Diabetes mellitus

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Ratgeber
Diabetes mellitus und Soziales
Informationen zu Beruf, Rehabilitation, Adressen …
Ein Service der betapharm
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Liebe Leserin, lieber Leser,
betapharm setzt sich seit Jahren aktiv für eine verbesserte
Versorgungsqualität im Gesundheitswesen ein. Aus diesem
Engagement hat sich betaCare – der Informationsservice für
Sozialfragen – entwickelt. Mit betaListe, betanet, betafon und
vielen weiteren Medien bietet er Antworten auf alle sozialen
Fragen rund um eine Krankheit.
Der vorliegenden Ratgeber „Diabetes mellitus und Soziales“
informiert umfassend zu Themen wie Arbeitsunfähigkeit,
Rehabilitation und häusliche Pflege.
Die fachliche und inhaltliche Qualität von betaCare garantiert
das gemeinnützige beta Institut für sozialmedizinische Forschung
und Entwicklung, das 1999 von betapharm gegründet wurde.
Weitere Fragen rund um das Thema Diabetes mellitus beantworten
Ihnen die Expertinnen des beta Instituts am betafon.
Fachkräfte im Gesundheitswesen erreichen das betafon unter
Tel: 01805 – 238 23 66 (12 ct./min.)
Mo–Do 9–18 Uhr und Fr 9–16 Uhr
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Mehr Informationen zu betaCare finden Sie
unter www.betaCare.de
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Dr. Wolfgang Niedermaier
Horst Erhardt
Geschäftsführer betapharm
Geschäftsführer beta Institut
Stand: Dezember 2005
Mit herzlichen Grüßen
Diabetes mellitus
3
3
3
4
5
6
Typen
Auslösende Faktoren für Diabetes mellitus
Spätfolgen eines schlecht eingestellten Diabetes mellitus
Diabetischer Fuß
Podologische Therapie als Heilmittel
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
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8
8
9
12
Inhaltsverzeichnis
Arbeitsunfähigkeit
Entgeltfortzahlung
Krankengeld
Kinderpflege-Krankengeld
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen
Krankenversicherung
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung
Zuzahlungsbefreiung bei Erreichen der Belastungsgrenze
Rehabilitation
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15
17
22
23
24
27
28
30
Allgemeines zu medizinischen Leistungen der Rehabilitation
Anschlussheilbehandlung
Stationäre Rehamaßnahme
Kinderheilbehandlung
Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation
Pflege
31
31
33
36
37
Häusliche Krankenpflege
Haushaltshilfe
Betreuung eines Kindes in Notsituation
Hilfsmittel bei Diabetes mellitus
Schwerbehinderung
39
39
41
42
42
Schwerbehindertenausweis
Merkzeichen
Gleichstellung behindert/schwer behindert
Grad der Behinderung bei Diabetes mellitus
Sexualität
Schwangerschaft
Kindergarten und Schule
Ausbildung und Beruf
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45
47
49
50
50
Jugendschutzbestimmungen
Berufsfindung und Arbeitserprobung
Autofahren und Führerschein
52
52
54
Führerschein
Autofahren bei Diabetes mellitus
Urlaub
55
55
56
Urlaubsvorbereitung
Aufenthalt
Ernährung bei Diabetes mellitus
Sport bei Diabetes mellitus
Adressen
Formulare
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60
62
63
63
63
64
64
Notfallausweis
Notfallausweis für Pumpenträger
Gesundheitspass Diabetes mellitus
Ärztliche Atteste für die Zollkontrolle
Hinweis:
Zur besseren Lesbarkeit wird im Text häufig die männliche Form verwendet.
Gemeint sind grundsätzlich weibliche und männliche Personen.
Inhaltsverzeichnis
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2
Diabetes mellitus
Diabetes mellitus ist eine erblich beeinflusste chronische Stoff–
wechselerkrankung, die auf einem absoluten oder relativen
Mangel an Insulin beruht und in deren Folge, meist erst nach
längerer Krankheitsdauer, Blutgefäße und Nervensystem geschädigt werden können.
Man unterscheidet zwei Typen:
• Der Typ-1-Diabetes mellitus äußert sich durch einen absoluten Insulinmangel. Die höchste Neuerkrankungsrate liegt bei
Jugendlichen ab etwa 13 Jahren, deswegen wurde er früher
auch als juveniler Diabetes mellitus bezeichnet. Dabei handelt
es sich um eine Autoimmunkrankheit.
• Der Typ-2-Diabetes mellitus beruht auf einer gestörten
Insulinbildung und einer verminderten Insulinwirkung. Früher
wurde er als Altersdiabetes bezeichnet, da er sich meist erst
ab 40 Jahren manifestiert.
• Als Gestationsdiabetes wird darüber hinaus ein erstmals während der Schwangerschaft aufgetretener Diabetes mellitus
bezeichnet, der nach der Schwangerschaft wieder verschwinden kann. In der Folge besteht ein erhöhtes Risiko für ein
erneutes Auftreten der Erkrankung.
Typen
Diabetes mellitus entsteht durch das Zusammentreffen verschiedender Faktoren.
Beim Typ-1-Diabetes mellitus sind diese Faktoren:
• genetische Veranlagung
• Virusinfektionen
• Fehlsteuerung des Immunsystems
Auslösende Faktoren für
Diabetes mellitus
Faktoren beim Typ-2-Diabetes mellitus:
• genetische Veranlagung
• Übergewicht
• Fehlernährung
• Bewegungsmangel
• Bluthochdruck
• höheres Lebensalter
• Rauchen
• Hormonumstellung
Diabetes mellitus
3
Anzeichen für
Typ-1-Diabetes mellitus
Durch den absoluten Insulinmangel treten die Symptome bei
Typ-1-Diabetes mellitus meist sehr akut auf:
• häufiges Wasserlassen
• starker Durst
• Gewichtsabnahme
• Abgeschlagenheit
• verminderte Leistungsfähigkeit
• Wadenkrämpfe
• Sehstörungen
• Juckreiz
• Acetongeruch aus Atemluft
Anzeichen für
Typ-2-Diabetes mellitus
Typ-2-Diabetes mellitus entwickelt sich meist schleichend,
über Jahre hinweg und macht sich oft erst durch die Folge–
erkrankungen bemerkbar. Anzeichen sind:
• häufiges Wasserlassen
• starker Durst
• Antriebsarmut
• anhaltende Müdigkeit
• anhaltendes Übergewicht
• schlechte Wundheilung
• Infektionsanfälligkeit
Spätfolgen eines schlecht
eingestellten
Diabetes mellitus
Langfristig schädigt ein zu hoher Blutzuckerspiegel die Blut–
gefäße des menschlichen Körpers.
Es kann zu folgenden Schädigungen kommen, die den
Gesundheitszustand des Betroffenen stark beeinträchtigen:
• Durchblutungsstörungen an Beinen, Herz und Gehirn
• Netzhautschädigung am Auge
• Nierenschaden
• diabetische Nervenentzündung mit Schmerzen bis Verlust der
Schmerzempfindung
• diabetischer Fuß
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Diabetes mellitus
Diabetiker müssen sehr auf ihre Füße achten. Schlechte Zucker–
einstellungen führen häufig zur diabetischen Polyneuropathie
(Nervenerkrankung) und zur peripheren arteriellen Verschluss–
krankheit (krankhafter Verschluss von Blutgefäßen). Infolge der
beiden Erkrankungen mit ihren Empfindungsstörungen bleiben
Verletzungen oder Infektionen oft unbemerkt. Die schlechte
Wundheilung kann schlimmstenfalls eine Amputation des betroffenen Fußes nach sich ziehen.
Anzeichen für Nervenschädigungen:
• kein Temperatur- und Schmerzempfinden
• Taubheitsgefühl
• Kribbeln
• Kältegefühl bei warmen Füßen
• „Ameisenlaufen“
• Wadenkrämpfe in Ruhe
• Schmerzen in Ruhe
• trockene und rissige Haut
• schmerzlose Wunden und Hühneraugen
• Fußschwellungen
• Hornhautschwielen
• Fußdeformationen und Unbeweglichkeit der Zehen
Diabetischer Fuß
Anzeichen für Durchblutungsstörungen:
• Schmerzen beim Laufen
• blasse Haut
• kühle Haut beim Betasten
• fehlende Pulse
Durch verschiedene Maßnahmen kann man dem diabetischen
Fuß vorbeugen und die Therapie unterstützen:
• Regelmäßige Fußgymnastik: fördert die Beweglichkeit und
Durchblutung, hilft gegen kalte Füße und steigert das
Wohlbefinden.
• Nicht barfuß oder in Strümpfen laufen: Verletzungsgefahr.
Die empfohlenen oder verordneten Schuhe auch wirklich
tragen, dies vermeidet Druckstellen.
• Schuhe immer am Nachmittag kaufen, da Füße im Laufe des
Tages anschwellen.
Tipps zur Vorbeugung
Diabetes mellitus
5
• Neue, nicht eingelaufene Schuhe anfangs nur kurze Zeit tragen, nicht für längere Strecken auswählen. Strümpfe täglich
wechseln.
• Strümpfe mit hohem Baumwollanteil tragen. Strümpfe sollten
keine auftragenden Nähte haben, keine Falten werfen und
nicht einschnüren.
• Füße keinen extremen Temperaturen aussetzen z. B. am
Sandstrand, Wärmflasche, Unterkühlung.
• Füße regelmäßig untersuchen auf Druckstellen, Blasen,
Hornhautschwielen mit dunklen Flecken, Rötung, Schwellung,
Hautverletzung, Fußpilz
• Gute Hautpflege betreiben: täglich kurz waschen oder baden,
nicht aufweichen lassen, keine hohen Temperaturen und
rückfettende Seifen verwenden. Sorgfältig und vorsichtig
abtrocknen und Haut eincremen, dabei Zehenzwischenräume
auslassen.
Bei Problemen immer zu einem diabetisch geschulten Fußpfleger
(Podologe) gehen.
Podologische Therapie
als Heilmittel
Maßnahmen der
podologischen Therapie
6
Diabetes mellitus
Beim diabetischen Fuß kann der behandelnde Arzt podologische
Therapie verordnen. Dabei handelt es sich um ein Heilmittel.
Grundsätzlich wirken Heilmittel mit dem Ziel der Krankheits–
bekämpfung überwiegend äußerlich auf den menschlichen
Organismus ein. Sie werden auf ärztliche Verordnung von der
Krankenversicherung übernommen.
In Einzelfällen tritt die Krankenhilfe des Sozialhilfeträgers für
die Kosten ein, Heilmittel sind u.a.:
• einzelne Maßnahmen der physikalischen Therapie
(z. B. Massage, Krankengymnastik)
• einzelne Maßnahmen der podologischen Therapie
(Behandlung krankhafter Veränderungen am Fuß infolge von
Diabetes mellitus)
Der behandelnde Arzt kann 3 verschiedene Maßnahmen der
podologischen Therapie verordnen:
1. Hornhautabtragung, das bedeutet die Abtragung bzw. das
Ausdünnen krankhaft verdickter Hornhaut zur Vermeidung
von drohenden Hautschädigungen.
2. Nagelbearbeitung, hier werden die Nägel manuell oder
maschinell durch Techniken wie Schneiden, Schleifen
und/oder Fräsen bearbeitet, um abnorme Nagelbildungen
verletzungsfrei zu beseitigen. So können drohende Schäden
an Nagelbett und Nagelwall vermieden werden.
3. Podologische Komplexbehandlung, die sowohl die Horn–
hautabtragung als auch die Nagelbearbeitung umfasst.
Gesetzlich Krankenversicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet
haben, müssen 10% der Kosten plus 10,– € je Verordnung zuzahlen, auch bei Massagen, podologische Behandlung und
Krankengymnastik als Bestandteil der ärztlichen bzw. ambulanten
Behandlung.
Zuzahlung bei
podologischer Behandlung
Informationen über Podologen (medizinische Fußpfleger) können
beim Verband der Podologen, VdP, Bundesgeschäftsstelle,
Beckersgraben 1 C, 36251 Bad Hersfeld, Telefon 06621 7991497
erfragt oder unter www.verband-der-podologen.de eingesehen
oder bei jeder Krankenkasse erfragt werden.
Wer hilft weiter?
?
Diabetes mellitus
7
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle
Leistungen
Diabetes mellitus gehört zu den Stoffwechselerkrankungen. In
Deutschland sind mehr als 6,3 Millionen Menschen davon betroffen. Allerdings geht man von einer sehr hohen Dunkelziffer aus,
das heißt, es könnte etwa jeder zehnte Bürger davon betroffen
sein. Am meisten verbreitet mit etwa 90% ist der Typ-2-Diabetes
mellitus. Während der Typ-2-Diabetes mellitus anfangs sehr
schleichend verläuft und oft eher durch Folgeerkrankungen
erkannt wird, macht sich der Typ-1-Diabetes mellitus sehr rasch
bemerkbar. Auf jeden Fall wird er aber Auswirkungen auf das
Berufsleben haben. Der Blutzucker muss immer wieder neu eingestellt oder Folgeerkrankungen müssen behandelt werden. Das
erfordert Krankenhausaufenthalte oder kann zumindest längere
Krankheitsphasen mit sich bringen.
Arbeitsunfähigkeit
Entgeltfortzahlung
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Definition Arbeitsunfähigkeit:
Arbeitsunfähigkeit (AU) ist ein durch Krankheit oder Unfall
hervorgerufener regelwidriger Körper- oder Geisteszustand,
aufgrund dessen der in der Kranken- und Unfallversicherung
Versicherte seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht oder nur
unter Gefahr der Verschlimmerung des Zustandes weiter
ausüben kann. Die Arbeitsunfähigkeit ist Voraussetzung für
Krankengeld. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem
Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche
Dauer unverzüglich mitzuteilen.
Die Entgeltfortzahlung ist eine arbeitsrechtliche Regelung und
keine Leistung der Sozialversicherung. Sie ist im Entgeltfort–
zahlungsgesetz (EntgeltfortzahlungsG) geregelt. Das Gesetz regelt
die Zahlung des Arbeitsentgelts an gesetzlichen Feiertagen und
die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall. Entgelt–
fortzahlung erhalten alle Arbeitnehmer, auch geringfügig Be–
schäftigte, unabhängig von der wöchentlichen Arbeitszeit, die ein
ununterbrochenes Arbeitsverhältnis von mindestens 4 Wochen
haben. Die Arbeitsunfähigkeit muss ohne Verschulden des
Arbeitnehmers eingetreten sein. Die Arbeitsunfähigkeit muss dem
Arbeitgeber unverzüglich mitgeteilt werden. Die gesetzliche
Anspruchsdauer auf Entgeltfortzahlung beträgt 6 Wochen. Die
Entgeltfortzahlung beträgt 100% des bisherigen üblichen
Arbeitsentgelts.
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
Um Entgeltfortzahlung zu erhalten, muss man bestimmte
Voraussetzungen erfüllen:
• Entgeltfortzahlung erhalten alle Arbeitnehmer, auch geringfügig Beschäftigte und Auszubildende, unabhängig von der
wöchentlichen Arbeitszeit, die ein ununterbrochenes
Arbeitsverhältnis von mindestens 4 Wochen haben.
• Die Arbeitsunfähigkeit muss ohne Verschulden des Arbeit–
nehmers eingetreten sein. Dazu zählen auch die nicht rechtswidrige Sterilisation, der nicht rechtswidrige Schwanger–
schaftsabbruch und Rehabilitationsmaßnahmen.
Als selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit gilt ein vorwerfbares
Verhalten, z. B. Verkehrsunfall infolge von Trunkenheit oder
grob fahrlässigem Verhalten, grob fahrlässige Verletzung der
Unfallverhütungsvorschriften, eine besonders gefährliche oder
die Kräfte übersteigende Nebentätigkeit, selbstprovozierte
Raufereien. Unachtsamkeit allein genügt nicht, um eine
Entgeltfortzahlung zu verweigern.
Voraussetzungen
Krankengeld erhalten versicherte Patienten von der Krankenkasse,
wenn sie länger als 6 Wochen arbeitsunfähig sind.
Krankengeld
Das Krankengeld ist eine so genannte Lohnersatzleistung, das
heißt, sie wird nur gezahlt, wenn nach 6 Wochen kein Anspruch
(mehr) auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber (§ 3 Entgelt–
fortzahlungsG) besteht.
Voraussetzungen für den Erhalt von Krankengeld:
• grundsätzlicher Anspruch auf Krankengeldbezug durch die
Krankenversicherung.
• Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit
• stationäre Behandlung in Krankenhaus, Vorsorge- oder RehaEinrichtung auf Kosten der Krankenkasse
• Es handelt sich immer um dieselbe Krankheit bzw. um eindeutige Folgeerkrankungen derselben Grunderkrankung. Tritt
während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit auf,
verlängert sich die Leistungsdauer dennoch nicht.
Voraussetzungen
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
9
Kein Anspruch
Freiwillig Versicherte
Keinen Anspruch auf Krankengeld haben:
• versicherungspflichtige Personen in Einrichtungen der
Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfegesetz)
• Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie
zur Berufsfindung und Arbeitserprobung, die nicht nach dem
Bundesversorgungsgesetz erbracht werden; Ausnahme bei
Anspruch auf Übergangsgeld
• Studenten (in der Regel bis zum Abschluss des 14. Fach–
semesters oder bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres)
• Praktikanten
• Familienversicherte
• Bezieher einer vollen Erwerbsminderungsrente, Erwerbs–
unfähigkeitsrente, einer Vollrente wegen Alters (Rente),
eines Ruhegehalts, eines versicherungspflichtigen
Vorruhestandsgehalts
• Bezieher von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld
Die Satzung einer Krankenkasse kann den Anspruch auf Kranken–
geld für freiwillig Versicherte, die selbstständig tätig sind, ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen, je
nachdem, welchen Tarif der Versicherte gewählt hat.
Freiwillig Versicherte, die angestellt sind und deren Einkommen
über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, bekommen Kranken–
geld. Als monatliches Bruttoeinkommen wird dann die
Beitragsbemessungsgrenze herangezogen.
Anspruch auf Krankengeld
Höhe
10
Anspruch auf Krankengeld entsteht:
• bei Krankenhausbehandlung,
mit der Aufnahme, also vom Beginn der Krankenhaus–
behandlung bzw. der Behandlung in Vorsorge- oder RehaEinrichtungen
• bei Arbeitsunfähigkeit,
mit dem auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
folgenden Tag
Das Krankengeld beträgt 70% des regelmäßigen Arbeitsentgelts
(so genanntes regelmäßiges Bruttoentgelt), maximal aber 90%
des regelmäßigen Nettoarbeitsentgelts.
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
Definition „regelmäßig“:
Bezüge, die wegen außergewöhnlicher Umstände gewährt
wurden oder ausfielen, bleiben beim regelmäßigen Entgelt
unbeachtet. Einmalige Zahlungen wie z. B. Weihnachtsgeld
oder Urlaubsgeld gehören, wenn sie tatsächlich regelmäßig
wiederkehrend geleistet werden, zum regelmäßigen
Bruttoentgelt.
Bei freiwillig Versicherten über der Beitragsbemessungsgrenze
wird nur das Arbeitsentgelt bis zur Höhe der kalendertäglichen
Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt, das ist 2006 ein Betrag
von 118,75 € (= Beitragsbemessungsgrenze 42.750,- €: 360).
Da das Krankengeld 70 % dieses Arbeitsentgelts beträgt, kann es
maximal 83,13 € täglich betragen.
Höchstbetrag des
Krankengeldes
Das Krankengeld wird kalendertäglich für 30 Tage je Kalender–
monat gezahlt.
Bei Bezug von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld wird
Krankengeld in Höhe dieser Leistungen gezahlt.
Sonderregelung
Die Dauer des Krankengeldes beträgt wegen derselben Krankheit
längstens 78 Wochen (546 Kalendertage) innerhalb von je 3
Jahren ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Dabei handelt es sich
um die so genannte Blockfrist.
Dauer
Die Blockfrist beginnt mit dem erstmaligen Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit für die ihr zugrunde liegende Krankheit. Bei
jeder Arbeitsunfähigkeit wegen einer anderen Erkrankung
beginnt eine neue Blockfrist. Es ist möglich, dass mehrere
Blockfristen nebeneinander laufen.
Dieselbe Krankheit heißt: identische Krankheitsursache. Es ge–
nügt, dass ein nicht ausgeheiltes Grundleiden Krankheitsschübe
bewirkt, z.B. ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus und als
Folge davon ein diabetischer Fuß (der behandelnde Arzt legt fest,
ob es eine Folgeerkrankung ist).
Die Leistungsdauer verlängert sich nicht, wenn während der
Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzutritt. Es bleibt bei
maximal 78 Wochen.
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
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Erneuter Anspruch auf
Krankengeld wegen derselben
Krankheit
Nach Ablauf der Blockfrist (= 3 Jahre), in der der Versicherte
wegen derselben Krankheit Krankengeld für 78 Wochen bezogen
hat, entsteht ein erneuter Anspruch auf Krankengeld wegen
derselben Erkrankung unter folgenden Voraussetzungen:
• erneute Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit
• mindestens 6 Monate keine Arbeitsunfähigkeit wegen dieser
Krankheit und
• mindestens 6 Monate Erwerbstätigkeit oder der
Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehend
Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld zwar theoretisch
besteht, aber tatsächlich ruht oder versagt wird, werden wie
Bezugszeiten von Krankengeld angesehen.
Beispiel:
Der Arbeitgeber zahlt bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeit–
nehmers dessen Arbeitsentgelt bis zu 6 Wochen weiter
(§ 3 EntgeltfortzahlungsG), das heißt, der Anspruch auf
Krankengeld besteht zwar, aber er ruht (§ 49 Abs. 1 SGB V).
Erst danach gibt es Krankengeld. Die 6 Wochen
Entgeltfortzahlung werden aber wie Krankengeldbezugs–
zeiten behandelt, so dass noch maximal 72 Wochen lang
(78 Wochen abzüglich 6 Wochen = 72 Wochen) Kranken–
geld gezahlt wird.
!
12
Praxistipp
Zahlt der Arbeitgeber bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers
das Entgelt jedoch nicht weiter, obwohl hierauf ein Anspruch
nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz besteht, gewährt die Kran–
kenkasse bei Vorliegen der Voraussetzungen das Krankengeld, da
das Krankengeld nur bei tatsächlichem Bezug des Arbeitsentgelts
ruht. Der Anspruch des versicherten Arbeitnehmers gegen den
Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung geht dabei auf die
Krankenkasse über.
KinderpflegeKrankengeld
Kinderpflege-Krankengeld zahlt die Krankenkasse bei Erkrankung
des Kindes, wenn ein berufstätiger Elternteil die Pflege übernehmen muss. Zuständig ist die Krankenkasse des Elternteils, das
diese Leistung in Anspruch nimmt.
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
Um Kinderpflege-Krankengeld in Anspruch nehmen zu
können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt werden:
• Versicherteneigenschaft des Kindes, Familienversicherung
genügt
• Kind lebt im Haushalt des Versicherten.
• Kind hat das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet oder ist
behindert (ohne Altersbegrenzung).
• Aufgrund ärztlichen Zeugnisses ist eine Beaufsichtigung,
Betreuung oder Pflege des Kindes und damit ein Fernbleiben
von der Arbeit erforderlich.
• Keine andere im Haushalt lebende Person kann zur Pflege,
Betreuung und Beaufsichtigung anwesend sein.
• kein Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf bezahlte
Freistellung
• Verdienstausfall
Voraussetzungen
Zur Bewilligung des Kinderpflege-Krankengeldes sind zwei
Bescheinigungen notwendig:
• Die ärztliche Bescheinigung, dass aufgrund Betreuung,
Beaufsichtigung oder Pflege des Kindes ein Erscheinen am
Arbeitsplatz nicht möglich ist. Diese Bescheinigung geht an
die Krankenkasse und an den Arbeitgeber.
Üblich sind Formulierungen wie die folgende:
„Ärztliche Bestätigung
Aus ärztlicher, medizinischer und therapeutischer Sicht ist die
Pflege, Betreuung und Beaufsichtigung des Kindes (Name,
geboren, wohnhaft) durch (Name, geboren, wohnhaft) notwendig, da ansonsten ein Krankenhausaufhalt nicht zu vermeiden wäre. Zum Wohl des Kindes empfehlen wir deshalb
dringendst eine Freistellung von Frau/Herrn …
Datum, Unterschrift“
• Die Bescheinigung des Arbeitgebers, dass der betreuende
Elternteil zwar von der Arbeit freigestellt wird, aber für diese
Zeit kein Gehalt erhält. Diese Bescheinigung geht an die
Krankenkasse. Die Krankenkassen halten auch Formulare für
diese Bestätigung vor.
Praxistipp
Die Berechnung des Kinderpflege-Krankengeldes erfolgt wie beim
Krankengeld.
Höhe
!
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
13
Dauer
Kinderpflege-Krankengeld gibt es pro Kalenderjahr
• für erwerbstätige und versicherte Eltern
pro Elternteil längstens 10 Arbeitstage pro Kind, insgesamt
aber nicht mehr als 25 Arbeitstage je Elternteil für alle Kinder
• für allein erziehende Versicherte
längstens 20 Arbeitstage pro Kind, insgesamt aber nicht mehr
als 50 Arbeitstage für alle Kinder
• Kinderpflege-Krankengeld wird für Arbeitstage gewährt, das
heißt für Tage, an denen der Versicherte ohne die Verhinde–
rung durch die Krankheit seines Kindes gearbeitet hätte.
Beginn
Der Anspruch auf Kinderpflege-Krankengeld beginnt mit dem
ersten Tag des Fernbleibens von der Arbeit. Der Versicherte kann
wählen, an welchen Tagen er der Arbeit fernbleiben will.
Übertragung
Übertragung von Ansprüchen zwischen versicherten Ehegatten ist
zulässig, wenn ein Ehegatte die Betreuung nicht übernehmen
kann und der Arbeitgeber den Freistellungsanspruch (nochmals)
gegen sich gelten lässt.
Freiwillig Versicherte
Die Satzung einer Krankenkasse kann den Anspruch auf
Krankengeld für freiwillig Versicherte ausschließen oder zu einem
späteren Zeitpunkt entstehen lassen.
Arbeitslosigkeit
Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II werden bei Pflege eines
erkrankten Kindes weiter bezogen. Weil die pflegende Person
dann der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung steht,
muss der Agentur für Arbeit (ehemals Arbeitsamt) die ärztliche
Bestätigung vorgelegt werden, dass Pflege, Betreuung und
Aufsicht des Kindes durch diese bestimmte Person erforderlich
sind. Arbeitslosen steht dieselbe Anzahl an Kinderpflegetagen wie
Berufstätigen zu.
?
Wer hilft weiter?
14
Kinderpflege-Krankengeld wird von den Krankenkassen bezahlt.
Diese sind auch Ansprechpartner bei Fragen.
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung
in der gesetzlichen Krankenversicherung
Durch häufige Verordnung von Arzneimitteln, Heilmitteln wie
podologischen Behandlungen und Hilfsmitteln wie Blutzucker–
teststreifen können bei Diabetikern verschiedene Zuzahlungen
anfallen.
Versicherte ab 18 Jahren müssen zu bestimmten Leistungen der
gesetzlichen Krankenversicherung Zuzahlungen leisten. Wo vermerkt, gelten diese Zuzahlungen auch für Kinder. Die nachfolgenden Regelungen gelten auch für Sozialhilfeempfänger.
Zuzahlungen und
Zuzahlungsbefreiung
Die Praxisgebühr beträgt 10,- € pro Quartal und Arzt, Zahnarzt
oder Psychotherapeut.
Sie wird nicht fällig bei:
• Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren
• Überweisungen von einem anderen Arzt im selben Quartal
• Vorsorge, Früherkennung, Kontrolluntersuchungen,
Schutzimpfungen
• Überschreiten der Belastungsgrenze
Praxisgebühr
Zuzahlung (umgangssprachlich Rezeptgebühr genannt): 10 % der
Kosten, mindestens 5,- €, maximal 10,- €, in keinem Fall mehr als
die Kosten des Arzneimittels.
Arzneimittel
Preis/Kosten
Zuzahlung
bis 5,- €
Preis = Zuzahlung
5,01 € bis 50,–
5,– €
50,– € bis 100,–
10% des Preises
ab 100,– €
10,– €
Diese Tabelle gilt entsprechend auch für Verbandmittel, die meisten Hilfsmittel, Haushaltshilfe, Soziotherapie und Fahrtkosten.
Zuzahlung: 10% der Kosten, mindestens 5,– €, maximal 10,– €,
in keinem Fall mehr als die Kosten des Verbandmittels.
Verbandmittel
Zuzahlung: 10% der Kosten zuzüglich 10,– € je Verordnung.
Heilmittel
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung
15
Hilfsmittel
Zuzahlung: 10% der Kosten, mindestens 5,– €, maximal 10,– €.
Bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt die
Zuzahlung 10% je Packung, maximal jedoch 10,– € monatlich.
Häusliche Krankenpflege
Zuzahlung: 10% der Kosten pro Tag, begrenzt auf 28 Tage im
Kalenderjahr, zuzüglich 10,– € je Verordnung.
Soziotherapie
Zuzahlung: 10% der Kosten pro Tag, mindestens 5,- €, maximal
10,– €.
Haushaltshilfe
Zuzahlung: 10% der Kosten pro Tag, mindestens 5,– €, maximal
10,– €.
Krankenhausbehandlung,
Anschlussheilbehandlung
Zuzahlung: 10,– € pro Kalendertag, für längstens 28 Tage pro
Kalenderjahr.
Bereits im selben Jahr geleistete Zuzahlungen zu Krankenhausund Anschlussheilbehandlung werden angerechnet.
Ambulante und stationäre
Leistungen zur Rehabilitation
Zuzahlung: 10,– € pro Kalendertag an die Einrichtung, ohne zeitliche Begrenzung.
28 Tage, wenn die ambulante Rehamaßnahme aus medizinischen
Gründen länger als 42 Behandlungstage bzw. die stationäre
Rehamaßnahme aus medizinischen Gründen länger als 6 Wochen
dauert.
Fahrtkosten
16
Zuzahlung: 10% der Fahrtkosten, mindestens 5,– €, maximal
10,– €, in keinem Fall mehr als die Kosten der Fahrt. Auch für
Fahrten von Kindern.
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Folgende Zuzahlungen werden bei der Berechnung der
Zuzahlungsbefreiung nicht berücksichtigt:
• Künstliche Befruchtung
Die Krankenkasse übernimmt 50% der mit dem Behandlungs–
plan genehmigten Kosten, den Rest zahlt der Versicherte zu.
• Zahnersatz
Zuzahlung wird auch für Kinder fällig.
Die Krankenkasse übernimmt:
– 50% der Regelversorgungskosten (= Festzuschuss)
– 60% der Regelversorgungskosten bei 5 Jahren Vorsorge
(= Festzuschuss + 20% Bonus)
– 65% der Regelversorgungskosten bei 10 Jahren Vorsorge
(= Festzuschuss + 30% Bonus)
Den Rest zahlt der Versicherte zu. Darüber hinaus gelten beim
Zahnersatz besondere Härtefallregelungen.
• Kieferorthopädische Behandlung
Nicht befreiungsfähige
Zuzahlungen
Bei Kindern
Die Krankenkasse übernimmt 20% der Kosten, bei gleichzeitiger Behandlung weiterer Kinder 10%.
Die Zuzahlung wird am Ende der erfolgreichen Behandlung
erstattet.
Bei Erwachsenen
20% der Kosten und nur soweit zusätzlich kieferchirurgische
Behandlungsmaßnahmen erforderlich sind, ansonsten zahlt
der Versicherte voll.
Die Belastungsgrenze soll verhindern, dass insbesondere chronisch Kranke, Behinderte, Versicherte mit einem geringen
Einkommen und Sozialhilfeempfänger durch die Zuzahlungen zu
medizinischen Leistungen unzumutbar belastet werden. Die
Belastungsgrenze liegt bei 2% des jährlichen Bruttoeinkommens.
Frühere Regelungen wie Sozialklausel, Härtefallregelung und
Überforderungsklausel gelten seit 1.1.2004 nicht mehr.
Zuzahlungsbefreiung bei
Erreichen der
Belastungsgrenze
Als „belastet“ gilt, wer mehr als 2% der jährlichen Bruttoeinnah–
men zum Lebensunterhalt (siehe unter „Berechnung“) für Zuzah–
lungen ausgeben muss(te).
Voraussetzung
Das Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt ist als Familien–
bruttoeinkommen zu verstehen. Es errechnet sich aus dem
Bruttoeinkommen des Versicherten und den Bruttoeinkommen
aller Angehörigen des Versicherten, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben.
Berechnung
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung
17
„Angehörige“ des Versicherten sind:
• Ehepartner
• Kinder, die familienversichert sind
• eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner (nach dem
Lebenspartnerschaftsgesetz)
• sonstige Angehörige nach § 7 Abs. 2 KVLG
(Krankenversicherung der Landwirte)
Nicht zu den „Angehörigen" zählen Partner einer eheähnlichen
verschiedengeschlechtlichen oder nicht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft.
Kinder des Versicherten müssen dabei familienversichert sein.
Dasselbe gilt bei eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebens–
partnerschaften.
Von diesem Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt wird ein
Freibetrag abgezogen:
• für den ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden
Angehörigen des Versicherten 4.410,– € (= 15% der jähr–
lichen Bezugsgröße)
• für jeden weiteren im gemeinsamen Haushalt lebenden
Angehörigen des Versicherten und des eingetragenen
gleichgeschlechtlichen Lebenspartners 2.940,– € (= 10% der
jährlichen Bezugsgröße). Dieser Punkt gilt nur für Mitglieder
in der Krankenversicherung der Landwirte.
• für jedes Kind des verheirateten Versicherten und des eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartners 3.648,– €
(§ 32 Abs. 6 EStG)
• für das erste Kind einer/s allein erziehenden Versicherten
4.410,– € (= 15% der jährlichen Bezugsgröße)
• für jedes weitere Kind einer/s allein erziehenden Versicherten
3.648,– €
Einnahmen zum Lebensunterhalt sind:
• Altersrenten
• Arbeitsentgelt
• Krankengeld
• Arbeitslosengeld
• Arbeitseinkommen (bei selbstständiger Tätigkeit)
• Einnahmen aus Kapitalvermögen, Vermietung und
Verpachtung
• Witwen-/Witwerrente und andere Renten wegen Todes
• Einnahmen von Angehörigen im gemeinsamen Haushalt
(Ehegatte, familienversicherte Kinder, eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner). Hierzu zählen nicht Partner
einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
18
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Bei Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB
XII, von Arbeitslosengeld II, von Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung und bei Heimbewohnern, die Leistungen vom
Sozialamt bekommen, wird jeweils nur der Regelsatz des
Haushaltsvorstands als Bruttoeinkommen für die gesamte
Bedarfsgemeinschaft gezählt.
Nicht zu den Einnahmen zählen zweckgebundene Zuwen–
dungen, die einen beschädigungs- oder behinderungsbe–
dingten Mehrbedarf abdecken sollen, wie z.B.:
• Pflegegeld
• Blindenzulage
• Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG)
• Taschengeld vom Sozialamt für Heimbewohner
• Beschädigten-Grundrente nach dem BVG
• Rente oder Beihilfe nach dem Bundesentschädigungsgesetz
bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG
• Erziehungsgeld
• Leistungen aus Bundes- und Landesstiftungen „Mutter und
Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ (Mittel der
Bundesstiftung „Mutter und Kind“)
• Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung,
soweit diese der Grundrente nach dem BVG entspricht
• Ausbildungsförderung (BAföG)
• Kindergeld
Auch die Zuzahlungen werden als „Familienzuzahlungen“
betrachtet, das heißt es werden die Zuzahlungen des Versicherten
mit den Zuzahlungen seiner Angehörigen, die mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben, zusammengerechnet. Dasselbe gilt auch
bei eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften.
Überschreiten die Zuzahlungen 2% der Bruttoeinnahmen im
Kalenderjahr (= Belastungsgrenze), erhalten der Versicherte sowie
sein Ehegatte und die familienversicherten Kinder, die mit ihm in
einem gemeinsamen Haushalt leben, für den Rest des Kalender–
jahres eine Zuzahlungsbefreiung bzw. den Mehrbetrag von der
Krankenkasse zurückerstattet.
Zuzahlungsbefreiung/
Rückerstattung der Zuzahlung
Verschiedene Krankenkassen bieten ihren Versicherten ein
Quittungsheft an, in dem sie übers Jahr alle Quittungen von
Zuzahlungen sammeln können.
Quittungsheft
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung
19
!
Praxistipp
Sonderregelung für
chronisch Kranke
Die Belastungsgrenze wird im Nachhinein wirksam, weshalb
Patienten immer alle Zuzahlungsbelege aufbewahren sollten, da
nicht absehbar ist, welche Kosten im Laufe eines Kalenderjahres
auflaufen. Wenn ein Versicherter im Lauf des Jahres die 2-%Belastungsgrenze erreicht hat, sollte er sich mit seiner
Krankenkasse in Verbindung setzen.
Die Krankenkasse wird dem Patienten die Zuzahlungen zurückerstatten, die die 2-%-ige Belastungsgrenze übersteigen. Bei
Erreichen der Belastungsgrenze wird für den Rest des Jahres eine
Zuzahlungsbefreiung bescheinigt.
Definition „schwerwiegend chronisch krank”:
Als „schwerwiegend chronisch krank“ gilt, wer sich wenigstens ein Jahr lang wegen derselben Krankheit mindestens
einmal pro Quartal in ärztlicher Behandlung befindet
(z. B. Betroffener mit Typ-1-Diabetes mellitus, der regelmäßig
zur Kontrolle geht und Insulin benötigt) und mindestens
eines der folgenden Kriterien erfüllt:
• pflegebedürftig mit Pflegestufe 2 oder 3
• Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 oder eine
Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens
60 %
• Eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche
oder psychotherapeutische Behandlung,
Arzneimitteltherapie, Versorgung mit Hilfs- und
Heilmitteln) ist erforderlich, ohne die aufgrund der chronischen Krankheit nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung, eine
Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte
Beeinträchtigung der Lebensqualität zu erwarten ist.
Für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden
Krankheit in Dauerbehandlung sind, gilt eine andere Belastungs–
grenze: Sie gelten bereits dann als „belastet“, wenn sie mehr als
1% der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (siehe
oben unter „Berechnung“) für Zuzahlungen ausgeben müssen/
mussten.
Überschreiten die Zuzahlungen 1% der o. g. Bruttoeinnahmen im
Kalenderjahr (= Belastungsgrenze), erhalten der chronisch Kranke,
sein Ehegatte und die familienversicherten Kinder für den Rest
des Kalenderjahres eine Zuzahlungsbefreiung bzw. den Mehr–
betrag von der Krankenkasse zurück.
20
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Grundsätzlich gilt:
Ist das Ehepaar bei verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen,
dann errechnet eine Krankenkasse, ab wann die Voraussetzungen
für die Zuzahlungsbefreiung erreicht sind, und stellt ggf. eine
Zuzahlungsbefreiung aus. Dies wird der anderen Krankenkasse
mitgeteilt, so dass die Versicherten für den Rest des Jahres keine
Zuzahlungen mehr leisten müssen.
Nach Ablauf eines Kalenderjahres ist der Krankenkasse die weitere Dauer der Behandlung nachzuweisen. Auf Verlangen der
Krankenkasse kann eine Überprüfung durch den MDK erfolgen.
!
Praxistipp
Sonderregelung für Pflegebedürftige
Pflegebedürftige mit Pflegestufe 2 oder 3 müssen einen jährlichen Nachweis über das Vorliegen einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung nicht mehr vorlegen.
Sonderregelung für Sozialhilfeempfänger
Berechnungsgrundlage für die Zuzahlungsgrenze bei Sozial–
hilfeempfängern ist der Regelsatz des Haushaltsvorstands
(Regelsätze der Sozialhilfe), das heißt: Ein Sozialhilfeempfänger
zahlt – je nach Bundesland – im Jahr ca. 70,– € zu, ein chronisch
kranker Sozialhilfeempfänger ca. 35,– €.
Sonderregelung für Bewohner im Heim, die Sozialhilfe erhalten
Seit 1.1.2005 müssen Heimbewohner, die Sozialhilfe beziehen,
nicht mehr Zuzahlungen leisten, bis sie die 1-%- bzw. 2-%Grenze erreicht haben und damit eine Zuzahlungsbefreiung
erhalten, sondern haben auch die Möglichkeit, dass der örtlich
zuständige Sozialhilfeträger den Gesamtbetrag (West/Ost:
82,80 €/79,40 € bzw. bei chronisch Kranken West/Ost: 41,40 €/
39,70 €) an die Krankenkasse des Heimbewohners vorab überweist. Dieser als Darlehen gewährte Gesamtbetrag wird sodann in
monatlichen kleinen Ratenbeträgen mit dem Taschengeld des
Heimbewohners verrechnet.
Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung
21
Rehabilitation
Ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus kann eine Reihe an
schwerwiegenden Erkrankungen nach sich ziehen. Deswegen ist
es sehr wichtig, dafür zu sorgen, dass die Stoffwechsellage ausgeglichen ist und dadurch wenig Folgeerkrankungen hinzutreten.
Die unterschiedlichen Rehabilitationsmaßnahmen sollen den
Patienten dabei unterstützen, mit seiner Erkrankung ein relativ
normales Leben führen zu können.
Die verschiedenen Arten der Rehabilitation sind ein großer und
komplexer Bereich, für den alle Versicherungsträger zuständig
sein können. Hier die wichtigsten Leistungen:
• medizinische Leistungen zur Rehabilitation
• Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
• ergänzende Leistungen zur Rehabilitation
• sonstige Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
!
Praxistipp
Grundsätzlich gilt:
Reha(bilitation) geht vor Rente (§ 9 SGB VI).
Das heißt: Es wird möglichst versucht, mit Rehamaßnahmen den
Bezug von Erwerbsminderungsrente (auch bei Berufsunfähigkeit)
zu verhindern oder zu verzögern.
Zuständigkeit
Neben den Rentenversicherungsträgern übernehmen nahezu alle
anderen Träger der Sozialversicherung Rehamaßnahmen.
Nachfolgend eine Übersicht zur prinzipiellen Zuständigkeit.
• Die Krankenkassen
sind zuständig bei medizinischer Rehabilitation.
• Die Berufsgenossenschaften
sind zuständig bei Arbeitsunfall oder Wegeunfall für die
gesamte Rehabilitation.
• Die Rentenversicherungsträger
sind zuständig bei erheblicher Gefährdung oder Minderung
der Erwerbsfähigkeit und Vorliegen der folgenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Leistungen zur
medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am
Arbeitsleben.
22
Rehabilitation
Medizinische Leistungen zur Rehabilitation dienen insbesondere
der Ausheilung einer Erkrankung und der Wiederherstellung der
Gesundheit.
Unter anderem beinhalten sie:
• Anschlussheilbehandlung (AHB)
• stationäre Rehamaßnahmen
• ambulante Rehamaßnahmen, darunter fallen auch
teilstationäre Rehamaßnahmen
• Reha-Sport und Funktionstraining
• Berufsfindung und Arbeitserprobung
Die Dauer beträgt in der Regel 3 bis 4 Wochen (ambulante
Rehamaßnahmen: 20 Behandlungstage, Reha-Sport und Funk–
tionstraining: zwischen 6 und 36 Monaten je nach Träger der
Leistung), Verlängerung ist aus medizinischen Gründen in allen
Fällen möglich.
Versicherte ab Vollendung des 18. Lebensjahres müssen bei
fast allen ambulanten und (teil-)stationären Rehamaßnah–
men 10,– € Zuzahlung pro Tag leisten:
• zeitlich unbegrenzt für ambulante und (teil-)stationäre
Rehamaßnahmen der Krankenkasse
• 28 Tage, wenn die ambulante Rehamaßnahme aus medizinischen Gründen länger als 42 Behandlungstage bzw. die stationäre Rehamaßnahme aus medizinischen Gründen länger als 6
Wochen dauert
• längstens 42 Tage innerhalb eines Kalenderjahres für statio–
näre medizinische Rehamaßnahmen des Rentenversiche–
rungsträgers
Bereits im selben Kalenderjahr geleistete Zuzahlungen an den
Rentenversicherungsträger und die Krankenkasse werden angerechnet.
• für längstens 28 Tage innerhalb eines Kalenderjahres bei einer
Anschlussheilbehandlung der Krankenkasse, in Einzelfällen
kann als Kostenträger auch das Sozialamt (Krankenhilfe) nach
Maßgabe der Bestimmungen, wie sie die Krankenkasse vorsieht, auftreten.
Bereits im selben Kalenderjahr geleistete Zuzahlungen für
Krankenhausbehandlung an die Krankenkasse und für eine
Anschlussheilbehandlung an den Rentenversicherungsträger werden angerechnet.
• für längstens 14 Tage innerhalb eines Kalenderjahres bei einer
Anschlussheilbehandlung des Rentenversicherungsträgers
Allgemeines zu
medizinischen Leistungen
der Rehabilitation
Dauer
Zuzahlung
Rehabilitation
23
Bereits im selben Kalenderjahr geleistete Zuzahlungen für die stationäre Behandlung an den Rentenversicherungsträger und für
die Krankenhausbehandlung, die der Anschlussheilbehandlung
vorausgegangen ist, an die Krankenkasse werden angerechnet.
Wenn der Versicherte mehrmals in einem Jahr stationär behandelt
wird, werden die Tage der Zuzahlung an die Krankenkasse für
Krankenhausbehandlung, ambulante und stationäre Rehamaß–
nahmen sowie Anschlussheilbehandlung angerechnet.
Keine Zuzahlung
Keine Zuzahlung wird fällig:
• bei ambulanten Reha-Leistungen der Rentenversicherung
• bei Reha-Leistungen der Unfallversicherung
• bei Bezug von Übergangsgeld
• bei Kinderheilbehandlungen
Wartezeit
Zwischen zwei bezuschussten Rehamaßnahmen – egal ob ambulant oder (teil-)stationär – muss in der Regel ein Zeitraum von
4 Jahren liegen.
Ausnahmen
Ausnahmen macht die Krankenkasse nur bei medizinisch dringender Erforderlichkeit. Dies muss mit Arztberichten oder einem Gut–
achten des behandelnden Arztes bei der Krankenkasse begründet
werden.
Der Rentenversicherungsträger genehmigt medizinische Reha–
maßnahmen vor Ablauf der 4-Jahres-Frist, wenn vorzeitige
Leistungen aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich
sind, weil ansonsten mit einer weiteren Minderung der
Leistungsfähigkeit zu rechnen ist.
Anschlussheilbehandlung
Die Anschlussheilbehandlung (AHB) ist eine im unmittelbaren
Anschluss an eine Krankenhausbehandlung oder eine ambulante
Operation erforderliche Weiterbehandlung in einer spezialisierten
Reha-Einrichtung. Sie zählt zur medizinischen Rehabilitation.
Eine Anschlussheilbehandlung muss in der Regel innerhalb von 14
Tagen nach der Entlassung beginnen, möglichst jedoch direkt im
Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt. Sie muss beim jeweiligen Sozialversicherungsträger beantragt werden (Antragsver–
fahren). Die Genehmigung einer Anschlussheilbehandlung hängt
von unterschiedlichen Indikationen ab, deshalb muss die Diagnose
in der AHB-Indikationsliste des zuständigen Sozialversiche–
rungsträgers enthalten sein.
24
Rehabilitation
AHB-Indikationsgruppen sind:
• Krankheiten des Herzens und des Kreislaufs
• Krankheiten der Gefäße
• entzündlich-rheumatische Erkrankungen
• degenerativ-rheumatische Erkrankungen und Zustand nach
Operationen
• Unfallfolgen an den Bewegungsorganen
• gastroenterologische Erkrankungen und Zustand nach
Operationen an den Verdauungsorganen
• Stoffwechselkrankheiten (z. B. Diabetes mellitus)
• Krankheiten und Zustand nach Operationen an den
Atmungsorganen
• Krankheiten der Niere und Zustand nach Operationen an
Nieren, ableitenden Harnwegen und Prostata
• neurologische Krankheiten und Zustand nach Operationen an
Gehirn, Rückenmark und peripheren Nerven
• bösartige Geschwulstkrankheiten und maligne
Systemerkrankungen
• gynäkologische Krankheiten und Zustand nach Operationen
Ziel einer Anschlussheilbehandlung ist, verloren gegangene
Funktionen oder Fähigkeiten wiederzuerlangen oder auszugleichen und die Patienten wieder an die Belastungen des Alltagsund Berufslebens heranzuführen.
Ziel
Die Anschlussheilbehandlung muss von den behandelnden
Krankenhausärzten eingeleitet werden. Nach der Entlassung ist es
für niedergelassene Ärzte nur in Ausnahmefällen möglich, eine
Anschlussheilbehandlung zu begründen.
Antrag
Die Kosten der Anschlussheilbehandlung können von nahezu
allen Sozialversicherungsträgern übernommen werden.
• Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für die Anschluss–
heilbehandlung, wenn das Hauptziel der Anschlussheilbe–
handlung die Wiedererlangung der Gesundheit ist.
• Der Rentenversicherungsträger übernimmt die Kosten, wenn
das Hauptziel der Anschlussheilbehandlung die
Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ist. Außerdem gelten
die rentenrechtlichen Voraussetzungen zur Rehabilitation.
• Die Berufsgenossenschaft übernimmt die Kosten nach einem
Arbeitsunfall, Wegeunfall oder nach der Behandlung einer
Berufskrankheit.
• In Einzelfällen tritt die Krankenhilfe des Sozialhilfeträgers ein.
Kostenträger
Rehabilitation
25
!
Praxistipp
?
Wer hilft weiter?
!
Praxistipp
26
Rehabilitation
Versicherungsrechtliche Voraussetzungen:
• Bezahlung des letzten Versicherungsbeitrags an den
Rentenversicherungsträger
• Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse
• Privat Krankenversicherte können in der Regel nicht direkt
vom Krankenhaus in eine Anschlussheilbehandlung (AHB)
gehen. Sie müssen mit Hilfe ihres behandelnden Arztes einen
Antrag auf eine Anschlussgesundheitsmaßnahme (AGM) beim
zuständigen Rentenversicherungsträger stellen. Die AGM
unterscheidet sich von der AHB dadurch, dass die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen durch
den Rentenversicherungsträger geprüft werden müssen, bevor
der Patient die AGM in einer Rehabilitationseinrichtung
antreten kann.
Persönliche und medizinische Voraussetzungen:
• Akutphase der Erkrankung muss abgeschlossen sein.
• Patient muss früh mobilisiert sein.
• Patient muss selbsthilfefähig sein, das heißt: ohne Fremdhilfe
zur Toilette gehen, selbstständig essen, sich allein waschen
und ankleiden können.
• Patient sollte reisefähig sein. Ein Krankentransport ist nur in
Not- und Ausnahmefällen möglich.
• Patient muss der Maßnahme zustimmen.
Informationen und Leistungen erhält man vom zuständigen
Kostenträger. Das können die Krankenkasse, der Rentenversiche–
rungsträger oder das Sozialamt sein.
Das „Handbuch Reha- und Vorsorgeeinrichtungen“ enthält einen
Überblick über rund 1.400 Rehakliniken. Es erscheint jedes Jahr im
Verlag MMI und liegt bei Ärzten und Beratungsstellen auf. Die
Informationen stehen auch im Internet unter www.betanet.de >
Rehakliniken.
Darunter versteht man eine Kur: Der Patient wohnt für die Zeit
der Rehamaßnahme in einer entsprechenden Einrichtung.
Stationäre Rehamaßnahmen sind z. B. bei Nachbehandlungen
schwerer Erkrankungen wie Herzinfarkt, Geschwulstleiden oder
Diabetes mellitus möglich.
Stationäre
Rehamaßnahme
Voraussetzungen für eine stationäre Rehamaßnahme sind:
• Eine ambulante oder teilstationäre Rehamaßnahme reicht
nicht aus.
• Die stationäre Aufnahme ist aus medizinischen Gründen
erforderlich.
• Die stationäre Rehamaßnahme wird in Einrichtungen mit
Versorgungsvertrag durchgeführt.
Voraussetzungen
Der Patient beantragt die medizinische Rehamaßnahme beim zu–
ständigen Träger. Erforderlich sind eine ärztliche Bescheinigung,
Arztbericht(e) und möglichst ein selbst verfasstes Schreiben. Der
Leistungsumfang bei ambulanten, teilstationären und stationären
Rehamaßnahmen liegt im Ermessen der Krankenkasse bzw. des
Renten- oder Unfallversicherungsträgers und wird aufgrund
medizinischer Erfordernisse festgelegt.
Antrag
Seit 1.4.2004 sind neue Rehabilitations-Richtlinien in Kraft. Der
behandelnde Arzt stellt bei der Krankenkasse einen Antrag auf
„Einleitung zur Rehabilitation oder alternative Angebote“.
Kommt nach Ansicht der Krankenkasse eine Rehamaßnahme und
sie selbst als Kostenträger in Betracht, dann bekommt der Arzt die
„Verordnung von medizinischer Rehabilitation“ zugeschickt.
Falls der Antrag bei einem anderen Kostenträger gestellt werden
muss (z. B. Rentenversicherung), wird dies von der Kranken–
versicherung mitgeteilt.
Bis zum 31.3.2006 (Übergangsfrist) dürfen noch alle Vertragsärzte
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation verordnen, ab dann
nur noch dafür qualifizierte Ärzte.
Vorgehensweise bei der
Antragstellung
Eigentlich genügt bei den Anträgen auf Rehamaßnahmen die
Angabe der Indikationen nach der ICD 10 (internationale
Klassifikation der Krankheiten). Es ist jedoch mittlerweile fast zur
Regel geworden, dass der Arzt die Notwendigkeit der medizinischen Rehabilitation ausführlich begründet. Auf jeden Fall vermindert es das Risiko einer Ablehnung durch den Kostenträger,
wenn dem Antrag sofort eine ausführliche ärztliche Begründung
beigefügt wird. Es kann durchaus sein, dass der MDK über das
ärztliche Attest hinaus den Patienten zu einer Begutachtung einlädt, um die Notwendigkeit der Rehamaßnahme zu prüfen.
Praxistipp zur
Antragstellung
!
Rehabilitation
27
?
28
Wer hilft weiter?
Individuelle Auskünfte erteilt der jeweils zuständige Sozialver–
sicherungsträger: Rentenversicherungsträger, Krankenkassen oder
das Sozialamt.
Kinderheilbehandlung
Eine Kinderheilbehandlung ist eine Kur für Kinder, die vom
Rentenversicherungsträger bezahlt wird. Sie zählt zu den sonstigen Leistungen zur Rehabilitation und muss beantragt werden
(Antragsverfahren).
Die Kosten können unter anderem bei folgenden Erkran–
kungen übernommen werden:
• Krankheiten der Atemwege
• allergische Krankheiten
• Hautkrankheiten
• Herz- und Kreislaufkrankheiten
• Leber-, Magen-, Darmkrankheiten
• Nieren- und Harnwegskrankheiten
• Stoffwechselkrankheiten (z. B. Diabetes mellitus)
• Krankheiten des Bewegungsapparats
• neurologische Erkrankungen
• psychosomatische und psychomotorische (Verhaltens-)
Störungen
• Übergewicht in Verbindung mit weiteren Risikofaktoren
Die Rentenversicherungsträger übernehmen die Kosten nicht:
• bei akuten Erkrankungen und Infektionskrankheiten, z.B.
Scharlach, Diphtherie (hier ist die Krankenkasse zuständig)
• bei Fällen, in denen die Aussicht auf eine spätere
Erwerbsfähigkeit nicht verbessert werden kann
• wenn das Kind sich aufgrund von Verhaltensstörungen nicht
in die Gemeinschaft einordnen kann
• wenn frühere Kinderheilbehandlungen ohne triftigen Grund
abgebrochen wurden
Voraussetzungen
Für die Kostenübernahme durch den Rentenversicherungs–
träger müssen die Eltern des zu behandelnden Kindes eine der
folgenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen:
• 6 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen in den letzten
2 Jahren vor Antragstellung oder
• Aufnahme einer versicherten oder selbstständigen
Beschäftigung bis zur Antragstellung innerhalb von 2 Jahren
nach Beendigung einer Ausbildung oder
Rehabilitation
• Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit bis zur Antragstellung
innerhalb von 2 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung
oder
• Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von 5 Jahren (§ 50 SGB
VI) bei verminderter Erwerbsfähigkeit oder absehbarer verminderter Erwerbsfähigkeit oder
• Bezug einer Rente durch den antragstellenden Elternteil
oder
• Bezug einer Waisenrente aus der Rentenversicherung durch
das Kind selbst
Als „Kinder“ gelten:
1. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres:
– die Kinder des Versicherten
– die im Haushalt aufgenommenen Stief- und Pflegekinder
– die im Haushalt aufgenommenen Enkel und Geschwister
des Versicherten
2. die unter 1. genannten Kinder bis zur Vollendung des
25. Lebensjahres
– bei schulischer oder beruflicher Ausbildung
– bei Ableistung eines freiwilligen sozialen oder ökologischen
Jahres
3. die unter 1. genannten Kinder ohne Altersbegrenzung bei
körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung, wodurch
ein Selbstunterhalt dieser Kinder unmöglich ist
Die Altersbegrenzung erhöht sich durch den gesetzlichen Wehroder Zivildienst, soweit hierdurch die Schul- oder Berufsausbil–
dung unterbrochen wurde.
Kinderheilbehandlungen dauern in der Regel 4 Wochen. Eine
Verlängerung ist möglich, wenn sie aus medizinischen und therapeutischen Gründen notwendig ist und die Notwendigkeit vom
Arzt oder von der Klinik begründet wird.
Dauer
Zwischen zwei bezuschussten Kinderheilbehandlungen muss in
der Regel ein Zeitraum von 4 Jahren liegen.
Wartezeit
Der Rentenversicherungsträger genehmigt Kinderheilbehand–
lungen vor Ablauf der 4-Jahres-Frist, wenn vorzeitige Leistungen
aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich sind, weil
ansonsten mit einer weiteren Minderung der Leistungsfähigkeit
zu rechnen ist.
Ausnahme
Rehabilitation
29
Begleitperson
Bei Kindern bis zum vollendeten 15. Lebensjahr werden auch die
Reisekosten für eine Begleitperson vom Rentenversicherungs–
träger übernommen. Die Kosten für die Unterbringung einer
Begleitperson während der Kinderheilbehandlung übernehmen
die Rentenversicherungsträger nur, wenn die Begleitperson aus
medizinischen und therapeutischen Gründen notwendig ist. Die
Notwendigkeit muss von dem behandelnden Arzt oder einem Arzt
der Rehaklinik begründet werden.
Kostenträger Krankenkasse
Liegen die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch den
Rentenversicherungsträger nicht vor, können Kinderheilbehand–
lungen von der Krankenkasse im Rahmen der medizinischen
Rehabilitation übernommen werden.
?
30
Wer hilft weiter?
Auskünfte und Beratungsstellen vor Ort vermitteln die
Rentenversicherungsträger bzw. die Krankenkassen.
Bei Fragen zur Kinder- und Jugendrehabilitation hilft auch die
Arbeitsgemeinschaft Rehabilitation für Kinder und Jugendliche
Bundesrepublik Deutschland e.V., Cecilienhöhe 3, 55543 Bad
Kreuznach, Telefon 0671 8355167, Fax 0671 35084, www.arbeitsgemeinschaft-kinderrehabilitation.de weiter.
Ergänzende Leistungen
zur Rehabilitation
Ergänzende Leistungen zur Reha sind Leistungen zur Wiederein–
gliederung Behinderter, um das Ziel der Rehamaßnahmen zu
erreichen und zu sichern. Sie zählen zur medizinischen
Rehabilitation.
Voraussetzungen
Die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten der ergänzenden Leistungen zur Reha sind je nach Leistungsträger unterschiedlich.
Die Kosten können z. B. von der Krankenkasse übernommen werden,
wenn diese zuletzt Krankenbehandlung leistete. Die Kostenüber–
nahme liegt im Ermessen der Krankenkasse. Den Anträgen ist die
Verordnung oder Stellungnahme des Arztes beizufügen.
Die Krankenkasse übernimmt zum Beispiel Schulungen für
Patienten und deren Angehörige.
Patientenschulungen
Patientenschulungen sind ein unverzichtbarer Teil jeder Diabetes
mellitus-Therapie. Betroffene sollen durch den Erwerb von
Fähigkeiten und Kenntnissen in die Lage versetzt werden, mit
ihrer Erkrankung selbstständig umzugehen, sie in ihr Leben bestmöglich zu integrieren und sich dadurch eine hohe Lebensquali–
tät zu erhalten. Zu den Inhalten der Schulungen gehören unter
anderem Ernährungsberatung und Stoffwechselselbstkontrolle.
Rehabilitation
Pflege
Diabetes mellitus bzw. die Spätfolgen können je nach Verlauf und
Therapie möglicherweise auch zu einer vorübergehenden oder
dauerhaften Pflegebedürftigkeit führen.
Häusliche Krankenpflege bedeutet in der Regel, dass ein Patient
zu Hause von einer Fachkraft gepflegt wird. Die Krankenver–
sicherung stellt unter bestimmten Voraussetzungen eine häus–
liche Krankenpflege oder übernimmt die Kosten dafür. In
Einzelfällen tritt die Krankenhilfe des Sozialhilfeträgers für die
Kosten ein.
Häusliche Krankenpflege
Voraussetzungen für die Kostenübernahme durch die Kran–
kenkasse:
• Die Pflege ist ärztlich verordnet zur Sicherung der ärztlichen
Behandlung.
• Keine im Haushalt lebende Person kann den Patienten im
erforderlichen Umfang pflegen und versorgen und
• Krankenhausbehandlung ist erforderlich, aber nicht ausführbar (z. B. Bettenmangel; mangelnde Transportfähigkeit) oder
wird vermieden/verkürzt oder
• es handelt sich um bloße Behandlungspflege, die zur
Sicherung der ärztlichen Behandlungsziele erforderlich ist
(z. B. falls der Arzt Injektionen in dem nötigen Umfang nicht
selbst vornehmen kann) – allerdings können Grundpflege und
hauswirtschaftliche Versorgung nur bis zum Eintritt von
Pflegebedürftigkeit verordnet werden.
Voraussetzungen
Krankenhausvermeidungspflege
Mögliche Dauer bis zu 4 Wochen je Krankheitsfall, in medizinisch
begründeten Fällen (Prüfung durch MDK) auch länger.
Dauer
Sicherungspflege
Die Dauer ist abhängig von den Satzungen der Krankenkassen
oder der Berufsgenossenschaft. Die Richtlinien des Bundes–
ausschusses der Ärzte und Krankenkassen hierzu sehen keine
Befristung vor.
Pflege
31
Umfang
!
Praxistipp
32
Häusliche Pflege beinhaltet:
• Grundpflege, das sind: pflegerische Leistungen nichtmedizinischer Art: Körperpflege, Ernährung, Mobilität
• Behandlungspflege, das sind: medizinische Hilfeleistungen wie
z. B. Verabreichung von Medikamenten, Anlegen von
Verbänden, Injektionen, Messen der Körpertemperatur,
Spülungen und Einreibungen.
• Hauswirtschaftliche Versorgung, z. B. Einkaufen, Kochen,
Putzen, Spülen, Waschen, Heizen.
• Das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ab Kom–
pressionsklasse 2 ist auch dann eine Leistung der
Krankenkasse, wenn der Versicherte Leistungen nach der
Pflegeversicherung erhält.
Voraussetzung für eine Kostenübernahme der häuslichen
Krankenpflege seitens der Krankenkasse ist, dass auf der
Verordnung des Arztes Behandlungspflege mitverordnet ist.
Grundpflege ohne Notwendigkeit von Behandlungspflege wird
nicht übernommen.
Wenn die Stoffwechsellage stark schwankt und für die Therapie
professionelle Hilfe benötigt wird, kann im Rahmen der häus–
lichen Krankenpflege auch ein ambulanter Pflegedienst in Schule
oder Kindergarten in Anspruch genommen werden (Urteil des
Bundessozialgerichts, Az.: B 3 KR 13/02 R).
Zuzahlung
Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zahlen 10%
der Kosten pro Tag für längstens 28 Tage im Kalenderjahr sowie
10,- € pro Verordnung.
Sachleistungserbringung
Vorrangig erbringen die Krankenkassen eine Sachleistung, das
heißt, sie stellen die Pflegekraft.
Die Krankenkassen haben mit geeigneten Organisationen (z. B.
Trägern der freien Wohlfahrtspflege, ambulanten Pflegediensten
oder Sozialstationen) Verträge über die Erbringung von Haus–
haltshilfe geschlossen. Haushaltshilfekräfte dieser Vertrags–
organisationen erbringen die Leistung und rechnen dann direkt
mit der Krankenkasse ab.
Wenn die Sachleistungserbringung nicht möglich ist, werden die
Kosten der Pflegekräfte der Sozialstationen, Krankenpflege–
vereine etc. von der Krankenkasse übernommen. Dies muss unbedingt vorher mit dem Leistungsträger abgesprochen und von diesem genehmigt sein.
Pflege
Die Krankenkassen erstatten die Kosten für eine selbst beschaffte
Kraft in angemessener Höhe (d. h. in Anlehnung an das tarifliche
oder übliche Entgelt einer Pflegekraft), falls:
• die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege
stellen kann, z. B. wenn die Kapazität der von der
Krankenkasse eingestellten Pflegekräfte erschöpft ist
• die selbst beschaffte Pflegekraft geringere Kosten verursacht
• die zu pflegende Person aus nachvollziehbaren Gründen nur
eine bestimmte, selbst ausgewählte Kraft akzeptiert. Diese
Kraft muss geeignet sein, pflegerische Dienste zu erbringen,
was allerdings nicht notwendigerweise eine abgeschlossene
Ausbildung voraussetzt.
Ausnahme
Auskünfte zu der Leistung „häusliche Krankenpflege“ erteilen die
Krankenkassen.
Wer hilft weiter?
Eine Haushaltshilfe ist eine fremde oder verwandte Person, die die
tägliche Arbeit im Haushalt erledigt. Sie übernimmt alle zur
Weiterführung des Haushalts notwendigen Arbeiten, z. B. Einkauf,
Kochen, Waschen oder Kinderbetreuung. Dies kann eine Leistung
der Krankenversicherung, der Unfallversicherung oder der
Rentenversicherung sein, bei Geringverdienenden oder nicht
Versicherten eine Leistung der Sozialhilfe, die sich dabei an den
Leistungen der Krankenversicherung orientiert.
Haushaltshilfe
Die Krankenkasse stellt eine Haushaltshilfe, wenn:
• die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist wegen
Krankenhausbehandlung, medizinischer Vorsorgeleistungen,
häuslicher Krankenpflege oder medizinischer Rehabilitation
und
• ein Kind im Haushalt lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe
das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat
oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist, z. B. für
Ernährung, Körperpflege, seelische Betreuung und
• keine im Haushalt lebende Person (auf Volljährigkeit kommt
es nicht an) den Haushalt weiterführen kann, z. B. wegen
Alters, schlechten Gesundheitszustands, des Umfangs der
Haushaltsführung etc.
Voraussetzungen bei der
Krankenversicherung
?
Pflege
33
Wichtig ist hierbei, dass sich die andere im Haushalt lebende
Person (z.B. der Ehepartner oder ältere Kinder) nicht wegen der
Weiterführung des Haushalts von ihrer Berufstätigkeit, Berufsoder Schulausbildung beurlauben lassen muss, das heißt, der
Haushaltsangehörige kann seine eigene berufliche oder schulische Rolle beibehalten.
!
Praxistipp
Klären Sie individuell mit der Krankenkasse ab, ob und in welchem
Umfang die Kostenübernahme für eine Haushaltshilfe in der
Satzung festgelegt ist.
Wurde der Antrag auf eine Haushaltshilfe von der Krankenkasse
abgelehnt und leben Kinder im Haushalt, deren Versorgung infolge Erkrankung der Mutter/des Vaters nicht gewährleistet ist, kann
beim Jugendamt eine Betreuung eines Kindes in Notsituation
beantragt oder auch ein Antrag auf ambulante Familienpflege
gestellt werden. Anspruch auf Haushaltshilfe besteht auch bei
Mitaufnahme der haushaltsführenden Person als Begleitperson
ins Krankenhaus (Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts vom
23.11.1995); zudem müssen die weiteren o.g. Voraussetzungen
vorliegen.
Voraussetzungen bei der
Rentenversicherung
Der Rentenversicherungsträger übernimmt die Kosten einer
Haushaltshilfe als ergänzende Leistung zur Rehabilitation, wenn:
• der Versicherte wegen der Teilnahme an einer Rehabilitation
außerhalb des eigenen Haushalts untergebracht ist, wodurch
die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist und
• keine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt
weiterführen kann und
• ein Kind im Haushalt lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe
das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert
und auf Hilfe angewiesen ist und
• der Versicherte den Haushalt bisher selbst geführt und nicht
etwa eine Hausangestellte beschäftigt hat.
Außerdem sind die rentenversicherungsrechtlichen Vorausset–
zungen zu erfüllen (Rehabilitation).
!
Praxistipp
34
Pflege
Wurde der Antrag auf eine Haushaltshilfe vom Rentenversiche–
rungsträger abgelehnt und leben Kinder im Haushalt, deren
Versorgung infolge Erkrankung der Mutter/des Vaters nicht
gewährleistet ist, kann beim Jugendamt eine Betreuung eines
Kindes in Notsituation beantragt werden.
Vorrangig erbringen die Krankenkassen und die Rentenversiche–
rungsträger eine Sachleistung, das heißt, sie stellen die
Haushaltskraft.
Sachleistungserbringung
Die Krankenkassen haben mit geeigneten Organisationen
(z. B. Trägern der freien Wohlfahrtspflege, ambulanten
Pflegediensten oder Sozialstationen) Verträge über die
Erbringung von Haushaltshilfe geschlossen. Haushaltshilfekräfte
dieser Vertragsorganisationen erbringen die Leistung und rechnen
dann direkt mit der Krankenkasse ab.
Wenn die Sachleistungserbringung nicht möglich ist, werden die
Kosten für eine selbst beschaffte Haushaltshilfe in angemessener
(siehe unten) Höhe, d.h. in Anlehnung an das tarifliche oder
übliche Entgelt einer Haushaltshilfe, von den Krankenkassen
übernommen. Dies muss unbedingt vorher mit dem Leistungs–
träger abgesprochen und von diesem genehmigt sein.
Als „angemessen“ gilt ein täglicher Höchstbetrag (bei 8-stündiger
Tätigkeit) von etwa 2,5% der monatlichen Bezugsgröße, d. h.
maximal 61,- € täglich (maximal 7,65 € pro Stunde). Für eine
professionelle Haushaltshilfe ist dieser Satz höher.
Für Verwandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grad gibt es
keine Kostenerstattung. Verwandte und Verschwägerte bis zum
zweiten Grad sind z.B. Eltern, Kinder, Großeltern, Enkelkinder,
Geschwister, Stiefeltern, Stiefkinder, Stiefenkelkinder, Schwieger–
eltern, Schwiegerkinder, Großeltern des Ehepartners, Schwager.
Fahrtkosten/Verdienstausfall
Die Krankenkasse und die Rentenversicherungsträger können die
erforderlichen Fahrtkosten und den Verdienstausfall für Ver–
wandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grad erstatten.
Den Verdienstausfall muss der Arbeitgeber bestätigen. Ein entsprechendes Formular gibt es bei den Krankenkassen.
Die Zuzahlung beträgt 10% der Kosten pro Kalendertag, jedoch
mindestens 5,– € und höchstens 10,– €.
Zuzahlung
Antragsformulare auf eine Haushaltshilfe gibt es bei den
Krankenkassen und den Rentenversicherungsträgern. Sie beraten
auch bei Detailfragen und geben individuelle Auskünfte.
Wer hilft weiter?
?
Pflege
35
Betreuung eines Kindes
in Notsituation
Voraussetzungen Jugendamt
?
Wer hilft weiter?
36
Pflege
Das Jugendamt soll die Betreuung und Versorgung von Kindern
(0 bis noch nicht 14 Jahre alt) in Notsituationen sicherstellen
(Kinder- und Jugendhilfegesetz). Diese Leistung wird Betreuung
eines Kindes in Notsituation oder auch „ambulante Familien–
pflege“ genannt. Es besteht allerdings kein Rechtsanspruch
darauf.
Die Betreuung und Versorgung erfolgt in der Regel im elterlichen
Haushalt, ausnahmsweise bei einer Pflegefamilie oder in einem
Heim für Minderjährige.
Unter diese Betreuungsform fallen folgende Aufgaben:
• Erziehung des Kindes
• Aufsicht über die Erledigung der Hausaufgaben
• Zubereitung der Mahlzeiten
• sonstige Haushaltsführung
Unter folgenden Voraussetzungen werden die Kosten übernommen:
• Der Elternteil, der die überwiegende Betreuung des Kindes
übernommen hat, fällt aus gesundheitlichen oder anderen
zwingenden Gründen (z. B. Pflegebedürftigkeit, Teilnahme an
Bildungsmaßnahmen für die beabsichtigte Aufnahme einer
Berufstätigkeit, Inhaftierung, Todesfall) aus.
• Der andere Elternteil ist wegen berufsbedingter Abwesenheit
nicht in der Lage, die Betreuung und Versorgung des Kindes
wahrzunehmen.
• Die Hilfe ist für das Wohl des Kindes erforderlich.
• Betreuung und Versorgung in Kindertagesstätten oder als
Tagespflege von Kindern reichen nicht aus.
• Die Krankenkasse bewilligt keine oder nur eine teilweise
Haushaltshilfe.
• Die Haushaltshilfe als Leistung der Krankenversicherung ist
vorrangig. Zuerst muss also die Haushaltshilfe bei der
Krankenkasse beantragt werden. Nur wenn dieser Antrag
abgelehnt oder nur teilweise bewilligt wird, kann die
Betreuung und Versorgung des Kindes beim Jugendamt
beantragt werden.
• Kosten: Die Eltern tragen die Kosten dieser Betreuung und
Versorgung, soweit sie finanziell dazu in der Lage sind.
Es gelten die Einkommensgrenzen der Hilfe in besonderen
Lebenslagen (Einsatz von Einkommen und Vermögen).
Individuelle Auskünfte erteilt das örtliche Jugendamt.
Grundsätzlich wird bei Hilfsmitteln unterschieden zwischen
„nicht zum Verbrauch bestimmten“ und „zum Verbrauch
bestimmten“ Hilfsmitteln. Für die beiden Kategorien wird die
Zuzahlung unterschiedlich berechnet.
Hilfsmittel bei
Diabetes mellitus
Zu den „nicht zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln“
zählen bei Diabetikern u. a.:
• Blutzuckermessgeräte
• Stechhilfen
• Insulinpumpen
• Insulinpens
• Pumpentaschen und –gurte
Die Zuzahlung beträgt 10% der Kosten des Hilfsmittels, mindestens jedoch 5,– €, höchstens 10,– €, in keinem Fall aber mehr
als die Kosten des Hilfsmittels selbst.
Zuzahlung
Zu den „zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln“ zählen bei
Diabetikern u. a.:
• Lanzetten
• Nadeln für Insulinpens
• Kanülen
• Insulin-Einmalspritzen
• Insulinpumpen-Verbrauchsmaterial (Katheter, Adapter,
Ampullen-Sets etc.)
Die Zuzahlung beträgt 10% des Verkaufspreises. Es gibt keine
Mindestzuzahlung, maximal darf die Zuzahlung 10,– € pro
Monatsbedarf je „Indikation“ betragen.
Zuzahlung
Die Indikation bezieht sich auf die jeweilige Produktgruppe des
Hilfsmittelverzeichnisses. Für Diabetiker sind zwei Produkt–
gruppen von Bedeutung:
• Produktgruppe 03 Applikationshilfen: Nadeln für
Insulinpens, Kanülen, Insulin-Einmalspritzen
• Produktgruppe 21 Messgeräte für Körperzustände/-funktionen: Lanzetten für die Stechhilfen zur Blutentnahme
Bekommt ein Diabetiker also „zum Verbrauch bestimmte
Hilfsmittel“, sowie „nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel“
verordnet, so können in einem Monat zweimal bis zu 10,– €, also
maximal 20,– €, für Hilfsmittel anfallen.
!
Praxistipp
Pflege
37
38
Pflege
Blutzucker- und
Harnteststreifen
Blutzucker- und Harnteststreifen können auf Kosten der
Krankenkasse vom behandelnden Arzt verordnet werden. Sie sind
bei insulinpflichtigen Diabetikern zuzahlungsfrei.
Voraussetzung
Der Patient ist insulinpflichtig und in der Lage, die Blutzucker–
messung selbst durchzuführen.
Die Verordnung von Blutzuckerteststreifen wird in den einzelnen
Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. Der Arzt entscheidet,
wie oft ein Diabetiker aufgrund medizinischer Notwendigkeit
messen muss und verordnet die dafür notwendige Anzahl an
Teststreifen.
Einige Kassenärztliche Vereinigungen halten sich an folgenden Orientierungsrahmen:
• Typ-1-Diabetes mellitus
generell 400 Blutzuckerteststreifen pro Quartal
• Typ-2-Diabetes mellitus
Bei medikamentöser Behandlung und mit Diät (ohne Insulin)
werden nur in Ausnahmefällen bei diabetischen
Folgeerkrankungen oder pathologischer Nierenschwelle
maximal 50 Teststreifen pro Quartal verordnet.
• Bei Behandlung mit intensivierter konventioneller Therapie
(ICT) und Pumpentherapie (gleichgültig ob Diabetes mellitusTyp-1 oder –Typ-2) generell 600 Blutzuckerteststreifen pro
Quartal.
Schwerbehinderung
Diabetes mellitus bei Erwachsenen oder Kindern kann dazu führen, dass der Patient als schwerbehindert eingestuft wird.
Unterstützung und Hilfen für behinderte Menschen sind hauptsächlich im SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe – geregelt. Als
schwerbehindert gilt, wem vom Versorgungsamt ein Grad der
Behinderung (GdB) von mindestens 50 zugesprochen wurde.
Definition:
Als schwerbehindert nach dem SGB IX (§ 2 Abs. 2 SGB IX)
gelten Personen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von
mindestens 50. Leistungen nach dem SGB IX erhalten sie nur,
wenn sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt
oder ihre Beschäftigung in Deutschland haben.
Als behindert nach dem SGB IX (§ 2 Abs. 1 SGB IX) gelten
Personen, deren körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder
seelische Gesundheit zu einer Beeinträchtigung führen, die
für einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten von dem für das
Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt. Sie
sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung
zu erwarten ist.
Schwerbehinderte erhalten auf Antrag beim Versorgungsamt
einen Schwerbehindertenausweis. Dieser kann je nach Art
der Behinderung Merkzeichen enthalten, wodurch der
Schwerbehinderte verschiedene Vergünstigungen in
Anspruch nehmen kann.
Der Schwerbehindertenausweis belegt Art und Schwere der
Behinderung und muss vorgelegt werden, wenn Vergünstigungen
für Behinderte beantragt oder in Anspruch genommen werden.
Schwerbehindertenausweis
Die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises erfolgt auf
Antrag des Schwerbehinderten. Antragsformulare sind beim
Versorgungsamt erhältlich.
Antrag
Schwerbehinderung
39
!
Praxistipp
Nicht nur die Grunderkrankung, sondern auch alle zusätzlichen
Beeinträchtigungen, z. B. Sehfehler, sowie Begleiterscheinungen
angeben.
Kliniken und Ärzte anführen, die am besten über die angeführten
Gesundheitsstörungen informiert sind. Dabei unbedingt die dem
Antrag beiliegenden Schweigepflichtentbindungen und Einver–
ständniserklärungen ausfüllen, damit das Versorgungsamt bei den
angegebenen Stellen die entsprechenden Auskünfte einholen
kann.
Antragsstellung mit dem behandelnden Arzt absprechen. Der Arzt
sollte in den Befundberichten die einzelnen Auswirkungen der
Erkrankung (z. B. die Höhe der körperlichen Belastbarkeit) detailliert darstellen. Diese Kriterien, nicht allein die Diagnose, entscheiden über den Grad der Behinderung.
Der Patient sollte sich etwa eine Woche lang selbst beobachten
und beobachten lassen und alles aufschreiben, was körperlich
beeinträchtigt, womit er sich und/oder andere gefährdet (z. B. zu
langsam im Straßenverkehr, Autos nicht gehört oder gesehen).
Bereits vorhandene ärztliche Unterlagen gleich bei Antrag–
stellung mit einreichen, z. B. Krankenhausentlassungsbericht,
Kurbericht, alle die Behinderung betreffenden Befunde in Kopie.
Lichtbild beilegen (erst ab Vollendung des 10. Lebensjahres
notwendig).
Nach der Feststellung des Grades der Behinderung (GdB)
bekommt der Behinderte vom Versorgungsamt einen so genannten Feststellungsbescheid. Ab einem GdB von 50 besteht die
Möglichkeit, einen Schwerbehindertenausweis zu bekommen.
Gültigkeitsdauer
Der Ausweis wird in der Regel für längstens 5 Jahre ausgestellt.
Ausnahme: Bei einer voraussichtlich lebenslangen Behinderung
kann der Ausweis unbefristet ausgestellt werden.
Verlängerung: Die Gültigkeit kann auf Antrag höchstens zweimal
verlängert werden. Danach muss ein neuer Ausweis beantragt
werden.
Bei Schwerbehinderten unter 10 Jahren ist der Ausweis bis zur
Vollendung des 10. Lebensjahres befristet. Danach werden die
Voraussetzungen der Schwerbehinderung neu überprüft.
Bei Schwerbehinderten zwischen 10 und 15 Jahren ist der Aus–
weis bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres befristet. Danach
werden die Voraussetzungen der Schwerbehinderung neu überprüft.
40
Schwerbehinderung
Verschlechtert sich der Gesundheitszustand eines Menschen mit
Schwerbehindertenausweis oder kommt eine weitere dauerhafte
Einschränkung durch eine neue Erkrankung dazu, dann sollte
beim Versorgungsamt ein Antrag auf Erhöhung des Grades der
Behinderung (GdB) gestellt werden. Der Vordruck für den Antrag
wird auf Anfrage vom Versorgungsamt zugeschickt und es wird
geprüft, ob ein neuer Schwerbehindertenausweis mit evtl. neuen
Merkzeichen ausgestellt wird.
Verschiedene Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis kennzeichnen die Behinderung und signalisieren, welche Vergüns–
tigungen der Behinderte erhält.
Antrag auf Erhöhung
Es gibt folgende Merkzeichen:
Merkzeichen
Merkzeichen „G“:
Merkzeichen „aG“:
Merkzeichen „H“:
Merkzeichen „Bl“:
Merkzeichen „RF“:
Merkzeichen „B“:
Merkzeichen „Gl“:
erhebliche Beeinträchtigung der
Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr
sowie erhebliche Geh- und/oder
Stehbehinderung
außergewöhnliche Gehbehinderung
hilflos
blind oder hochgradig sehbehindert
Rundfunk- und
Fernsehgebührenbefreiung
ständige Begleitung bei Benutzung
öffentlicher Verkehrsmittel notwendig
gehörlos und an Taubheit grenzende
Schwerhörigkeit mit schwerer
Sprachstörung
Wenn es sich um einen Diabetes mellitus mit häufigem hypogly–
kämischem Schock handelt, dann wird dies im Schwerbehinder–
tenausweis als Merkzeichen „G“ anerkannt.
Von einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit
wird ausgegangen, wenn die hypoglykämischen Schocks überwiegend am Tage auftreten.
Merkzeichen „G“
Bei Kindern ist nur der Teil der Hilfsbedürftigkeit zu berücksichtigen, der den eines gesunden gleichaltrigen Kindes überschreitet.
Merkzeichen „H“ bei Kindern
Ausnahme: Wegen der Besonderheiten des Kindesalters (Kinder
müssen sich das „Handwerkszeug“ zum adäquaten Umgang mit
ihrer Behinderung erst im Laufe ihrer Entwicklung erwerben)
kann auch schon bei einem niedrigeren GdB Hilflosigkeit vorliegen. Im Einzelnen gilt dies bei Diabetes mellitus bis zum 16.
Lebensjahr, bei fortbestehender unausgeglichener Stoffwechsel–
lage bis zum 18. Lebensjahr.
Schwerbehinderung
41
?
Wer hilft weiter?
Auskünfte über und Anträge für den Schwerbehindertenausweis
erhält man beim Versorgungsamt.
Gleichstellung behindert/
schwer behindert
Personen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von weniger als
50, aber mindestens 30 erhalten die gleichen Leistungen wie
Schwerbehinderte (außer Erleichterungen im Personenverkehr,
das sind Vergünstigungen im öffentlichen Fern- und Nahverkehr),
wenn sie infolge ihrer Behinderung keinen geeigneten
Arbeitsplatz erlangen oder behalten können. Die Gleichstellung
stellt die Agentur für Arbeit (ehemals Arbeitsamt) auf Antrag fest.
Gleichgestellte genießen wie Schwerbehinderte einen besonderen
Kündigungsschutz. Sie haben jedoch im Gegensatz zu Schwer–
behinderten keinen Anspruch auf einen Zusatzurlaub von 5 be–
zahlten Arbeitstagen im Jahr (§ 125 SGB IX) und auf vorgezogenes Altersruhegeld nach Vollendung des 60. Lebensjahres
(Altersrente für Schwerbehinderte).
!
?
Praxistipp
Die Gleichstellung erfolgt durch die zuständige Agentur für
Arbeit (ehemals Arbeitsamt). Der Antrag muss unmittelbar bei der
Agentur für Arbeit gestellt werden unter Vorlage des
Feststellungsbescheids des Versorgungsamts und eines Schreibens
des Arbeitgebers, der den Antragsteller als Schwerbehinderten
einstellen bzw. weiterbeschäftigen würde. Die Gleichstellung wird
mit dem Tag der Antragsstellung wirksam. Sie kann befristet werden.
Wer hilft weiter?
Informationen zum SGB IX und zu „Jobs für schwerbehinderte
Menschen“ gibt das Bürgertelefon des Bundesarbeitsministe–
rium für Gesundheit und soziale Sicherung Telefon 01805
996604, Montag bis Donnerstag, 8–20 Uhr.
Fragen zu Leistungen für Schwerbehinderte oder Unklarheiten
über die Zuständigkeiten der jeweiligen Leistungsträger beantworten die örtlichen Servicestellen der Rehabilitationsträger.
Arbeitsrechtliche Auskünfte (Kündigungsschutz, Zusatzurlaub)
erteilt das Integrationsamt.
Grad der Behinderung
bei Diabetes mellitus
42
Schwerbehinderung
Der GdB wird durch das Versorgungsamt (= Amt für
Familienförderung und Versorgung) festgestellt, soweit er nicht
bereits anderweitig festgestellt wurde, z. B. durch Rentenbescheid
oder durch eine Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung.
Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit
Das Versorgungsamt richtet sich bei der Feststellung der
Behinderung, des Grades der Behinderung (GdB) und der
Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises nach den
„Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen
Entschädigungsrecht“.
Die Anhaltspunkte enthalten allgemeine Beurteilungsregeln und
Einzelangaben darüber, wie hoch der Grad der Behinderung bei
welchen Behinderungen festzusetzen ist. Sie gelten bundesweit
und sollen für eine möglichst einheitliche Praxis sorgen. Vom
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung wurden sie
zuletzt 1996 neu gefasst und zwischenzeitlich mehrfach geändert.
Hier die Angaben zu Diabetes mellitus:
Der GdB/MdE-Grad bei Störungen des Stoffwechsels und der
inneren Sekretion ist von den Auswirkungen dieser Störungen
abhängig. In diesem Abschnitt nicht erwähnte angeborene
Stoffwechselstörungen sind analog und unter Berücksichtigung
ihrer vielfältigen Auswirkungen zu beurteilen.
Normabweichungen der Laborwerte bedingen für sich allein noch
keinen GdB/MdE-Grad.
GdB
40
50
Typ-1-Diabetes mellitus
gut einstellbar
schwer einstellbar (häufig bei Kindern), auch gelegentliche, ausgeprägte Hypoglykämien
GdB
0
Typ-2-Diabetes mellitus
durch Diät allein einstellbar (ohne blutzuckerregulierende Medikation)
durch Diät und Kohlehydratresorptionsverzögerer
oder Biguanide (das heißt orale Antidiabetika, die
allein nicht zur Hypoglykämie führen) ausreichend
einstellbar
durch Diät und Sulfonylharnstoffe (auch bei zusätzlicher Gabe anderer oraler Antidiabetika) ausreichend einstellbar
durch Diät und orale Antidiabetika und ergänzende
oder alleinige Insulininjektionen ausreichend einstellbar
10
20
30
Häufige, ausgeprägte Hypoglykämien sowie Organkomplikationen
sind ihren Auswirkungen entsprechend zusätzlich zu bewerten.
Liegen mehrere Funktionsstörungen vor, so werden die einzelnen
Werte nicht zusammengerechnet, sondern es werden die einzelnen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Ge–
samtheit betrachtet und daraus ein Gesamtgrad der Behinderung
festgelegt, der der Behinderung insgesamt gerecht wird.
Schwerbehinderung
43
Sexualität
Durch einen schlecht eingestellten Diabetes mellitus kann es zu
Schäden am Nervensystem (Neuropathien) und an den Gefäßen
(Mikro- und Makroangiopathie) kommen. Sollten diese
Schädigungen im Bereich des Beckens und der Geschlechtsorgane
auftreten, kann es zu Störungen der Sexualfunktion kommen, bei
Männern etwa zu Erektionsstörungen und bei Frauen eher zu
einer Einschränkung der Libido und Trockenheit der Vagina. In
diesen Fällen wirkt sich der Diabetes mellitus auch auf die sexuelle Lust und Aktivität aus. Vorbeugen können die Patienten
durch eine gut eingestellte Stoffwechsellage.
Sexuelle Probleme können aber auch seelisch bedingt sein.
Natürlich haben Diabetiker die gleichen Beziehungsprobleme wie
andere Menschen auch. Darüber hinaus können sich aber durch
die Erkrankung gerade bei Männern Versagensängste entwickeln,
die zu Erektionsproblemen führen.
Um solchen Versagensängsten und daraus entstehenden
Beziehungsproblemen vorzubeugen, ist es sehr wichtig, mit dem
Partner offen darüber zu sprechen. Falls gemeinsam keine Lösung
zu finden ist, können die Betroffenen professionelle Hilfe in
Anspruch nehmen, beispielsweise durch ein Gespräch mit ihrem
behandelnden Arzt oder einem Psychotherapeuten.
44
Sexualität
Schwangerschaft
Noch vor einigen Jahrzehnten haben Spezialisten Diabetikerinnen
oft von einer Schwangerschaft abgeraten, da das Risiko für
Mutter und Kind sehr hoch war. Aufgrund der medizinischen
Fortschritte ist es heute unter Ausnutzung aller TherapieOptionen möglich, ein Kind problemfrei auszutragen. Allerdings
müssen die Diabetikerinnen sich im Vorfeld sehr gut mit ihrer
Erkrankung und den möglichen Komplikationen auseinander
setzen.
Man muss grundsätzlich einmal unterscheiden zwischen einem in
der Schwangerschaft erworbenen Diabetes mellitus, das heißt
einem Gestationsdiabetes, und einem bereits vorhandenen
Diabetes mellitus.
Ist der Diabetes mellitus zu Beginn der Schwangerschaft
schon bekannt, sollten einige Punkte beachtet werden:
• Eine Schwangerschaft sollte geplant sein.
• Es ist ratsam, vorher an einer Schulung teilzunehmen,
außerdem muss auch unbedingt das Umfeld mit einbezogen
werden.
• Der Blutzucker sollte im Vorfeld optimal eingestellt sein.
• Vor oder zu Beginn der Schwangerschaft sollte ein „Staging“
durchgeführt werden. Dazu gehören Kontrolle der Augen–
gefäße und Nierenfunktion, HbA1, Blutzuckertagesprofile und
Urinkontrollen auf Zuckergehalt. Dies sind wichtige Parameter
über die Blutzuckereinstellung der letzten Wochen.
• Es sollte eine enge Zusammenarbeit zwischen Gynäkologen,
Diabetologen und Pädiatern bestehen.
• Es müssen engmaschige Kontrollen von Blutzucker, Blutdruck,
Urinstatus, Blutbild und Gewicht erfolgen. Eine Entgleisung
des Blutzuckers sollte zu einer sofortigen Krankenhausein–
weisung führen.
• Bei Typ-2-Diabetikerinnen kann eine Umstellung auf Insulin
in Erwägung gezogen werden.
• Komplikationen wie z. B. Harnwegsentzündungen oder
Pilzerkrankungen müssen zeitnah behandelt werden.
• Die Vorstellung in der geburtshilflichen Einrichtung ist
frühzeitig (Beginn des letzten Schwangerschaftsdrittels)
zu empfehlen.
• Die Entbindung sollte terminnah stattfinden, das heißt das
Kind sollte möglichst nicht übertragen werden.
• Eine rasche Untersuchung des Kindes vom Pädiater mit
sofortigen Blutzuckerkontrollen ist notwendig.
Schwangerschaft
45
Handelt es sich um einen Gestationsdiabetes, muss zu den
oben genannten Empfehlungen noch beachtet werden:
• Die Patientin sollte unbedingt an einer Schulung teilnehmen.
• Am Anfang der Therapie steht die Ernährungsberatung.
• Nach der Geburt ist es empfehlenswert zu stillen.
• Die Blutzuckeruntersuchungen sollten nach der Geburt in
regelmäßigen Abständen weiter durchgeführt werden, auch
wenn der Gestationsdiabetes (= GDM) sich vollständig zurückentwickelt hat. Frauen, die einen GDM durchgemacht haben,
haben ein deutlich erhöhtes Risiko, später an einem manifesten Diabetes mellitus zu erkranken.
• Eine konsequente Gewichtsabnahme sollte begonnen werden,
allerdings sollte das Gewicht langsam reduziert werden.
46
Schwangerschaft
Kindergarten und Schule
Diabetische Kinder sind ganz normale Kinder. Sie erfordern keine
besondere Nachsicht, sondern nur etwas mehr Aufmerksamkeit.
Wenn Lehrer und Erzieher mit Eltern und Kindern zusammenarbeiten, steht einem normalen und sicheren Schul- oder
Kindergartenbesuch nichts im Wege.
Hier einige Hinweise zum Kindergarten- bzw. Schulalltag:
• Wichtige Telefonnummern von Eltern und behandelndem Arzt
gut erreichbar aufbewahren.
• Sonderstellungen sollten vermieden werden. Allerdings kann
eine Stoffwechselentgleisung die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen und eine besondere Reizbarkeit hervorrufen.
Kommt dies häufiger vor, müssen Eltern und Arzt informiert
werden.
• Diabetischen Kindern muss es immer möglich sein, zu essen
oder zu trinken, damit erst gar keine Zwischenfälle auftreten.
• Manche Kinder benötigen Insulin vor dem Essen, dann muss
vielleicht während des Aufenthaltes in Schule oder
Kindergarten gespritzt werden.
• Blutzuckerbestimmungen können auch zwischendurch
medizinisch notwendig sein, sie sollten dem Kind deswegen
gestattet werden.
• Diabetiker können uneingeschränkt am Sportunterricht
teilnehmen. Sie sollten allerdings auch dort die Möglichkeit
haben, jederzeit ihren Zucker zu kontrollieren.
• Zur Sicherheit sollte zusätzlich zu dem Vorrat des Kindes in
allen genutzten Räumen eine Packung Traubenzucker auf–
bewahrt werden.
• Ausflüge sind jederzeit möglich. Man sollte aber möglichst
wenigstens einen Tag Vorlaufzeit haben, um die nötigen
Vorkehrungen treffen zu können. Außerdem sollten das Kind
und evtl. eine Begleitperson gut über die Erkrankung informiert sein.
• Im Notfall kann auch ein Laie mit einem Glucagon-SpritzenSet (rezeptpflichtig) eine schwere Unterzuckerung mit
Bewusstlosigkeit durchbrechen. Nach dem Aufwachen unbedingt Traubenzucker oder süße Flüssigkeit zuführen, Eltern
und Arzt verständigen.
• Bei Komplikationen, Verdacht auf Stoffwechselentgleisungen,
zur Absprache von Ausflügen oder speziellen Veranstaltungen
oder sonstigen Informationen bitte Rücksprache halten mit
Eltern oder Arzt.
Kindergarten und Schule
47
!
Praxistipp
48
Kindergarten und Schule
Wenn die Stoffwechsellage stark schwankt und für die Therapie
professionelle Hilfe benötigt wird, kann ein ambulanter Pflege–
dienst im Rahmen der häuslichen Krankenpflege auch in Schule
oder Kindergarten in Anspruch genommen werden (Urteil des
Bundessozialgerichts, Az. B 3 KR 13/02 R).
Ausbildung und Beruf
Grundsätzlich können Diabetiker ohne schwerwiegende Folgeoder zusätzliche Erkrankungen fast alle Berufe ausüben. Das
plötzliche Entgleisen der Stoffwechsellage kann aber die eigene
oder die Sicherheit anderer Menschen gefährden. Deswegen sollten besonders insulinspritzende Diabetiker bestimmte Aspekte bei
der Berufswahl beachten.
Ungünstig für Diabetiker sind Berufe, bei denen sie:
• sich selbst gefährden (z. B. Dachdecker, Gebäudereiniger oder
andere Arbeiten in großer Höhe)
Ungünstige Berufe
• keine regelmäßigen Pausen zum Essen und Entspannen haben
• ihren Blutzucker nicht in gewohnter Weise messen können
• die Arbeitsbelastung nicht planen können und viel Stress
haben, der sich negativ auf die Stoffwechsellage auswirkt
• Arbeiten in Schutzkleidung verrichten müssen, durch die der
Körper nicht direkt zugänglich ist (Hitze, Kälte, Laborplatz)
• nachts arbeiten müssen
Schichtdienst ist grundsätzlich möglich, soweit der Tag-NachtRhythmus des Diabetikers nicht völlig durcheinander gerät.
Eine Einstellung im öffentlichen Dienst oder eine Verbeamtung ist
grundsätzlich möglich, allerdings wird hier häufig ein ärztliches
Gutachten zur persönlichen Gesundheitssituation gewünscht.
Ungeeignet sind Berufe mit:
• Personenbeförderung (Taxifahrer, Busfahrer, Pilot,
Lokführer, etc.)
Ungeeignete Berufe
• verantwortlicher Überwachungsfunktion (wie z. B. Fluglotse,
Schrankenwärter, Arbeit an Leitstellen in Kraftwerken)
• Schusswaffengebrauch (Polizist, Wachdienst etc.)
Diabetiker sind vom Wehrdienst befreit, unabhängig davon, wie
schwer die Erkrankung ist. Bei Mitgliedern der Bundeswehr, die an
Diabetes mellitus erkranken, entscheidet ein truppenärztliches
Attest, ob und welche Tätigkeiten noch ausgeübt werden können.
Da bei diesen Berufen eine Fremdgefährdung möglich ist, verbietet der Gesetzgeber sie bzw. überlässt die Entscheidung im
Einzelfall dem Arbeitsmediziner.
Ausbildung und Beruf
49
Auch wenn der angestrebte Beruf nicht zu den ungeeigneten
oder ungünstigen Berufen zählt, sollte man sich erkundigen, ob
Richtlinien zum Arbeits- und Gesundheitsschutz oder
Eignungsvorschriften existieren. Beachtet werden müssen z. B.
berufsgenossenschaftliche Grundsätze für arbeitsmedizinische
Vorsorgeuntersuchungen, das Arbeitssicherheitsgesetz, Unfallver–
hütungsvorschriften, die Gefahrstoffverordnung oder die
Eignungsvorschriften für bestimmte Berufe.
Bei einem Bewerbungsschreiben muss Diabetes mellitus nicht er–
wähnt werden. Stellt der Arbeitgeber Fragen nach dem Gesund–
heitszustand, gelten diese nur dann als zulässig, wenn sie im
direkten Zusammenhang mit dem einzugehenden Arbeitsver–
hältnis stehen.
Jugendschutzbestimmungen
Beim Eintritt ins Berufsleben verlangt der Arbeitgeber eine ärztliche Einstellungsuntersuchung. Diese Untersuchung wird auch
von den Jugendschutzbestimmungen gefordert.
Vornehmen dürfen sie alle praktischen Ärzte und Allgemein–
mediziner, alternativ dazu auch das zuständige Gesundheitsamt.
Die Ärzte unterliegen der Schweigepflicht und dürfen die
Erkrankung dem Arbeitgeber nicht mitteilen. Es gilt dabei nur
herauszufinden, ob man arbeitsfähig ist.
!
50
Praxistipp
Die nötigen Formulare dazu werden entweder in den Abschluss–
klassen verteilt oder sind über das Gewerbeaufsichtsamt zu
beziehen.
Berufsfindung und
Arbeitserprobung
Berufsfindung und Arbeitserprobung dienen dazu, den geeignetsten Weg der beruflichen (Wieder-) Eingliederung zu finden. Sie
zählen zu den Leistungen der medizinischen Rehabilitation. In der
Regel geht es dabei um die Findung und Erprobung eines neuen
beruflichen Umfeldes. Die Maßnahmen werden meist in
Berufsförderungs- und Berufsfindungswerken durchgeführt. Dies
kann dann sinnvoll und notwendig sein, wenn durch die
Erkrankung an Diabetes mellitus der bisherige Beruf nicht mehr
ausgeübt werden kann.
Ausbildung und Beruf
Die Berufsfindung klärt das Leistungsvermögen, die Eignung und
Neigung sowie die Auswirkungen der Behinderung auf eine
spätere berufliche Tätigkeit des Versicherten.
Die Arbeitserprobung soll nach der Entscheidung für einen Beruf
noch bestehende Fragen zu bestimmten Ausbildungs- und
Arbeitsplatzanforderungen klären.
Beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen übernehmen die Rentenversicherungsträger die Kosten. Die Krankenkasse
zahlt nachrangig. Bei Geringverdienenden oder nicht Versicherten
kommt unter Umständen das Sozialamt für die Kosten auf.
!
Die Anmeldung erfolgt durch den Rehaträger in Abstimmung mit
den Fachdiensten der Agentur für Arbeit (ehemals Arbeitsamt).
Erforderliche Unterlagen:
• Eingliederungsplan, der vom Rehaträger zusammen mit der
Agentur für Arbeit vor Ort und dem Betroffenen erstellt wird
• Eignungsgutachten eines Fachpsychologen
• ärztliche Gutachten mit Befundunterlagen
• Kostenzusage des Rehaträgers
Praxistipp
Der jeweils zuständige Sozialversicherungsträger: Agentur für
Arbeit (ehemals Arbeitsamt), Rentenversicherungsträger,
Krankenkassen, Sozialamt und die Servicestellen. Letztere haben
im Zweifelsfall auch die Aufgabe, abzuklären, welcher Träger für
die Berufsfindung und Arbeitserprobung zuständig ist.
Wer hilft weiter?
?
Ausbildung und Beruf
51
Autofahren und Führerschein
Heutzutage ist es für viele Menschen selbstverständlich, einen
Führerschein zu haben, oftmals auch ein eigenes Auto. Doch bei
einer Erkrankung wie Diabetes mellitus sind diesbezüglich einige
Aspekte zu beachten.
52
Führerschein
Auch nach einer Krankheit (z. B. Schlaganfall, Herzinfarkt) oder
trotz einer Einschränkung (z. B. Diabetes mellitus) wollen viele
Menschen weiterhin selbstständig und mobil sein und deshalb
Auto fahren. Doch wer sich infolge körperlicher oder geistiger
Mängel nicht sicher im Verkehr bewegen kann, darf am Verkehr
nur teilnehmen, wenn er selbst Vorsorge getroffen hat, dass er
andere nicht gefährdet (§ 2 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung
(FeV)).
Die Internetseite
www.fahrerlaubnisrecht.de/Anlage%20FeV/Anlage04FeV.htm
verzeichnet häufig vorkommende Erkrankungen und Mängel, die
die Eignung zur Führung von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können. Neben den einzelnen
Erkrankungen sind mögliche Beschränkungen oder Auflagen aufgeführt (§ 11 FeV).
Ist ein Patient fahruntauglich und steuert dennoch ein
Kraftfahrzeug, macht er sich strafbar und muss für mögliche
Schäden selbst aufkommen. Bei einem Unfall muss er mit strafrechtlichen und versicherungsrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Erstantrag auf Führerschein
Der Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ist bei der
Führerscheinstelle im Landratsamt oder bei der Stadtverwaltung
zu stellen. Die Antragstellung kann auch über die Fahrschule vorgenommen werden. Bei diesem Antrag ist anzugeben, ob eine
körperliche oder geistige Einschränkung vorliegt. Dies sollte der
Antragssteller wahrheitsgemäß angeben. Die Führerscheinstelle
entscheidet dann, ob und welche Gutachten beizubringen sind
und wer diese erstellen kann.
Führerschein und
schwere Krankheit
Bei Führerscheininhabern, bei denen z. B. Diabetes mellitus diagnostiziert wurde, ist der behandelnde Arzt verpflichtet, den
Patienten auf mögliche Einschränkungen und Gefahren hinzuweisen. Der Arzt sollte den Patienten auch schriftlich bestätigen
lassen, dass er auf die Gefahr hingewiesen wurde, andernfalls
könnten Ärzte für die Kosten möglicher Unfälle haftbar gemacht
werden. Oft steht diese Empfehlung auch im Abschlussbericht
von Rehamaßnahmen.
Autofahren und Führerschein
Ob der Patient dies dann bei der zuständigen Führerschein- bzw.
Kfz-Zulassungsstelle meldet und seine Fahrtauglichkeit überprüfen lässt, bleibt diesem selbst überlassen.
Auch Fahrradfahrer, die nach einer schweren Erkrankung am
Verkehr teilnehmen und aufgrund ihres Gesundheitszustands
einen Unfall verursachen, können ihren Führerschein verlieren.
Bei entsprechendem Verdacht macht die Polizei eine Mitteilung
an die Führerscheinstelle, welche dann den Patienten auffordert,
die Fahrtauglichkeit prüfen zu lassen.
Bestehen Zweifel an der Fahrtauglichkeit, fordert die
Führerscheinstelle in der Regel ein fachärztliches Gutachten. Der
Facharzt sollte nicht der behandelnde Arzt sein.
Bestehen laut diesem Facharztgutachten noch immer Bedenken,
fordert die Führerscheinstelle ein medizinisch-psychologisches
Gutachten bzw. eine medizinisch-psychologische Untersuchung
(MPU). Die Untersuchung teilt sich in zwei Bereiche auf, den
medizinischen und den psychologischen.
Zweifel an der Fahrtauglichkeit
Medizinischer Bereich:
Körperlicher Allgemeinzustand, Sinnesfunktionen, fachärztlicher
Befund, neurologischer Befund (falls erforderlich), Medikamenteneinnahme werden berücksichtigt.
Psychologischer Bereich:
Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Orientierung, Reaktion/ Be–
lastbarkeit werden beurteilt.
Im Gespräch mit dem Arzt und Psychologen geht es um die
Einstellungen zum Straßenverkehr (Vorausschauen, Planen,
Erkennen von Gefahren), aber auch um die Fähigkeit zur
Selbsteinschätzung und den Umgang mit Schwierigkeiten.
Bei nachgewiesener Intoxikation und anderen Wirkungen von
Arzneimitteln, die die Leistungsfähigkeit zum Führen eines
Kraftfahrzeugs beeinträchtigen, ist bis zu deren völligem
Abklingen die Voraussetzung zum Führen von Kraftfahrzeugen
aller Art nicht gegeben.
Dauerbehandlung mit
Arzneimitteln
Bei Fragen helfen der behandelnde Arzt, die Führerscheinstelle,
TÜV oder DEKRA sowie Stellen, die medizinisch-psychologische
Untersuchungen durchführen.
Wer hilft weiter?
?
Autofahren und Führerschein
53
Autofahren bei
Diabetes mellitus
Grundsätzlich ist ein Arzt dazu verpflichtet, Patienten, die aufgrund ihrer Krankheit nicht Auto fahren können, darauf hinzuweisen.
Diabetiker können in der Regel Kraftfahrzeuge führen, dennoch
bilden Hypoglykämien (Unterzuckerungen) und Hyperglykämien
(Überzuckerungen) im Straßenverkehr ein potenzielles Risiko.
Deshalb sollten Diabetiker, die mit Insulin behandelt werden, zur
eigenen und zur Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer vor
und während der Fahrt einige Punkte beachten.
Vor einer Fahrt:
• Vor einer längeren Fahrt sollte der Blutzucker gemessen und
notiert werden. Im Falle eines Unfalls ist dies aus juristischen
Gründen wichtig. Dies ist die „Pflicht zur Vorsorge“ nach § 2
Fahrerlaubnisverordnung, um andere Verkehrsteilnehmer nicht
zu gefährden.
Bei Verdacht auf Hypoglykämie sollte die Fahrt dann nicht
angetreten werden.
• Grundsätzlich sollten alle 6 Monate eine augenärztliche
Untersuchung und regelmäßig ärztliche Kontrollen durchgeführt werden.
Während der Fahrt:
• Im Auto sollten immer folgende Dinge mitgeführt werden,
deren Aufbewahrungsort wenn möglich auch der Beifahrer
kennt:
schnell wirkende Kohlehydrate wie Traubenzucker oder
Würfelzucker
Blutzuckertestgerät
Diabetikerausweis
ausreichend Insulin und Spritzen
• Die gewohnte Tagesverteilung der Mahlzeiten und die
gewohnte Insulindosis beibehalten.
• Spätestens alle zwei Stunden Pause machen und Kohlehydrate
zu sich nehmen.
• Bei Verdacht auf Hypoglykämie während der Fahrt schnellstmöglich anhalten und schnell wirksame Kohlehydrate nehmen
und warten, bis der Unterzucker vorbei ist.
• Lange Nachtfahrten vermeiden.
54
Autofahren und Führerschein
Urlaub
Viele Diabetiker schrecken aus Angst vor Komplikationen vor
einem Auslandsurlaub zurück. Bei richtiger Planung muss man
sich bei der Wahl seiner Reiseziele aber nicht einschränken.
Für Auslandsreisen ein ärztliches Attest mitnehmen, das die
Diabetes mellitus-Erkrankung bescheinigt. Das erspart mögliche
Probleme an der Grenze wegen der Spritzen, Medikamente und
sonstigen Utensilien (Kopiervorlagen unter „Formulare“).
Urlaubsvorbereitung
Nahrungsbestandteile fremder Länder mit der heimischen Kost
vergleichen. Der Diabetikerbund bietet erweiterte BE-Tabellen im
Internet unter www.diabetikerbund.de an.
Für diejenigen, die sich nicht sicher genug im Umgang mit ihrer
Erkrankung fühlen, gibt es spezielle Gruppenreisen. Über den
Humburg Verlag kann ein Diabetiker-Hotel- und Reiseführer
bezogen werden: J. Humburg Verlags-GmbH, Am Hilgeskamp
51–57, 28325 Bremen, Fax: 0421 42798-99.
Reiseapotheke für Diabetiker:
• Insulin, Tabletten
• Spritzen, Kanülen, Pen, Pumpe
• Testgerät und Teststreifen für Blutzucker und Aceton
• Protokollheft
• Glucagon-Notfall-Set
• Traubenzucker, evtl. Zwischenmahlzeiten
• Diabetikerausweis mit Übersetzung in die jeweiligen
Landessprachen
• Versichertenkarte
• Auslandskrankenschein, Europäische Krankenversichertenkarte
oder Reisekrankenversicherung
• Rezept für Insulin
• Adressen von Diabetologen, internationalen Apotheken,
Konsulat und Botschaft
• Bescheinigung für Diabetiker zur Vorlage beim Einchecken am
Flughafen
• Thermoskanne oder Styroporbox
• sonstige Medikamente
• Wundsalben und Verbandmaterial
Urlaub
55
!
56
Urlaub
Praxistipp
Da ein Verlust des Gepäcks möglich ist, sollte auf jeden Fall jeweils
ein Set im Handgepäck und ein Notfall-Set im Großgepäck mitgeführt werden, bestehend aus Ersatz-Pen, Insulin, Tabletten,
Spritzen, Kanülen, Teststreifen, Ersatz-Messgerät, Traubenzucker.
Auch Typ-2-Diabetiker, die normalerweise kein Insulin benötigen,
sollten für den Fall einer Unterzuckerung ein Notfall-Set mitführen.
Aufenthalt
Während der Reise bzw. am Urlaubsort sollte der Diabetiker auf
äußere Einflüsse wie Zeitverschiebung und extreme klimatische
Belastungen achten.
• Zeitverschiebung
Bei Flugreisen Richtung Westen kommt es zu einer Verlänge–
rung des Tages. Das erfordert vielleicht eine Extradosis Insulin.
Bei Flugreisen Richtung Osten kommt es zu einer Verkürzung
des Tages. Das erfordert vielleicht einen zusätzlichen Snack
oder weniger Insulin.
• Häufiges Messen
Da sich Urlaubsaktivitäten von denen des Alltags unterscheiden, verändert sich der Insulinbedarf. Diese Schwankungen
sind nur durch häufige Messungen zu kontrollieren.
• Extremes Klima
Insulin kann bei heißem Klima schneller wirken.
Die Testergebnisse sind evtl. nicht so zuverlässig genau wie zu
Hause.
Insulin kann bei hohen Temperaturen am Körper mitgeführt
werden, aber es darf nicht direkter Sonneneinstrahlung
ausgesetzt oder in extrem heißen Räumen, z. B. Auto, ohne
Schutz aufbewahrt werden. Als Isolierung geeignet sind
entweder Thermoskannen oder Styroporboxen. Sie schützen
auch vor Frost.
• Infektionen mit Fieber
Erkrankungen können zu einer schweren Stoffwechselent–
gleisung/Ketoacidose führen. Die Symptomatik kann leicht mit
einer Magen-Darm-Infektion verwechselt werden, aber die
Vorgehensweise soll nach einem speziellem Schema (beim
behandelnden Arzt erfragen) erfolgen. Bei Infektionen benötigen Diabetiker grundsätzlich mehr Flüssigkeit und Insulin.
• Kleine Verletzungen, besonders der Füße
Bei Diabetikern können sich schon kleine Verletzungen,
z. B. Blasen oder kleine Risse, rasch entzünden und das
„diabetische Fußsyndrom“ auslösen.
Ferienfreizeiten für Kinder mit Diabetes mellitus
Verschiedene Verbände und Organisationen (z. B. diabetes-kids,
Deutscher Diabetiker Bund) bieten für Kinder betreute Ferien–
freizeiten an. Die Eltern können ihre Kinder beruhigt zu solchen
Fahrten ermutigen, denn zu einer optimalen Betreuung und Auf–
sicht kommt meist eine spezielle Diabetesschulung. In entspannter Atmosphäre können sie sich mit ihrer Erkrankung vertraut
machen. Oberste Zielsetzung bei solchen Camps ist neben der
Schulung die Vermittlung von Normalität.
Urlaub
57
Ernährung bei Diabetes mellitus
Rund 6,3 Millionen Deutsche sind an Diabetes mellitus erkrankt,
etwa 90 % davon sind übergewichtig. Übergewicht führt zu
einer Insulinresistenz, deswegen könnten viele Diabetiker durch
eine geringe Gewichtsreduktion ihre Blutzuckerwerte deutlich
verbessern. Ein Körpergewicht mit einem BMI (Body Mass
Index) von 18,5–25 kg/m2 wäre erstrebenswert. Deshalb
kommt der Ernährung bei Diabetikern eine sehr wichtige
Bedeutung zu.
Empfohlene Ernährung:
• Günstig ist eine fettreduzierte Kost, außerdem sollten tierische Fette durch pflanzliche ersetzt werden. Verzichtet werden sollte außerdem auf gesättigte Fettsäuren (gehärtete
Fette, stattdessen sollte der Anteil an mehrfach ungesättigten
Fettsäuren wie beispielsweise Omega-3-Fettsäuren in Hering
und Lachs erhöht werden.
• Wenig tierisches Eiweiß (z. B. Wurst und Fleisch)
• Reichlich Gemüse und Obst (= Vitamine)
• Vollkornprodukte
• Kohlehydrate mit viel Ballaststoffen und einem niedrigen
glykämischen Index
• Wenig Alkohol. Typ-1-Diabetiker sollten immer Kohlehydrate
mit dem Alkohol zu sich nehmen, sonst besteht
Unterzuckerungsgefahr.
• 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit am Tag trinken (Wasser, Tee,
ungesüßte Säfte).
• Mehrere kleine Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen.
• Den Tag mit einem vollwertigen Frühstück beginnen und den
Energiespeicher nach der Nacht wieder auffüllen.
• Langsam essen. Erst nach etwa 15 Minuten stellt sich ein
Sättigungsgefühl ein.
Die Teilnahme an speziellen Diabetesschulungen kann sinnvoll
sein, denn sie beinhalten unter anderem auch Ernährungs–
beratung. Adressen hierfür vermitteln Krankenkassen oder z. B.
der Deutsche Diabetiker Bund.
58
Ernährung bei Diabetes mellitus
Der glykämische Index (GI) gibt die blutzuckersteigernde Wirkung
von Kohlehydraten bzw. Nahrungsmitteln an. Lebensmittel mit
einem niedrigen glykämischen Index sind gesünder, weil sie den
Blutzucker langsam und nur leicht erhöhen, während
Lebensmittel mit einem hohen glykämischen Index den
Blutzucker rasch und hoch ansteigen lassen. Zu den
Nahrungsmitteln mit niedrigem GI gehören z.B. Vollkornprodukte,
Äpfel, Orangen, Trauben, Bohnen, Erbsen, Milch, Joghurt.
Glykämischer Index
Immer mehr Kinder sind zu dick, deshalb tritt bei Kindern und
Jugendlichen immer häufiger Typ-2-Diabetes mellitus auf,
eigentlich eine Erkrankung des höheren Lebensalters, die vor
wenigen Jahren fast nur bei älteren Menschen auftrat. Deshalb
wird befürchtet, dass diese Erkrankung bei weiter anhaltendem
Trend zum jugendlichen Übergewicht bald zur neuen
Kinderkrankheit wird. Typ-2-Diabetes mellitus wird durch falsche,
zu fettreiche Ernährung und mangelnde Bewegung verursacht bisher vor allem ein Problem der älteren Generation. Bei Kindern
und Jugendlichen mit Typ-2-Diabetes ist eine fettreduzierte
Ernährung zur Gewichtsreduktion erstrebenswert, bei Typ-1Diabetes dagegen ist eine vollwertige Ernährung sinnvoll.
Ernährung bei Kindern
und Jugendlichen
mit Diabetes mellitus
Wichtig ist für Kinder mit Diabetes mellitus und deren Eltern das
Wissen um die Wirkung von Kohlehydraten auf den Blutzucker
und das Abstimmen der Kohlehydratzufuhr auf die jeweilige
Insulintherapie. Gerade dies ist oft ein Problem bei Kindern, denn
einerseits lässt sich die Kohlehydrataufnahme nicht so genau planen und einhalten, andererseits möchten Kinder mit Diabetes
mellitus, genauso wie andere Kinder, auch einmal Süßigkeiten
essen. Doch nur bei geregelter und mit dem Insulin abgestimmter
Kohlehydratzufuhr können die Blutzuckerwerte in den wünschenswerten Bereich gebracht werden. Im Rahmen von
Diabetesschulungen können betroffene Kinder und deren Eltern
den Umgang mit der Erkrankung erlernen. Bei Diabetes mellitus
ist eine ausführliche Ernährungsberatung von besonderer
Bedeutung. Adressen von Einrichtungen, die eine solche
Ernährungsberatung anbieten, erhält man bei den Krankenkassen.
Für Kinder gilt das Gleiche wie für Erwachsene. Eine gesunde und
vollwertige Ernährung ist entscheidend für eine gute Stoff–
wechsellage. Sie sollte kohlehydratreich und fettreduziert sein,
wobei Kinder etwas mehr Fett aufnehmen dürfen. Zucker ist nicht
generell verboten, sollte aber sehr eingeschränkt und möglichst
„verpackt“ (z. B. in Kuchen) sein. Zu den Süßigkeiten gehören
auch Fruchtsäfte und zuckerhaltige Getränke.
Ernährung bei Diabetes mellitus
59
Sport bei Diabetes mellitus
Regelmäßige körperliche Aktivitäten trainieren den Kreislauf,
regen den Stoffwechsel an und tragen zu einem besseren Körperund Lebensgefühl bei. Bei Diabetikern wirkt sich Bewegung
besonders günstig auf die Stoffwechsellage aus.
Dabei ist es nicht unbedingt notwendig, sportliche Höchst–
leistungen zu vollbringen, es hilft schon:
• kürzere Wege zu Fuß zu gehen
• Fahrrad zu fahren
• Treppen zu steigen
• täglich einen Spaziergang zu machen
• regelmäßig im Garten zu arbeiten
• elektrische Geräte, z. B. den Fernseher, nicht per
Fernbedienung, sondern mit der Hand zu bedienen
Bei intensiveren sportlichen Anstrengungen sollten Diabetiker
vorher mit ihrem behandelnden Arzt sprechen. Ausdauersport ist
auf jeden Fall bestens für Diabetiker geeignet, darunter versteht
man Sportarten, die einen großen Stoffwechseleffekt haben und
über längere Zeit trainiert werden können, wie zum Beispiel
(Nordic) Walking, Joggen, Radeln. Der zusätzliche Verbrauch an
Bewegungskalorien über das Ankurbeln des Zuckerstoffwechsels
ist hier ebenso wichtig wie die Verbrennung von Fetten bei niedriger Belastungsintensität.
Typ-2-Diabetiker, die nur mit Diät eingestellt sind, brauchen
nichts Besonderes zu beachten, wenn sie mit Sport beginnen.
Tablettenpflichtige Diabetiker müssen sich bei ihrem Arzt informieren, welche Art von Medikamenten sie einnehmen, da diese
sich unterschiedlich auswirken können. Bei den einen ist keine
Anpassung nötig, andere sind vor dem Sport entweder zu reduzieren oder ganz wegzulassen.
Bei insulinpflichtigen Diabetikern führt körperliche Aktivität
zur Blutzuckersenkung. Das heißt: Vor dem Sport sollte der
Blutzucker gemessen und aus der Erfahrung heraus entschieden
werden, ob Insulin reduziert und/oder zusätzliche kohlehydratreiche Nahrung zugeführt wird. Bei extrem hohen Blutzuckerwerten
sollte auf Sport verzichtet werden.
!
Praxistipp
60
Sport bei Diabetes mellitus
Folgende Maßnahmen sollten bei Diabetes mellitus beachtet
werden:
• Blutzuckermessgerät und -teststreifen, Acetonstreifen, Insulin,
ausreichend Sport-Zwischenmahlzeiten und Getränke sollten
immer mitgenommen werden.
• Vor Beginn der sportlichen Betätigung Blutzucker messen.
• Bei niedrigen Blutzuckerwerten noch BE zuführen, bei zu
hohen Werten erst einen Aceton-Test durchführen. Bei positivem Aceton darf auf keinen Fall mit Sport begonnen werden,
da die Gefahr einer Stoffwechselentgleisung (Ketoacidose)
besteht.
• Bei Anzeichen einer Unterzuckerung (Zittern, Herzklopfen,
Herzrasen, Angst, kalter Schweiß, Müdigkeit, plötzlicher
Leistungseinbruch) den Sport sofort unterbrechen und einen
Blutzuckertest durchführen. Notfalls eine ausreichende Menge
von schnell wirksamen Kohlehydraten wie z.B. Traubenzucker,
Kekse oder Früchte zuführen.
• Nach einer Ausdauerbelastung kann die
Insulinempfindlichkeit noch bis zu 24 Stunden erhöht sein.
Deswegen regelmäßig den Blutzucker kontrollieren.
Die Zahl übergewichtiger Kinder in Deutschland hat sich in den
letzten 20 Jahren fast verdoppelt. Die tägliche Kalorienaufnahme
bestimmt als wesentlicher Faktor das Körpergewicht. In Bezug auf
die Regulation des Körpergewichts hat die Bewegung und vor
allem Sport den gleichen Stellenwert wie Essen und Trinken. Auch
hier gilt wieder das Gleiche wie bei den Erwachsenen: Regel–
mäßige Bewegung wirkt sich positiv auf die Stoffwechsellage aus.
Kinder und Jugendliche mit Typ-2-Diabetes sollten Sport treiben,
um ihr Gewicht zu reduzieren.
Sport bei Kindern mit
Diabetes mellitus
Allerdings müssen die Kinder und Jugendlichen mit Typ-1Diabetes lernen, die erforderlichen Anpassungen der Insulindosis
und der Kohlehydratmenge vorzunehmen. Unterzuckersymptome
bei sportlicher Betätigung müssen erkannt werden und die Kinder
sollten richtig darauf reagieren können.
Im Kindergarten sollten zuckerhaltige Nahrungsmittel wie
Traubenzucker oder Fruchtsaftgetränke vorrätig sein bzw. von
den Eltern mitgegeben werden. Auch die Erzieherinnen im
Kindergarten, sollten von der Diabeteserkrankung des Kindes
unterrichtet sein.
Kinder mit Diabetes mellitus können auch ohne Leistungs–
einschränkungen am Schulsport teilnehmen. Auch hier gilt: Vor
dem Schulsport sollte das Kind seinen Blutzuckerwert messen und
gegebenenfalls zusätzlich etwas essen.
Erzieherinnen und Lehrer sollten unbedingt eine Unterzuckerung
erkennen können und selbst ein Päckchen Traubenzucker dabei
haben, um dies dem Kind in so einem Fall schnell zu verabreichen.
Trinken ist bei sportlicher Betätigung unverzichtbar, da die
Flüssigkeit, die man dabei verliert, schnell ersetzt werden sollte.
Sport bei Diabetes mellitus
61
Adressen
Bundesgeschäftsstelle Deutscher Diabetiker Bund e.V.
Goethestr. 27
34119 Kassel
Telefon 0561 7034770
Fax 0561 7034771
E-Mail: [email protected]
www.diabetikerbund.de
Geschäftsstelle der Deutschen Diabetiker Gesellschaft
Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil
Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum
Telefon 0234 97889 0
Fax 0234 97889 21
E-Mail: [email protected]
www.ddg.info
Internetportale
mit Informationen, Datenbanken und Diskussionsforen:
www.diabetes.de
www.diabetes-world.net
www.diabetes-forum.com
www.diabetes-gate.de
www.diabetes-kids.de
62
Adressen
Formulare
Selbst gut eingestellte Diabetiker müssen immer mit Kompli–
kationen rechnen, deshalb ist es sinnvoll, einen DiabetikerNotfallausweis mitzuführen.
Dem Diabetiker-Notfallausweis ist zu entnehmen, dass der
Inhaber an Diabetes mellitus erkrankt ist. Zusätzlich sind seine
Medikamente und nötige Hinweise zu Sofortmaßnahmen im Falle
einer Hypoglykämie aufgeführt. Außerdem können die Adressen
von Familienangehörigen und dem behandelndem Arzt angegeben werden. Er ist in verschiedenen Sprachen erhältlich.
Zu beziehen bei:
Deutscher Diabetiker Bund (DDB) e.V
Telefon 0561 7034770 (Europäischer Diabetes-Notfallausweis)
Notfallausweis
Diabetiker-Ausweis-Wortlaut (deutsch)
Ich bin zuckerkrank und werde mit
behandelt. Im Fall von Unwohlsein, anormalem Verhalten oder
Bewusstseinsverlust geben Sie mir bitte mehrere Stücke Zucker zu
essen, Bonbons, Brot oder ein sehr süßes Getränk. Wenn ich nicht
schlucken kann oder nicht sehr schnell zu mir komme, sollte man
mir umgehend Glukagon injizieren. Dazu benachrichtigen Sie
meine Familie oder einen Arzt oder lassen Sie mich sofort ins
Krankenhaus bringen.
Diabetiker-Ausweis-Wortlaut (englisch)
I am a diabetic, and am being treated with insuline. If I seem to
be ill, behave abnormally, or lose consciousness, please give me
several lumps of sugar to eat, sweets, bread, or something very
sweet to drink. If I can't swallow or if I don't regain consciousness
quickly, I need an immediate glucagon injection, so please get in
touch with a doctor or have me taken to hospital.
Notfallausweis-Wortlaut für Pumpenträger (deutsch)
Ich bin zuckerkrank und werde per Insulinpumpe mit Insulin versorgt. Im Fall von Unwohlsein, anormalem Verhalten oder
Bewusstseinsverlust unterbrechen Sie die Insulinzufuhr durch
meinen Katheter an Bauch, Bein oder Hüfte und geben Sie mir
bitte mehrere Stücke Zucker zu essen, Bonbons, Brot oder ein sehr
süßes und zuckerhaltiges Getränk. Wenn ich nicht schlucken kann
oder nicht sehr schnell zu mir komme, sollte man mir umgehend
Glukagon injizieren. Dazu benachrichtigen Sie meine Familie oder
einen Arzt oder lassen Sie mich sofort ins Krankenhaus bringen.
Notfallausweis für
Pumpenträger
Formulare
63
Notfallausweis-Wortlaut für Pumpenträger (englisch)
I’m diabetic and I’m using an insulin pump. If I seem to be ill,
behave abnormally, or lose consciousness, please stop the insulin
supply through my catheter at abdomen, bone or haunch and
please give me several lumps of sugar to eat, sweets, bread, or a
very sweet drink. If I can't swallow or if I don't regain consciousness quickly, I need an immediate glucagon injection, so please
get in touch with my family or a doctor or take me to hospital
immediately.
Gesundheitspass
Diabetes mellitus
In diesem Pass können individuelle Therapieziele, Messwerte und
Untersuchungstermine der Patienten eingetragen werden. Für
Reisen in anderssprachige Länder gibt es den Diabetiker-Reise–
ausweis mit Angaben der Krankheit, auch in verschiedenen
Sprachen.
Zu beziehen bei:
Kirchheim Verlag
Kaiserstr. 41
55116 Mainz
Telefon 06131 960
Ärztliche Atteste für
die Zollkontrolle
Für Diabetiker, die in die USA oder auch andere Länder einreisen
möchten, ist ein englischsprachiges Attest vom Hausarzt sehr
nützlich, vor allem wenn sie Spritzen, Pen und Insulinampullen
mitführen.
Musteratteste in englischer Sprache können bei www.diabetesline.de heruntergeladen werden:
• Ärztliches Attest-Muster für die Zollkontrollen, wenn Insulin
gespritzt wird(englisch)
• Ärztliches Attest-Muster für die Zollkontrollen, wenn eine
Insulinpumpe benutzt wird (englisch)
64
Formulare
Ärztliches Attest-Muster für die Zollkontrolle
(Insulin)
Name und Adresse des Arztes/
Doctor’s name and address
Ort und Datum/
Place and date
To whom it may concern
This is to certify that
Mrs./Mr.
born on
,
is an insulin-dependent diabetic patient.
The therapy of the patient includes the injection of insulin and
blood glucose monitoring at a regular basis.
To assure the therapy syringes, needles, insulin vials, blood
glucose monitoring devices and test strips are required.
Lack of access to these things would threaten the patient's life
within a short period of time, and therefore permanent access is
necessary.
Name und Unterschrift des Arztes /
Doctor’s name and signature
Formulare
65
Ärztliches Attest-Muster für die Zollkontrolle
(Insulinpumpe)
Name und Adresse des Arztes/
Doctor’s name and address
Ort und Datum/
Place and date
To whom it may concern
This is to certify that
Mrs./Mr.
born on
,
is an insulin-dependent diabetic patient.
The patient has to carry a small pump that delivers insulin via a
thin catheter subcutaneously.
In addition to this pump the patient has to have syringes,
needles, insulin vials, blood glucose monitoring devices and test
strips in his luggage.
Lack of access to these things would threaten the patient's life
within a short period of time, and therefore permanent access is
necessary.
Name und Unterschrift des Arztes /
Doctor’s name and signature
66
Formulare
Für eigene Notizen
Für eigene Notizen
67
Impressum
Herausgeber
betapharm Arzneimittel GmbH
Kobelweg 95, 86156 Augsburg
Telefon 0821 748810, Telefax 0821 74 881420
Redaktion
beta Institut für sozialmedizinische Forschung
und Entwicklung gGmbH
Beate Hollmann-Lachmair
Kobelweg 95, 86156 Augsburg
Leitung
Tanja Güntner
Autoren und Herausgeber übernehmen keine Haftung für die
Richtigkeit der Angaben in dieser Broschüre.
Die Rechengrößen der Sozialversicherung für 2006 wurden zum
Zeitpunkt der Drucklegung noch nicht vom Bundesrat genehmigt. Deshalb sind die Zahlenangaben als „voraussichtlich” zu
betrachten.
November 2005
68
Impressum
Kompetenz im Umgang mit
Diabetes Typ I
Wir entwickeln, evaluieren und implementieren seit sechs Jahren Angebote
für Kinder und Jugendliche mit Diabetes. Unsere Anliegen sind:
Aufbau einer psychosozialen Versorgung in der Klinik
Die Diagnose Diabetes kann zu enormen Belastungen bei den jungen
Patienten und ihren Familien führen. Kliniken sollten in dieser Situation
eine psychosoziale Versorgung sicherstellen können.
Sozialmedizinische Nachsorge im Übergang und danach
Die Nachsorge unterstützt belastete Familien am Übergang von der Klinik
nach Hause und in der ersten Zeit daheim, um mit den durch Diabetes veränderten Umständen zurechtzukommen. Eingesetzt wird die Methode Case
Management, im Fokus stehen die individuelle psychologische und sozialrechtliche Beratung.
Ambulante Patientengruppenschulungen
Der tagtägliche Umgang mit Diabetes erfordert Wissen und Fertigkeiten.
Die Patienten und ihre Familien müssen die Krankheit im Alltag bewältigen,
sie akzeptieren und mit den Einschränkungen zurecht kommen.
Ambulante Patientengruppenschulungen können hier weiterhelfen.
Aufbau von Psychotherapie
Für die kleine Gruppe der Patienten, die so stark belastet ist, dass eine
Gruppenschulung diese Belastungen nicht wirksam reduzieren kann.
Versorgungsforschung: Lebensqualität bei Kleinkindern
Zudem untersucht das beta Institut in Kooperation mit dem südbayerischen
Qualitätszirkel die Lebensqualität von Kleinkindern (0 – 6 Jahre) mit
Diabetes, in Abhängigkeit von der Zahl der täglichen Insulininjektionen.
Das beta Institut unterstützt Sie
• beim Aufbau von Nachsorge
• und bei der Implementierung von Nachsorge.
• Wir bieten Hospitationsmöglichkeiten für angehende
Psychodiabetologen bzw. Fachpsychologen Diabetes.
Gemeinnütziges Institut für angewandtes Gesundheitsmanagement, Entwicklung und Forschung in der Sozialmedizin
Mehr Informationen unter www.beta-institut.de
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