Wirtschaft | Abrechnungstipps Suchtmedizin als Kassenleistung Entwöhnungen oder Substitutionsbehandlungen von Abhängigen sind grundsätzlich nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen berechnungsfähig, ausgenommen Substitutionsbehandlungen bei Opiatabhängigen. „der niedergelassene arzt“ gibt Hinweise zur Abrechnung von Suchtbehandlungen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen. A bhängige konsultieren ihren Hausarzt zumeist dann, wenn die Abhängigkeit noch nicht zu Folgeerkrankungen geführt hat oder ein durch die Sucht bedingter sozialer Abstieg noch nicht eingetreten ist. Stellt der Hausarzt das Vorliegen einer Sucht bei einem Patienten fest oder offenbart sich ein Patient von sich aus dahingehend, dass er abhängig ist und eine Behandlung wünscht, sind die entsprechenden Suchtformen als Behandlungsdiagnosen mit dem entsprechenden ICD-10-Code anzugeben, so zum Beispiel die Abhängigkeit von ­Nikotin mit dem Code F17.2, von Alkohol mit F10.2, bei Spielsucht mit F63.0 und so weiter. Die vordringliche und klassische Behandlung einer Sucht besteht darin, den Abhängigen möglichst zu entwöhnen. Entwöhnungsbehandlungen – ausgenommen die substitutionsgestütze Behandlung Opiatabhängiger, abzurechnen nach den Positionen 01950 bis 01956 EBM – sind nicht zu Lasten der GKV berechnungsfähig. Suchen Patienten ihren Hausarzt auf, weil sie sich wegen einer Sucht behandeln lassen möchten, ist klarzustellen, dass derartige Behandlungen nur als Selbstzahlerleistungen (IGeL) möglich sind. Die erste Konsultation sollte allerdings zu Lasten der GKV über die Krankenversichertenkarte abgerechnet werden, da die Patienten in der Regel davon ausgehen, dass mit der Abhängigkeit eine Erkrankung vorliegt. Führen allerdings Abhängigkeiten, so zum Beispiel von Alkohol oder Nikotin, bei längerem Abusus zu Folgeerkrankungen, ist deren Behandlung zu Lasten der GKV durchzuführen. Bei vielen alltäglichen Suchtformen weisen die Betroffenen zwar eine gewisse Abhängigkeit und Auffälligkeit auf, Zeichen einer manifesten Erkrankung bestehen aber zumeist nicht, so zum Beispiel bei der Internetsucht, Kaufsucht, Arbeitssucht, Spielsucht und so weiter. Es gibt nahezu keine Tätigkeit im Alltagsleben, deren Ausübung sich nicht zu einer Sucht entwickeln kann, bei der Betroffene eine Behandlung durch ihren Hausarzt wünschen. Suchtbehandlung als GKV-Leistung Zumeist berichten Patienten über eine bestimmte Sucht, wenn sie ohnehin aus anderen Gründen bei ihrem Hausarzt in Behandlung sind. Häufig werden Süchte auch von Angehörigen der Betroffenen vorgetragen. Die Beratung zu einer Sucht ist bei mindestens 10 Minuten Dauer je vollendete 10 Minuten nach 03230 EBM berechnungsfähig, die auch berechnet werden kann, wenn die Erörterung der Pro­bleme eines Suchtkranken mit einer Bezugsperson geführt werden. Abhängige als Chroniker Bei vielen Abhängigen gelingt es nicht, diese von ihrer Sucht zu befreien. Kommen Abhängige regelmäßig wegen derselben Sucht zur Behandlung, können die Voraussetzungen zur Abrechnung der Chronikerpauschalen 03220 und 03221 gegeben sein, wenn im Zeitraum der letzten vier Quartale wegen derselben gesicherten Suchterkrankung jeweils mindestens ein Arzt-Patienten-Kontakt pro Quartal in mindestens drei Quartalen – davon zwei persönliche – in derselben Praxis stattgefunden hat. Sucht zum Beispiel ein von einer Spielsucht betroffener Patient seinen Hausarzt entsprechend den Vorgaben zur Berechnung der Chronikerpauschalen auf, ist im Zeitraum der letzten vier Quartale jeweils derselbe ICD-10-Code F63.0 (Spielsucht) als gesicherte Erkrankung mit dem Zusatz G anzugeben. 35 — der niedergelassene arzt 02/2017 Wichtig • Entwöhnungs- und Substitutionsbehandlungen sind nicht zu Lasten der GKV berechnungsfähig, ausgenommen bei Opiatabhängigen • 03230 EBM: Erörterungen mit Suchtkranken oder mit deren Bezugspersonen • Bei chronisch Suchtkranken Chronikerpauschalen 03220 und 03221 • Psychosomatische Behandlungen Suchtkranker: 35100 und 35110 EBM, ICD-10-Codes mit „F“ angeben Psychosomatik Bei den verschiedenen Arten von Süchten können sich Abhängigkeitssyndrome entwickeln, die einer psychosomatischen Behandlung bedürfen. Wird die differential­diagnostische Abklärung psychosomatischer Krankheitszustände nach 35100 EBM abgerechnet, ist unbedingt der Zusammenhang zwischen der vorliegenden Sucht und der zu behandelnden psychischen Verhaltensstörung zu dokumentieren. Bei Abhängigkeiten von Alkohol können sich psychische Verhaltensstörungen (F10.8) ergeben, ebenso bei Abhängigkeiten von Nikotin (F17.8) und so weiter. Hinweis: Die KVen prüfen vermehrt, ob bei Abrechnung der psychosomatischen Grundversorgung nach 35100 und 35110 EBM plausible Diagnosen angegeben wurden. Dabei wird vorwiegend geprüft, ob ICD-10-Codes mit dem Buchstaben „F“ angegeben sind. Alle Tipps mit Stichwort-Suchfunktion und Archiv finden Sie auch unter www.abrechnungstipps.de – kostenlos! Wirtschaft | Abrechnungstipps Allergologisches Labor – auch beim Hausarzt Viele Laborleistungen im Zusammenhang mit Allergiediagnostik sind auch in der hausärztlichen Praxis möglich und dürfen auch vom Hausarzt selbst berechnet werden. A ls „allergologisches Labor“ betrachten wir hier die spezifischen Untersuchungen der Allergiediagnostik, nicht solche, die zwar auch im Zusammenhang mit Allergien durchgeführt werden, dafür aber nicht spezifisch sind (z. B. Blutbild, BSG). Laborgemeinschaft Wohl jedem Arzt bekannt ist, dass Leistungen des Abschnitts M II der GOÄ (Basislabor) auch dann berechnet werden dürfen, wenn das entnommene Material zur Durchführung der Laboruntersuchung in die Laborgemeinschaft geschickt wurde. Trotzdem trifft man ab und an auch Haus­ ärzte an, die nicht Mitglied einer Laborgemeinschaft sind! In den Abschnitt M II der GOÄ fallen auch die Nr. 3571 GOÄ (Immunglobulin (IgA, IgG, IgM), Ligandenassay ..., je Immunglobulin, 1,15-fach 10,05 €) und 3572 GOÄ (Immunglobulin E (IgE), Ligandenassay ... , 1,15-fach 16,76 €). Nr. 3571 GOÄ darf für jedes Immunglobulin (IgA, IgG und IgM) und jede Subklasse (z. B. IgG2) einzeln berechnet werden. Versand- und Portokosten dürfen zu den Leistungen des Abschnitts M II nicht berechnet werden. Laborleistungen des Speziallabors Leistungen des Speziallabors darf der Arzt nur dann berechnen, wenn er die Laboruntersuchung selbst durchgeführt hat. Bei Versand des Materials an einen anderen Arzt zur Durchführung der Laboruntersuchungen muss die Rechnungsstellung durch diesen anderen Arzt (i.d.R. ein Laborarzt) erfolgen. Speziallaborleistungen im Zusammenhang der Allergiediagnos- tik können teilweise durchaus auch beim Hausarzt selbst erfolgen – und dann auch selbst berechnet werden. Für die Untersuchung allergenspezifischer IgE kann nicht n-mal die Nr. 3572 GOÄ berechnet werden. Die Untersuchungen fallen unter die Nr. 3890 GOÄ (Allergenspezifisches Immunglobulin (z.B. IgE), Mischallergentest ... Einzelansatz ... qualitativ, bis zu vier Mischallergenen, je Mischallergen, 1,15fach 16,76 €) bzw. Nr. 3891 GOÄ (Allergenspezifisches Immun­globulin (z.B. IgE), Einzelallergentest (z. B. RAST), im Einzelansatz ..., bis zu zehn Einzelallergenen, je Allergen, 1,15-fach 16,76 €). Durch „z. B. IgE“ kann auch die Bestimmung anderer Immunglobuline (z. B. IgG) nach diesen Ziffern berechnet werden. Durch „z.B. RAST“ fallen auch andere Untersuchungsmethoden (z. B. EAST) unter diese Ziffern. Zu Nr. 3890 GOÄ kann die Untersuchung jeder Allergenmischung erneut mit Nr. 3890 GOÄ berechnet werden, bis zu viermal. Bei Nr. 3891 GOÄ kann die Bestimmung jedes Einzelallergens berechnet werden, bis zu zehnmal. Trägergebundene Testsysteme Trägergebundene Testsysteme sind nicht nach den Nrn. 3890 und 3891 GOÄ berechnungsfähig, sondern nach den Nrn. 3892 bis 3894 GOÄ. Nr. 3892 GOÄ umfasst trägergebundene Bestimmungen mit mindestens vier Einzel- oder Mischallergen auf dem Träger, Nr. 3893 und 3894 GOÄ Einzelallergentests mit mindesten neun bzw. mindestens zwanzig Einzelallergen auf dem Träger. Nr. 3892 GOÄ ist „je Träger“ berechenbar, bei den Nrn. 3893 bzw. 3894 GOÄ führt „insgesamt“ dazu, dass sie nur dann mehrfach berechnet werden können, wenn ein anderer Träger mit gänzlich anderem Allergenpanel verwendet wird. Da es Testkits gibt, welche die Untersuchungen auf relativ einfache Weise auch in der eigenen Praxis ermöglichen und die GOÄ-Nrn. nicht ausdrücklich eine quantitative Bestimmung verlangen, führen man36 — der niedergelassene arzt 02/2017 Wichtig • Laborleistungen der Nrn. 3571 und 3572 sind aus der Labor­ gemeinschaft beziehbar und selbst abrechenbar. • Bestimmungen allgenspezifischer Immunglobuline mit trägergebundenen Testsystemen sind auch in der eigenen Praxis leicht durchführbar. Hier treffen dann die Nrn. 3892 bis 3894 GOÄ zu. • Bei Abrechnung von Speziallaborleistungen, die nicht in der eigenen Praxis durchgeführt werden, empfehlen wir ggf. Rechtsberatung einzuholen. che Hausärzte semiquantitative Untersuchungen in der eigenen Praxis durch. Dies ist bisher unumstritten und angesichts der GOÄ-Leistungslegenden wären Einwände auch nur schwer begründbar. Eine attraktive Vergütung allein ist kein gegen die Abrechnung durch den Hausarzt geltendes, gebührenrechtlich relevantes Argument. Außerhalb der eigenen Praxis Es gibt z. B. „Privatärztliche Gemeinschaften“ oder „Apparategemeinschaften“, bei denen der Hausarzt nur bei einem Teil der Durchführung von Speziallaborleistungen im Labor ist, z. B. nur zur Validierung der Ergebnisse. Solche Umstände sind Gegenstand laufender gerichtlicher Verfahren und staatsanwaltlicher Ermittlungen wegen Abrechnungsbetruges. Damit wird hier nicht gesagt, dass die Ärzte im Unrecht seien, aber dass Betroffene unbedingt Rechtsberatung einholen sollten. Alle Tipps mit Stichwort-Suchfunktion und Archiv finden Sie auch unter www.abrechnungstipps.de – kostenlos! Wirtschaft | Abrechnungstipps Den Patienten „schröpfen“ Schröpfen heißt: Ein uralte Heilmethode anwenden. Die Bedeutung im umgangssprachlichen Sinne (jemanden mit List um unverhältnismäßig viel Geld zu erleichtern) trifft hier gerade nicht zu. B eim Schröpfen unterscheidet man in unblutige und blutige Verfahren. Die Behandlung mit Schröpfgläsern (Schröpfglocken) gehört zu den unblutigen Verfahren (ein blutiges Verfahren ist z.B. der Aderlass). Schröpfen ist schon seit dem Altertum bekannt. Gegenüber dieser Zeit, wo der Arzt zur Erzeugung des Unterdrucks an einem an der Spitze aufgebohrten Kuhhorn saugte, hat sich die Methodik erheblich geändert. Wirkweise und Indikationen Schröpfen ist die umschriebene Einwirkung auf Körpergewebe durch Erzeugung eines Unterdrucks. Dadurch wird dort die Durchblutung erhöht, der Lymphfluss erhöht und Blockaden gelöst, auch entfernt liegende Organe reagieren reflektorisch. Bei normaler Blutgerinnung ist beim sachgerecht durchgeführten Schröpfen keine schädliche Wirkung zu erwarten. In der Regel rasch abklingende Schwellungen, Rötungen und manchmal auch stärker ausgeprägte Hämatome sind harmlos. Indikationen sind vor allem Durchblutungsstörungen von Haut und Unterhautgewebe, Myogelosen, Myalgien, HWS-Syndrom, Lumbago, Ischialgien, Muskelverspannungen, aber auch z.B. Verdauungsstörungen. Durchführung und Abrechnung Sozusagen „naturgemäß“ ist die zu behandelnde Köperregion v.a. der Rücken, aber ggf. auch der HWS-Bereich. Zur Verstärkung der Wirkung erzeugt man zunächst mit Rotlicht eine Hyperämie. Dann setzt man je nach Areal bis zu zehn Schröpfköpfe auf und lässt sie für etwa 10 bis 15, auch bis 30 Minuten einwirken. Dabei kann man durch Wahl von Wichtig • Schröpfen ist eine von Patienten sehr akzeptierte und i.d.R. auch preiswerte IGe-Leistung. • Für den Arzt ist der Erlös je Sitzung bei Berechnung mit den unmittelbar einsichtigen GOÄ-Ziffern nicht sehr hoch, andererseits erfordert Schröpfen auch keine wesentliche Investition. Schröpfgläsern verschiedener Wand­dicken die Stärke der Saugkraft beeinflussen. Die Anzahl der erforderlichen Sitzungen ist individuell unterschiedlich, bei akuten Beschwerden kann auch eine Behandlung schon ausreichend sein, bei chronischen Beschwerden sind es meist sechs bis zehn Sitzungen. Das Aufsetzen des Glases alleine würde noch keinen Unterdruck erzeugen. Zur Erzeugung des gewünschten Vakuums wird vor dem Aufsetzen ein metallener, mit Benzin getränkter Watteträger entzündet und etwa eine Sekunde in das Schröpfglas gehalten. Das Schröpfglas wird dann so rasch wie möglich auf die Hautpartie angedrückt. Der Rand des Schröpfglases ist leicht eingefettet, ggf. wird aber auch vorher der zu behandelnde Bereich massierend mit Salbe eingerieben. Es gibt auch andere Methoden, bis hin zur Anwendung von Schröpfapparaturen mit Evakuierungspumpen. Schröpfen ist IGeL. So verweist z.B. die AOK auf ihren Internetseiten ausdrücklich darauf hin, dass die Kosten von ihr nicht übernommen werden. Nur selten trifft man auf Patienten, denen die eigene Zahlungsverpflichtung für die Behandlung nicht einsichtig ist. Diese kann man dann auffordern, sich eine schriftliche(!) Auskunft ihrer Krankenkasse einzuholen, diese aber ausdrücklich bezogen auf die Kosten der vorgesehenen Behandlung durch Schröpfen. Ansonsten erhalten die Patienten häufig nichtssagende Antworten wie z.B. „Wir 38 — der niedergelassene arzt 02/2017 zahlen alles, was Ihr Arzt für medizinisch notwendig erachtet“. Selbstverständlich ist ein entsprechender IGeL-Behandlungsvertrag abzuschließen. Private Versicherungen erstatten i.d.R. problemlos. Falls doch einmal nicht, kann man den Patienten durch entsprechende Hinweise unterstützen, dass die Behandlung durch die GOÄ ausdrücklich als ärztliche Leistung vorgesehen ist und dass der Bundesgerichtshof im Urteil vom 10.7.1996 feststellte, dass die PKV auch für Behandlungsmethoden der so genannten „alternativen Medizin“ erstattungspflichtig ist, wenn diese zur Behandlung der Erkrankung geeignet sind. Als „Kernleistung“ für die Abrechnung enthält die GOÄ die Nr. 747: „Setzen von Schröpfköpfen, Blutegeln oder Anwendung von Saugapparaten, je Sitzung, z. B. 2,3fach 5,90 €.“ Für die vorherige Wärmeanwendung durch Infrarotlicht kann Nr. 538 GOÄ angesetzt werden: „Infrarotbehandlung, je Sitzung, z.B. 1,8fach 4,20 €.“ Einer vorherigen Massagebehandlung entspricht Nr. 507 GOÄ: „Krankengymnastische Teilbehandlung als Einzelbehandlung…, z. B. 1,8fach 8,39 €.“ Die jeweilige Untersuchung ist mit Nr. 5 GOÄ berechenbar (z.B. 2,3fach 10,72 €), die Beratung mit Nr. 1 GOÄ (z. B. 2,3fach 10,72 €). Dabei ist allerdings die Bestimmung „nur einmal im Behandlungsfall neben Nrn. 200 an aufwärts“ auch bei IGeL gültig. Auch andere Berechnungen sind bei IGeL i.d.R. unproblematisch, da der Patient ja vorher über die Kosten informiert ist. Es wird auch von Kosten von 50 bis 80 € je Sitzung berichtet. Fortbildung Entsprechende Fortbildungen werden von ärztlichen Organisationen angeboten, meist im größeren Zusammenhang mit anderen ausleitenden und umstimmenden Verfahren. Alle Tipps mit Stichwort-Suchfunktion und Archiv finden Sie auch unter www.abrechnungstipps.de – kostenlos!