1 Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) und der Gesellschaft für Virologie (GfV) zur Gestaltung des Unterrichts gemäß neuer Approbationsordnung. Die neue Approbationsordnung liegt bislang nur als Entwurf vor. Selbst eine völlige Umgestaltung scheint noch möglich zu sein. Dennoch sind die Vorstände der DGHM und der GfV der Auffassung, dass man schon jetzt die Kollegenschaft darauf vorbereiten sollte, der künftigen Gestaltung des Unterrichts, die weit gehend in der Hand der einzelnen Fakultäten liegen wird, Aufmerksamkeit zu schenken. Wir sind der Meinung, dass in Hinblick auf das Ausbildungsziel dieser Unterricht problemorientiert und fächerübergreifend und deshalb gemeinsam konzipiert werden sollte. Im folgenden verstehen wir unter Medizinischer Mikrobiologie die Fächer: Bakteriologie, Virologie, Mykologie und Parasitologie in ihrem medizinischen und klinischpraktischen Bezug. Es geht dabei vor allem um eine Empfehlung für den Umfang der Unterrichtszeiten, den man bei künftigen Beratungen in den Fakultäten für unsere Fächer fordern muß und deren Begründung. Diese Stellungnahme will den Kollegen bei den Verhandlungen mit ihren Fakultäten Anregungen geben. Sie sollen kein “verbindlicher” Stoffkatalog für den Unterrricht an den einzelnen Universitäten sein. Der Vorteil der Paradigmenwahl durch die einzelnen Unterrichtsverantwortlichen, den die neue Approbationsordnung vorsieht, mit einer auf diese Paradigmen bezogenen Auswahl des Prüfungsstoffes, sollte nicht verwässert werden. Auch die Frage, wie man künftig den Unterricht gestaltet, gemeinsam, getrennt, verschachtelt, ob Blockunterricht oder nicht usw., ist nicht Gegenstand dieser Empfehlung. Die Unterrichtsgestaltung jedoch sollte von den vor Ort beteiligten Kolleginnen und Kollegen der Medizinischen Mikrobiologie, Virologie, ggfs. der Hygiene, Immunologie und Transfusionsmedizin unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Interessenlage gemeinsam konzipiert werden. Wenn wir dennoch einige inhaltliche Vorschläge machen, dann lediglich als Argumente für die künftigen Verhandlungen. In dem jetzt vorliegenden Entwurf einer neuen Approbationsordnung müssen wir als Medizinische Mikrobiologen in folgenden Bereichen unterrichten: 2 1. Abschnitt (Vorklinik): Der Unterricht in der Vorklinik wird im großen und ganzen wie bisher ohne Beteiligung der klinisch/ theoretischen und klinischen Fächer erfolgen, anders als es die ersten Entwürfe vorsahen. Er wird mit einer schriftlichen Prüfung nach dem “multiple choice” Verfahren nach Maßgabe des Stoffkatalogs des Mainzer Prüfungsamtes und der von ihm erstellten Prüfungsfragen wie bisher abgeschlossen. Es wird jedoch den einzelnen Fakultäten überlassen bleiben, ob sie im Fache Biologie für Mediziner Vorlesungen über Allgemeine Medizinische Mikrobiologie verbindlich und prüfungspflichtig aufnehmen. In diesen Fällen müßten der Stoffkatalog des Mainzer Prüfungsamtes entsprechend modifiziert und auch Prüfungsfragen formuliert werden. Wir würden die Aufnahme einer Vorlesung über Allgemeine Medizinische Mikrobiologie innerhalb der Vorlesung “Biologie für Mediziner” begrüßen. Wir empfehlen einen Gesamtumfang von 15 Stunden pro Semester. Wir möchten zu bedenken geben, dass • im Umfeld der vorklinischen Fächer die “Allgemeine Medizinische Mikrobiologie” gut aufgehoben ist. Es werden einserseits Bezüge zur Biochemie hergestellt, zum andern werden die Studierenden mit der molekularbiologischen Nomenklatur unseres Faches vertraut gemacht. • der medizinische Charakter der vorklinischen Ausbildung verstärkt wird. Die “Allgemeine Medizinische Mikrobiologie” bietet hierfür gute Paradigmen. • die Verlagerung der “Allgemeinen Medizinischen Mikrobiologie” in die Vorklinik den Unterricht in den klinischen Semestern von einem Stoff entlastet, der von den Studenten nach dem Physikum als zu theoretisch empfunden wird. Stoffkatalog: s. Anlage 1 2. Abschnitt: In den ersten klinischen Semestern ist Unterricht in “Medizinischer Mikrobiologie” (einschl. Bakteriologie, Virologie, Mykologie, Parasitologie und Infektionsimmunologie) vorgesehen. Die Approbationsordnung überläßt die Frage, ob wie bisher in Vorlesung und Praktikum unterrichtet wird, den einzelnen Fakultäten. Auf jeden Fall ist ein Leistungsnachweis der in das Staatsexamen eingeht, im Anschluß an die Unterrichtsveranstaltung durchzuführen. Wir empfehlen, wie bisher Vorlesungen und Praktikum durchzuführen und sich dafür einzusetzen. 3 Insgesamt veranschlagen wir 72 Vorlesungsstunden und 40 Stunden für das Praktikum. Die Inhalte lehnen sich an den aktuellen Gegenstandskatalog für diesen Studienabschnitt an. Stoffkatalog: s. Anlagen 2 und 3 3. Querschnittsbereiche: Medizinische Mikrobiologie ist ferner in den Querschnittsbereichen 4: Infektiologie und Immunologie und 10: Gesundheitsfürorge und Prävention zu unterrichten. 3a. Infektiologie und Immunologie: Die Gestaltung dieses Teils betritt Neuland. Es liegen von Ausnahmen abgesehen ( z.B. Göttingen, Ulm) kaum Erfahrungen vor. Letztlich geht es hier um eine Art klinische Visite mit Beteiligung u.a. der Kliniker, der Mikrobiologen, der Immunologen, der Hygieniker, Pathologen, Pathophysiologen und Pharmakologen. Wir empfehlen, dass im Rahmen dieser Unterrichtsveranstaltung mindestens 10 mikrobiell bedingte Infektionskrankheiten, darunter 3 virale Infektionen, vorgestellt und gemeinsam analysiert werden sollten Stoffkatalog: s. Anlage 4 3b. Gesundheitsfürsorge und Prävention: In diesem Bereich muß aus unserer Sicht ein Kurs über Schutzimpfungen durchgeführt werden, der 14 Stunden umfassen sollte. Schutzimpfungen gewinnen immer größere Bedeutung. Die Erteilung von Zertifikaten wie in den USA wird auch bei uns kommen. Ferner muß die Medizinische Mikrobiologie auch an krankenhaushygienische Fragen beteiligt werden. Nosokomiale Infektionen belasten in zunehmendem Maße die Budgets der Krankenhäuser. Wir schlagen für unsere Beteiligung eine Gesamtzahl von 6 Stunden für diesen Studienabschnitt vor. Stoffkatalog: Anlage 5 4. Wahlfächer: Die neue Approbationsordnung sieht sog. Wahlfächer vor. Im Hinblick auf das spezielle berufliche Interesse der Studenten korrespondieren diese Wahlfächer mit künftigen Gebietsbezeichnungen für Fachärzte, also z.B. mit er Gebietsbezeichnung 4 Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie. Es wäre ein gemeinsames Curriculum zu erstellen (4a). Außerdem können die Fakultäten auch unabhängig von Gebietsbezeichnungen Wahlfächer definieren, z.B. das Wahlfach Virologie (4b). Wir empfehlen, ein Curriculum zu erarbeiten, das mit der Facharztgebietsbezeichnung korrespondiert. Stoffkatalog: Anlage 6 Wir möchten bei dieser Gelegenheit ausdrücklich auf die Bedeutung der Infektionskrankheiten für die Gesundheit der Bevölkerung hinweisen, nachdem sich zunehmend sogenannte “Zivilisationsskrankheiten” als Infektionskrankheiten entpuppen. Dem hat die Lehre bei den Ausbildung insbesondere von Ärztinnen und Ärzten, aber auch von Studierenden der Zahnmedizin und der Veterinärmedizin Rechnung zu tragen. Ein hohes Engagement der Hochschullehrer aber auch der Hochschulträger ist deshalb erforderlich. Die Deutsche Gesellschaft für Immunologie, die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Umweltmedizin sowie alle an mikrobiologisch-infektiologischen Problemen interessierten Fachgesellschaften werden von uns aufgefordert, sich an diesem integrierten Unterrichtskonzept zu beteiligen. Mit der Ausarbeitung beauftragt: Für die DGHM: Für die GfV: Prof. Dr. E. Straube/ Jena Prof. Dr. R. Thomssen/ Göttingen Der Präsident der DGHM: Der Präsident der GfV: Prof. Dr. G. Peters / Münster Prof. Dr. D. Klenk / Marburg 5 Anlage 1: Vorlesung vorklinischer Abschnitt: Gegenstände der Allgemeinen Medizinischen Mikrobiologie im Rahmen eines für insgesamt 15 Vorlesungsstunden konzipierten Unterrichtsprogramm im ersten Abschnitt 1. Begriff Krankheitserreger; Normalflora; Henle-Koch-Postulate; Krankheiten durch mikrobielle Produkte 2. Struktureller Aufbau von Krankheitserregern: Viren: Genomstruktur; Virushülle; Taxonomie; Variabilität; Phagen; Prionen; Viroide Bakterien: Nukleoid; Plasmide; Ribosomen; Sporen; Zellwand; Geisseln; Fimbrien/Adhäsine Eukaryonten: Pilze; Protozoen; Helminthen Kapsel; 3. Replikation/Vermehrung von Krankheitserregern: Viren: Replikation der Nukleinsäure; Rekombination; Produktion und Prozessierung viraler Proteine; Reassembling; Ausschleusung Bakterien: Vermehrungskinetik; extra-und intrazelluläre Bakterien; Übertragung und Austausch genetischen Materials; 4. Pathogenese: Adhärenz; Kolonisierung; Internalisierung; Signaltransduktion; Uncoding; Toxine; Zielzellen; Organotropie; Ausbreitung im Organismus; Agressions-/Subversionsstrategien der Krankheitserreger; Zell- und Gewebsschädigung durch Erreger; Zell- und Gewebsschädigung durch die Wirtsabwehr; Erregerpersistenz; onkogene Transformation; Expressionssteuerung; Phasenwechsel; Pathogenitätsinseln 5. Prinzipien der Diagnostik erregerbedingter Krankheiten: Klinische Untersuchung; Anamnese; Nachweis des relevanten Erregers; Nachweis von Antikörpern 6. Prinzipien der Therapie erregerbedingter Krankheiten: Wirkprinzipien von Antiinfektiva; Prinzipien des Einsatzes von Antiinfektiva; Resistenz gegen antimikrobielle Substanzen; 7. Prinzipien der Prophylaxe erregerbedingter Krankheiten: Antiepidemische Massnahmen: aktive / passive Immunprophylaxe 8. Epidemiologische Grundbegriffe bei erregerbedingten Krankheiten 9. ”Neue” mikrobielle Krankheitserreger; Grundlagen der Erfolge bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten Als Paradigmen könnten zwei typische Infektionskranheiten, wie Diphtherie und Poliomyelitis dienen. 6 Anlage 2: Vorlesung klinischer Abschnitt: Der Gegenstandskatalog des Mainzer Prüfungsamtes ”Medizinische Mikrobiologie” gegliedert in Mikrobiologie ( Abschnitt 9) und Virologie ( Abschnitt 10) erscheint nach Modernisierung ( z.Zt. in Arbeit) als eine ausreichende Grundlage für das Lehrangebot. 7 Anlage 3: Praktikum: Praktikum der Medizinischen Mikrobiologie Ein adäquates Praktikum, das die klinischen Aspekte der Bakteriologie, Virologie Mykologie, Parasitologie und Infektionsimmunologie berücksichtigen soll, benötigt nach Auffassung der Fachgesellschaften mindestens ein Volumen von 40 Stunden und bietet in besonderer Weise die Möglichkeit, die oben genannten Teilbereiche fächerübergreifend und problemorientiert darzustellen. Den einzelnen Praktikumsabschnitten sollte eine seminaristische Einführung von jeweils einer vollen Stunde vorausgehen. Themen der einzelnen Praktikumsabschnitte können z.B. sein: 1. Prinzipien und Durchführung mikrobiologischer Diagnostik 2. Wundinfektionen, Sepsis 3. Infektionen des Gastrointestinaltraktes 4. Infektionen des Urogenitaltraktes 5. Infektionen des oberen Respirationstraktes, Diphtherie 6. Infektionen des tiefen Respirationstraktes, Pneumonie, Tuberkulose, 7. Infektionen des Zentralnervensystems 8. Diaplazentar übertragbare Infektionen 9. Sexuell übertragbare Krankheiten, AIDS 10. Nosokomiale Infektionen 11. Antimikrobielle und antivirale Chemotherapie Neben der Demonstration von Kulturen und Präparaten entsprechender Krankheitserreger sowie einschlägiger Untersuchungsprozeduren sollten die Studierenden selbst Infektionserreger kultivieren, isolieren, mit den gängigen Verfahren färben und typisieren (Koloniemorphologie, biochemische und serologische Typisierung, Antibiotikaempfindlichkeit). Es sollten Viren auf Zellkulturen angezüchtet und mittels Neutralisationstest oder anderer Verfahren typisiert werden. Dabei sollten insbesondere Nachweismethoden von Infektionserregern durchgeführt und kritisch bewertet werden, die dem praktisch tätigen Arzt unmittelbar zur Verfügung stehen können (z. B.: Gram-Präparat, Trocken-ELISA zum orientierenden Nachweis von Krankheitserregern, direkte Immunfluoreszenz zum Nachweis viraler oder bakterieller Infektionserreger, Blutausstrich zum Malarianachweis, Parasitennachweis im Nativpräparat). Darüber hinaus sollten sich die Praktikumsteilnehmer im Rahmen der oben genannten Themen gegenseitig Material abnehmen und untersuchen. Dazu gehören z.B. Rachenabstriche zur bakteriologischen Untersuchung oder zum Nachweis von EBV in der PCR (Viruspersistenz), eine bakteriologische Urinuntersuchung oder die Untersuchung der Seren der Praktikumsteilnehmer zum Nachweis von Antikörpern gegen virale(z.B.: Hepatitis A, B, CMV) oder bakterielle (z.B.: ASR, Tetanus-Antitoxin) Antigene mit Hilfe verschiedener Techniken 8 Anlage 4: Querschnittsbereich 4: Infektiologie und Immunologie: Wir sollten erreichen, dass die Studierenden in diesem Rahmen wenigstens 10 mikrobiell bedingte Krankheitsbilder sehen und mit den Kollegen aus den zuständigen Fächern diskutieren. Geeignete Erkrankungen sind z.B. Sepsis, Malaria, Meningitis, Pneumonie, Harnwegsinfektion, Intestinale Erkrankungen einschl. Virushepatitiden, AIDS, infektiöse Mononukleose, Wundinfektion oder Infektionen bei Patienten nach Transplantation etc... Differentialdiagnose ist Thema! Der paradigmatische Wert mikrobiologischer Denkweise ist vor dem Hintergrund des Fehlens der ”Infektiologie” in Deutschland- auch auch für Kliniker gar nicht zu überschätzen. 9 Anlage 5: Querschnittsbereich 10: Gesundheitsfürsorge und Prävention: Von der STIKO empfohlene Schutzimpfungen gegen: Poliomyelitis, Mumps, Masern, Röteln; Diphtherie Tetanus Keuchhusten, Haemophilus influenzae Typ b, Hepatitis B Indikationsimpfungen: Influenza, FSME, Hepatitis A und B, Varizellen, Tollwut, Gelbfieber, Japanische Enzephalitis, Arenaviren, Meningokokken, Pneumokokken; Cholera; Typhus, BCG Impfstrategien, Impfstoffe, Indikationen/Kontraindikationen, Durchführung/Kontrolle, Nebenwirkungen, Impfschäden, Organisation von Impfungen. Im Bereich der Krankenhaushygiene sollte insbesondere auf die Vorbeugung oder das Management von Infektionen mit multiresistenten Bakterien (MRSA, multiresistenten Pseudomonas-Stämme, Vancomycin-resistente Enterokokken), auf Infektionen mit CMV, - mit Aspergillus spp. und auf Hepatitis C eingegangen werden. 10 Anlage 6: Wahlfächer ”Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie” und ”Virologie” Die Wahlfächer sollten durch ein 2-4 wöchentliches Blockpraktikum vorzugsweise in den diagnostischen Laboratorien der entsprechenden Einrichtungen durchgeführt werden. Dabei sollten die Studierenden nicht nur Einblicke in die Routineaufgaben und Diagnosestrategien der jeweiligen Labore gewinnen, sondern auch Gelegenheit haben an den klinisch mikrobiologischen Beratungen mit den Klinikern teilzunehmen. Zum Abschluß dieses Praktikums sollten die Studierenden im Rahmen eines Institutskolloquiums einen Vortrag (30 Min.) zu einem Thema aus dem jeweiligen Tätigkeitsfeld halten. Alternativ dazu sollten auch forschungsorientierte Praktika angeboten werden, die als Blockpraktikum mindestens vier Wochen dauern. Dabei sollten die Studierenden eine eigenständige Aufgabe im Rahmen der laufenden Forschungsprogramme erhalten (analog zum Großpraktikum in der Biologie) und anschließend in einem Institutskolloquium über die erreichten Ergebnisse berichten.