Projekt und Linie_Management Projekt und Linie – zwei Welten iStockphoto Bei vielen Projekten werden die Ziele nur teilweise erreicht, weil die Beteiligten nicht reibungsfrei ­zusammenarbeiten. Denn oft nehmen die Mitarbeitenden in der Linie und die Mitarbeitenden in den ­Projekten die Sachverhalte unterschiedlich wahr. Und auch ihre Interessen unterscheiden sich. Oft haben die Mitarbeitenden in Linie und Projekten unterschiedliche Interessen. Die ständigen Konflikte ­zwischen Linie und Projekt – welcher Manager kennt sie nicht? Doch wie lässt sich dieser Grundkonflikt lösen? Der erste Schritt liegt in der Erkenntnis, dass Linie und Projekt aus zwei unterschiedlichen Perspektiven argumentieren. Hierfür ein Beispiel: Einerseits klagt die Linie: «Immer wieder fordern die Projektleiter von uns schnell irgendwelche Sonderlösungen für ihr Projekt und hebeln unser Tagesgeschäft aus.» Die Projektmitarbeiter andererseits klagen: «Die Starrheit und die mangelnde Flexibilität der Linie erschweren uns die Arbeit im dynami- schen Projektgeschehen.» Um die jeweilige Argumentationsweise besser zu verstehen, sollte man sich die Charakteristika der ­beiden Organisationsformen Linie und Projekt vor Augen führen (Grafik 1). Ziele klären Vier Schritte sind notwendig, um aus dem Teufelskreis auszubrechen, in dem sich Linie und Projekt immer gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben: Erstens: Das Top-Management und die Linien- und Projektverantwortlichen müssen zunächst klären: Welche Ziele bestehen in der Organisation und in ­ elcher Beziehung stehen diese w zueinander? Dabei hilft das Erstellen einer Ziel-BeziehungsMatrix (Grafik 2). Daraus wird ersichtlich: Widersprechen sich manche Linienziele mit gewissen Projektzielen und muss deshalb ein betriebswirtschaftlich oder aus Kundensicht sinnvoller Kompromiss zwischen ihnen gefunden werden? In diesem Fall muss das Management eine klare Richtung vorgeben und Prioritäten setzen. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen kann die Zusammenarbeit zwischen Linie und Projekt ausgestaltet werden. Projektorganisation ­bestimmen Zweitens: Definieren und Implementieren einer klaren Projektorganisation. Diese hängt auch von der Bedeutung der Projekte beziehungsweise Projektziele für die Organisation ab – deshalb ist das Festlegen einer Marschrichtung eine wichtige Voraussetzung für diesen zweiten Schritt. Je nach Projektpriorität können drei Ausprägungen angewendet werden: Die Einfluss-Projektorganisation eignet sich vor allem für Projekte mit geringem Umfang und Innovationsgrad sowie geringen Risiken und Bedeutung. Die Matrix-Projekt­ SWISS ENGINEERING MAI 2012 57 Dr. Kraus & Partner Management_Projekt und Linie Dr. Kraus & Partner Grafik 1: Zentrale Charakteristika von Linie und Projekt. Grafik 2: Beispiel einer Projekt-Beziehungs-Matrix. – manchmal bewusst, um eigene Ziele zu realisieren, häufig aber auch unbewusst, ohne die Auswirkungen des eigenen Handelns für die jeweils andere Partei zu sehen. Die Folge ist ein Teufelskreis von gegenseitigen Vorwürfen. Um diese Negativ­spirale zu durchbrechen, braucht es das Prinzip der Jobrotation: Hierbei wechseln die Mitarbeitenden in Zwei- oder Dreijahresrhythmen regelmäs­sig zwischen Linien- und Projektaufgaben – und zwar nicht nur die Projektmitarbeiter, sondern auch die Führungskräfte in der Linie. Dies hat folgende Vorteile: Die Führungskräfte und Mitarbeitenden aus der Linie lernen projekthaft und flexibel in einem dynamischen Umfeld zu arbeiten. Die Linienmitarbeiter verstehen die Ziele, Herausforderungen und Anliegen ihrer Projektkollegen und können reibungsärmer mit ihnen zusammenarbeiten. Zudem arbeiten sie immer wieder mit neuen Kollegen zusammen und erweitern so ihr Netzwerk, was den Wissensaustausch in der Gesamtorganisation fördert. Konfliktkultur fördern organisation empfiehlt sich dagegen bei Projekten, deren Koordinationsaufwand und Priorität zu hoch für eine Einflussorganisation sind. Durch die flexible Zuteilung von Personalressourcen ist sie für das parallele Durchführen mehrerer Projekte geeignet. Die reine Projektorganisation kommt vor allem für umfangreiche Projekte mit einer hohen strategischen Bedeutung zum Einsatz. Alle Projektbeteiligten werden aus den verschiedenen Unternehmensbereichen ausgegliedert und für die Dauer des Projekts einem eigenen Projektbereich zugeordnet. Lenkungsausschuss ­einrichten Eine klar definierte Projektorganisation ist essentiell für erfolgreiches Projektmanagement, denn sie schafft Klarheit darüber, wer zum Projekt gehört und wer zur Linie zählt. Zudem gibt sie einen Eskalationsweg vor, 58 SWISS ENGINEERING MAI 2012 der es ermöglicht, Entscheidungen schnell zu treffen. Häufig liest man in der Fachliteratur, für eine effektive Projektorganisation werde neben einem Projektteam und -leiter auch ein Lenkungsausschuss als ­interner Auftraggeber und oberste Eskalationsinstanz benötigt. In der Praxis genügt bei kleineren und weniger bedeutsamen Projekten meist ein interner Auftraggeber in Form einer Person. Bei einer Matrix-Projektorganisation kann ein Lenkungsausschuss durchaus sinnvoll sein – abhängig von der Zahl der Projekte sowie deren Bedeutung und Interdependenz. Bei einer reinen Projektorganisation ist ein Lenkungsausschuss mit den wichtigsten Interessensgruppen und Entscheidern im Unternehmen dagegen unerlässlich. Viertens: Es wäre ein Irrglaube anzunehmen, durch die Berücksichtigung dieser Empfehlun­gen würden Projekte zu Selbstläufern. Auch die beste Projektorganisation und Prozessbeschreibung kann Konflikte nicht verhindern. Deshalb dürfen Konflikte nicht nur negativ gesehen w ­ erden – sie haben auch eine positive Wirkung. In der Organisation muss eine konstruktive, lösungs­ orientierte Konfliktkultur gefördert werden. Jedoch setzt eine solche Kultur des Mit- statt Gegeneinanders drei Faktoren voraus: Wollen: Die Mitarbeitenden müssen erkennen, welche Vorteile eine positive und konstruktive Konfliktkultur für sie persönlich hat und sie müssen diese umsetzen wollen. Ohne diese Erkenntnis ist jede Förderung zum Scheitern verurteilt. Dürfen: Die Mitarbeitenden und Führungskräfte des mittleren Managements brauchen Vorbilder: Nur wenn die oberen Führungskräfte hierarchie- und bereichsübergreifend an einem Strang ziehen, können sie gemeinsam den Rahmen für eine lösungsorientierte Konflikt­ kultur schaffen. Können: Die Mitarbeitenden der Organisa­ tion müssen dazu befähigt werden zu verstehen, w ­ elche ­Vorteile ein konstruktiver Umgang mit Konflikten hat und wie man Konflikte konstruktiv löst. Dies kann beispielsweise durch Konfliktmanagementtrainings und Einzelcoachings ­erreicht werden. Denn nur ­selten sind Mitarbeiter von ­Geburt an perfekte Konflikt­ löser: Sie müssen diese Kompetenz ­entwickeln. Daniel Krones www.kraus-und-partner.de zudem Linien- und Projektorganisation – Beide haben Vor- und Nachteile · Vorteile der Linienstruktur Klare Entscheidungs- und Kommunikationswege; jeder weiss, was er zu tun hat; effiziente Arbeitsweise bei wiederkehrenden A ­ ufgaben; ­Orientierung und Sicherheit durch gleich bleibende ­Arbeitsbedingungen · Nachteile der Linienstruktur Fehlende Flexibilität; Bürokratie; Dienst nach Vorschrift · Vorteile der Projektstruktur Flexibilität; innovative und kreative Lösungen durch interdisziplinäre Teamarbeit; motivierende Wirkung von Herausforderungen · Nachteile der Projektstruktur Ohne gewisse Standards und Prozesse versinken Projekte im Chaos und Jobrotation einführen erreichen ihre Ziele nicht; Dynamik und Veränderungen können zu einer Drittens: Linie und Projekt argumentieren zumeist ausschliesslich aus ihrer Perspektive Überforderung der Mitarbeitenden führen.