28 GEWERKSCHAFT Wahl von Betriebsräten Es lohnt sich immer Betriebsratswahlen (wie hier bei Ford Saarlouis) sind ein wesentliches demokratisches Element in unserem Land | Foto: Ruppenthal In vielen saarländischen Betrieben sind die Betriebsratswahlen 2010 gelaufen, Ende Mai läuft die offzielle Frist für den alle vier Jahre stattfindenden Urnengang aus. Gerade in Krisen­ zeiten wird deutlich, wie wichtig das zentrale ­Instrument der Mitbestimmung ist. Wer noch keinen Betriebsrat hat, kann ­jederzeit außerhalb des gesetzlichen Turnus’ einen wählen. Die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes, das Feststellen undemo­kratischer Verhaltenswei­sen eines Chefs oder auch die Ankün­digung betrieblicher Verän­ derungen las­sen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu dem Entschluss gelangen, dass die Zeit reif ist für die Wahl eines Betriebsrats. Wer erstmalig einen neuen Betriebsrat wählt, ist dabei nicht an den gesetzlich festgelegten Zeitraum (alle vier Jahre, also 2010, 2014 usw.) gebunden. Wirtschaftskrisen haben gelehrt: Von den Betriebsräten, die sich mit ihrer Kompetenz, ihrer Durchsetzungs-, aber auch Verhandlungsstärke, ihren inner- und außerbetrieblichen Kontakten und ihrem Umgang mit der Geschäftsführung für die Beschäftigten einsetzen, hängt nicht selten die Zukunft ganzer Belegschaften ab. Betriebsräte können Krisen nicht verhindern, sie können aber die Folgen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abmildern und gestalten, denn sie haben die Handhabe, in schwierigen Situationen konstruktiv Lösungen zu erarbeiten. Nur Betriebsräte haben die Möglichkeit mitzubestimmen: Nur sie haben bei Kurzarbeit ein Wörtchen mitzureden, nur ein Betriebsrat ist vor Kündigungen anzuhören und ohne einen Betriebsrat gibt es arbeitnehmer Heft 2/2010 · Fahne 49 keinen Sozialplan. Ein Betriebsrat kontrolliert für die Beschäftigten die Einhaltung der bestehenden Gesetze. Und ohne ihren Betriebsrat müssten Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer Verbesserungen nur einzeln durchsetzen. Und das klappt in den meisten Fällen eher nicht. Betriebsräte helfen, Arbeitsplätze zu sichern Der unermüdliche Einsatz von Betriebsräten für ihre Kolleginnen und Kol­ legen sorgt – vor allem in schwierigen Zeiten – dafür, dass viele Arbeitsplätze erhalten bleiben. Und deshalb kann die Wahl von Betriebsräten nicht ernst genug genommen werden. Betriebsräte stellen eines der wesent­ lichen demokratischen Elemente in un­ serem Land dar, sie sind ein Garant für das Funktionieren unserer sozialen Marktwirtschaft. Durch sie können Beschäftigte innerhalb des Wirtschaftssystems mitbestimmen und mitgestalten. Je nach Betriebsgröße dauert die erste Wahl rund zwei Wochen bei Kleinbetrieben, während bei größeren Betrieben (in der Regel ab 50 und mehr Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmern) für die erstmalige Wahl ein Zeitraum von acht bis zehn Wochen einkalkuliert werden muss. Die Initiative für die erstmalige Wahl eines Betriebsrats geht grundsätzlich von den Beschäftigten aus. Aber auch wenn im Unternehmen bereits ein Gesamtbe­ triebs­rat existiert, kann dieser für betriebsratsfreie Einheiten die Wahl auf den Weg bringen. Selbstverständlich sind wichtige Partner für die Betriebsratswahl auch immer die Gewerkschaften. Sie stehen mit Rat und Tat bei der Wahl eines Betriebsrats zur Seite. Wer sich für eine Kandidatur entschie­ den hat, genießt vom Moment des Be­ kanntwerdens an einen besonderen Kün­ digungsschutz. Diese Maßnahme soll Bewerberinnen und Bewerber vor Nach­ teilen schützen. Ihnen darf nun nicht mehr fristgemäß gekündigt werden und eine fristlose Kündigung ist nur nach Zustim­ mung des Betriebsrates zulässig. Der besondere Kündigungsschutz wirkt bis zur Bekanntmachung des Wahlergebnisses und ein halbes Jahr darüber hinaus (falls man nicht gewählt wurde). Sind die Mitglieder des Betriebsrats gewählt, dann wird aus ihrer Mitte der oder die Vorsitzende gewählt. Er oder sie vertritt das Gremium und seine Beschlüsse nach außen. Der Betriebsrat kommt regelmäßig zu seinen Sitzungen zusammen. Hierzu lädt der/die Vorsitzende mit Tagesordnung ein. Für den Fall, dass ein Betriebsratsmitglied nicht teilnehmen kann, wird ein Ersatzmitglied zur Sitzung eingeladen. Damit soll sichergestellt sein, dass ein Betriebsrat stets beschlussfähig und damit arbeitsfähig bleibt. Ersatzmitglieder rücken immer für verhinderte Betriebsratsmitglieder nach, das gilt sowohl bei kurzfristigen als auch bei langfristigen Verhinderungen sowie beim vorzeitigen Ausscheiden aus dem Gre­mium. Die Arbeit eines Betriebsrates bewegt sich immer im Spannungsfeld eigener und fremder Interessen und Ansprüche, sie ist also durchaus belebend und anstrengend zugleich. So erwarten Kolleginnen und Kollegen oft, dass man immer für sie da ist, auf alle Fragen eine Antwort weiß, Probleme sofort beseitigt, alles im Sinne der Beleg­schaft klärt. Der Arbeitgeber erwartet dagegen Verständnis und Mitverantwortung – auch bei schlechten Botschaf­ten, jederzeitige Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft, hohen persön­ lichen Einsatz, gute Qualifikationen. Und es gibt auch noch die eigenen Ziele und Ansprüche, mit denen man im Amt zu tun hat: Wie bewältige ich die Fülle des Alltagsgeschäftes, wie die Mehrfachbeanspruchung „Amt – Arbeit – Fami­lie“ usw. Wer das Amt übernimmt, sollte sich also über die unterschiedlichen Erwartungen im Klaren sein. GEWERKSCHAFT Die Übernahme des Betriebsratsamtes ist sowohl mit Rechten als auch mit Pflichten verbunden. Zunächst das Wich­ tigste vorweg: Betriebsratsarbeit ist ein Ehrenamt und wird nicht extra vergütet. Betriebsratsarbeit findet während der Arbeitszeit statt und ist in der Regel Teamarbeit (nur in Betrieben mit weniger als 21 Beschäftigten wird ein einköpfiger Betriebsrat gewählt). Betriebsräte wachsen an ihren Aufgaben, da sie im Amt Themen bearbeiten müssen, die in der Regel deutlich über ihre eigentliche berufliche Tätigkeit hinausgehen. So beinhaltet Betriebsratsarbeit durchaus die Übernahme von Verantwor­ tung für die Abläufe im Betrieb und im Gremium. Vom Zeitpunkt der Kandidatur an genießen Betriebsratsmitglieder den besonderen Kündigungsschutz. Das bedeu­ tet, dass eine fristgemäße Kündigung im Regelfall nicht mehr möglich ist und eine fristlose Kündigung nur nach Zustim­ mung des Betriebsrates. Dieser besondere Kündigungsschutz wirkt noch ein Jahr nach Ende der Amtszeit nach. Was ein Betriebsrat erreichen kann Arbeitsgrundlage des Betriebsrats ist das Betriebsverfassungsgesetz. Darin ist der gesetzliche Auftrag eines Betriebsrates ebenso formuliert wie die Instrumente, die ihm zur Verfügung stehen. Und die Themen der Betriebsratsarbeit sind viel­fältig: Von „A“ wie Arbeitsplatzgestaltung bis „Z“ wie Zulagenverteilung – überall ist der Betriebsrat dabei. Hier ein Beispiel: Im Betrieb soll ein neues System der Arbeitszeiterfassung ein­geführt werden. Bislang gab es feste Arbeitszeiten für alle. Nach Absprache mit den Vorgesetzten und Kollegen war es möglich, davon individuell abzuweichen, etwa bei einem privaten Termin. Die Zeit wurde dann nachgearbeitet. Nun wurde eine Anlage zur Zeiterfassung angeschafft und es sollen alle stempeln. Die Anwesen­ heiten sollen im Personalbüro ausgewertet werden. Deshalb gibt es Unruhe in der Belegschaft. Und das zu Recht. Gäbe es keinen Betriebsrat, wäre die Sache klar: der Arbeitgeber würde die Zeiterfassung einführen, alle müssten stempeln und die Daten würden ausgewertet. Gibt es aber einen Betriebsrat, dann hat er ein großes Wort mitzureden, er hat in diesem Fall sogar ein stark ausgeprägtes Mitbestimmungsrecht. Wenn der Betriebsrat also bei der Einführung des Arbeitszeiterfassungssystems „Nein“ sagt, dann ist die Einführung nicht zulässig, sie darf nicht umgesetzt werden, die Anlage darf nicht einmal in Betrieb gehen. Sämt­liche Bedingungen für die Einführung der Zeiterfassung müssten mit dem Betriebs­rat verhandelt werden. Verhandlungsgegenstand wäre zum Beispiel, festzulegen, zu welchem Zweck die Arbeitszeit jetzt technisch erfasst wird, was die Anlage „kann“, zu welchem Zweck die Anwesenheiten ausgewertet werden sol­len, wie die Beschäftigten vor Kontrollen und arbeitsrechtlichen Konsequenzen geschützt werden. Dabei kann der Betriebsrat auch in vielen Fällen von sich aus Veränderungen anstoßen. Um bei dem oben vorgestellten Beispiel zu bleiben: Der Betriebsrat könnte auch Vorschläge der Beschäftigten aufnehmen und von sich aus aktiv werden. Gibt es zum Beispiel den Wunsch, feste Arbeitszeiten in gleitende Arbeitszeit zu verändern, dann kann der Betriebsrat dafür die Initiative ergreifen und eine Kleinbetriebe Wahl dauert nur zwei Wochen Die Mehrzahl der in Deutschland tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer wird durch einen Betriebsrat vertreten, aber nur eine Minderheit der Betriebe hat einen Betriebsrat. Erst durch ei­nen Betriebsrat wird die in erster Linie im Betriebsverfassungsgesetz geregelte Mitbestimmung umgesetzt. Alle vier Jahre finden turnusmäßige Wahlen in der Zeit vom 1. März bis 30. Mai statt. Bei Fehlen eines Betriebsrats (Rücktritt, noch kein Betriebsrat vorhanden etc.) kann auch zu anderen Zeiten gewählt werden. Besteht noch kein Betriebsrat, dann gibt es Besonderheiten hinsichtlich der Bestellung eines Wahlvorstands. Hierzu sollten sich interessierte Beschäftigte bei ihrer zuständigen Gewerkschaft beraten lassen. In kleineren Betrieben von 5 bis 50 Beschäftigten kann im sogenannten „vereinfachten“ Wahlverfahren innerhalb von etwa zwei Wochen ein Betriebsrat gewählt werden. Gleiches gilt für Betriebe mit 51 bis 100 Beschäftigten, sofern Wahlvorstand und Arbeitgeber sich auf das vereinfachte Verfahren einigen. In allen anderen Betrieben gilt das „normale Wahlverfahren“. Danach kann ein Betriebsrat in etwa 10 bis 12 Wochen ins Amt berufen werden. Weitere Informationen unter www.arbeitskammer.de/ betriebsratswahl Verhandlung darüber sogar erzwingen. Der Arbeitgeber müsste also mit dem Betriebsrat verhandeln und das Ergebnis wäre im Betrieb umzusetzen. Aber auch Themen wie Qualifizierung, Überstunden, Sozialplan, Kündigungen, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Betriebsordnungen, Einstellungen, Personalbeurteilungen, Beschwerden, Parkplatzregelungen sowie vieles mehr werden mit Beteiligung des Betriebsrat geregelt. Studien belegen: Die Sicherheit eines Arbeitsplatzes ist häufig davon abhängig, dass es eine Interessenvertretung im Betrieb gibt. Durch sie wird zum Beispiel das Risiko von Fehlentscheidungen redu­ ziert, weil Betriebsräte in ständigem Austausch mit den Beschäftigten und dem Arbeitgeber sind. Betriebsräte sind auch ein Garant für mehr Produktivität in den Arbeitsabläufen bei der Einführung modernerer Arbeitsformen und sie können Promoter von Veränderungsprozessen sein. Immerhin sind Betriebsräte die Experten für die Arbeitsbedingungen und das Erfahrungswissen im betrieblichen Ablauf. Dies belegen auch die jüngsten Beob­achtungen zum Umgang in Krisenzeiten. Starke Mitbestimmungsrechte erlauben es den Betriebsräten, sich für die Interessen der Beschäftigten einzusetzen und sich gegenüber dem Arbeitgeber auch durchzu­ se­t­zen. So sind Betriebsräte beteiligt bei Einstellungen, Versetzungen und Um­ setzungen, sie werden bei Kündigun­gen gehört und können widersprechen. Auch alle Fragen der Arbeitsorga­ nisation sind mit dem Betriebsrat zu erörtern. Dazu gehören zum Beispiel die Themen Arbeitszeitgestaltung, Erg­on­omie, Datenschutz, Gesundheitsschutz und viele andere mehr. Für die Ausgestaltung seiner Arbeit stehen dem Betriebsrat verschieden wir­ kungsvolle „Werkzeuge“ zur Verfügung. So verfügt er über unterschiedlich ausgestattete Beteiligungsrechte und Mitgestaltungsmöglichkeiten. Zu unterschei­den sind dabei „Unterrichtung“ (Arbeitgeber unterrichtet Betriebsrat), „Mitwirkung“ (Arbeitgeber unterrichtet Betriebsrat und berät mit ihm) und „Mitbestimmung“ (Arbeitgeber darf eine Maßnahme erst dann umsetzen, wenn Betriebsrat zugestimmt hat). Im Betriebsverfassungsgesetz ist genau formuliert, wel­ches Instrument wann zur Anwendung kommen kann. Insbesondere die starken Mitbestimmungsrechte erlauben es den Betriebsräten sich für Beschäftigteninteressen einzusetzen und sie gegenüber dem Arbeitgeber auch durchzusetzen. Der Betriebsrat ist also ein unverzichtbares Element einer demokratischen und dabei leistungsfähigen Firmenkultur. Arbeitnehmerkammer Bremen arbeitnehmer Heft 2/2010 29