MENSCHEN AUF DER FLUCHT PERSONE IN FUGA FREIWILLIGE DER ZIVILGESELLSCHAFT VOLONTARI DELLA SOCIETÀ CIVILE Binario1 - Bahngleis1 www.binario1bz.it DES IGN - ide eng arten .it WER IST EIN „FLÜCHTLING“? FLÜCHTLING: ein Mensch, der sich außerhalb seines Heimatstaates aufhält, da ihm dort aufgrund seiner Ethnie, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe Verfolgung droht (Genfer Flüchtlingskonvention, 1951). BINNENFLÜCHTLING: ein Mensch, der innerhalb seines Heimatlandes auf der Flucht ist. ASYLBEWERBER_IN: ein Mensch, der in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt hat und noch eine Entscheidung zur Anerkennung eines Schutzstatus abwartet. Neben dem „Flüchtlingsstatus“ gibt es in der EU noch zwei weitere Schutzformen: den zeitlich limitierten subsidiären Schutz und den humanitären Aufenthalt, für Menschen die zwar nicht verfolgt werden, die aber aufgrund der instabilen Situation im Heimatland nicht dahin zurückgeschickt werden könnten, ohne dass dadurch ihr Leben bedroht wäre. 2014 verzeichnete das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) 59,5 Millionen Menschen auf der Flucht, d.h. Menschen, die aufgrund von Krieg, Gewalt, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen aus ihrer Heimat fliehen. Die meisten stammen aus Syrien (3,9 Millionen), Afghanistan (2,6 Millionen) und Somalia (1,11 Millionen). (UNHCR 2014 Global Trends) Syria – 3,9 Millionen Afghanistan – 2,6 Millionen Somalia – 1,11 Millionen Sudan – 666,000 South Sudan – 616,200 Dem.Rep.of Congo – 516,800 Myanmar - 479,00 Central African Rep. – 412,000 Iraq – 369,900 Eritrea– 363,100 Ein Drittel aller Menschen auf der Flucht sind Kinder und Jugendliche, zum Teil auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Sie kommen aus Ländern wie dem Süd-Sudan, Somalia, Afghanistan, Eritrea, Kongo, u.a. 2014 sind in Italien über das Mittelmeer ca. 26.000 Minderjährige angekommen, davon 13.000 unbegleitete Minderjährige: 26% sind nach ihrer Ankunft aus den Erstaufnahmezentren „verschwunden“. WELCHE STAATEN NEHMEN WELTWEIT AM MEISTEN FLÜCHTLINGE AUF? 80% aller Flüchtlinge bleiben in ihrer Heimatregion. Die Länder, die 2014 am meisten Flüchtlinge aufgenommen haben, sind in absteigender Reihenfolge: Türkei, Pakistan, Libanon, Isl. Rep. Iran, Äthiopien, Jordanien, Kenia, Chad, Uganda, China. Grafik: *Flüchtlinge 1.) Türkei – 1,59 Millionen* 2.) Pakistan – 1,51 Millionen* 3.) Libanon – 1,15 Millionen* 4.) Isl. Rep. Iran – 982,000* 5.) Äthiopien – 659,500* 6.) Jordanien – 654,100* 7.) Kenia – 551,400* 8.) Chad – 459,900* 9.) Uganda – 385,500* 10.) China – 301,000* EIN VERGLEICH 2013 waren ca. 2,5 - 3 Millionen syrische Menschen auf der Flucht. Davon hat allein der Libanon im Jahr 2013 rund 851.000 Menschen aufgenommen und registriert, jede 5. Person im Land war bereits 2013 ein syrischer Flüchtling. In der gesamten EU wurden im selben Jahr vergleichsweise nur 50.740 Asylanträge durch syrische Staatsbürger gestellt. EUROPA, ITALIEN & DAS DUBLIN-SYSTEM Derzeit gilt in der EU das Prinzip, dass Menschen auf der Flucht nur einmal internationalen Schutz („Asyl“) in der EU beantragen können, nämlich in dem Mitgliedsstaat, wo sie zuerst angekommen sind („Dublin Verordnung“). Sobald die Menschen ankommen, bzw. wenn sie aufgegriffen werden, werden ihre Fingerabdrücke genommen und in die Europäische Datenbank „Eurodac“ eingegeben. Diese Regelung führt zu einer überdurchschnittlichen Belastung der Mittelmeer-Staaten wie Italien, Griechenland und Malta, aber auch den EU Mitgliedsstaaten im Osten, wie Ungarn. Durch die letzte Überarbeitung der Dublin Verordnung (Dublin III) gibt es für Flüchtlinge, die bereits Familie mit anerkanntem Flüchtlingsstatus in Europa haben, die Möglichkeit auf legalem Wege in dieses zweite EU Land zu gelangen. Diese Regel wird jedoch in der Praxis nicht angewandt! Trotzdem, die EU Statistik zeigt, dass Flüchtlinge in der Praxis eigenständig (und „irregulär“) in Länder wie Deutschland oder Schweden gelangen. Um diese sekundären Bewegungen zu unterbinden, sollen seit Herbst 2015 sogenannte Hotspots (geplant in Italien, Griechenland, Ungarn) die Registrierung und erste Unterscheidung vornehmen: wer durch die Quoten auf andere Mitgliedsstaaten verteilt wird; wer im ersten Ankunfts-Staat seinen Asyl-Antrag machen muss; wer im Schnellverfahren ohne einen Asylantrag abgewiesen wird. In der EU (28) wurden 2014 626.000 Asylanträge gestellt. Andere Länder Deutschland (32%*) *aller Anträge Ungarn (7%) Italien (10%) Schweden (13%) Frankreich (10%) QUOTENREGELUNG Da derzeit diese fünf EU Länder 70% aller Asylanträge verzeichnen, möchte die EU in Zukunft die Verteilung der Flüchtlinge nach einem Verteilungsschlüssel regeln, der auf dem Bruttoinlandsprodukt, der Bevölkerungszahl, der Arbeitslosenquote und der früheren Zahl von Asylbewerbern der Mitgliedsländer beruht. Trotzdem ist es wichtig, auch die Bedürfnisse und „Wahl-Zielländer“ der Flüchtlinge in diese Rechnung aufzunehmen, Kriterien wie Familienangehörige, soziale Netzwerke, Sprachkenntnisse u.a. mit einzubeziehen. Sonst wird die Quotenregelung ebenso restriktiv (und ineffizient) wie die aktuelle Dublin-Verordnung. FLÜCHTLINGSAUFNAHME IN SÜDTIROL In Südtirol werden 1% der in Italien lebenden Asylbewerber_innen und Flüchtlinge aufgenommen, eine kleine Anzahl, ca. 800 Asylbewerber_innen sind es derzeit. Zudem ist Südtirol ein „Durchzugs-Land“ für jene Menschen geworden, die nicht in Italien um Asyl ansuchen, sondern ein anderes EU Land erreichen wollen, obwohl sie durch die Dublin Regulierung verpflichtet wären, in Italien zu bleiben. Diese Menschen „stranden“ an den Bahnhöfen Bozen und Brenner, wo sie aufgrund polizeilicher Kontrollen aufgehalten und gestoppt werden. Die Vereine Caritas und Volontarius sind mit der Begleitung der Asyl-Bewerber_innen beauftragt, die in Südtirol untergebracht sind. Sizilien ........................... 21% Latium ............................13% Apulien .......................... 9% Lombardei ......................9% Kalabrien ........................7% Kampanien .....................7% Piemont ......................... 5% Emilia-Romagna ............ 5% Toskana .......................... 5% Venetien .........................4% Marken ........................... 4% Friaul-Julisch-Venetien ..3% Sardinien ........................3% Ligurien ..........................2% Molise ............................ 2% Umbrien ......................... 2% Abruzzen ........................2% Basilikata ....................... 1% Trentino-Südtirol .......... 1% Aostatal ......................... 0,1% Grafik Aufnahmeverteilung Italien WIE UNTERSTÜTZE ICH MENSCHEN AUF DER FLUCHT? Die Unterstützung von geflohenen Menschen kann eine Hilfe bei der Orientierung im neuen Lebensumfeld sein und kann tolle Momente der Begegnung schaffen, gerade für jene Menschen, die hier bei uns um Asyl angesucht haben! Ehrenamtliches Engagement kann darin erfolgen, sich im Freundeskreis zu organisieren und mit anderen Akteuren, wie kommunale Verwaltungen, Kirchengemeinden, im Migrations- und Flüchtlingsbereich tätige NGOs koordiniert aktiv werden. Wir können Begegnungsmomente schaffen, Sprachunterstützung geben, die Stadt, die Umgebung und verschiedene Angebote zeigen... und vieles mehr! Geflüchtete Menschen sind Personen, die bis zu Ihrer Flucht ein eigenbestimmtes und selbstständiges Leben geführt haben und sich auch hier wieder einen Alltag schaffen müssen. Wir können sie darin unterstützen das „Warten“ im Asylverfahren erträglicher zu machen, Interaktionsund Begegnungsmomente schaffen, gegenseitiges Kennenlernen ermöglichen. Wir können auch Infoveranstaltungen organisieren, Petitionen voranbringen, uns im Alltag gegen Stammtischparolen und Diskriminierung aktiv einsetzen. Wir können an den Bahnhöfen in Südtirol humanitäre Hilfe für Menschen auf der Flucht leisten. sich auf unterschiedliche Art und Weise einbringen. Wir lachen und weinen gemeinsam mit den Menschen, die auf ihrer Flucht in Bozen stranden, wir freuen uns über Jacken, Obst und die vielen helfenden Hände. Auch außerhalb des Bahnhofes setzen wir uns aktiv für eine inklusive, offene Gesellschaft ein und versuchen mit Projekten und Handlungen die in Südtirol untergebrachten Asylbewerber in ihrem neuen Alltag zu unterstützen. Zäunen und Quoten stellen wir uns mit Solidarität und Menschlichkeit in den Weg. Weitere Infos zu Binario1-Bahngleis1 findest du auf unserer Homepage: www.binario1bz.it. BINARIO1 – BAHNGLEIS1 Binario1 – Bahngleis1 ist eine Gruppe von Menschen, die im Frühjahr 2015 angesichts der Situation am Bahnhof Bozen nicht einfach tatenlos zusehen konnten, sondern spontan schnelle, unbürokratische Hilfe für Menschen in einer Notlage organisiert haben. Die „Freiwilligen der Zivilgesellschaft“ sind Bürger_innen aus ganz Südtirol, welche nicht über einen Verein organisiert sind, aus Eigeninitiative und mit Eigenverantwortung handeln und Umbrella March, Bozen im Mai 2015. „Warum kommen alle nach Italien!?!“ Nicht alle Menschen auf der Flucht kommen nach Italien oder nach Europa, im Gegenteil. Flüchtlinge, die Europa über Italien betreten, sind jedoch nach EU Recht verpflichtet, in Italien zu bleiben („Dublin System“). SCHON MAL GEHÖRT? „Machen wir einfach die Grenzen zu!“ Grenzen zu schließen würde die Menschen nicht davon abhalten zu fliehen. Die Flucht wird durch Grenzschließung lediglich erschwert und auch teurer. Das Paradox: trotz internationaler, europäischer und nationaler Gesetze, die das Recht festlegen, dass Menschen einen Asylantrag stellen können, gibt es heute in Europa de facto wenig oder keine Möglichkeiten legal einzuwandern um einen Asylantrag stellen zu können! Menschen auf der Flucht sind somit auf „Schleuser“ angewiesen. Viele Menschen nehmen lieber den Tod in Kauf als im eigenen Land zu bleiben. 1998 bis 2014 sind im Mittelmeer ca. 22.000 Menschen beim Versuch der Überfahrt gestorben. „Wir können nicht alle aufnehmen!“ Tun wir auch nicht. Studien ergeben, dass Menschen auf der Flucht, die es nach Europa schaffen, in jene Länder wollen, wo sie bereits ein soziales Netzwerk haben, und wo es Arbeitsmöglichkeiten gibt (sie wollen bei ihrer Familie und Freunden sein, arbeiten, sich selbst erhalten). Italien steht darum meist nicht auf ihrer „Wunschliste“. Zudem herrschen in Italien teils mangelhafte und unmenschliche Aufnahmebedingungen, die dringend verbessert werden müssen. Aufgrund der Dublin Verordnung sind allerdings viele Flüchtlinge gezwungen in Italien ihren Asylantrag zu stellen. „Helfen wir ihnen zu Hause!“ Genau in diese Richtung lenkt die EU zur Zeit die Entwicklungshilfe (European Agenda on Migration, 2015; Khartoum Prozess“, 2014). Hier ist jedoch Vorsicht geboten, denn „Entwicklungshilfe“ wird oft an die Verhinderung von Migration und Flucht gekoppelt, eine Kombination, die Gefahren mit sich zieht. Welche Folgen hat es, wenn in diesem Prozess Regierungen wie jene Eritreas finanziert werden, einem Land, wo die Menschenrechte nicht garantiert sind, Männer lebens- von der „wir“ im Norden durchaus profitieren! Viele Kriege und Konflikte vor denen Menschen weltweit fliehen, entstehen rund um Ressourcen die wir selbst tagtäglich im Alltag konsumieren, wie Erdöl zum Autofahren oder Coltan für unsere Handys. Rohstoffexport und Waffenimport gehen zudem vielerorts Hand in Hand. Die Verarmung vieler Länder in postkolonialer Zeit ist auch durch Liberalisierung oder Praktiken wie dem Massenfischfang im Senegal oder in Somalia entstanden, die schlimme Folgen für die lokale Wirtschaft haben. „Helfen wir ihnen zu Hause“, also in Ländern wie Syrien, Eritrea, Somalia, heißt auch hier, bei uns zu Hause, umdenken. FREIWILLIGE DER ZIVILGESELLSCHAFT VOLONTARI DELLA SOCIETÀ CIVILE Binario1 - Bahngleis1 www.binario1bz.it Texte: binario1 (www.binario1bz.it) und M. Weissensteiner - Design: E. Kaufmann - NOV 2015 langen Militärdienst leisten müssen, willkürliche Verhaftungen, Folter, Erschießungen dokumentiert werden, keine Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit herrschen? Die ersten und letzten Wahlen haben in Eritrea 1993 stattgefunden, im Jahr als es die Unabhängigkeit erlangte. Andere Antworten sind gefragt! Solange es Kriege gibt und solange eine große soziale und wirtschaftliche Ungleichheit zwischen Ländern im globalen „Norden“ und im globalen „Süden“ herrscht, werden Menschen immer flüchten und versuchen durch Migration ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Es gilt also dieser ungleichen Verteilung entgegenzuwirken,