
dem Praktiker die Möglichkeit, Patienten mit
einem erhöhten Risiko für postimplantologische
Komplikationen zu identifizieren und stellt ein
wertvolles Hilfsmittel für die Erstellung eines individuellen, erfolgsorientierten Behandlungskonzeptes dar.
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