S042-053.qxd 29.05.2008 12:12 Seite 42 4 6 8 REFLEKTIEREN & MOTIVIEREN DIAGNOSTIK UND THERAPIE DER PERIIMPLANTITIS 10 Meinardus 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 Periimplantitiden bekämpfen 48 50 52 54 56 Dr. Matthias Mayer 58 Die Periimplantitis zählt zu den am meisten gefürchteten Komplikationen in der Implantologie. Inwiefern ein sorgfältig geplantes implantologisches Konzept das Risiko für periimplantäre Entzündungen minimieren kann, veranschaulicht der vorliegende Beitrag. 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 Haben Sie Fragen an den Autor? Dann schreiben Sie an redaktion@ dentalmagazin.de. Die Verwendung osseointegrierter Implantate als Ersatz für verlorene natürliche Zähne spielt heute eine zunehmend wichtige Rolle in der parodontologisch orientierten Praxis. Diese primär sinnvolle Therapie kann jedoch nicht selten mit für Arzt und Patient unangenehmen Folgeproblemen behaftet sein. Die Periimplantitis zählt zu den am meisten gefürchteten Komplikationen in der Implantologie, da sie unter bestimmten Umständen auch zum Verlust des Implantates samt prothetischer Versorgung führen kann. Eine sorgfältig geplante Behandlungsstrategie, welche die individuellen Risiken des Patienten auf der Basis einer fundierten Diagnostik einbezieht, stellt eine effiziente Möglichkeit dar, aufwändige Restaurationen auch langfristig erfolgreich zu gestalten. 106 108 110 Anatomie des periimplantären Gewebes 112 114 116 118 120 Als periimplantäre Erkrankungen werden pathologische Veränderungen der das Implantat umgebenden Weichgewebsmanschette bezeichnet. Im Gegensatz zu der den natürlichen Zahn umgebenden Gingiva 122 124 126 128 130 DENTAL MAGAZIN 3/2008 ähnelt das periimplantäre Gewebe eher einem narbigen Bindegewebe mit hohem Kollagenanteil und vergleichsweise geringer Gefäßversorgung sowie reduziertem Fibroblastenanteil [Ratka-Krüger et al., 2001]. Diese anatomischen Strukturen bedingen – ebenso wie die durch den Tegumentdurchbruch des Implantates eröffnete Verbindung zur bakteriell dicht besiedelten Mundhöhle – ein erhöhtes Risiko für periimplantäre Infektionen. Unabhängig vom Implantatsystem ermöglichen Material und Form der Aufbauteile in der Regel keine absolute Dichtigkeit, so dass eine Bakterien-Translokation in das Implantatinnere durch Mikroleakage möglich ist [Ibrahim et al., 2005]. Während die reversible Entzündung des periimplantären Weichgewebes ohne Beteiligung des Knochens als Mukositis bezeichnet wird, spricht man bei fortschreitender Entzündung mit progressivem, irreversiblem Knochenverlust von Periimplantitis. Durch Periimplantitis verursachte Implantatsverluste treten dabei häufig als so genannte Spätverluste auf, die auch Jahre nach einer erfolgreichen Osseointegration und funktioneller Belastung entstehen können. Roos-Jansaker et al. [2006] konnten zei- S042-053.qxd 29.05.2008 12:12 Seite 43 3 5 DIAGNOSTIK UND THERAPIE DER PERIIMPLANTITIS REFLEKTIEREN & MOTIVIEREN 7 9 11 13 15 17 19 21 23 gen, dass nach neun bis 14 Jahren bis zu 16 Prozent der Implantate aufgrund einer Periimplantitis verloren gingen. 25 27 Dr. Matthias Mayer M.Sc.D. Multifaktorielle Genese 29 31 33 Ätiologie und Verlauf periimplantärer Entzündungen sind vergleichbar mit der Parodontitis und wie diese durch eine multifaktorielle Genese charakterisiert. Neben verschiedenen exogenen Risikofaktoren wird insbesondere der genetischen Prädisposition sowie der Zusammensetzung der oralen Mikroflora des Patienten große Bedeutung beigemessen. So konnten wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass klinisch unauffällige Implantate eine ähnliche Besiedelung mit grampositiven Keimen aufweisen, wie sie auch im gesunden Parodont anzutreffen sind. Das Keimspektrum periimplantärer Infektionen ist hingegen analog zu dem der Parodontitis [Lee et al., 1999]. Parodontopathogene Bakterienspezies wie P. gingivalis, T. forsythia, T. denticola, P. intermedia sowie F. nucleatum, E. corrodens, C. rectus, P. micros und nicht zuletzt A. actinomycetemcomitans wurden auch bei Patienten mit Implantatsmisserfolgen in signifikant erhöhten Konzentrationen isoliert [Callan, 2005; Listgarten, 1999]. Aufgrund dieser Vergleichbarkeit sind auch zur Behandlung der Periimplantitis Ansätze aus der Parodontaltherapie Erfolg versprechend. Studie Der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Nikolaus Lang (Uni Bern) zufolge zeigen Patienten mit einer genetisch bedingten Veränderung der für das Zytokin Interleukin-1 (IL-1) codierenden Gene bereits bei niedrigerer Bakterienbelastung eine behandlungsbedürftigere Klinik als eine negative Vergleichsgruppe [Aegerbeck et al., 2006]. Betroffene Patienten reagieren auf die Anwesenheit parodontopathogener Markerkeime mit einer Überproduktion des Entzündungsmediators IL-1, wodurch es im Rahmen der entzündlichen Reaktion zu einem massiven Bindegewebsverlust und Knochenabbau kommen kann. Untersuchungen von Laine et al. (2006) konnten bestätigten, dass eine zusätzliche Veränderung im Gen des Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten (IL1RN) mit dem verstärkten Auftreten von Periimplantitis assoziiert ist. Hierbei sei insbesondere auf 35 absolvierte nach seiner Assistenzzeit ein Postgraduiertenstudium auf den Gebieten der Implantologie und Parodontologie an der Tufts-University in Boston, MA, USA. 1999 wurde der Zahnmediziner dort zum Associate Professor ernannnt, 2000 folgte dort die Inauguration zum Master of Science Degree (M.Sc.D.) auf dem Gebiet der Knochenregeneration. Mayer ist seit rund sieben Jahren in eigener privater Praxis in Frankfurt am Main niedergelassen, limitiert auf die Spezialgebiete Implantologie und Parodontologie. Seit 2001 ist der Spezialist der DGP und der DGI sowie der DGZI wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter an der J.W. Goethe Universität in Frankfurt am Main, Abteilung für Parodontologie (Leiter: Prof. Dr. Peter Eickholz). Darüber hinaus erfüllt er aktuell Lehraufträge an dem „Online- Masterprogramm“ der Universität Freiburg, an der Donau-Universität in Krems (Master-Programm) und der Tufts-University in Boston, MA USA (Institut Myron Nevins in Swamscott). 37 39 Diesen Beitrag stellen wir Lesern des DENTAL MAGAZINs auf www.dentalmagazin.de (Menüpunkt Redaktionsbeiträge) als pdf zur Verfügung. 41 43 45 47 49 51 53 55 57 59 61 63 65 67 69 71 73 75 77 die Kombination aus Rauchen und Risiko-Genotyp hingewiesen, welche durch synergistische Effekte ein signifikant erhöhtes Risiko für Implantatkomplikationen oder -verluste birgt [Feloutzis et al, 2003; Gruica et al., 2004, Baig et al., 2007]. Durch eine genetische Risikobestimmung (GenoType PST plus, Hain Lifescience, Nehren) können Veränderungen in den Genen des Entzündungsmediators Interleukin-1 (IL-1) schnell und einfach analysiert werden. 79 81 83 85 87 89 91 93 95 97 99 Prognose 101 103 Die Implantattherapie bei Patienten mit der Historie einer generalisiert schweren und/oder aggressiven Parodontitis ist, bezogen auf den Langzeiterfolg der Osseointegration, nicht als komplikationslos einzustufen. Onq und Tonetti [2008] belegten in ihrer Studie, dass parodontal erkrankte Patienten im Vergleich zu parodontal gesunden Patienten auch nach abgeschlossener Behandlung ein erhöh- 105 107 109 111 113 115 117 119 121 123 125 DENTAL MAGAZIN 3/2008 127 129 S042-053.qxd 29.05.2008 12:12 Seite 44 4 6 8 REFLEKTIEREN & MOTIVIEREN DIAGNOSTIK UND THERAPIE DER PERIIMPLANTITIS 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 Abb. 1: Nach der Mobilisation eines Mukoperiostlappens hatte man einen guten Zugang zu dem periimplantären ossären Defekt. Abb. 1 bis 7: Mayer Abb. 2: Auf die gereinigte Implantatoberfläche wurde ein xenogenes Knochenersatzmaterial bovinen Ursprungs aufgebracht und anschließend mit einer Kollagenmembran abgedeckt. tes Risiko aufweisen, periimplantäre Läsionen zu etablieren und dadurch Implantate zu verlieren. Patienten können zwar auch nach der Diagnose und Behandlung einer generalisierten schweren Parodontitis erfolgreich mit enossalen Implantaten rehabilitiert werden, jedoch zeigte eine Langzeitstudie von Mengel et al. [2007], dass man nach zehn Jahren einen stärkeren Knochen-und Attachmentverlust hat, als bei initial Parodontitis-freien Patienten. Anhand der aktuellen Datenanalyse kann man im Falle einer generalisiert schweren und/ oder aggressiven Parodontitis nicht von einer Kontraindikation für eine implantologische Rehabilitation ausgehen, sollte allerdings bezüglich der Prognose des Langzeiterfolges bei der Behandlungsplanung sehr kritisch und vorsichtig sein. zeitiger Reduktion der pathogenen Erreger durch eine spezifische Antibiotikatherapie der Verlust des Implantats häufig verhindert werden [Mombelli, 2002]. Zur Auswahl eines effizienten, auf das individuelle Keimspektrum des Patienten abgestimmten Antibiotikums sowie zur Kontrolle des Therapieerfolges hat sich die Anwendung des micro-IDent plus-Testes (Hain Lifescience GmbH, Nehren) bewährt. Auf Basis des mikrobiologischen Befundes kann die Entscheidung getroffen werden, ob die individuell vorliegende Bakterienbelastung zusätzliche therapeutische Maßnahmen zur Keimreduktion erforderlich macht; darüber hinaus kann die Wahl eines adäquaten Antibiotikums erfolgen. Werden vorhandene parodontalpathogene Keime vor der Versorgung eines Patienten mit Implantat-getragenem Zahnersatz nicht höchstmöglich beseitigt, besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Periimplantitis [Lee et al., 1999]. Eine restaurative und implantologische Versorgung sollte ergo nur nach abgeschlossener parodontaler Sanierung und nachgewiesener Keimfreiheit durchgeführt werden, um auch langfristig erfolgreiche Ergebnisse erzielen zu können. 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 Praxisrelevante Behandlungskonzepte 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 Aktuelle therapeutische Konzepte zur Behandlung einer Periimplantitis beinhalten zwei wesentliche Zielsetzungen. Zum einen die Dekontamination der betroffenen Implantatoberflächen und zum anderen das Erreichen einer neuen Biokompatibilität, die eine regenerative Therapie mit einer ReOsseointegration ermöglicht. Die Diagnose einer Mukositis kann anhand von klinischen Parametern gestellt werden, bei der Periimplantitis ist eine zusätzliche röntgenologische Beurteilung des Knochenabbaus notwendig. Während eine alleinige mechanische Reinigung zur effizienten Keimreduktion in der Regel nicht ausreicht, kann bei gleich- 122 124 126 128 130 DENTAL MAGAZIN 3/2008 Therapie der Perimukositis Die Perimukositisbehandlung besteht zunächst in der Beseitigung der ätiologischen Faktoren und der Etablierung entzündungsfreier Verhältnisse [Meffert, 1992]. S042-053.qxd 29.05.2008 12:13 Seite 46 4 6 8 REFLEKTIEREN & MOTIVIEREN DIAGNOSTIK UND THERAPIE DER PERIIMPLANTITIS 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 Abb. 3: Nach dem speicheldichten Wundverschluss wurde eine Maryland-Brücke als temporäre Versorgung eingegliedert. Abb. 4: Bei einem weiteren operativen Eingriff sechs Monate später wurde das periimplantäre Narbengewebe, welches von einer früheren Wurzelspitzenresektion resultierte, entfernt. Während der initialen Phase der Periimplantitis müssen alle Anstrengungen in Richtung einer Eindämmung der Entzündung unternommen werden. Das bedeutet eine optimale Mundhygiene von Seiten des Patienten sowie professionelle Zahnreinigungen und Demonstrationen zur Verbesserung der Plaque-Scores durch den Arzt oder das Fachpersonal. Der Einsatz von antimikrobiellen und antientzündlichen Substanzen hat sich in Form von Spülungen mit 0,1-prozentiger Chlorhexidinlösung oder dem Instillieren von CHX-Gel bewährt [Krekeler, 1996]. Die Applikation des lokalen Antibiotikums Arestin (minociclyne hydrochlorid) zeigt erste gute Ergebnisse, dessen wirklicher Nutzen allerdings noch in weiteren Studien untersucht werden muss. Biomechanische Fehlbelastungen sollten, wenn notwendig, durch Einschleifmaßnahmen („selective grinding“) der Suprakonstruktion korrigiert werden [Isidor 1996]. Persistierende Entzündungsparameter wie Blutung auf Sondierung (BOP) oder anhaltender Pusaustritt erfordern eine systemische Gabe von Antibiotika, deren Auswahl und Dosierung vom nachgewiesenen Keimspekturm abhängig ist. Beispielmedikationen wären Ornidazol, zwei Mal 500 mg täglich über zehn Tage [Mombelli et al., 1992] oder eine Kombination von Amoxicillin (3 x 375 mg / Tag) und Metronidazol (3 x 250 mg / Tag) für den Zeitraum von sieben Tagen zur Anwendung kommen [Krekeler, 1996]. Eine Verbesserung durch die antimikrobielle Therapie ist allerdings nicht in Form einer Knochenregeneration zu erwarten. Ein durch Rönt- gendiagnostik verifizierter periimplantärer, ossärer Defekt kann jetzt nur noch mittels chirurgischer Intervention behandelt werden. 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 DENTAL MAGAZIN 3/2008 Therapie der Periimplantitis Mechanische Implantat-Dekontamination Die Entfernung des mikrobiellen Biofilms und der Endotoxine, ist die wichtigste Voraussetzung für das Erreichen einer Biokompatibiltät der betroffenen Implantatoberflächen, welche die anschließende knöcherne Regeneration des periimplantären Defektes überhaupt erst möglich macht. Zur mechanischen Belagentfernung werden Plastikscaler, Prophylaxewinkelstücke mit Polierkelchen und Ultraschallgeräte mit Plastikansätzen empfohlen, sind aber in den engen Gewindeabschnitten moderner Implantatsysteme eher ungeeignet [Rapley et al., 1990; Spiekermann, 1994; Strub et al., 1994]. Die Entfernung von Endotoxinen gelingt am besten mit Pulver-Wasserstrahlgeräten [Zablotsky et al., 1991]. Allerdings ist zu beachten, dass Pulver-Wasserstrahlgeräte weder sterile noch isotonische Verhältnisse ermöglichen [Krekeler, 1996]. Zudem besteht bei Anwendung an der Spongiosa ein nicht unerhebliches Embolie-Risiko [Messier, 1989]. Zur Vorbeugung einer erneuten Plaqueakkumulation wird die Abtragung rauer Oberflächenstrukturen mit Hilfe diamantierter Schleifkörper und Gummipolierer als so genannte Implantoplastik empfohlen [Behneke und Behneke, 2004]. Dabei sollten Versprengungen von Titanpartikeln und Polierkörper- S042-053.qxd 29.05.2008 12:13 Seite 48 4 6 8 REFLEKTIEREN & MOTIVIEREN DIAGNOSTIK UND THERAPIE DER PERIIMPLANTITIS 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 Abb. 6: Die Harmonie und Symmetrie des Gingivaverlaufes konnte durch eine ästhetische, chirurgische Kronenverlängerung erreicht werden. 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 Abb. 5: Nach weiteren drei Monaten erfolgte eine Verdickung des vestibulären Gewebes unter zu Hilfenahme eines Bindegewebstransplantates. 70 72 74 76 anteilen in den umgebenden Knochen bestmöglich abgesaugt werden. 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 Laserunterstützte Implantat-Dekontamination Das Ziel der Laseranwendung besteht in der oberflächlichen Vaporisation der wässrigen Plaque beziehungsweise der thermischen Inaktivierung von Endotoxinen durch die einfallende Laserstrahlung ohne Erwärmung des Implantates selbst. Die Laseranwendung setzt aber genaue Kenntnisse der thermischen Laserwirkungen an Implantat und Knochen voraus, da bei unsachgemäßer Handhabung erhebliche Schäden resultieren können [Deppe, 2003; Walsh, 2003]. Untersucht man die derzeit in Medizin und Zahnheilkunde gebräuchlichen Lasersysteme bezüglich der genannten Anforderungen, so zeigen sich hinsichtlich der Hart- und Weichgewebswirkung einschließlich des Sterilisationseffektes der CO2-Laser sowie der Er:YAG-Laser prinzipiell als geeignet. Die sterilisierende Wirkung des CO2-Lasers ist seit langem belegt [Zakariasen, 1986]. Titan weist im Emissionsbereich des CO2-Lasers (l=10,6 μm) aber eine geringere Absorption auf als beim Er:YAG- 122 124 126 128 130 DENTAL MAGAZIN 3/2008 Laser (l=2,94 μm) [Thull, 1999]. Daher kann der CO2-Laser grundsätzlich für die vorliegende Indikation in der kombinierten Anwendung an Hart- und Weichgeweben sowie am Titan als sehr gut geeignet gelten. Tierexperimentelle und erste klinische Ergebnisse bestätigen diese Einschätzung [Deppe et al., 2003]. Chirurgisch-resektive Therapie Röntgenologisch horizontale oder flache schüsselförmige Defekte mit chronisch progredientem Knochenabbau und erhöhten Entzündungsparametern, vergleichbar den Therapieklassen eins und zwei nach Spiekermann [1994], sind nach der Initialbehandlung meist chirurgisch-resektiv anzugehen. Die Dekontamination der Implantatoberflächen lässt sich mit Pulver-Wasserstrahlgeräten, vorteilhaft in Kombination mit einer CO2-Laserbestrahlung, durchführen. Der Knochen selbst sollte angefrischt und nivelliert werden. Eine leichte Periostschlitzung der Mukoperiostlappen verbessert die Mobilität vor der Nahtversorgung. Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 17 Monaten hatte sich bei der chirurgisch-resektiven Therapie eine statistisch signifikante Überlegenheit der CO2Laser-Dekontamination im Vergleich zur konventionellen Dekontamination ergeben [Deppe et al., 2003]. Für röntgenologisch trichter- und spaltförmige periimplantäre Defekte mit chronisch progredientem Knochenabbau und erhöhten Entzündungsparametern, vergleichbar den Therapieklassen drei und vier nach Spiekermann [Spiekermann, 1994], bieten sich chirurgisch-resektive oder augmentative S042-053.qxd 29.05.2008 12:13 Seite 50 4 6 8 REFLEKTIEREN & MOTIVIEREN DIAGNOSTIK UND THERAPIE DER PERIIMPLANTITIS 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 Abb. 7: Nach acht Wochen wurde die definitive prothetische Versorgung eingegliedert. 48 50 52 Verfahren an [Buser et al., 1990]. Bei dieser Defektmorphologie erscheint die infrakrestale Dekontamination der Implantatoberflächen mithilfe der CO2-Laserbestrahlung besonders geeignet, da der grazile Laserstrahl auch engste Spalträume erreichen kann. Distale Flächen erfordern unter Umständen die Verwendung von Umlenkspiegeln, die auf das Handstück aufgeschraubt werden können. Laser-assistierte Implantatdekontamination scheint sich als kraftvolles Hilfsmittel in der Periimplantitistherapie zu etablieren, histologisch verifizierte Reappositionen liegen bislang allerdings nur für die CO2-Laser-Dekontamination vor [Deppe et al., 2001 und 2002]. 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 Die Literatur stellen wir Ihnen auf www.dentalmagazin.de (Menüpunkt Redaktionsbeiträge) zur Verfügung. Photodynamische Therapie Die PDT ist eine nicht-invasive Methode, parodontalpathogene Keime unabhängig von der Implantatoberfläche in hohem Maße zu eliminieren [Neugebauer 2007, Ricardo, Araujo 2006]. Dazu werden photosensitive Farbstoffe (toluidine blue O) aufgetragen, welche infolge der Bestrahlung mit einem geeigneten Laserlicht (l=830 nm) zur Keimabtötung führen. Shibil et al. zeigten in Verbindung mit der gesteuerten Knochenregeneration eine bessere Reosseointgration im Beagle Hund nach photodynamischer Therapie. Weitere experimentelle Studien sind allerdings notwendig, um eine Biokompatibilität der behandelten Oberflächen nachzuweisen. 110 112 114 116 118 120 Regenerative Periimplantitistherapie Das erstrebenswerteste Ergebnis der Periimplantitistherapie ist die vollständige Regeneration der verlorengegangenen Knochenstruktur. Zu den Indikationen für die Anwendung regenerativer Maßnah- 122 124 126 128 130 DENTAL MAGAZIN 3/2008 men gehören moderater Knochenabbau, zwei- bis drei-wandige Knochendefekte sowie zirkulärer Knochenverlust mit einer infraalveolären Komponente. Als Hilfsmittel zur Regeneration werden Eigenknochen, Knochenersatzmaterialien und/oder Membranen eingesetzt. Bei der Bewertung des Therapieerfolges ist es wichtig, zwischen den Begriffen Knochengewinn („bone gain“) und Re-Osseointegration zu unterscheiden. Knochengewinn beschreibt die Reduktion des periimplantären Knochendefektes, wohingegen Re-Osseointegration einen neuen, direkten Knochenkontakt mit der einst kontaminierten Implantatoberfläche bezeichnet. Dies kann jedoch nur durch histologische und histomorphometrische Untersuchungen verifiziert werden [Hürzeler 1997; Singh et al. 1993]. Vorraussetzung für eine regenerative Therapie ist natürlich eine perfekte Dekontamination der Implantatoberflächen. Erfolgversprechendste Therapieform scheint eine Kombination von Knochenersatzmaterialien in Verbindung mit Membranapplikation zu sein. Schwarz und Sculean 2008 konnten in ihren Studien nach sechs und 24 Monaten einen klinischen Attachmentgewinn sowie eine Reduktion der Sondierungstiefen des periimplantären Knochendefektes nachweisen. Verwendet wurden Knochenersatzmaterialien bovinen Ursprungs, natürliche Knochenmineralien sowie Kollagenmembranen. Langzeitergebnisse stehen jedoch nicht ausreichend zur Verfügung. Eine weitere Option erschließt sich vermutlich durch die Anwendung biologisch aktiver Substanzen, wie der SchmelzMatrix-Proteine [Casati et al., 2002; Sculean et al., 2004] oder knocheninduzierender Proteine [Hürzeler et al., 1997; Deppe et al., 2003], welche in S042-053.qxd 29.05.2008 12:13 Seite 52 4 6 8 REFLEKTIEREN & MOTIVIEREN DIAGNOSTIK UND THERAPIE DER PERIIMPLANTITIS 10 12 14 16 18 20 22 24 Kombination mit der Laser-Dekontamination aus heutiger Sicht ein erfolgversprechendes Defektmanagement ermöglichen könnten. 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 Über Maßnahmen zur Vorbeugung der Perimplantitis informierten u.a. Beiträge in Ausgabe 5/2007 des DENTAL MAGAZINs. Sie können ein Exemplar kostenfrei per Mail an redaktion@ dentalmagazin.de anfordern. 56 58 60 62 64 66 Explantation Zeigt sich im Verlauf der Behandlung, dass die Progredienz der Entzündung nicht zu stoppen ist, sollte das Implantat zur Vermeidung weiterer Knochenresorptionen entfernt werden. Ist das Implantat bereits makroskopisch sichtbar gelockert, sollte eine umgehende Entfernung erfolgen. Mit durchmesserabgestimmten Explantationsfräsen gelingt die Entfernung heute üblicher rotationssymmetrischer Implantate substanzschonend. Auf eine ausreichende Aufklärung ist vor dem Eingriff zu achten (Frakturgefahr im Unterkiefer, Nervverletzung), bei zu langem Belassen des Implantates ist auf den fortschreitenden Knochenverlust hinzuweisen. Zudem sollte geklärt werden, ob eine Erweiterung des ZE möglich ist oder ob eine Nachimplantation (gegebenenfalls mit Augmentation) erforderlich wird [Deppe, 2005]. 68 Fallbeispiel 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 Lesetipp: „PAR-Keime korrekt identifizieren“ von Dr. Sylke Dombrowa, DENTAL MAGAZIN 6/2007, Seite 46ff. Die Patientin wurde ein Jahr nach prothetischer Implantatversorgung des Zahnes 21 erstmalig in meiner Praxis vorstellig. Periimplantär war eine ausgeprägte Entzündung diagnostizierbar. Pusaustritt und BOP waren klinisch evident. Aufgrund der Gewährleistung legte ich der Patientin nahe, das Gespräch mit ihrem behandelnden Zahnarzt zu suchen, um das weitere Vorgehen abzusprechen. Zwei Monate später vereinbarte die Patientin einen weiteren Termin. Zu diesem Zeitpunkt war die prothetische Versorgung entfernt und durch einen Gingivaformer ersetzt. Sie berichtete von einer wöchentlichen Therapie mit Dontisolon. Die Lücke war mit einer Klemmprothese versorgt. Akute periimplantäre Entzündungszeichen waren weiterhin zu diagnostizieren. Als initiale Therapie wurde ein vorsichtiges Scaling durchgeführt und CHX-Gel instilliert. Eine Woche später wurde ein Kontrolltermin vereinbart, um die weitere Therapie festzulegen. Bei der Untersuchung des periimplantären Defektes konnte der Verlust der kompletten vestibulären Knochenlamelle sondiert werden. Aufgrund dieses Befundes wurde eine Periimplantitistherapie mittels chirurgi- 122 124 126 128 130 DENTAL MAGAZIN 3/2008 scher Intervention geplant. Nach der Mobilisation eines Mukoperiostlappens hatte man einen guten Zugang zu dem periimplantären ossären Defekt (Abb. 1). Zunächst wurde die Entfernung des Granulationsgewebes mittels Titanküretten durchgeführt. Anschließend erfolgte die Dekontamination mit Hilfe eines CO2 Lasers. Auf die gereinigte Implantatoberfläche wurde ein xenogenes Knochenersatzmaterial bovinen Ursprungs aufgebracht und anschließend mit einer Kollagenmembran abgedeckt (Abb. 2). Nach dem speicheldichten Wundverschluss wurde eine Maryland-Brücke als temporäre Versorgung eingegliedert (Abb. 3). Bei einem weiteren operativen Eingriff sechs Monate später wurde das periimplantäre Narbengewebe, welches von einer früheren Wurzelspitzenresektion resultierte, entfernt (Abb. 4). Nach weiteren drei Monaten erfolgte eine Verdickung des vestibulären Gewebes unter zu Hilfenahme eines Bindegewebstransplantates (Abb. 5). Die Harmonie und Symmetrie des Gingivaverlaufes konnte durch eine ästhetische, chirurgische Kronenverlängerung erreicht werden (Abb. 6). Zwölf Wochen danach war die chirurgische Therapie mit der Implantatfreilegung abgeschlossen. Nach acht Wochen wurde die definitive prothetische Versorgung eingegliedert (Abb. 7). Prothetische Kontrolltermine und die Festlegung eines dreimonatigen Recall-Intervalls beendeten die aktive Therapiephase. Schlussfolgerung und Fazit Progrediente periimplantäre Infektionen führen ohne adäquate Therapie zum Verlust der betroffenen Implantate. Neue Therapieansätze zur Oberflächendekontamination präsentieren interessante Ergebnisse, ohne jedoch zum jetzigen Zeitpunkt wissenschaftlich evident zu sein. Verlässliche Ergebnisse zur Biofilmentfernung befallener Implantate liefert die dekontaminierende Behandlung mittels Laser, wobei hier der Einsatz des CO2Lasers als am besten geeignet anzusehen ist. Auch eine Re-Apposition konnte nach CO2-Lasertherapie histologisch nachgewiesen werden. Langzeitergebnisse stehen aktuell aber nicht zur Verfügung. Der bloße Ersatz parodontal kranker Zähne mit Implantaten eliminiert nicht den zugrunde liegenden Krankheitsprozess. Das bedeutet, die Implantate S042-053.qxd 29.05.2008 12:13 Seite 53 DIAGNOSTIK UND THERAPIE DER PERIIMPLANTITIS REFLEKTIEREN & MOTIVIEREN sind in gleichem Maße gefährdet wie zuvor die natürlichen Zähne. Patienten mit der Historie einer generalisiert schweren oder aggressiven Parodontitis haben ein stark erhöhtes Risiko, nach der Inserierung von Implantaten eine Periimplantitis zu entwickeln. Die Krankheitszeichen werden an Implantaten zudem deutlich später für den Patienten spürbar als an natürlichen Zähnen (keine Lockerung auch bei starkem koronalen Knochenverlust). Implantate im Mund eines an Parodontitis erkrankten Patienten erfordern eine lebenslange, fachkundige und intensive Nachsorge. In Deutschland nimmt jedoch nur eine Minderheit aller parodontal erkrankten Patienten an einem regelmäßigen Recall-System teil. Somit besteht die reale Gefahr, dass sich periimplantäre Entzündungen mit assoziiertem Knochenabbau in den nächsten zehn Jahren zu einem Massenphänomen entwickeln werden – ein Massenphänomen, zu dessen wirksamer Behandlung wir bislang keine wirklich erfolgreichen Langzeitstrategien kennen. Um dem Verlust enossaler Implantate auch dauerhaft vorzubeugen, ist daher sowohl prä- als auch postimplantologisch eine genaue Anamnese der aktuellen Implantatsituation von größter Wichtigkeit. Aufgrund der multifaktoriellen Genese der Periimplantitis hilft eine möglichst umfassende Analyse der patientenspezifischen Risikofaktoren dem behandelnden Zahnarzt bei der Erstellung eines individualisierten und damit maximal erfolgreichen Therapiekonzeptes. Zur frühzeitigen Erkennung bakteriell bedingter Periimplantitiden sollte der Einsatz mikrobiologischer Markerkeimanalysen daher auch integraler Bestandteil jeder implantologischen Nachsorge sein. Die Analyse des Interleukin-Genotyps gibt dem Praktiker die Möglichkeit, Patienten mit einem erhöhten Risiko für postimplantologische Komplikationen zu identifizieren und stellt ein wertvolles Hilfsmittel für die Erstellung eines individuellen, erfolgsorientierten Behandlungskonzeptes dar.