Differenziertes tarifsystem federt «Nebenwirkungen» ab

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Begleitmassnahmen zu SwissDRG
Differenziertes Tarifsystem federt «Nebenwirkungen» ab
Jedes Tarifsystem weist gewisse Eigenschaften und
Anreizwirkungen auf. So führen Tagespauschalen tendenziell zu längeren Spitalaufenthalten als medizinisch
notwendig. Fallpauschalen können hingegen Anreize
zu einer vorzeitigen Entlassung bieten. Wieweit solche
Effekte in der Realität tatsächlich auftreten, ist von verschiedenen Faktoren abhängig.
Bereits mit der Wahl des Pauschalsystems wurden diesbezüglich wichtige Weichen gestellt. Dank der differenzierten
Tarifstruktur ist gewährleistet, dass vergleichbare Eingriffe
bei Patienten mit mehreren Nebenerkrankungen höher vergütet werden als bei weniger stark erkrankten Patienten. Ein
Spital profitiert somit nicht davon, wenn es einem Patienten
notwendige Behandlungen vorenthält.
Wirksame Mechanismen gegen Bloody Exits
Foto: Prisma
Eine wichtige Systemkomponente sind die sogenannten Abrechnungsregeln, welche als «Bedienungsanleitung» zur Tarifstruktur bezeichnet werden können. Darin steht zum Bei-
spiel, dass bei komplikationsbedingten Rehospitalisationen
das Spital keine zusätzliche Entschädigung geltend machen
kann. Der Anreiz, einen Patienten nach Hause zu entlassen,
bevor dies aus medizinischer Sicht angebracht ist, wird damit praktisch eliminiert. Hinzu kommt, dass ein Spital sich
das Risiko, aufgrund vorzeitiger Entlassungen und schlechter
Behandlungsqualität negativ in der Presse erwähnt zu werden, kaum leisten kann. Auch wenn – wie unter den bisherigen Tarifsystemen – im Einzelfall nicht ausgeschlossen
ist, dass eine Entlassung zu früh erfolgt: SwissDRG erhöht
diese Gefahr nicht grundsätzlich. Die Einführung von DRG
in anderen Ländern oder von APDRG in zahlreichen Spitälern der Schweiz bestätigen diese Einschätzung. Mit anderen Worten: Die immer wieder ins Feld geführte Gefahr der
«bloody exits» lässt sich empirisch nicht erhärten. Hingegen
gilt es zu betonen, dass sich der Entscheid über die Entlassung des Patienten an den medizinischen Gegebenheiten
orientieren muss – ein Umstand, der notabene auch auf gesetzlicher Ebene festgehalten ist.
Ein Fallpauschalensystem kann auch zu einer unerwünschten Fallgenerierung führen, getreu der Überlegung «mehr
Fälle, mehr Ertrag». Verschiedene Mechanismen in SwissDRG
führen jedoch dazu, dass sich ein solches Verhalten nicht
lohnt. Sind gewisse Voraussetzungen erfüllt, werden mehrere Spitalaufenthalte zu einem einzigen entschädigungsfähigen Fall zusammengefasst oder Abschläge auf der Vergütung vorgenommen.
Weiterentwicklung, Rechnungsprüfung
und Qualitätssicherung
Die Begleitmassnahmen beschränken sich jedoch nicht darauf, die angemessene medizinische Behandlung sicherzustellen. Mit der regelmässigen Weiterentwicklung des Tarifsystems wird auch sichergestellt, dass neue Erkenntnisse mit
möglichst geringem Zeitverzug im Fallpauschalensystem abgebildet und somit korrekt vergütet werden können. Im Interesse einer korrekten Abrechnung der Leistungen durch
die Spitäler – und damit auch im Interesse der Prämienund Steuerzahler – stellen Überprüfungen der Rechnungsstellungsqualität auch sicher, dass keine überhöhten Rechnungen gestellt werden. Dies geschieht einerseits durch den
Krankenversicherer, welcher die Rechnungen im Einzelfall
auf ihre Korrektheit überprüft, und andererseits auch über
eine statistische Analyse, welche für jedes Spital die Qualität
der medizinischen Kodierung auf vergleichbare Weise überprüft. Diese sogenannte Kodierrevision haben Tarifpartner
und Kantone bereits heute vereinbart.
Wichtig sind schlussendlich auch die gemeinsam eingeschlagenen Schritte zur Messung der Leistungsqualität. Im Nationalen Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken ANQ erarbeiten der Spitalverband H+, die Kantone
und die Kranken- und Unfallversicherer die notwendigen
Rahmenbedingungen und Qualitätsindikatoren.
Ein differenziertes Tarifsystem und die richtigen Begleitmassnahmen
tragen zu einer qualitativ hochstehenden und individuellen
Betreuung aller Patienten bei.
beat knuchel
10 | Im Fokus 8/09
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