Erlanger Beitr. Petr. Min. 18 73-82 7 Abb. Erlangen 2008 Eine geologisch-mineralogische Exkursion über den Böllsteiner Odenwald von Lengfeld nach Brensbach KONRAD LECHNER 1 Einleitung In den letzten Jahren ist eine große Anzahl von Steinbrüchen und Gruben unwiederbringlich verloren gegangen. Häufig wurden diese zu Deponien umfunktioniert oder im Rahmen der Flurbereinigung zugeschüttet. Manche verbleibenden Brüche sind häufig aus Sicherheitsgründen eingezäunt oder gesperrt und damit für die Allgemeinheit nicht zugänglich. Dadurch haben sich die Aufschlussverhältnisse für Forschung, Lehre und Hobbygeologen bzw. Hobbymineralogen in eklatanter Weise verschlechtert. Auf dieses Problem hat bereits V. FREYBERG 1951 hingewiesen. Es ist nun an der Zeit, dass die wenigen noch verbliebenen Stellen, die einen Einblick in den Gesteinsaufbau ermöglichen, erhalten und geschützt werden. Unter dem Begriff Geotop sind in diesem Zusammenhang für Mittelfranken und Oberfranken bereits sehr ansprechende Schriften verfasst worden. Ein solches Angebot betrachtet heute auch die Mehrzahl der Wanderer als wertvolle Bereicherung ihres Ausfluges. Der vorliegende Beitrag beschreibt eine Streckenwanderung für einen Tag von etwa 19 km im nördlichen Odenwald, wobei zahlreiche gut zugängliche Aufschlüsse und geologisch interessante Stellen berührt werden. Kulturkundliche Sehenswürdigkeiten an der Wanderstrecke werden ebenfalls kurz erwähnt. 2 An- und Abreise sowie Hinweise ÖPNV: Bhf. Lengfeld (Ausgangspunkt) und Bhf. Reinheim liegen an der Odenwaldbahn. Das Ziel Brensbach ist mit dem Bhf. Reinheim durch täglich verkehrende Busse verbunden. Auskunft: Rhein-Main-Verkehrsverbund (Tel. 018 05 / 76 84 63 6, e-Mail: [email protected]). PKW: Lengfeld liegt an der B 426 zwischen B 38 (Reinheim) und B 45. Alle Angaben zur Orientierung beziehen sich auf die Topographische Freizeitkarte 1 : 20 000 Nr. 3 Breuberger Land 2000, Hessisches Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformationen, ISBN 3-89446-301-5, 7 Euro. Die Koordinatenangaben der Fundorte in der Reihenfolge Länge / Breite erfolgt aus dem UTM-Gitter der Zone 32. 74 Eine geologisch-mineralogische Exkursion über den Böllsteiner Odenwald 3 Wegebeschreibung und kulturkundliche Angaben Etwa 19 km und 5 h 15 min Gehzeit Vom Bhf. Lengfeld (0 km) entlang der Eisenbahnlinie nach Westen zur Habitzheimer Str. und auf dieser nach links in den Ort zur Kirche. Der stattliche Saalbau aus dem 18. Jh. enthält Emporen und eine Kanzel aus der Bauzeit. Der im Unterbau noch romanische Turm besitzt Schallarkaden und einen Spitzhelm. Weiter in südlicher Richtung auf der Bismarckstraße an Fachwerkhäusern vorbei zum Alten Rathaus (0,8 km) von 1717 mit Straßendurchfahrt, Fachwerkoberbau und Heimatmuseum. Dann mit der Markierung NK1 auf der Otzbergstraße, bis an einer Biegung rechts ein Fahrweg nach Hering abbiegt. Auf diesem mit der Markierung NK1 zu einem Weg, der rechts um den Ort herumführt. Etwa 75 m nachdem die Zinselsgasse links abbiegt befindet sich links am Weg der Aufschluss 4.1. Zurück zur Zinselsgasse u. auf dieser mit Markierung Nr. 4 aufwärts in den Ort. Hier rechts auf dem Burgweg, aufwärts zum Tor der Festung Otzberg. Dann ohne Markierung links in die Festung und auf den Turm zum Exkursionspunkt 4.2. (2,2 km) Zurück zum Tor und links weiter um die Festung. Der Weg mündet in die Straße „Zum Bergfried“, wo sich links der Aufschluss 4.3. befindet. Weiter auf der Straße „Zum Bergfried“ zur Odenwaldstraße. Auf dieser in Ost-Richtung mit der Markierung blaues Viereck über die L 3318 (1,4 km) in den Wald zu einer Wegekreuzung. Etwa 300 m nordnordwestlich befindet sich der Aufschluss 4.4. Zurück zur Wegekreuzung und weiter mit der Markierung rotes Kreuz (bleibt bis Hassenroth). Man gelangt zunächst an eine Straßenkreuzung mit Gedenkstein aus verkieseltem Baryt. Wo der Weg nach einer Wiese links von der Straße abbiegt erreicht man nach etwa 120 m den Aufschluss 4.5. und nach weiteren 800 m kurz vor der Querung der Straße, 10 m links vom Weg den Aufschluss 4.6. Nach Querung der Straße (2,7 km) gelangt man nach Hassenroth (1,5 km). Etwa in der Ortsmitte biegt man nach links ab und folgt der Markierung weißer Balken. 100 m nach Querung der L 3318 an einer WG rechts ab und nun ohne Markierung. 80 m vor dem Wald wieder rechts und an den Waldrand. Weiter auf einem Weg am Saum des Waldes entlang zu Felsen links am Wegrand (4.7.) und nach Querung eines Baches zu einer Felsgruppe rechts des Weges (4.8). Dann führt der Weg etwa in Südost-Richtung durch ein Wäldchen. Anschließend am Waldrand entlang bis zu einem breiten Weg, der in West – Ost – Richtung verläuft (1,9 km). Auf diesem mit der Markierung Hu 2 kurz nach links, dann rechts abwärts bis kurz vor Annelsbach und ohne Markierung geradeaus weiter an den westlichen Ortsrand (0,5 km). In Annelsbach befinden sich mehrer Gasthäuser. Weiter mit der Markierung gelbes Kreuz zunächst in einem Tal aufwärts zum Aufschluss 4.9. der sich rechts an der Böschung befindet. Nach zwei Wegebiegungen gelangt man in Hummetroth zur L 3318 (1,9 km). Nach deren Querung ohne Markierung etwa in West – Richtung durch den Ort und auf Feldwegen an den Waldrand, wo man auf die Markierung rotes Kreuz trifft. Mit dieser auf aussichtsreichem Weg nach S bis zu einer Wegekreuzung (1,9 km), wo man wieder auf die Markierung gelbes Kreuz trifft (bleibt bis Brensbach). Dabei kommt man am Schafhof vorbei, tangiert die L 3106 und erreicht Brensbach oberhalb des Friedhofes. Hier geht man rechts am Friedhof entlang, dann links auf dem „Römerberg“ hinab zur spätgotischen Kirche mit Steinkanzel aus dem 16. Jh. (Schlüssel im Pfarrhaus) und zur Hauptstraße, auf der man nach rechts die Bushaltestelle (4,2 km) erreicht. Eine geologisch-mineralogische Exkursion über den Böllsteiner Odenwald 75 Abb. 1: Exkursionsroute und Exkursionspunkte 4 Exkursionspunkte 4.1. Aufgelassener Steinbruch am Weg NK 1 und R4 etwa 200 m NNW Ruine Otzberg Ost: 0493590 Nord: 5518763 Makroskopisches Bild u. Lupenvergrößerung Schwarze Grundmasse mit kleinen Ensprenglingen aus Olivin (olivgrün), Titanaugit (schwarz, glasartig glänzend) und Serpentin (gelb bis orange). Noch kleinere farblose glasartige Partikel in der Grundmase sind wahrscheinlich Spaltflächen von Titanaugit. Mikroskopisches Bild (Abb. 2 u. 3) Hauptphase: Titanaugit + Olivin + Serpentin (umgewandelte Mafite) und Carbonat. Nach NICKEL (1985) handelt es sich um Olivinnephelinit. Nephelin war in unserer Probe nicht enthalten. Die in mehreren Schriften auftretende Bezeichnung Otzbergbasalt ist für die Stelle der Probenentnahme nicht ganz korrekt, da kein Plagioklas enthalten ist. Da die Probe aus einem tiefen Bereich des ehemaligen Schlotes stammt, ist es denkbar, dass die schweren Bestandteile abgesaigert sind. Der „Olivinnephelinit“ enthält auch gefrittete Einschlüsse von Buntsandstein und Granitgeis. 76 Eine geologisch-mineralogische Exkursion über den Böllsteiner Odenwald Abb. 2: Probe 4.1. Bildbreite 1,12 mm, LPL (linear polarisiertes Licht) Großer Olivin-Einsprengling mit unregelmäßigen Spaltrissen, rechts davon Titanaugit, Grundmasse mit kleineren Einsprenglingen von Olivin und Titanaugit. Abb. 3: Probe 4.1. Bildbreite 1,12 mm, gekreuzte Polarisatoren Großer Olivin-Einsprengling mit unregelmäßigen Spaltrissen und lebhaften Interferenzfarben, der kleine Einsprengling unmittelbar am rechten Rand des großen Olivins ist etwa senkrecht zu einer seiner beiden optischen Achsen geschnitten und hat daher eine niedrige graue Interferenzfarbe, der Titanaugit rechts vom Olivin befindet sich in der Auslöschungsstellung und hat deshalb eine anomale Interferenzfarbe, Grundmasse mit kleineren Einsprenglingen von Olivin und Titanaugit. Eine geologisch-mineralogische Exkursion über den Böllsteiner Odenwald 77 4.2. Ausblick vom Turm der Ruine Otzberg nach Geologischer Übersichtskarte von Hessen (1985) Im Norden und Nordwesten erstreckt sich das Reinheimer Becken, eine Tertiär-Senke, die zudem weitgehend von Sedimenten des Quartärs bedeckt ist. Westlich des Otzberges zwischen Lengfeld und Nieder-Klingen sind im Löss Gräben eingeschnitten, die heute als Trockentäler zu bezeichnen sind. Man erkennt sie auch an den Gehölzen in einer sonst weitgehend gerodeten Landschaft. In norddordöstlicher Richtung am Rand des Reinheimer Beckens liegt Gross-Umstadt, rechts davon der Hainrichsberg. An dessen W-Hang wird auf Lössböden Wein angebaut. Oberhalb des Hainrichsberges erstreckt sich der dicht bewaldete Buntsandstein-Odenwald nach Süden. Südlich des Otzberges liegt der Böllsteiner Odenwald, der überwiegend aus Gneisen besteht. Südwestlich des Otzberges befindet sich der Bergsträßer Odenwald mit seinen herausragenden Bergkuppen aus Magmatiten 4.3. Säulenförmige Abscheidung des Vulkanits an der Straße „Zum Bergfried“ unmittelbar unterhalb der Burg Ost: 0493718 Nord: 5518605 Geschütztes Naturdenkmal mit zahlreichen völlig frei liegende Säulen. Es handelt sich um die auskristallisierte Schmelze im Schlot eines ehemaligen Vulkans. Die im Idealfall sechseckige Ausbildung entstand bei der Abkühlung. Man nimmt an, dass im Tertiär im heutigen Gebiet Schwarzwald-Odenwald-Vogesen eine Aufwölbung entstand, die zum Einbruch des Rheingrabens führte. Der unter der Aufwölbung vorhandene Magmakörper brach hier vor 22 Millionen Jahren durch und bildete den Otzberg-Vulkan. Der Vulkankrater und die ausgetretenen Lavaströme sind längst abgetragen. Das harte Gestein des Schlotes widerstand der Abtragung länger als die Gesteine der Umgebung. So entstand der heutige Otzberg. Der Otzberg-Vulkan liegt auf einer Störungslinie, die sich bis Heidelberg nachweisen lässt. Diese reicht bis in die Zeit der variskischen Gebirgsbildung zurück und wurde im Tertiär reaktiviert. 4.4. Halden und Pingen E Otzberg Ost: 0494525 Nord: 5518748 Fundstelle von Hämatit in Form von glitzerndem, dünnblättrigem Eisenglimmer, grobkristallinem Eisenglanz, Schwerspat und Quarz, der auf Klüften auch in Form von Bergkristallen vorkommt. Nach WALGER (1955) gibt es im Odenwald zahlreiche Gänge, die teilweise auch das Deckgebirge durchschlagen. Verbreitet sind unverkieselte oder verkieselte Barytgänge, die oft auch Erz führen. Der Bergbau ist seit dem 1. Weltkrieg erloschen. 78 Eine geologisch-mineralogische Exkursion über den Böllsteiner Odenwald 4.5. Aufschluss an der Straße L 3318 und am Wanderweg + (rot) etwa 800 m NNE des Berges Klingelskopf Ost: 0495111 Nord: 5517421 Makroskopisches Bild und Lupenvergrößerung Das feinkörnige, etwas rötliche Gestein zeigt eine sehr schwache Paralleltextur, die durch ein dunkles Mineral bedingt ist. Diese erweist sich als Biotit, der in Form von schwarzen glänzenden Blättchen auftritt. Außerdem erkennt man vor allem Quarz an seiner rauchgrauen Farbe, dem muscheligen Bruch und Fettglanz. Granit mit leichter Gneistextur 4.6. Aufschluss am Wanderweg + (rot) etwa 600 m E des Berges Klingelskopf Ost: 0495406 Nord: 5516617 Makroskopisches Bild und Lupenvergrößerung Entspricht dem Vorkommen 4.5. Mikroskopisches Bild (Abb. 4): Kalifeldspat, Quarz (teilweise gerundet im Feldspat), Plagioklas, Biotit, Muscovit, Erz, Zirkon und etwa 1 % Granat. Dieser weist darauf hin, dass bei der Entstehung ein metamorphes Gestein aufgeschmolzen wurde. Granit mit leichter Gneistextur Abb. 4: Probe 4.6. Bildbreite 1,12 mm, gekreuzte Polarisatoren Idiomorpher Granat mit Einschlüssen von Muscovit, der an den leuchtenden Interferenzfarben innerhalb des isotropen und dadurch schwarzen Granats zu erkennen ist. Links schließen sich Erz und nicht idiomorpher Granat mit Einschlüssen von Feldspat mit grauer Interferenzfarbe an. In der Umgebung befinden sich Feldspäte, die an der beginnenden Umwandlung von dem ebenfalls benachbarten Quarz zu unterscheiden sind. Eine geologisch-mineralogische Exkursion über den Böllsteiner Odenwald 4.7. Aufschlus etwa 400 m E Hassenroth am Waldrand vor der Bachquerung Ost: 0495866 Nord: 5515163 Makroskopisches Bild und Lupenvergrößerung Unterschied gegenüber 4.5. und 4.6. höherer Biotitgehalt Mikroskopisches Bild (Abb. 5 u. 6): Kalifeldspat, Quarz (teilweise gerundet im Feldspat), Plagioklas, Biotit, Muscovit, Erz, Granat und Zirkon. Granit mit leichter Gneistextur Abb. 5: Probe 4.7. Bildbreite 1,12 mm, gekreuzte Polarisatoren Gerundeter Quarz, frisch und unzersetzt ist im Feldspat eingeschlossen. Am unteren Rand befindet sich Plagioklas, den man an seiner Zwillingslamellierung erkennt. 79 80 Eine geologisch-mineralogische Exkursion über den Böllsteiner Odenwald Abb. 6: Probe 4.7. 1,12 mm, LPL Etwas rechts von der Mitte befinden sich Granat, der an seinem starken Relief zu erkennen ist. Dieser umschließt Quarz und grenzt an Erz. Außerdem ist Feldspat mit Abbauprodukten zu erkennen. 4.8. Aufschluss etwa 400 m E Hassenroth am Waldrand nach der Bachquerung Ost: 0495958 Nord: 5515077 Makroskopisches Bild und Lupenvergrößerung Unterschied gegenüber 4.7. wesentlich größere Minerale und stärkere Paralleltextur Mikroskopisches Bild: ähnlich 4.7. aber Granat und Zirkon konnten nicht nachgewiesen werden. Granit mit Gneistextur Eine geologisch-mineralogische Exkursion über den Böllsteiner Odenwald 81 4.9. Aufschluss etwa 500 m W Annelsbach Ost: 0496255 Nord: 5514298 Makroskopisches Bild und Lupenvergrößerung Deutlich dunkler als 4.6., 4.7. und 4.8. durch hohen Biotitanteil Mikroskopisches Bild (Abb. 7): Kalifeldspat, Quarz, Plagioklas, Biotit (etwa 23 %), Muscovit und Granat, deutlich paralleltexturiert. Gneis Abb. 7: Probe 4.9. Bildbreite 2,24 mm, gekreuzte Polarisatoren Muscovit mit leuchtenden Interferenzfarben und Verbiegungen, die auf eine tektonische Beanspruchung hinweisen. Der Muscovit ist vor allem von Biotit umschlossen, dessen Interferenzfarben durch die Eigenfarbe nicht so deutlich in Erscheinung treten. Außerdem ist Quarz an seinem frischen und unzersetzten Zustand zu erkennen. Am oberen Bildrand befindet sich Mikroklin mit der charakteristischen Gitterung und Abbauprodukten. Anmerkung: Die Bezeichnung der Gesteine an den Fundorten 4.7., 4.8. und 4.9. stimmt mit den Angaben in der Karte des Geologischen Führers Nr. 65 nicht ganz überein. 82 Eine geologisch-mineralogische Exkursion über den Böllsteiner Odenwald 5 Literatur CHATTERJEE, N. D., (1960) Geologische Untersuchungen im Kristallin des Böllsteiner Odenwaldes. – N. Jb. Geol. Abh. 111: 137-180, Stuttgart. FREYBERG, B. V., (1951) Rettet unsere Aufschlüsse, Geol. Bl. NO-Bayern 1, 74 – 75, Erlangen. NICKEL, E., (1985) Odenwald, Berlin · Stuttgart, Sammlung Geologischer Führer Nr. 65. WALGER, E., (1955) Über die Odenwälder Schwerspatgänge und ihre Entstehung. In: Aufschluss-Sonderheft 2 (1955): Neue Beiträge zur Kenntnis der Mineral- und Gesteinswelt des Odenwaldes. (Hrsg. K. F. Chudoba).- Rossdorf/Darmstadt (VFMG). Geologische Übersichtskarte von Hessen 1 : 300 000, Hessisches Landesamt für Bodenforschung, Wiesbaden 1989. Kontakt: Dr. Konrad Lechner Ringstraße 36 D-91413 Neustadt a. d. Aisch E-Mail: [email protected]