euronatur - Info Thesenpapier zum Naturschutz 1. Allgemeines Der Naturschutz hat im Laufe der Jahre ein klassisch zu nennendes Instrumentarium entwickelt, das den Anforderungen weder in der Vergangenheit gerecht war noch gegenwärtig oder gar zukünftig gerecht ist oder sein wird: • Landschaftsplanung • Reservatsausweisung • Naturschutzprogramme • Landschaftspflege und -entwicklungskonzepte • Pflege- und Entwicklungspläne • Landschaftspflegerische Begleitpläne • Artenhilfsprogramme • klassischer Artenschutz • naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Problem: • Unbestritten ist jedoch, daß dieses Instrumentarium weiter entwickelt werden muß ohne einzelne Elemente aufzugeben.. Diese klassischen Instrumente des Naturschutzes zielen allerdings in erster Linie auf die "freie" Landschaft, die nicht von anderen Nutzungsansprüchen überzogen ist. Dies sind in Gesamtdeutschland gerade noch 2,6% des Bundesgebietes, während 54,7% landwirtschaftlich, 29,3% forstwirtschaftlich, 11,3% für Siedlungs- oder Verkehrsbauten genutzt werden und 2,2% Wasserflächen zur Flächenbilanz der Naturnutzungen gehören. Lösung: © Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR), Info 08/1998 1 • Naturschutz auf 100% der Fläche durch Nutzungssteuerung und Nutzungskonzepte mit naturschutzfachlicher Zielsetzung für die wesentlichen Nutzungsbereiche: Land-, Forst-, Fischerei- und Teichwirtschaft, Jagd, Sport/Freizeit/Tourismus, Siedlungs- und Verkehrsinfrastrukturentwicklung • Naturschutz als Wirtschaftsfaktor Naturschutz hat eine Wirtschaftsfunktion in Form harter (Tourismus) als auch weicher Standortfaktoren (Ressourcensicherung für Land- Forst- und Fischereiwirtschaft) • Naturschutz als Grundprinzip politischen und wirtschaftlichen Handelns • Naturschutz muß verstärkt zukünftige Entwicklungen in Leitbildern berücksichtigen. z.B. Klimaveränderungen • Naturschutz ist Klimaschutz • .Akzeptanzschaffung bei der Bevölkerung, bei politischen Entscheidungsträgern, Verwaltung, Naturnutzern • Naturschutz ist Nachhaltigkeit (i.S. Sustainability) und dient dem Vorbeuge- und Vorsorgeprinzip • Naturschutz braucht den Wertewandel und schafft Heimat. • Naturschutz braucht die Zusammenarbeit (Kooperationsprinzip) zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Naturschützern. • Beachtung der europäischen Dimension des Naturschutzes in der Fortschreibung des 5. Umweltaktionsprogrammes der EU muß der Naturschutz eine deutliche Würdigung erfahren. Ebenso ist der Naturschutz als gemeinschaftliche Zielsetzung in die Novellierung des Maastricht-Vertrages aufzunehmen. Europäische Naturschutz-rechtssetzungen (VogelschutzRichtlinie und FFH-Richtlinie) umsetzen, beachten und vollziehen. Europäische Verbund- und Vernetzungsplanung auf der Basis national-staatlicher Vorarbeiten und regionaler Voraussetzungen. • Beachtung der internationalen Dimension des Naturschutzes im Sinne der Berner, der Bonner, der Ramsar, der Washingtoner und der Biodiversitäts-Konventionen • Stärkung der politischen Bedeutung des Naturschutzes in den Parlamenten. Einrichtung einer Enquete Kommission Naturschutz im Deutschen Bundestag • Verbesserung der Berichterstattung über den Naturschutz in den Medien. © Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR), Info 08/1998 2 2. Instrumente 2.1 Landschaftsplanung Problem: • nicht flächendeckend • weitgehend unverbindlich und uneinheitlich • Abwägungsprozesse zu ungunsten der Natur. Abhilfe • Verbesserung der Rechtsstellung in Bundes- und Landesnaturschutzgesetzen. 2.2 Flächenschutz Problem: • zu wenig Vorrangflächen für Natur • Zustand und Überwachung der Schutzgebiete ist überwiegend schlecht • Eingriffe finden auch in Schutzgebeiten statt. (vgl. Einigungsvertrag etc) Tabusstatus für NSGs • Reservate bieten für gefährdete Arten häufig keinen ausreichenden Schutz, weil Flächenansprüche nicht berücksichtigt werden, und die Populationen außerhalb der Reservate siedeln • Großräumige Schutzgebiete fehlen • Vernetzungs- und Korridorplanungen fehlen • Entwertung der Schutzgebiete durch äußere Einflüsse (Immissionen). Lösung: • Verbesserung und Erweiterung der einzelnen Schutzgebietskategorien • Verbesserung des Vollzugs • Einrichtung von Verwaltungseinrichtungen mit Vollzugspersonal (Ranger) für zusammenhängende Schutzgebietssysteme • Tabuisierung von Schutzgebieten • Einrichtung von Pufferzonen • Umfassende ökosystemare Schutzansätze • Verbund- und Korridorplanung © Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR), Info 08/1998 3 • Schutzgebietssysteme schaffen • 10 - 15 % Vorrangflächen für Naturschutz 2.3 Eingriffsregelung Probleme: • Vorzugsregelungen für Naturnutzer • keine flächendeckende Anwendung • Definitorische Mängel • keine Berücksichtigung Zeit- und raumbezogener Eingriffe • Abwägungsgebot schwächt Naturschutzbelange • Verhältnis zur UVP. Lösung: • Abschaffung der Vorzugsregelung für Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft • Anwendung auf 100 % der Fläche • raum- und zeitbezogene Eingriffsregelung • Verbesserung der rechtlichen Beziehung zur UVP. 2.4 Artenschutz Problem: • Nachsorge orientiert • bestimmte Arten sind dem Naturschutzrecht entzogen • Vollzugsdefizite durch Personalmangel der zuständigen Fachbehörden. Abhilfe: • vorsorgender und vorbeugender Artenschutz durch Positivlisten • Anpassung der europäischen und internationalen Rahmengesetzgebung 2.5 Finanzen Problem: © Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR), Info 08/1998 4 • mangelnde Mittelausstattung • Akzeptanzmangel. Abhilfe: • Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz für Naturschutz nutzbar machen • Europäische Förderprogramm für Naturschutzmaßnahmen nutzen (Struktur. Regionalfonds) • Flurbereinigungsinfrastrukturen und Finanzausstattungen für Flurbereicherung im Sinne von Biotopverbundmaßnahmen nutzen • Einführung einer Naturschutzabgabe auf Landverbrauch. 3. Umsetzung in Nutzungsbereichen 3.1 Landwirtschaft Problem: • Flächenwirksame Naturnutzung mit hohem Belastungspotential • Chemie- und energieintensiver mechanisierter Anbau • Produktivätsmaximierung • intensive Tierhaltung • vgl. Lübecker Grundsätze des Naturschutzes. Lösung: • Düngemittel- und Pestizidabgabe • Förderung von Landbaumethoden, die ohne chemische Hilfsmittel auskommen (ökologischer, bäuerlicher Landbau) • Einführung von Betreiberpflichten für LW • gerechte Erzeugerpreise • Förderung von Vermarktungskonzepten von Produkten aus naturverträglichem Anbau • Ausgleichszahlungen für Landwirte, die aufgrund naturschutzfachlicher Vorgaben von dieser betriebsweise Abstriche machen müssen. • Förderung der Preisgerechtigkeit für bäuerliche Erzeugnisse • Abkehr vom Paradigma der Produktionsmaximierung • Tierhaltung mit Flächenbindung (1-2 Großvieheinheiten pro Hektar) © Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR), Info 08/1998 5 • Verbot der Massentierhaltung • Ökologische Nachhaltigkeit (Sustainability) in der landwirtschaftlichen Produktion • Änderung der EU-Agrarpolitik im Sinne der Abkehr von der Exportorientierung, und einer klaren Regionalisierung von Produktion und Konsumtion mit gerechten Preisen für Erzeuger, die langfristig die Existenz der Bauern sichert. Abkehr von der Produktionsmaximierung. 3.2 Forstwirtschaft Problem: • Monokulturen • Nachhaltigkeit ohne ökologische Qualität • vgl. Lübecker Grundsätze des Naturschutzes. Lösung: • 10 % Vorrangflächen für Naturschutz im Wald • Flächendeckende Einführung der Prinzipien der naturgemäßen Waldwirtschaft, vor allem im Staatsforstbereich, der eine besondere Vorbildfunktion im Sinne des Naturschutzes zu erfüllen hat • Erhöhung des Totholzanteils • Einbindung der Wälder in eine großräumige Verbundplanung • Verzicht weiteren Ausbaus des forstwirtschaftlichen Wegenetzes • standortgerechter Baumbestand • vgl. Lübecker Grundsätze des Naturschutzes. 3.3 Freizeit/Sport/Tourismus Problem: • Belastungen und Störungen in sensiblen Gebieten • Ausbau von Infrastrukturmaßnahmen • Ferien- und Wochenendsiedlungen. • Lösung: © Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR), Info 08/1998 6 • vgl. Lübecker Grundsätze des Naturschutzes • vgl. LANA Papier zu Freizeitaktivitäten • Wohnumfeld attraktiv gestalten durch Schaffung von Erlebnisräumen und entsprechenden Einrichtungen im direkten Wohnumfeld • Verbesserung der Erholungs- und Freiraumplanung • Förderung von naturverträglichen Freizeitaktivitäten (z.B. Wanderpfade, Reitrouten etc.). 3.4 Verkehr Problem: • vgl. Lübecker Grundsätze zum Naturschutz. Lösung: • vgl. Lübecker Grundsätze des Naturschutzes • aktive Verkehrsvermeidung • Planungsinstrumente nutzen, um durch eine entsprechende Strukturentwicklung Verkehrsvermeidung zu erreichen, in dem funktionale Trennungen der Räume aufgehoben werden • kein weiterer Ausbau des Straßennetzes • Verlagerung des Verkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger • kein weiterer Ausbau der Fließgewässer zu Wasserstraßen. 4. Verbände Problem: • In den letzten Jahren wurden die Beteiligungsmöglichkeiten der Verbände im Zuge der Beschleunigungsgesetze abgebaut. Die Verbändebeteiligung, allerdings hat zu einem hohen Niveau im Verwaltungshandeln geführt, was letztlich zu einem vergleichsweise hohen Umweltschutzniveau geführt hat. Dieser Standortvorteil für Deutschland wird durch die Politik der Entdemokratisierung verspielt. Zwar wird der deutschen Wirtschaft noch eine hohe Qualifikation und Wettbewerbsfähigkeit in den Nachsorgetechnologien (end-of-the pipeTechnologie) bescheinigt, allerdings sind Vorsorge- und Vorbeugetechnologien kaum © Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR), Info 08/1998 7 entwickelt, da entsprechende politische Vorgaben fehlen. Da weder politische Führung, noch Wirtschaft eine entscheidende Wende herbeiführen wollen und somit eine wichtige Option in der Zukunftsicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland verspielen, kommt den Verbänden ohne Zweifel die Bedeutung zur Sensibilisierung zu. Naturschutz ist der wichtigste Ansatz Vorsorge und Vorbeugung in das wirtschaftliche und politische Handeln einzuführen. Dies kann aber nur mit rechtstaatlichen Mitteln geschehen. Lösung: • Hierzu gehört eine Erweiterung der Verbändebeteiligung sowie ein umfassendes Klagerecht. In diesem Sinne sind Verwaltungsgerichtsordnung und das Naturschutzrecht zu novellieren. Autor: Wolfgang Fremuth, Erstveröffentlichung:8/98 Eine Informationsschrift der Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR) Grabenstr. 23, 53359 Rheinbach. Tel: 02226-2045, Fax: 02226-17100. e-mail: [email protected] V.i.S.d.P.: Lutz Ribbe © Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR), Info 08/1998 8