YK User: SCHUPPAN | Zeit: 05-16-2013 13:57 | Titel: EMXX | Ausg.: 009 | Seite: X038 | Color: CM Wasser + Abwasser Fotos: Eko-Plant Sie sehen idyllisch aus und sind doch hocheffektive Anlagen zur KlärschlammEntwässerung: Schilfbeete. Vererdung von Klärschlamm als nachhaltiges Kreislaufkonzept: Natürlicher Prozess Es müssen nicht immer klassische Pressen sein, die Klärschlamm wirksam entwässern. Eine langfristige und zudem kostengünstige Alternative stellen mit Schilf besetzte Vererdungsbeete dar. Zumal wenn sie – wie in Büsum – ein kompostartiges Endprodukt erzeugen, das alle gesetzlichen Vorgaben für Düngemittel erfüllt. Büsum ist der drittgrößte Urlaubsort an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste. Der damit einhergehende Tourismus führt in der auf 48.000 Einwohnerwerte (EW) ausgelegten Kläranlage, der auch zwei Nachbargemeinden angeschlossen sind, saisonal zu einem stark schwankenden Abwasser- und Klärschlammanfall. Der Schlamm wird seit dreizehn Jahren in vier nachgeschalteten Beeten biologisch entwässert und so in verwertbare Erde verwandelt. Nicht nur das. Die Vererdungsanlage schafft es auch, die im Sommer auftretenden Spitzenwerte ohne Probleme aufzufangen. Den letzten Beleg lieferte die kürzlich abgeschlossene erste Beeträumung. Zuvor hatten die Büsumer ihren Klärschlamm mit einer mechanischen Schlammpresse entwässert. Die war Mitte der 90er Jahre an ihr Limit gekommen. Gleichzeitig wollten die Landwirte der Umgebung den gekalkten Schlamm nicht mehr auf ihren Flächen ausbringen. Die Gemeinde suchte ein alternatives Verfahren mit möglichst hohem Entwässerungs- 38 www.entsorga-magazin.de 9/2012 grad. Idealerweise eines, das die Kosten für Energie, Personal, Konditionierung und Wartung optimiert. Als günstige und gleichzeitig langfristig kostensichere Option empfahl sich die Klärschlammvererdung. Eine Machbarkeitsstudie und konkrete Voruntersuchungen der Eko-Plant GmbH (Neu-Eichenberg/Hessen) zeigten, dass das Volumen der Restschlammmenge um mehr als 90 Prozent reduziert werden würde, bei gleichzeitig geringerem Personalbedarf. Die Anlage ging im Juli 1999 an den Start. Schlamm qualitativ verbessert Insgesamt vier mit Schilf bepflanzte Vererdungsbeete mit einer Fläche von 10.200 Quadratmetern können etwa 390 Tonnen Trockensubstanz (TS) pro Jahr aufnehmen. Auch nach dreizehn Jahren Betrieb funktioniert die Vererdung bestens. Sämtliche Planungsvorgaben werden eingehalten. Die automatisch gesteu- erte Anlage konnte sogar viel länger betrieben werden, als ursprünglich geplant. Der bislang geltende Faustwert für die Räumung beträgt acht bis zehn Jahre. Durch den längeren Betrieb wurde die Schlammmenge am Ende zusätzlich reduziert und zudem qualitativ verbessert. Bei Stilllegung im Juli 2011 war aus 40.143 Kubikmetern eingebrachtem anaerobem Klärschlamm eine Restmenge von 3236 Kubikmetern Klärschlammerde geworden. Das in der Zeit anfallende Filtratwasser wurde – kontinuierlich überwacht – in die Kläranlage zurückgeführt. Die Räumung selbst begann am 22. Mai 2012. Das Beet wurde auf eine definierte Höhe entleert, so dass die Funktion des Drainagekörpers nicht beeinträchtigt ist und ausreichend Rhizome (Wurzelstöcke) für den Schilfaustrieb im Boden bleiben. Direkt nach der Räumung beginnt der Wiedereinfahrbetrieb. In dieser Zeit werden die anderen Beete mehr beschickt, während sich die Wurzelstöcke des Schilfs im geräumten Beet regenerieren. YK User: SCHUPPAN | Zeit: 05-16-2013 13:57 | Titel: EMXX | Ausg.: 009 | Seite: X039 | Color: CM Wasser + Abwasser Endprodukt der natürlichen Klärschlamm-Entwässerung ist erdiges, kompostartiges Düngemittel. Bei dem Vererdungsverfahren spielt Schilf eine Hauptrolle. Rund 35.000 Schilfpflanzen, im Schnitt 3,5 Pflanzen pro Quadratmeter, besiedeln ihren Standort durch ober- und unterirdische Ausläufer in kurzer Zeit. Mit seiner hohen Verdunstungsleistung entwässert das Schilf den Klärschlamm. Waagerecht kriechende Wurzelstöcke und unendlich viele Wurzeln speichern Nährstoffe und bilden ein dichtes Geflecht im Boden. Die Pflanzen leben ohne Probleme in schlammigen und schlickigen Böden. In ihren hohlen Halmen und Wurzelstöcken zirkuliert Luft. Über ein Luftleitgewebe (Aerenchym) versorgt die Pflanze ihre unterirdischen Teile und indirekt, über die Wurzeln, auch die umgebenden Bodenschichten mit Sauerstoff. Hier siedeln sich Mikroorganismen an, die organische Stoffe weitgehend mineralisieren und den Anteil pathogener Bakterien deutlich reduzieren. Im Laufe der letzten 20 Jahre hat die Eko-Plant GmbH zudem ihre Zulauftechniken immer weiter entwickelt. Dabei bewährt sich das Grundprinzip der seitlichen vollautomatischen Beschickung, wie in Büsum, bis heute. Die Beschickungsleitungen werden mittig aus den Seitendämmen der Vererdungsbeete geführt. Über Schieber an den Zulaufbauwerken lässt sich die Verteilung optimal einstellen. Bei der Räumung ist die komplette Beetfläche frei zugänglich. Die integrierte Technik – mit Messung, Kontrolle und Beschickung – kann ganzjährig genutzt werden. Betrachtet man sämtliche Kosten, ist die Vererdung verglichen mit konventioneller me- chanischer Entwässerung, etwa über eine Siebbandpresse, um rund 25 Prozent günstiger. Kalkuliert man auf dieser Grundlage beispielhaft eine Schlammentwässerung für 10.000 EW und 220 Tonnen Trockenmasse (TM), können Jahreskosten von ca. 100.000 Euro für die Siebbandpresse gegenüber 75.000 Euro Jahreskosten für die Vererdung angenommen werden. Ohne Polymere und Kalk Sie setzen sich aus den jährlichen Kostenanteilen für die Investition sowie den Betrieb (u. a. Energie, Personal, Wartung) und die Verwertung (Räumung und Verwertung inkl. Transport) zusammen. Insbesondere die Betriebskosten einer Vererdungsanlage sind im Vergleich mit einem konventionellen Entwässerungssystem um ein Vielfaches niedriger und liegen bei rund 7500 Euro im Vergleich zu 40.000 Euro pro Jahr. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Vererdung komplett ohne Polymere und Kalk zur Klärschlammkonditionierung auskommt. Für Reparatur- und Wartung kann eine Kosten-Pauschale von 500 Euro pro Jahr angenommen werden, da es kaum Verschleißteile gibt. Bei einer Siebbandpresse fallen dagegen bis zu zwei Prozent der Investitionskosten für Wartung und Reparatur an, was etwa dem Zehnfachen des für die Vererdung angesetzten Betrags pro Jahr entspricht. Die Personalkosten sind bei einer maschinellen Entwässerung um etwa das Fünffa- Waagerecht kriechende Wurzelstöcke der Schilfpflanzen speichern Nährstoffe und bilden ein dichtes Geflecht im Boden. che höher, da die Presse an rund 250 Tagen im Jahr mindestens zwei Stunden pro Tag bedient werden muss. Der Zeitaufwand für eine Vererdungsanlage liegt dagegen bei ein bis zwei Wochenstunden für Messungen und Analysen vor Ort. Die technische Wartung der Anlage, das Erstellen der Beschickungspläne und Räumungsprognosen sowie die Überwachung des Vererdungsprozesses übernimmt die Eko-Plant GmbH im Rahmen eines Servicevertrags. Das biologische Entwässerungsverfahren stellt zudem ein nachhaltiges Kreislaufkonzept dar. Der Primärenergiebedarf der Vererdungsanlage für die Klärschlamm- und Sickerwasserpumpe liegt bei circa10 bis15 Prozent im Vergleich zur mechanischen Entwässerung. Über die Nutzungsphase berechnet ist der CO2Ausstoß um einen Faktor von rund fünf geringer. Darüber hinaus wird die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm nicht zuletzt hinsichtlich der Ressource Phosphat künftig einen höheren Stellenwert bekommen. Der in Büsum vererdete Schlamm hält sämtliche Richtlinien und Grenzwerte der aktuellen Düngemittel (DüMV)- und Klärschlammverordnung (AbfKlärV) ein. Weil er zudem gut streufähig ist, kann er problemlos landwirtschaftlich verwertet werden. Die Klärschlammerde hat eine kompostartige Konsistenz und kann mit Breitstreuern und vorgeschalteter Häckselvorrichtung für Halm- und Rhizomreste verteilt werden. www.eko-plant.de Rainer Kuhlendahl, Eko-Plant GmbH 9/2012 www.entsorga-magazin.de 39